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1986-04-05 14:21:00
2025-06-26 12:29:25
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CDU-Ministerpräsident Günther räumt Versäumnisse der Union ein
CDU-Politiker Günther hat seine Partei mitveranwortlich für die "herausfordernde Stimmung" im Land gemacht. Es habe in den vergangenen 16 Jahren Versäumnisse seitens der Union gegeben. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hat eine Mitverantwortung der Union für die derzeitige Stimmung in Deutschland eingeräumt. Die Leute machten sich Gedanken um die wirtschaftliche Zukunft und das Thema Migration, gleichzeitig fehlten Arbeitskräfte, und die Bürokratie lähme vieles, sagte der CDU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung". Wegen der "Erklärungsarmut des Bundeskanzlers" werde das wie durch ein Brennglas wahrgenommen, sagte er mit Blick auf Olaf Scholz. "Aber auch wir als Union haben unseren Anteil daran, dass Deutschland nun in kurzer Zeit dramatische Veränderungen herbeiführen muss, weil wir in den letzten 16 Jahren auch nicht alles auf den Weg gebracht haben, was erforderlich gewesen wäre", fügte Günther hinzu. Günther: Union darf nicht nur kritisieren "Wir haben gerade eine herausfordernde Stimmung in Deutschland", erklärte er. "Nach den Corona-Jahren kam gleich die nächste Krise: Krieg in Europa", sagte er mit Blick auf die von Russland angegriffene Ukraine. "Jetzt der Nahost-Konflikt mit den Gräueltaten der Hamas, der auch Auswirkungen bei uns im Land hat. Das alles gepaart mit einer Regierung, die gerade wirklich hoffnungslos zerstritten ist und nicht das Gefühl vermittelt, dass sie diese Krisen gut managen kann", so Günther über die Ampel-Regierung. Deswegen sehe er die Union in der Pflicht, mitzuhelfen. "Die Leute mögen den Streit in der Ampel nicht, und sie honorieren auch nicht, wenn die Union sich damit begnügt, zu kritisieren. Deswegen machen wir ja auch Angebote; beispielsweise hat die Union beim Thema Migration einige Vorschläge auf den Tisch gelegt", sagte Günther. Neues CDU-Grundsatzprogramm Die CDU-Spitze diskutiert heute erstmals in großer Runde über den Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm. Das Papier war am Mittwoch nach Angaben von Parteichef Friedrich Merz in einer 15-stündigen internen Diskussion der Kommission fertiggestellt worden. Es soll nun zunächst dem Präsidium der Partei und danach dem größeren Vorstand vorgelegt werden. Anschließend soll es der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Offiziell soll das neue Grundsatzprogramm bei einer Klausur am 12. und 13. Januar in Heidelberg vom Vorstand beschlossen werden. Danach soll der Entwurf mit den Mitgliedern diskutiert und dann von den 1.001 Delegierten auf dem Parteitag im Mai verabschiedet werden. Die CDU hatte den Prozess zu einem neuen Grundsatzprogramm nach dem Machtverlust bei der Bundestagswahl 2021 angestoßen. Das aktuelle Grundsatzprogramm stammt aus dem Jahr 2007. Nach der Sitzung der Grundsatzkommission war Stillschweigen über den Inhalt des Entwurfs vereinbart worden. Es dürfte unter anderem Forderungen von Merz und anderen wie die nach einer kapitalgedeckten Altersvorsorge als weitere Säule neben der gesetzlichen Rente, nach einem Festhalten an der Kernkraft sowie nach Migrationsabkommen mit Drittländern enthalten.
CDU-Politiker Günther hat seine Partei mitveranwortlich für die "herausfordernde Stimmung" im Land gemacht. Es habe in den vergangenen 16 Jahren Versäumnisse seitens der Union gegeben.
[ "CDU", "Grundsatzprogramm", "Daniel Günther" ]
Inland
Innenpolitik
2023-12-11T06:17:15.126Z
2023-12-11T15:04:40.086Z
https://www.tagesschau.de//inland/innenpolitik/cdu-guenther-grundsatzprogramm-ampelkoalition-100.html
Ukraine-Krieg: Russland bestätigt Untergang der "Moskau"
Der angeschlagene russische Raketenkreuzer "Moskau" ist nach Angaben des Moskauer Verteidigungsministeriums gesunken. Noch ist unklar, ob der Verlust die Folge eines Feuers an Bord oder eines ukrainischen Angriffs ist. Der Lenkwaffenkreuzer "Moskau" ist gesunken. Das Flaggschiff der Schwarzmeerflotte sei während eines Sturms untergegangen, als es an sein Ziel geschleppt wurde, berichtete die Staatsagentur Tass unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium. Ein Abschleppen sei notwendig geworden, da das Schiff seine Stabilität aufgrund von Schäden am Rumpf verloren habe, der während eines Brandes durch die Detonation von Munition beschädigt worden sei. Bei stürmischer See sei das Schiff dann gesunken. Die Besatzung des Schiffes sei zuvor vollständig auf andere Schiffe der Schwarzmeerflotte in der Gegend evakuiert worden. Russland und Ukraine stellen Havarie unterschiedlich dar Zu den Ursachen der Schäden an der "Moskau" wiederholte das russische Verteidigungsministerium am Abend seine Darstellung, dass Munition an Bord explodiert sei. Durch das anschließende Feuer sei der Rumpf beschädigt worden. Dies habe dann zum Untergang geführt. Das Moskauer Verteidigungsministerium äußerte sich allerdings weiterhin nicht dazu, wie die Explosion ausgelöst wurde. Zuvor hatte es erklärt, es lasse die Ursache der Detonation untersuchen. Der Sprecher der ukrainischen Armee in der Hafenstadt Odessa, Sergej Bratschuk, hatte hingegen mitgeteilt, die "Moskau" sei von ukrainischen Raketen vom Typ "Neptun" getroffen worden, was Russland aber abstritt. "Schweren Schlag" für russische Marine Die "Moskwa" war das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte. Die US-Regierung bezeichnete den Untergang des Schiffs als "schweren Schlag" für die russische Marine. Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, sagte, der Untergang der "Moskau" werde "Konsequenzen" für die Einsatzfähigkeiten der russischen Marine in der Region haben. Der mit Raketen ausgerüstete Kreuzer habe eine "Schlüsselrolle" in den Bemühungen Russlands gespielt, eine "Dominanz seiner Marine im Schwarzen Meer" herzustellen, sagte Kirby dem US-Sender CNN. Der Kreuzer kann 16 Langstrecken-Marschflugkörper transportieren. An Bord befinden sich üblicherweise rund 500 Besatzungsmitglieder. Bis Sonntag lag die "Moskau" noch im Hafen von Sewastopol auf der Krim, wie Satellitenfotos zeigen.
tagesschau.de
Der angeschlagene russische Raketenkreuzer "Moskau" ist nach Angaben des Moskauer Verteidigungsministeriums gesunken. Noch ist unklar, ob der Verlust die Folge eines Feuers an Bord oder eines ukrainischen Angriffs ist.
[ "Moskwa", "Raketenkreuzer", "Ukraine", "Ukraine-Krieg", "Moskau" ]
Ausland
Europa
2022-04-14T20:31:21.011Z
2023-07-08T13:23:15.942Z
https://www.tagesschau.de//ausland/europa/raketenkreuzer-moskwa-gesunken-101.html
Vor Demo gegen Antisemitismus: Streit statt Einigkeit in Paris
In Paris werden Zehntausende Menschen zu einem Marsch gegen Antisemitismus erwartet. Doch was als Symbol der Einheit gedacht war, sorgte im Vorfeld für massiven politischen Streit. Von Julia Borutta Die Jüdinnen und Juden in Frankreich fühlten sich einsam und verlassen, sagte diese Woche der Präsident der jüdischen Verbände in Frankreich, Yonathan Arfi. Der große Marsch gegen Antisemitismus werde dieses Gefühl der Einsamkeit hoffentlich auflösen. Und er setzte hinzu: "Die jüdischen Franzosen haben das Gefühl, einen entscheidenden, einen historischen Moment für ihr ganzes Dasein in Frankreich zu erleben." Angemeldet wurde die Demonstration in Paris von der Präsidentin der Nationalversammlung, Yaël BraunPivet von der Regierungspartei Renaissance und vom Präsidenten des Senats, Gérard Larcher von den konservativen Les Républicains. Es müsse einen Aufbruch geben, forderte Larcher und Braun-Pivet erklärte im Sender TF1: "Die Spannung, der Hass, der wachsende Antisemitismus machen uns betroffen. Wir können nicht tatenlos zusehen. Und deshalb haben wir diese gemeinsame Aktion gestartet." Gezerre um Teilnehmer Doch was als starkes Zeichen der Einheit gegen den Antisemitismus gedacht war, hatte bereits im Vorfeld für tagelangen Streit gesorgt. Die Führungsfigur der extremen Linken, Jean-Luc Mélenchon, verunglimpfte die Initiative der beiden Parlamentspräsidenten. Er schrieb auf der Plattform X, dies sei die "Demo derjenigen, die das Massaker in Gaza ohne Wenn und Aber unterstützen". Er kündigte an, dass seine Partei, La France insoumise, nicht mitdemonstrieren werde und meldete stattdessen eine Demo gegen den Krieg in Gaza an. Auch die Reaktion der größten extrem rechten Partei sorgt für hitzige Debatten. Denn der Rassemblement National (RN) will auch mitmarschieren. Die Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen erklärte im Fernsehsender TF1: "Ich werde da sein, Parteichef Jordan Bardella wird da sein, sowie all unsere Abgeordneten. Und ich rufe jeden Anhänger unserer Partei auf, sich dieser Demonstration anzuschließen." Die Rechten hätten auf der Demo nichts zu suchen, konterte Regierungssprecher Olivier Véran. Der Chef der Sozialisten, Olivier Faure, sieht das genauso und erklärte, der RN habe mit seiner antisemitischen Vergangenheit nicht gebrochen. Faure bezog sich dabei auf ein Interview, das RN-Chef Bardella diese Woche dem Fernsehsender BFMTV gegeben hat. Darin wand sich der junge Parteichef, als er gefragt wurde, ob der Gründer der Vorgängerpartei Front National, Jean-Marie Le Pen, Antisemit sei. Zur Erinnerung: Jean-Marie Le Pen hat den Holocaust einst als "Detail der Geschichte" bezeichnet und wurde vor Gericht wegen antisemitischer Aussagen verurteilt. Bardella konnte sich dennoch nicht dazu durchringen, den Gründervater der Partei einen Antisemiten zu nennen. Damit hat er den Kritikern des RN eine Steilvorlage geliefert und den Streit um die Teilnahme des RN an der Demonstration befeuert. Jüdische Vertreter geißeln die extreme Linke Doch nicht alle sehen die angekündigte Teilnahme von RN-Mitglieder kritisch. Zustimmung erhielt die Partei ausgerechnet von Serge Klarsfeld, dem jüdischen Anwalt und Präsidenten der Vereinigung "Töchter und Söhne der deportierten Juden in Frankreich". Klarsfeld sagte im Radiosender Europe 1, der RN sei seit einigen Jahren nicht mehr antisemitisch und gerade dabei, die republikanischen Werte zu verinnerlichen. "Auf die antizionistische und antisemitische Linke allerdings können wir verzichten. Der Rassemblement National ist salonfähig geworden und wir werden ihn am Sonntag bei der Demo willkommen heißen." Alles spielt RN-Fraktionschefin und Ex-Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen derzeit in die Hände und sie hatte das Geschick, geradezu demütig anzukündigen, dass sie - wenn nötig - am Ende des Demonstrationszuges laufen werde. Präsident Emmanuel Macron versuchte diese Woche, die in seinen Augen unlauteren Absichten beider extremer Lager zu entlarven. Dem linken Anführer Mélenchon warf er indirekt vor, sich mit seiner uneindeutigen Haltung zum Antisemitismus bei seinen Anhängern innerhalb der muslimischen Community anbiedern zu wollen. Und mit Blick auf den Rassemblement National deutete Macron an - ohne freilich den Namen der Partei zu nennen - das Motiv der Rechtsextremen sei in Wahrheit nicht die Unterstützung der Juden, sondern die Ablehnung der Muslime. Anzahl antisemitischer Taten steigt stark Angesichts des rasanten Anstiegs antisemitischer Taten seit dem 7. Oktober sagte Macron bei einer Veranstaltung am Mittwoch: "Sich an einem Juden zu vergreifen, bedeutet, sich an der Republik zu vergreifen." Es geht um Hakenkreuz-Schmierereien, verbale Drohungen aber auch um körperliche Attacken. Innenminister Darmanin teilte mit, dass im Zusammenhang mit den rund 1.200 antisemitischen Taten in den vergangenen Wochen mehr als 500 Menschen vorläufig festgenommen wurden. Mehr als 100 von ihnen würden ihren Aufenthaltsstatus verlieren, so Darmanin. Gefährliche Mischung Ob die Demonstration in Paris und die vielen geplanten Kundgebungen im ganzen Land dazu führen werden, dass sich jüdische Bürger und Bürgerinnen wieder sicherer fühlen, ist fraglich. Fakt ist, dass rechter, linker und muslimischer Antisemitismus gerade eine toxische Mischung bilden. Der Hass auf Israel und die Juden ist in der migrantischen Community weit verbreitet. Der Vorsitzende der jüdischen Studenten Frankreichs, Samuel Lejoyeux, sagte dem ARD Studio Paris: "Wenn man heute an der Uni seine Unterstützung für Israel demonstrieren will oder einfach nur die Tatsache, dass man jüdisch ist, wird man sofort bedroht, als dreckiger Zionist beschimpft, das ist die Realität." Aber die Spannung bestehe nicht nur zwischen Juden und Moslems. Der Hass auf Juden werde auch von den extrem linken Parteien, die an der Uni sehr präsent seien, instrumentalisiert. Nun kommt es in Frankreich auf die gemäßigten und versöhnlichen Stimmen an, wie die von Hassen Chalghoumi. Nachdrücklich rief der Imam von Drancy alle Muslime dazu auf, am Sonntag mit zu demonstrieren. "Das ist doch ein Marsch der ganzen Gesellschaft. Wenn unsere jüdischen Mitmenschen draußen nicht mehr die Kippa aufsetzen können, ist das unwürdig. Und das verdient, dass wir demonstrieren und alle auf die Straße gehen."
Julia Borutta
In Paris werden Zehntausende Menschen zu einem Marsch gegen Antisemitismus erwartet. Doch was als Symbol der Einheit gedacht war, sorgte im Vorfeld für massiven politischen Streit.
[ "Frankreich", "Antisemitismus", "Israel", "Gaza", "Nahost" ]
Ausland
Europa
2023-11-12T04:08:53.204Z
2024-03-01T13:45:40.176Z
https://www.tagesschau.de//ausland/europa/antisemitismus-frankreich-israel-hamas-nahost-100.html
ifo: Mehrheit befürchtet ungleiche Bildungschancen wegen Digitalisierung
Eine Mehrheit der Deutschen glaubt laut ifo-Umfrage, dass die Digitalisierung Ungleichheiten im Bildungssystem verschärfen könnte. Insgesamt hat das Problembewusstsein für Bildungsungerechtigkeit zugenommen. 53 Prozent der Deutschen befürchten, dass es durch die Digitalisierung eine größere Ungleichheit im Bildungssystem geben könnte. Das zeigen die repräsentativen Ergebnisse des aktuellen Bildungsbarometers des ifo-Instituts. 62 Prozent halten ungleiche Chancen zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund für ein großes Problem. Fast genauso viele Befragte finden ungleich verteilte Chancen zwischen Kindern aus guten und aus schwierigen sozialen Verhältnissen problematisch. Nur 14 Prozent sehen keine Probleme. Forscher: Sorgen um Ungleichheit haben zugenommen "Die Sorgen darüber, dass Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft nicht die gleichen Chancen im Bildungssystem haben, sind in den letzten Jahren größer geworden", sagt Ludger Wößmann, Leiter des ifo-Zentrums für Bildungsökonomik. "Die Deutschen wollen, dass etwas dagegen getan wird." Das Bildungsbarometer wird jährlich durchgeführt. Für die aktuelle Ausgabe wurden laut ifo-Institut 5.636 Menschen befragt. Schwerpunkt in diesem Jahr ist das Thema Bildungsungleichheit und welche Lösungen sich die Bundesbürger dafür wünschen. Um die Bildungsungleichheit zu bekämpfen, sprechen sich 69 Prozent der Befragten für eine gezielte finanzielle Förderung von Schulen mit vielen benachteiligten Kindern aus, in Form eines sogenannten Chancenbudgets. Dagegen sind lediglich 20 Prozent der Befragten. Ebenso 69 Prozent befürworten, den Anteil an Schülerinnen und Schülern mit ausländischer Staatsbürgerschaft und unzureichenden Sprachkenntnissen auf 30 Prozent je Klasse zu beschränken. Gegen diese Maßnahme sind 20 Prozent. Deutsche für Gehaltszuschläge für Lehrer an Problemschulen 65 Prozent der Deutschen sind für die Einführung eines Index, der zeigt, ob Schulen aufgrund des sozialen Umfelds der Schülerschaft vor besonderen Problemen stehen, 18 Prozent sind dagegen. Und 55 Prozent unterstützen Gehaltszuschläge für Lehrkräfte an Schulen mit vielen Schülerinnen und Schülern aus benachteiligten Verhältnissen; 31 Prozent sind dagegen. Der kürzlich veröffentlichte ifo-Chancenmonitor zeigt, dass die Chancen auf Bildungserfolg in Deutschland stark ungleich verteilt sind und stark vom sozialen Status der Eltern abhängen. Ungleichheiten entstünden selbst bei gleichen schulischen Leistungen. Die Wahrscheinlichkeit, eine Übertrittsempfehlung für das Gymnasium zu erhalten, ist bei gleichen Noten für Kinder aus bessergestellten Familien rund 2,5-mal höher als bei Kindern aus Arbeiterfamilien.
tagesschau.de
Eine Mehrheit der Deutschen glaubt laut ifo-Umfrage, dass die Digitalisierung Ungleichheiten im Bildungssystem verschärfen könnte. Insgesamt hat das Problembewusstsein für Bildungsungerechtigkeit zugenommen.
[ "Ifo-Institut", "Bildung", "Bildungspolitik", "Digitalisierung", "Ungleichheit" ]
Wirtschaft
2023-11-20T10:03:54.004Z
2023-11-20T15:47:16.588Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/digitalisierung-umfrage-bildungsungerechtigkeit-100.html
Merkel-Reise nach Griechenland: Gast ohne Geschenke
Es ist vor allem ein symbolischer Besuch: Die Kanzlerin ist nach Athen gereist, um ihre Unterstützung für den Sparkurs Griechenlands zu zeigen. Neue Hilfszusagen wird die Kanzlerin nicht im Gepäck haben. Für SPD und Grüne kommt die Reise viel zu spät. Ein Ausblick auf eine schwierige Mission. Von Arne Meyer, NDR, ARD-Hauptstadtstudio Wenn Steffen Seibert in der Regierungspressekonferenz die anstehenden Termine der Kanzlerin durchhechelt, dann geht das in der Regel relativ fix. Heute war das anders. Fast eine geschlagene Dreiviertelstunde musste der Regierungssprecher über den Besuch der Kanzlerin in Athen informieren. Seibert klagte: "Ich bin langsam am Ende meines Lateins, was die Vorabmeldungen über diesen Besuch betrifft. Nun soll ich ihn auch im Vorhinein schon werten." Und das wollte er nun wirklich nicht. Schließlich hat der Besuch noch gar nicht angefangen. Nur auf dieses wollte sich Seibert einlassen: "Wir sind in Europa in einer existentiellen Krise, die wir nur gemeinsam lösen können. Und dazu gehört der Austausch. Dieser Austausch findet besser nicht nur am Telefon statt. Und insofern ist es ein normales Zeichen, aber auch ein gutes Zeichen, wenn die Staats- und Regierungschefs einander besuchen, wenn sie die Kontakte vertiefen, wenn sie zueinander reisen", befand Seibert. Kauder: Keine Geschenke mit im Gepäck Und im Prinzip nehme die Kanzlerin nur eine Einladung an, die der griechische Regierungschefs Antonis Samaras im August bei seiner Deutschland-Visite ausgesprochen habe. Auf die Frage, ob Merkel der Regierung neue finanzielle Wohltaten versprechen könne, gab es ebenfalls eine Absage des Regierungssprechers. Mitbringsel dieser Art habe Merkel nicht im Gepäck. Ähnlich hatte sich am Mittag schon Unions-Fraktionschef Volker Kauder geäußert. "Die Griechen tun am besten etwas für sich, wenn sie das, was vereinbart worden ist, auch einhalten. Ansonsten wird es für die Griechen sehr schwierig, und ich möchte, dass Griechenland vorankommt. Der Besuch dient nicht dazu, den Griechen Geschenke mitzubringen", mahnte Kauder. Roth: Merkel muss Solidarität zeigen Das wiederum brachte Grünen-Chefin Claudia Roth auf die Palme. Neo-chauvinistische, anti-griechische Töne seien das. Sie forderte: Merkel sollte in gar keinem Fall mit leerem Gepäck nach Athen reisen. "Sie muss deutlich machen, dass zur Solidität in Europa auch Solidarität gehört. Sie muss zeigen, dass sie Verständnis hat für die Auswirkungen der doch sehr drastischen Reformen in Griechenland, dass die Auswirkungen vor allem auf die einfache, normale Bevölkerung sehr schwer sind  und sehr hart für diese Bevölkerung", forderte Roth. Und sie kritisierte wie auch Linke und SPD: Es sei gut, dass Merkel jetzt nach Athen fährt, im Prinzip komme sie aber schon zu spät. Nahles: Rausschmiss Griechenlands löst keine Probleme Das Kind liege gewissermaßen schon im Brunnen, bemängelte auch die Generalsekretärin der Sozialdemokraten, Andrea Nahles: "Wir kritisieren, dass Frau Merkel über Jahre zugelassen hat, dass der Eindruck entstanden ist, ein Rausschmiss Griechenlands oder ein Wegbrechen Griechenlands aus der Eurozone löst die Probleme." Genau über dieses Szenario hatten zuletzt vor allem CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt und der bayerische Finanzminister Markus Söder spekuliert. Allerdings haben sie das nicht zu entscheiden. Viel wichtiger ist, ob Griechenland in Zukunft weitere Finanzhilfen erwarten kann. Zentral dafür ist der Bericht der Troika von EZB, IWF und EU, der in Kürze vorliegen soll. Sie bewertet unter anderem, inwiefern das Land in den vergangenen Monaten bei seinen Reformen tatsächlich vorangekommen ist.
Es ist vor allem ein symbolischer Besuch: Die Kanzlerin ist nach Athen gereist, um ihre Unterstützung für den Sparkurs Griechenlands zu zeigen. Neue Hilfszusagen wird die Kanzlerin nicht im Gepäck haben. Für SPD und Grüne kommt die Reise viel zu spät. Ein Ausblick auf eine schwierige Mission.
[ "Griechenland", "Athen", "Euro", "Merkel", "Samaras", "Troika", "Memorandum" ]
Wirtschaft
2012-10-09T10:40:47.467Z
2023-03-01T22:19:29.270Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/merkelgriechenland-ts-100.html
Leibniz-Institut: Haupttodesursache für den Wolf ist der Straßenverkehr
Wölfe sind in Deutschland streng geschützt. Jedoch schießen immer wieder Menschen verbotenerweise auf die Raubtiere. Laut Leibniz-Institut sind aber Verkehrsunfälle die häufigste Todesursache. Seit dem Jahr 2006 obduziert das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in Berlin die meisten der tot aufgefundenen Wölfe in Deutschland. Insgesamt sind es bislang 1.000 Exemplare, so Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-IZW. Untersucht werden Todesursache, Gesundheitszustand und auch Mageninhalt der Tiere. Drei Viertel der toten Wölfe sind auf Straßen gestorben Seit fast einem Vierteljahrhundert gibt es in Deutschland wieder Wolfswelpen.Beim jüngsten Wolfsmonitoring wurden mehr als 1.339 Wölfe in Deutschland nachgewiesen, verteilt über fast alle Bundesländer, mit Schwerpunkten in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Auch die Totfunde stammen aus den verschiedensten Teilen Deutschlands. "Unsere Daten zeigen, dass rund drei Viertel der toten Wölfe an einer Kollision im Verkehr sterben - zumeist mit Autos auf Landstraßen oder Autobahnen", sagt die verantwortliche Pathologin Claudia Szentiks. Besonders junge Wölfe, die ihr Elternrudel verlassen und nach einem neuen Territorium suchen, würden häufig Opfer von Verkehrsunfällen. Viele tote Wölfe werden nicht gefunden Marie Neuwald, Wolfs-Referentin beim Naturschutzbund NABU, merkt an, dass der Straßenverkehr zwar eine Gefahr darstelle, aber den Wolfsbestand nicht massiv einschränke. Auch gebe es durchaus noch andere Todesursachen, die im Totfund-Monitoring nicht so häufig auftauchten. "Die Wölfe, die an anderen Ursachen sterben wie Krankheiten und Auseinandersetzungen mit anderen Wölfen, werden eher nicht gefunden, denn sie legen sich nicht auf einen Waldweg, um zu sterben." Wölfe hätten hierzulande zwar keine natürlichen Feinde, erklärt Neuwald, aber ein unkontrolliertes Wachstum des Bestandes gebe es nicht. "Wölfe sind trotzdem Risiken und Gefahren ausgesetzt." Hauptnahrung sind Rehe und Wildschweine Analysen des Senckenberg Museums für Naturkunde Görlitz (SMNG) haben ergeben, dass die Wölfe sich überwiegend von Rehen, Wildschweinen, Rothirschen und Damhirschen ernähren. Sie machen 90 Prozent ihrer Nahrung aus. Immer wieder reißen Wölfe auch Weidetiere wie Schafe oder Ziegen. Sie machten aber nur 1,6 Prozent der Nahrung aus, sagt Leibniz-IMZ-Chef Hofer. "Im Beutespektrum des Wolfes ist das fast vernachlässigbar, für die Weidehalter aber ist es überhaupt nicht vernachlässigbar." Die Schafbesitzer müssten ernst genommen werden. "Wir müssen ihnen großzügig die Möglichkeit geben, ihre Tiere zu schützen, etwa mit Zäunen, und sie großzügig entschädigen, schnell und unbürokratisch. Das ist eine wichtige Sache." "Wölfe abzuschießen, ist keine geeignete Maßnahme" NABU-Fachfrau Neuwald meint, vor allem bessere Zäune könnten gut gegen Wolfsrisse helfen. Wölfe zum Abschuss freizugeben, sei hingegen keine geeignete Maßnahme. Schließlich seien die Nutztiere vor allem nachts allein auf der Weide - entwickelten Wölfe Angst vor Menschen mit Gewehren, nütze das den Schafen und Ziegen in der Nacht wenig. Derzeit ist das absichtliche Stören, Fangen oder Töten von Wölfen verboten. Trotzdem sei jeder zehnte eingelieferte Totfund auf ihrem Tisch illegal geschossen worden, erklärt die Veterinärpathologin Szentiks. "Tatsächlich finden wir sogar in 13,5 Prozent aller untersuchten Wölfe Hinweise auf eine Straftat wie zum Beispiel den illegalen Beschuss, wobei die Tiere nicht immer daran sterben." Viel geringer ist die Zahl der legal getöteten Wölfe, etwa weil sie sich Menschen gegenüber auffällig verhalten. "Insgesamt 17 Wölfe wurden im Rahmen von Managementmaßnahmen der Bundesländer entnommen", heißt es vom Bundesamt für Naturschutz in Bezug auf die gesamte Zeit seit 1990. Rolle der Wölfe im Ökosystem "Wölfe sind hier heimisch, haben eine gute Nahrungsgrundlage und einen Lebensraum, sind selbst wieder hergewandert - warum sollten sie hier nicht leben, fragt NABU-Expertin Neuwald. Außerdem spielten sie eine wichtige Rolle im Ökosystem, weil sie die Populationen der Beutetiere in Schach halten. "Sie gehen auf die schwachen und kranken Tiere sowie die Jungtiere." Hofer vom Leibniz-IZW weist ebenfalls darauf hin, dass es derzeit in Deutschland jede Menge Rehe, Wildschweine und Hirsche gibt - auch durch die Pflege der Jägerschaft. Zwar sei die Situation komplex, aber "die Jäger haben selbst dafür gesorgt, dass der Wolf nun ideale Bedingungen hat."
Wölfe sind in Deutschland streng geschützt. Jedoch schießen immer wieder Menschen verbotenerweise auf die Raubtiere. Laut Leibniz-Institut sind aber Verkehrsunfälle die häufigste Todesursache.
[ "Wolf", "Ökosystem", "Wölfe", "Nahrung" ]
Wissen
Forschung
2024-07-24T12:45:02.102Z
2025-05-08T11:44:08.676Z
https://www.tagesschau.de//wissen/forschung/wolf-oekosystem-nahrung-100.html
Wahlergebnis in Neuseeland: Konservatives Bündnis doch ohne Mehrheit
Kurz nach der Parlamentswahl in Neuseeland hatte es für das konservative Zweierbündnis nach einer knappen Mehrheit ausgesehen. Jetzt wurden die letzten Stimmen ausgezählt - und die erwartete Mehrheit ist futsch. Von Lena Bodewein Knapp drei Wochen nach der Parlamentswahl in Neuseeland hat die Verkündung des offiziellen Wahlergebnisses eine Überraschung offenbart: Das angesteuerte konservative Bündnis kommt demnach auf keine eigene Mehrheit. Multimillionär Christopher Luxon von der National Party und die Rechtsliberalen der ACT haben gemeinsam nur 59 von 123 Sitzen. Am Tag nach der Wahl zum neuseeländischen Parlament Mitte Oktober hatte es noch nach einer hauchdünnen Mehrheit für ein Bündnis beider Parteien ausgesehen. Dass das endgültige Wahlergebnis erst jetzt bekannt wird - und mit einem veränderten Mehrheitsverhältnis - liegt an der Auszählung von Stimmen, die Wähler außerhalb ihres Wahlkreises abgegeben hatten. Das waren immerhin knapp 21 Prozent der Gesamtstimmen. Mögliches Dreierbündnis mit New Zealand First Der designierte Premier Luxon lehnte Neuwahlen kategorisch ab, sieht sich jetzt aber möglicherweise zu einem Dreierbündnis gezwungen, gemeinsam mit der rechtsnationalen, populistischen Partei New Zealand First. Diese etablierte sich in den vergangenen Jahren als immer stärker einwanderfeindlich. 2017 war sie schon einmal Teil einer Regierung: Damals hatte die frühere Premierministerin Jacinda Ardern von der Labour Party mithilfe der Grünen und eben New Zealand First eine Minderheitsregierung gebildet. Der designierte Premierminister Luxon gibt sich zuversichtlich, dass er mit New Zealand First und Rechtsliberalen produktive Gespräche führen kann. Ein Abschluss ist noch unklar.
Lena Bodewein
Kurz nach der Parlamentswahl in Neuseeland hatte es für das konservative Zweierbündnis nach einer knappen Mehrheit ausgesehen. Jetzt wurden die letzten Stimmen ausgezählt - und die erwartete Mehrheit ist futsch.
[ "Neuseeland", "Wahlen" ]
Ausland
Ozeanien
2023-11-03T07:51:11.562Z
2023-11-27T09:23:55.080Z
https://www.tagesschau.de//ausland/ozeanien/wahlergebnis-neuseeland-100.html
Griechen reden mit Geldgebern über neue Vorschläge
Die Reformvorschläge aus Athen verärgern die Geldgeber seit Monaten. Drohgebärden beider Seiten verschärften die Lage. Nun schickte der griechische Premier Tsipras seine Vertreter mit neuen Vorschlägen zu Gesprächen nach Brüssel. Von Holger Romann Das Endspiel im Schuldenstreit treibt langsam seinem Höhepunkt entgegen. Die Drohkulisse auf beiden Seiten wächst. Inzwischen sprechen sogar hochrangige EU-Politiker offen über die Möglichkeit eines "Grexit", eines griechischen Austritts aus der Eurozone infolge eines Staatsbankrotts. Im Hintergrund wird angeblich schon über einen "Plan B" dafür beraten. Am Rande der 30-Jahr-Feiern für das Grenzkontrollabkommen Schengen warnte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eindringlich vor diesem Szenario. Dass die möglichen Folgen "verheerend" seien und die Lage sehr ernst, das wisse auch der griechische Premier Alexis Tsipras. Viele Länder machen mehr Druck als Deutschland Juncker sorgt sich nach eigenen Angaben aber vor allem um die Griechen und weniger um deren Regierung oder Parlament. Er fühle sich den Griechen, die unter der Krise litten, sehr nah, so der EU-Kommissionschef. Träte das Land aus der Währungsunion aus, wäre die Europäische Union nie mehr dieselbe. Zugleich wies Juncker darauf hin, dass keineswegs allein die Bundesrepublik Athen dränge, endlich wirksame Strukturreformen zu beschließen und umzusetzen. "Finnland, Österreich, die Niederlande, die Slowakei, Slowenien und Malta - sie alle waren und sind weit fordernder", erklärte Juncker. "Und das aus einem verständlichen Grund: der Mindestlohn in diesen Ländern ist niedriger als in Griechenland, und die Pensionen sind es teilweise auch." Um nach monatelangem Stillstand und wenige Tage vor Ablauf einer wichtigen Frist doch noch zu einer Einigung über das restliche EU-Hilfspaket zu kommen, reiste eine Delegation griechischer Regierungsvertreter mit neuen Reformvorschlägen nach Brüssel. Wie Juncker erklärte, dürften die Gespräche das ganze Wochenende dauern. Heute auf einer "niedrigen technischen Ebene", wie er sagte, morgen dann auf einer höheren. Ministerpräsident Tsipras entsandte dazu seinen Chefunterhändler und seinen Stellvertreter. Sie sollen unter anderem mit einem Repräsentanten Junckers über die strittigen Fragen sprechen und versuchen, Differenzen zu überbrücken. Ob eine Einigung in den nächsten Tagen möglich ist, darauf will sich Juncker nicht festlegen; nur, dass sie nötig sei, stellt er nach einigem Zögern fest. IWF sitzt wieder mit am Tisch Zwei Tage nach der überraschenden Abreise des Teams des Internationalen Währungsfonds aus Brüssel sollen außerdem wieder IWF-Vertreter an den Gesprächen teilnehmen. Beobachter bewerten die kurze Unterbrechung im Nachhinein als kalkulierten Warnschuss an die Adresse Athens. Aus EU-Sicht bleibt der IWF weiter "voll engagiert". In Brüssel legt man trotzdem Wert darauf, dass es sich bei dem Treffen formal um keinen Verhandlungstermin mit den Gläubigern handle. Entscheidend sei vielmehr die nächste Sitzung der Euro-Finanzminister am kommenden Donnerstag, so EU-Ratspräsident Donald Tusk. Wie die neuen Vorschläge aussehen, über die heute und morgen die Experten und in fünf Tagen dann die Politiker befinden werden, darüber ist bisher noch nichts nach außen gedrungen. Sicher ist nur, dass die Frage des Primärüberschusses im Mittelpunkt stehen dürfte. Dieser Wert legt fest, wie viel die griechische Regierung jährlich einsparen muss, um den Schuldenberg irgendwann abzubauen. Auch bei Mehrwertsteuer, Renten und Pensionen ist man sich noch uneins. Tsipras zu "schwierigem Kompromiss" bereit Aus Athen kam derweil ein Signal, das wie Einlenken klingt: Man sei zu einem "schwierigen Kompromiss" mit den Geldgebern bereit, ließ Premier Tsipras wissen. Einziges Ziel sei es, "die Krise zu beenden" und zu einem "realisierbaren Abkommen" zu gelangen. Ob Tsipras dafür allerdings im Parlament und in seinem Linksbündnis Syriza die nötige Mehrheit findet, bezweifeln viele. Möglich, dass die Dramatik der vergangenen Tage hilft, die Entscheidung zu beschleunigen.
Holger Romann
Die Reformvorschläge aus Athen verärgern die Geldgeber seit Monaten. Drohgebärden beider Seiten verschärften die Lage. Nun schickte der griechische Premier Tsipras seine Vertreter mit neuen Vorschlägen zu Gesprächen nach Brüssel.
[ "Griechenland", "EU" ]
Wirtschaft
2015-06-13T15:58:58.887Z
2023-03-02T15:01:32.894Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/griechenland-verhandlungen-115.html
Krieg zwischen Israel und Hamas: Neue Hoffnung auf Geisel-Deal
Seit Monaten stocken die Verhandlungen über eine neue Waffenruhe in Gaza und die Freilassung der Geiseln. Nun scheint Bewegung in die Gespräche zu kommen - und der Druck auf Premier Netanyahu wächst. Von Julio Segador In die festgefahrenen Verhandlungen über ein neues Waffenstillstands- und Geiselabkommen scheint Bewegung zu kommen. Es liegt wohl eine neue Antwort der Hamas auf den Biden-Plan auf dem Tisch. Das haben das Militär und der Geheimdienst bestätigt. Die Zeitung Haaretz zitiert einen namentlich nicht genannten israelischen Regierungsvertreter. Demnach besteht die Hamas in einer ersten Phase eines möglichen Abkommens wohl nicht mehr auf einen vollständigen Waffenstillstand und Abzug der israelischen Truppen aus Gaza. Dies hatte die Terrororganisation bisher gefordert, was für die israelische Regierung nicht annehmbar war. Hat Netanyahu überhaupt Interesse an einem Deal? Sollte dies zutreffen, könnte es wie im vergangenen November zu einer zeitlich begrenzten Waffenruhe und im Gegenzug zur Freilassung von Geiseln kommen. Wiederum im Gegenzug könnten palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen freigelassen werden. Der frühere Chef der Operationsdirektion der israelischen Streitkräfte, Ex-General Israel Ziv, bezweifelte in einem Interview im Israel-Radio allerdings, dass die Regierung ein Interesse hat, darauf einzugehen. "Es besteht die Chance auf ein Abkommen. Das zeigt die Antwort der Hamas, die offensichtlich nach großem Druck aus den USA und aus Katar jetzt auf dem Tisch liegt", sagte Ziv. Die große Befürchtung sei nun, dass der Premierminister durch seine Aussagen und das militärische Geschehen dieses Abkommen torpediere - "wie es in der Vergangenheit schon der Fall war", so Ziv. Eine Befürchtung, die viele in Israel teilen. Am Dienstag hatte der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich ebenfalls im Israel-Radio angedeutet, dass eine neue Antwort der Hamas auf dem Tisch liegt, und dass sie ihm und möglicherweise auch anderen Hardlinern in der Regierung gar nicht ins Konzept passt. Druck auf Israels Regierung wird immer größer "Es würde mich nicht überraschen, wenn Hamas-Chef Sinwar nach Monaten der Ablehnung plötzlich positiv auf ein Abkommen reagieren würde, weil er in Panik ist und erkennt, dass wir kurz vor dem Sieg stehen, und er sich selbst und die Herrschaft der Hamas in Gaza retten will", sagte Smotrich. Aus seiner Sicht sei nun nicht die Zeit, den "Fuß vom Gaspedal" zu nehmen. "Jetzt ist die Zeit, mehr Truppen zu schicken und den militärischen Druck zu erhöhen." Es sind Hardliner bei der Hamas und in der israelischen Regierung, die ein neues Abkommen bisher verhindert haben. Der Druck auf die israelische Regierung wächst unterdessen. Fast täglich - auch heute - werden in Israel Autobahnen blockiert. Und Angehörige der Geiseln fordern von Premier Netanyahu einen Kurswechsel. So auch Simona Steinbrecher, die Mutter von Doron Steinbrecher, die seit fast neun Monaten in der Hand der Hamas ist. "Ich und alle anderen Familien fordern vom Premierminister, die Verhandlungen nicht zu torpedieren. Unsere Geiseln verrotten im Gazastreifen", sagte Steinbrecher. "Jeden Tag befürchten wir, dass eine Nachricht über eine weitere Geisel eintrifft, die in der Gefangenschaft der Hamas ermordet wurde. Das Abkommen darf nicht torpediert werden." Der Druck für Netanyahu wird größer. Am Abend will sich das israelische Sicherheitskabinett mit dem neuen Vorschlag der Hamas auseinandersetzen. Danach ist ein Telefonat von Netanyahu mit US-Präsident Joe Biden geplant.
Julio Segador
Seit Monaten stocken die Verhandlungen über eine neue Waffenruhe in Gaza und die Freilassung der Geiseln. Nun scheint Bewegung in die Gespräche zu kommen - und der Druck auf Premier Netanyahu wächst.
[ "Nahost", "Geisel-Deal", "Israel", "Gazastreifen", "Hamas" ]
Ausland
Asien
2024-07-04T12:36:16.527Z
2024-08-27T14:47:44.791Z
https://www.tagesschau.de//ausland/asien/israel-hamas-deal-korri-100.html
Konfliktparteien im Sudan unterzeichnen Erklärung zum Schutz von Zivilisten
Nach US-Angaben haben die Konfliktparteien im Sudan eine Erklärung zum Schutz von Zivilisten unterzeichnet. In den Verhandlungen über eine befristete Waffenruhe lägen die beiden Parteien "ziemlich weit auseinander". Die Konfliktparteien im Sudan haben sich US-Angaben zufolge auf Richtlinien für die Ermöglichung humanitärer Hilfe geeinigt. Vertreter der Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz unterzeichneten am Donnerstagabend im saudiarabischen Dschiddah eine "Verpflichtungserklärung zum Schutz der Zivilisten im Sudan", wie eine an den Gesprächen beteiligte US-Vertreterin mitteilte. Die Erklärung verpflichte beide Seiten dazu, humanitäre Hilfe ins Land zu lassen, um die Wiederherstellung der Versorgung mit Strom, Wasser und anderen grundlegenden Versorgungsangeboten zu ermöglichen. Zudem sollen Sicherheitskräfte aus Krankenhäusern abgezogen und "respektvolle Beisetzungen" der Toten in die Wege geleitet werden. Gespräche über Waffenruhe dauern an Die Verhandlungen über eine befristete Waffenruhe liefen noch, teilte die US-Vertreterin mit, die anonym bleiben wollte. "Dies ist keine Waffenruhe. Dies ist eine Verpflichtungserklärung nach internationalem humanitären Recht, vor allem mit Blick auf die Behandlung von Zivilisten" und die Notwendigkeit, humanitären Helfern ihre Arbeit zu ermöglichen.  "Wir sind hoffnungsvoll, vorsichtig, dass ihre Bereitschaft zur Unterzeichnung dieses Dokuments ein gewisses Momentum schafft, damit sie den Raum schaffen" für Hilfslieferungen, sagte sie. In den Verhandlungen lägen die beiden Konfliktparteien aber "ziemlich weit auseinander". Die Unterhändler, die mit saudischen und US-amerikanischen Vermittlern zusammenarbeiteten, hätten sich jedoch zum Ziel gesetzt, innerhalb der nächsten zehn Tage eine Waffenruhe zu erreichen. Frühere Vereinbarungen über Feuerpausen waren seit Beginn des Konflikts wiederholt gebrochen worden. Mehr als 750 Menschen getötet Bei den seit Mitte April andauernden Gefechten im Sudan zwischen den Truppen des Armeechefs Abdel Fattah al-Burhan und seinem früheren Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo, der die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) befehligt, wurden bereits mehr als 750 Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben.  Vertreter der beiden Generäle verhandeln seit Samstag in Dschiddah in "Vorgesprächen" unter Beteiligung der USA und der Vereinten Nationen. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths hat Vorschläge unterbreitet, in denen beide Seiten sichere Rahmenbedingungen für humanitäre Hilfe garantieren.
Nach US-Angaben haben die Konfliktparteien im Sudan eine Erklärung zum Schutz von Zivilisten unterzeichnet. In den Verhandlungen über eine befristete Waffenruhe lägen die beiden Parteien "ziemlich weit auseinander".
[ "Sudan" ]
Ausland
Afrika
2023-05-12T00:00:44.391Z
2023-05-12T23:53:03.379Z
https://www.tagesschau.de//ausland/afrika/sudan-schutz-zivilisten-102.html
Wetterthema: Was verrät der Himmel?
Von einem Meteorologen wird häufig erwartet, dass er nur anhand der Wolken eine Prognose erstellen kann. Wir wollen ein paar Beispiele aufzeigen, inwieweit das tatsächlich möglich ist. Von Dr. Ingo Bertram Die Güte einer Wettervorhersage hängt davon ab, wie viele Informationen über das aktuelle Wetter einfließen. Dabei werden Prognosen umso unsicherer, je länger sie in die Zukunft schauen. Wenn man als Information lediglich die aktuell an einem Ort beobachtete Bewölkung heranzieht, ist der prognostizierbare Zeitraum sehr kurz. Eigentlich sind dann lediglich Aussagen über die folgenden Minuten bis Stunden möglich. Als Beispiele dienen die vier Fotos oben. Der Anblick oben links versetzt den Meteorologen in Alarmbereitschaft und auch die meisten Laien dürften erkennen, dass sie rasch den Heimweg antreten sollten. So sieht der Himmel aus, wenn ein richtiges Unwetter unmittelbar bevorsteht. Die Wolkenwurst in der unteren Bildhälfte deutet auf herannahenden Sturm hin. Dahinter ist ein dichter Niederschlagsvorhang zu erkennen, wobei man bei der Mächtigkeit der Gewitterzelle von größerem Hagel ausgehen kann. Wenn der Himmel erst einmal so aussieht, dauert es in der Regel höchstens noch 10 Minuten, bis es richtig losgeht. Der Vorhersagezeitraum ist damit äußerst kurz. Wenn man aber bedenkt, dass immer wieder Leute vom Blitz erschlagen werden, weil sie ein Gewitter zu spät ernst nehmen, ist die Information dennoch wertvoll. Die Wolken oben rechs tauchten an einem warmen Maimittag auf. Sie befanden sich im mittleren Stockwerk der Troposphäre und waren nicht durch die Sonneneinstrahlung entstanden. Dem Meteorologen zeigen solche Wolken eine labile Luftschichtung an. Häufig sind einige Stunden nach ihrem Auftreten irgendwo im Umkreis Schauer und Gewitter zu beobachten. Das Schauer- und Gewitterrisiko ist also erhöht, ob es jedoch tatsächlich welche gibt und ab man dann auch noch getroffen wird, ist unsicher. Tatsächlich entstanden am Abend dieses Tages verbreitet Unwetter. Das Bild unten links zeigt Schichtwolken im mittelhohen Stockwerk der Troposphäre, durch welche die Sonne noch hindurch schaut. Ein heranziehendes Regengebiet kündigt sich häufig durch ein solches Wolkenbild an. Auch hier kann man jedoch ohne weitere Informationen lediglich von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Regen ausgehen. Genauso gut kann es bei den gezeigten Wolken bleiben. Unten rechts sind Cirren zu sehen. Sie sehen vielleicht ganz nett aus, wirklich viel verraten sie aber nicht über das Wetter. Es kann sein, dass sie ein Regengebiet ankündigen, das ist aber deutlich unsicherer als bei den Wolken unten links. Aussagen über das Wetter nur anhand der Wolken sind lediglich sehr begrenzt möglich. Besser sieht es bereits aus, wenn der Meteorologe neben den Wolken auch die überregionale Wetterlage kennt. Echte Wettervorhersagen für den nächsten Tag oder die nächste Woche sind jedoch nur mit aufwändigen Computermodellen möglich, welche mit weltweiten Messwerten gespeist werden müssen.
Dr. Ingo Bertram
Von einem Meteorologen wird häufig erwartet, dass er nur anhand der Wolken eine Prognose erstellen kann. Wir wollen ein paar Beispiele aufzeigen, inwieweit das tatsächlich möglich ist.
[ "Wetterthema", "Wolken", "Vorhersage", "Wettervorhersage" ]
Wetter
Wetterthema
2024-07-19T08:19:28.027Z
2024-07-19T08:27:46.244Z
https://www.tagesschau.de//wetter/wetterthema/prognosewolken-100.html
Bundestagswahl 2025: Der Frust der Wahlkreisgewinner ohne Mandat
Nicht alle Gewinner der Wahl kommen in den Bundestag. Grund dafür ist die Wahlrechtsreform. Bei den betroffenen Kandidaten in den Wahlkreisen ist der Frust nun groß. Von Jannik Pentz Am Wahlabend kommt es in Augsburg zu einem Eklat. Als der CSU-Kandidat Volker Ullrich die Wahlversammlung der Stadt betritt, geht die Grünen-Politikerin Claudia Roth auf ihn zu. Doch Ullrich denkt gar nicht daran, seiner Konkurrentin die Hand zu schütteln. "Gehen Sie weg", blafft Ullrich in Richtung Roth. "Sie sind keine Demokratin!" Roth erwidert kurz darauf: "Das ist unter jeder Gürtellinie. Wenn wir so weitermachen, dann machen wir das Geschäft der Anti-Demokraten." Ein Video des Bayerischen Rundfunks zeigt den Vorfall. Social-Media-Beitrag auf X von AndreasHerz: "„Sie sind keine Demokratin!“ @VolkerUllrich (@csu) blafft Claudia Roth (@Die_Gruenen ) wegen Wahlrechtsreform an. Dem @fdp 👇🏻-MdB @max_fksr soll er Handschlag verweigert haben. Später entschuldigt er sich. @BR24 #btw25 👇🏻 pic.twitter.com/B9n3vnDRYr" Der Frust sitzt tief Der Frust beim CSU-Politiker Ullrich sitzt tief. Mit 31,1 Prozent hat er den Wahlkreis Augsburg-Stadt zwar deutlich gewonnen. Wegen der neuen Wahlrechtsreform zieht er nun aber doch nicht in den Bundestag ein. Ullrich ist damit nicht allein. Insgesamt 23 Wahlkreissieger bekommen nun doch kein Mandat. Grund ist eine Neuerung im Wahlrecht. Demnach reicht es für einen Kandidaten nicht mehr aus, nur den Wahlkreis zu gewinnen. Zusätzlich muss die Partei genug Zweitstimmen holen. Diese sogenannte Zweitstimmendeckung hatte die ehemalige Ampel-Regierung eingeführt. Sie soll unter anderem die Begrenzung des Bundestags auf 630 Sitze garantieren. Die Neuerung betrifft vor allem die Union. Als Folge der Reform gehen diesmal 15 Kandidaten der CDU leer aus, die in ihren Wahlkreisen die meisten Erststimmen geholt hatten. Außerdem trifft es vier Kandidierende der AfD, drei der CSU und eine Kandidatin der SPD. Am häufigsten tritt die Besonderheit des neuen Wahlrechts in Baden-Württemberg auf, und zwar sechs Mal. In Hessen gibt es den Fall in fünf Wahlkreisen, in Bayern und Rheinland-Pfalz in je drei. Jeweils einmal gehen Wahlkreisbewerber oder -bewerberinnen in Bremen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein leer aus. Union will Rücknahme der Reform Zum ersten Mal in der Geschichte des Bundestags gibt es damit mehrere "verwaiste Wahlkreise" - also Regionen, die nicht mit einem direkt gewählten Abgeordneten im Parlament vertreten sind. Überraschend kommt das nicht. So hatte das Bundesverfassungsgericht schon im Juli 2024 die Neuregelung im Wahlrecht geprüft und kam zu einem klaren Urteil: "Das Zweitstimmendeckungsverfahren ist mit dem Grundgesetz vereinbar." In der Praxis sorgt das neue Wahlrecht mit seinen sieglosen Gewinnern für teils absurde Situationen - wie in Augsburg. Hier muss Volker Ullrich (CSU) nicht nur trotz Wahlsieg auf sein Mandat verzichten. Gleichzeitig muss er auch akzeptieren, dass die Zweitplatzierte Claudia Roth (Grüne) trotzdem ins Parlament kommt, obwohl sie weniger Erststimmen holte als er. Roth erhält ihr Mandat nämlich über die Landesliste der Grünen. Persönlich haben sich die beiden inzwischen ausgesprochen. Ullrich hatte sich noch am Wahlabend bei Roth entschuldigt. Sie nahm die Entschuldigung an, sagte dem Bayerischen Rundfunk aber, sie sei schockiert über das, was da eben geschehen sei. In Sachen neues Wahlrecht ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. CDU und CSU wollen die Regeln so bald wie möglich überarbeiten. Noch im vergangenen Dezember hieß es aus der Union, eine Rücknahme der Wahlrechtsreform sei Bedingung für eine Koalition. In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, der CSU-Direktkandidat Volker Ullrich habe im Wahlkreis Augsburg-Stadt mit 28,4 Prozent gewonnen. Bei diesem Wert handelt es sich jedoch um das Zweitstimmenergebnis der CSU in diesem Wahlkreis. Korrekt ist, dass Herr Ullrich mit 31,1 Prozent gewonnen hat. Wir bitten um Entschuldigung.
Jannik Pentz
Nicht alle Gewinner der Wahl kommen in den Bundestag. Grund dafür ist die Wahlrechtsreform. Bei den betroffenen Kandidaten in den Wahlkreisen ist der Frust nun groß.
[ "Bundestagswahl 2025", "Wahlkreise" ]
Inland
Bundestagswahl
2025-02-24T11:56:15.244Z
2025-02-24T20:26:10.575Z
https://www.tagesschau.de//inland/bundestagswahl/wahlkreissieger-ohne-direktmandat-102.html
Inhaftierter Journalist: Gershkovichs Familie bittet UN um Hilfe
Die Familie des in Russland inhaftierten US-Journalisten Gershkovich setzt auf die Macht der Vereinten Nationen. Ihr Anwalt hat eine Petition eingereicht. Die Familie selbst trat im UN-Hauptquartier vor die Presse. Von Charlotte Voß Der Auftritt der Familie in den Räumen der Vereinten Nationen in New York dauerte nur wenige Minuten. Alle wirkten gefasst, waren in schwarz gekleidet und trugen einen Anstecker mit der Aufschrift: Free Evan. Seine Mutter Ellen erzählte, dass die Familie noch immer unter Schock stehe und mittels Anwälten Briefkontakt zu ihm habe. Ihr Sohn liebe seine Arbeit als Journalist, er habe nichts Unrechtes getan. Mit Blick auf die anstehende Generalversammlung appellierte sie an die Mitglieder der Vereinten Nationen, die Petition zu unterzeichnen. In ihr steht, dass Evan Gershkovichs Inhaftierung die Menschenrechte verletze und Russland ihn sofort freilassen sollte. Auf Recherchereise verhaftet Der 31-Jährige arbeitet für das "Wall Street Journal" und wurde vor mehr als 160 Tagen während einer Recherchereise in Russland verhaftet. Seitdem sitzt er wegen des Vorwurfs der Spionage im Gefängnis. Seine Schwester Nicole betonte beim Pressetermin in New York, Evan habe nur seine Arbeit getan - Journalismus sei kein Verbrechen. Begleitet wurde die Familie von Linda Thomas-Greenfield. Die UN-Botschafterin der USA versicherte, ihr Land werde sich weiter für die Freilassung des Journalisten und des ebenfalls wegen des Vorwurfs der Spionage inhaftierten ehemaligen Soldaten Paul Whelan einsetzen. Menschen, so die Diplomatin, dürften nicht als politische Spielfiguren benutzt werden. Auf Nachfragen zu Berichten über einen möglichen Gefangenenaustausch antwortete sie ausweichend.
Charlotte Voß
Die Familie des in Russland inhaftierten US-Journalisten Gershkovich setzt auf die Macht der Vereinten Nationen. Ihr Anwalt hat eine Petition eingereicht. Die Familie selbst trat im UN-Hauptquartier vor die Presse.
[ "Gershkovich" ]
Ausland
Amerika
2023-09-13T18:21:22.629Z
2024-02-20T14:48:39.002Z
https://www.tagesschau.de//ausland/amerika/gershkovich-familie-100.html
Trump feuert FBI-Chef Comey
Gefeuert mit sofortiger Wirkung: US-Präsident Trump hat FBI-Chef Comey entlassen. Er könne die Behörde nicht mehr effektiv leiten, so die Begründung. Nur ein Vorwand, um Comey loszuwerden? Die Empörung ist jedenfalls groß. Von Martina Buttler Überraschung, Erdbeben, Blitzeinschlag - so wird in Washington die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump kommentiert, FBI-Chef James Comey zu feuern. Die Behörde untersucht derzeit mögliche Russlandkontakte des Trump-Teams während des Wahlkampfs. Der ehemalige Staatsanwalt, Jeffrey Toobin, ist alarmiert: "Es ist ein grotesker Machtmissbrauch des US-Präsidenten. So etwas gibt’s nur in Ländern, die keine Demokratien sind. Wenn Ermittlungen in die Nähe eines Staatschefs kommen, dass sie die Leute feuern, die die Untersuchung leiten." Ein Nachfolger wird schon gesucht In seinem Entlassungsschreiben erklärt Trump, dass er einer Empfehlung des Justizministers Jeff Sessions und dessen Stellvertreters Rod Rosenstein folge. Comeys Handeln in der Affäre um Hillary Clintons E-Mails sei ein Textbuch-Beispiel dafür gewesen, was Bundesstrafverfolger und Agenten nicht tun sollten, schreibt Rosenstein in dem dreiseitigen Brief, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Offizielle Begründung: Der FBI-Chef könne seine Behörde nicht mehr effektiv leiten. Um das Vertrauen in das FBI wiederherzustellen, sei es nötig, eine neue Führung zu finden. Die Suche nach einem passenden Kandidaten ist offenbar schon im Gange. Ein guter Grund für die Entlassung? Der Minderheitenführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, erfuhr vom US-Präsidenten von der Entlassung: "Ich habe ihm gesagt: 'Mr. President, mit allem Respekt, aber Sie machen einen sehr großen Fehler.' Er hat nicht wirklich geantwortet." Die Entlassung kommt kurz nachdem Comey ausgesagt hatte, dass Hillary Clintons Topberaterin Tausende Mails an den Laptop ihres Mannes weitergeleitet habe. Das FBI bezeichnete diese Angabe in einem Brief später als falsch. Es sei nur eine kleine Anzahl gewesen. Manche Beobachter meinen, dass Trump einen guten Grund gesucht habe, Comey zu feuern - und der habe ihm diesen Grund mit seiner Aussage geliefert. Im Wahlkampf hatte Trump Comey noch gelobt Trumps Beraterin Kellyanne Conway widerspricht dieser Interpretation im US-Fernsehsender CNN deutlich: "Der Präsident hat das Vertrauen in den FBI-Direktor verloren. Er ist der Empfehlung des stellvertretenden Justizministers gefolgt. Der ist vor zwei Wochen ins Amt gekommen und hat sich die Situation angeschaut. An ihn berichtet der FBI-Chef. Ich zitiere, was er schreibt: 'Fast jeder sagt, dass Comey schwere Fehler gemacht hat.' Es ist eines der wenigen Themen, bei dem sich Leute aus unterschiedlichen Ecken einig sind." Im Wahlkampf war Trump noch voll des Lobes für Comey: "Ich war wirklich nicht seiner Meinung. Ich war nicht sein Fan. Aber er hat seine Reputation wiederhergestellt. Er wird dranbleiben. Es gibt viele Leute, die wollen, dass er das Falsche tut. Was er getan hat, war das Richtige." Unabhängige Untersuchung der Russlandkontakte? Weniger als zwei Wochen vor der Wahl hatte Comey erklärt, die Ermittlungen in der E-Mail-Affäre von Hillary Clinton wieder aufnehmen zu wollen. Es seien neue Mails aufgetaucht. Ein paar Tage später sagte er, es gebe keinen Anlass, ein Strafverfahren gegen Clinton einzuleiten. Dass Comey jetzt entlassen wurde, wird von vielen Demokraten und einigen Republikanern wie John McCain scharf kritisiert. Chuck Schumer fordert mit Blick auf die Untersuchungen zu Russlandkontakten des Trump-Teams einen unabhängigen Ermittler einzusetzen: "Die Untersuchung muss so weit wie möglich entfernt von diesem Weißen Haus geführt werden und jedem, den Trump berufen hat." James Comey ist Republikaner. Er wurde häufig wegen seiner Unabhängigkeit und Integrität gelobt.
Martina Buttler
Gefeuert mit sofortiger Wirkung: US-Präsident Trump hat FBI-Chef Comey entlassen. Er könne die Behörde nicht mehr effektiv leiten, so die Begründung. Nur ein Vorwand, um Comey loszuwerden? Die Empörung ist jedenfalls groß.
[ "Comey", "Trump" ]
Ausland
2017-05-10T02:52:37.863Z
2025-05-16T14:54:39.610Z
https://www.tagesschau.de//ausland/fbi-chef-comey-entlassen-103.html
Entwicklung bei den Mitgliederzahlen: Die AfD gewinnt, SPD verliert
Als einzige im Berliner Abgeordnetenhaus vertretene Partei hat die AfD 2023 deutliche Zugewinne bei den Mitgliedern verzeichnet. Und: Von dem Geheimtreffen mit Rechtsextremen hat sie offenbar profitiert, wie eine Exklusiv-Recherche des rbb zeigt. Von Agnes Sundermeyer Zehntausende Menschen demonstrierten zuletzt auf den Straßen - gegen Rechtsextremismus und die AfD. Auslöser waren die Enthüllungen des Recherchenetzwerkes Correctiv über ein Geheimtreffen zwischen Vordenkern der rechtsextremen Szene und AfD-Politikern, bei dem unter anderem über die massenhafte Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen wurde. Die AfD steht seitdem unter großem Erklärungsdruck. Ihren Mitgliederzahlen aber scheinen die Berichte nicht zu schaden. Ein Treffen von Rechtsextremen und AfD-Politikern, bei dem Pläne zur Ausweisung von Millionen von Menschen geschmiedet worden sein sollen, hat massive Kritik ausgelöst. Ein Politikforscher warnt vor Gefahren für die Demokratie.mehr Zulauf seit Enthüllungen Denn nur wenige Wochen seit der Veröffentlichung über das Geheimtreffen hatte die AfD einen vergleichsweise großen Zulauf an Mitgliedern. Dem rbb liegt exklusiv vor, dass seit dem 10. Januar, dem Datum der Veröffentlichung über das Treffen in der Potsdamer Villa Adlon, innerhalb von drei Wochen 63 Anträge auf eine Mitgliedschaft und drei Austrittsgesuche eingegangen sind. Das entspricht fast einem Viertel des gesamten Zuwachses im Jahr 2023. Zum Vergleich: Die Gesamtzahl an Berliner AfD-Neumitgliedern im Jahr 2023 betrug 289 Mitglieder. Bundesweit sieht es ähnlich aus: Im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen wollten seit den Correctiv-Veröffentlichungen laut Landesverband 250 Menschen der AfD beitreten, in Hessen 99, in Sachsen-Anhalt und Hamburg rund 50. Sechs AfD-Landesverbände wollten keine Mitgliederzahlen übermitteln. Parteienforscher erkennt Strategie der Selbstbehauptung Dass Menschen trotz der vielen Demos gegen Rechtsextremismus in die AfD eintreten wollen, überrascht Wolfgang Schroeder, Politologe und Parteienforscher an der Uni Kassel, nicht: "Das ist so eine Strategie der Innen-Schließung. Da wird der Eindruck erweckt: Wir müssen uns wehren. Das ist ein Moment der Selbstbehauptung." Ähnlich erklärt es sich auch die AfD: Laut dem Berliner Parteisprecher Ronald Gläser begründeten viele der potenziellen Neumitglieder ihre Anträge damit, dass sie nun erst recht einer "Hetzkampagne gegen die AfD" entgegentreten wollten. AfD legt deutlich zu, SPD verliert Im Vergleich mit den anderen im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien verzeichnete die AfD als einzige deutliche Zugewinne im vergangenen Jahr. Ihre Mitgliederzahlen stiegen von 1.047 im Jahr 2022 auf 1.336. Das entspricht einem Plus von 28 Prozent. Als einzige Partei verzeichnete die SPD deutliche Verluste: Sie hat im vergangenen Jahr 878 Mitglieder verloren, das entspricht fünf Prozent. Die Mitgliederzahlen von CDU, Grünen, und Linken stiegen leicht. Die CDU gewann 86 neue Mitglieder, die Linke 85 und die Grünen 18. "SPD hat kein Profil mehr" Experte Wolfgang Schroeder, der auch Mitglied der SPD ist, macht für die Verluste der der SPD das mangelnde Profil der Partei verantwortlich: "Die SPD ist überhaupt nicht bereit, sich an brenzlige Themen ranzumachen." Dazu gehöre, dass mehr Menschen arbeiten müssten, anstatt nur Sozialleistungen zu beziehen. "Die SPD redet aber der Alimentierung das Wort, nicht der Arbeit." Die Schwäche der beiden ehemaligen Volksparteien CDU und SPD lasse Raum für neue politische Parteien, so Schroeder, was aktuell vor allem im konservativen Spektrum für Dynamik sorge. Immer mehr Parteien zu haben, mache das Bilden von Regierungskoalitionen natürlich schwieriger, so Schroeder. Von Zuständen wie etwa in den Niederlanden mit mehr als einem Dutzend Parteien im Parlament sei Deutschland aber weit entfernt - von einer "Nicht-Regierbarkeit" des Landes könne man also nicht sprechen, so der Parteienforscher. Die Demonstrationen der letzten Wochen sind laut Schroeder trotz des Mitgliederzuwachses der AfD nicht vergebens gewesen: Mit dem Protest habe die Mitte der Gesellschaft gezeigt, dass Rechtsextremisten nicht für die Mehrheit der Bevölkerung sprechen. Sendung: rbb24 Inforadio, 30.01.2024, 6:20 Uhr
tagesschau.de
Als einzige im Berliner Abgeordnetenhaus vertretene Partei hat die AfD 2023 deutliche Zugewinne bei den Mitgliedern verzeichnet. Und: Von dem Geheimtreffen mit Rechtsextremen hat sie offenbar profitiert, wie eine Exklusiv-Recherche des rbb zeigt. Von Agnes Sundermeyer
[ "Berlin" ]
Inland
Regional
2024-01-30T06:34:38.000Z
2024-02-01T09:37:37.524Z
https://www.tagesschau.de//inland/regional/berlin/rbb-entwicklung-bei-den-mitgliederzahlen-die-afd-gewinnt-spd-verliert-100.html
Fahrverbote in Tirol: Bund will gegen Österreich klagen
Im Verkehrsstreit mit Tirol bereitet das Bundesverkehrsministerium eine Klage gegen Österreich vor. Die Sperrung von Landstraßen für den Ausweichverkehr sei "zutiefst diskriminierend". Tirol reagiert gelassen. Das Bundesverkehrsministerium bereitet wegen des Streits um den Durchfahrtsverkehr in Tirol eine Klage gegen Österreich vor. Ressortchef Andreas Scheuer bezeichnete die Blockabfertigungen von Lastwagen an der Tiroler Grenze sowie die Sperrung von Landstraßen für den Ausweichverkehr als "zutiefst diskriminierend". "Dieses Verhalten kann ich nur aufs Schärfste zurückweisen", sagte der Minister. Die Klage werde nun in der Großen Koalition in Berlin besprochen. Einen genauen Zeitplan gibt es noch nicht. Damit die Klage kommen kann, muss das Kabinett aus CDU/CSU und SPD zustimmen. Söder unterstützt Klage Bayerns Ministerpräsident Markus Söder unterstützt das Vorhaben. Das Verhalten Tirols bezeichnete er als "enttäuschend". Man wolle im Gespräch mit Österreich bleiben, müsse aber auch die juristische Frage klären. Mit Blick auf die erfolgreiche Maut-Klage Österreichs gegen Deutschland erklärte Söder: Es könne nicht sein, dass man der Auffassung sei, eine deutsche Maut behindere die Reisefreiheit, aber gleichzeitig Österreich für die Durchfahrt abriegele. Österreich verteidigt Verbote Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter hält die Maßnahmen "zu 100 Prozent EU-rechtlich gedeckt". "Wir haben diese Maßnahmen nicht aus Jux und Tollerei verhängt. Es sind vielmehr Notmaßnahmen, um die Verkehrs- und Versorgungssicherheit in unserem Land zu gewährleisten", sagte er laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA.
tagesschau.de
Im Verkehrsstreit mit Tirol bereitet das Bundesverkehrsministerium eine Klage gegen Österreich vor. Die Sperrung von Landstraßen für den Ausweichverkehr sei "zutiefst diskriminierend". Tirol reagiert gelassen.
[ "Tirol" ]
Inland
2019-06-24T12:47:04.228Z
2023-03-01T18:33:55.924Z
https://www.tagesschau.de//inland/bund-klage-oesterreich-101.html
Bundesländer fordern Nachbesserungen bei Heizungsplänen
Wenn es nach dem Kabinett geht, sollen ab 2024 neue Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Nun fordern einige Länder Nachbesserungen der Heizungspläne. Die Bundesregierung soll ihre Heizungspläne nach dem Willen einiger Bundesländer nachbessern. Verschiedene Ausschüsse des Bundesrats haben diese Empfehlung gegeben. Die Beratungen stehen allerdings erst ganz am Anfang. Der Umweltausschuss des Bundesrats, in dem viele grüne Landesumweltminister vertreten sind, fordert eine Verschärfung der Heizungspläne. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll es ein grundsätzliches Betriebsverbot für Heizkessel mit fossilen Energien nach dem 31. Dezember 2044 geben. Diese Zielsetzung sei mit dem Ziel der Bundesregierung kompatibel, im Jahr 2045 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, heißt es. In einigen Ländern werde jedoch schon früher eine Klimaneutralität angestrebt. "Um diese Ziele auch erreichen zu können, muss den Ländern die Möglichkeit gegeben werden, schon früher Regelungen zu Betriebsverboten für Heizkessel mit fossilen Brennstoffen zu erlassen." Bundesrat stimmt am 12. Mai ab Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte im gemeinsam Morgenmagazin von ARD und ZDF, es müsse insbesondere bei der Förderung nachgesteuert werden. "Das Ziel muss ja sein, dass insbesondere Menschen mit dem kleinen Geldbeutel nicht überfordert sind. Das ist berücksichtigt in dem Konzept, das die Bundesregierung vorgelegt hat. Aber aus meiner Sicht ist es noch nicht ausreichend." Der Bundesrat stimmt am 12. Mai über die Empfehlungen ab. Dabei ist offen, ob diese so angenommen werden. Weil wies darauf hin, dass man ganz am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens stehe. In den Ausschüssen des Bundesrats gebe es unterschiedliche Empfehlungen. Darüber werde man im Bundesrat in der nächsten Sitzung zu entscheiden haben. Auch der Bundestag steht am Anfang der parlamentarischen Beratungen. Die FDP hat bereits deutliche Nachbesserungen gefordert. Nach dem vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf soll von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Eine sofortige Austauschpflicht für Heizungen in Bestandsgebäuden gibt es nicht. Falls ein Gerät kaputtgeht und nicht mehr repariert werden kann, gibt es Übergangsfristen.
Wenn es nach dem Kabinett geht, sollen ab 2024 neue Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Nun fordern einige Länder Nachbesserungen der Heizungspläne.
[ "Habeck", "Bundesregierung", "Heizungspläne" ]
Inland
Innenpolitik
2023-05-04T12:02:59.372Z
2023-05-05T09:15:25.535Z
https://www.tagesschau.de//inland/innenpolitik/heizungen-nachbesserungen-100.html
EuGH weist Klage gegen vorinstallierte Software ab
Viele Kunden wünschen einen Computer mit vorinstallierter Software, den sie direkt nach dem Kauf nutzen können. Ein Franzose wollte genau so ein Kopplungsgeschäft nicht und verklagte den Hersteller Sony wegen unlauterer Geschäftspraktiken. Der EuGH gab nun dem Hersteller Recht. Computer dürfen grundsätzlich weiter mit vorinstallierter Software wie etwa einem Windows-Betriebssystem verkauft werden. Solch ein Kopplungsgeschäft sei keine unlautere Geschäftspraxis, solange das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher dadurch nicht beeinflusst werde, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH). Im aktuellen Fall hatte der Kläger in Frankreich einen Sony-Computer für 549 Euro gekauft. Die vorinstallierte Software, das Betriebssystem Microsoft Windows Vista und verschiedene Anwendungen, wollte der Kläger aber nicht und forderte von Sony die Erstattung der Kosten für diese Software. Sony lehnte dies ab und bot dem Kläger die Rückabwicklung des Kaufes an. Das wiederum lehnte der Kunde ab und verklagte Sony auf Zahlung einer pauschalen Entschädigung von 450 Euro für die vorinstallierte Software sowie von Schadensersatz in Höhe von 2500 Euro wegen unlauterer Geschäftspraktiken, die laut einer EU-Richtlinie verboten sind. Der Fall landete vor dem französischen Kassationsgerichtshof, der die Richter am EuGH um Hilfe bei der Auslegung des EU-Rechts gebeten hatte. Erwartungen der meisten Verbraucher werden erfüllt Der EuGH sieht in solch einem Kopplungsgeschäft grundsätzlich kein Problem. Begründung: Vorinstallierte Betriebssysteme erfüllten die Erwartungen der meisten Verbraucher, einen sofort nutzbaren Computer zu kaufen. Darüber hinaus sei der französische Kunde vor dem Computerkauf ausreichend über die bereits aufgespielten Programme informiert worden. Und er habe die Möglichkeit gehabt, das gekaufte Gerät wieder abzugeben und das Geld von Sony dafür zurückzubekommen.  Auch Sonys Geschäftspraxis sei nicht irreführend, entschieden die Richter. Das Fehlen einer Preisangabe für die vorinstallierte Software hindere den Kunden nicht, sich für oder gegen einen entsprechenden Computer zu entscheiden. Das bedeutet: Hersteller dürfen weiterhin Software auf Computern installieren, müssen aber genau darüber informieren. Verbraucher sollten diese Informationen nutzen bevor sie entscheiden, welchen Computer sie kaufen. Vorinstallierte Programme als Einfallstor für Hacker Verbraucherschützer warnen seit langem vor den Risiken vorinstallierter Programme. Diese können zum Einfallstor für Hacker werden. Teilweise handelt es sich bei der vorinstallierten Software aber auch um Testversionen, die später zu kostenpflichtigen Programmen werden. Software-Firmen zahlen Computerherstellern Provisionen dafür, dass sie ihre Geräte damit ausrüsten. (Az. C-310/15) Mit Informationen von Karin Bensch, ARD-Studio Brüssel.
tagesschau.de
Viele Kunden wünschen einen Computer mit vorinstallierter Software, den sie direkt nach dem Kauf nutzen können. Ein Franzose wollte genau so ein Kopplungsgeschäft nicht und verklagte den Hersteller Sony wegen unlauterer Geschäftspraktiken. Der EuGH gab nun dem Hersteller Recht.
[ "Vorinstallierte Software", "EuGH" ]
Wirtschaft
2016-09-07T10:00:17.335Z
2023-03-02T15:29:53.808Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/eugh-urteil-103.html
Betrugsvorwürfe: Die globalen Geschäfte der indischen Adani-Gruppe
Bis vor Kurzem gehörte er zu den reichsten Menschen der Welt: der indische Unternehmer Gautam Adani. Jetzt wird ihm Betrug im großen Stil vorgeworfen. Was steckt hinter seinem Firmenimperium? Von Charlotte Horn Wer ist Gautam Adani? Gautam Adani ist der Vorsitzende der Adani Group, die weltweit operiert. Er stammt aus der Mittelschicht, ein indischer "self-made man": Mit 16 Jahren bricht er die Schule ab, fängt in der indischen Finanzmetropole Mumbai an, im Diamantenhandel zu arbeiten. Ab 1988 handelt er mit seiner Firma "Adani Exports" im Import-Export-Geschäft mit Rohstoffen. Als Indien seinen Markt Anfang der 1990er-Jahre nach außen öffnet, nutzt Adani das geschickt und leiht sich immer wieder Geld. 1994 geht er mit seiner Firma an die Börse und sichert sich den Vertrag zum Ausbau eines wichtigen indischen Handelshafens. Von da an geht es für den mittelständischen Unternehmer steil aufwärts. Was verbindet Adani mit Indiens Premier Modi? Der 60-jährige Multimilliardär Adani stammt wie Narendra Modi aus dem westindischen Bundesstaat Gujarat. Während Adani als Geschäftsmann aufsteigt, macht Modi in der Politik Karriere. Er soll dem Unternehmer zu lukrativen Aufträgen verholfen haben - während seiner Zeit als Ministerpräsident und jetzt als Premierminister von Indien. Zu seinem Amtsantritt in Neu-Delhi 2014 fliegt Modi in einem Privatjet - einem Flugzeug von Adani. Kurz darauf springen die Adani-Aktien in die Höhe. Anleger vermuten, dass sich Adanis Nähe zur neuen Regierung auszahlen wird. Und tatsächlich: Die Gewinne der Adani Group haben sich seitdem verdoppelt. Welche Geschäfte betreibt die Adani Group? Die Adani Group galt bisher als das einflussreichste Unternehmen von Indien. Dahinter steckt ein inzwischen multinationales Firmengeflecht. Und das investiert - auch im Auftrag der indischen Regierung - in verschiedene Bereiche: in Infrastruktur-Projekte wie Autobahnen, den Abbau von Kohle, aber auch Erneuerbare Energien. Außerdem ist das Konglomerat der größte Betreiber von Flughäfen und Industriehäfen. Im vergangenen Jahr kaufte Adani zwei Hersteller für Zement - und den indischen Nachrichtensender NDTV, den bis dahin letzten unabhängigen Fernsehsender in Indien. Der Mutterkonzern Adani Enterprises investiert weltweit: in Kohleminen in Australien, in eine Reederei oder eine Firma für Lebensmittelverarbeitung in Singapur. Ende Januar erwarb die Gruppe die Mehrheit am größten israelischen Hafen in Haifa. Die Aktien der Adani Group haben in den vergangenen fünf Jahren mehr als 1000 Prozent an Wert gewonnen. Gleichzeitig häufte das Unternehmen durch immer neue Investitionen Schulden an. Für den 31. Januar hatte Adani Enterprises einen großen Börsengang im Wert von 2,5 Milliarden US-Dollar angekündigt. Doch genau eine Woche vorher veröffentlicht eine US-Investmentfirma einen kritischen Bericht. Wie lauten die Vorwürfe aus den USA? Am 24. Januar geht die Nachricht um die Welt: US-Analysten der Firma Hindenburg Research werfen der Adani Group Betrug im großen Stil vor. Mit Hilfe von Scheinfirmen in Steueroasen wie Mauritius habe die Unternehmensgruppe Geld in eigene Aktien investiert und damit deren Kurs künstlich hochgetrieben. Die Amerikaner behaupten, der Wert des Firmenkonglomerats sei künstlich aufgepumpt, die börsennotierten Tochter-Unternehmen von Adani hätten "erhebliche Schulden". Die US-Investmentfirma wettet als sogenannter "Shortseller" auf fallende Börsenkurse und hat schon in der Vergangenheit Vorwürfe gegen andere Firmen erhoben. Wie hat die Adani Group reagiert? Das Unternehmen weist die Vorwürfe auf über 400 Seiten zurück, spricht von einer "kalkulierten Attacke" auf die indische Wirtschaft. Die US-Investmentfirma wolle mit unlauteren Mitteln Gewinne erzielen. Die Adani Group erwäge rechtliche Schritte. In dem Bericht verweist das Unternehmen auch auf Beziehungen zu den größten Banken der Welt wie Citigroup, Credit Suisse oder Deutscher Bank. So verhalf die Deutsche Bank dem Firmenkonglomerat, den internationalen Flughafen von Mumbai zu finanzieren - mit einer Anleihe von über einer Milliarde US-Dollar. Offene Fragen beantwortet die Adani Group nicht, etwa nach der Herkunft von Geldern aus Briefkastenfirmen. Gautam Adani selbst sah sich zu einem persönlichen Video-Statement gezwungen. Er versicherte, der laufende Betrieb seines Unternehmens sei nicht von den Tumulten an der Börse betroffen. Die Bilanz sei gesund. Später wehrte sich der indische Multimilliardär in einem Interview gegen die Vorwürfe der Vetternwirtschaft. Er verdanke seinen Aufstieg nicht der Nähe zu Premierminister Modi. Doch auch diese Reaktion hat den Absturz der Adani-Aktien nicht aufgehalten. Was sind die Folgen für die Adani Group? Die kurzfristige Folge ist, dass das Unternehmen eine geplante Aktienplatzierung wieder zurückzog. Adani erklärte, er wolle seine Investoren vor Verlusten schützen. Zeitweise sanken Adani-Aktien um bis zu 30 Prozent am Tag, der Wert des Unternehmens brach um etwa die Hälfte ein. Am Dienstag stiegen die Papiere allerdings wieder, nachdem der Konzern mitteilte, bestimmte Schulden zurückzuzahlen. Die langfristigen Folgen dürften sich erst in den kommenden Wochen offenbaren: Laut der Finanznachrichtenagentur Bloomberg akzeptieren mehrere Großbanken inzwischen keine Adani-Anteile mehr als Sicherheit für eine Kreditvergabe. Adani hat oft selbst verkündet, dass die Ziele seiner Firmengruppe mit den Bedürfnissen von Indien übereinstimmten. Und genau wegen dieser Symbiose spürt das Land auch jetzt das finanzielle Ausmaß des Verlusts. Adanis Privatvermögen ist laut Forbes auf knapp 60 Milliarden US-Dollar geschrumpft. Wie fallen die Reaktionen in Indien aus? Indiens Premierminister Modi hat sich bisher nicht öffentlich zu den Vorwürfen gegen Adani geäußert. Genau das kritisiert die Opposition - und auch, dass es bisher im indischen Parlament keine inhaltliche Aussprache zu den Vorwürfen gab. Das hatte die Regierung bisher abgelehnt. Die Opposition wirft der Regierung vor, eine staatliche Bank und eine staatliche Versicherungsgesellschaft gezwungen zu haben, in die Adani Group zu investieren. Damit seien die Ersparnisse von vielen Menschen gefährdet. Die indische Finanzaufsichtsbehörde habe versagt. Die indische Zentralbank hat inzwischen die Banken des Landes aufgefordert, ihre Verbindungen zur Adani Group offenzulegen. Indiens Finanzministerin verteidigte die Regierung gegen die Vorwürfe der Opposition, die Adani Group sei bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugt worden. Sie versicherte, der indische Finanzmarkt sei gut reguliert. Laut Finanzexperten war Indien bisher ein relativ sicherer Markt für Investoren, auch aus dem Ausland. Durch die aktuellen Vorwürfe gegen Adani könnte sich das ändern. Gleichzeitig hätten indische Aufsichtsbehörden jetzt die Chance, das Fehlverhalten zu untersuchen und den Finanzmarkt zu stärken.
Charlotte Horn
Bis vor Kurzem gehörte er zu den reichsten Menschen der Welt: der indische Unternehmer Gautam Adani. Jetzt wird ihm Betrug im großen Stil vorgeworfen. Was steckt hinter seinem Firmenimperium?
[ "Gautam Adani", "Adani Group" ]
Wirtschaft
Weltwirtschaft
2023-02-08T07:26:32.800Z
2023-02-08T11:50:23.516Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/weltwirtschaft/adani-group-faq-101.html
Bereitschaft zu Neueinstellungen so gering wie lange nicht
Angesichts der schwachen Konjunktur trübt sich nun auch die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt ein. Das berichten sowohl das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, als auch das ifo-Institut. Die Konjunkturflaute in Deutschland schlägt sich zunehmend auf den Jobmarkt nieder. So ist die Bereitschaft der Unternehmen zu Neueinstellungen dem Münchener ifo-Institut zufolge so schlecht wie seit gut zweieinhalb Jahren nicht mehr. Außerdem sank das monatliche Arbeitsmarktbarometer des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im September um 0,7 Punkte und erreichte mit 99,8 Punkten den niedrigsten Wert seit der Corona-Krise im Jahr 2020. Aussichten auf dem Jobmarkt schwächer als in der Eurokrise Das Beschäftigungsbarometer des ifo-Instituts, für das Tausende Unternehmen befragt werden, ging im September um 1,2 auf 95,8 Punkte zurück und liegt damit auf dem tiefsten Wert seit Februar 2021. "Der robuste Aufbau an Beschäftigung der letzten Monate ist zum Erliegen gekommen", sagte der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. "Wegen fehlender Aufträge werden frei werdende Stellen eher zurückhaltend nachbesetzt." Angesichts des mauen Neugeschäfts planen danach viele Unternehmen in der Industrie, mit weniger Personal auszukommen. Gleiches gilt auch für Handel und Baugewerbe. Auch bei Dienstleistern ließ die Einstellungsdynamik merklich nach, wie die ifo-Forscher mitteilten. Die Zurückhaltung in den anderen Branchen spürten inzwischen auch die Personaldienstleister. "Die Arbeitsmarktaussichten sind etwas schwächer als Ende 2012 in der Eurokrise, der letzten Rezession vor Corona", betonte Enzo Weber, Leiter des IAB-Forschungsbereichs Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen. Für das Barometer des Nürnberger Instituts werden die Erwartungen aller deutschen Arbeitsagenturen für die nächsten drei Monate abgefragt. Es gilt damit als Frühindikator für die künftige Entwicklung des Arbeitsmarktes. Ein Wert von 100 gilt als neutraler Ausblick, ein Wert unter 100 deutet eine negative Entwicklung an. Arbeitsagenturen prognostizieren geringere Beschäftigungszuwächse Der Indexwert wird dabei aus mehreren Komponenten gebildet. Die Komponente Arbeitslosigkeit sank im September zum fünften Mal in Folge und steht bei einem Wert von nur noch 97 Punkten. Diese signalisiert, wie hoch das Risiko ist, arbeitslos zu werden. Die Komponente Beschäftigung, die einen Hinweis auf die Einstellungsbereitschaft von Unternehmen gibt, sank ebenfalls, aber liegt mit 102,6 Punkten nach wie vor über dem neutralen Wert. "Die Arbeitsagenturen erwarten, dass die Beschäftigungszuwächse deutlich geringer werden", so Weber. Schon im August hat die Zahl der Arbeitslosen weiter zugenommen. Auch der Jobindex der Bundesagentur für Arbeit war im vergangenen Monat auf den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahren gefallen. "Von einem Einknicken" gehen die Jobcenter aber weiterhin nicht aus, sagte der IAB-Experte. Denn die Beschäftigung in Deutschland liege trotz allem noch immer auf Rekordstand. Hintergrund der negativen Entwicklung ist die schwächelnde deutsche Wirtschaft: Ökonomen zufolge könnte Europas größte Volkswirtschaft im laufenden zweiten Halbjahr 2023 wieder in eine Rezession fallen, da ihr die maue Weltkonjunktur, gestiegene Zinsen und Inflation zusetzen. Die führenden Forschungsinstitute senkten zuletzt ihre Konjunkturprognosen für 2023 und 2024.
Angesichts der schwachen Konjunktur trübt sich nun auch die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt ein. Das berichten sowohl das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, als auch das ifo-Institut.
[ "Arbeitsmarkt", "Beschäftigung", "Neueinstellung", "Prognosen", "Job" ]
Wirtschaft
Arbeitsmarkt
2023-09-27T13:31:56.141Z
2023-11-17T13:24:24.554Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/arbeitsmarkt/arbeitsmarkt-beschaeftigung-prognosen-100.html
Ukraine: Gefährliche geopolitische Spiele
Angesichts der angespannten Lage in der Ukraine mehren sich Warnungen vor einem Zerfall des Landes. Fest steht: Russland will seinen Einfluss im Land nicht verlieren. Und es ist bereit, für diesen Machterhalt weit zu gehen. Von Silvia Stöber, tagesschau.de Die russische Regierung agiert im Konflikt mit der Ukraine nach geostrategischen Maßstäben, und so weist die aktuelle Entwicklung Parallelen zum Krieg 2008 in Georgien auf, wo sich ein Konflikt um zwei abtrünnige Gebiete zu einer Konfrontation zwischen Russland und dem Westen aufzuschaukeln drohte. Damals wie heute stand am Anfang ein innenpolitischer Konflikt. Russlands Position nicht konstruktiv Beide Ex-Sowjetrepubliken reklamiert Russland für sich als privilegierte Einflusszone und begründet dies mit Sicherheitsinteressen an den eigenen Grenzen. Doch in beiden Fällen ebenso wie bei anderen Konflikten im postsowjetischen Raum führte Russland keine friedliche Lösung herbei, im Gegenteil. Vor dem Krieg 2008 schürten sowohl Georgien als auch Russland die Eskalation, bis es zur offenen militärischen Konfrontation kam. Auch in der aktuellen Krise in der Ukraine erweist sich Russlands Position nicht als konstruktiv. Vertreter der russischen Führung kanzelten die Demonstranten als Rechtsextremisten und Terroristen ab. Die Vermittlungsbemühungen der EU stellten sie als einseitige Einmischung dar, während Präsident Wladimir Putin den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch geradezu dazu trieb, den Protest mit Gewalt aufzulösen. Internationale Organisationen versagen Aber auch internationale Organisationen erfüllten ihre Aufgaben nicht. Friedensmissionen der Vereinten Nationen (UN) und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) sahen in Georgien zu, wie die Konfliktparteien die Vereinbarungen umgingen und sich die Gewalt über Jahre aufschaukelte. Weder die UN noch die OSZE und der Europarat sind heute noch einflussreich genug, um in Krisen Lösungen herbeizuführen. Die USA spielten in beiden Ländern ebenfalls keine friedensstiftende Rolle. Auch wenn viele US-Diplomaten beschwören, sie hätten den damaligen georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili gewarnt, so gab es doch Stimmen in den Kreisen der Hardliner in Washington, die Saakaschwili glauben ließen, die USA würden ihm zu Hilfe eilen, wenn es zum Krieg mit Russland komme. Doch der Krieg damals zeigte auch: Auf eine direkte Konfrontation mit Russland ließ es nicht einmal die Bush-Regierung ankommen. Das äußerste Mittel, das die US-Regierung letztlich einsetzte, war die Lieferung von Hilfsgütern mit Militärflugzeugen und -schiffen. Kein Vertrauen in die USA und Russland Die USA haben ihren Glanz längst verloren; nicht nur angesichts des Irak-Krieges, sondern auch weil US-Regierungen oft genug mit Diktatoren gnädig umgehen, wenn dies amerikanischen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen dient. Russland trauen die Menschen ebenso wenig, weil die russische Führung über ihren imperialen Träumen vergisst, die Menschen für sich einzunehmen. Doch die zahlreichen Probleme und Konflikte vor der Haustür Europas bedürfen einer Lösung und ehrlicher Vermittler. Denn hört man sich um in den Ex-Sowjetrepubliken von Kirgistan über Aserbaidschan, Armenien bis nach Georgien, so bekommt man viel Ärger zu spüren. Die Menschen sind es leid, sich wie Schachfiguren in einem geostrategischen Spiel zu fühlen.
Silvia Stöber, tagesschau.de
Angesichts der angespannten Lage in der Ukraine mehren sich Warnungen vor einem Zerfall des Landes. Fest steht: Russland will seinen Einfluss im Land nicht verlieren. Und es ist bereit, für diesen Machterhalt weit zu gehen.
[ "Ukraine", "Euromaidan" ]
Ausland
2014-02-22T12:32:25.717Z
2023-03-02T18:42:54.876Z
https://www.tagesschau.de//ausland/ukraine-analyse-ts-102.html
Ukraine: Das ARD-Studio Kiew
Das ARD-Studio Kiew wurde im Oktober 2023 - mitten im russischen Angriffskrieg - eröffnet und ist das jüngste Auslandsstudio in der Geschichte der ARD. Das Studio befindet sich im Herzen der ukrainischen Hauptstadt: zwischen dem Maidan, der als Unabhängigkeitsplatz symbolisch für die ukrainische Zivilgesellschaft steht und dem Regierungsviertel als Zentrum der politischen Macht. Von diesem Standort aus berichten die Korrespondentinnen und Korrespondenten über die ukrainische Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur und den russischen Angriffskrieg. Gemeinsam mit ihrem Team sind sie viel im Land unterwegs und berichten, was ist. Zwischen Lwiw und Charkiw, Tschernihiw und Odessa. Producerinnen und Producer, Kameraleute, Cutter, Verwaltungskräfte, Fahrer und Sicherheitsberater: Sie alle tragen dazu bei, dass hochwertige Berichterstattung aus dem Kriegsland möglich ist.
tagesschau.de
Das <em>ARD-Studio Kiew</em> wurde im Oktober 2023 - mitten im russischen Angriffskrieg - eröffnet und ist das jüngste Auslandsstudio in der Geschichte der <em>ARD</em>.
[ "ARD" ]
Korrespondentenwelt
2024-09-09T11:43:30.603Z
2025-04-07T11:25:07.414Z
https://www.tagesschau.de//korrespondenten/studio-kiew-100.html
AfD zu Recht Verdachtsfall: Was das bedeutet
Der Verfassungsschutz hat die AfD laut Oberverwaltungsgericht Münster zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Was aus so einer Einstufung folgt. Von Frank Bräutigam, Christoph Kehlbach Was ist die Aufgabe des Verfassungsschutzes? Der Verfassungsschutz ist der deutsche Inlandsgeheimdienst. Man nennt ihn auch das "Frühwarnsystem der Demokratie". Es gibt in Deutschland das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sowie 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz. Laut Gesetz sind Bund und Länder verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden ist "die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen". Und zwar unter anderem über "Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind" - also zum Beispiel gegen Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte. Es geht in der Praxis vor allem um die Beobachtung von Rechtsextremismus, Linksextremismus und islamistischem Extremismus. Welche Kategorien zur Einstufung gibt es? Der Verfassungsschutz ordnet mögliche Fälle verfassungsfeindlicher Bestrebungen in drei Kategorien ein: Das Anlegen eines Prüffalls ist der erste Schritt im Verfahren beim Verfassungsschutz. Hierbei wird - vereinfacht gesagt - vorgeprüft, ob genügend Anhaltspunkte für eine Beobachtung vorliegen. Der Verfassungsschutz kann in diesem Stadium lediglich Informationen aus offen zugänglichen Quellen sammeln: Zeitungsartikel, Fernsehbeiträge oder Internetauftritte etwa, aber auch öffentliche Äußerungen der beteiligten Personen, Vereinssatzungen oder Parteiprogramme. Über die Einstufung einer Person oder Gruppierung als Prüffall darf der Verfassungsschutz die Öffentlichkeit nicht informieren. Wenn der erste Schritt aus Sicht der Behörde ergeben hat, dass es bei einem Prüffall tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung gibt, dann stuft der Verfassungsschutz diesen Fall hoch. Die nächste Stufe ist der Verdachtsfall. Ab dieser zweiten Stufe darf der Verfassungsschutz die betreffende Gruppierung beobachten, sie gilt nun als "Beobachtungsobjekt". Die dritte Stufe ist das Vorliegen einer gesichert extremistischen Bestrebung. Hier hat sich der Verdacht schon so weit verfestigt, dass aus Sicht der Behörde keine Zweifel mehr am Vorliegen extremistischer Bestrebungen bestehen. Wie schon bei den Verdachtsfällen beobachtet der Verfassungsschutz auch hier die jeweilige Gruppierung oder Einzelperson. Das BfV kann einen Prüffall auch direkt zur gesicherten Bestrebung hochstufen, ohne den "Umweg" Verdachtsfall zu nehmen. Soweit bei den Kategorien "Verdachtsfall" und "gesichert extremistisch" hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, informiert der Verfassungsschutz auch die Öffentlichkeit. Was bedeutet "beobachten" genau? Der Verfassungsschutz darf bei den Beobachtungsobjekten der zweiten und dritten Stufe nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. So kann die Behörde etwa V-Leute anwerben, also Informanten aus dem Umfeld der Partei. Außerdem kann sie Personen observieren oder auch - sofern noch weitere Voraussetzungen erfüllt sind - die Telekommunikation überwachen. Allerdings greift eine Beobachtung in die Grundrechte der Beobachteten ein. Darum muss das BfV immer das Prinzip der Verhältnismäßigkeit beachten: Jede Maßnahme muss also erforderlich und angemessen sein. Es darf also kein milderes Mittel geben, das genauso effektiv wäre. Bei einer gesichert extremistischen Bestrebung sind dabei tendenziell mehr Maßnahmen zulässig als bei einem Verdachtsfall. In beiden Fällen stehen also die gleichen "Werkzeuge" zur Verfügung, aber die Einzelfallentscheidung, wie genau beobachtet wird, fällt mitunter unterschiedlich aus. Gerade die Telekommunikationsüberwachung ist daher nur in Ausnahmefällen zulässig. Wichtig für Organisationen, die Parteien nahestehen: Wenn sich die Beobachtung auch auf gewählte Parlamentarier erstrecken soll, gelten besonders hohe Hürden. Das Bundesverfassungsgericht hat 2013 entschieden, dass die Beobachtung eines Abgeordneten durch Behörden einen besonders schweren Eingriff in das freie Mandat darstellt. Das sei nur in Ausnahmefällen zulässig. Was prüfen die Gerichte? Staatliche Behörden wie der Bundesverfassungsschutz können in Deutschland nicht tun, was sie wollen - sie sind immer an Recht und Gesetz gebunden. So gilt beispielsweise für das BfV das Bundesverfassungsschutzgesetz. Ob die jeweiligen Behörden sich an die jeweiligen gesetzlichen Vorgaben halten oder möglicherweise diesen Rahmen überschreiten, prüfen die Gerichte. Die Betroffenen können Maßnahmen, die sie betreffen, unabhängig von der Justiz überprüfen lassen. So klagte auch die AfD gegen die Einstufung als Verdachtsfall. Der Bundesverfassungsschutz musste dann zunächst vor dem Verwaltungsgericht Köln und dann in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen die "tatsächlichen Anhaltspunkte" darlegen, die ja Voraussetzung für eine Einstufung als Verdachtsfall sind. Sind solche Einstufungen gleichbedeutend mit einem Verbot einer Gruppierung? Nein. Bei der Einstufung als Verdachtsfall oder als gesichert extremistisch handelt es sich um eine Maßnahme des Verfassungsschutzes. Es ist aber nicht Sache des Verfassungsschutzes Parteien oder Vereine zu verbieten. Bezogen auf Parteien kann das nur das Bundesverfassungsgericht. Für Vereinsverbote ist das Bundesinnenministerium zuständig. Selbst wenn ein Gericht also eine Einstufung, beispielsweise als Verdachtsfall, bestätigt hat, bedeutet das nur: Das BfV hat sich rechtmäßig verhalten und keine Fehler gemacht. Sollte es zu einem späteren Zeitpunkt aber zu einem Verbotsverfahren kommen, könnten die Ergebnisse einer Beobachtung durch den Bundesverfassungsschutz allerdings wieder relevant werden. Denn es geht inhaltlich in einem solchen Verfahren teilweise um die gleichen Fragen - beispielsweise: Welchen Volksbegriff vertritt eine Gruppierung? Oder: Will eine Gruppierung die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen? Auch eine Partei die als Verdachtsfall geführt wird, ist also nicht verboten. Sie darf daher weiter an Wahlen teilnehmen und in Parlamenten vertreten sein.
Frank Bräutigam, Christoph Kehlbach
Der Verfassungsschutz hat die AfD laut Oberverwaltungsgericht Münster zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Was aus so einer Einstufung folgt.
[ "AfD", "Verfassungsschutz", "Verdachtsfall", "Rechtsextremismus" ]
Inland
2024-05-13T07:45:50.258Z
2025-05-02T12:37:24.310Z
https://www.tagesschau.de//inland/afd-verfassungsschutz-verdachtsfall-gerichtsurteil-100.html
Bundesregierung senkt Konjunkturprognose
Deutschland steht am Rande einer Rezession. Nach den führenden Wirtschaftsforschern hat nun auch die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose deutlich gesenkt: Statt, wie noch im Frühjahr erwartet, um 1,2 Prozent werde die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr nur noch um 0,2 Prozent wachsen. Die Bundesregierung hat ihre Konjunkturprognose für das kommende Jahr deutlich gesenkt. Nach Angaben von Wirtschaftsminister Michael Glos rechnet der Bund nun nur noch mit einem Wachstum in Höhe von 0,2 Prozent - im Frühjahr hatte die Prognose für 2009 noch bei 1,2 Prozent gelegen. Für das laufende Jahr glaubt die Regierung dagegen weiterhin an ein Plus des Bruttoinlandsprodukts in Höhe von 1,7 Prozent. 2007 hatte das Wachstum noch bei 2,5 Prozent gelegen. "Besonderes Maß an Unsicherheit" Das Wirtschaftsministerium wies darauf hin, dass vor der aktuell herrschenden Unsicherheit über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzmarktkrise alle Prognosen "ein besonderes Maß an Unsicherheit" hätten. In der Herbstschätzung sei unterstellt worden, dass die Finanzmarktkrise - auch wegen des beschlossenen Rettungspakets der Regierung - keine weiteren größeren Verwerfungen verursache und das Bankensystem die Krise weitgehend unbeschadet überstehe. Glos forderte erneut Steuersenkungen zur Stützung der lahmenden Wirtschaft. Über die bisher beschlossenen Maßnahmen hinaus sei dringend eine Entlastung der Bürger von Steuern und Abgaben nötig. Der CSU-Politiker hatte bereits dafür plädiert, die eigentlich erst für 2010 geplante steuerlichen Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen auf kommendes Jahr vorzuziehen. Auch Wirtschaftsforscher warnen vor Rezession Zuvor hatten bereits die von der Bundesregierung beauftragten Wirtschaftsforschungs- institute den Daumen gesenkt und ihre Vorhersagen ebenfalls auf 0,2 Prozent gesenkt. Als Gründe gaben die Forscher eine Eintrübung der Konjunktur und die Zuspitzung der Finanzmarktkrise an. "Deutschland ist von der internationalen Konjunkturschwäche in besonderem Maße betroffen, weil vor allem die Nachfrage nach Investitionsgütern zurückgeht, die im deutschen Exportsortiment eine überragende Rolle spielen", erklärten sie in ihrem Gutachten. Folgen für Haushalt und Arbeitsmarkt Das niedrigere Wachstum hätte unter anderem Folgen für den Arbeitsmarkt und den Staatshaushalt. So gehen die Forschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten davon aus, dass die Zahl der Arbeitsplätze am Jahresende 2009 um 350.000 niedriger liegen wird als am Jahresanfang - bisher waren hatten sie einen weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit prognostiziert. Auch die Haushaltsplanung des Staates basiert bisher auf der Frühjahrsprognose. Auf Grundlage der neuen Vorhersage wird der Arbeitskreis Steuerschätzung in den kommenden Wochen die voraussichtlichen Steuereinnahmen der öffentlichen Haushalte ermitteln. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag reduzierte seine Wachstumsprognose. Der DIHK, der rund 25.000 Firmen zu ihren Erwartungen befragt hatte, geht nun von einem Plus von 0,5 Prozent im kommenden Jahr aus.
tagesschau.de
Deutschland steht am Rande einer Rezession. Nach den führenden Wirtschaftsforschern hat nun auch die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose deutlich gesenkt: Statt, wie noch im Frühjahr erwartet, um 1,2 Prozent werde die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr nur noch um 0,2 Prozent wachsen.
[ "Meldung" ]
Wirtschaft
2008-10-16T10:26:51.669Z
2023-03-01T23:49:50.616Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/herbstgutachten-ts-102.html
Einbürgerung und Arbeitnehmerschutz: Referendum in Italien gescheitert
In Italien ist ein Volksentscheid über eine schnellere Einbürgerung und stärkere Arbeitnehmerrechte wegen zu geringer Beteiligung gescheitert. Die rechte Regierung hatte zuvor aufgerufen, sich des Votums zu enthalten. In Italien ist ein Referendum über Änderungen im Staatsbürgerschaftsrecht und eine Stärkung von Arbeitnehmerrechten wegen zu geringer Beteiligung gescheitert. Laut ersten Ergebnissen nahmen nur gut 30 Prozent der Wahlberechtigten an der zweitägigen Volksabstimmung teil. Nur bei einer Beteiligung von mehr als 50 Prozent wäre das Ergebnis gültig gewesen. Einbürgerung nach fünf statt zehn Jahren Wichtigster Punkt bei dem von zivilgesellschaftlichen Gruppen initiierten Referendum war eine vorgeschlagene Halbierung der Wartezeit vor dem Recht auf Einbürgerung. Derzeit müssen Bürger aus Nicht-EU-Staaten ohne familiäre Verbindungen nach Italien zehn Jahre im Land leben, bevor sie überhaupt einen Antrag auf Einbürgerung stellen können - ein Verfahren, das sich wiederum über Jahre hinziehen kann. Ein Erfolg für Meloni Das Referendum war von der oppositionellen Mitte-links-gerichteten Demokratischen Partei unterstützt worden. Nach Angaben der Befürworter hätten etwa 2,5 Millionen Menschen von der vorgeschlagenen Änderung profitieren können. Für die rechtsgerichtete Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihre Partei Fratelli d'Italia ist das Scheitern der Abstimmung ein Erfolg. Sie hatte die Vorschläge abgelehnt und ihre Wählerinnen und Wähler zur Enthaltung bei dem Votum aufgerufen. Die aktuelle Regelung bezeichnete sie als "ausgezeichnetes Gesetz". Mehrheit für schnellere Einbürgerung Neben der Staatsbürgerschaftsfrage standen vier weitere Punkte bei dem Referendum zur Abstimmung, die den Schutz von Arbeitnehmern betreffen - etwa bei Kündigungen, prekären Arbeitsverhältnissen und Arbeitsunfällen. Rund 85 Prozent der Italiener, die am Referendum teilnahmen, stimmten bei den Fragen zum Arbeitsrecht mit "Ja", 64 Prozent stimmten für Änderungen beim Einbürgerungsrecht.  Gewerkschaftsbund: "Klare Krise der Demokratie" "Die Oppositionsparteien wollten aus diesem Referendum eine Abstimmung über die Regierung Meloni machen. Die Antwort scheint sehr klar: Die Regierung geht daraus gestärkt hervor und die Linke noch schwächer", erklärte Giovanbattista Fazzolari, die rechte Hand Melonis. "Ihr habt verloren", erklärte Fratelli d'Italia im Onlinedienst X und veröffentlichte dazu ein Foto der Chefs der vier Oppositionsparteien, die das Referendum unterstützt hatten. Der Chef des linksgerichteten Gewerkschaftsbundes CGIL, Maurizio Landini, bezeichnete die geringe Beteiligung an dem Referendum als "klare Krise der Demokratie" in Italien.
In Italien ist ein Volksentscheid über eine schnellere Einbürgerung und stärkere Arbeitnehmerrechte wegen zu geringer Beteiligung gescheitert. Die rechte Regierung hatte zuvor aufgerufen, sich des Votums zu enthalten.
[ "Italien", "Referendum", "Meloni" ]
Ausland
Europa
2025-06-09T17:21:21.910Z
2025-06-09T19:52:27.241Z
https://www.tagesschau.de//ausland/europa/italien-referendum-meloni-100.html
Südkoreas Übergangspräsident Han tritt vor Neuwahl zurück
Anfang Juni steht in Südkorea die vorgezogene Wahl eines neuen Staatsoberhauptes an. Mit seinem Rücktritt dürfte sich Übergangspräsident Han für die Abstimmung in Stellung bringen. Oppositionsführer Lee droht derweil ein Ausschluss. Einen Monat vor der Präsidentenwahl in Südkorea ist Übergangspräsident Han Duck Soo von seinem Amt zurückgetreten. Damit übernimmt nun Finanzminister Choi Sang Mok für die kommenden Wochen die Amtsgeschäfte.  Wie der 75-jährige Han bei einer live im Fernsehen übertragenen Rede mitteilte, möchte er in Zukunft eine "noch größere Verantwortung übernehmen". In südkoreanischen Medien wird dies als Andeutung interpretiert, dass er bei den Neuwahlen als Präsidentschaftskandidat antreten könnte. Han hat dies noch nicht direkt bestätigt.  Der langjährige Politiker hat in seiner Laufbahn sowohl unter konservativen als auch linksliberalen Präsidenten als Minister gedient. Zwischenzeitlich war er auch als Diplomat tätig, unter anderem als Botschafter in den USA. Oppositionsführer könnte von Wahl ausgeschlossen werden Die Wahl eines neuen Staatsoberhauptes soll am 3. Juni stattfinden. In den Umfragen führte zuletzt Oppositionsführer Lee Jae Myung, der bereits zum zweiten Mal als Präsidentschaftskandidat antritt. Ihm droht jedoch der Ausschluss von der vorgezogenen Abstimmung, da der Oberste Gerichtshof seine Eignung für das höchste Staatsamt infrage stellt. Das Gericht befand, dass Lee 2022 mit "falschen Aussagen" die Wählerschaft in die Irre geführt und somit gegen Wahlgesetze verstoßen habe. Die Richter gelangten damit zu einer anderen Auffassung als eine niedere Instanz, die Lee von den Vorwürfen freigesprochen hatte. Der Fall wurde zurück an ein Berufungsgericht verwiesen, das nun entscheiden muss, ob Lee von der Wahl am 03. Juni disqualifiziert wird. Lee hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Er erklärte, dass er nicht mit dieser Entscheidung des Obersten Gerichts gerechnet habe. Er bleibe aber zuversichtlich. Irreversibler Schaden für Demokratische Partei? Ob das Berufungsgericht noch vor der Wahl ein Urteil fällt, ist unklar. Doch so oder so dürfte der Fall nach Auffassung von Beobachtern Lee schaden. Der Politikwissenschaftler Shin Yul sprach von einem Schlag für Lee und dessen liberal ausgerichtete Demokratische Partei. "Das Berufungsgericht wird entscheiden, ob er für ein Amt kandidieren darf oder nicht, aber das Oberste Gericht hat ihn im Grunde für schuldig befunden. Moderate Wähler, zehn Prozent der Gesamtzahl, werden von dieser Nachricht beeinflusst werden", sagte er. Sollte das Berufungsgericht ein Schuldurteil im Einklang mit der Entscheidung des Obersten Gerichts fällen, würde Lee für mindestens fünf Jahre von Wahlen ausgeschlossen. Die Entscheidung könnte auch die Gräben in der südkoreanischen Gesellschaft weiter aufreißen. Für viele Südkoreaner ist Lee, der im Januar 2024 einen Anschlag überlebte, eine Art Hoffnungsträger. Ex-Präsident Yoon Suk Yeol droht lebenslange Haftstrafe Das Land steckt seit Monaten in einer tiefen politischen Krise, nachdem Yoon Suk Yeol als Präsident des Amtes enthoben wurde, weil er kurzzeitig im Dezember das Kriegsrecht ausgerufen hatte. Der 64-Jährige wurde in dem Zusammenhang wegen Amtsmissbrauchs angeklagt. Zudem muss er sich wegen des Vorwurfs des Hochverrats strafrechtlich verantworten. Im Falle eines Schuldspruchs droht Yoon eine lebenslange Haftstrafe, theoretisch wäre auch die Todesstrafe möglich. Der konservative Politiker hatte das Kriegsrecht im Zuge eines Haushaltsstreits mit der Opposition ausgerufen und dies unter anderem damit begründet, dass die linke Opposition von kommunistischen und staatsfeindlichen Kräften unterwandert sei. Beweise für diese Anschuldigungen legte Yoon nicht vor.  Laut Aussagen mehrerer Militärs hatte Yoon im Zuge seines Kriegsrechtsdekrets angeordnet, die Abgeordneten der Nationalversammlung mit Hilfe des Militärs davon abzuhalten, das Kriegsrecht per Abstimmung für ungültig zu erklären. Anfang April wurde Yoon endgültig vom Verfassungsgericht des Amtes enthoben. Die von ihm ausgelöste Staatskrise hat das Wirtschaftswachstum des Landes deutlich abgebremst und auch internationale Investoren stark verunsichert.
Anfang Juni steht in Südkorea die vorgezogene Wahl eines neuen Staatsoberhauptes an. Mit seinem Rücktritt dürfte sich Übergangspräsident Han für die Abstimmung in Stellung bringen. Oppositionsführer Lee droht derweil ein Ausschluss.
[ "Südkorea" ]
Ausland
Asien
2025-05-01T14:41:53.270Z
2025-06-04T04:44:42.730Z
https://www.tagesschau.de//ausland/asien/suedkorea-uebergangspraesident-ruecktritt-oppositionskandidat-ausschluss-wahl-100.html
Europawahl in Deutschland: Grüne hängen SPD ab
Historische Niederlagen für Union und SPD, Triumph für die Grünen: Bei der Europawahl in Deutschland trifft es die SPD besonders hart - sie stürzt ab. Die Union bleibt trotz Verlusten stärkste Kraft. Klarer Wahlsieger sind die Grünen: Sie gewinnen zweistellig. Die Parteien der Großen Koalition in Deutschland haben bei der Europawahl historisch schlecht abgeschnitten. Dennoch blieb die Union stärkste Kraft - trotz erheblicher Verluste. Die ARD-Hochrechnung sieht CDU und CSU zusammen bei 28,3 Prozent. Davon entfallen 22,2 Prozent auf die CDU und 6,1 Prozent auf die CSU. Vor fünf Jahren hatte die CDU 30,0 Prozent und die CSU 5,3 Prozent erreicht. Manfred Weber greift nach dem Top-Job in Brüssel Die Union war diesmal erstmals mit einem gemeinsamen Programm und dem nationalen Spitzenkandidaten Manfred Weber in den Europawahlkampf gezogen. Weber ist zugleich europäischer Spitzenkandidat der christlich-konservativen Parteienfamilie EVP und damit ein Anwärter auf den Top-Job in Brüssel: Weber möchte Kommissionspräsident werden. Die Union habe ihr Wahlziel erreicht, stärkste Kraft zu werden, sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Und die EVP werde voraussichtlich stärkste Kraft im Europaparlament. Dies untermauere den Anspruch, dass EVP-Spitzenkandidat Weber neuer Präsident der EU-Kommission werde. Ähnlich äußerte sich CDU-Vizechefin Ursula von der Leyen in der ARD. Weber stehe "in der Pole Position". SPD verliert zweistellig Für die SPD endet die Europawahl im Fiasko - und mit zweistelligen Verlusten. Kamen die Sozialdemokraten vor fünf Jahren noch auf 27,3 Prozent, stürzen sie jetzt auf 15,6 Prozent ab - Negativrekord. Eine herbe Enttäuschung für Spitzenkandidatin Katarina Barley, aber auch eine Niederlage für Parteichefin Andrea Nahles, die die bisherige Justizministerin Barley zur Spitzenkandidatur gedrängt hatte. Nahles nannte das Ergebnis "extrem enttäuschend". Ähnlich äußerte sich SPD-Vize Olaf Scholz. In der ARD wandte er sich zudem klar gegen Personaldebatten: "Der Ruf nach personellen Konsequenzen führt nicht weiter", so Scholz. In den vergangenen Tagen war Parteichefin Nahles massiv unter Druck geraten. Barley selbst erklärte: "Ich habe alles gegeben, was ich konnte. Mehr ging nicht." Ein Grund für das schlechte Abschneiden ihrer Partei seien auch Versäumnisse beim Thema Klimaschutz. Grün gewinnt zweistellig Ein großer Gewinner dieser Wahl sind der ARD-Hochrechnung zufolge die Grünen. Sie ziehen an der SPD vorbei und werden mit 20,3 Prozent neue zweitstärkste Kraft. Damit legt die Partei zweistellig zu - 2014 war sie bei 10,7 Prozent gelandet. Spitzenkandidatin Ska Keller sprach von einem "sensationelles Ergebnis" und einer "grandiosen Teamleistung". "Für uns ist es ein Auftrag und eine Verantwortung die Dinge umzusetzen, vor allem im Klimaschutz", fügte sie in der ARD hinzu. Die Linkspartei kommt auf 5,4 Prozent und verliert damit rund zwei Prozent im Vergleich zu 2014 (7,4 Prozent). Sie war mit den Spitzenkandidaten Özlem Demirel und Martin Schirdewan in den Wahlkampf gezogen und setzte sich für einen Neustart in Europa ein, hin zu mehr Solidarität und weniger Profitstreben. Linken-Parteichef Bernd Riexinger reagierte enttäuscht auf das Abschneiden seiner Partei. Europawahlen seien für seine Partei noch nie ein einfaches Feld gewesen, sagte Riexinger im ZDF. Trotzdem habe seine Partei ein "besseres Ergebnis erwartet und verdient gehabt". Ähnlich äußerte sich Spitzenkandidat Schirdewan. AfD und FDP legen zu Die AfD kann zulegen, jedoch weniger als in Umfragen vorhergesagt. Die Rechtspopulisten erreichen 10,8 Prozent - vor fünf Jahren lag die AfD bei 7,1 Prozent. Spitzenkandidat Jörg Meuthen, seit Ende 2017 im Europaparlament, war bislang der letzte von einst sieben AfD-Abgeordneten. Die AfD trat mit dem Ziel an, das Europaparlament abzuschaffen. "Wir gehen nach Brüssel, um die EU zu reparieren, um sie auf ihre Kernaufgaben zu reduzieren", sagte Meuthen. Die AfD habe in Brüssel jetzt eine "bärenstarke Gruppe". Man werde auch in der EVP Partner suchen, etwa die Fidesz-Partei von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Die FDP kann ihr Ergebnis von 2014 ebenfalls verbessern. Sie kommt nun auf 5,4 Prozent - nach 3,4 Prozent im Jahr 2014. Angetreten ist sie mit Nicola Beer als Spitzenkandidatin. Die ehemalige FDP-Generalsekretärin ist bislang in Brüssel unerfahren, in den Europawahlkampf ging sie innerparteilich angeschlagen. Parteichef Christian Lindner sah das Ergebnis dennoch positiv: "Wir sind heute Abend kein großer Wahlgewinner, aber wir sind ein kleiner Wahlgewinner." Sieben kleine Parteien erringen Mandate 41 Parteien und Vereinigungen stellten sich zur Wahl. Eine Fünf-Prozent-Hürde gibt es für die Europawahl in Deutschland derzeit nicht, daher können erneut auch kleine Parteien Mandate erobern und Abgeordnete nach Brüssel beziehungsweise Straßburg schicken. Laut Hochrechnung können sieben kleine Parteien Mandate erringen: Die Freien Wähler, Piraten, Tierschutzpartei, Volt, ÖDP, Familie und Die Partei. Rekord-Wahlbeteiligung Das Interesse an der Europawahl war diesmal so hoch wie lange nicht. Hochrechnungen zufolge lag sie bei über 60 Prozent - das wäre Rekord seit der Wiedervereinigung Deutschlands. Bei der ersten gesamtdeutschen Wahl 1994 lag sie bei 60 Prozent, danach nahm sie stetig ab. Ebenfalls im Gegensatz zu vorangegangenen Europawahlen war diese Wahl keine Denkzettelwahl für die Bundesregierung, sondern laut einer Vorwahlerhebung von Infratest dimap eine Wahl für Europa. Der Brexit, die Regierungskrise in Österreich, rechtspopulistische Regierungen wie in Italien oder Ungarn - all das mobilisierte offenbar viele Menschen in Deutschland, für das europäische Projekt Partei zu ergreifen.
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Historische Niederlagen für Union und SPD, Triumph für die Grünen: Bei der Europawahl in Deutschland trifft es die SPD besonders hart - sie stürzt ab. Die Union bleibt trotz Verlusten stärkste Kraft. Klarer Wahlsieger sind die Grünen: Sie gewinnen zweistellig.
[ "Europawahl2019", "EUElections2019", "EU" ]
Inland
2019-05-26T19:59:28.669Z
2023-03-02T16:18:36.551Z
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Spionagevorwurf: US-Journalist in russischer Untersuchungshaft
Seit vergangenem Jahr ist Evan Gershkovich Moskau-Korrespondent des "Wall Street Journal". Der Spionagevorwurf Russlands gegen den US-Journalisten könnte bis zu 20 Jahre Haft für ihn bedeuten. Von Frank Aischmann Im September 1986 wurde in Moskau ein US-Korrespondent des "U.S. News and World Report" vom KGB wegen Spionageverdacht festgenommen - und 20 Tage später gegen einen in den USA inhaftierten Sowjetbürger ausgetauscht. 37 Jahre vergingen bis zum nächsten Fall - soweit offiziell bekannt. Der KGB-Nachfolger FSB vehaftete in der Millionenstadt Jekaterinburg im Ural Evan Gershkovich. Er ist seit Februar vergangenen Jahres Moskau-Korrespondent des "Wall Street Journal". Zuvor berichtete er für verschiedene Medien aus Russland. "Auf frischer Tat ertappt" "Bei dem Versuch, geheime Informationen zu erhalten, wurde der ausländische Bürger in Jekaterinburg inhaftiert", meldete die Presseabteilung des Inlandsgeheimdienstes. Es gehe um Spionage im Interesse der amerikanischen Regierung. Kurz darauf sagte Dmitri Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten: "Es gab ja schon eine Erklärung vom FSB. Das einzige, was ich ergänzen kann: Soweit wir wissen, wurde er auf frischer Tat ertappt." Weitere offizielle Kommentare klangen, als sei in Russland die Unschuldsvermutung abgeschafft oder ausgesetzt. Von Maria Sacharowa, Sprecherin des Außenministeriums, hieß es: "In diesem Fall sprechen wir davon, dass er unter dem Deckmantel journalistischer Aktivitäten, eines Journalistenvisums und einer Akkreditierung an völlig anderen Aktivitäten beteiligt war." Der 31-jährige "Wall Street Journal"-Korrespondent soll in und um Jekaterinburg unter anderem recherchiert haben, wie die Bevölkerung zu den Rekrutierungsbemühungen der Wagner-Gruppe steht. Die Wagner-Gruppe ist ein nichtstaatliches Militärunternehmen des Putin-Vertrauten Jewgenij Prigoschin, das zur Zeit neben der russischen Armee in der Ukraine kämpft. Offiziell sprach der russische Geheimdienst davon, der Journalist habe Informationen "über die Aktivitäten eines der Unternehmen des russischen militärisch-industriellen Komplexes gesammelt". Dem Reporter drohen bis zu 20 Jahre Haft Die seit Kriegsbeginn verschärften Mediengesetze erschweren die Berichterstattung über Militärthemen und Militärunternehmen ohnehin erheblich. Weil aber unter dem Paragrafen 276 des Strafgesetzbuches ermittelt wird - wegen Spionage - drohen Gershkovich bis zu 20 Jahre Haft. Der Korrespondent wurde am Nachmittag in geschlossener Sitzung vor das Moskauer Bezirksgericht in Lefortowo gestellt. Er plädierte nach Angaben der Nachrichtenagentur Tass auf "nicht schuldig" - das Gericht ordnete dennoch eine zunächst zweimonatige Untersuchungshaft an, die aber auch nach dem 29. Mai verlängert werden kann. Mit großer Besorgnis und der Forderung nach Freilassung kommentierte das "Wall Street Journal" die Nachricht von der Festnahme des eigenen Korrespondenten, die Organisation "Reporter ohne Grenzen" forderte: "Journalisten dürfen nicht zur Zielscheibe werden!"
Frank Aischmann
Seit vergangenem Jahr ist Evan Gershkovich Moskau-Korrespondent des "Wall Street Journal". Der Spionagevorwurf Russlands gegen den US-Journalisten könnte bis zu 20 Jahre Haft für ihn bedeuten.
[ "Gershkovich", "Russland", "USA", "Spionage" ]
Ausland
2023-03-30T16:48:20.583Z
2025-02-11T19:54:03.842Z
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Starkregen und Permafrost-Tau: Wie der Klimawandel Bergen zusetzt
In Tirol ist ein Teil eines Berggipfels abgebrochen, die Gerölllawine ist zwei Kilometer lang. Schuld ist wohl die Permafrost-Schmelze. Nicht das einzige Phänomen, das Berge bröckeln lässt. Von Alexander Brutscher, Doris Bimmer, BR Aus der Luft ist die Gewalt des Felssturzes vom vergangenen Sonntag am besten zu sehen: Der Gipfelaufbau des Fluchthorns im Tiroler Silvrettagebirge ist abgebrochen. Wo jetzt im Juni noch alles schneebedeckt und weiß ist, klafft eine dunkle Flanke, ein schwarzes Band aus Geröll durchzieht den Schnee wie ein Strom aus Lava. 100.000 Kubikmeter Gestein abgerutscht Der massive Bergsturz wurde wohl durch den tauenden Permafrost im Gebirge ausgelöst. Tirols Chef-Geologe Thomas Figl schätzt, dass mindestens 100.000 Kubikmeter Gestein vom Südgipfel des Fluchthorn-Massivs bei Galtür gestürzt sind. Laut Bergrettern ist sogar das Gipfelkreuz verschwunden. Bei einem Erkundungsflug seien klare Anzeichen zu erkennen gewesen, dass das schwindende Permafrost-Eis im Gestein die Ursache für das Naturereignis war, sagte Figl. "Das Eis schmilzt wegen der stattfindenden Klimaerwärmung, und das sorgt dafür, dass die Berge bröckeln", erklärt der Geologe. "Das Eis ist der Klebstoff der Berge, und dieser Klebstoff geht jetzt schön langsam verloren." Permafrost-Schmelze bringt Berge zum Bröckeln Permafrost ist dauerhaft und ganzjährig gefrorener Untergrund. Laut der Wissensplattform Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft gibt es Permafrost in Deutschland nur auf der Zugspitze. Das Eis in den Bergen hält das Gestein zusammen und spiele auch eine Rolle für die Festigkeit der Felsen, sagt Michael Krautblatter, Geomorphologe an der TU München. Zudem sei Wasser, das in Felsen eindringt, ein Problem. Taue eine Kluft auf, könne dort plötzlich Wasser eindringen. Das Wasser komme mit einer Temperatur von drei Grad Celsius bis zu 60 Meter tief unter den Fels. Dieses Auftauen über Wasser gehe viel schneller als von außen. So könnte es nach Meinung des Geomorphologen auch am Fluchthorn gewesen sein: Wasser dringt in Spalten ein, der Druck im Inneren steigt, das Eis taut auf, es kommt zum Bergsturz. "Wir haben vor zehn Jahren damit gerechnet, dass von außen über den Fels langsam die Wärme reinkommt und der Permafrost auftaut. Wir sehen jetzt an der Zugspitze und anderswo, dass dort Wasser plötzlich in Bereiche reingeht, an denen wir dachten, dass die noch 30 bis 40 Jahre gefroren sind", sagt Krautblatter. Experten: Fels- und Bergstürze nehmen zu Mit seinem Team entwickelt Krautblatter Frühwarnsysteme für den alpinen Raum, der besonders vom Klimawandel betroffen ist. "Die Gletscher ziehen sich zurück, der Permafrost geht zurück, die Starkniederschläge werden häufiger", sagt der Geomorphologe. Und trotzdem müsse man die Sicherheit im Bergtourismus bereitstellen. "Wir sehen in den Alpen in den letzten zehn Jahren eine unglaubliche Zunahme in der kritischen Höhe von 3000 Metern im Permafrost-Bereich", so Krautblatter. Diese Entwicklung sei sehr gefährlich. "Wenn man am falschen Ort ist, gibt es kein Entkommen", sagt Krautblatter. Man wisse nicht, welcher Gipfel als nächstes bricht. "Das kann uns kein Großvater oder so erzählen, sondern wir haben nur die Wissenschaft", sagt der Geomorphologe. Der Bergsturz in Tirol zeige, dass man noch mehr Gipfel beobachten müsse. Die Gefahr von Bergstürzen nimmt angesichts des Klimawandels nach Ansicht von Experten zwar zu, sei aber kein Grund zur Panik. "Viele der sich entwickelnden Hotspots in den Alpen sind bekannt und werden gemanagt", sagt der Glaziologe Jan Beutel von der Universität Innsbruck. Die lokalen Behörden würden in diesen Fällen rechtzeitig warnen oder Wege sperren. "Ein Restrisiko bleibt aber", sagt der Forscher und Bergführer. Gesteinsmassen bedrohen Schweizer Bergdorf Der seit Wochen erwartete Felssturz bei Brienz im Schweizer Kanton Graunbünden ist in der Nacht zum Freitag passiert. Riesige Felsmassen stürzten den Hang hinunter und blieben nur wenige Meter vor dem alten Schulhaus des Bergdorfes auf rund 1100 Metern Höhe liegen. Eine Straße oberhalb des Dorfes liege meterhoch unter Schutt, sagte Christian Gartmann, Sprecher der Gemeinde Albula, zu der Brienz gehört. "Brienz hatte großes Glück", sagte Gartmann dem Sender SRF. Im Unterschied zum Fluchthorn in Tirol gibt es bei Brienz keinen Permafrost. Der Berg bewegt sich dort schon seit mehr als hundert Jahren. Allerdings verschärfte der anhaltende Regen im vergangenen Mai die Lage in Brienz. Die Gesteinsrutschung beschleunigte sich so sehr, dass die gut 80 Einwohner vorsichtshalber in Sicherheit gebracht wurden. Auch in Bayern droht großer Felssturz Auch einem Gipfel in Bayern droht ein großer Fels- oder sogar Bergsturz, dem Hochvogel bei Bad Hindelang im Oberallgäu. Im Gipfel des Hochvogel klafft ein Spalt, der immer tiefer wird. Krautblatter und sein Team beobachten den Gipfel minutiös, Sensoren registrieren und melden jede Bewegung. "Der Hochvogel hat gerade einen besonders großen Felssturz in Vorbereitung", sagt der Geomorphologe. An der Zugspitze würden zwar auch ständig kleinere Stücke brechen, aber die Forscher gehen davon aus, dass am Hochvogel 260.000 Kubikmeter Fels abbrechen werden. "Das ist der halbe Gipfel, der dann wegbräche, das ist nicht so alltäglich", erklärt Krautblatter. Die nächsten Ortschaften wären - anders als in der Schweiz - nicht direkt vom Felssturz betroffen. Dennoch müssten alle rechtzeitig gewarnt werden, insbesondere auch Wanderer und Bergsteiger. Stürzen Gestein und Felsen mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100 Kubikmetern - das entspricht im Durchschnitt dem Fassungsvermögen von 500 bis 600 Badewannen - ins Tal, so handelt es sich um einen sogenannten Felssturz. Ab einer Millionen Kubikmeter Gestein wird aus dem Felssturz ein Bergsturz. Das entspricht dem Volumen von 1.000 bis 2.000 Einfamilienhäusern. Starkregen beschleunigt Felsstürze Wie in Brienz gibt es auch am Hochvogel keinen Permafrost. Dafür ist der 2592 Meter hohe Berg zu niedrig - das Fluchthorn in Tirol ist rund 3400 Meter hoch. Dass der Hochvogel bricht, ist seit mehr als 100 Jahren bekannt. Felsstürze sind ganz normal in den Alpen. Das Problem: Starkregen verschärft auch hier die Lage. "Fünf, sechs oder sieben Mal schneller bewegt sich der Hochvogel nach einem Starkniederschlag. Und diese Starkniederschläge werden mit dem Klimawandel häufiger", sagt Krautblatter. Permafrost und die Häufigkeit von Starkniederschlägen seien Faktoren, die die Häufigkeit von Felsstürzen deutlich beeinflussen. "Das Einzige, was wir entgegenhalten können, ist die schnelle Entwicklung von Frühwarnsystemen", sagt Krautblatter. Damit möglichst keine Menschen Opfer von Fels- oder Bergstürzen werden. Denn nicht immer ist ein einstürzender Berg so menschenleer wie das Fluchthorn am vergangenen Sonntag.
BR, Alexander Brutscher, Doris Bimmer
In Tirol ist ein Teil eines Berggipfels abgebrochen, die Gerölllawine ist zwei Kilometer lang. Schuld ist wohl die Permafrost-Schmelze. Nicht das einzige Phänomen, das Berge bröckeln lässt.
[ "Alpen", "Klimawandel" ]
Wissen
Klima & Umwelt
2023-06-16T10:53:53.289Z
2024-11-24T15:08:29.113Z
https://www.tagesschau.de//wissen/klima/bergrutsch-permafrost-100.html
Scholz beim Arbeitgebertag: Chefsache Wirtschaftspolitik?
Betriebe schließen und investieren lieber im Ausland, Deutschland steckt in der Rezession: Beim Arbeitgebertag dürfte Kanzler Scholz viel Kritik zu hören bekommen. Wirtschaftspolitik könnte zu einem zentralen Wahlkampfthema werden. Von Hans-Joachim Vieweger An deutlichen Worten ließ es Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger nicht fehlen. Die Stimmung in der Breite der Wirtschaft sei gekippt, jedes vierte Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten erwäge eine Verlagerung ins Ausland. Und: "Selbst standorttreue Familienunternehmen überlegen, Investitionen zu stoppen oder zu verlagern." Das hatte Dulger beim Arbeitgebertag im Oktober vor einem Jahr gesagt. Heißt: Das bekam damals auch Olaf Scholz zu hören. Scholz vor einem Jahr noch recht zuversichtlich Doch der Bundeskanzler zeigte sich da noch recht zuversichtlich. Beim Arbeitgebertag und bei anderen Anlässen verwies er zum Beispiel darauf, dass die Politik beim Ausbau der Energieinfrastruktur eine ganz neue Dynamik entfacht habe. Die Arbeit der Ampel würde schon noch ihre Wirkung zeigen, so Scholz. Und in Richtung der Wirtschaftsbosse meinte er wenige Monate später, als ehemaliger Hamburger Bürgermeister wisse er, dass die Klage der Gruß des Kaufmanns sei. Regierung musste Konjunkturprognose korrigieren Diese Bemerkung kam bei den angesprochenen Verbandsvertretern überhaupt nicht gut an. Sie fühlten sich in ihrer Sorge um die Lage der Wirtschaft nicht ernst genommen. Inzwischen können sie sich bestätigt fühlen: Nachrichten wie die aus der Autobranche haben deutlich gemacht, unter welchem Druck große Teile der Industrie stehen. Auch die Regierung musste ihre Konjunkturprognose korrigieren: Deutschlands Wirtschaft dürfte in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge schrumpfen. Im Kreis der großen Industrienationen hält Deutschland schon seit längerem die rote Laterne. Vom "kranken Mann Europas" ist - wie schon einmal um die Jahrtausendwende - die Rede. Auf die Wirtschaft kommt es an Die Wirtschaft könnte damit zu einem zentralen Thema im kommenden Bundestagswahlkampf werden. Getreu dem Motto eines Beraters von Ex-US-Präsident Bill Clinton, der die eigenen Anhänger 1992 auf den Satz einschwor: "It’s the economy, stupid" - auf die Wirtschaft kommt es an. Das ist auch verstärkt bei Debatten im Bundestag zu spüren. Erst vor kurzem verband Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) seine Kritik an Scholz mit der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung: Wenn Scholz so weitermache wie bisher, könne er Deutschland nicht aus der strukturellen Wachstums- und Beschäftigungskrise herausführen. "Im Gegenteil: Das Jahr 2025 wird dann möglicherweise das dritte Jahr in der Rezession sein, und das werden dann Sie zu verantworten haben und niemand sonst in diesem Land", so der Kanzlerkandidat der Union. Werksschließungen gehen nicht spurlos an Scholz vorbei Scholz wiederum klingt inzwischen nicht mehr so zuversichtlich wie noch vor Monaten. Die Überlegungen zu Werksschließungen bei VW, die Probleme von ThyssenKrupp bei der Umstellung auf Grünen Stahl und der vorläufige Stopp neuer Fabriken wie von Intel sind - so wirkt es - nicht spurlos an dem Kanzler vorbeigegangen. Er geht in die Offensive, wirft den Unions-Parteien CDU/CSU vor, in der Zeit ihrer Kanzlerschaft zu wenig für die Erneuerung des Landes getan zu haben und kündigt an, um jeden Industriearbeitsplatz kämpfen zu wollen. Dazu wolle er mit Wirtschaft und Gewerkschaften eine neue industriepolitische Agenda vereinbaren. Zusätzlich zu den bereits ergriffenen Maßnahmen, wie Scholz betont. Wachstumsinitiative soll Wirkung zeigen Der Kanzler verweist dabei unter anderem auf die im Juli vorgelegte Wachstumsinitiative, die nun von der Regierung nach und nach abgearbeitet werde. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagt dazu gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio: "Gut, aber zu wenig." Er erwarte deutlich mehr Ambitionen von der Bundesregierung. Dazu gehören aus Sicht von Dulger vor allem Fortschritte im Kampf gegen die Bürokratie - "bisher sind das nur Buchstaben auf Papier, da muss deutlich mehr kommen" - und gegen Arbeits- und Fachkräftemangel. In diesem Zusammenhang wirbt Dulger weiterhin für ein Ende der sogenannten Rente mit 63 und für eine grundlegende Reform des Bürgergeldes: Es muss immer der Leitsatz gelten wer arbeitet, soll mehr haben als der, der nicht arbeitet. Dulger: Es fehlt an Investitionen Der Standort Deutschland, da ist sich der Arbeitgeberpräsident zwar noch mit dem Kanzler einig, dürfe nicht schlechtgeredet werden, doch die Probleme dürften auch nicht beschönigt werden: "Es fehlt jetzt an Investitionen, die sich in den 2030er-Jahren auszahlen und für Wachstum sorgen." Dafür müsse Deutschland einfacher und schneller werden, so Dulger. Beim Arbeitgebertag dürfte Dulger seine Sorgen und Forderungen wieder eindringlich vortragen. Und die Antworten des Kanzlers könnten zeigen, inwieweit Wirtschaftspolitik jetzt wirklich zur Chefsache wird.
Hans-Joachim Vieweger
Betriebe schließen und investieren lieber im Ausland, Deutschland steckt in der Rezession: Beim Arbeitgebertag dürfte Kanzler Scholz viel Kritik zu hören bekommen. Wirtschaftspolitik könnte zu einem zentralen Wahlkampfthema werden.
[ "Arbeitgebertag", "Olaf Scholz" ]
Inland
Innenpolitik
2024-10-22T05:12:39.740Z
2024-11-15T15:18:39.947Z
https://www.tagesschau.de//inland/innenpolitik/arbeitgebertag-scholz-berlin-100.html
Trump will Putin in Saudi-Arabien treffen
US-Präsident hat überraschend mit dem russischen Machthaber Putin telefoniert - und ein persönliches Treffen vereinbart. Dabei solle es um ein Ende des Krieges gegen die Ukraine gehen. Deren Präsident zeigte sich optimistisch. US-Präsident Donald Trump will bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über eine Lösung für ein Ende des russischen Kriegs gegen die Ukraine sprechen. Das Treffen werde "in nicht allzu ferner Zukunft" vermutlich in Saudi-Arabien stattfinden, sagte Trump im Weißen Haus. "Ich bin mit Präsident Putin vor allem am Telefon befasst, und am Ende wollen wir uns treffen", sagte Trump. "Das erste Mal werden wir uns in Saudi-Arabien treffen, wir werden sehen, ob wir etwas zustande bringen", sagte er. Später könnte es zu gegenseitigen Besuchen der beiden in ihren jeweiligen Ländern kommen. Einen Termin für ein Treffen nannte der Republikaner nicht. Erstes Telefonat Trump und Putin hatten am Morgen nach Angaben des Amerikaners mehr als eine Stunde lang telefoniert. Anschließend informierte Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er glaube daran, dass Putin Frieden wolle, sagte Trump. Dasselbe gelte für den ukrainischen Präsidenten. "Ich möchte sehen, dass das Töten von Menschen aufhört", betonte er.  Washington und Moskau seien sich einig, umgehend Gespräche über ein Ende des Krieges in der Ukraine zu beginnen. Trump schrieb auf seiner Plattform Truth Social, er und der russische Präsident würden eng zusammenarbeiten. Selenskyj optimistisch Selenskyj zeigte sich nach dem Gespräch optimistisch. In einer Videoansprache betonte er, er glaube, dass die Stärke Amerikas groß genug sei, um gemeinsam mit der Ukraine und deren Partnern Russland zu Frieden zu zwingen. Sein Telefonat mit Trump sei gut und ausführlich verlaufen, so Selenskyj. Beide hätten Optionen für Verhandlungen diskutiert. "Wir haben lange über mögliche Wege zur Erreichung von Frieden gesprochen", so Selenskyj. Er habe mit Trump "viele Aspekte" besprochen, "diplomatische, militärische, wirtschaftliche", sagte Selenskyj weiter. Trump habe ihn in dem "langen" und "sehr gehaltvollen" Gespräch zudem über "Einzelheiten seines Gesprächs mit Putin" unterrichtet, fügte Selenskyj an. Ukraine: "gerechter Frieden" wichtig Der Chef der ukrainischen Präsidialverwaltung, Andrij Jermak, sagte, Selenskyj habe "den Standpunkt der Ukraine bekräftigt, nämlich, dass es wichtig ist, dass dieser Krieg mit einem gerechten Frieden endet". Zu Trumps Äußerungen in dem Telefonat sagte Jermak, der US-Präsident habe gesagt, er sei "fest entschlossen, alles zu tun, damit der Krieg Russlands gegen die Ukraine aufhört".
US-Präsident hat überraschend mit dem russischen Machthaber Putin telefoniert - und ein persönliches Treffen vereinbart. Dabei solle es um ein Ende des Krieges gegen die Ukraine gehen. Deren Präsident zeigte sich optimistisch.
[ "Trump", "Putin", "Ukraine" ]
Ausland
Amerika
2025-02-13T02:17:10.156Z
2025-02-13T17:32:21.345Z
https://www.tagesschau.de//ausland/amerika/trump-putin-treffen-telefonat-100.html
Handel mit Standortdaten - Risiko für Militäreinrichtungen
Kommerziell gehandelte Standortdaten von Militärangehörigen sind ein Sicherheitsrisiko, wie Recherchen von BR, netzpolitik.org mit dem US-Medium WIRED zeigen. EU- und US-Politiker fordern eine Einschränkung des Handels mit diesen Daten. Von Katharina Brunner, Rebecca Ciesielski und Maximilian Zierer, BR An Hunderten Militärstandorten in Deutschland lassen sich Bewegungsprofile von Personen anhand von Standortdaten nachvollziehen. Diese liegen einem Recherche-Team von BR, netzpolitik.org und dem US-Medium WIRED vor. Dabei handelt es sich mutmaßlich um Tausende Soldaten oder zivile Beschäftigte der Bundeswehr und ihrer Bündnispartner. Das Recherche-Team konnte beispielsweise Wohnorte und Arbeitswege von Personen mit Zugang zur Wilhelmsburg-Kaserne in Ulm rekonstruieren. Von dort aus koordiniert die NATO-Truppenbewegungen in Europa. Auch am NATO-Flugplatz in Geilenkirchen, wo AWACS-Aufklärungsflugzeuge stationiert sind, sowie an weiteren US- und NATO-Standorten, lassen sich detaillierte Bewegungsprofile von Personen nachzeichnen. Bei den Daten handelt es sich um Standortinformationen aus dem Jahr 2023, die aus kommerziellen Smartphone-Apps stammen und eigentlich zu Werbezwecken gesammelt wurden. Dem Recherche-Team liegen konkrete Hinweise vor, dass Standortdaten von Millionen Menschen, darunter auch Militärangehörige, weiterhin auf Marktplätzen im Internet angeboten werden. EU-Politikerin Geese fordert Verbot von Datenhandel "Der unkontrollierte Handel mit Standortdaten ist ein Skandal", sagt die Grünen-Europaabgeordnete Alexandra Geese im Interview mit BR und netzpolitik.org. Er verletze nicht nur die Privatsphäre, sondern sei ein Sicherheitsrisiko. "Alle, denen europäische Sicherheit in der aktuellen Bedrohungslage wichtig ist, sollten sich konsequent für ein Verbot des unkontrollierten Handels mit persönlichen Daten einsetzen", so Geese. Seit Monaten warnen die deutschen Nachrichtendienste wiederholt vor Ausspähversuchen und Sabotage an Militärstandorten in Deutschland. Russische Geheimdienste versuchten demnach etwa deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine, Ausbildungsvorhaben oder Rüstungsprojekte aufzuklären, oder mit Sabotagehandlungen das Gefühl der Unsicherheit zu vermitteln. In Sicherheitskreisen geht man davon aus, dass fremde Nachrichtendienste Standortdaten einsetzen, um Kontakte zu Zielpersonen anzubahnen und Anknüpfungspunkte zu finden. CDU-Politiker Kiesewetter sieht Bedrohung für Deutschlands Sicherheit "Die Bedrohung für die Sicherheitsinteressen Deutschlands durch Bewegungsdaten, die im Internet potenziell von jedem erworben werden können, ist leider sehr hoch", sagt der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter im Interview mit BR und netzpolitik.org. "Wenn durch freiverkäufliche Standortdaten Bewegungsprofile von Personen erstellt werden können, die in sicherheitsrelevanten Einrichtungen arbeiten, schafft das Schwachstellen." Deutschland solle deshalb den Verkauf von Standortdaten an bestimmte Länder wie Russland und China einschränken. Auch eine Regulation des Marktes für solche Daten auf EU-Ebene hält der CDU-Verteidigungspolitiker für denkbar. Die Grünen-Europapolitikerin Geese geht weiter und fordert ein Verbot des Handels mit persönlichen Daten und "eine Neuaufstellung des gesamten auf personenbezogenen Daten basierenden Online-Werbesystems". NATO-Report: Datenhandel gefährdet Militärstützpunkte Seit Jahren basiert nahezu der gesamte weltweite Markt für Online-Werbung auf dem milliardenfachen Austausch von Nutzerdaten, darunter auch Standortinformationen. Datenhändler sammeln solche Daten und verkaufen sie weiter. Dass Daten, die etwa aus Gaming- oder Dating-Apps stammen, auch dafür geeignet sind, Sabotageakte gegen Militärstützpunkte anzubahnen, beleuchtete ein Bericht der NATO-Denkfabrik Stratcom schon 2021. Daten von Datenhändlern könnten demnach etwa dafür eingesetzt werden, Personal zu identifizieren, das in Militäreinrichtungen arbeitet, um sich über Identitätsdiebstahl Zugang zu Liegenschaften zu erschleichen. Sogar geheime Militärstandorte könnten theoretisch mit solchen Daten identifiziert werden, heißt es in dem Report. Bundeswehr schult Soldaten im Umgang mit persönlichen Daten Das Bundesverteidigungsministerium antwortete auf Anfrage von BR und netzpolitik.org: "Wir erachten es als sehr wahrscheinlich, dass jeder Bundeswehrangehörige, wie jeder Handynutzende, sowohl im privaten als auch im dienstlichen Umfeld dieser Gefährdung ausgesetzt ist." Bundeswehrangehörige würden regelmäßig zum Umgang mit persönlichen Daten belehrt. Auch NATO und US-Verteidigungsministerium verweisen darauf, dass man sich des Problems bewusst sei und das Personal über die Gefahren informiere. MAD-Präsidentin Rosenberg: "Wir können nur sensibilisieren" Über die Gefahr für die innere Sicherheit, die von diesen Daten ausgeht, hatten BR und netzpolitik.org bereits im Juli 2024 berichtet. Im Oktober reagierte die Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Martina Rosenberg, in der öffentlichen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums auf die Recherche: "Wir können es nicht ausschließen, dass frei verkäufliche Daten genutzt werden." Auf die Frage des CDU-Politikers Kiesewetter, welche Maßnahmen der MAD getroffen habe, um Bundeswehrangehörige besser zu schützen, räumte Rosenberg ein: "Wir können nur sensibilisieren. Wir können immer wieder warnen, wir können nur darauf hinweisen und dann eben auf die Einsatzbereitschaft und die Mitarbeit der Männer und Frauen hoffen." Der demokratische US-Senator Ron Wyden beschäftigt sich schon seit Jahren mit den Gefahren, die vom Handel mit Standortdaten ausgehen. Im Interview mit BR, netzpolitik.org und WIRED spricht er von einer "klaren Bedrohung für die nationale Sicherheit" der USA. Er fordert eine stärkere Regulierung der Datenhändler-Branche: Wenn die kommende US-Regierung und der Kongress nicht handelten, würden die Missstände weitergehen und das Leben von Soldaten kosten. Die Recherche entstand in Zusammenarbeit mit Sebastian Meineck und Ingo Dachwitz von netzpolitik.org und Dhruv Mehrotra von WIRED.
BR, Rebecca Ciesielski und Maximilian Zierer, Katharina Brunner
Kommerziell gehandelte Standortdaten von Militärangehörigen sind ein Sicherheitsrisiko, wie Recherchen von BR, netzpolitik.org mit dem US-Medium WIRED zeigen. EU- und US-Politiker fordern eine Einschränkung des Handels mit diesen Daten.
[ "Militäreinrichtungen", "Sicherheitsrisiko", "Bundeswehr" ]
Investigativ
2024-11-20T04:00:58.291Z
2025-03-11T10:47:29.819Z
https://www.tagesschau.de//investigativ/br-recherche/militaereinrichtungen-standortdaten-sicherheitsrisiko-100.html
Proteste in Georgien: "Wir werden nicht aufhören"
Seit Tagen wird in Georgien für einen proeuropäischen Kurs des Landes demonstriert. Die Teilnehmer lassen sich auch von zunehmender Gewalt gegen sie nicht abschrecken. Auch Journalisten geraten ins Visier. Sie protestieren gegen die Regierung und für eine Anbindung an die Europäische Union: In Georgien sind am Sonntagabend wieder Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Den elften Tag in Folge versammelten sich die regierungskritischen Demonstranten vor dem Parlament in der Hauptstadt Tiflis. Viele von ihnen schwenkten EU-Fahnen. Die Polizei geht mit zunehmender Gewalt gegen die Proteste vor und setzt Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Kundgebungen aufzulösen. Zahlreiche Demonstranten, die am Sonntag Feuerwerkskörper auf Polizisten warfen und Barrikaden errichteten, sollen verprügelt worden sein. Der georgischen Regierung wird vorgeworfen, gezielt Schlägertrupps einzusetzen, um die Menschen von der Teilnahme an den Protesten abzuhalten. Eine Darstellung, die von Vertretern der Moskau-freundlichen Regierungspartei Georgischer Traum zurückgewiesen wird. Wie schon an den Abenden zuvor schlugen Demonstranten auf die Metallbarrieren ein, mit denen das Parlament abgeriegelt ist. Die Stadtverwaltung hatte im Laufe des Tages damit begonnen, einen großen Weihnachtsbaum vor dem Gebäude aufzustellen. An dem Gerüst für den Baum befestigten die Demonstrationsteilnehmer Fotos von Protestierenden, die zuletzt von der Polizei geschlagen worden waren. Die Gesichter auf den Fotos waren mit blauen Flecken übersät. Demonstranten wollen nicht nachlassen "Das ist jetzt nicht die Zeit zum Feiern", sagte der 27 Jahre alte Nino der Nachrichtenagentur AFP. "Sie können uns keine Angst machen, wir werden nicht aufhören", fügte er mit Blick auf das zunehmend harte Vorgehen der Sicherheitskräfte hinzu. Diese hatten in den vergangenen Tagen immer wieder Tränengas und Wasserwerfer gegen die Protestierenden eingesetzt. Nach Angaben des Innenministeriums wurden seit Beginn der Demonstrationen 402 Menschen festgenommen, die meisten wegen "Ungehorsam" oder "Vandalismus". Es seien aber auch mehr als 30 Menschen wegen mutmaßlicher Straftaten wie der Organisation von Gewalt festgesetzt worden. Regierungschef Irakli Kobachidse, gegen den sich die Proteste hauptsächlich richten, hatte am Wochenende angekündigt, per Gesetz ein Verhüllungsverbot für Demonstranten erlassen zu wollen. Es solle Protestierenden untersagt werden, "ihr Gesicht wie auch immer zu verhüllen", sagte er. Die Demonstranten schützen derzeit ihr Gesicht oft mit Stoffen oder Masken gegen das Tränengas der Polizei. Attacken auf Pressevertreter Auch Journalisten geraten zunehmend ins Visier. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AP sind im Zusammenhang mit den Protesten georgische Journalisten brutal angegriffen worden. So berichtete die Reporterin Maka Tschichladse, dass sie am Samstagabend zusammen mit einem Kollegen vom unabhängigen Fernsehsender Pirweli TV von einem gewalttätigen Mob attackiert worden sei. Der Kollege habe eine Kopfverletzung erlitten und ihm sei die Kamera gestohlen worden. Am Sonntag marschierten mehrere Hundert Pressevertreter durch Tiflis und hängten Plakate von Kollegen auf, die ihren Aussagen nach bei der Ausübung ihrer Arbeit angegriffen worden waren. "Unsere Kollegen wurden geschlagen und verletzt, einige befinden sich in ernstem Zustand im Krankenhaus", sagte die Moderatorin von TV Pirweli, Ekaterine Mischweladse. Streit über EU-Kurs des Landes Die pro-europäischen Proteste richten sich insbesondere gegen den von Regierungschef Kobachidse angekündigten Aufschub der EU-Beitrittsverhandlungen bis 2028. Zudem steht die umstrittene Parlamentswahl von Ende Oktober im Mittelpunkt der Proteste, bei der es nach Angaben der Opposition Wahlbetrug gab. Georgien ist seit Dezember 2023 offiziell EU-Beitrittskandidat. Seitdem hat die Regierung aber mehrere Gesetze verabschiedet, die in Brüssel große Sorge hervorrufen - darunter ein Gesetz nach russischem Vorbild gegen "ausländische Einflussnahme". Die EU fror deshalb Ende Juni den Beitrittsprozess mit Georgien ein.
Seit Tagen wird in Georgien für einen proeuropäischen Kurs des Landes demonstriert. Die Teilnehmer lassen sich auch von zunehmender Gewalt gegen sie nicht abschrecken. Auch Journalisten geraten ins Visier.
[ "Georgien", "Proteste", "Tiflis" ]
Ausland
Europa
2024-12-09T06:45:25.599Z
2025-06-02T11:20:34.205Z
https://www.tagesschau.de//ausland/europa/georgien-proteste-168.html
Russland: Mit der "Smart Voting App" gegen den Kreml
Überschattet vom Attentat auf Nawalny findet in Russland die Regionalwahl statt. Sie gilt als Test für die Parlamentswahl im kommenden Jahr. Noch vor seiner Vergiftung hatte der Kremlkritiker zum "Smart Voting" aufgerufen. Von Stephan Laack Schon bei der Regionalwahl im vergangenen Jahr propagierte Kremlkritiker Alexej Nawalny das sogenannte Smart Voting. Dabei gehe es darum, strategisch klug zu wählen und die Stimme den Politikern zu geben, die die größten Chancen hätten den jeweiligen Kremlkandidaten zu schlagen, so Nawalny. "Eine lange Kampagne" "Es wird kein schneller Prozess sein, es ist eine lange Kampagne. Ich werde Sie verrückt machen mit Anrufen, sich auf der Website zu registrieren. Ich versichere Ihnen, wenn Sie immer noch daran interessiert sind, an den Wahlen teilzunehmen, und Sie möchten, dass Ihre Stimme etwas entscheidet, müssen Sie klug abstimmen, wie es unser System vorschlägt", so Nawalny. Eine eigene "Smart Voting App" wurde von Nawalny gestartet - wahlkreisbezogen gibt diese Empfehlungen, welche Oppositionskandidaten am ehesten die Vertreter der Regierungspartei Geeintes Russland verdrängen könnten. "Wir haben eine Website, auf der Sie sich registrieren und Teilnehmer von 'Smart Voting' werden müssen. Sie nennen das Haus, in dem Sie wohnen, und wir wissen dann, in welchem Bezirk Sie leben und welche Kandidaten es dort gibt. Vor jeder Wahl teilen wir Ihnen auf der Grundlage soziologischer Erhebungen früherer Wahlen und anderer Faktoren mit, wie es am besten geht, gegen Geeintes Russland zu stimmen", erklärte Nawalny. Opposition will so Einfluss gewinnen Auch vor dieser Regionalwahl appellierte Nawalny an die Wähler, zu den Urnen zu gehen. Über Wahlsiege in den Städten und Regionen könne die Opposition an Einfluss gewinnen und in Zukunft für freie und faire Wahlen sorgen. "Smart Voting" sei eine clevere Reaktion auf den Umstand, dass Kandidaten der Opposition häufig wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten von der Wahl ausgeschlossen würden, meint der russische Politologe Kirill Rogow. "Nawalny und sein Team sagen: 'Nun, Sie lassen uns nicht zur Wahl zu, aber wir haben genug Einfluss auf die Menschen, dass sich das, ohne einmal persönlich an den Wahlen teilzunehmen, auf die Ergebnisse auswirkt. Weil wir unsere Anhänger kontrollieren können, und sie werden das so tun, wie wir es ihnen sagen'", so der kremlkritische Politologe Rogow. Im vergangenen Jahr fuhr die Regierungspartei Geeintes Russland bei den Wahlen zum Stadtparlament in Moskau herbe Verluste ein. Traditionell ist die Wahlbeteiligung äußerst niedrig. Wem es da gelingt, seine Wähler zu mobilisieren, hat gute Chancen, die Wahl für sich zu entscheiden. Knappes Rennen in Nowosibirsk? Wie etwa in Nowosibirsk, der drittgrößten Stadt Russlands. Hier hatte Nawalny unmittelbar vor seiner Vergiftung für sein Team Wahlkampf geführt. Es wird ein knappes Rennen erwartet. Zwei mächtige Parteien dominieren dort bislang - der Gouverneur wird von der Kremlpartei Geeintes Russland und der Bürgermeister von der kommunistischen Partei gestellt. Der regierungsfreundliche Politologe Sergej Danilin rät der Regierungspartei Geeintes Russland dazu, nicht mit Kandidaten unter falscher Flagge anzutreten, indem sie sich als scheinbar unabhängige Kandidaten ausgeben, wie es in der Vergangenheit oft geschehen ist. "Die Wahlen haben gezeigt, dass die Kaderpolitik des Kremls absolut adäquat ist und den Ansprüchen der Zeit entspricht. Da wo Geeintes Russland mit ihren Kandidaten erhobenen Hauptes und offen angetreten ist, ohne einen Hehl daraus zu machen - da war das für die Kandidaten ein großes Plus", sagt er. Beobachter sind gespannt darauf, inwieweit der Anschlag auf Nawalny die diesjährigen Regionalwahlen überschattet. Mit ersten aussagekräftigen Ergebnissen wird im Laufe des Montags gerechnet.
Stephan Laack
Überschattet vom Attentat auf Nawalny findet in Russland die Regionalwahl statt. Sie gilt als Test für die Parlamentswahl im kommenden Jahr. Noch vor seiner Vergiftung hatte der Kremlkritiker zum "Smart Voting" aufgerufen.
[ "Nawalny", "Russland" ]
Ausland
2020-09-12T09:31:46.307Z
2023-03-02T16:52:09.622Z
https://www.tagesschau.de//ausland/smartvoting-nawalny-russland-101.html
Bundesgerichtshof: Darf Zahlung per PayPal etwas kosten?
Schnell und praktisch - mit ein paar Klicks ist der Online-Kauf bezahlt. Dürfen Unternehmen extra Gebühren verlangen, wenn ihre Kunden Dienste wie PayPal nutzen? Das muss nun der BGH klären. Von Claudia Kornmeier Worum geht es? Wer bei Flixbus online eine Fahrkarte kauft, hat die Wahl, wie er bezahlen möchte. Zur Auswahl stehen unter anderem die Zahlung mit Kreditkarte, Sofortüberweisung oder PayPal. Die Zahlung per Sofortüberweisung und PayPal kostete allerdings einige Zeit lang extra - wie viel, hing vom Preis der Fahrkarte ab. Bei einem Ticket für 60 Euro wurde zum Beispiel ein Aufschlag von 1,83 Euro erhoben, bei einem Ticket für 40 Euro 99 Cent. Die Zentrale für unlauteren Wettbewerb sah darin einen Gesetzesvorstoß und verklagte das Fernbus-Unternehmen. Derzeit erhebt Flixbus keine zusätzlichen Gebühren für die Zahlung per PayPal oder Sofortüberweisung. Was regelt das Gesetz? Seit Januar 2018 regelt Paragraf 270a Bürgerliches Gesetzbuch, dass bei der Nutzung bestimmter bargeldloser Zahlungsmittel kein extra Entgelt anfallen darf. Hintergrund ist eine EU-Richtlinie. Damit sollte das Zahlungswesen innerhalb der Europäischen Union schneller und billiger werden. Unternehmen dürfen demnach für vier Arten von Zahlungen keine Gebühren mehr verlangen: für Sepa-Basislastschriften, Sepa-Firmenlastschriften, Sepa-Überweisungen und Zahlungskarten. Sepa steht für "Single Euro Payments Area" - das heißt übersetzt: einheitlicher Euro-Zahlungsraum. Die Frage ist nun, ob die Online-Bezahldienst PayPal und Sofortüberweisung auch davon erfasst sind. Wie haben die Vorinstanzen die Sache gesehen? Das Landgericht München gab der Wettbewerbszentrale zwar in erster Instanz Recht. Das Oberlandesgericht München hob die Entscheidung jedoch wieder auf. Weder PayPal noch Sofortüberweisung seien in dem Gesetz genannt. Die Vorschrift dürfe auch nicht analog auf diese beiden Zahlungsarten angewendet werden. Denn sowohl bei PayPal als auch bei einer Sofortüberweisung finde keine direkte Sepa-Überweisung oder Sepa-Lastschrift vom Endkunden zum Verkäufer statt, stattdessen sei bei beiden Zahlungsarten ein drittes Unternehmen eingeschaltet - in dem einen Fall PayPal, im anderen die Sofort GmbH. PayPal transferiere lediglich E-Geld. Der Sofortüberweisung liege zwar eine Sepa-Überweisung zugrunde. Allerdings werde diese nicht von dem Nutzer selbst ausgelöst, sondern vom Betreiber des Zahlungsdienstes. Flixbus verlange das zusätzliche Entgelt also nicht für die Nutzung einer bestimmten Zahlungsart, sondern für die Einschaltung eines Dritten, der die Abwicklung der Zahlung übernimmt (PayPal) beziehungsweise die Zahlung einleitet (Sofortüberweisung). Das Oberlandesgericht ließ die Revision zu. Deshalb muss nun der Bundesgerichtshof die Frage höchstrichterlich klären. Heute wird verhandelt. Ob noch am gleichen Tag ein Urteil kommt, ist unklar. (Az. I ZR 203/19) Erheben auch andere Unternehmen Zusatzgebühren? Die Wettbewerbszentrale spricht von einem "Musterverfahren". "Das betrifft den gesamten Handel", sagt Peter Breun-Goerke, Rechtsanwalt der Wettbewerbszentrale. Sie hätten zahlreiche Beschwerden über ein entsprechendes Vorgehen kleinerer Unternehmen erhalten. Im April 2019 musste außerdem das Landgericht Berlin über eine Klage gegen das Flugbuchungsportal Opodo entscheiden, dass bei Zahlungen per Sofortüberweisungen Extrakosten berechnet hatte. Welche Auswirkungen wird das Urteil haben? Das Urteil wird für Rechtssicherheit sorgen - für Unternehmen, die Dienste wie PayPal nutzen, für die Anbieter selbst und auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. Allerdings wurde 2018 nicht nur das Gesetz geändert - auch PayPal änderte seine Nutzungsbedingungen. Seitdem ist es Händlern vertraglich untersagt, Aufschläge für die Nutzung von PayPal zu berechnen. Das Unternehmen wollte damit - unabhängig davon, ob sein Dienst unter das neue Gesetz fällt oder nicht - erreichen, dass keine Zusatzgebühren verlangt werden dürfen. Für größere Unternehmen gelten die Nutzungsbedingungen zwar nicht, PayPal hat mit diesen Händlern nach eigenen Angaben aber individuell ausgehandelt, dass auch sie keine Aufschläge verlangen. Dabei soll es nach dem Willen von PayPal unabhängig vom Ausgang des BGH-Urteils bleiben: "Es werden auch künftig keine Zahlungsmittelaufschläge für das Bezahlen mit PayPal erhoben."
Claudia Kornmeier
Schnell und praktisch - mit ein paar Klicks ist der Online-Kauf bezahlt. Dürfen Unternehmen extra Gebühren verlangen, wenn ihre Kunden Dienste wie PayPal nutzen? Das muss nun der BGH klären.
[ "BGH", "PayPal", "Kosten" ]
Wirtschaft
Verbraucher
2020-12-10T08:39:00.000Z
2023-03-02T17:38:51.924Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/verbraucher/bgh-paypal-kosten-101.html
Griechenland sichert Zahlungen zu: "März ist gesichert"
Griechenlands Finanzminister Varoufakis gibt sich optimistisch - für die nahe Zukunft. Im März werde Athen alle vereinbarten Zahlungen schaffen. Aber die sind das geringste Problem - die dicken Brocken kommen im Sommer. Und da sind noch fast alle Fragen offen. Die griechische Regierung kann nach eigenen Angaben ihre Zahlungsverpflichtungen in diesem Monat erfüllen. "Der März ist gesichert", sagte Finanzminister Yanis Varoufakis in einem Interview mit "Greek TV": "Wir sind zuversichtlich, dass alle Rückzahlungen in Gänze gemacht werden, besonders an den IWF." Die Regierung muss in den kommenden Wochen 1,5 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Unklar bleibt, wie es danach weitergeht - insgesamt muss das Land 2015 Schulden von gut 17 Milliarden Euro bedienen. Die richtigen Probleme kommen erst noch Mit seinen Gläubigern hat Griechenland eine Verlängerung des internationalen Hilfsprogramms bis Ende Juni vereinbart. Bis Ende April muss die Regierung ein detailliertes Reformprogramm vorlegen und dann umsetzen, um weitere Hilfen von 7,2 Milliarden Euro ausbezahlt zu bekommen. Varoufakis sagte, es werde genug Liquidität vorhanden sein, um die vier Monate zu überstehen. Im Juli und August steht Griechenland allerdings vor enormen Rückzahlungsverpflichtungen, die das Land laut Varoufakis alleine nicht stemmen kann. So werden insgesamt 6,7 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank fällig. Hinzu kommen Zins und Tilgung für weitere Darlehen des IWF und der Euro-Partner sowie für Papiere im Besitz privater Anleger. Kein drittes Hilfspaket? Ein drittes Hilfsprogramm, das an ähnliche Auflagen wie das jetzige geknüpft wäre, lehnt die Regierung allerdings ab. Sie strebt stattdessen einen "Wachstumspakt" mit den Gläubigern an. Auch die EU-Kommission erklärte, man verhandele momentan mit Griechenland nicht über ein mögliches drittes Paket. Jede Diskussion über dessen Höhe oder Umfang sei deshalb verfrüht. Man konzentriere sich statt dessen darauf, das bis Juni laufende Programm - wie mit Griechenland vereinbart - erfolgreich zu beenden. Der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos hatte gestern mit einer Äußerung für Verwirrung gesorgt, wonach an einem dritten Hilfsprogramm gearbeitet wird. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und eine Sprecherin von Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem wiesen diese Darstellung zurück.
tagesschau.de
Griechenlands Finanzminister Varoufakis gibt sich optimistisch - für die nahe Zukunft. Im März werde Athen alle vereinbarten Zahlungen schaffen. Aber die sind das geringste Problem - die dicken Brocken kommen im Sommer. Und da sind noch fast alle Fragen offen.
[ "Griechenland", "EU" ]
Wirtschaft
2015-03-03T13:27:42.862Z
2023-03-01T21:37:29.978Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/griechenland-varoufakis-103.html
Parlamentswahlen in Großbritannien
Am 15. Oktober wird in England ein neues Parlament gewählt. Die Labour-Party erringt eine knappe Mehrheit im Unterhaus. Nach 13 Jahren führt wieder ein Konservativer die Opposition Ihrer Majestät an. Am 15. Oktober wird in England ein neues Parlament gewählt. Die Arbeiterpartei gewinnt die Wahl, ihr Vorsitzender ist Harold Wilson. Die Labour-Party erringt eine knappe Mehrheit im Unterhaus. Nach 13 Jahren führt wieder ein Konservativer die Opposition Ihrer Majestät an. Am 3. November eröffnet Königin Elizabeth die neue Parlamentsperiode der House of Lords. Zum ersten Mal verkündet sie in einer Thronrede das Programm einer sozialistischen Regierung. Im Vordergrund steht dabei die Stahlindustrie, bessere Altersversorgung, die Abschaffung der Todesstrafe und das Bemühen, die Spannung zwischen Ost und West zu mindern. Kaum im Amt, schockiert die Regierung um Harold Wilson die Weltwirtschaft mit einer Zollerhöhung von 15 Prozent. Alle britischen Exporte werden subventioniert. Die Geschäftswelt reagiert darauf mit Besorgnis. Dennoch steigt der durchschnittliche Aktienkurs. Einen Monat später jedoch ist das Pfund Stirling zum niedrigsten Kurs seit acht Jahren notiert. Dies beunruhigt die Labour Regierung und auch die Börse. Die Bank von England erhöht ihren Wechselzins von fünf auf sieben Prozent, die Kapitalflucht ins Ausland ist gestoppt. Die westliche Welt stützt das Pfund mit zwölf Milliarden Mark. Die erste Reise des neuen britischen Außenministers Gordon Walker führt nach Washington. Er bekräftigt im Gespräch mit Außenminister Rusk und dem Präsidenten den Willen zur atlantischen Partnerschaft. Der erste Antrittsbesuch in Europa findet in Bonn bei Bundeskanzler Erhard statt. Der britische Außenminister trägt den Wunsch seiner Regierung vor, an den Beratungen über die Einigung Europas teilzunehmen.
tagesschau.de
Am 15. Oktober wird in England ein neues Parlament gewählt. Die Labour-Party erringt eine knappe Mehrheit im Unterhaus. Nach 13 Jahren führt wieder ein Konservativer die Opposition Ihrer Majestät an.
[ "Meldung" ]
2010-12-06T16:54:57.040Z
2023-03-01T22:30:34.359Z
https://www.tagesschau.de//jahresrueckblick/meldung-ts-3094.html
Amazon steckt Milliarden in OpenAI-Rivalen Anthropic
Mit bis zu vier Milliarden Dollar steigt Amazon beim US-Start-up Anthropic ein. Damit will sich der Online-Händler bevorzugten Zugriff auf die Technologie des OpenAI-Konkurrenten sichern. Im Wettlauf mit Microsoft und Google um die Technologieführerschaft bei Künstlicher Intelligenz (KI) geht Amazon den nächsten Schritt: Der Online-Händler kündigte heute an, bis zu vier Milliarden Dollar in den KI-Entwickler Anthropic zu investieren. Die Cloud-Sparte Amazon Web Services (AWS) werde zunächst Anteile für 1,25 Milliarden Dollar übernehmen. Daneben gebe es eine Kaufoption über weiter 2,75 Milliarden Dollar. Im Gegenzug erhalten Amazon und seine Kunden den Angaben zufolge bevorzugten Zugriff auf die Technologie von Anthropic. Außerdem verpflichte sich das Start-up, seine KI hauptsächlich auf der AWS-Cloud laufen zu lassen. Zudem kaufe Anthropic Tausende von Spezialchips des Konzerns, um die Software zu trainieren. "Claude 2" soll Buchinhalte binnen Sekunden einlesen und wiedergeben können Darüber, wie groß die Beteiligung von Amazon künftig sein oder wie hoch Anthropic insgesamt bewertet wird, machten die beiden Firmen keine Angaben. Experten taxierten die Bewertung bislang auf vier Milliarden Dollar. Zu den bisherigen Investoren gehören unter anderem die Alphabet-Tochter Google und das deutsche Softwarehaus SAP. Anthropic wurde 2021 von ehemaligen Beschäftigten des ChatGPT-Herstellers OpenAI gegründet, an dem Microsoft mit knapp der Hälfte der Anteile beteiligt ist. Das KI-Startup bewirbt seine Chatbot-Version als sicher. Die Software werde Nutzern keine Anleitungen zum Waffenbau liefern oder rassistisch geprägte Sprache nutzen. "Claude 2" sei zudem darauf spezialisiert, besonders umfangreiche Befehle zu verarbeiten, um beispielsweise Vertragstexte zusammenzufassen, heißt es von Anthropic. Angeblich soll der Chatbot ganze Bücher binnen Sekunden neu einlesen und Fragen dazu beantworten können. Der Videokonferenz-Spezialist Zoom, der ebenfalls Anthropic-Anteile hält, will die KI in seine Programme einbauen. Software-Konzerne im Kampf um die Führerschaft bei KI ChatGPT hatte Ende des vergangenen Jahres einen Hype um Künstliche Intelligenz und einen Kampf um die Technologieführerschaft unter den großen Software-Konzernen ausgelöst. Microsoft bindet die OpenAI-Technologie unter anderem in seine Suchmaschine Bing ein, um die Dominanz von Google bei Internet-Suchen zu brechen. Aber auch in seinen übrigen Produkten wie dem Betriebssystem "Windows" oder der Bürosoftware "Office" soll die KI "Copilot" die Arbeit erleichtern. Der drohenden Konkurrenz setzt Google "Bard" entgegen, das auf einer ähnlichen Technologie basiert. Die Software legte allerdings im Februar 2023 einen Fehlstart hin, als sie in einem Werbevideo eine falsche Antwort auf eine Frage gab. Wenige Wochen später kündigte die Alphabet-Tochter einen KI-"Zauberstab" für unterschiedliche Produkte wie E-Mails oder Textverarbeitung an, der unter anderem automatisierte Zusammenfassungen möglich machen soll. Offenbar soll der "Bard"-Nachfolger "Gemini" bereits in den Startlöchern stehen. Auch Apple arbeitet einem Medienbericht zufolge an einem Konkurrenten für ChatGPT und Bard. Es basiere auf dem Sprachmodell "Ajax" und werde intern "Apple GPT" genannt. Offiziell hält sich der iPhone-Anbieter mit Ankündigungen rund um das Thema aber zurück. Darüber hinaus gibt es KI-Technologien von Sozialen Netzwerken wie Twitter-Nachfolger X oder Meta sowie zahlreichen asiatischen Firmen wie Alibaba oder Huawei.
Mit bis zu vier Milliarden Dollar steigt Amazon beim US-Start-up Anthropic ein. Damit will sich der Online-Händler bevorzugten Zugriff auf die Technologie des OpenAI-Konkurrenten sichern.
[ "Amazon", "Künstliche Intelligenz", "OpenAI", "Chatbot", "Technologie" ]
Wirtschaft
Digitales
2023-09-25T09:11:51.678Z
2024-03-13T12:07:51.715Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/digitales/amazon-kuenstliche-intelligenz-anthropic-100.html
Gescheiterte Koalitionsgespräche: Österreich hat nun vier Möglichkeiten
Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen stehen Österreich ungewisse Zeiten bevor. Präsident Van der Bellen muss nun eine Lösung finden. Auch eine Neuwahl ist eine Option - die der FPÖ nützen könnte. Von Wolfgang Vichtl 136 Tage schon versuchen sie in Österreich, eine tragfähige Mehrheit für eine neue Bundesregierung zu finden. Rekord, sogar für Österreich, wo auch Regierungsbildungen traditionell länger dauern als anderswo. Und jetzt? Wieder alles auf Anfang? So klingt das bei Alexander Van der Bellen, dem österreichischen Bundespräsidenten, der mächtiger ist als sein deutscher Amtskollege. Auf ihn kommt es jetzt an, er kann und muss sagen, wie es weitergeht. Und was sagt Van der Bellen nach einem aufgeregten Tag, der in Österreich mal in den Geschichtsbüchern stehen wird? Der alte Herr aus der Hofburg sagt, es sei vielleicht "unerfreulich für den einen oder die andere", dass die Koalitionsverhandlungen von FPÖ und ÖVP jetzt gescheitert sind, "für das Staatsganze aber ist es kein echter Grund zur Beunruhigung". Neuwahlen, Minderheitsregierung oder Kompromiss? Es gebe ja eine geschäftsführende Bundesregierung: Der international anerkannte Ex-Außenminister Alexander Schallenberg ist mal wieder Interims-Bundeskanzler. Und dann gebe es laut Verfassung noch vier weitere Möglichkeiten, den Knoten zu lösen. Österreichs Bundespräsident zählt sie auf, ausdrücklich und unbedingt "wertfrei" in der Reihenfolge: Neuwahlen, eine Minderheitsregierung, eine Experten-Regierung, oder doch noch ein Kompromiss der bereits gewählten Parteien im Parlament. Das vorerst letzte Wort der Hauptverantwortlichen für die aktuelle Situation kommt vom FPÖ-Vorsitzenden Herbert Kickl, live zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr. Eine gute halbe Stunde lang spricht er über seine Sicht des Scheiterns. Mit einer klaren Präferenz, was der nächste Schritt sein sollte: Neuwahlen. Die die FPÖ von Anfang an erklärtermaßen nicht fürchtete. Bei Neuwahlen bis zu 35 Prozent für die FPÖ Vielleicht erklärt das den robusten Verhandlungsstil Kickls. Die aktuellen Sonntagsfragen geben der FPÖ nochmal fünf, sechs Prozentpunkte mehr: Würde jetzt neu gewählt, könnten die Rechtspopulisten mit 35 Prozent rechnen. Die Volkspartei ÖVP liegt derzeit bei 19 Prozent - ein Absturz auf Platz drei, hinter der SPÖ. Das Problem: Rechnerisch wäre das die gleiche Konstellation wie bisher. Jemand müsste für eine Regierungsmehrheit mit Kickl koalieren. Aber da käme nur die ÖVP in Frage. Und diese Option ist in den letzten Tagen Schritt für Schritt zerbröselt. Verpasste Chance auf FPÖ-Kanzler Gescheitert am "Machtrausch" des Kanzlerkandidaten der FPÖ, Herbert Kickl - so sagen sie das bei der ÖVP. Christian Stocker, der neue ÖVP-Parteichef, als Chefverhandler 37 Tage das Gegenüber von Herbert Kickl, formuliert es etwas sachlicher. Leider sei Herbert Kickl "aus der Rolle des Oppositionspolitikers nicht ausreichend in die Rolle eines Regierungschefs gewechselt". Deshalb sei die "Chance, dass die FPÖ den Kanzler in Österreich stellt" vorbei. Es wäre der erste Rechtspopulist im Kanzleramt und die erste Rechts-Mitte-Regierung gewesen. In Bundesländern gab es das schon, gibt es das neu in der Steiermark. Eine Brandmauer gegen Rechtsaußen existiert so nicht. Sie wurde eigentlich nur von den etwa 30.000 Demonstranten vor der ÖVP-Zentrale gefordert, genau an dem Abend, als die FPÖ-ÖVP-Verhandlungen zum ersten Mal unterbrochen wurden. ÖVP kritisiert mangelnde Augenhöhe Dabei hatte es ganz gut begonnen für Kickl und die FPÖ. Schnittmengen zwischen den beiden Parteien gebe es genug, hieß es immer. Gleich zum Start einigte man sich sehr schnell auf ein Sparpaket, weil die ÖVP mit SPÖ und NEOs die Zahlen schon aufbereitet hatte. Ein EU-Defizitverfahren konnte so abgewendet werden. Aber am Tag des Scheiterns erinnert sich ÖVP-Mann Stocker, wie "unfreundlich" die Einladung Kickls zu gemeinsamen Gesprächen gewesen sei, wie von oben herabschauend auf den Juniorpartner ÖVP, den doch nur 2,5 Prozentpunkte im Wahlergebnis vom Wahlsieger FPÖ trennten. Die ÖVP erwartete "Augenhöhe", und damit Kompromissfähigkeit. Worüber sich Kickl noch im Nachhinein echauffiert: "Keine Spielchen" dürfe es geben, es müsse klar sein, wer Wahlsieger sei - das war seine Ansage von Beginn an. Knackpunkt Innenministerium Am Ende scheiterte es an der Frage, wer das Innenministerium bekommt. Das Kanzleramt, das wichtige Finanzministerium, das war schon durch und der FPÖ zugestanden. Aber auch noch das Innenressort, aus dem Herbert Kickl schon einmal - nicht sehr ehrenhaft - entlassen worden war? Der ÖVP gehe es nur um Posten nicht um Inhalte, warf FPÖ-Mann Kickl der ÖVP vor. Die argumentierte, beim Innenministeriums gehe es um die nationale Sicherheit, ein FPÖ-Minister dort wäre ein Sicherheitsrisiko. Da aber quoll schon das gegenseitige Misstrauen aus allen sogenannten Kompromiss-Papieren, die auch noch fast in Echtzeit an die Medien durchgestochen wurden. Keine Kompromisse mehr, so las sich das. Und genau das sei das eigentliche Problem, sagt Österreichs Bundespräsident, nachdem ihm Herbert Kickl den Auftrag zur Regierungsbildung in die Hofburg zurückgetragen hat. "Der Kompromiss ist in Verruf geraten", bedauert Van der Bellen. Dabei sei "der Kompromiss in Österreich ein Schatz, ein Kulturgut", mit dem Österreich immer gut gefahren sei. Diesen "Schatz" will der Bundespräsident jetzt erstmal wieder suchen und heben.
Wolfgang Vichtl
Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen stehen Österreich ungewisse Zeiten bevor. Präsident Van der Bellen muss nun eine Lösung finden. Auch eine Neuwahl ist eine Option - die der FPÖ nützen könnte.
[ "Österreich", "FPÖ", "ÖVP", "Regierungsbildung" ]
Ausland
Europa
2025-02-13T02:15:01.517Z
2025-02-21T19:10:16.061Z
https://www.tagesschau.de//ausland/europa/oesterreich-regierungsbildung-118.html
EU berät über weitere Sanktionen gegen den Iran
Im Streit um das iranische Atomprogramm haben sich die EU-Außenminister auf verschärfte Sanktionen gegen die Regierung in Teheran geeinigt. Es wurden weitere Vermögenssperren und Einreiseverbote verfügt. Zudem wird weiter über ein Ölembargo diskutiert. Auch gegen Syrien wurden weitere Sanktionen beschlossen. Die EU-Außenminister haben in Brüssel neue Sanktionen gegen den Iran beschlossen. Im Atomstreit mit Teheran wurde die Zahl von iranischen Firmen und Organisationen, die keine Geschäfte mehr in der EU machen dürfen, um 143 auf jetzt insgesamt 433 erhöht. Zugleich steigt die Zahl von Iranern mit EU-Einreiseverboten um 37 auf 113. Auch ein Verbot von Öl-Einfuhren ist trotz Bedenken aus Griechenland noch nicht vom Tisch. "Wir haben beschlossen, an sehr viel härteren Sanktionen als bisher zu arbeiten", sagte der französische Außenminister Alain Juppé. "Es geht jetzt um den Finanzsektor und um die Öl-Einfuhren." Griechenland habe zwar Bedenken geltend gemacht, sagte Juppé weiter, aber man arbeite daran, dass die Unterbrechung der Lieferungen aus dem Iran durch andere Ländern ausgeglichen werde. Laut einem EU-Diplomaten sprechen sich vor allem Frankreich, Deutschland und Großbritannien für ein Öl-Embargo aus. Dies ist aber bei den 27 EU-Staaten nicht unumstritten. Insgesamt deckt die Union nur knapp sechs Prozent ihres Bedarfs aus iranischen Quellen - ein Embargo würde jedoch Griechenland und Italien hart treffen, die sich zu einem erheblichen Teil aus dem Iran versorgen. Zwei Tage nach der Erstürmung der britischen Botschaft im Iran ging es den EU-Außenministern darum, den Druck auf Teheran zu verstärken. "Wir müssen die Quellen für das iranische Atomprogramm austrocknen", hatte Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor der Sitzung betont. "Wir können die Option einer nuklearen Bewaffnung des Iran nicht akzeptieren." London beeindruckt von Solidarität Die Spannungen mit dem Iran hatten sich mit der Stürmung der britischen Botschaft in Teheran am Dienstag verschärft. Die britische Regierung reagierte mit der Ausweisung der iranischen Diplomaten aus London und zog außerdem einen Teil ihrer diplomatischen Mitarbeiter aus Teheran ab. Großbritanniens Außenminister William Hague dankte seinen Kollegen aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden, dass sie aus Solidarität ihre Botschafter aus Teheran zu Konsultationen nach Hause einbestellt hätten. Westerwelle bekräftigte, dass das Regime von Mahmud Ahmadinedschad gegen das Völkerrecht verstoßen habe, indem es die britische Botschaft nicht geschützt habe. Dies sei in "keiner Weise akzeptabel". Der Iran habe die Pflicht, die diplomatischen Vertretungen zu schützen. Westerwelle hat seinem britischen Kollegen Hague nach eigenen Worten angeboten, dass Deutschland den konsularischen Schutz von britischen Staatsangehörigen im Iran übernimmt. "Das ist eine Geste der Solidarität unter Europäern", sagte Westerwelle. Maßnahmenkatalog gegen Assad-Regierung Auch den Druck auf Syrien erhöhten die Außenminister. Über das schon bestehende Öl-Embargo hinaus wurden weitere Maßnahmen gegen den Energie-, Banken- und Handelssektor beschlossen. So dürfen keine syrische Staatsanleihen mehr gekauft werden. Zudem gilt ein Lieferverbot für Ausrüstung für den Öl- und Gassektor. Syrische Banken dürfen keine neuen Niederlassungen in der EU einrichten und EU-Banken dürfen keine Gemeinschaftsunternehmen mit syrischen Banken mehr gründen. Die Zahl der Syrer mit Einreiseverboten wurde um 12 auf 86 erhöht. Die Zahl der Unternehmen, die keine Geschäfte mehr in der EU machen dürfen, steigt um 11 auf 30. Hague hatte darauf aufmerksam gemacht, dass es eine Verbindung zwischen Teheran und Damaskus gebe. Er gehe davon aus, dass die iranische Regierung den syrischen Staatschef Baschar al Assad bei der Unterdrückung der Bevölkerung unterstütze.
tagesschau.de
Im Streit um das iranische Atomprogramm haben sich die EU-Außenminister auf verschärfte Sanktionen gegen die Regierung in Teheran geeinigt. Es wurden weitere Vermögenssperren und Einreiseverbote verfügt. Zudem wird weiter über ein Ölembargo diskutiert. Auch gegen Syrien wurden weitere Sanktionen beschlossen.
[ "Meldung" ]
Ausland
2011-12-01T13:33:08.954Z
2023-03-02T13:19:13.962Z
https://www.tagesschau.de//ausland/iran-ts-254.html
Personalsorgen zum NATO-Jubiläum
32 Staats- und Regierungschefs treffen sich ab heute zum NATO-Gipfel. Einige wie Biden oder Macron sind angeschlagen und politisch unter Druck. Das könnte die Feierlaune zum 75. Jubiläum trüben. Von Helga Schmidt 75 Jahre nach ihrer Gründung ist die NATO in bester Verfassung, einig und fit wie selten zuvor. Das ist die Botschaft, die eigentlich von der Jubiläumsfeier in Washington ausgehen sollte. Wenn man auf die bloßen Fakten blickt, ist das nicht einmal übertrieben. Mit Schweden und Finnland hat die Allianz zwei neue, starke Mitglieder bekommen, die durch ihren Beitritt nicht nur die eigene Sicherheitslage verbessern konnten, sondern dank ihrer Verteidigungsfähigkeit auch die für die NATO riskante Lage im gesamten Ostseeraum stabilisieren helfen. Zwei Drittel der Mitglieder erreichen Zwei-Prozent-Ziel Oder das lange illusorisch erscheinende Zwei-Prozent-Ziel: Pünktlich zur Geburtstagsfeier schaffen es zwei Drittel der NATO-Mitgliedsländer, darunter auch Deutschland. Ohne hörbares Murren der Gesellschaften werden in 23 Nationen mindestens zwei Prozent der gesamten Wirtschaftskraft für das Militär ausgegeben, das ist doppelt so viel wie vor dem Ukraine-Krieg. Und schließlich, auch das gehört zur Erfolgsgeschichte der Allianz: Die NATO steht heute geschlossener da als vor Putins Einmarsch in die Ukraine. Ernsthafte Zweifel an der Notwendigkeit eines kollektiven Verteidigungsbündnisses gibt es nicht mehr, allenfalls an den politischen Rändern. Das war beim letzten großen Jubiläum, dem fünfzigsten, noch anders. Da wurde gefragt, welchen Sinn ein so hochgerüstetes Bündnis überhaupt noch macht. Der Westen sah sich von Freunden umzingelt. Ein Gipfel mit angeschlagenen Spitzenpolitikern Aber Abschreckung funktioniert nicht nur über Fakten. Der äußere Eindruck spielt eine Rolle. Und in Washington könnte der Eindruck aufkommen, dass bei der Jubiläumsfeier ziemlich angeschlagene Spitzenpolitiker zusammenkommen. Ausgerechnet der Gastgeber ist sichtbar geschwächt. Joe Biden steht an der Spitze der größten Militärmacht der Welt, aber beim Gipfel in Washington werden wieder alle Augen darauf gerichtet sein, wie er die Treppenstufen bewältigt und ob er mehrere Sätze unfallfrei zu Ende bringen kann. Geschwächt wird auch Emmanuel Macron aus Paris anreisen. Frankreichs Präsident ist Chef der einzigen Atommacht in der EU. Selbst wenn er mit der ihm eigenen Selbstgewissheit nach Washington kommt, dass er zu Hause gerade noch das Schlimmste verhindern konnte, wird nichts daran ändern, dass er keine regierungsfähige Mehrheit mehr hinter sich hat. Mit welcher Regierung Macron künftig Politik machen kann, ist völlig ungewiss. Sicher ist nur, dass die Rechtsextremen im Mutterland der Menschenrechte so stark in der Assemblée Nationale vertreten sind wie niemals zuvor. Scholz' Situation könnte besser sein Dagegen nehmen sich die Probleme von Olaf Scholz fast schon überschaubar aus. Aber auch der Bundeskanzler ist durch die letzte Europawahl geschwächt, seine Koalition läuft nicht gut und - wichtig mit Blick auf die Diskussionen in der NATO - die Mehrausgaben für Rüstung fallen im Bundeshaushalt geringer aus als erwartet. Was Frankreich und den Osten Deutschlands verbindet, ist der Zuspruch von ungefähr einem Drittel der Menschen für Parteien, die aus ihrer Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin, dem Systemfeind der Allianz, kein Geheimnis machen. Marine Le Pen hat sich von dem russischen Diktator schon mal den Wahlkampf mit mehreren Millionen finanzieren lassen, AfD-Politiker werden der Spionage für Russland verdächtigt. Stoltenberg hofft auf weitere Ukraine-Hilfen Der Jubiläumsgipfel fällt in eine schwierige Zeit, aber die NATO hat geliefert, gerade im Ukraine-Krieg - diese Botschaft will der scheidende Generalsekretär der Allianz, Jens Stoltenberg, in Washington in den Mittelpunkt stellen. "Seit Russland in die Ukraine einmarschiert ist, haben die Alliierten Militärhilfe im Wert von 40 Milliarden Euro pro Jahr geleistet", rechnet Stoltenberg vor. Er hofft, dass die Alliierten in Washington versprechen, auch in Zukunft Militärhilfe in gleicher Höhe zu leisten - 40 Milliarden Euro pro Jahr. "Die Ukraine braucht Verlässlichkeit und Planbarkeit", sagt Stoltenberg und erinnert an den Schock vom Anfang des Jahres, als wochenlang keine Waffen mehr aus den USA kamen, weil die Republikaner das nicht zuließen. "Das hat die Ukraine auf dem Schlachtfeld in erhebliche Schwierigkeiten gebracht." Der Lieferstopp gab der NATO einen Vorgeschmack auf die Probleme, die eintreten könnten, wenn Donald Trump ein zweites Mal ins Weiße Haus einzieht. Die Europäer könnten von heute auf morgen auf sich allein gestellt sein. Gesucht: Gerechtere Lastenverteilung unter den Alliierten Auch darauf will man sich in Washington vorbereiten, es geht um eine gerechtere Lastenverteilung unter den Alliierten. Dass die Europäer mehr für die eigene Sicherheit tun müssen, hat inzwischen jeder auf dem Kontinent verstanden. Aber auch unter den Europäern gibt es große Unterschiede. Stoltenberg hat den NATO-Außenministern im Juni in Prag einen Lösungsvorschlag unterbreitet und ist damit gescheitert. Die Alliierten sollten die Ukraine anteilig gemäß ihrer Wirtschaftskraft unterstützen. Das hätte hohe Zusatzkosten für Länder wie Frankreich, Italien und Spanien bedeutet. Die drei großen EU-Länder halten sich bisher bei der Ukraine-Hilfe zurück. Zurückhaltung wird insbesondere bei der Bereitstellung von Flugverteidigungssystemen geübt. Die Ukraine braucht sie dringend, sieben vom Typ "Patriot" oder vergleichbare Systeme sollten es bis zum Gipfel schon sein, das hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj als Wunschziel formuliert. Aus Deutschland kommen drei, aber ob es in Washington wirklich vier verbindliche Zusagen anderer Länder gibt, ist noch offen. "Wir kratzen von unten an den sieben", sagt ein NATO-Diplomat. Man arbeite daran. Auf Hochtouren liefen bis zuletzt auch die Bemühungen der Diplomaten, eine konsensfähige Formulierung zur heiklen Frage des NATO-Beitritts der Ukraine zu finden. Auf der einen Seite will man dem ukrainischen Präsidenten entgegenkommen, auf der anderen Seite aber keine Zugeständnisse in der Sache machen. Die Ukraine kann mit der Aufnahme rechnen, das ist in mehreren Gipfeldokumenten seit 2008 verbrieft, aber ein Zeitpunkt für den Beginn von Verhandlungen dürfte auch in Washington nicht genannt werden, dafür gibt es unter den NATO-Ländern keinen Konsens.
Helga Schmidt
32 Staats- und Regierungschefs treffen sich ab heute zum NATO-Gipfel. Einige wie Biden oder Macron sind angeschlagen und politisch unter Druck. Das könnte die Feierlaune zum 75. Jubiläum trüben.
[ "NATO" ]
Ausland
Amerika
2024-07-09T12:14:43.910Z
2024-07-10T07:46:58.416Z
https://www.tagesschau.de//ausland/amerika/nato-gipfel-190.html
Markenprodukte in der EU: Visegrad-Staaten fordern "Nutella-Gipfel"
Der Streit über die unterschiedliche Zusammensetzung von Markenprodukten in EU-Ländern geht weiter. Bahlsen hat beim Butterkeks die Zweiklassen-Produktion geändert. Andere Konzerne halten daran fest - und bekommen jetzt Druck von den Visegrad-Staaten u Von Ralph Sina Krisentreffen zum Thema Doppelstandards und sogenannter Lebensmittelapartheid in Brüssel. Im Mittelpunkt die Frage, ob 65 Millionen Verbraucher in den Visegrad-Staaten Slowakei, Ungarn, Polen und Tschechien von westlichen Konzernen systematisch benachteiligt werden. Die sollen in Osteuropa angeblich zweitklassige Ware zum westeuropäischen Preis anbieten. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nannte zwei strittige Produkte beim Namen: Die beiden Waschmittelsorten Persil und Sunlicht, deren angeblich spezielle Produktzusammensetzung in Osteuropa aus Sicht des slowakischen Regierungschefs Robert Fico und seiner Kollegen aus den Visegrad-Staaten eine Provokation darstellt. Gleicher Preis - weniger Waschwirkung Die Regierungen der vier osteuropäischen Staaten werfen den Konzernen Henkel und Unilever vor, ihre Bevölkerung mit zweitklassigem Waschpulver zu beliefern. Das enthalte 20 Prozent weniger waschaktive Substanzen - aber zum gleichen Preis wie in Westeuropa. Nach der Devise: Weniger Tenside im Waschpulver sind kein Problem, wenn der Verbraucher die Waschtemperatur erhöht. Auch von westlichen Lebensmittelkonzernen fühlen sich die Visegrad-Staaten als Europäer zweiter Klasse diskriminiert. "Wie würden Sie in Westeuropa reagieren, wenn Schweinefleisch auf der Verpackung steht, die aber de facto Hähnchenreste enthält?", fragte Fico. EU-Kommissionspräsident Juncker kündigte an, die EU-Kommission werde die Vorwürfe prüfen. Und gebe sich nicht mit dem sogenannten Nutella-Argument zufrieden, die Geschmäcker in der EU seien halt verschieden. Da die Slowaken weder Sunlicht noch Persil essen würden, gebe es auch keine geschmäcklerischen Gründe für eine andere Produktzusammensetzung in Osteuropa, argumentierte Juncker. Er schließe vor diesem Hintergrund neue EU-Richtlinien zum Verbraucherschutz nicht aus, unterstrich der Kommissionspräsident. Es dürfe in der EU keine Verbraucher zweiter Klasse geben. Alle Europäer hätten die gleiche Würde und damit auch die gleichen Rechte, betonte Juncker während der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem slowakischen Regierungschef in Brüssel. Argumentationshilfe für EU-Gegner Fico schlug einen sogenannten Nutella-Gipfel in der Slowakei vor, um die unterschiedlichen Produktzusammensetzungen mit Vertretern der EU und der Konzerne zu diskutieren. Der Regierungschef warnte davor, die Produktunterschiede im EU-Binnenmarkt als lächerliches Problem abzukanzeln: EU-Gegner könnten diese Produktunterschiede leicht als Argument gegen die EU benutzen. Im September will die EU Leitlinien zur Klarstellung vorlegen. Und Juncker sich weiterhin engagiert einsetzen - für ein Ende der Diskriminierung bei Lebensmittellieferungen.
Ralph Sina
Der Streit über die unterschiedliche Zusammensetzung von Markenprodukten in EU-Ländern geht weiter. </strong><a href="" externalId="tagesschau_616cc732-d5d7-44a9-97e5-aee4ebd4b76d"><strong>Bahlsen hat beim Butterkeks die Zweiklassen-Produktion geändert</strong></a><strong>. Andere Konzerne halten daran fest - und bekommen jetzt Druck von den Visegrad-Staaten u
[ "EU", "Nutella-Konflikt" ]
Wirtschaft
2017-07-27T15:55:06.845Z
2023-03-01T19:48:40.740Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/eu-nutella-gipfel-101.html
Linken-Chefin nennt Wagenknecht-Pläne "Egotrip"
Die Linken-Vorsitzende Wissler hat die möglichen Pläne von Sahra Wagenknecht, eine Partei zu gründen, scharf kritisiert. In den tagesthemen sprach sie von einem "Egotrip". Nach ARD-Informationen will Wagenknecht am Montag einen neuen Verein vorstellen. Die möglichen Pläne der Linken-Abgeordneten Sahra Wagenknecht, eine eigene Partei zu gründen, stoßen innerhalb der Linken auf Kritik. Die Parteivorsitzende, Janine Wissler, warf Wagenknecht in den tagesthemen verantwortungsloses Handeln vor. "Angesichts der verheerenden Politik der Ampel" müsse eine linke Bundestagsabgeordnete Opposition gegen die Bundesregierung machen und Alternativen vorlegen, so Wissler. Das Vorgehen Wagenknechts bezeichnete sie hingegen als "Egotrip". An Abgeordnete, die sich einer möglichen neuen Partei anschließen könnten, appellierte Wissler, dass sie auch ihre Bundestagsmandate abgeben: "Das wäre ein Gebot der Fairness." Man könne nicht Mandate, die auf Grundlage des Programms der Linken gewonnen wurden, einfach mitnehmen. Auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnete die geplante Parteineugründung als "unverantwortlich angesichts der gesellschaftlichen Situation und der Lage der Linken". "Unmoralisch" sei, wenn Wagenknecht Mandate mitnehme, die sie über die Linke erworben habe, sagte Bartsch der "Rheinischen Post". Wagenknechts Schritt führe dazu, "dass es dann keine Fraktion mehr gibt. Er bedeutet aber nicht, dass die Linke am Ende wäre". Die Linke bleibe soziale Opposition. Wagenknechts Partei "ist dann ein Mitbewerber. Nicht mehr und nicht weniger". Riexinger spricht von einer "Befreiung" für die Linke Der frühere Parteichef der Linken, Bernd Riexinger, sagte dem Nachrichtenportal "The Pioneer", für die Linke sei die Neugründung eine "Befreiung". Für seine Partei ende damit "ein langer quälender Prozess". Die Klarheit sorge jetzt dafür, dass die Wähler der Linken jetzt wieder wüssten, "was die Linke will und für sie tut". Riexinger fügte hinzu: "Alle, die durch Frau Wagenknecht daran gehindert wurden, uns zu wählen oder sogar bei uns Mitglied zu werden, sind herzlich eingeladen." Pläne sollen am Montag vorgestellt werden Der "Spiegel" und das ZDF hatten berichtet, dass Wagenknecht nach langer Überlegung ihre eigene Partei gründen wolle. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios will sie in der Bundespressekonferenz die Gründung eines Vereins vorstellen. Vereinszweck ist wohl die Gründung einer eigenen Partei. Die Parteiführung von Wagenknechts bisheriger Partei, der Linken, rechne mit solch einem Schritt bereits seit Anfang des Jahres. Laut "Spiegel" will sie die Gründung des bereits registrierten Vereins "BSW - Für Vernunft und Gerechtigkeit e. V." öffentlich machen. "BSW" soll demnach für "Bündnis Sahra Wagenknecht" stehen. Bei dem Termin werde die Politikerin auch einen ersten Programmentwurf vorstellen. Noch in der vergangenen Woche sagte die 54-Jährige in einem Gespräch mit tagesschau.de, dass eine Partei frühestens 2024 gegründet werden könnte. Mit einem Verein könnten Wagenknecht und ihre Unterstützer allerdings bereits an den Europawahlen und den Landtagswahlen 2024 in Brandenburg teilnehmen - sofern sie weitere Auflagen als "politische Vereinigung" erfüllen. Zu den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen dürfen hingegen nur Parteien antreten. Austritt aus Linkspartei besiegelt? Einen Austritt aus der Linkspartei wolle Wagenknecht nach jetzigem Stand am Montag ebenso wenig bekannt geben wie ihren Austritt aus der Bundestagsfraktion, heißt es in dem Bericht des "Spiegel". In ihrem Umfeld gehe man aber davon aus, dass der Austritt mit dieser Pressekonferenz "besiegelt" sei. Bereits seit Monaten wird spekuliert, ob die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei ihre eigene Partei gründen wird oder nicht. Zuletzt betonte sie, sie wolle sich bis zum Jahresende festlegen. Zwischen Wagenknecht und ihrer jetzigen Partei gibt es seit Jahren Streit. Zuletzt hatten mehr als 50 Mitglieder der Linken den Parteiausschluss der 54-Jährigen gefordert. Wagenknecht war über Jahrzehnte einer der profiliertesten Köpfe der Linken. Sie trat noch vor dem Zusammenbruch der DDR in die SED ein und engagierte sich dann in der Nachfolgepartei PDS und schließlich in der Linken. Vor vier Jahren zog sie sich nach parteiinternen Kämpfen und einem Burnout vom Posten der Fraktionsvorsitzenden im Bundestag zurück. Trotzdem blieb Wagenknecht das prominenteste Gesicht der Partei und stellte mit Auftritten in Talkshows und Büchern immer wieder die eigentlichen Chefs der Linken öffentlich in den Schatten.
Die Linken-Vorsitzende Wissler hat die möglichen Pläne von Sahra Wagenknecht, eine Partei zu gründen, scharf kritisiert. In den <em>tagesthemen</em> sprach sie von einem "Egotrip". Nach <em>ARD-Informationen</em> will Wagenknecht am Montag einen neuen Verein vorstellen.
[ "Wagenknecht", "Die Linke" ]
Inland
Innenpolitik
2023-10-19T06:50:49.500Z
2023-10-19T11:41:46.477Z
https://www.tagesschau.de//inland/innenpolitik/wagenknecht-parteigruendung-102.html
Israelische Grenzstadt Aschkelon: Plötzlich mitten im Krieg
Im israelischen Grenzgebiet zum Gazastreifen hallt derzeit immer wieder der Raketenalarm. Unter den Bewohnern herrscht eine Mischung aus Angst und Frustration. Von Jan-Christoph Kitzler, ARD Tel Aviv, z.Zt. Aschkelon. Um zu erleben, wie sich der Krieg anfühlt, muss man in Aschkelon nur aus dem Auto steigen. Die Stadt liegt keine zehn Kilometer nördlich des Gazastreifens. Das heißt, wenn es Raketenalarm gibt, wenn wieder aus dem Gazastreifen gefeuert wird, hat man nur wenige Sekunden Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen. Der kleine Schutzraum aus Beton ist voller Menschen, vielen steht die Angst ins Gesicht geschrieben. Die Druckwelle des Raketeneinschlags, keine 200 Meter von hier, geht durch Mark und Bein. Wieder draußen sind überall zersplitterte Scheiben zu sehen. Und gleich mehrere Häuser, die in den letzten Tagen Treffer abbekommen haben. Dieses Mal ist die Rakete auf einem Platz eingeschlagen. Zum Glück gab es keine Verletzten. Bunker war die beste Investition An der Stelle steht Jehuda und sieht verstört aus. Es hat auch schon einen Treffer gleich neben seiner Wohnung gegeben. Erst vor einem Monat ist er nach Aschkelon gezogen, an die Grenze zum Gazastreifen. Er brauchte eine günstigere Wohnung. Aber jetzt will er so bald wie möglich wieder weg. Er wohne hier allein, sagt Jehuda, der ursprünglich aus Tel Aviv ist. "Ich wohne jetzt hier, möchte aber weg. Ich möchte nach Tel Aviv zurück bei allem, was hier passiert. Ich bin die Raketen nicht gewohnt. Ich habe Angst." Vor zwei Tagen sei ihm das ganze Glas im Haus zerplatzt, erzählt er. Es habe ihn nicht verletzt, aber das Glas war auf dem Boden verteilt. "Seit Samstag schlafe ich nicht mehr, denn ich fürchte, mir könnte etwas passieren." Direkt neben der Stelle, wo die Rakete eingeschlagen ist, wohnt Miriam. Jetzt steht sie mit ihrer Familie vor dem Haus, mitten im Krieg. Der Bunker, den sie bei sich eingebaut haben, war die beste Investition, sagt die Lehrerin: "Natürlich haben wir einen Schutzraum. Wir rennen dorthin. Aber auch der Schutzraum bebt. Das ist völlig verrückt. Wir können uns nicht bewegen, nicht weggehen und auch niemanden besuchen. Wir sehen unsere Enkeltochter nicht, weil wir sie nicht besuchen können. Wir leben in Angst. Wir fragen uns immer, wann die nächste Runde Raketen kommt." Auch in der Schule, in der sie arbeite, seien alle immer damit beschäftigt, mit den Kindern Übungen abzuhalten, um schnellstmöglich in den Bunker zu kommen. "Das ist keine normale Realität", sagt Miriam. "Die Welt muss sehen, was uns angetan wurde" Und dann treffen wir noch Gabriel - zuhause hat er keinen Strom, deshalb will er Kerzen kaufen. Immer wieder telefoniert er mit seiner Frau - die beiden haben sechs Kinder. Unbedingt will er uns noch furchtbare Videos zeigen, die den Terror der Hamas-Kämpfer zeigen sollen. Zu sehen ist ein eroberter israelischer Militärposten. Überall liegen tote, blutige Soldaten. Einige der Leichen werden mit Füßen getreten. Ich kann nicht mehr schlafen. ich muss der ganzen Welt die Videos zeigen, damit die Welt sieht, was uns, dem Volk Israel, angetan wurde. Die Welt muss die Wahrheit kennen, muss wissen, was passiert ist. Fast 1.000 Tote und 3.000 Verletzte. Bei diesen Raketen könne man einfach nicht schlafen. "Ihr konntet die Detonation vorhin hören, oder?", fragt Gabriel. "Am Samstag war das vier Stunden lang, alle zwei Minuten so. Sogar die großen Kinder haben sich vor Angst in die Hose gemacht." Es wird nicht der einzige Raketenalarm bleiben. Noch einmal müssen wir in den Bunker. Und was man auch immer wieder hört, sind die Bombenangriffe im Gazastreifen. Ständig sind Kampfflugzeuge in der Luft, immer wieder hört man die schweren Detonationen. Auf beiden Seiten der Grenze zum Gazastreifen haben Menschen Angst vor den nächsten Angriffen. Eine Region ist im Krieg.
Jan-Christoph Kitzler, ARD Tel Aviv, z.Zt. Aschkelon.
Im israelischen Grenzgebiet zum Gazastreifen hallt derzeit immer wieder der Raketenalarm. Unter den Bewohnern herrscht eine Mischung aus Angst und Frustration.
[ "Israel", "Ashkelon" ]
Ausland
Asien
2023-10-10T00:31:26.224Z
2023-10-11T12:43:47.772Z
https://www.tagesschau.de//ausland/asien/israel-ashkelon-kaempfe-100.html
Abtreibungsrecht in Mexiko: Die Verteufelung geht weiter
Seit einigen Wochen dürfen Abtreibungen in Mexiko nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Doch betroffenen Frauen nutzt die höchstrichterliche Entscheidung wenig: Hetze und Diskriminierung gehen weiter. Von Anne Demmer Abtreibung wurde legalisiert. Wir töten damit die Kinder, die uns stören. Die Kinder können sich nicht dagegen wehren. Warum töten wir nicht die Mutter? Sie wird der Gesellschaft auch nichts mehr nützen. Eine Frau, die abgetrieben hat und möglichweise als Folge nie Kinder kriegen wird, bringt nichts mehr So hetzte der Priester Lázaro Hernández während eines Gottesdienstes vor seiner Gemeinde in Coahuila. Kurz zuvor hatte der Oberste Gerichtshof in Mexiko entschieden, dass Abtreibung kein Verbrechen mehr ist. Zwar ging es bei dem Urteil nur um einen Paragrafen im nördlichen Bundesstaat Coahuila, jedoch hat der Urteilsspruch Auswirkungen auf die Rechtsprechung im ganzen Land. Mexiko wird damit zum bevölkerungsreichsten Land mit katholischer Mehrheit, in dem die Abtreibung entkriminalisiert wird. Demnach dürfen Abtreibungen im Frühstadium der Schwangerschaft sowie bei Vergewaltigung, Gefährdung der Gesundheit der Schwangeren oder lebensunfähigem Fötus nicht unter Strafe gestellt werden. Legal sind sie in 28 Bundesstaaten deshalb trotzdem noch nicht. Zudem wurde ein Gesetz gekippt, das es medizinischem Personal erlaubt, Abtreibungen aus Gewissensgründen abzulehnen. Das sei ein wichtiges Signal, allerdings nur ein erster Schritt. Anweisungen sind das eine Aussagen wie die des Priesters seien keine Ausnahme, sagt Luz María Reyes, Frauenrechtsanwältin aus Veracruz, einem der vier Bundesstaaten, in denen Abtreibung legal ist: "Gestern habe ich erfahren, dass das Gesundheitspersonal des Bundesstaates Veracruz bereits angewiesen wurde, dass jede Frau, die eine Abtreibung in Anspruch nehmen will, diese auch erhalten muss. Aber das eine ist die Anweisung. Die Diskriminierung der Frauen, die abtreiben wollen, geht weiter." Viele Frauen setzten sich deswegen nach wie vor großen Gefahren aus, wenn sie unter zweifelhaften Bedingungen eine Abtreibung vornähmen. Es mangele nach wie vor an Fachkenntnissen beim medizinischen Personal. Die Voraussetzungen für eine Abtreibung in den Kliniken sei längst nicht gegeben, erklärt die Frauenrechtsanwältin. "Selbst wenn es im öffentlichen Krankenhaus inzwischen möglich ist, werden weiterhin oft die falschen Medikamenten-Dosen verabreicht, die Frauen werden erneut zu Opfern." Begleitung per Chat Arlette möchte Abhilfe schaffen. Sie und ihre Kollegin Alejandra bekommen Nachrichten von verzweifelten Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind. Ihren vollständigen Namen wollen die beiden lieber nicht nennen. Sie begleiten Betroffene, die bis zur 12. Woche selbst einen Schwangerschaftsabbruch mit Medikamenten vornehmen wollen, berichtet Arlette: Die Frauen kontaktieren uns über die sozialen Netzwerke. Darüber erhalten sie eine Telefonnummer. Sie schreiben uns eine Nachricht. Wir öffnen dann eine Whatsapp-Gruppe mit zwei Begleiterinnen und erarbeiten einen Plan nach ihren Bedürfnissen - je nachdem, in welchem Monat sie sind. Voraussetzung ist, dass sie uns einen Ultraschall vorlegen. Die Frauen nehmen rezeptfreie Medikamente. Eines davon ist Misoprostol, das eigentlich bei Magengeschwüren eingesetzt wird. Misoprostol kann aber auch ein Ende der Schwangerschaft bewirken, die Ausstoßung des Fötus. Die Dosierung erfolgt über eine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Bis zu zehn Tage bleiben sie mit den Frauen in Kontakt, sagt Alejandra. "Wir begleiten sie so lange, bis wir sicher sind, dass es keine Reste mehr im Körper gibt. Danach lösen wir die Whatsapp-Gruppe auf." Geringes Risiko bei medikamentösem Abbruch Viele Frauen seien natürlich verunsichert. Gerade deswegen sei der engmaschige Kontakt zu den Begleiterinnen sehr wichtig. Sie bitten sie um Fotos und Videos. Die Frauen reagierten teils sehr stark auf die Medikamente, das erschrecke sie. Sie bekämen Fieber, Schüttelfrost. "Sie sind dann verängstigt und gehen ins Krankenhaus. Wir sagen ihnen dann, geht nicht. Dort werden sie dir Medikamente geben, damit der Fötus erhalten bleibt." Bis vor wenigen Monaten liefen sie zudem Gefahr kriminalisiert zu werden. In Veracruz wurde Abtreibung erst im Juli dieses Jahres legalisiert. Ein Abbruch mithilfe von Medikamenten wirke zu 95 bis 98 Prozent, das Risiko dabei sei gering. Die Begleiterinnen erklären den Frauen vorab, was zu tun ist, wenn sie übermäßige Blutungen bekommen. Alejandra und Arlette bilden sich regelmäßig fort - u.a. in einer Klinik, in der Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. All das machen sie ehrenamtlich. Gerade weil das Thema Abtreibung nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu in Mexiko ist, hätten viele Frauen ein großes Bedürfnis zu reden, erzählt Arlette. "Sie erzählen uns ihre ganze Geschichte, dass sie vergewaltigt wurden, dass ihr Mann sie misshandelt hat." Es meldeten sich Frauen nicht nur aus ganz Mexiko, sondern auch aus El Salvador, Kolumbien - aus Ländern, in denen das Abtreibungsrecht noch strikter ist. Seit 2019 haben Arlette, Alejandra und weitere Begleiterinnen etwa 80 Frauen durch die Abtreibung geleitet. Aufklärung im Unterricht fehlt Inspiriert durch Frauen in Argentinien hat sich auch in Mexiko ein Ableger der Bewegung "Marea Verde" - "Grüne Welle" gegründet. Die Frauen, die bei Protesten grüne Tücher tragen, setzen sich für die sichere und kostenfreie Abtreibung, Sexualkunde in Schulen und Zugang zu Verhütungsmitteln ein. Gerade an der Aufklärung mangele es im Schulunterricht, kritisiert Arelette. "In der sechsten Klasse müssen sie einen Monat auf ein Ei aufpassen. Es darf nicht kaputtgehen. So läuft hier die sexuelle Aufklärung." Arlette und Alejandra bieten auch Workshops zur Aufklärung von jungen Frauen an. Doch bis die Arbeit der Begleiterinnen bei Abtreibungen überflüssig ist, wird es dauern.
Anne Demmer
Seit einigen Wochen dürfen Abtreibungen in Mexiko nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Doch betroffenen Frauen nutzt die höchstrichterliche Entscheidung wenig: Hetze und Diskriminierung gehen weiter.
[ "Mexiko", "Abtreibungen" ]
Ausland
2023-09-07T01:14:24.788Z
2023-09-07T01:14:45.303Z
https://www.tagesschau.de//ausland/mexiko-abtreibung-101.html
Wie sich die Corona-Zahlen in anderen Ländern entwickeln
Mehr als 100.000 neue Corona-Fälle gab es in Deutschland. Bei einigen Nachbarn stiegen die Zahlen noch dramatischer. So meldete Frankreich, das weniger Einwohner hat, fast 500.000 Fälle. Anderswo sinken die Zahlen. Ein Überblick über ausgewählte Staaten. Frankreich In Frankreich registrieren die Gesundheitsbehörden am Dienstag fast eine halbe Million Neuinfektionen. Rund 465.000 nachgewiesene Ansteckungsfälle wurden nach offiziellen Daten binnen eines Tages erfasst - so viele wie nie zuvor seit Beginn der Pandemie und ein massiver Anstieg gegenüber dem Vortag, als 102.000 Neuansteckungen gemeldet wurden. In Krankenhäusern starben 288 weitere Menschen in Zusammenhang mit dem Coronavirus. Insgesamt sind es damit mehr als 100.000 Todesfälle. Allerdings geht die Zahl der Patienten auf Intensivstationen zurück. Ob gegen die Infektionszahlen strenge staatliche Vorgaben zur Impfung helfen, ist im Land weiter umstritten. Präsident Emmanuel Macron macht keinen Hehl daraus, dass er Druck auf Ungeimpfte ausüben will, während Gegner der Coronapolitik regelmäßig auf der Straße mobil machen. Bislang sind rund 75 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Italien In Italien meldete das Gesundheitsministerium rund 228.000 Neuinfektionen binnen eines Tages. Am Tag zuvor waren es noch 83.403. Das ergibt eine Sieben-Tage-Inzidenz von 2060. Allerdings wurden laut Ministerium auch deutlich mehr Menschen auf das Coronavirus getestet: rund 1,48 Millionen nach gut 541.000 Tests am Vortag. Die Zahl der Todesfälle in Zusammenhang mit dem Virus steigt um 434 (Vortag 287) auf 141.825. Das ist der zweithöchste Wert in Europa nach Großbritannien und weltweit der neunthöchste. Dennoch wird im Land intensiv über den Kurs der Regierung in Sachen Pandemie-Bekämpfung diskutiert, nachdem zuletzt zum Jahresende eine Impfpflicht für über 50-Jährige eingeführt wurde und für alle Ungeimpfte starke Einschränkungen des öffentlichen Lebens gelten. Spanien In Spanien dagegen sank die Zahl der Neuinfektionen - erstmals seit Beginn der Omikron-Welle vor zweieinhalb Monaten. Die Gesundheitsbehörden verzeichneten am Dienstag mehr als 94.400 Ansteckungsfälle binnen eines Tages. Das sind 3306 Fälle je 100.000 Einwohner und damit weniger als vor zwei Wochen, als 3397 Fälle registriert wurden. Das ist der erste Rückgang seit 2. November. Die Sieben-Tage-Rate ging noch stärker zurück, und zwar auf 1522 von 1657 Fällen je 100.000 Menschen. 80,5 Prozent der 47 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Spaniens sind vollständig geimpft. Die Regierung des Landes denkt inzwischen darüber nach, das Coronavirus wie eine Grippe zu behandeln, also wie eine wiederkehrende Krankheit. Großbritannien Großbritannien verzeichnete am Dienstag rund 94.300 Neuinfektionen und eine Sieben-Tage-Inzidenz von 981. Im Zusammenhang mit dem Virus starben 440 Menschen. Dieser Wert ist für Großbritannien vergleichsweise hoch, während die Zahl der Neuinfektionszahlen insgesamt zurückgeht und deutlich hinter dem Wert der vergangenen Woche liegt. Die Regierung will nun einige Maßnahmen wieder zurücknehmen wie zum Beispiel die Maskenpflicht und die Empfehlung, zu Hause zu arbeiten. Premier Boris Johnson beruft sich auf Wissenschaftler, die den Höhepunkt der Omikron-Welle für überwunden halten. Polen Am Dienstag lag die Zahl der Neuinfektionen in Polen bei knapp unter 20.000 - das war gegenüber dem Vortag nahezu eine Verdoppelung. Die Regierung rechnet damit, dass der Höhepunkt der aktuellen Welle Mitte Februar erreicht werden wird und dann bei 60.000 bis 120.000 Neuinfektionen liegen könnte. 377 Menschen starben im Zusammenhang mit der Krankheit - 300 von ihnen waren ungeimpft. In Polen mit seinen 38 Millionen Einwohnern sind nur 56,5 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Österreich In Österreich mit seinen knapp neun Millionen Einwohnern treibt die Ausbreitung der Omikron-Variante die Neuinfektionen auf ein Rekordhoch. Kanzler Karl Nehammer sagte am Mittag, es gebe "fast 30.000 Neuinfektionen". Die Zahl sei "erschreckend hoch". Auf den Intensivstationen ist die Zahl der behandelten Schwerkranken aber weiter rückläufig. In den Normalstationen steigt dagegen die Bettenauslastung wieder an. Dänemark Dänemark vermeldete am Dienstag zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie mehr als 31.000 Corona-Neuinfektionen an einem Tag. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag bei 3219,9.Ende November hatte die tägliche Neuinfektionszahl bei etwa 5000 gelegen. Gesundheitsminister Magnus Heunicke wies aber darauf hin, dass sich die hohe Infektionszahl nicht in der Zahl der Krankenhauseinlieferungen widerspiegele. Die Regierung hatte in der vergangenen Woche einige Lockerungen in ihrer Corona-Politik beschlossen, obwohl die Zahl der Neuinfektionen schon stark anstieg. Südafrika Südafrika, wo die Omikron-Variante erstmals nachgewiesen worden war, verzeichnet mittlerweile vergleichsweise geringe Neuinfektionen. Zuletzt wurden rund 3700 Fälle gemeldet, womit die Sieben-Tage-Inzidenz 50,7 betrug. Damit zeigt die Tendenz gegenüber dem Dezember deutlich nach unten, wo es insgesamt 490.000 Neuinfektionen gab und das Wort von der "Wand" anstelle der "Welle" die Runde machte. USA Laut Johns Hopkins-Universität lag die Zahl der Neuinfektionen am Dienstag bei mehr als einer Million. Der bisherige Rekordwert wurde am 10. Januar erreicht mit mehr als 1,3 Millionen Neuinfektionen. Die Sieben-Tage-Inzidenz betrug am Dienstag 1563,2, die Zahl der Todesfälle wurde mit 1896 angegeben. Insbesondere die schleppende Entwicklung der Impfquote bereitet der US-Regierung Sorge. Sie beträgt rund 64 Prozent. Der Plan der Biden-Administration, in größeren Unternehmen und im Gesundheitssektor eine Impfpflicht einzuführen, war vor wenigen Tagen vom Obersten Gericht der USA partiell gestoppt worden.
tagesschau.de
Mehr als 100.000 neue Corona-Fälle gab es in Deutschland. Bei einigen Nachbarn stiegen die Zahlen noch dramatischer. So meldete Frankreich, das weniger Einwohner hat, fast 500.000 Fälle. Anderswo sinken die Zahlen. Ein Überblick über ausgewählte Staaten.
[ "Coronavirus", "Omikron", "Frankreich" ]
Ausland
Europa
2022-01-19T14:31:08.853Z
2022-01-27T12:17:03.786Z
https://www.tagesschau.de//ausland/europa/corona-international-113.html
Neue medizinische Leitlinie: "Es ist wichtig, Demenz früh zu erkennen"
In Deutschland leiden etwa 1,2 Millionen Menschen an einer Demenz. Fachverbände haben nun eine neue medizinische Leitlinie für ihre Behandlung erarbeitet. Früherkennung ist für den Neurologen Lars Timmermann besonders wichtig. tagesschau.de: Herr Timmermann, was sind Anzeichen für eine Demenz? Lars Timmermann: Jeder von uns kennt es, dass uns Dinge im Alltag etwas schwerfallen, dass man sich an Dinge vielleicht nicht mehr ganz so genau erinnert, dass man Dinge plötzlich regelhaft verliert oder verlegt - etwa das Portemonnaie neben der Butterdose landet. Oder man weiß nicht mehr: Wo steht eigentlich mein Auto auf dem Parkplatz? Wenn solche Dinge andauernd passieren, dann ist es schon sinnvoll, mal mit seinen Ärzten zu sprechen und zu schauen: Könnte es sich um eine der vielen Formen der Demenz handeln? Alzheimer richtig diagnostizieren tagesschau.de: Wohin kann ich dann als betroffene Person gehen? Timmermann: Natürlich sind unsere Hausärzte gut geschult darin, erst mal im Screening zu gucken, was los ist. Aber am Ende des Tages sind natürlich Neurologinnen und Neurologen gute Ansprechpartner. Aber auch unsere psychiatrischen Kolleginnen und Kollegen sind gut geschult, so etwas auseinanderzuhalten. Denn ganz entscheidend ist es, herauszufinden, was für eine Form der Demenz es ist. Drei Viertel der Patienten haben tatsächlich einen Morbus Alzheimer. Aber es gibt auch eine Reihe von Patienten, die etwas ganz anderes haben. Und das würde man natürlich gerne möglichst schnell, möglichst früh und möglichst genau herausfinden. Neue Leitlinie für die Behandlung von Demenzpatienten tagesschau.de: Und wie findet man das heraus? Timmermann: Zunächst einmal ist es entscheidend herauszufinden, ob es überhaupt eine Demenz ist, was diese Menschen haben. Dazu haben wir inzwischen eine ganze Reihe von gut etablierten sogenannten Screening-Instrumenten, mit denen wir mit ein paar kurzen Tests herausfinden, ob in dem einen oder anderen Bereich von unserer geistigen Leistungsfähigkeit ein Defekt ist, ob wir uns Dinge nach wie vor gut merken können. Das wird geguckt, ob wir zum Beispiel eine Uhr mit einer Uhrzeit malen können, ob wir vielleicht auch in der Lage sind, uns so zu konzentrieren, dass wir aus einer Kette von Buchstaben bestimmte herausfinden - also verschiedene Konzentrationsmerkfähigkeits- und Konstruktionsaufgaben. Es ist wichtig, herauszufinden, ob das Gedächnis überhaupt ein Problem ist oder zum Beispiel einfach ein Stimmungsproblem vorliegt. Es gibt zum Beispiel bei einer Depression die "Pseudodemenz", und das muss man rausfinden. Das zweite, was wir machen, und da ist die neue Leitlinie wichtig, ist, dass wir ein Bild vom Kopf machen. Am besten eine Kernspintomographie, eine MRT, bei der wir uns bestimmte Strukturen im Gehirn ganz besonders angucken. Und dann geht es darum, andere Erkrankungen, die mal mit einer Störung von Gedächtnis und Konzentration einhergehen können - zum Beispiel Schilddrüsenerkrankungen, Infektionserkrankungen - auszuschließen. Dazu nimmt man erst einmal Blut ab. "Demenz früh erkennen" tagesschau.de: Wie früh beginnt denn eine Demenz, wenn Sie sagen Früherkennung? Timmermann: Erschreckenderweise in Ihrem und meinem Alter - und wahrscheinlich sogar noch vorher. Ich bin jetzt gerade 50 geworden. Wir müssen davon ausgehen, dass diese vielgefalteten Eiweiße über Dekaden zusammenklumpen und dazu führen, dass es letztlich Eiweißklumpen sind, die unser Gehirn, unsere Nervenzellen, gar nicht mehr so richtig loswerden. Dann kommt es zur Entzündungsreaktion, Funktionsverlust und Zelluntergang. Und wenn es dann zusätzlich noch irgendwelche Durchblutungsstörungen dazukommen, wird es wirklich problematisch, weil die normalen Hirnfunktionen dann nicht mehr so gut funktionieren. Die sind ja darauf angewiesen, dass verschiedene Hirnareale miteinander kommunizieren und es ermöglichen, dass wir uns erinnern, dass wir vielleicht im richtigen Augenblick das richtige Wort haben, dass wir vielleicht auch wissen, wie wir eine Uhr malen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir eine Demenz früh erkennen - eigentlich im mittleren Erwachsenenalter. Dann können wir überlegen, welche Risikofaktoren wir beeinflussen können. Für unsere Gene können wir nichts, aber das, was wir beeinflussen können, sollten wir doch idealerweise so gestalten, dass wir ein möglichst geringes Risiko haben, um Demenz wirklich zu bekommen. "Bildung schützt gegen Demenz" tagesschau.de: Jetzt rate ich mal: Dazu gehört wahrscheinlich gesundes Essen, Sport treiben, viel lesen... Was noch? Wie kann ich es beeinflussen, ob es eine Demenz wird oder nicht? Timmermann: In der Tat gibt es ein paar Dinge, die Klassiker sind: Regelmäßige körperliche Bewegung ist gut. Nicht dick werden ist übrigens auch wichtig. Es ist wichtig, dass wir einen möglichen Bluthochdruck rechtzeitig eingestellt haben, um das Demenzrisiko zu reduzieren. Ebenso bei älteren Patienten ein Vorhofflimmern, also einen unrhythmischen Puls. Es gibt aber ein paar spezielle Sachen, die für die Demenz wichtig sind: Bildung zum Beispiel. Bildung schützt gegen Demenz. Wir müssen also in unsere Bildung investieren, und wir müssen auch dafür sorgen, dass Menschen nicht einsam werden. Das ist ja eine ganz schlimme Entwicklung. Gerade im Rahmen der Pandemie sind ja ganz viele Menschen in unserer Gesellschaft einsam geworden. Und Einsamkeit ist für uns Menschen gar nicht gut. Ich habe ja lange in Köln gelebt, da ist das ja sozusagen erlebte Kultur, dass man miteinander ist - auch generationsübergreifend unterstützt gegen Demenz. Diese Dinge sollten wir tun - und damit haben wir auch ganz gute Möglichkeiten. Und ein paar spezielle Sachen sind mir wichtig: Wir sollten Kopf-Traumata vermeiden - wie zum Beispiel beim Boxen oder auch Kopfbälle beim geliebten Fußball - das ist das ja leider auch Gang und Gäbe. Also mein Appell wäre doch bitte zumindest bei den Kindern und Jugendlichen das Kopfballtraining auf ein Minimum zu reduzieren oder vielleicht ganz darauf zu verzichten. Neue Medikamente vor der Zulassung tagesschau.de: Lassen Sie uns einen Blick auf die Medikamentenentwicklung werfen. Es gibt Medikamente, die in Zulassungeverfahren sind, die Demenz lindern können? Timmermann: Wir haben schon Medikamente, die die kognitive Leistungsfähigkeit, also Gedächtnis und Konzentration, im Rahmen von einem Demenzprozess zumindest ein bisschen verbessern können. Das sind keine Einstein-Pillen, aber das ist schon etwas, was merklich bei vielen Patienten etwas ändert. Wir konnten aber nie die Krankheit in ihrem Verlauf verbessern. Der Zustand wird im Verlauf der Krankheit, Jahr für Jahr, Monat für Monat etwas schlechter. Diesen Verlauf positiv zu beeinflussen, diese Möglichkeit steht jetzt endlich vor der Tür: Mit modernen Antikörpertherapien, wie das wahrscheinlich 2024 auf den Markt kommende Lecanemab oder Donanemab sind wir wahrscheinlich in der Lage, dieses Beta Amyloid aus dem Gehirn "rauszuwaschen". Und das Faszinierende ist, dass da nicht nur das Beta Amyloid fehlt, sondern, dass plötzlich die kognitiven Leistungsfähigkeiten bei diesem Patienten auch zumindest langsam besser werden können. Das ist für uns natürlich ein ganz neues Zeitalter. Noch sind die Medikamente nicht zugelassen, insofern ist das noch Zukunftsmusik. Wir sind aber sehr optimistisch in der Fachgesellschaft, dass das in den nächsten Monaten und Jahren kommen wird. Das Gespräch führte Anja Martini, Wissenschaftsredakteurin tagesschau. Es wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redigiert.
In Deutschland leiden etwa 1,2 Millionen Menschen an einer Demenz. Fachverbände haben nun eine neue medizinische Leitlinie für ihre Behandlung erarbeitet. Früherkennung ist für den Neurologen Lars Timmermann besonders wichtig.
[ "Demenz", "Früherkennung", "Alzheimer", "Depressionen" ]
Wissen
Gesundheit
2023-12-01T15:06:02.243Z
2024-11-14T20:32:29.428Z
https://www.tagesschau.de//wissen/gesundheit/demenz-interview-100.html
Fragen und Antworten: Wie regiert Trump per Dekret?
Das transpazifische Handelsabkommen TPP gestoppt, Obamacare aufgeweicht, der Mauerbau an der Grenze zu Mexiko. Allein mit seiner Unterschrift schafft US-Präsident Trump Fakten. Möglich macht dies das so genannte Präsidentendekret. Doch wie funktioniert das? Von Jens Eberl Was ist das Präsidentendekret? Es ist das wirkungsvollste Machtinstrument eines amerikanischen Präsidenten. Mit sogenannten "Executive Orders" kann er Regelungen treffen, ohne die Zustimmung des Kongresses, also der Legislative, einholen zu müssen. Laut Artikel 2 der US-Verfassung steht dem Präsidenten die Exekutivgewalt zu. Das Präsidentendekret wird aber in der Verfassung nicht explizit erwähnt. Es ist daher ein Element der formlosen Rechtspraxis. Die Auslegung ist allerdings umstritten. Kritiker befürchten einen Missbrauch der Macht. Befürworter sehen darin ein Mittel, um Blockaden durch den politischen Gegner zu überwinden. Die zurzeit wohl bekannteste, aber auch umstrittene Präsidialanweisung ist die Executive Order Nr. 13224: Sie reguliert seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die weltweite Vorgehensweise der Vereinigten Staaten gegen Terrororganisationen und deren Aktivisten. Hat der Präsident mit dem Dekret uneingeschränkte Macht? Die Wirkung von Dekreten ist zeitlich begrenzt. Ein Präsident kann sein eigenes Dekret jederzeit wieder aufheben. Genauso kann er Erlasse rückgängig machen, die von einem seiner Vorgänger beschlossen wurden. Die beiden Parlamentskammern im Kongress können den Präsidenten mit einer Zweidrittel-Mehrheit überstimmen. Alternativ können sie per Gesetz das Geld für die Umsetzung des Dekrets verwehren. So hatte beispielsweise Barack Obama per Dekret die Schließung des Terror-Gefängnisses in Guantanamo erlassen; es existiert aber noch heute. Der Kongress überstimmte ihn. Donald Trump dagegen muss vom Kongress wenig Gegenwehr befürchten: Seine Partei, die Republikaner, hat in beiden Kammern komfortable Mehrheiten. Wie häufig wird das Präsidentendekret angewandt? Präsidenten haben Executive Orders seit 1789 erlassen. Auch die Vorgänger von Trump machten davon regelmäßig Gebrauch. So erließen Barack Obama beispielsweise 279, George W. Bush 291 und Bill Clinton 364 Dekrete. Unangefochtener Dekret-Spitzenreiter der amerikanischen Geschichte ist Franklin D. Roosevelt. In seiner zwölfjährigen Amtszeit von 1933-1945 erließ er insgesamt 3522 Verordnungen. Präsidenten haben Executive Orders auch zum Zweck der militärischen Intervention benutzt. So befahl Bill Clinton 1999 den Einsatz amerikanischer Soldaten im Kosovo mittels Executive Order. Obama ist in den vergangenen Jahren für seine Linie, immer wieder auch per Dekret zu regieren, von seinen politischen Gegnern lautstark gescholten worden. Ein Kritiker, der ihm deswegen noch 2012 Machtmissbrauch vorwarf, ist heute Präsident: Trump.
Jens Eberl
Das transpazifische Handelsabkommen TPP gestoppt, Obamacare aufgeweicht, der Mauerbau an der Grenze zu Mexiko. Allein mit seiner Unterschrift schafft US-Präsident Trump Fakten. Möglich macht dies das so genannte Präsidentendekret. Doch wie funktioniert das?
[ "Dekret", "Trump" ]
Ausland
2017-01-27T13:34:45.751Z
2023-03-02T17:19:21.369Z
https://www.tagesschau.de//ausland/praesidentendekret-101.html
Bundesnetzagentur rechnet für 2024 mit weiter hohem Strompreis
Die Bundesnetzagentur rechnet mit anhaltend hohen Strompreisen. Weil Zuschüsse wegfallen, dürfte Strom 2024 für Verbraucher sogar teurer werden. Auch wenn die Großhandelspreise für Strom verglichen mit 2022 deutlich gefallen sind, rechnet der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, mit weiter hohen Strompreisen für Verbraucher. "Das Preisniveau ist höher als vor dem russischen Angriffskrieg. Daran wird sich so schnell nichts ändern", sagte Müller der Zeitung "Rheinische Post". Weiter sagte der Behördenchef, die Zeit der billigen Energie sei vorbei, "jedenfalls solange wir noch große Mengen konventionell erzeugter Energie verbrauchen", so Müller. Im Schnitt 120 Euro Mehrkosten im Jahr Zudem steigen im kommenden Jahr die Netzentgelte deutlich, was die Anbieter an die Verbraucher weitergeben dürften. Grund ist der Wegfall von Zuschüssen. Müller verteidigte entsprechende Sparbeschlüsse der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP. Er geht davon aus, dass die Netzbetreiber die Mehrkosten an die Kundinnen und Kunden weitergeben: "Früher oder später werden die Kosten bei allen Verbrauchern ankommen, unabhängig davon, wann die Änderungen umgesetzt werden." Der Behördenchef rechnet vor: Durch den Wegfall der Subvention von 5,5 Milliarden Euro werde ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt 120 Euro mehr Netzentgelt im Jahr zahlen. Die Netzentgelte bilden einen substanziellen Teil des Strompreises. Laut einer Berechnung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft von Juli 2023 macht das Netzentgelt bei Strom durchschnittlich rund 21 Prozent der Stromrechnung aus. Anbieter geben Kosten an Verbraucher weiter Durch die Zuschüsse, die aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds gezahlt werden sollten, wollte die Bundesregierung den Anstieg der Netzentgelte im kommenden Jahr dämpfen. Wegen des Haushaltsurteils aus Karlsruhe fallen diese Zuschüsse nun weg, was die Übertragungsnetzkosten für die Anbieter erhöht. Viele Stadtwerke haben bereits vergangene Woche bekannt gegeben, wie stark diese Erhöhung ausfallen wird. Laut dem Vergleichsportal Check24 müssen Verbraucher mit einem Plus von 32 Prozent rechnen. Dem Vergleichsportal zufolge haben bereits etwa 50 Prozent der Stadtwerke ihre Netzentgelte für 2024 neu kalkuliert. Müller optimistisch in Bezug auf Gasversorgung Optimistisch äußerte sich Müller im Zeitungsinterview mit Blick auf die Gasspeicher. "Wir können zwar sehen, dass der Gasverbrauch ansteigt, wenn es kalt wird. Ein paar kalte Tage machen uns aber keine Sorgen", sagte Müller. "Die Speicher sind zu rund 90 Prozent gefüllt und wir haben stabile Importe, die unsere Gasversorgung sichern." Ein Gasmangel in diesem Winter sei unwahrscheinlich. CO2-Abgabe für Gas wird fällig Doch könnte nach Berechnungen von Check24 auch der Gaspreis für Endkunden zu Jahresbeginn steigen, denn für Gas wird ab 2024 die Kohlendioxidabgabe erhöht. Außerdem fällt bei Gas und Fernwärme am 1. März die Mehrwertsteuerermäßigung weg. Beides wird anstatt mit sieben dann wieder mit 19 Prozent besteuert. Für einen gewissen Ausgleich sorgen die mittlerweile wieder gesunkenen Großhandelspreise für Strom und Gas. Viele Anbieter haben daraufhin zum Jahreswechsel eine Preissenkung angekündigt.
Die Bundesnetzagentur rechnet mit anhaltend hohen Strompreisen. Weil Zuschüsse wegfallen, dürfte Strom 2024 für Verbraucher sogar teurer werden.
[ "Strom", "Strompreis", "Gas", "Bundesnetzagentur" ]
Wirtschaft
Verbraucher
2023-12-27T08:24:14.062Z
2024-02-07T13:42:48.464Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/verbraucher/strom-gas-bundesnetzagentur-wegfall-subventionen-100.html
"Reichsbürger" beunruhigt Sicherheitsbehörden
Adrian Ursache hatte bei einer Zwangsräumung auf einen SEK-Beamten geschossen und schwer verletzt. Nun kam er aus dem Gefängnis frei. Er gilt Sicherheitsbehörden als sehr gefährlich und sorgt für einen großen Polizeieinsatz. Von Manuel Bewarder, NDR/WDR, und Florian Flade, WDR Früher ließ sich Adrian Ursache gerne von Journalisten in seinem Haus in Reuden, im Burgenlandkreis (Sachsen-Anhalt) besuchen. Dann posierte er auf dem Sofa, um seinen Körper eine Schärpe, die ihn als "Mister Germany 1998" auswies. Damals war Ursache zum schönsten Mann des Landes gewählt worden. Heute gilt er den Behörden als einer der prominentesten und gefährlichsten Vertreter der "Reichsbürger"-Szene.  Vier Jahre saß Adrian Ursache wegen versuchten Mordes im Gefängnis. Im August 2016 war die Polizei bei ihm angerückt, um eine Zwangsvollstreckung seines Hauses durchzusetzen. Ursache, der vom Verfassungsschutz damals bereits der "Reichsbürger"-Bewegung zugeordnet wurde, schoss mit einer Pistole auf einen Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK). Dieser wurde am Hals getroffen und überlebte nur dank seiner Schutzkleidung. Das Landgericht Halle verurteilte Ursache deshalb im April 2019 zu sieben Jahren Gefängnis. Der 44-Jährige beteuerte bis zum Schluss seine Unschuld. Racheakte befürchtet Am Montag nun kam Ursache aus der Haft frei. Die Sicherheitsbehörden halten den früheren "Mister Germany" jedoch nach Informationen von WDR und NDR weiterhin für gefährlich. Demnach trauen sie ihm oder weiteren Anhängern der "Reichsbürger"-Szene Racheakte zu. Der Recherche zufolge wird Ursache deshalb in besonderem Ausmaß überwacht - zum Teil anscheinend auch ganz offen, sodass er es mitbekommen kann. Er ist offiziell als "Gefährder" eingestuft. Das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen-Anhalt, das Bundeskriminalamt (BKA) und der Verfassungsschutz haben Ursache nun weiter im Blick.   Das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt erklärte auf Anfrage allgemein, es werde derzeit eine "geplante polizeiliche Maßnahme" durchgeführt. Mit Blick auf Persönlichkeitsrechte machte die Behörde keine Angabe zur Person. Auch zu den genauen Gründen für die Maßnahmen machte die Behörde keine Angaben. Es gehe um einen Mann nach seiner Entlassung aus der Haft, hieß es. In diesem Zusammenhang finde ein "permanenter Austausch mit den Behörden des Bundes und der Länder statt". Ein Anwalt von Ursache äußerte sich auf Anfrage nicht.  25.000 Personen zu Reichsbürgerszene gezählt Die Szene der "Reichsbürger" wurde viele Jahre verharmlost. Nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz werden hierzu deutschlandweit mittlerweile rund 25.000 Personen gezählt. Rund 2.500 davon werden als gewaltorientiert eingestuft. Für Schlagzeilen sorgte zuletzt der Prozessstart gegen eine Gruppe um Prinz Reuß, die Ende 2022 bei einer großen Razzia festgenommen wurde. Der Generalbundesanwalt wirft ihr vor, einen Umsturz geplant zu haben. Die "Reichsbürger"-Szene erkennt die Bundesrepublik nicht als Staat an, sondern geht vom Fortbestand des Deutschen Reiches aus.  Die Auflagen, mit denen der nun freigelassene "Reichsbürger" Ursache belegt wurde, sollen ungewöhnlich streng und umfassend sein: Adrian Ursache trägt den Informationen zufolge elektronische Fußfesseln, ihm wurde demnach untersagt. internetfähige Kommunikationsmittel zu nutzen. Außerdem dürfe er sich ohne Absprache mit der Polizei nur an bestimmten Orten aufhalten. Aus Angst vor möglichen Racheakten sollen auch in seinem ehemaligen Wohnort die sichtbaren Polizeimaßnahmen hochgefahren worden sein.   Die Sorge vor neuen Straftaten muss demnach bei den Behörden groß sein: Allein zu Wochenbeginn sollen insgesamt rund 100 Beamte in die Observation eingebunden gewesen sein. Aus Behördenkreisen heißt es, Ursache habe versucht, nach seiner Entlassung aus der Haft in die Schweiz zu reisen. Da ihm dies aber untersagt sei, hätten ihn Schweizer Beamte gestoppt und zurück nach Deutschland geschickt. Die Schweizer Beamten sollen von ihren deutschen Kollegen vorgewarnt gewesen sein. Fantasieland ausgerufen Ursache hatte Anfang der 2000er-Jahre mit seiner Frau ein Grundstück in Reuden, in einer ehemaligen Braunkohleregion in Sachsen-Anhalt, erworben und ein Haus gebaut. Das Ehepaar geriet dadurch offenbar in finanzielle Schwierigkeiten und häufte eine große Summe an Schulden an. Im August 2013 wurde schließlich ein Zwangsvollstreckungsverfahren gegen Ursache eingeleitet.  In jener Zeit bereits soll Adrian Ursache ein Anhänger der sogenannten „Reichsbürger“-Bewegung gewesen sein. Er zweifelte die Legitimität des Gerichtsvollziehers an und soll behauptet haben, die Bundesrepublik Deutschland existiere nicht. Polizisten bezeichnete er als "Träger einer Wortmarke". Auf seinem Grundstück rief er zudem ein eigenes Fantasieland aus, den "Staat Ur". Er soll gedroht haben, wer das Land unbefugt betrete, müsse mit Waffengewalt rechnen. Gegenüber dem Gerichtsvollzieher soll Ursache laut Staatsanwaltschaft Morddrohungen ausgesprochen haben. Schusswechsel bei Zwangsräumung Am 24. August 2016 scheiterte ein erster Versuch, eine Zwangsräumung des Grundstücks zu vollziehen. Ursache hatte im Internet mehrere Gleichgesinnte und Unterstützer mobilisiert, die anreisten und behaupteten, die Vollstreckung verstoße gegen das Völkerrecht.  Nur einen Tag später dann rückte die Polizei mit Spezialkräften und zwei Hundertschaften an, um den Gerichtsvollzieher zu unterstützen. Einer der SEK-Beamten schoss auf Ursache, der einen Revolver auf die anrückenden Polizisten gerichtet haben soll. Vor Gericht sagte der Polizist später, er habe in Ursache eine unmittelbare Bedrohung gesehen und deshalb geschossen.   Ursache wiederum feuerte zurück und traf einen SEK-Beamten am Hals. Es kam zu einem weiteren Schusswechsel, Ursache wurde vier Mal im Oberkörper getroffen, wurde schwerverletzt ins Krankenhaus gebracht und notoperiert.  Im April 2017 dann erhob die Staatsanwaltschaft Halle Anklage gegen Adrian Ursache wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstößen gegen das Waffengesetz. Der Prozess begann im Oktober 2017 und endete nach 56 Verhandlungstagen im April 2019 mit dem Urteil gegen Ursache: Sieben Jahre Gefängnis. Eine Revision seiner Anwälte verwarf der Bundesgerichtshof ein Jahr später.
Manuel Bewarder, WDR, NDR/WDR, und Florian Flade
Adrian Ursache hatte bei einer Zwangsräumung auf einen SEK-Beamten geschossen und schwer verletzt. Nun kam er aus dem Gefängnis frei. Er gilt Sicherheitsbehörden als sehr gefährlich und sorgt für einen großen Polizeieinsatz.
[ "Reichsbürger", "Sicherheitsbehörden" ]
Investigativ
2024-09-03T16:00:11.834Z
2025-05-13T14:46:38.663Z
https://www.tagesschau.de//investigativ/ndr-wdr/reichsbuerger-sicherheitsbehoerden-100.html
Im Iran verurteilter Filmregisseur Rassulof nach Europa geflohen
Der iranische Filmregisseur Rassulof ist laut eigenen Angaben aus dem Iran nach Europa geflohen. In seiner Heimat war er zuvor zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Wo er sich zurzeit aufhält, ist nicht bekannt. Nach seiner Verurteilung zu acht Jahren Haft ist der preisgekrönte iranische Filmregisseur Mohammed Rassulof nach Europa geflohen. Er sei nach einer langen und komplizierten Reise in Europa angekommen, teilte Rassulof in einer am Montag verbreiteten Erklärung mit. Rassulofs Anwalt Babak Paknia hatte in der vergangenen Woche der Nachrichtenagentur AP gesagt, der Regisseur sei im Iran zu acht Jahren Gefängnis und Peitschenhieben verurteilt worden. Zudem werde Eigentum von ihm beschlagnahmt. Die iranischen Behörden bestätigten das Urteil gegen Rassulof nicht und gaben auch keinen Kommentar zu seiner Ausreise ab. Rassulofs neuester Film "The See of the Sacred Fig" wird am 24. Mai beim Filmfestival in Cannes uraufgeführt. Es war zuvor unklar, ob er zur Cannes-Premiere reisen würde. Vor einem Jahr war er mit einem Ausreiseverbot belegt worden. Wahl zwischen Gefängnis und Exil Rassulof und andere Künstler hatten sich in einem Brief zu Demonstrationen wegen eines Gebäudeeinsturzes 2022 in der Stadt Abadan geäußert. Darin forderten sie die Behörden auf, ihre Waffen niederzulegen. "Da ich wusste, dass die Nachricht von meinem neuen Film sehr bald veröffentlicht werden würde, war mir klar, dass zu diesen acht Jahren zweifellos eine neue Strafe hinzukommen würde", erklärte der 51 Jahre alte Regisseur. Er hatte mit seinem Film "Doch das Böse gibt es nicht" 2020 bei der Berlinale den Goldenen Bären gewonnen. Er habe zwischen dem Gefängnis und der Ausreise wählen müssen und sich schweren Herzens für das Exil entschieden. Für die Entscheidung habe er nicht viel Zeit gehabt. Sein Reisepass sei im September 2017 beschlagnahmt worden, deshalb habe er den Iran heimlich verlassen. Rassulof befindet sich derzeit an einem unbekannten Ort. Der Regisseur beschrieb in seiner Erklärung auch den Druck, der auf seine Mitarbeiter ausgeübt wurde. Einige Schauspieler hätten den Iran verlassen, bevor die Produktion allgemein bekannt wurde, sagte er. Andere seien verhört und ihre Familien zur Befragung vorgeladen worden. Die Büros seines Kameramanns seien durchsucht worden. "Viele Leute haben geholfen, diesen Film zu machen", sagte Rassulof über sein neuestes Werk. "Meine Gedanken sind bei ihnen allen, und ich fürchte um ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen."
Der iranische Filmregisseur Rassulof ist laut eigenen Angaben aus dem Iran nach Europa geflohen. In seiner Heimat war er zuvor zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Wo er sich zurzeit aufhält, ist nicht bekannt.
[ "Iran", "Rassulof" ]
Ausland
Asien
2024-05-13T19:48:38.690Z
2024-05-14T09:59:13.861Z
https://www.tagesschau.de//ausland/asien/iran-regisseur-flucht-nach-europa-100.html
Landwirtschaft: Steckt Bio wirklich in der Krise?
In Zeiten hoher Preise, in denen die Menschen sparen, haben es hochwertige Bio-Produkte am Markt nicht leicht. Dennoch steht die Branche besser da als gedacht. Von Julia Henninger, Stephanie Ley und Andreas Fauth, SWR 3000 Hühner laufen auf der Wiese umher, picken mal hier, mal da. Mitten in dem Gewusel stehen gemütlich ein paar Alpakas, Minikamele mit Ursprung Südamerika. Die "Odenwälder Bioinsel" ist ein Ökobetrieb im Neckar-Odenwald-Kreis. Die guten Zeiten allerdings sind getrübt. Rund 1500 Eier pro Tag legen die Hühner hier insgesamt, die eingesammelt, nach Größe sortiert und abgepackt werden müssen. 50 Cent kostet ein Bio-Ei, fast doppelt so viel wie Eier aus Boden- oder Freilandhaltung. "Der Kunde will wissen, wenn er einen Mehrpreis bezahlt und nicht das billigere Ei kauft, sondern wirklich das Bio-Ei aus der Region, dass das, was ihm versprochen wird, auch wirklich eingehalten wird, und dafür gibt er dann auch mehr Geld aus", sagt Landwirt Tobias Schiffmann. Für seinen Bruder und ihn ist das Geschäft mit den Eiern die Haupteinnahmequelle. Hier halten sich die Verluste im vergangenen Jahr noch im Rahmen. Der Absatz sei um 20 Prozent zurückgegangen. Mehlprodukte mit Absatzrückgang Bei anderen Produkten sieht es deutlich schlechter aus. So sei der Umsatz etwa bei Roggen-, Weizen- und Dinkelmehl um fast 40 Prozent zurückgegangen, berichtet Schiffmann. Auch die Bionudeln und -linsen laufen nicht mehr so gut. Diese packen sie hier noch per Hand ab und vertreiben sie über Supermarktketten, Lebensmittelautomaten und das Internet. "Im Mehlbereich aber auch bei Linsen, Nudeln haben wir einen deutlichen Absatzrückgang, der uns auch geblieben ist und den wir nur kompensieren können, indem wir versuchen, zusätzliche Märkte zu generieren, mehr Märkte, mehr Läden, auch weitere Fahrstrecken noch in Kauf nehmen", so Schiffmann. Naturkostladen schreibt rote Zahlen Der Naturkostladen "Kornblume" bei Heidelberg bekommt regelmäßig Ware von der "Odenwälder Bioinsel". Der Inhaber hat im vergangenen Jahr erstmals rote Zahlen geschrieben. "Wir hatten den enormen Umsatzzuwachs in 2021, und in 2020, als Corona angefangen hat, da haben wir Rücklagen bilden können, die jetzt weggeschmolzen sind", sagt Inhaber Kay Eulenbach. Damals hatten die Restaurants geschlossen, viele Kunden haben regionale Produkte gekauft, selbst gekocht. Im vergangenen Jahr schrumpfte nun der Bio-Markt zum ersten Mal in seiner Geschichte, vor allem Reformhäuser und reine Bio-Märkte bekamen das zu spüren.   Eulenbach fährt deshalb auf Sparflamme, hat eine freigewordene Stelle im Verkauf erst mal nicht neu besetzt. Außerdem will er noch stärker auf regionale Produkte setzen, um sich vom Angebot der Discounter deutlicher abzusetzen. Krisen lassen Lebensmittelpreise steigen Ukraine-Krieg, Energiekrise, Inflation: Die Preissteigerungen haben das Kaufverhalten verändert. Konsum- und Handelsexperte Robert Kecskes von der Gesellschaft für Konsumforschung sagt: "GfK-Daten zeigen, dass die Konsumenten daher kreativ werden und nach Strategien suchen, um weiterhin Bio-Produkte zu konsumieren, ohne damit ihre Haushaltsbudgets zu sprengen. Anstatt Bio-Produkte von teuren Herstellermarken zu kaufen oder zu Bio-Supermärkten zu gehen, weichen die Konsumenten auf günstigere Bio-Handelsmarken aus oder kaufen ihre Bio-Produkte beim Discounter ein." Der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) verweist darauf, dass Bio-Produkte allerdings besser gegen die Inflation gewappnet seien, und zwar "durch kurze, regionaler ausgerichtete Wertschöpfungsketten und eine ressourcenschützende Kreislaufwirtschaft, die keinen teuren, synthetisch erzeugten Stickstoffdünger oder Pestizide benötigt. Auch die hohe Verbindlichkeit im Bio-Markt durch längerfristige Verträge wirkt inflationsdämpfend", heißt es in einer Mitteilung. So zeige ein Vergleich der Verkaufspreise der Monate September bis November 2021 zum Jahr 2022, dass die Preisaufschläge bei konventionellen Produkten deutlich höher seien als bei Bio. Mehr Absatzmärkte für Bio-Produkte schaffen Florian Petrik hat bei Karlsruhe einen Landwirtschaftsbetrieb. Seine Eltern haben ihn schon vor 30 Jahren auf Bio umgestellt, bauen Kartoffeln und Gemüse an. Er kenne inzwischen das Auf und Ab am Markt. Dass der Corona-Boom bei Bioprodukten nicht auf Dauer anhalte, sei ihm klar gewesen. Er verkauft seine Produkte im eigenen Hofladen, beliefert den Naturkostfachhandel und den Einzelhandel. Im eigenen Hofladen habe er viel Stammkundschaft. "Vergangenen Sommer gab es einen Rückgang, jetzt hat es sich im Hofladen wieder normalisiert", so Petrik. Den Rückgang im Naturkostfachhandel aber merke auch er. "Viele kaufen zwar Bio, aber im Discounter", meint Petrik. Das seien oft EG-Bio-Produkte und keine regionalen Produkte. Großkantinen als neue Kunden für die Landwirte? Es sei wichtig, neue Absatzmärkte zu finden, so Petrik. Er macht bei dem Projekt KA.WERT in Karlsruhe mit. Sandra Schmidt hat die Initiative gegründet, die von der Bundregierung gefördert wird. Schmidt will ein Netzwerk schaffen - auf der einen Seite die regionalen Biolandwirte und auf der anderen Seite regionale Gastronomie, kommunale Kantinen und der Einzelhandel. "Wir möchten es schaffen, dass die Gastronomiebetriebe und auch die Großküchen, die Mensen und Kantinen wirklich an signifikante Mengen von Bio-Gemüse und Kartoffeln kommen und das möglichst auch noch direkt von den Erzeugerinnen", so Schmidt. Gerade in den großen Kantinen würden Bio-Lebensmittel direkt aus der Region noch keine große Rolle spielen. Denn auf dem Weg zu mehr Bio-Gemüse aus der Region gibt es noch viele Hürden. In der Kantine der Universität in Karlsruhe beispielsweise gehen täglich 6500 Essen raus. "In dieser Größenordnung ist es so, dass die Lebensmittel in Bezug auf Gemüse schon geschält angeliefert werden müssen, teilweise schon in gewisse Formen geschnitten, um die Anzahl von Essen zu produzieren", erklärt Claus Konrad vom Studierendenwerk in Karlsruhe. Daher will das neue Bio-Netzwerk nach Großbetrieben suchen, die das Gemüse der Bauern für Kantinen verarbeiten. Optimistischer Blick in die Zukunft Über eine solche Lösung würde sich Bio-Landwirt Petrik freuen. Für ihn ist das Netzwerk eine Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, neue Großkunden zu finden. "Wir müssen auf den Markt reagieren", meint er. Trotz des Nachfragerückgangs im vergangenen Jahr, schaut er optimistisch auf das neue Jahr. Mit Blick in die Zukunft meint Konsum- und Handelsexperte Kecskes: "Bio-Lebensmittel sind im Mainstream angekommen, unter anderem auch durch die Ausweitung des Produktangebots in den letzten Jahren. Mittlerweile besteht der Bio-Markt aus vielen unterschiedlichen Produkten und unterschiedlichen Preisspannen. Wir gehen davon aus, dass der Trading-Down-Effekt anhalten und die Konsumenten auch weiterhin zu günstigen Bio-Alternativprodukten greifen werden. Während klassische Bio-Supermärkte also zu kämpfen haben werden, werden die Discounter ihre Marktanteile im kommenden Jahr weiter ausbauen."
Julia Henninger, Stephanie Ley und Andreas Fauth, SWR
In Zeiten hoher Preise, in denen die Menschen sparen, haben es hochwertige Bio-Produkte am Markt nicht leicht. Dennoch steht die Branche besser da als gedacht.
[ "Grüne Woche", "Bio", "Landwirtschaft" ]
Wirtschaft
Unternehmen
2023-01-22T10:09:34.377Z
2024-02-16T10:07:49.422Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/unternehmen/bio-landwirtschaft-krise-gruene-woche-101.html
EZB-Zinssenkung: Sparzinsen sinken, Bauzinsen könnten sogar steigen
Von einigen ersehnt, von anderen befürchtet: Die Europäische Zentralbank hat die Leitzinsen abgesenkt. Was das für Sparer, Häuslebauer, Urlauber und die Konjunktur bedeutet Von Stefan Wolff, ARD-Finanzredaktion Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Schlüsselzins von 4,5 Prozent auf 4,25 Prozent gesenkt. Für Sparer und Kreditnehmer hat sich schon im Vorfeld einiges geändert, wenn auch die Kreditzinsen langsamer gesunken sind als die Guthabenzinsen. Am schnellsten haben sich die Konditionen für Tages- und Festgeld angepasst. Das Vergleichsportal Verivox rechnet vor, dass die Durchschnittszinsen bundesweit verfügbarer Tagesgeldangebote im Mai den zweiten Monat in Folge auf 1,72 Prozent gesunken sind. "Die Tagesgeldzinsen haben ihren Zenit überschritten", sagt Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier. Sparerinnen und Sparer müssten sich darauf einstellen, "dass auch die Tagesgeldzinsen noch deutlicher als bisher sinken werden". Das sieht Max Herbst von der Finanzberatung FMH ähnlich. Viele Banken hätten die gestiegenen Zinsen an ihre Kunden weitergereicht. "Es besteht zwar nur bei ganz wenigen Banken mit Top-Zinsen die Veranlassung, die Senkung weiterzugeben", sagt Herbst. "Aber dies werden auch sehr viele andere Banken nutzen und ihre geringen Zinsangebote im Anlagebereich weiter senken." Festgeldangebote weniger lukrativ Wer Geld für einen längeren Zeitraum anlegen möchte, bekam bei vielen Geldhäusern schon vor dem Zinsschritt nicht mehr so hohe Zinsen wie noch vor ein paar Monaten. Brachten bundesweit verfügbare Festgelder mit einem Jahr Laufzeit im Dezember vergangenen Jahres nach Angaben von Verivox noch durchschnittlich 3,34 Prozent Zinsen, so waren es aktuell noch 2,98 Prozent. Trotz der gesunkenen Inflation bleibt davon in realer Kaufkraft wenig übrig. Hier hatten Banken die Zinssenkung früher "eingepreist", da bei Festgeldanlagen die Kunden ihr Geld für einen längeren Zeitraum parken. Auch bei Ratenkrediten rechnen Experten mit sinkenden Zinsen. "Ratenkredite werden sich im Laufe der nächsten Wochen abschwächen - aber nicht sofort", sagt Finanzberater Herbst. "Sinken die Anlagezinsen, sinken auch die Konsumentenkredite, wenn die Banken fair arbeiten, da der Einkauf des Finanzierungsgeldes billiger wird." FMH zufolge sind die Konditionen für Konsumenten-Darlehen mit 36 Monaten Laufzeit schon jetzt tendenziell rückläufig, liegen aber mit einer durchschnittlichen Verzinsung von 7,49 Prozent in etwa auf dem Niveau des Vormonats. Weiter Flaute am Bau Die Bauzinsen sind in den vergangenen Wochen trotz der Aussicht auf den sinkenden EZB-Leitzins wieder gestiegen. Im Juni lag der durchschnittliche Zinssatz bei einer Sollzinsbindung von zehn Jahren bei 3,72 Prozent, so die Online-Plattform Statista. Zu Jahresbeginn waren es nur 3,42 Prozent. "Wer wissen möchte, wie sich die Bauzinsen entwickeln, sollte nicht auf den Leitzins schauen, sondern auf die Inflationsrate", so Finanzberater Herbst. Die ist zuletzt in der Euro-Zone wieder gestiegen, und zwar auf 2,6 Prozent. Eine Folge: Investoren verlangen mehr Geld, wenn sie die in Europa maßgebliche Bundesanleihe kaufen sollen. "Steigt die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe, weil Investoren höhere Zinsen fordern, steigen auch die Pfandbriefrenditen - und damit am Ende auch die Bauzinsen", erklärt Herbst. Auch die krisengeplagte Bauindustrie setzt in die Zinssenkung wenig Hoffnung. Zwar verbilligen sich auf der einen Seite die Baukredite, die Teuerung blieb aber hoch (im Mai lag die Inflationsrate in Deutschland bei 2,4 Prozent). Die stark gestiegenen Materialkosten bleiben also hoch. Die Bau-Unternehmen klagen über fehlende Neuaufträge und Stornierungen bereits geplanter Projekte. 2022 und 2023 wurden jeweils nur rund 295.000 Wohnungen fertiggestellt. Eigentlich hatte sich die Ampel-Regierung 400. 000 Wohnungen jährlich vorgenommen. Diese Entwicklung gilt prinzipiell für die gesamte Industrie. Langfristig aber können niedrigere Kreditzinsen der Wirtschaft auf die Sprünge helfen. Die Börsen boomen Die Börsen haben bereits im Vorfeld kräftig von der erwarteten Zinswende profitiert. Der Deutsche Aktienindex (DAX) ist seit Jahresbeginn um knapp zwölf Prozent gestiegen. Niedrigere Zinsen sind meist gut für die Aktienkurse. Zum einen werden die Firmen bei Kreditkosten entlastet, was deren Profitabilität tendenziell steigert. Zum anderen werden Zinspapiere wie Anleihen oder Festgeld unattraktiver, weil sie weniger abwerfen - Aktien wiederum werden dadurch beliebter. Allerdings sieht die Finanzgemeinde das weitere Kurspotenzial begrenzt. "Die Börsen haben einen ersten Zinsschritt im Juni schon vor Monaten eingepreist", erklärt Thomas Altmann von der Investmentboutique QC Partners. Finanzminister hoffen auf Entlastung Entlastung erhoffen sich vor allem die Finanzminister im Euroraum, da auch Staatsschulden nach einer Zinssenkung günstiger zu finanzieren sind. Aus diesem Grund hatten vor allem die südeuropäischen Euroländer einen solchen Schritt gefordert, während aus der Bundesbank Widerworte zu hören waren. Griechenland war Ende 2023 mit 162 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung verschuldet, Italien mit 137 Prozent. In Deutschland lag die Schuldenquote bei knapp 64 Prozent und damit unter dem EU-Schnitt von 82 Prozent. Bundesfinanzminster Christian Lindner erteilte Forderungen nach einer lockereren Finanzpolitik prompt eine Absage. Eine solche würde gegen Zinssenkungen arbeiten und dem Kampf gegen Inflation entgegenwirken. Auf den Ausblick kommt es an Inwieweit die etwas lockerere Geldpolitik in der Zukunft auf die Zinsmärkte wirken wird, hängt maßgeblich von der weiteren Entwicklung ab. Ursprünglich hatte die Finanzwelt mit sechs bis sieben Zinsschritten nach unten gerechnet, inzwischen ist man mit Blick auf die EZB deutlich zurückhaltender. Vor allem, da die Inflationsrate im Euroraum zuletzt wieder leicht gestiegen ist. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer nennt den Zinsschritt gar einen Fehler und verweist auf die anhaltend hohen Preise. "Ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel steigen die Verbraucherpreise seit Jahresanfang wieder stärker", so Krämer. "Und zwar mit einer aufs Jahr hochgerechneten Rate, die mit 3,5 Prozent deutlich über dem Inflationsziel der EZB liegt". Auch ein Wiedererstarken von Europas Wirtschaft könnte den Zinsplänen der EZB einen Strich durch die Rechnung machen. Wenn es gut läuft, sinkt die Gefahr, dass hohe Zinsen die Konjunktur abwürgen könnten. Lediglich die Finanzwirtschaft könnte - wenn auch nur zögerlich - von sinkenden Zinsen profitieren. "Nur ein langer Lockerungszyklus über die nächsten 18 Monate kann zu einer Erholung der Kreditvergabe beitragen und die Krediteinnahmen der Banken stützen", erklärt Filippo Alloatti vom Investmentmanager Federated Hermes. Dann allerdings läge der wichtigste Leitzins der EZB zwischen 3,25 und 3,5 Prozent, was im Augenblick kaum jemand für möglich hält.
Stefan Wolff, ARD-Finanzredaktion
Von einigen ersehnt, von anderen befürchtet: Die Europäische Zentralbank hat die Leitzinsen abgesenkt. Was das für Sparer, Häuslebauer, Urlauber und die Konjunktur bedeutet
[ "EZB", "Zinswende", "Sparen", "Kredite" ]
Wirtschaft
2024-06-06T14:22:00.671Z
2024-06-06T16:02:50.546Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/zinsen-104.html
Kommentar: Das Märchen von der Hamas-Fatah-Übergangsregierung
Bei einem Treffen in Peking sollen sich die verfeindeten Palästinenserflügel Hamas und Fatah auf eine gemeinsame Übergangsregierung geeinigt haben. Was zunächst wie eine gute Nachricht klingt, wird sich als Nullnummer erweisen. Von Julio Segador Um zu verstehen, wie tief die Feindschaft zwischen der Hamas und der Fatah geht, muss man ins Jahre 2007 zurückgehen. Damals übernahm die Hamas das Kommando im Gazastreifen. Es war der Beginn ihrer autoritären Herrschaft. Und dieser Beginn war sehr blutig. Reihenweise wurden Fatah-Funktionäre von der Hamas exekutiert. Noch heute wird darüber berichtet, wie Fatah-Leute von Hochhäusern heruntergestürzt wurden. Im Gegenzug tat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas alles, um die Hamas im Westjordanland von der Macht fernzuhalten. Dies ist der Grund, weshalb es seit mehr als 15 Jahren keine regulären Wahlen mehr bei den Palästinensern gab. Fast zwei Jahrzehnte blanker Hass Dass die Hamas und die Fatah verfeindet wären, ist stark untertrieben. Es ist blanker Hass, der zwischen den beiden Palästinenserflügeln herrscht. Es hat in den vergangenen fast zwei Jahrzehnten immer wieder Versuche von Hamas und Fatah gegeben, zusammenzufinden. Sie scheiterten jedes Mal. Da klingt die heutige Meldung aus Peking, dass sich beide auf eine Übergangsregierung verständigt hätten, nach einer Sensation, die aber keine ist. Kein nennenswerter Vertreter der Fatah war in Peking anwesend, weder Palästinenserpräsident Abbas noch Ministerpräsident Mohammad Mustafa. Auch die Hamas hätte höherrangige Mitglieder schicken können, etwa den Chef der Terrororganisation, Haniyah. Sie tat es nicht. Allenfalls die zweite, wenn nicht sogar dritte Garde war in Peking. Ein Gipfeltreffen sieht anders aus. Welche Rolle spielt China? Und China ist nun beileibe kein Staat, der sich in der Vergangenheit als Vermittler im Nahost-Konflikt eingebracht hat. Das Land hat möglicherweise eigene wirtschaftliche Interessen in der Region. Vielleicht will sich China als Vermittler im Nahostkonflikt profilieren - auch als Konkurrenz zu den USA. Klar ist, es ist nicht vorstellbar, dass es eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen geben wird, ohne dass Israel und die USA daran beteiligt wären und darüber mitentscheiden. Und dass die Hamas nach ihrer mörderischen Terrorattacke vom 7.Oktober im Gazastreifen in der Zivilverwaltung weiter eine Rolle spielen wird, kann ebenfalls ausgeschlossen werden. Die sogenannte Pekinger Erklärung mit der angeblichen Einigung von Hamas und Fatah auf eine Übergangsregierung ist das Papier nicht wert, auf der sie gedruckt wurde. Hoffnung auf Hintergrund-Diplomatie Vielversprechender sind da die Gespräche, die derzeit hinter den Kulissen vor allem in den Vereinigten Arabischen Emiraten laufen. Verschiedene Staaten aus der Region und auch Vermittler verhandeln über eine mögliche Nachkriegsordnung im Gazastreifen. Noch ist vieles unklar. Eines aber steht fest: Die Hamas spielt hier keine Rolle, übrigens offenbar auch nicht die Fatah von Abbas. Deren Ansehen ist auch im arabischen Lager alles andere als hoch. Was die Lösung der Frage - wie es nach dem Krieg in Gaza weitergeht - nicht gerade leichter macht.
Julio Segador
Bei einem Treffen in Peking sollen sich die verfeindeten Palästinenserflügel Hamas und Fatah auf eine gemeinsame Übergangsregierung geeinigt haben. Was zunächst wie eine gute Nachricht klingt, wird sich als Nullnummer erweisen.
[ "Kommentar", "Hamas", "Fatah" ]
Kommentar
2024-07-23T16:19:15.121Z
2024-07-24T04:13:22.963Z
https://www.tagesschau.de//kommentar/hamas-fatah-102.html
Militärparade in Moskau erinnert an Sieg im Zweiten Weltkrieg
In Moskau hat die traditionelle Militärparade zum Gedenken an den Sieg im Zweiten Weltkrieg stattgefunden. Putin nutzte sie, um den Krieg gegen die Ukraine als angebliche Fortsetzung des Kampfes gegen Nazis darzustellen. Von Björn Blaschke, zzt. in Tiflis 1945 war das Ende des Zweiten Weltkriegs zuerst am 8. Mai im Hauptquartier der US-Truppen im französischen Reims besiegelt worden. Dann wurde die Zeremonie der deutschen Kapitulation auf sowjetischen Wunsch im Hauptquartier der Roten Armee in Berlin-Karlshorst am 9. Mai wiederholt. Seither erinnert Russland an diesem Tag an die bedingungslose Kapitulation Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg vor 79 Jahren - mit landesweiten Paraden. Auch heute. Schlag 10 Uhr Moskauer Zeit - also um 9 Uhr in Deutschland - begann die Zeremonie zur Erinnerung an den Sieg über den Hitler-Faschismus; das Ende des "Großen Vaterländischen Krieges" vor 79 Jahren. Auf der Tribüne: Veteranen, Kirchen- und Medienvertreter, hochrangige russische Militärs. Staatsgäste sind wichtig für Putin Auch Staatsgäste wie die Präsidenten von Laos, Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan oder Belarus waren dabei - wichtig vor allem, um zu zeigen, dass Russland auch in Zeiten des Krieges gegen die Ukraine international nicht isoliert ist. Und wichtig vor allem für Wladimir Putin. Im März wurde Putin - auch mit Hilfe von Wahlmanipulation - zum fünften Mal in das Amt des Staatspräsidenten gewählt, vor zwei Tagen erst vereidigt. "Immer in Kampfbereitschaft" Putin nahm diesen 9. Mai - den er selbst "heiligen Volksfeiertag" nannte - zum Anlass, seine übliche Propaganda vorzutragen. Er stellte sich erneut als gegenwärtigen Kämpfer gegen den Faschismus dar, die Führung der Ukraine ist für ihn immer eine Gruppe "Nazis". In seiner Rede sagte Putin: Revanchismus, eine Verhöhnung der Geschichte und der Versuch, gegenwärtigen Nazismus zu rechtfertigen, sind Teil der Gesamtpolitik der westlichen Eliten, immer mehr regionale Konflikte, ethnischen und interreligiösen Hass zu schüren und souveräne, unabhängige Zentren der Weltentwicklung einzudämmen. "Unabhängige Zentren der Weltentwicklung" - also zum Beispiel Russland. Als Präsident des Landes wolle er einen Weltkrieg verhindern, sagte Putin. "Aber gleichzeitig werden wir uns von niemandem bedrohen lassen. Unsere strategischen Kräfte sind immer in Kampfbereitschaft." Demonstration der Stärke Eine Anspielung auf Überlegungen in den zurückliegenden Tagen: Westliche Soldaten könnten in der Ukraine gegen Russland kämpfen, ihre Waffen gegen russisches Territorium zum Einsatz kommen. Das Wort Krieg nahm Putin im Zusammenhang mit der Ukraine nicht in den Mund. Wie immer nannte er ihn auch heute "militärische Spezialoperation": Wir begehen den Tag des Sieges während einer militärischen Spezialoperation. Alle Teilnehmer, diejenigen, die an vorderster Front stehen, sind unsere Helden. Wir bewundern Eure Widerstandsfähigkeit, Euer Engagement und Eure Selbstopfer. Ganz Russland ist mit Euch. Rund 9.000 Militärangehörige - darunter mehr als 1.000 Soldaten, die in der Ukraine im Einsatz sind - marschierten in einer Parade über den Roten Platz, begleitet von einem "T34"-Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg, Raketenwerfern, Flugabwehr- und Interkontinental-Raketen. Die Luftwaffe gab eine Show ab - eine Demonstration der Stärke Russlands, auch 79 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es, das Hauptquartier der Roten Armee habe sich in "Berlin Adlerhorst" befunden. Das ist falsch. Richtig ist Berlin-Karlshorst. Wir haben das entsprechend korrigiert.
Björn Blaschke, zzt. in Tiflis
In Moskau hat die traditionelle Militärparade zum Gedenken an den Sieg im Zweiten Weltkrieg stattgefunden. Putin nutzte sie, um den Krieg gegen die Ukraine als angebliche Fortsetzung des Kampfes gegen Nazis darzustellen.
[ "Russland", "Putin", "Militärparade" ]
Ausland
2024-05-09T11:33:58.752Z
2024-06-06T19:19:59.137Z
https://www.tagesschau.de//ausland/militaerparade-moskau-102.html
Skandinavien verschärft Ton in der Euro-Krise
Staatspleite oder ein Ende des Euro - bislang haben Europas Politiker diese Wörter öffentlich gemieden. Jetzt ändert sich der Tonfall. Schwedens Finanzminister bereitet sein Land auf ein mögliches Ende des Euro vor. Und Finnland macht klar, dass es die Schulden der anderen nicht mehr zahlen will. Von Tim Krohn Von Tim Krohn, ARD-Hörfunkstudio Stockholm Staatsbankrott - um dieses eine Wort machen Europas Finanzminister immer noch gerne einen weiten Bogen, zumindest wenn die Mikrofone angeschaltet sind. Schwedens Finanzminister Anders Borg will jetzt Klartext sprechen. "Natürlich können die Griechen auch Glück haben. Sie können das Tor noch treffen, und alles wird gut. Aber so, wie sie die Lage bisher gehandhabt haben und mit den Schulden kann ich nicht ausschließen, dass das Land am Ende Bankrott geht." Und dann, sagt Borg, wäre Griechenland auch gezwungen, die Euro-Zone zu verlassen. Finanzminister bereitet Schweden auf Ende des Euro vor Der charismatische Minister mit der Pferdeschwanzfrisur bereitet die Schweden bereits auf ein mögliches Ende der europäischen Währung vor. Europa, sagt er, werde für die Skandinavier weniger wichtig. Schweden müsse sich neu orientieren und seine Abhängigkeit von der Euro-Zone verringern. Schwedens Wirtschaft ist von Exporten abhängig und damit - trotz der eigenen Währung - auch vom Euro. Das macht die Mitte-Rechts-Regierung in Stockholm nervös. Was aber, wenn man selbst ein Teil der Euro-Zone ist? Die Äußerungen sind zwar nicht untereinander abgestimmt, aber es fällt auf, dass die Drohungen aus anderen nordeuropäischen Ländern und dem Baltikum lauter werden. Die Finnen zum Beispiel zahlen schon seit zwölf Jahren mit dem gemeinsamen Geld und haben in der Vergangenheit auch ordentlich davon profitiert. Finnland galt lange Zeit sogar als Musterknabe der EU. Jetzt aber will die Mehrheit der Bürger den Euro nicht mehr - und Finanzministerin Jutta Urpilainen schaltet auf stur: "Finnland leiht anderen Ländern kein Geld mehr, um deren Banken zu unterstützen", sagt sie. Man müsse auch bereit sein, die Banken Pleite gehen zu lassen, wie es die Finnen selbst in den 1990er-Jahren erlebt hätten. Finnland will die Schulden der anderen nicht zahlen Den Kauf von Staatsanleihen durch den Europäischen Rettungsfonds lehnt die finnische Regierung ab. Den Rettungsschirm blockieren will man am Ende zwar nicht, die Regierung droht aber mit weiteren Konsequenzen. Bevor man weiter die Schulden der anderen zahlt, sagt Urpilainen, könne man die Euro-Zone auch verlassen. Von den Spaniern fordert die Ministerin jetzt eine Art Pfand, um zumindest den Eindruck zu erwecken, Finnland werde in Brüssel nicht weiter über den Tisch gezogen. Also eine Extrawurst für die europamüden Finnen? "Das glaube ich nicht", sagt Urpilainen. Finnland habe aus seiner Europapolitik nie einen Hehl gemacht. "Unsere Ansichten sind bekannt und werden von den anderen Ländern der Europäischen Union verstanden." Scheitern würde Rechtspopulisten in die Hände spielen Verständnis haben die in Brüssel schon. Denn würde die Regierung in Helsinki endgültig scheitern, hätte man es bald wohl mit Timo Soini zu tun, dem Chef der rechtspopulistischen "Wahren Finnen". Und wo der sein Land in Zukunft sieht, ist klar. "Finnland kann auf das Zahlen verzichten, denn es geht hier um Aktionen, die beim EU-Beitritt nicht vorgesehen waren", sagt Soini. "Wir sollten ein Mandat vom Volk erhalten und ein Referendum machen, damit sich das Hörvermögen in Brüssel wieder erholt!"
Tim Krohn
Staatspleite oder ein Ende des Euro - bislang haben Europas Politiker diese Wörter öffentlich gemieden. Jetzt ändert sich der Tonfall. Schwedens Finanzminister bereitet sein Land auf ein mögliches Ende des Euro vor. Und Finnland macht klar, dass es die Schulden der anderen nicht mehr zahlen will.
[ "Euro", "EU", "Krise", "Schweden", "Finnland", "Skandinavien", "Krohn" ]
Wirtschaft
2012-07-08T23:41:08.859Z
2023-03-01T22:21:15.513Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/skandinavieneuro-ts-100.html
Interview zu Atomwaffen: "Die Menschheit nicht weiter gefährden"
75 Jahre nach Hiroshima sind die Bemühungen um nukleare Abrüstung fast zum Erliegen gekommen. Die frühere UN-Abrüstungschefin Kane erklärt im Interview, was sich ändern muss - und warum sie den Atomwaffenverbotsvertrag nicht für nutzlos hält. tagesschau.de: Seit Jahren bemühen sich die Vereinten Nationen, Nichtregierungsorganisationen und Ärztevereinigungen um eine weltweite Ächtung und ein Verbot von Atomwaffen. Doch der 2017 beschlossene Atomwaffenverbotsvertrag ist noch nicht in Kraft. Gleichzeitig wurden wichtige bilaterale Abrüstungsvereinbarungen von den USA gekündigt oder laufen aus. Angela Kane: Das ist ein Grund zu großer Sorge in mehrfacher Hinsicht. Zum einen sind die weltweiten Rüstungsausgaben in Höhe von 1917 Milliarden US-Dollar die höchsten seit über einem Jahrzehnt, wie SIPRI, das Stockholmer Institut für Friedensforschung, feststellte. Zum anderen haben die USA bilaterale Verträge mit Russland gekündigt: den INF-Vertrag über Mittelstreckenwaffen, den Vertrag über den Offenen Himmel. Der letzte noch bestehende bilaterale Vertrag ist New START, aber der läuft im Februar 2021 aus. Nun gibt es zwar Gespräche zwischen Moskau und Washington über eine Verlängerung, aber die Trump-Regierung besteht darauf, dass auch China an diesen Verhandlungen teilnimmt. Die Chinesen erklärten zwar grundsätzlich ihre Gesprächsbereitschaft, aber erst dann, wenn die Zahl der Atomwaffen in den drei Ländern auf dem gleichen Niveau sei. Derzeit entfallen jedoch von den weltweit 13.400 Atomwaffen jeweils etwa 6000 auf die USA und Russland, wogegen China 320 besitzt. Somit wird es keine trilateralen Gespräche geben. Und drittens: Die Atomwaffendoktrin der Trump-Regierung von 2018. Danach sollen Nuklearwaffen nicht nur als Abschreckung und Vergeltung gegen einen atomaren Angriff eingesetzt werden, sondern als Mittel in der Kriegsführung auch gegen Nicht-Atomstaaten. Das ist sehr besorgniserregend. Wann tritt so ein Fall ein? Bei einem Cyber-Angriff? Das ist nie definiert worden. Diese Unklarheit finde ich höchst bedenklich. tagesschau.de: Wann wird der 2017 beschlossene Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft treten, und wird er überhaupt umgesetzt werden können? Kane: 50 Staaten müssen den Atomwaffenverbotsvertrag ratifiziert haben, damit er in Kraft tritt. Momentan haben das 40 Länder gemacht. Ich schätze, die restlichen zehn Ratifizierungen werden wohl binnen zweier Jahre vorliegen. Aber alle neun Atomstaaten lehnen das Vertragswerk ab; das sind die fünf Atommächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich sowie vier Länder, die Atomwaffen besitzen: Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Hinzu kommen alle NATO-Staaten, darunter Deutschland, die ebenfalls gegen den Atomwaffenverbotsvertrag sind, sich auch gar nicht an den Verhandlungen im Rahmen der UN-Konferenzen beteiligt haben. Und die USA und Großbritannien haben den Atomwaffenverbotsvertrag praktisch verhöhnt. Er gefährde die internationale Sicherheitsarchitektur, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg bewährt habe. Ich persönlich erwarte nicht, dass es mit dem Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrages auch nur einen Nuklearsprengkopf weniger gibt. Aber trotzdem ist der Vertrag kein wertloses Stück Papier. Ich setze auf seine normative Kraft, die eine Dynamik entwickeln wird, befördert auch durch eine starke Unterstützung der Gesellschaft, der Bürger. In einer vom Internationalen Roten Kreuz in Auftrag gegebenen Studie erklärten Anfang des Jahres 16.000 Jugendliche aus 16 Ländern mit überwältigender Mehrheit, dass Nuklearwaffen als Bedrohung der Menschheit nicht akzeptabel seien und mehr als die Hälfte der Befragten wollte ein Atomwaffenverbot. 50 Jahre nachdem der Atomwaffensperrvertrag vereinbart wurde, brauchen wir einen neuen, multilateralen Ansatz. Nukleare Abrüstung ist immer bilateral verhandelt worden, zwischen den USA und der Sowjetunion, danach Russland. Aber die Welt ist heute eine andere. Wir brauchen mehr Transparenz, mehr Sicherheit. Wir müssen jetzt etwas dafür tun, dass die Menschheit nicht weiterhin gefährdet wird. tagesschau.de: Im Kalten Krieg herrschte ein atomares "Gleichgewicht des Schreckens" zwischen Ost und West, womit ein dritter Weltkrieg, ein Atomkrieg, verhindert werden sollte. Seit 30 Jahren ist der Kalte Krieg beendet. Warum setzen einige Staaten noch immer auf Atomwaffen? Kane: Über Atomwaffen zu verfügen ist für die Staaten ein Machtfaktor, verbunden mit Prestige. Das habe ich in meiner Amtszeit als Hohe Repräsentantin immer wieder erlebt. US-Präsident Ronald Reagan und der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow erklärten 1987 gemeinsam, dass man keinen Nuklearkrieg anfangen sollte und nie gewinnen könne. Eine solche Erklärung sollte es auch von den Präsidenten Donald Trump und Wladimir Putin geben, die sie aber bislang verweigert haben. Anstatt abzurüsten, verbal und militärisch, liefern sich Russland und die USA einen neuen nuklearen Wettlauf. Und auch China rüstet auf. Zwar hat sich die Anzahl der Sprengköpfe rein formal verringert, aber es wird erheblich investiert in die Modernisierung der Waffen. Amerika hat sogenannte Mini-Nukes entwickelt, die zielgenauer und flexibler im Einsatz sein sollen. Die Gefahr ist, dass eine kleinere Atomwaffe schneller eingesetzt wird, weil man den Schaden für überschaubar erachtet. tagesschau.de: Auch in Deutschland befinden sich US-Atomwaffen. Etwa 15 bis 20, schätzen Experten, sollen auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Büchel, Rheinland-Pfalz, gelagert sein. Nach der Ankündigung der Trump-Regierung, einen Teil der US-Truppen aus Deutschland abziehen zu wollen, fordern hier manche auch den Abzug der amerikanischen Nuklearwaffen. Andere betonen dagegen die Abschreckungskraft der Waffen und wie wichtig die nukleare Teilhabe Deutschlands sei. Kane: Die Befehlshoheit hat ausschließlich der US-Präsident. Nur er ist ermächtigt, den Abschuss einer Atomwaffe zu veranlassen. Aber die Atomwaffen, die in Büchel lagern, würden durch deutsche Bundeswehrsoldaten abgeschossen werden. Das ist etwas, was ich sehr bedenklich finde. Und einen weiteren Aspekt sollte man nicht außer Acht lassen: den Beschluss der Bundesregierung, bis 2025 aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie auszusteigen. Wenn man so einen Schritt geht, frage ich mich: Was machen dann noch Atomwaffen im Land? Wie ist das zu vereinbaren? Die Politik sollte sich hier der öffentlichen Diskussion stellen und nicht gegen die Bürger entscheiden. tagesschau.de: Als Hohe Repräsentantin der Vereinten Nationen für Abrüstung nahmen Sie auch teil an den Gedenkfeiern in Hiroshima und Nagasaki. Wie haben Sie das erlebt? Kane: Die Atombomben, die am 6. August 1945 auf Hiroshima und am 9. August 1945 auf Nagasaki abgeworfen wurden, sind für uns ein Teil der Geschichte, die uns mahnt. Aber die Menschen in diesen beiden Städten leben mit den schmerzlichen Erinnerungen an den Tod, an die Verwüstungen und das menschliche Leid, das die Bomben verursacht haben. Leid, das noch immer von den "Hibakusha" (den Überlebenden des Atomangriffes) verkörpert wird. Mehrere Frauen, die überlebt hatten, erzählten mir, dass kein Mann sie heiraten wollte. Es hieß, die Frauen seien ja geschädigt durch die Atombombe. Ihr aller Schicksal soll im kollektiven Gedächtnis bleiben, an künftige Generationen weitergegeben werden. Auch deshalb sind die Hibakusha sehr aktiv gewesen bei den Verhandlungen in den UN über den Atomwaffenverbotsvertrag. Das Interview führte Hilde Stadler, BR. Von Hilde Stadler
Hilde Stadler
75 Jahre nach Hiroshima sind die Bemühungen um nukleare Abrüstung fast zum Erliegen gekommen. Die frühere UN-Abrüstungschefin Kane erklärt im Interview, was sich ändern muss - und warum sie den Atomwaffenverbotsvertrag nicht für nutzlos hält.
[ "Atomwaffen", "Hiroshima", "Abrüstung", "UN", "Atomwaffenverbotsvertrag" ]
Ausland
2020-08-06T06:05:13.781Z
2021-09-30T16:20:38.080Z
https://www.tagesschau.de//ausland/interview-hiroshima-101.html
Proteste in Myanmar: "Mit der falschen Generation angelegt"
Nach dem Putsch in Myanmar gehen die Proteste gegen das Militär weiter. Trotz Internetsperre organisierten sich Zehntausende und gingen auf die Straße - in Rot gekleidet, der Farbe des Widerstands. Von Lena Bodewein, ARD-Studio Singapur Nach einigen Tagen der Proteste gegen das Militär von zu Hause sind die Menschen in Myanmar erneut auf die Straße gegangen. Am Balkon auf Töpfe zu schlagen genügt ihnen nicht mehr. Zehntausende marschieren bereits den zweiten Tag in Folge durch Yangon, die größte Stadt Myanmars. Dabei skandieren sie: "Lang lebe Mutter Suu!" oder "Nieder mit der Militärdiktatur!" Rot gekleidete Demonstranten lassen rote Ballons steigen, Mönche halten Tafeln hoch, darauf ein rot gedruckter Dreifingergruß. Rot - die Farbe des Widerstands und von Aung San Suu Kyis Partei NLD. Auch Passanten winken, jubeln, erheben die Hand zum Dreifingergruß. Es ist das Zeichen des Widerstands, das die Filmreihe "Die Tribute von Panem" berühmt gemacht hat. Auch in Thailand haben sie bei Demonstrationen drei Finger gereckt, in Myanmar tun sie es jetzt auch. Soziale Netzwerke lahmgelegt Ein junger Mann mit roter Maske der Nationalen Liga für Demokratie erzählt einem Reporter der Agentur Reuters: "Seit das Militär das Internet gekappt hat, wissen wir nicht genau, was in Myanmar vor sich geht. Darum sind die Menschen auf der Straße. Aber sie tun es friedlich. Niemand gebraucht Gewalt. Bitte helft uns, denkt an unser Land." Gestern hatte die Junta die Internetverbindungen fast im ganzen Land unterbrechen lassen. Davor hatte sie schon Facebook, dann Twitter und Instagram lahmlegen lassen. Denn über all diese Wege hatten sich die Proteste organisiert, das allabendliche Töpfeschlagen, die Kampagnen zum zivilen Ungehorsam von Medizinern, Lehrern, Professoren, Eisenbahnern, Flugbegleitern, Beamten, das Ballonfliegenlassen. "Nächste Generation verlässt sich auf uns" Doch nun gehen sie auf die Straße. Denn sie lehnen den Putsch ab, aus tiefstem Herzen und aus tiefster Not: "Wir Arbeiterinnen führen sowieso schon harte Leben. Dann kam Covid-19. Und als wir gerade wieder Hoffnung hatten, wieder arbeiten zu können, kam der 1. Februar, der Tag unserer Traurigkeit, der Tag des Putsches", erzählt eine junge Frau der Nachrichtenagentur Reuters. "Aber wir sind nicht allein. Die nächste Generation verlässt sich auf uns. Und wir wissen, dass niemand in unser Land investieren wird, wenn es eine Militärdiktatur bleibt. Also schließen wir uns der Revolution gegen den Putsch an", schildert die Frau weiter. Die Demonstranten singen, halten Lichter und vor allem Bilder von Aung San Suu Kyi in die Höhe - hinter Gittern oder mit Friedenstaube in der Hand. Manche tragen ein durchgestrichenes Porträt des Machthabers Min Aung Hlaing mit sich. Dieses haben einige rituell verbrannt. Wand mit Protest-Botschaften in Yangon Eine so genannte Lennon Wall ist in Yangon aufgetaucht. Ein Ort, an dem jeder bunte Post-its mit Botschaften hinterlassen kann. Die meisten auf Englisch, damit sie international über die sozialen Medien Verbreitung finden mögen. Neben "Rettet Myanmar" scheint ein Spruch besonders passend zu sein: "You messed with the wrong generation - Ihr habt euch mit der falschen Generation angelegt". Diese Generation scheint einfallsreich. Sie umgeht Verbote, findet Wege, technisch und organisatorisch, um die Proteste weiterzuführen. Und sie will ihre Zukunft nicht an die Vergangenheit verlieren.
Lena Bodewein, ARD-Studio Singapur
Nach dem Putsch in Myanmar gehen die Proteste gegen das Militär weiter. Trotz Internetsperre organisierten sich Zehntausende und gingen auf die Straße - in Rot gekleidet, der Farbe des Widerstands.
[ "Myanmar", "Proteste", "Militärputsch", "Aung San Suu Kyi" ]
Ausland
Asien
2021-02-07T10:50:00.000Z
2023-10-10T17:44:42.076Z
https://www.tagesschau.de//ausland/asien/myanmar-proteste-107.html
Blasenentzündung: Wenn Viren gegen Bakterien kämpfen
Immer mehr Bakterien sind resistent gegenüber Antibiotika. In Zürich haben Forschende einen neuen Schnelltest und Therapieansatz zur Behandlung von Harnwegsinfektionen entwickelt - auf Basis von Bakteriophagen. Von Elisabeth Theodoropoulos, SWR Etwa jede zweite Frau ist im Laufe ihres Lebens von einer Blasenentzündung betroffen. Die sind nicht nur schmerzhaft und potenziell gefährlich, sondern stellen Ärztinnen und Ärzte auch vor ein Dilemma: Antibiotikaresistenzen sind bei Harnwegsinfekten weit verbreitet und nehmen weiter zu. Trotzdem sind Medizinerinnen und Mediziner oft gezwungen, blind ein bestimmtes Antibiotikum zu verschreiben - ohne zu wissen, ob dieses auch tatsächlich gegen den verursachenden Erreger wirksam ist, da die Identifikation des konkreten Erregers mehrere Tage dauert. Forscherinnen und Forscher der ETH Zürich haben nun in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik Balgrist eine Art Schnelltest entwickelt, der auf Bakteriophagen basiert - das sind Viren, die ausschließlich Bakterien befallen. Zudem haben sie die Phagen genetisch modifiziert, dass sie die krankheitserregenden Bakterien möglichst effizient zerstören. Diagnose per Lichtsignal Bakterien dienen den Bakteriophagen als Wirte. Die Phagen sind hochspezialisierte Viren, die jeweils nur eine bestimmte Bakterienart oder -stamm befallen, angreifen und zerstören können. Diese Eigenschaft haben die Forschenden sich zu Nutzen gemacht: Sie haben die auf Harnwegsinfekt-Bakterien spezialisierten Phagen so modifiziert, dass die infizierten Wirtsbakterien nach Kontakt mit den Phagen ein Lichtsignal abgeben. In Zukunft könnten die Bakterien so direkt in der Urinprobe nachgewiesen werden. Daraufhin kann Betroffenen entweder ein passendes Antibiotikum verschrieben werden, oder sie könnten auch direkt mit den passenden Phagen therapiert werden. Renaissance der Phagen Phagentherapien sind bereits seit über 100 Jahren bekannt, gerieten aber in westlichen Industrieländern mit der Entdeckung der Antibiotika in Vergessenheit. Doch immer mehr Bakterien werden gegen Antibiotika resistent. Bakteriophagen haben den entscheidenden Vorteil, dass sie nur ein einziges Zielbakterium angreifen, ähnlich wie ein Scharfschütze. Antibiotika hingegen zerstören auch die Begleitflora. "Außerdem ist die Verträglichkeit [der Phagen] sehr gut - wir nehmen mit der Nahrung täglich Milliarden von Phagen auf, ohne dass es dabei relevante Nebenwirkungen gibt", sagt Mathias W. Pletz, Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Jena. Allerdings hat die Phagentherapie auch Nachteile: Sie muss genau auf die Bakterien zugeschnitten sein, die bei einem Patienten eine Infektion auslösen. Alexander Harms, Assistenzprofessor für Molekulare Phagenbiologie der Technischen Hochschule Zürich, sieht eine Möglichkeit in "vorgefertigten 'Phagen-Cocktails', (…) da sie gerade für alltägliche und nicht lebensbedrohliche Infektionen eine gute (…) Option sind, die den Einsatz von Antibiotika ergänzen und vielleicht auch teilweise ersetzen könnte". Zusammenspiel von Bakteriophagen und Antibiotika Außerdem gibt es eine schnelle Entwicklung von Resistenzen gegenüber den eingesetzten Phagen. Den Bakterien fällt es jedoch schwer, gegen Antibiotika und Phagen gleichzeitig Resistenzen zu entwickeln. Wenn man Bakterien also einem hohen Phagendruck aussetzt, entwickeln sich Resistenzen gegenüber den Phagen, wodurch dann häufig aber wieder eine Antibiotikatherapie möglich wird. "Wir müssen dieses Potenzial nutzen, um Antibiotika und Phagen auf elegante und flexible Weise zu kombinieren", sagt Julia Frunzke, Leiterin der Arbeitsgruppe Bakterielle Netzwerke und Interaktionen am Institut für Bio- und Geowissenschaften am Forschungszentrum Jülich. Vom Labor in die Klinik In der EU und in Deutschland gibt es bislang noch kein zugelassenes Phagenpräparat als Medikament. Bis solche Therapien in westlichen Ländern breit angewendet werden können, muss ihre Wirksamkeit in klinischen Studien belegt werden. Die Forschenden der Technischen Hochschule Zürich und der Universitätsklinik Balgrist wollen nun eine solche Studie durchführen, sodass in den nächsten fünf bis zehn Jahren entschieden werden kann, wo und in welcher Form Phagentherapien eingesetzt werden können, sagt Samuel Kilcher, Mitautor der Studie, im Interview mit dem SWR. Expertinnen und Experten plädieren daher kurzfristig dafür, die Phagentherapie in besonderen Bedarfsfällen für mehr Betroffene in Deutschland bereits jetzt zugänglich zu machen. In Belgien beispielweise kann eine Phagentherapie auf ärztliche Verordnung individuell in Apotheken hergestellt werden. Die Wirksamkeit könnte anhand von unterschiedlichen Infektionen überprüft werden. Expertinnen und Expertem schlagen dazu Wundinfektionen, Infektionen am Gehörgang oder eben der Blase vor. Besonderes Potenzial bietet die Therapie für die (noch) kleine Gruppe von Patienten, bei denen bereits alle anderen Behandlungsansätze versagt haben.
Elisabeth Theodoropoulos, SWR
Immer mehr Bakterien sind resistent gegenüber Antibiotika. In Zürich haben Forschende einen neuen Schnelltest und Therapieansatz zur Behandlung von Harnwegsinfektionen entwickelt - auf Basis von Bakteriophagen.
[ "Bakteriophagen", "Blasenentzündung" ]
Wissen
2023-08-09T04:38:49.321Z
2024-09-27T12:44:30.735Z
https://www.tagesschau.de//wissen/bakteriophagen-100.html
In guter Verfassung - 60 Jahre Grundgesetz
In Berlin würdigen Bund und Länder die Geburtsstunde des Grundgesetzes am 23. Mai 1949. Gedacht war es nur als Übergangslösung. Doch das Grundgesetz hat sich bewährt und wurde mit der Wiedervereinigung 1990 zur gesamtdeutschen Verfassung. Und es genießt bei den Deutschen hohes Ansehen. Vertreter von Bund und Länder haben die Geburtsstunde des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 gewürdigt. Bundespräsident Horst Köhler lobte bei dem Festakt im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt die Verfassung als "Leuchtfeuer der Freiheit". "Die Eltern des Grundgesetzes schufen eine solide Ordnung dafür, wie freie Bürgerinnen und Bürger sich ein Leben in einer gerechten Gesellschaft erarbeiten können", so Köhler. Zugleich forderte der Bundespräsident einen stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine ökologische industrielle Revolution, die zu einem neuen "Wirtschaftswunder der Nachhaltigkeit" führen könnte. Deutschland habe gute Chancen, dabei eine führende Rolle in der Welt einzunehmen. Erfüllung und Zufriedenheit sollten aber auch daran gemessen werden, wie viel Mitmenschlichkeit und Zuwendung es in der Gesellschaft gebe, betonte Köhler. "Ein rein materielles 'Immer mehr' reicht nicht." Staatsakt wegen Bundespräsidentenwahl vorgezogen Gäste des Staatsakts waren unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel, zahlreiche weitere Kabinettsmitglieder sowie die Altbundespräsidenten Walter Scheel, Richard von Weizsäcker und Roman Herzog. Die Festlichkeiten fanden einen Tag vor dem eigentlichen Jubiläum statt, um nicht mit der Bundespräsidentenwahl am morgigen Samstag im Reichstagsgebäude zu kollidieren. Kirchenführer loben Grundgesetz Den Auftakt der Festlichkeiten hatte am Morgen ein ökumenischer Gottesdienst im Berliner Dom gebildet. Dabei würdigte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, das Grundgesetz als Fundament des deutschen Staates. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, sagte in seiner Ansprache, das Zustandekommen vor 60 Jahren sei "ein großes Wunder" gewesen und erinnere Politiker daran, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht zur Disposition stünden. Deutsche sind stolz auf ihre Verfassung Anlässlich des Jahrestag zeigt eine Infratest-dimap-Umfrage die Einstellung der Deutschen zum Grundgesetz. Das Ergebnis: Drei von vier Bundesbürgern sind stolz auf ihre Verfassung. Allerdings wünscht sich ein Teil der Bürger auch eine grundlegende Überarbeiterung des Grundgesetzes: In den alten Bundesländern sprechen sich 14 Prozent, in den neuen Ländern sogar 23 Prozent dafür aus. Eine große Mehrheit findet sich unter anderem für eine Verankerung der deutschen Sprache in der Verfassung. Dafür sprachen sich in der Infratest-dimap-Umfrage 85 Prozent der Befragten aus. Als Übergangslösung gedacht Das Grundgesetz war von einem Parlamentarischen Rat erarbeitet und am 23. Mai 1949 unterzeichnet worden. Ursprünglich war es als Übergangslösung gedacht. Das Grundgesetz bewährte sich aber und wurde mit der Wiedervereinigung 1990 zur gesamtdeutschen Verfassung. Bis heute wurde es mehr als 50 Mal geändert. Die vorerst letzte Änderung stammt vom März 2009: dabei wurde im Rahmen des Konjunkturpakets die Zuständigkeit für die Kfz-Steuer von den Ländern auf den Bund übertragen.
tagesschau.de
In Berlin würdigen Bund und Länder die Geburtsstunde des Grundgesetzes am 23. Mai 1949. Gedacht war es nur als Übergangslösung. Doch das Grundgesetz hat sich bewährt und wurde mit der Wiedervereinigung 1990 zur gesamtdeutschen Verfassung. Und es genießt bei den Deutschen hohes Ansehen.
[ "Grundgesetz" ]
Inland
2009-05-22T12:54:18.407Z
2021-10-26T14:49:44.498Z
https://www.tagesschau.de//inland/grundgesetz-ts-110.html
Netanjahu hebt Ernennung von Geheimdienstchef nach einem Tag auf
Nach der umstrittenen Entlassung des israelischen Inlandsgeheimdienstchefs sollte ein Ex-Marinekommandeur den Posten übernehmen. Doch nun revidierte Premier Netanjahu seine Entscheidung - einen Tag nach der Ankündigung. Kurz nach der Bestimmung eines neuen Geheimdienstchefs in Israel hat Premierminister Benjamin Netanjahu die Entscheidung wieder zurückgezogen. Netanjahu habe dem ehemaligen Kommandanten der Marine, Vizeadmiral Eli Scharvit, bei einem Treffen für die Bereitschaft gedankt, den Posten zu übernehmen, teilte das Büro des Regierungschefs mit. "Er hat ihm jedoch mitgeteilt, dass er nach weiterer Überlegung andere Kandidaten prüfen will." Gründe für den Rückzieher wurden nicht genannt. Nach Medienberichten hatte es Kritik an der geplanten Ernennung Scharvits gegeben, weil dieser 2023 an Protesten gegen Netanjahus angestrebte Justizreform teilgenommen und US-Präsident Donald Trump für dessen Klimapolitik kritisiert habe. Proteste gegen Entlassung des Geheimdienstchefs Einen Tag zuvor hatte Netanjahus Büro mitgeteilt, Scharvit solle Nachfolger von Ronen Bar als Leiter des Geheimdienstes Schin Bet werden. Die Regierung hatte Anfang des Monats beschlossen, Bar zu entlassen, was Massenproteste auslöste. Aufgrund mehrerer Einsprüche gegen die Entscheidung zur Entlassung Bars setzte der Oberste Gerichtshof diese bis zum 8. April aus. Die Richter erlaubten der Regierung aber, Nachfolgekandidaten zu interviewen. Beziehung Netanjahus zu Bar gilt als belastet Netanjahu hatte die Entlassung Bars mit mangelndem Vertrauen in den Geheimdienstchef und dem Versagen von Schin Bet beim Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 begründet. Bar bezeichnete die Entscheidung dagegen als politisch motiviert. Die Beziehungen zwischen den beiden galten seit längerem als belastet. Der Schin Bet ermittelt zu mutmaßlichen Bestechungsgeldern aus Katar an mehrere Vertraute Netanjahus. Israelische Medien hatten berichtet, im Zuge der Ermittlungen seien zwei enge Mitarbeiter des israelischen Regierungschefs festgenommen worden. In einer weiteren Untersuchung des Geheimdienstes über die Fehler, die das Massaker am 7. Oktober 2023 in Israel ermöglicht hatten, war Netanjahu ebenfalls nicht gut weggekommen. Der Terrorüberfall war Auslöser des Kriegs im Gazastreifen.
Nach der umstrittenen Entlassung des israelischen Inlandsgeheimdienstchefs sollte ein Ex-Marinekommandeur den Posten übernehmen. Doch nun revidierte Premier Netanjahu seine Entscheidung - einen Tag nach der Ankündigung.
[ "Israel", "Netanjahu" ]
Ausland
Asien
2025-04-01T08:38:30.573Z
2025-04-03T12:19:36.545Z
https://www.tagesschau.de//ausland/asien/israel-netanjahu-schin-bet-scharvit-100.html
Ukraine: Oligarch Kolomojskyj in Untersuchungshaft
Ein Gericht in Kiew hat U-Haft für den ukrainischen Oligarchen Kolomojskyj angeordnet. Ihm werden Betrug und Geldwäsche vorgeworfen. Präsident Selenskyj hatte sich zuletzt immer mehr von seinem früheren Förderer distanziert. Der ukrainische Oligarch Ihor Kolomojskyj ist wegen des Verdachts auf Betrug und Geldwäsche festgenommen worden. Ein Gericht in Kiew habe am Samstagabend eine zweimonatige Untersuchungshaft für den früheren Förderer von Präsident Wolodymyr Selenskyj angeordnet, berichteten ukrainische Medien. Zugleich wurde demnach eine Kaution in Höhe von umgerechnet rund 12,7 Millionen Euro festgelegt, bei deren Zahlung der Milliardär bis zur Gerichtsverhandlung wieder auf freien Fuß käme. Zuvor hatte der Geheimdienst SBU bei Telegram mitgeteilt, Kolomojskyj Ermittlungsergebnisse übergeben zu haben. Demnach werden dem 60-Jährigen kriminelle Machenschaften vorgeworfen, darunter Betrug und die Legalisierung von unrechtmäßig erworbenem Eigentum. Der Geschäftsmann soll in den Jahren zwischen 2013 und 2020 mehr eine halbe Milliarde Hrywnja ins Ausland geschafft haben. Die Ermittlungen unter Aufsicht der Generalstaatsanwaltschaft liefen weiter, hieß es. Unterstützung bei Wahlkampf 2019 Kolomojskyj war vor der russischen Invasion im Land einer der reichsten Männer der Ukraine. Neben einer Reihe von Vermögenswerten im Energie-, Bank- und anderen Sektoren besaß er auch einen der einflussreichsten Fernsehsender der Ukraine. Dort war Selenskyj früher als Komiker aufgetreten, was ihn im ganzen Land bekannt machte. Später unterstützte Kolomojskyj der heutigen Staatschef während des Präsidentschaftswahlkampfes im Jahr 2019. Zuletzt hatte sich Selenskyj aber immer mehr von dem Oligarchen distanziert und ihm Berichten zufolge auch die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen. Auf US-Sanktionsliste geführt Kolomojskyj hat seit Jahren einen zweifelhaften Ruf. Er steht auf einer US-Sanktionsliste und darf nicht in die USA einreisen, da ihm Korruption und demokratiefeindliche Bestrebungen vorgeworfen werden. In der Ukraine wird bereits seit vorigem Jahr gegen ihn ermittelt, es gab auch mehrere Hausdurchsuchungen bei ihm. Im November wurden seine Beteiligungen an halbstaatlichen Erdöl- und Erdgasunternehmen wegen des Krieges mit Russland beschlagnahmt. Im Februar war dann von einer "Unterschlagung von Erdölprodukten" im Wert von umgerechnet 930 Millionen Euro die Rede. "Rechtsstaatlichkeit muss obsiegen" Selenskyj nahm den Fall des prominenten Oligarchen auch als Anlass für eine demonstrative Botschaft gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität: Wer das Land ausraube und sich selbst über das Gesetz stelle, werde damit nicht mehr weitermachen können wie bislang, versprach der Staatschef in seiner täglichen Videobotschaft am Samstagabend. "Rechtsstaatlichkeit muss obsiegen", betonte er. Es sei wichtig, dass es auch in Verfahren Gerechtigkeit gebe, die seit Jahren nicht verfolgt worden seien. Selenskyj hat den Kampf gegen die Korruption zu einem der Schwerpunkte seiner Regierung gemacht. Dies ist auch wegen des von der Ukraine gewünschten Beitritts zur Europäischen Union wichtig. Die EU setzt als ein Kriterium für die Aufnahme neuer Mitglieder eine funktionierende Korruptionsbekämpfung voraus.
Ein Gericht in Kiew hat U-Haft für den ukrainischen Oligarchen Kolomojskyj angeordnet. Ihm werden Betrug und Geldwäsche vorgeworfen. Präsident Selenskyj hatte sich zuletzt immer mehr von seinem früheren Förderer distanziert.
[ "Kolomojskyj", "Ukraine" ]
Ausland
2023-09-03T10:37:39.579Z
2023-09-03T11:41:31.037Z
https://www.tagesschau.de//ausland/ukraine-milliardaer-kolomojskyj-100.html
NSU-Ermittlungen: Türkische Gemeinde kritisiert Behörden
Die Türkische Gemeinde in Deutschland hat zum NSU-Komplex eine bittere Bilanz gezogen. Ihr Vorsitzender Kolat kritisiert die schleppende Aufklärung und fordert einen massiven Umbau des Verfassungsschutzes. Zum Jahrestag der Aufdeckung der rechtsextremen Terrorzelle NSU hat sich die Türkische Gemeinde in Deutschland verbittert über die schleppende Aufklärung gezeigt. Deren Vorsitzender Kenan Kolat kritisierte es als "unglaublich, dass Vertuschungsversuche da sind und wir nicht wissen, was mit zerschredderten Akten passiert ist". Die Politik wolle zudem nicht wahrhaben, dass es in Deutschland "ein riesiges Rassismusproblem" gebe. Im Zusammenhang mit der Aufklärung der Morde an Migranten führe die Bundesregierung "eine Pannendebatte", kritisierte Kolat. Nötig sei aber eine Debatte über die Ursachen. Kolat erhob zudem schwere Vorwürfe gegen die Verfassungsschutzämter, denen im Zusammenhang mit den Ermittlungen Versäumnisse vorgeworfen werden: Sie gefährdeten in ihrer jetzigen Form den demokratischen Rechtsstaat, weil sie ein Eigenleben führten. Kolat forderte personelle Veränderungen in den Ämtern auch auf unteren Ebenen, die damals in Verantwortung gestanden hätten. Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden müssten künftig im Umgang mit Menschen anderer Herkunft geschult werden. Großes Lob für Untersuchungsausschuss Die Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag lobte Kolat hingegen. "Ich frage mich, was wäre denn, wenn wir keinen Untersuchungsausschuss hätten", sagte er. Die Arbeit des Ausschusses werde allerdings konterkariert, indem Unterlagen nicht eingereicht, vorsortiert oder gar geschreddert würden. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy beklagte ebenfalls tiefsitzende Ressentiments gegen Zuwanderer im deutschen Sicherheitsapparat. "Wir haben es mit einem Struktur- und Mentalitätsproblem zu tun", sagte der SPD-Politiker. In großen Teilen der Sicherheitsbehörden sei hartnäckig geleugnet worden, dass es in Deutschland Rechtsterrorismus geben könne. "Wir brauchen mehr Sensibilität bei den Behörden", forderte Edathy. Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen der NSU-Mordserie, Barbara John, schlug die Einrichtung einer Stiftung vor, um die Erinnerung an die Opfer wachzuhalten. Bei Gedenktafeln dürfe es nicht bleiben. Nach Johns Angaben sind viele der Hinterbliebenen neben der seelischen Belastung auch in einen finanziellen "Abwärtsstrudel" geraten. Nur mit Mühe sei es bislang gelungen, diesen Menschen wenigstens etwas zu helfen. NSU vor fast einem Jahr aufgeflogen Die Existenz des Nationalsozialistischen Untergrunds war am 4. November 2011 aufgeflogen, als sich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nach einem Banküberfall das Leben nahmen. Kurz darauf stellte sich Beate Zschäpe der Polizei. Das Trio wird für bundesweit neun Morde an Migranten zwischen 2000 und 2006 und den Mord an einer Polizistin im Jahr 2007 verantwortlich gemacht. Zudem sollen sie zwei Bombenanschläge in Köln verübt haben. Warum die Behörden der Gruppe nicht früher auf die Spur kamen, sollen derzeit Untersuchungsausschüsse des Bundestags und in drei Länderparlamenten klären.
tagesschau.de
Die Türkische Gemeinde in Deutschland hat zum NSU-Komplex eine bittere Bilanz gezogen. Ihr Vorsitzender Kolat kritisiert die schleppende Aufklärung und fordert einen massiven Umbau des Verfassungsschutzes.
[ "NSU", "Ermittlung", "Kolat", "Rechtsextremismus" ]
Inland
2012-11-01T11:37:10.202Z
2023-03-01T21:51:47.016Z
https://www.tagesschau.de//inland/tuerkische-gemeinde-nsu-ts-100.html
Siemens Gamesa streicht 2900 Stellen
Der Windanlagenbauer Siemens Gamesa will mehr als jede zehnte Stelle streichen. Weltweit sollen 2900 der 27.000 Arbeitsplätze wegfallen. Es gehe darum, Reichweite und Kapazität der Nachfrage am Markt anzupassen, so das Unternehmen. Der angeschlagene Windanlagenhersteller Siemens Gamesa will Tausende Stellen streichen. Bis spätestens zum Geschäftsjahr 2025 sollten im Zuge eines Umbauprogramms weltweit 2900 Arbeitsplätze wegfallen, teilte die Tochter des Energietechnikkonzerns Siemens Energy in Zamudio mit. 800 Stellen sollen allein in Dänemark abgebaut werden, in Spanien sind 475 Arbeitsplätze betroffen und in Deutschland 300. Das Unternehmen werde mit den Arbeitnehmervertretern zusammenarbeiten, dabei sollen bevorzugt die natürliche Fluktuation oder interne Versetzungen genutzt werden. Hohe Kosten und Materialengpässe Siemens Gamesa leidet unter hohen Kosten, Materialengpässen und Problemen mit seinen Landturbinen und erwartet für das laufende Geschäftsjahr 2021/22 Verluste. Dabei hatte der Konzern bereits mehrmals seine Prognose senken müssen. Um die Profitabilität zu stabilisieren und mittelfristig zu verbessern, will Konzernchef Jochen Eickholt den Konzern neu aufstellen. So sollen die verschiedenen Strukturen und Technologien vereinheitlicht werden. Geplant ist künftig nur noch ein Entwicklungsteam über alle Plattformen hinweg, gleiches gilt für die Produktion. Zudem hatte das Unternehmen angekündigt, die Kapazitäten überprüfen zu wollen. Eickholt erhofft sich so einfachere und schlankere Abläufe. Mehrheitseigner Siemens Energy hat angekündigt, die schwächelnde Tochter vollständig übernehmen zu wollen.
tagesschau.de
Der Windanlagenbauer Siemens Gamesa will mehr als jede zehnte Stelle streichen. Weltweit sollen 2900 der 27.000 Arbeitsplätze wegfallen. Es gehe darum, Reichweite und Kapazität der Nachfrage am Markt anzupassen, so das Unternehmen.
[ "Windanlagenbauer", "Siemens Gamesa", "Siemens Energy" ]
Wirtschaft
Unternehmen
2022-09-29T13:01:49.763Z
2023-06-23T08:28:08.189Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/unternehmen/siemens-stellenstreichung-101.html
US-Inflation sinkt im Januar nicht so zügig wie erhofft
Der Preisauftrieb in den USA hat sich zu Beginn des neuen Jahres weiter abgeschwächt - jedoch nicht so deutlich wie erwartet. Die geldpolitische Kehrtwende könnte noch länger auf sich warten lassen. Die Inflation in den USA ist Anfang des Jahres zurückgegangen. Die Verbraucherpreise stiegen im Januar um 3,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Arbeitsministerium heute in Washington mitteilte. Im Dezember hatte die Teuerungsrate noch 3,4 Prozent betragen. Allerdings schwächte sich der Preisauftrieb damit nicht so deutlich ab wie erwartet. Analysten hatten im Schnitt eine Rate von 2,9 Prozent erwartet. Von Dezember auf Januar zogen die Preise um 0,3 Prozent an. Auch auf Monatssicht hatten die Experten mit einem geringeren Zuwachs gerechnet. Zwei Prozent Teuerung als Ziel Die Zahlen sind von Bedeutung für die Geldpolitik der wichtigsten Zentralbank der Welt - der US-Notenbank Federal Reserve. Sie will die Inflationsrate nachhaltig in Richtung ihres Zielwerts von 2,0 Prozent steuern. Laut Fed-Chef Jerome Powell hat sie dabei Fortschritte erzielt, will aber auf dem Weg zu einer Zinswende noch weitere "gute Daten" sehen, die in diese Richtung weisen. In den vergangenen Monaten hielten die Währungshüter die Leitzinsen stabil. An den Finanzmärkten werden für dieses Jahr schon länger deutliche Zinssenkungen erwartet. Laut dem Fed Watch Tool der CME Group rechnete zuletzt eine knappe Mehrheit der Marktteilnehmer mit einer ersten Senkung auf der Fed-Sitzung im Mai. Doch auch andere Notenbanker hatten diese Spekulationen mit Verweis auf die ungewisse Inflationsentwicklung zuletzt gedämpft. Hohe Kosten für das Wohnen Die sogenannte Kerninflationsrate in den USA betrug im Januar im Jahresvergleich 3,9 Prozent und im Monatsvergleich 0,4 Prozent - und lag ebenfalls über den Markterwartungen. Sie gibt den allgemeinen Preistrend nach Meinung von Fachleuten besser wieder als die Gesamtrate, da schwankungsanfällige Komponenten wie Energie und Lebensmittel herausgerechnet werden. "Die Kosten für das Wohnen sind dafür verantwortlich, dass die Inflationsdaten zum Jahresstart eine unangenehme Überraschung bereithielten", kommentierte LBBW-Analyst Elmar Völker. Seit Oktober 2023 sei der Trend zur Entspannung an der Inflationsfront im Saldo fast zum Erliegen gekommen. Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank sieht das ähnlich: "Der Inflationsrückgang bleibt träge und verlangt der Fed noch viel Geduld ab. Ab April dürfte sich die Inflationsrate jedoch an den Zwei-Prozent-Zielwert heranrobben." "Kein Grund für zügige Zinssenkungen" Der NordLB-Analyst Tobias Basse sagte: "Die aktuellen Zahlen zu den US-Konsumentenpreisen liefern der Fed keinen Grund für zügige Zinssenkungen." Angesichts der hohen Unsicherheit über die ökonomische Entwicklung in den USA erwarte er derzeit eher eine abwartende Strategie der Notenbank. "Erst mehr Klarheit über die zukünftigen makroökonomischen Trends sollte der Zentralbank perspektivisch eine Leitzinssenkung ermöglichen." Die unerwartet hoch ausgefallenen US-Verbraucherpreise belasteten den deutschen Aktienmarkt am heutigen Nachmittag spürbar. Der DAX, der bereits zum Handelsstart wieder unter die Marke von 17.000 Punkten gerutscht war, verlor nach der Veröffentlichung bis zu ein Prozent auf 16.871 Punkte. Die Renditen auf zehnjährige US-Treasuries drehten dagegen ins Plus und zogen auf bis zu 4,297 Prozent von 4,170 Prozent am Vortag an. Auch für den Dollar gab es einen kräftigen Schub: Der Dollar-Index legte um 0,6 Prozent auf 104,81 Punkte zu, weil Marktteilnehmer angesichts des trägeren Inflationsrückgangs ihre Wetten auf schnelle Zinssenkungen der US-Notenbank revidierten. Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von Robomarkets hatte bereits zuvor gewarnt, dass die Inflationsdaten den Markt deutlich bewegen könnten, da sie ein entscheidender Faktor für die geldpolitische Richtung der Fed sind.
Der Preisauftrieb in den USA hat sich zu Beginn des neuen Jahres weiter abgeschwächt - jedoch nicht so deutlich wie erwartet. Die geldpolitische Kehrtwende könnte noch länger auf sich warten lassen.
[ "USA", "Inflation", "Teuerung", "Fed" ]
Wirtschaft
Weltwirtschaft
2024-02-13T14:47:29.669Z
2024-08-05T10:25:21.555Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/weltwirtschaft/us-inflationsrate-januar-100.html
Schwarz-Grün als Option - Habeck fordert Eingeständnis von Merz
Die Empörung vieler nach dem gemeinsamen Abstimmen von AfD und CDU im Bundestag bleibt: auch unter Grünen. Deren Spitzenkandidat Habeck schließt eine mögliche Koalition mit der Union nicht aus. Er stellt aber Forderungen an Merz. Der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck will grundsätzlich an der Option einer möglichen künftigen schwarz-grünen Bundesregierung festhalten. Das sagte der amtierende Vizekanzler und Wirtschaftsminister bei "0630 – Der Newspodcast" vom WDR. Von CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz forderte Habeck allerdings das Eingeständnis, dass sein gemeinsames Stimmen mit der AfD im Bundestag in der vergangenen Woche ein Fehler gewesen sei. "Das muss zurückgenommen werden, zurück auf Los. Wir dürfen nicht einen Wortbruch zur Grundlage von Verabredungen machen", so Habeck. Ein solcher Schritt sei "zwar schwer als öffentliche Figur, als Politiker, aber es ist möglich", sagte der 55-Jährige. "Und dann sollte das auch akzeptiert werden." Die Union sei größer als CDU-Parteichef Merz und die Leute um ihn herum, so Habeck. Warnung vor Spaltung Die Debatte im Bundestag am vergangenen Freitag verglich er mit der politischen Situation in den Vereinigten Staaten. "Ich habe das gesehen und dachte: Das ist das, was in den USA passiert ist", sagte Habeck. Es gebe zwei Lager, die nicht mehr miteinander gesprächsfähig seien. Dementsprechend betonte er: "Wenn man der AfD einen Gefallen tun will, dann schließen jetzt alle Demokraten aus, dass sie jemals wieder was miteinander machen. Das führt am Ende zur Regierungsbildungsunfähigkeit."   Brantner appelliert an Vertrauen, Hofreiter äußert Zweifel Ähnlich wie Habeck rückte auch Grünen-Parteichefin Franziska Brantner nicht komplett von Merz ab. Es liege an ihm, "wieder Vertrauen in die CDU als Partei in der Tradition Adenauers und Kohls aufzubauen", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Klar ist, die Parteien der demokratischen Mitte müssen miteinander gesprächsfähig bleiben - sonst gewinnen die Rechtsextremen." Ihr Parteifreund Anton Hofreiter sagte ebenfalls im RND: "Herr Merz hat klar gezeigt, dass er als Kanzler ungeeignet ist. Er hat sein Wort gegenüber den anderen demokratischen Fraktionen gebrochen, dass er auch nicht zufällig bereit ist, mit den Rechtsextremen zusammen Mehrheiten zu schaffen." Es sei deshalb nicht mehr sicher, ob Merz sein Wort - dass er nach der Wahl nicht mit der AfD zusammenarbeite - halte, so der grüne Europapolitiker.
Die Empörung vieler nach dem gemeinsamen Abstimmen von AfD und CDU im Bundestag bleibt: auch unter Grünen. Deren Spitzenkandidat Habeck schließt eine mögliche Koalition mit der Union nicht aus. Er stellt aber Forderungen an Merz.
[ "Habeck", "Merz", "Bundestagswahl" ]
Inland
Bundestagswahl
2025-02-03T10:32:33.090Z
2025-02-23T04:17:52.740Z
https://www.tagesschau.de//inland/bundestagswahl/habeck-schwarz-gruen-option-100.html
Fall Lübcke: Worum geht es im Mordprozess?
Vor gut einem Jahr wurde der Kasseler Regierungspräsident Lübcke erschossen. Stephan E. und ein mutmaßlicher Helfer müssen sich vor Gericht verantworten. Von Frank Bräutigam Worum geht es? In der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 2019 wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke auf der Terrasse seines Wohnhauses erschossen. Am 15. Juni nahmen die Behörden Stephan E. als Tatverdächtigen fest, nachdem man eine DNA-Spur von ihm an Lübckes Kleidung gefunden hatte. Wenige Tage später übernahm die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen wegen der "besonderen Bedeutung" des Falles. Am 26. Juni 2019 wurden Markus H. und Elmar J. wegen einer möglichen Beteiligung im Vorfeld der Tat festgenommen. Die Bundesanwaltschaft erhob Ende April 2020 Anklage gegen Ernst und Markus H. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat diese Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Neben dem Mord an Walter Lübcke ist Stephan Ernst auch wegen eines Mordversuchs an einem irakischen Asylbewerber und Verstößen gegen das Waffenrecht angeklagt. Was wirft die Anklage Stephan Ernst genau vor? Am 1. Juni gegen 23.30 Uhr saß Walter Lübcke auf seiner Terrasse. Ernst habe sich an ihn herangeschlichen und ihm aus kurzer Entfernung mit einem Revolver in den Kopf geschossen, so der Vorwurf der Anklage. Lübcke starb noch in der Nacht an den Folgen des Kopfschusses. Zum Tatmotiv sagt die Bundesanwaltschaft: Ausschlaggebend für die Tat sei eine von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit getragene völkisch-nationalistische Grundhaltung von Ernst gewesen. Ernst hatte mit Markus H. im Oktober 2015 eine Bürgerversammlung in Lohfelden besucht, auf der Lübcke die Unterbringung von Flüchtlingen in der Region erläuterte und Werte wie Solidarität und Nächstenliebe vehement verteidigte. Auf einem Video der Veranstaltung ist zu hören, wie Ernst. "Ich glaubs nicht" und "verschwinde" ruft. Seitdem habe Stephan Ernst seinen Fremdenhass auf Lübcke projiziert. 2016 habe er den Entschluss gefasst, Lübcke für seine Haltung in der Flüchtlingspolitik abzustrafen und begonnen, dessen Lebensumstände auszuspähen. Schon 2017 und 2018 sei er mit der Tatwaffe zu Lübckes Wohnhaus gefahren. Ernst sei es darauf angekommen, ein "öffentlich beachtetes Fanal" gegen die von ihm abgelehnte staatliche Ordnung zu setzen. Ist Stephan E. vorbestraft? Ja. Seit Anfang der neunziger Jahre ist er mehrfach wegen ausländerfeindlicher Straftaten belangt worden, darunter ein Messerangriff auf einen Imam und einen Rohrbombenanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft. E. war in der Rechtsextremismusdatei des Bundeskriminalamts erfasst. 2009 wurde er nach einem Überfall zahlreicher Neonazis auf eine Kundgebung des DGB wegen Landfriedensbruch verurteilt. Danach verschwand er vom Radar der Sicherheitsbehörden. Was sagt Stephan Ernst zu den Vorwürfen? Am 25. Juni 2019 hatte Ernst in einer rund vierstündigen Aussage gestanden, Lübcke allein erschossen zu haben. Er machte dabei umfangreiche Angaben - auch zu einem Waffenversteck und weiteren möglichen Beteiligten im Vorfeld der Tat. Die Aussage wurde auf Video aufgenommen. Während seiner Vorführung beim Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe am 2. Juli 2019 widerrief Ernst jedoch sein Geständnis. Im Januar 2020 konkretisierte er dieses dann in einer erneuten Aussage vor den Ermittlern. Darin belastete er den Mitangeklagten Markus H. Er und H. seien in der Tatnacht beide zu Lübckes Haus gefahren. Man habe diesen mit der Waffe lediglich bedrohen und einschüchtern wollen. Dann habe sich ein Schuss gelöst. Dabei habe Markus H. die Waffe in der Hand gehabt. Welche Folgen hat das widerrufene Geständnis? Durch den Widerruf ist das Geständnis in der ersten Aussage nicht aus der Welt. Es kann im Prozess weiterhin verwendet werden. Die Anklage der Bundesanwaltschaft basiert zu großen Teilen auf dem Geständnis, auch weil es aus Sicht der Ermittler zur Spurenlage am Tatort passt, zum Beispiel die DNA-Spur an Lübckes Kleidung. Auch der Bundesgerichtshof legte in einem Beschluss zur Untersuchungshaft das Geständnis von Ernst zugrunde, um den dringenden Tatverdacht weiter zu begründen. Ernst habe keine plausible Erklärung für die geänderten Angaben vorgelegt. Dies ist aber keine abschließende Bewertung des Falles. Entscheidend für das Frankfurter Urteil ist, zu welchem Ergebnis das Oberlandesgericht am Ende der Hauptverhandlung kommt. Wie lauten die Vorwürfe gegen den zweiten Angeklagten? Stephan Ernst und der zweite Angeklagte Markus H. kennen sich schon lange. Markus H. ist wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Er habe den Mordanschlag seines Freundes E. durch gemeinsame Schießübungen in Wäldern und Schützenvereinen gefördert. E. habe mit Hilfe des waffenerfahrenen H. seinen Umgang mit Schusswaffen verbessern können. Außerdem hätten die gemeinsamen Unternehmungen E. in seinem Entschluss bestärkt, Lübcke umzubringen. Der gemeinsame Besuch von Demos des rechten Spektrums und das Waffentraining hätten Ernst Zuspruch und Sicherheit für dessen Tat vermittelt. H. sei zwar nicht in die konkreten Anschlagspläne gegen Lübcke eingeweiht gewesen. Die Bundesanwaltschaft geht also nicht davon aus, dass er in der Nacht auf Lübckes Terrasse dabei war. Spätestens ab Juli 2016 habe H. aber für möglich gehalten, dass E. aus rechtsextremen Motiven einen politischen Entscheidungsträger ermorden könnte, und habe dies auch billigend in Kauf genommen. Soweit bekannt, hat H. sich bislang zu den konkreten Vorwürfen nicht geäußert. Was ist mit der dritten Person, die festgenommen worden war? Am 26. Juni 2019 hatte die Bundesanwaltschaft auch Elmar J. festgenommen. Er soll Ernst auf Vermittlung von Markus H. illegal Waffen geliefert haben. Ursprünglich wurde deswegen ebenfalls wegen Beihilfe zum Mord gegen ihn ermittelt. Der Bundesgerichtshof hob den Haftbefehl gegen ihn aber auf, weil es Zweifel am Vorsatz für eine Beihilfe gebe. Er ist in diesem Verfahren nicht angeklagt. Gegen ihn laufen aber weiterhin Ermittlungen wegen des Verdachts einer "fahrlässigen Tötung" durch die Waffenlieferung. Worum geht es bei der zweiten angeklagten Tat? Stephan Ernst ist im Frankfurter Prozess auch wegen eines Mordversuchs auf einen irakischen Asylbewerber am 6. Januar 2016 aus der Unterkunft in Lohfelden angeklagt. Ernst habe ihm auf einem Gehweg von seinem Fahrrad aus mit einem Messer gezielt in den Rücken gestochen. Das Opfer erlitt erhebliche Verletzungen, zum Beispiel an Brustwirbel, Rückenmark und Nervensträngen. Motiv der Tat soll laut Anklage Hass auf Flüchtlinge und das Ziel gewesen sein, Angst unter den Asylbewerbern zu verbreiten. Stephan E. bestreitet diese Vorwürfe.  Wie sind die Angehörigen beziehungsweise das Opfer am Prozess beteiligt? Lübckes Familie tritt im Prozess als Nebenkläger auf. Die Angehörigen haben damit zahlreiche Möglichkeiten, auf das Verfahren einzuwirken, etwa Anträge zu stellen, Stellungnahmen abzugeben oder ein Plädoyer zu halten. Die Familie teilte vor dem Prozess mit, sie wolle Mut machen, sich für eine freiheitliche Gesellschaft einzusetzen und sich politisch zu engagieren. Man dürfe nicht verstummen, sondern müsse klar Position beziehen. Auch der irakische Asylbewerber, das Opfer der zweiten angeklagten Tat, ist als Nebenkläger am Prozess beteiligt. Wie wird der Prozess ablaufen? Der Prozess findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen und großem Medieninteresse vor dem Oberlandesgericht Frankfurt statt. Zuständig ist der 5. Strafsenat (Staatsschutzsenat). Vorsitzender Richter ist Thomas Sagebiel. Wegen der Corona-Pandemie ist die Zahl der Plätze für die Öffentlichkeit deutlich eingeschränkt. Ein wichtiger Punkt am Anfang eines Strafprozesses ist die Verlesung der Anklage. Es ist auch möglich, dass die Verteidigung prozessuale Anträge (Befangenheit, Besetzung des Gerichts etc.) stellen möchte. Ob es das so ist und sich die Verlesung der Anklage dadurch womöglich verschieben könnte, ist noch nicht abzusehen. Insgesamt hat das Gericht für den Prozess Termine bis Ende Oktober 2020 angesetzt. Das bedeutet aber nicht, dass das Verfahren bis dahin abgeschlossen ist.
Frank Bräutigam
Vor gut einem Jahr wurde der Kasseler Regierungspräsident Lübcke erschossen. Stephan E. und ein mutmaßlicher Helfer müssen sich vor Gericht verantworten.
[ "Walter Lübcke", "Prozess", "Rechtsextremismus" ]
Inland
2020-06-16T08:34:01.720Z
2022-08-25T07:26:55.355Z
https://www.tagesschau.de//inland/auftakt-prozess-luebcke-101.html
Probleme mit "Starliner": US-Astronauten müssen bis Februar auf ISS bleiben
Sie sollten schon längst wieder auf der Erde sein, doch die Rückkehr der beiden US-Astronauten von der Raumstation ISS verzögert sich erneut. Jetzt will die NASA sie im Februar abholen - mit einem Raumschiff von SpaceX statt von Boeing. Zwei Astronauten, die aufgrund von Problemen mit Boeings "Starliner" bereits deutlich länger als ursprünglich geplant an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) sind, sollen nun erst im kommenden Februar zur Erde zurückkehren. Das teilte die US-Raumfahrtbehörde NASA bei einer Pressekonferenz mit. Dazu werden die beiden ein anderes Raumschiff, nämlich die "Crew Dragon" von SpaceX, nutzen. Die Entscheidung sei aus Sicherheitsgründen getroffen worden, sagte NASA-Chef Bill Nelson. Mission sollte nur eine Woche dauern Die NASA-Astronautin Suni Williams und ihr Kollege Barry Wilmore waren Anfang Juni mit dem ersten bemannten Testflug der "Starliner" an der ISS angekommen. Eigentlich war die Mission nur für rund eine Woche geplant gewesen, dann aber traten zahlreiche technische Probleme am "Starliner" auf - unter anderem gab es Heliumlecks sowie Schwierigkeiten mit den Triebwerken. Daraufhin hatte die NASA lange überlegt, ob es besser sei, die beiden Astronauten dennoch mit dem "Starliner" oder doch lieber - wie jetzt angekündigt - erst Monate später mit dem im September startenden "Crew Dragon" zur Erde zurückzuholen. Boeings Pannenserie reißt nicht ab Der "Starliner" des in letzter Zeit von Pannen geplagten US-Luft- und Raumfahrtunternehmens Boeing ist ein teilweise wiederverwendbares Raumfahrzeug, das aus einer rund drei Meter hohen Kapsel für die Besatzung und einem Servicemodul besteht. Im Unterschied zum "Crew Dragon" von SpaceX landet es nicht auf dem Wasser, sondern auf der Erde. Im Mai 2022 hatte der "Starliner" erstmals einen erfolgreichen unbemannten Flug zur ISS absolviert und dort vier Tage verbracht. Künftig soll er als Alternative zur "Crew Dragon"-Raumkapsel Astronauten zur ISS transportieren.
Sie sollten schon längst wieder auf der Erde sein, doch die Rückkehr der beiden US-Astronauten von der Raumstation ISS verzögert sich erneut. Jetzt will die NASA sie im Februar abholen - mit einem Raumschiff von SpaceX statt von Boeing.
[ "USA", "NASA Luftraumfahrt", "ISS" ]
Ausland
Amerika
2024-08-24T19:25:26.643Z
2025-04-01T11:13:21.745Z
https://www.tagesschau.de//ausland/amerika/usa-nasa-starliner-100.html
Ostukraine: Viele Tote bei Angriff auf Bahnhof
In der ostukrainischen Stadt Kramatorsk ist ein Bahnhof von Raketen getroffen worden. Mindestens 30 Menschen, die aus der Region fliehen wollten, wurden dabei getötet. Der Kreml weist die Verantwortung für den Angriff zurück. Bei einem Raketenangriff auf den Bahnhof der ostukrainischen Stadt Kramatorsk sind nach offiziellen Angaben mehrere Menschen getötet und verletzt worden. Es soll mindestens 30 Tote und 100 Verletzte geben. Dem ukrainischen Geheimdienst SBU zufolge wurden sogar mindestens 39 Menschen getötet. Nach Angaben von Gouverneur Pawlo Kyrylenko hatten Tausende Menschen in Kramatorsk auf ihre Evakuierung gewartet. Kramatorsk liegt in dem Teil des umkämpften ostukrainischen Gebiets Donezk, der von der Ukraine kontrolliert wird. Prorussische Separatisten erheben Anspruch auf das gesamte Verwaltungsgebiet. Die Menschen, die Koffer und Taschen bei sich hatten, wollten aus Angst vor Angriffen die Stadt verlassen. Laut Eisenbahnchef Kamischyn schlugen zwei Raketen ein. "Das ist der 44. Tag unserer Realität" Die ukrainische Seite gab russischen Truppen die Schuld. Gouverneur Kyrylenko warf Russland vor, absichtlich auf Zivilisten gezielt zu haben. "Sie wollten so viele friedliche Menschen wie möglich als Geiseln nehmen, sie wollten alles Ukrainische zerstören", schrieb er bei Telegram. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beschuldigte Russland. Das russische Militär habe einen ganz gewöhnlichen Bahnhof angegriffen, sagte Selenskyj zu Beginn einer Videoansprache vor dem finnischen Parlament. Menschen hätten an dem Bahnhof auf Züge gewartet, um von diesem in sichere Gebiete evakuiert zu werden. "Das ist nur ein gewöhnlicher Bahnhof, nur eine normale Stadt im Osten der Ukraine", sagte Selenskyj. Der Angriff zeige, was Russland unter Schutz der Donbass-Region und der russischsprachigen Bevölkerung verstehe. "Das ist der 44. Tag unserer Realität", sagte Selenskyj. Die ukrainische Führung hatte die Menschen in der Ostukraine zuvor aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen und das Gebiet möglichst Richtung Westen zu verlassen. Russland hatte angekündigt, seine Angriffe auf die Region zu konzentrieren. Russland weist Verantwortung von sich Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte den Raketenangriff scharf. Es handele sich um einen "weiteren Versuch, die Fluchtwege für diejenigen zu versperren, die vor diesem ungerechtfertigten Krieg fliehen, und menschliches Leid zu verursachen", schrieb Borrell bei Twitter. Er warf Russland vor, mit der willkürlichen Attacke gezielt Menschen leiden zu lassen. I strongly condemn this morning’s indiscriminate attack against a train station in #Kramatorsk by Russia, which killed dozens of people and left many more wounded. This is yet another attempt to close escape routes for those fleeing this unjustified war and cause human suffering Der Kreml wies die Verantwortung für den Angriff zurück. "Unsere Streitkräfte nutzen diesen Raketentyp nicht", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Agenturen zufolge. Er bezog sich dabei auf den mutmaßlich verwendeten Typ "Totschka-U". Militärexperten bezweifeln diese Darstellung. Viele Tote in Borodjanka geborgen Der ukrainische Präsident Selenskyj geht laut eigenen Angaben von weiteren Gräueltaten russischer Truppen in der Ukraine aus. In der Kleinstadt Borodjanka bei Kiew, wo Aufräumarbeiten liefen und Rettungskräfte Trümmer beseitigten, sei es "viel schrecklicher" als in Butscha, sagte er in einer Videobotschaft. Konkrete Details nannte er nicht. Die Bilder aus einem anderen Kiewer Vorort, Butscha, wo nach dem Abzug russischer Truppen Hunderte Leichen von Bewohnern auf den Straßen gefunden worden waren, hatten international Entsetzen ausgelöst. Die Ukraine macht für das Massaker russische Truppen verantwortlich. Moskau bestreitet das. In Borodjanka seien allein aus den Trümmern von zwei ausgebombten Wohnhäusern 26 Leichen geborgen worden, erklärte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa. Wie viele Opfer es insgesamt gab, sei derzeit schwer abzuschätzen. Früheren Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft zufolge soll es in der Stadt die meisten Opfer in der Region Kiew geben. Wenediktowa erklärte nun, man müsse und werde jedes Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit dokumentieren und die Verantwortlichen bestrafen. In Borodjanka habe man auch sexuelle Gewalt bestätigt. Sorge um Mariupol Selenskyj stellte in der Videobotschaft zudem die Frage, was passieren werde, wenn die Welt erfahre, was russische Einheiten in der schwer umkämpften Hafenstadt Mariupol getan hätten. Dort gebe es in "fast jeder Straße" das, was die Welt nach dem Abzug der russischen Truppen in Butscha und anderen Städten in der Region Kiew gesehen habe. Nach Angaben der von prorussischen Kräften eingesetzten Stadtverwaltung Mariupols wurden bei den dortigen Kämpfen bislang rund 5000 Zivilisten getötet. Der von den Separatisten eingesetzte, moskautreue Bürgermeister Konstantin Iwaschtschenko sagte der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass in vorab veröffentlichten Auszügen eines Interviews, dass in der Stadt zudem "60 bis 70 Prozent" aller Wohnungen zerstört oder beschädigt seien. Iwaschtschenko schätzte außerdem, dass 250.000 Menschen die Stadt verlassen hätten, aber mindestens ebenso viele, wenn nicht sogar 300.000, noch in der Stadt seien. Die Ukraine schätzt hingegen, dass sich noch 100.000 Menschen in der Stadt befinden, in der die humanitäre Lage katastrophal ist. Die ukrainischen Behörden hatten die Zahl der zivilen Opfer zudem auf "Zehntausende" geschätzt und die Zerstörung auf "90 Prozent". Die russische Armee belagert Mariupol seit Wochen und ist mit erbittertem ukrainischem Widerstand konfrontiert. Die Einnahme ist für Russland von strategischer Bedeutung, da sie eine Landverbindung zwischen der 2014 annektierten Krim-Halbinsel und der von den Separatisten kontrollierten Region in der Ostukraine herstellen würde. Russische Truppen ziehen sich aus Norden zurück Unterdessen scheinen sich die russischen Truppen fast vollständig aus dem Norden der Ukraine zurückgezogen zu haben. In der nordostukrainischen Region Sumy befinden sich ukrainischen Angaben zufolge keine russischen Truppen mehr. Der Chef der Gebietsverwaltung, Dmytro Schywyzkyj, warnte aber die Menschen, dass die Region noch nicht sicher sei. Es gebe noch viele verminte und nicht auf Gefahren abgesuchte Gebiete. Die Menschen sollten nicht am Straßenrand fahren, keine Waldwege nutzen und sich keiner zerstörten Militärtechnik nähern. Die Region gehörte neben den Gebieten Donezk, Luhansk, Charkiw und Kiew zu jenen, in denen russische Truppen seit Kriegsbeginn angegriffen haben.
tagesschau.de
In der ostukrainischen Stadt Kramatorsk ist ein Bahnhof von Raketen getroffen worden. Mindestens 30 Menschen, die aus der Region fliehen wollten, wurden dabei getötet. Der Kreml weist die Verantwortung für den Angriff zurück.
[ "Ukraine", "Kramatorsk" ]
Ausland
Europa
2022-04-08T11:35:22.782Z
2025-02-10T09:45:51.946Z
https://www.tagesschau.de//ausland/europa/ukraine-krieg-kramatorsk-101.html
Spaniens Organspendensystem gilt als vorbildlich
Nach dem Organspendenskandal ist in Deutschland die Zahl der Spenden gesunken. Spanien kennt solche Probleme nicht. Dort ist die Spendenquote so hoch wie nirgendwo sonst in der EU. Von Reinhard Spiegelhauer Von Reinhard Spiegelhauer, ARD-Hörfunkstudio Madrid In Spanien gibt es eine staatliche Organisation, die Spenden und Transplantationen koordiniert und überwacht. Sie untersteht direkt dem Gesundheitsministerium. Das lässt es sich nicht nehmen, die jährlichen Weltrekord-Meldungen zu verkünden. 1643 Spender seien 2012 registriert worden, freut sich Gesundheitsstaatssekretärin Pilar Farjan. Durch sie seien 4211 Transplantationen möglich geworden. Spanien hat seit 21 Jahren die weltweit höchste Organspender-Quote: Auf eine Million Spanier kommen 35 Spender. Das klingt zunächst nach wenig. Das ist aber rund doppelt so viel wie im EU-Durchschnitt. In Deutschland zum Beispiel sind es nur 15 Organspender pro eine Million Einwohner. Keine Entnahme bei Widerspruch Dass es in Spanien so viele Organspenden gibt, liegt einerseits daran, dass dort die Widerspruchsregelung gilt. Wer vor dem Tod nicht gesagt hat, dass er nicht spenden will, dem werden nach dem Tod so viele verwendbare Organe entnommen wie möglich. Es reicht allerdings schon, wenn man zum Beispiel im Kreise der Familie gesagt hat, dass man nicht spenden möchte. Die Angehörigen werden vor der Organentnahme gefragt. Der Staat organisiert die Verteilung Das spanische System unterscheidet sich aber auch sonst vom Deutschen: "Es spielt eine wichtige Rolle, dass es unterschiedliche Philosophien im Norden und im Süden der EU gibt. In Spanien, Frankreich und Italien gibt es ein staatlich kontrolliertes System, das Spende und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen umfasst. Alles wird einheitlich vom Staat kontrolliert", erklärt Rafael Matesanz. Er ist Direktor der staatlichen Organtransplantations-Organisation in Spanien. Die Organisation sorgt unter anderem dafür, dass ständig fast 200 Expertenteams bereit stehen, um Organe am Leben zu erhalten und unter möglichst guten Bedingungen den wartenden Patienten einzupflanzen. Das Gesamtsystem ist so effektiv, dass es in Spanien rein zahlenmäßig fast so viele Spenderorgane gibt wie Patienten, die eines benötigen. Auch wenn es natürlich nicht immer für jeden ein passendes Spenderorgan aus Spanien selbst gibt. Aber dank der hohen Spendenrate, hochprofessioneller Organvermittlung und -transplantation und dank des zusätzlichen internationalen Austauschs sind die Wartelisten in Spanien seit Jahren recht stabil, während sie in vielen anderen Ländern länger werden.
Reinhard Spiegelhauer
Nach dem Organspendenskandal ist in Deutschland die Zahl der Spenden gesunken. Spanien kennt solche Probleme nicht. Dort ist die Spendenquote so hoch wie nirgendwo sonst in der EU.
[ "Meldung" ]
Ausland
2013-08-19T15:41:44.656Z
2023-03-01T20:55:19.762Z
https://www.tagesschau.de//ausland/spanienorganspende-ts-100.html
Unmut in Kentucky über Trumps Handelspolitik
Kentucky ist politisch eigentlich fest in der Hand der Republikaner. Doch auf Trumps Zollpolitik sind viele dort nicht besonders gut zu sprechen. Bei Whiskeybrennern und Farmern wächst der Unmut. Von Sebastian Hesse Man muss am Bourbon in der Destillerie von Tom Bard gar nicht nippen: Einmal tief durchatmen, und schon stellt sich ein leichter Schwips ein. Seit 2019 werden in der Bard Distillery in Graham, im westlichen Kentucky, lustvoll die unterschiedlichsten Whiskey-Sorten produziert. Jetzt machen die Zölle, die US-Präsident Donald Trump verhängt hat, dem Whiskeybrenner das Leben schwer. "Die treffen uns in vielerlei Hinsicht", klagt er. "Nicht nur, weil wir gerade erst angefangen haben, in andere Länder wie Kanada oder in die EU zu exportieren." Bourbon dürfte teurer werden Die meisten Destillerien in Kentucky beziehen den Großteil ihrer Rohmaterialien aus dem Ausland: die Flaschen, Etiketten, die Verschlüsse. Trumps Zölle könnten also nicht nur den Bourbon-Absatz erschweren, sondern auch den Einkauf verteuern. Bard versteht schon, dass die Zölle den Anreiz schaffen sollen, heimische Produkte zu verwenden. Doch das Problem ist: Die gibt es derzeit gar nicht. Der Bourbon aus der Bard Distillery dürfte jetzt erst mal teurer werden, denn die Mehrkosten wird Bard wohl oder übel an seine Kunden weiterreichen müssen. "Das ist eine Steuererhöhung!" Ähnlich verärgert über Trumps Zollpolitik ist am anderen Ende von Kentucky, nahe Lexington, der Farmer Jim Coleman. "Das ist eine Steuererhöhung!", schimpft er. Er sei eigentlich durch und durch Republikaner, gerade weil er an niedrige Steuern, wenig Regulierung und Wachstum glaubt. Trump dagegen rase mit 100 Meilen pro Stunde in die entgegengesetzte Richtung. Eigentlich wollte der Bauer seine Coleman Crest Farm, die vor allem Bio-Produkte für den heimischen Markt anbaut, in diesem Jahr erweitern. Doch aus Sorge um Dieselpreise und Personalkosten hat er diese Pläne vorerst auf Eis gelegt. Investitionen bleiben laut Handelskammer aus Klagen wie die von Coleman hört Ashli Watts derzeit jeden Tag. Ashli ist die Präsidentin der Kentucky Chamber of Commerce, der Handelskammer des Bundesstaates mit Sitz in der Landeshauptstadt Frankfort. Jede Menge Unsicherheit und Angst würden in Kentucky umgehen, weiß die Handelskammer-Chefin. Trumps Handelspolitik sei sicher nicht populär in dem Bundesstaat, der auch von der Autoindustrie und anderem produzierenden Gewerbe lebt. "Weil alles in der Schwebe ist, investiert derzeit kein Betrieb mehr und stellt auch kein Personal ein", klagt Ashli. Deshalb macht die Handelskammer jetzt unermüdlich Druck auf Kentuckys Senatoren und Abgeordnete. Und das durchaus mit Erfolg: Mitch McConnell und Rand Paul aus Kentucky sind derzeit die einzigen republikanischen Senatoren, die Trumps Zölle als schädliche Zusatzsteuer ablehnen.
Sebastian Hesse
Kentucky ist politisch eigentlich fest in der Hand der Republikaner. Doch auf Trumps Zollpolitik sind viele dort nicht besonders gut zu sprechen. Bei Whiskeybrennern und Farmern wächst der Unmut.
[ "US-Zölle", "Whiskey" ]
Wirtschaft
Weltwirtschaft
2025-04-07T09:46:49.690Z
2025-04-07T18:13:00.949Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/weltwirtschaft/trump-zoelle-kentucky-whiskey-100.html
Jubel und Skepsis in Israel nach Trump-Vorstoß zu Gaza
"Das ist die Lösung", jubelt Israels rechtsextremer Politiker Ben-Gvir über Trumps Gaza-Pläne. Die Opposition bleibt zurückhaltend. Und es gibt auch warnende Stimmen: Der Vorstoß könne Waffenruhe und Geiseln gefährden. Von Bettina Meier Gaza als "Riviera des Nahen Ostens", ohne die dort beheimateten rund zwei Millionen Palästinenser, die nach den Vorstellungen von US-Präsident Donald Trump den umkämpften Küstenstreifen verlassen müssten. Trump zufolge könnten sie an schöneren Orten leben, die USA würden Gaza übernehmen - mit dieser Vision sorgt der US-Präsident für Wirbel im Nahen Osten und im Weißen Haus. Der angereiste israelische Premier Benjamin Netanjahu schien überrascht zu sein, wenn auch positiv: "Er hat mal eine ganz andere Idee und ich denke wir sollten dem unsere Aufmerksamkeit schenken" sagte er. "Ich denke das ist etwas, dass die Geschichte verändern könnte. Ich denke es lohnt sich diesen Weg zu gehen." Freude im rechten Regierungslager In Israel sorgte Trumps Vorschlag, Gaza zu entvölkern, für Skepsis, aber auch Jubel. Im rechten Regierungsspektrum ist die Freude groß, zumal sich einige rechte Koalitionspartner Netanjahus eine Wiederbesiedlung Gazas wünschen. So schrieb Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich auf X: "Zusammen werden wir die Welt wieder großartig machen." Israels ehemaliger Minister für Nationale Sicherheit, der Rechtsextreme Itamar Ben-Gvir, sagt eine neue wunderbare Freundschaft mit Trump voraus. Er äußerte sich im Armeeradio: "Für mich ist das die beste Botschaft, die wir kriegen können. Das ist die Lösung! Ich hoffe, dass der Premier versteht, dass dies seine größte Chance ist. Und die Chancen dafür, dass ich in die Regierung zurückkehre, sind gestiegen." Ben-Gvir war erst kürzlich mit seiner Partei aus der rechtsreligiösen Regierungskoalition Netanjahus ausgestiegen, weil er gegen eine Waffenruhe in Gaza war. Nun könnte er zurückkehren. Zumindest zu Hause würde das Netanjahu den Rücken stärken. Er müsste sich nicht im Falle eines Zusammenbruchs seiner Regierung an die Opposition wenden, um eine Übergangsregierung zu bilden. Sorge um Geiseln und Waffenruhe Die Opposition gibt sich ungläubig und vorsichtig nach Trumps Rede. Oppositionsführer Yair Lapid sagte, er kenne die Details von Trumps Plan nicht, wichtig sei aber, dass von Gaza keine Gefahr mehr ausgehe: "Für mich hat das Abkommen zur Freilassung der Geiseln höchste Priorität. Zu meiner großen Freude sagte der US-Präsident, er arbeite an der zweiten Phase der Waffenruhe, damit alle Geiseln freikommen. Ich finde es nur schrecklich, dass wir hoffen müssen, dass der Präsident unseren Premier davon überzeugen muss, die Geiseln zurückzubringen." Ob die Äußerungen von Trump einer Rückkehr aller Geiseln wirklich nützen, ist zweifelhaft. Pläne zur Entvölkerung des Gazastreifens könnten gar die Waffenruhe gefährden, warnte Israels ehemaliger Sicherheitsberater der Vorgängerregierung in Israel, Eyal Hulata: Im Ernst, ich verstehe nicht, wie das umgesetzt werden soll. Trump sagte, die USA würden den Gazastreifen kontrollieren und deutet eine militärische Kontrolle an. Ich hoffe nur, dass diese Aussagen die Waffenruhe nicht ins Stocken bringen. Wir befinden uns in der ersten Phase des Geiselabkommens. Wenn die Hamas nun denkt, es mache keinen Sinn, diese zu Ende zu bringen, kann es die Freilassung weiterer Geiseln gefährden. Hamas: "Rezept für Chaos" Die Terrororganisation Hamas verfolgt die nächsten Schritte von Trump und Netanjahu mit Argusaugen, zumal noch die erste Phase der Waffenruhe läuft. Für das kommende Wochenende ist eine weitere Übergabe von drei Geiseln aus Gaza geplant. In einem Statement nannte ein Hamas-Sprecher Trumps Vorschlag "albern und absurd". Dies sei ein Rezept für Chaos und weitere Spannungen in der Region, das Volk in Gaza werde eine Vertreibung nicht zulassen, so der Sprecher. Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ließ sein mitteilen, er lehne die Übernahme des Gazastreifens ab und ebenso wie die Vertreibung der Palästinenser aus ihrer Heimat.
Bettina Meier
"Das ist die Lösung", jubelt Israels rechtsextremer Politiker Ben-Gvir über Trumps Gaza-Pläne. Die Opposition bleibt zurückhaltend. Und es gibt auch warnende Stimmen: Der Vorstoß könne Waffenruhe und Geiseln gefährden.
[ "Israel", "Trump", "Nahost" ]
Ausland
Asien
2025-02-05T14:32:37.027Z
2025-02-05T17:36:27.444Z
https://www.tagesschau.de//ausland/asien/israel-reaktionen-trump-plaene-100.html
Zahl der Solaranlagen auf deutschen Dächern steigt deutlich
Hintergrund sind vor allem die hohen Energiepreise: Die Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen für private Wohnhäuser ist stark angestiegen - im ersten Quartal um 146 Prozent. Die Branche erwartet, dass das Wachstum weitergeht. Nach Angaben des Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) wurden im ersten Quartal deutschlandweit 159.000 Photovoltaik-Anlagen für Privathäuser in Betrieb genommen. Das ist ein Zuwachs von 146 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Siebter Anstieg in Folge erwartet Laut dem Bundesverband dürfte damit die Nachfrage nach Solaranlagen in Deutschland in diesem Jahr zum siebten Mal in Folge prozentual zweistellig wachsen. In der Statistik des BSW werden neben Anlagen von privaten Hausbesitzern auch andere Investoren wie Bauern erfasst, die Solaranlagen auf landwirtschaftlichem Grund errichten lassen. Der Branchenverband hat die aktuellen Daten einen Tag von der Branchenmesse Intersolar veröffentlicht, die Mittwoch in München eröffnet wird und als ein wichtiger Treff für die Ökostrom-Branche gilt. Laut BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig ist der aktuelle Solarboom auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Einerseits sei der starke Anstieg der Energiepreise im vergangenen Jahr dafür verantwortlich. Zu anderen sieht Körnig auch eine Corona-Folgewirkung: "Viele Hausbesitzer haben während der Pandemie viel in ihr Heim investiert." Auch Solarspeicher stark gefragt Auch die Nachfrage nach Solarspeichern steigt weiter deutlich. Die Anzahl der neuen Solarstromspeicher wird nach Einschätzung des Verbands bereits Ende Juni die Zahl der im vergangenen Jahr insgesamt installierten Solarbatterien überschreiten. Mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach oder am Balkon können Privathaushalte einerseits den Strombezug aus dem Stomnetz der Versorger reduzieren und damit Kosten sparen. Zum anderen wird überschüssiger Strom zumeist ins öffentliche Stromnetz eingespeist und über eine Einspeisevergütung an den Anlagenbesitzer vergütet. Erleichterungen für Anlagenbesitzer Eine Reihe von Änderungen im Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) hat die eigene Photovoltaik-Anlage seit Jahresbeginn noch attraktiver gemacht. So sind neu installierte Anlagen von der Umsatzsteuer befreit. Die Einspeisevergütung für Neuanlagen wurde zudem erhöht. Die hohe Nachfrage privater Hauseigentümer zählt laut dem Branchenverband BSW zu den wichtigsten Treibern der Energiewende. "Beinahe alle Zeichen stehen weiter auf Wachstum" so Verbandschef Körnig, "Solarsysteme sind preiswert, die Zahl der Fachkräfte steigt". Auch die Liefersituation helle sich auf und Marktbarrieren würden zunehmend abgebaut.
Hintergrund sind vor allem die hohen Energiepreise: Die Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen für private Wohnhäuser ist stark angestiegen - im ersten Quartal um 146 Prozent. Die Branche erwartet, dass das Wachstum weitergeht.
[ "Solar", "Photovolatik", "Privathaushalte" ]
Wirtschaft
2023-06-13T06:23:40.194Z
2023-09-12T10:53:10.665Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/solarboom-auf-deutschen-daechern-100.html
Bartsch bleibt vorerst alleiniger Linken-Fraktionschef
Dietmar Bartsch bleibt vorerst doch Fraktionschef der Linken - allerdings allein. Die Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali gibt wie geplant ihren Posten auf. Trotz der abgewendeten Vakanz an der Spitze der Fraktion bleibt die Zukunft der Partei ungewiss. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bleibt doch auf unbestimmte Zeit im Amt und führt die Abgeordneten alleine - ohne seine Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali. Darauf verständigte sich die Bundestagsfraktion einstimmig auf Vorschlag der Linken-Vorsitzenden Janine Wissler, bestätigte ein Sprecher dem ARD-Hauptstadtstudio. Die eigentlich nächste Woche fällige Neuwahl der Fraktionsspitze wird vertagt. Hintergrund ist die komplizierte Lage der Linken vor der erwarteten Abspaltung der Abgeordneten Sahra Wagenknecht und ihrer Unterstützer. Bartsch und Mohamed Ali hatten im Sommer angekündigt, nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren. Weil kurzfristig keine Nachfolge gefunden wurde, fiel die für 4. September vorgesehene Neuwahl aus. Die Doppelspitze amtierte weiter. Ihr Mandat endet regulär zum 25. Oktober, also nächste Woche. Nun schlug die Parteispitze die Zwischenlösung mit Bartsch als alleinigem Vorsitzenden vor. Mohamed Ali lässt ihre Amtszeit hingegen auslaufen. Hängepartie im Streit mit Wagenknecht Sollte Wagenknecht wie erwartet eine eigene Partei gründen und die Bundestagsfraktion mit ihren Unterstützern verlassen, wäre der Fraktionsstatus der derzeit 38 Linken-Abgeordneten verloren. Die Linke könnte mit Zustimmung der übrigen Parteien im Bundestag als Gruppe weiter machen - aber mit weniger staatlicher Finanzunterstützung, weniger Redezeit und weniger Rechten im Parlament. Mangels Geld müssten wohl auch Mitarbeiter entlassen werden. In dieser Hängepartie wollte die Parteispitze dem Vernehmen nach niemand Neues vorschlagen, sondern sprach mit Bartsch über eine Verlängerung. Der 65-Jährige gilt als einer der bekanntesten Politiker der Linken. Er hat seit Anfang der 1990er-Jahre hohe Parteiämter zunächst in der PDS und später auch in der Linken.
Dietmar Bartsch bleibt vorerst doch Fraktionschef der Linken - allerdings allein. Die Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali gibt wie geplant ihren Posten auf. Trotz der abgewendeten Vakanz an der Spitze der Fraktion bleibt die Zukunft der Partei ungewiss.
[ "Bartsch", "Linke" ]
Inland
2023-10-17T15:06:11.923Z
2023-10-19T06:51:00.816Z
https://www.tagesschau.de//inland/bartsch-linke-fraktionschef-100.html
IWF senkt Wirtschaftsprognose für Deutschland
Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr schrumpft. Er ist damit noch pessimistischer als im Frühjahr. Für die Weltwirtschaft ist der IWF aber insgesamt optimistischer. Weitere Hiobsbotschaften für die deutsche Wirtschaft: Erst sank das ifo-Geschäftsklima zum dritten Mal in Folge. Und nun kappt der Internationale Währungsfonds (IWF) die Wirtschaftsprognose für Deutschland in diesem Jahr. Nach Einschätzung des IWF wird die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 0,3 Prozent schrumpfen. Die Analysten sind damit inzwischen pessimistischer als noch im April: Im Frühjahr hatten sie noch einen konjunkturellen Rückgang von 0,1 Prozent für Deutschland angenommen. Im kommenden Jahr sollte sich die deutsche Konjunktur allerdings stärker erholen als bisher gedacht: Der IWF sieht für 2024 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1,3 Prozent statt bisher von 1,1 Prozent. Deutschland in der Rezession Nichtsdestotrotz schneidet Deutschland in diesem Jahr von allen großen Volkswirtschaften am schlechtesten ab. Und wird wohl als einzige große Volkswirtschaft schrumpfen. Das heißt: Für Deutschland erwartet der IWF eine Rezession. Er erhöhte dagegen vor allem die diesjährige Prognose für Spanien. Sie wurde von 1,5 Prozent im April auf 2,5 Prozent angehoben. In Italien soll die Wirtschaft um 1,1 Prozent statt der zuvor erwarteten 0,7 Prozent wachsen. Selbst Großbritannien wächst Selbst in Großbritannien dürfte es wirtschaftlich besser laufen. Hier erhöhte der IWF seine Prognose auf ein Plus von 0,4 Prozent. Im April war der IWF noch von einem Minus von 0,3 Prozent für das Vereinigte Königreich 2023 ausgegangen. Der Euroraum dürfte mit 0,9 Prozent mehr Wirtschaftskraft aufwarten nach bisher prognostizierten 0,8 Prozent. Für Russland erwartet der IWF 1,5 Prozent Plus (bisher 0,7 Prozent), für die USA 1,8 Prozent (bisher 1,6 Prozent). "Es ist zu früh, um zu feiern" Die USA beurteilt der IWF jedoch insgesamt durchwachsen. Auslöser für die gehobene Prognose seien gestiegene Realeinkommen und eine Erholung der Autokäufe. Doch der IWF rechnet nicht damit, dass die Ausgabefreudigkeit der Amerikaner andauern wird. Das Geld, das in der Pandemie angespart worden sei, sei weitgehend ausgegeben, und es werden weitere Zinserhöhungen erwartet. Die Weltwirtschaft dürfte indessen in diesem Jahr kräftiger wachsen als noch im April erwartet. Die Expertinnen und Experten erhöhten ihre globale Wirtschaftsprognose von 2,8 Prozent im April auf jetzt 3,0 Prozent an. Die hohe Inflation mache allerdings weiter Sorgen. "Es ist zu früh, um zu feiern", sagte denn auch IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas.
Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr schrumpft. Er ist damit noch pessimistischer als im Frühjahr. Für die Weltwirtschaft ist der IWF aber insgesamt optimistischer.
[ "IWF", "Wirtschaft", "Deutschland", "Konjunkturprognose" ]
Wirtschaft
Konjunktur
2023-07-25T14:31:55.170Z
2023-10-09T07:58:10.494Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/konjunktur/iwf-prognose-deutschland-wirtschaft-schwaecher-100.html
Schlupfloch für Atomkonzerne geschlossen
Ein Gesetz zur Finanzierung des Atomausstiegs gibt es noch immer nicht. Um zu verhindern, dass sich Energiekonzerne durch Aufspaltungen um die Milliardenkosten für Rückbau und Müll-Lagerung drücken, hat die Regierung nun ein Schlupfloch bei der "Nachhaftung" geschlossen. Eigentlich sollte das sogenannte Nachhaftungsgesetz schon zu Jahresanfang in Kraft treten. Es regelt - grob gesagt - die Finanzierung des Atomausstiegs und soll verhindern, dass sich Atomkonzerne von der milliardenschweren Haftung für die Atom-Altasten drücken können - etwa, weil sie sich aufspalten. Doch der Gesetzentwurf befindet sich noch im parlamentarischen Verfahren und soll erst nach der Sommerpause abschließend beraten werden. Die Regierung hat nun eine Erklärung verabschiedet, die verhindern soll, dass Konzerne diese Rechtsunsicherheit ausnutzen können. Dabei geht es um die Frage, wer für die Milliardenkosten der AKW-Abrisse und Müll-Lagerung aufkommen soll, etwa wenn der Mutterkonzern pleite geht. Im schlimmsten Fall bliebe dann der Steuerzahler auf den Kosten sitzen. Um dieses Schlupfloch zu schließen, stimmte die Regierung nun der Empfehlung der Atomkommission zu, die auch eine Regelung zur Nachhaftung abgespaltener Konzernteile mit einschließt. Demnach müssen die Unternehmen die Nachhaftungen mit ihren Rückstellungen absichern. "Hierfür haften Mütter für ihre Töchter. Abspaltungen bleiben ihren Müttern verpflichtet", hatte die Kommission empfohlen. Von der Regelung sollen Abspaltungen nach dem 1. Juni erfasst werden. Zwei Konzerne werden sich aufspalten In genau einer Woche - am 8. Juni - will E.On auf seiner Hauptversammlung eine solche Aufspaltung beschließen. Der Mutterkonzern soll sich dann auf Ökostrom, Netze und Vertrieb konzentrieren, aber auch die Atomkraftwerke weiter betreiben. Das angeschlagene Geschäft mit den übrigen Großkraftwerken und der Energiehandel sind bereits operativ in der Tochterfirma Uniper abgetrennt. Ähnlich soll es bei RWE laufen: Der Nuklearteil bleibt bei der Muttergesellschaft. Das zukunftsträchtige Geschäft mit erneuerbaren Energien, Netzbetrieb und Vertrieb wird in eine neue Gesellschaft ausgegliedert. Die Frage ist aber, ob bei einer Pleite der Muttergesellschaft auch die Tochterfirmen haften. Und im schlimmsten Fall müsste dann der Steuerzahler für die Milliardenkosten für AKW-Abrisse und Müll-Lagerung aufkommen. Konzerne sollen in Fonds einzahlen Die Atomkommission mit 19 Mitgliedern aus gesellschaftlichen Gruppen und Parteien hatte Ende April empfohlen, dass die Stromkonzerne E.On, RWE, Vattenfall und EnBW bis 2022 rund 17,2 Milliarden Euro an einen staatlichen Fonds überweisen, der die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll managen soll. Gegen Zahlung eines Risikozuschlags von 35 Prozent können die Unternehmen zudem die Haftung für Kosten- und Zinsrisiken an den Staat übertragen. So ergibt sich ein Gesamtbetrag von 23,3 Milliarden Euro. Für Stilllegung und Rückbau sowie Verpackung des Atommülls sollen die Unternehmen verantwortlich bleiben.
tagesschau.de
Ein Gesetz zur Finanzierung des Atomausstiegs gibt es noch immer nicht. Um zu verhindern, dass sich Energiekonzerne durch Aufspaltungen um die Milliardenkosten für Rückbau und Müll-Lagerung drücken, hat die Regierung nun ein Schlupfloch bei der "Nachhaftung" geschlossen.
[ "Atomausstieg" ]
Wirtschaft
2016-07-25T13:04:42.357Z
2023-03-01T20:53:41.194Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/atomausstieg-finanzierung-101.html
Cohen belastet Trump im Schweigegeldprozess weiter schwer
Einst war er einer der engsten Vertrauten von Ex-US-Präsident Trump - nun hat er vor Gericht seinen ehemaligen Chef schwer belastet. Der Anwalt Michael Cohen legte detailliert dar, wie er mit Trumps Segen Schweigegeld bezahlte. Von Charlotte Voß Es ist die fünfte Prozesswoche, und nach Aussagen von einstigen Trump-Mitarbeitern, einem Verleger einer Boulevardzeitung und einer Pornodarstellerin ist mit Michael Cohen der wichtigste Zeuge der Anklage dran. Bei dem heute 57-jährigen Anwalt und einstigem Vertrauten von Donald Trump sollen 2016 alle Fäden zusammengelaufen sein. Seine Aussage könnte für den gesamten Prozess entscheidend sein, erklärt die ehemalige Staatsanwältin Annemarie McAvoy. "Er ist derjenige, der mit Stormy Daniels Anwalt den Deal ausgehandelt hat", so McAvoy. "Und der Anwalt hat darüber ausgesagt. Er ist auch derjenige, der die Gespräche mit Trump geführt hat." Bislang habe keiner der anderen Zeugen versucht, Trump direkt mit diesen Zahlungen in Verbindung zu bringen. "Michael Cohen ist also der Einzige, der dies bezeugen kann. Seine Aussage ist also wirklich entscheidend dafür, wie dieser Fall weitergeht." "Klingt sehr glaubwürdig" Im Zeugenstand berichtet Cohen, wie er Trump kennengelernt hat. Er schildert, wie er in Absprache mit dem "National Enquirer" Berichterstattung - positive wie negative - gesteuert habe. Geschichten über angebliche uneheliche Kinder oder außereheliche Affären seines Mandanten seien unterdrückt worden, indem die Gegenseite Geld bekommen habe - von ihm als Mittelmann, im Auftrag von Trump. Diesem sei es im Herbst 2016 allein um dessen Kampagne für die US-Wahl gegangen, keinesfalls um den Schutz der Familie. Cohen wirke im Zeugenstand sehr sortiert, sehr ruhig, habe alles im Kopf, meint Ron Kuby. Er ist selbst Anwalt in New York und oft als Verteidiger bei Gericht. "Die Geschichte, die er erzählt, klingt angesichts all der anderen Beweise, die die Geschworenen im letzten Monat gesehen haben, sehr glaubwürdig", so Kuby. "Und jetzt spricht er einfach über all die Dinge, die er für Donald Trump getan hat. Ja, ich habe Schweigegeld für Donald Trump gezahlt. Ja, ich habe über die Zahlung von Schweigegeld für Donald Trump gelogen. Ich hätte mir für Donald Trump eine Kugel eingefangen. All diese schrecklichen Dinge, die ich getan habe, habe ich für Donald Trump auf seine Bitte hin getan." Cohen nutzte Pseudonyme Cohen berichtet von vereinbarten Pseudonymen wie "Peggy Peterson" und "David Dennison" für Daniels und Trump. Der Staatsanwaltschaft geht es nicht um die Schweigegeldzahlung als solche, die nicht illegal ist. Ihr geht es darum, dass Trump bei der Erstattung des Geldes Papiere manipuliert haben soll, um den wahren Grund der Transaktionen zu verschweigen. Und das sei illegale Wahlkampf-Finanzierung. Cohen heute im Kreuzverhör Sowohl die eher konservative McAvoy als auch der liberalere Kuby erwarten, dass sich die Verteidigung im für heute erwarteten Kreuzverhör auf Cohens Glaubwürdigkeit fokussieren wird. Das sei die falsche Strategie, meint Kuby. "Es ist leicht, einen Zeugen wie Michael Cohn anzugreifen", sagt er. "Aber was man tun muss, ist die Geschichte anzugreifen. Sie müssen zeigen, dass seine Angaben zu den Geschehnissen falsch sind, dass er widersprüchliche Angaben gemacht hat, dass er bestimmte Treffen nicht zugegeben hat, oder dass die Beweise der Staatsanwaltschaft ungenau sind. Diese Dinge sind entscheidend für den Ausgang eines Falls." Donald Trump und Michael Cohen, die einstigen "best buddies", sollen sich Berichten zufolge keines Blickes gewürdigt haben. Trump habe fast stoisch zugehört, zeitweilig mit geschlossenen Augen, heißt es. Vor ihm auf dem Tisch lag eine Ausgabe der "New York Times" mit der Titelgeschichte: Trump bei Wahlumfrage in mehreren Schlüsselstaaten knapp vor Amtsinhaber Joe Biden.
Charlotte Voß
Einst war er einer der engsten Vertrauten von Ex-US-Präsident Trump - nun hat er vor Gericht seinen ehemaligen Chef schwer belastet. Der Anwalt Michael Cohen legte detailliert dar, wie er mit Trumps Segen Schweigegeld bezahlte.
[ "Trump", "Cohen", "Prozess" ]
Ausland
Amerika
2024-05-14T02:11:11.898Z
2024-05-14T08:32:34.869Z
https://www.tagesschau.de//ausland/amerika/trump-cohen-prozess-100.html
Tausende fordern Rücktritt der Regierung Maduro in Venezuela
Mehrere Länder und Regierungsgegner zweifeln das Ergebnis der Wahl in Venezuela an. Auch die EU fordert Transparenz. Auf den Straßen kommt es zu Protesten - mit Töpfen und Pfannen. Nach der umstrittenen Präsidentenwahl in Venezuela haben Tausende Menschen in der Hauptstadt Caracas und anderen Städten gegen das offizielle Ergebnis protestiert. Sie forderten die Annullierung der Abstimmung und ein Ende der autoritären Regierung von Präsident Maduro. Die Demonstranten gingen auf die Straße und schlugen Töpfe und Pfannen gegeneinander, wie die Zeitung El Nacional berichtete und in mehreren Videos in den sozialen Medien zu sehen war. Der sogenannte Cacerolazo ist eine in Lateinamerika sehr populäre Form des Protests. Dabei kam es zu heftigen Ausschreitungen. Nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation wurde ein Mensch getötet. 46 weitere Menschen seien festgenommen worden, teilte der Chef der Menschenrechtsorganisation Foro Penal, Alfredo Romero, am Montag (Ortszeit) im Onlinedienst X mit. EU fordert Transparenz Die EU hat scharfe Kritik am Ablauf der Präsidentenwahl in Venezuela geübt. "Glaubwürdige Berichte von inländischen und internationalen Beobachtern deuten darauf hin, dass die Wahlen von zahlreichen Mängeln und Unregelmäßigkeiten überschattet wurden", teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit. Hindernisse für die Teilnahme von Oppositionskandidaten, Mängel im Wählerregister und ein ungleicher Zugang zu den Medien hatten zu ungleichen Wahlbedingungen beigetragen. Dazu, dass der Nationale Wahlrat (CNE) Amtsinhaber Nicolás Maduro zum Wahlsieger erklärte, sagte Borrell: "Die Wahlergebnisse wurden nicht verifiziert und können nicht als repräsentativ für den Willen des venezolanischen Volkes angesehen werden, bis alle offiziellen Aufzeichnungen der Wahllokale veröffentlicht und überprüft wurden." Die EU fordere den Wahlrat auf, sofort Zugang zu den Wahldokumenten jedes Wahllokals und der Veröffentlichung der aufgeschlüsselten Wahlergebnisse zu gewähren. Zudem müssten alle nach der Wahl eingereichten Beschwerden und Missstände vollständig von den Behörden untersucht werden. Ob sich die EU-Staaten im Fall von anhaltenden Zweifeln darauf verständigen können, das kommunizierte Wahlergebnis geschlossen nicht anzuerkennen, ist derzeit allerdings fraglich. Nach Angaben von Diplomaten verhinderte Ungarn, dass die Erklärung des EU-Außenbeauftragten im Namen aller EU-Staaten veröffentlicht werden konnte. Opposition wirft Regierung Wahlbetrug vor Bei der hochumstrittenen Präsidentenwahl im Krisenstaat Venezuela erhielt der autoritäre Amtsinhaber Maduro nach offiziellen Angaben vom Montag 51,2 Prozent der Stimmen. Der Oppositionskandidat Edmundo González Urrutia bekam demnach 44,2 Prozent. Die Opposition erkannte das offizielle Ergebnis nicht an und reklamierte den Sieg für ihren Kandidaten. Sie warf der Regierung Wahlbetrug vor. Nach eigenen Angaben will die Opposition den Sieg ihres Kandidaten auch "beweisen" können: Sie habe Zugriff auf mehr als 70 Prozent der Ergebnislisten aus den Wahllokalen, sagte Oppositionsführerin María Corina Machado am Montag (Ortszeit). Der Oppositionskandidat Edmundo González Urrutia habe 6,27 Millionen Stimmen erhalten, der von der Wahlbehörde zum Sieger ernannte Maduro sei auf 2,7 Millionen Stimmen gekommen. Auch die US-Regierung und eine Reihe lateinamerikanischer Staaten meldeten Zweifel an dem offiziellen Wahlergebnis an. Zuvor hatten mehrere Umfragen einen deutlichen Sieg der Opposition prognostiziert.
Mehrere Länder und Regierungsgegner zweifeln das Ergebnis der Wahl in Venezuela an. Auch die EU fordert Transparenz. Auf den Straßen kommt es zu Protesten - mit Töpfen und Pfannen.
[ "Venezuela", "Maduro" ]
Ausland
Amerika
2024-07-30T02:53:03.439Z
2024-08-02T03:52:43.701Z
https://www.tagesschau.de//ausland/amerika/venezuela-proteste-148.html
EuGH-Generalanwalt: Keine Einwände gegen Pkw-Maut
Für Verkehrsminister Scheuer ist das eine gute Nachricht: Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hält die deutsche Pkw-Maut für rechtens. Ausländische Fahrer würden nicht diskriminiert. Von Klaus Hempel Das Votum des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof ist deutlich: Die deutsche Pkw-Maut ist mit EU-Recht vereinbar. Anders als von Österreich vorgetragen würden die Halter von ausländischen Fahrzeugen nicht diskriminiert. Österreich stört sich daran, dass bei den Haltern deutscher Fahrzeuge die Maut verrechnet werden soll. Sie sollen weniger Kfz-Steuer zahlen. Für die Halter ausländischer Fahrzeuge gibt es eine solche Verrechnung nicht. Weil Österreich das für diskriminierend hält, hat die Regierung in Wien beim EuGH ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. "Gar nicht vergleichbar" Der Generalanwalt des EuGH kann die Argumente Österreichs nicht nachvollziehen. Ausländische Fahrzeughalter würden nicht diskriminiert. Beide Gruppen, also die Halter von deutschen und ausländischen Fahrzeugen, könne man gar nicht miteinander vergleichen: Die Halter ausländischer Fahrzeuge müssten nur die Maut zahlen, wenn sie deutsche Straßen nutzen wollten. Halter von deutschen Autos würden dagegen neben der Maut zusätzlich mit der Kfz-Steuer belastet. Schon deshalb stelle die Maut keine nachteilige Diskriminierung dar. Wahlmöglichkeit vorhanden Der Generalanwalt weist auf einen anderen Umstand hin, der seiner Ansicht nach eine wichtige Rolle spielt: Halter ausländischer Fahrzeuge sind nicht verpflichtet, eine Mautgebühr für das ganze Jahr zu zahlen. Sie haben die Möglichkeit, günstigere Kurzzeitvignetten zu benutzen. Für Halter deutscher Fahrzeuge gibt es diese Möglichkeit nicht. Diese sind verpflichtet, eine Jahresvignette zu bezahlen - unabhängig davon, ob sie deutsche Autobahnen benutzen wollen oder nicht. Auch unter diesem Aspekt kann der Generalanwalt keine Diskriminierung erkennen. Wer Kosten verursacht, zahlt dafür Zu guter Letzt verweist er darauf, dass es völlig legitim sei, wenn Deutschland für die Kosten des Autobahnnetzes neben den deutschen Autofahrern auch die Fahrer ausländischer Fahrzeuge heranziehen wolle. Dies entspreche den anerkannten Grundsätzen der EU-Verkehrspolitik, wonach diejenigen die Kosten für die Verkehrsinfrastruktur zahlen sollen, die sie nutzen. Statement Bundesminister @AndiScheuer zur Pkw- #Maut:"Der Generalanwalt des #EuGH bestätigt klar unsere Rechtsauffassung: Es gibt keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Die Maut ist europarechtskonform." Mehr Infos: ➡️https://t.co/gBL1GguzYX https://t.co/KvQrKfwpqQ Rückenwind für Scheuer Das Gutachten ist ein wichtiger Zwischenschritt und wird im Bundesverkehrsministerium mit großer Genugtuung zur Kenntnis genommen. Häufig folgen die Europarichter dem Vorschlag des Generalanwalts. Sollten sie dies in ihrem abschließenden Urteil tun, könnte die Bundesregierung die Maut wie geplant einführen. Nach Angaben von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) soll das bis Oktober 2020 erfolgen. Mit einem Urteil aus Luxemburg ist in einigen Monaten zu rechnen. Aktenzeichen: C-591/17
Klaus Hempel
Für Verkehrsminister Scheuer ist das eine gute Nachricht: Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hält die deutsche Pkw-Maut für rechtens. Ausländische Fahrer würden nicht diskriminiert.
[ "EuGH", "PKW Maut" ]
Inland
2019-02-06T13:21:01.475Z
2023-03-02T16:13:50.301Z
https://www.tagesschau.de//inland/eugh-pkw-maut-103.html
EU will Reparierbarkeit von Haushaltsgeräten fördern
Tonnenweise landen in Europa täglich Haushaltsgeräte auf dem Müll, auch weil sie schlecht zu reparieren sind. Das will die EU-Kommission jetzt per Vorschrift ändern. Verbraucherschützer sind erfreut. Von Holger Beckmann Es geht noch nicht um alle Haushaltsgeräte, aber immerhin um Leuchten, Kühlschränke, Fernsehgeräte, Spülmaschinen und Waschmaschinen. Die EU-Kommission will die sogenannte Öko-Design-Richtlinie verschärfen - und damit einerseits die Verbraucher in Europa besser schützen und andererseits etwas für Klima und Umwelt tun. Isabell Buschke vom Europäischen Verbraucherschutzverband formuliert es so: "Neben der Sparsamkeit, was den Stromverbrauch angeht, werden jetzt ganz andere verbraucherfreundliche Maßnahmen da hinein geschrieben - nämlich die Frage nach der Reparierbarkeit." Es gehe also darum, wie man Produkte langlebiger machen könne. Ersatzteile müssen mehrere Jahre erhältlich sein Geräte sollen nicht mehr so schnell entsorgt werden, auch damit weniger Elektroschrott aus Europa beispielsweise auf riesigen Müllkippen in Afrika landet. Dazu schreibt die Richtlinie in Zukunft vor, dass Hersteller Ersatzteile für neu gekaufte Produkte nach Anschaffung mindestens noch sieben Jahre lang anbieten müssen; bei Waschmaschinen und Spülmaschinen sogar zehn Jahre lang. Die Produzenten werden verpflichtet, diese Teile innerhalb von 15 Tagen zu liefern. Allerdings: nicht an Privatleute, sondern an Fachbetriebe. "Wir hoffen, dass das den Alltag von Verbrauchern in Zukunft besser und günstiger macht, dass es umweltschonender ist in Zukunft", sagt Buschke. "Der einzige kleine Wermutstropfen aus unserer Sicht ist, dass Verbraucher die Ersatzteile nicht direkt im Handel kaufen können, sondern dass diese Teile nur den Installateuren zu Verfügung stehen." Fortschritte bei Gewährleistung Begrüßenswert sei auch, dass es in Zukunft strengere Auflagen zum Wasserverbrauch und zum Wasch- beziehungsweise zum Spülerfolg gebe. Was aus Sicht der Verbraucherschützer noch fehlt, ist eine europaweite Ausweitung der gesetzlichen Gewährleistungsfristen. Denn die wären der nächste Schritt, um Hersteller in die Pflicht zu nehmen und die Langlebigkeit nicht nur von Haushaltsgeräten weiter zu verbessern. Immerhin gebe es aber auch hier zumindest kleine Fortschritte, sagt Buschke: "Bisher hat man ja zwei Jahre, was die Gewährleistungsfristen angeht. Aber nur sechs Monate Beweislastumkehr." Also nur im ersten halben Jahr nach dem Kauf liegt die Nachweispflicht dafür, dass bei Auslieferung eines Artikels kein Mangel bestand, beim Händler und nicht beim Kunden. "Das wurde jetzt tatsächlich erhöht auf ein Jahr. Und das wird auch deutschen Verbrauchern in Zukunft zugutekommen." Die neuen Regeln müssen nicht mehr vom Europäischen Parlament oder von den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Mit Beginn des Jahres 2021 sollen sie in Kraft treten.
Holger Beckmann
Tonnenweise landen in Europa täglich Haushaltsgeräte auf dem Müll, auch weil sie schlecht zu reparieren sind. Das will die EU-Kommission jetzt per Vorschrift ändern. Verbraucherschützer sind erfreut.
[ "EU", "Elektroschrott", "Haushaltsgeräte" ]
Ausland
2019-10-01T14:39:33.465Z
2021-02-26T11:33:33.690Z
https://www.tagesschau.de//ausland/elektromuell-103.html
SpaceX und X: Musk will Firmensitze nach Texas verlegen
Die Zentralen von SpaceX und X sind bislang in Kalifornien. Firmenchef Musk hat nun angekündigt, sie nach Texas zu verlegen. "Letzter Tropfen" für die Entscheidung war laut Musk ein Gesetz, das mit Wirtschaft nichts zu tun hat. Tech-Milliardär Elon Musk verlegt auch den Sitz seiner Weltraumfirma SpaceX und der Online-Plattform X von Kalifornien nach Texas. Zur Begründung verwies Musk auf ein kalifornisches Gesetz, das Schulen in Kalifornien verbietet, Lehrer dazu zu zwingen, Eltern über mögliche Veränderungen in der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität von Schülern zu informieren.  Der demokratische Gouverneur Gavin Newsom hatte das Gesetz am Montag unterzeichnet. Musk bezeichnete das Gesetz bei X als letzten Tropfen, der zum Umzug geführt habe. Social-Media-Beitrag auf X von Elon Musk: "This is the final straw. Because of this law and the many others that preceded it, attacking both families and companies, SpaceX will now move its HQ from Hawthorne, California, to Starbase, Texas. https://t.co/cpWUDgBWFe" Musk steht politisch auf Position der amerikanischen Rechten und wetterte unter anderem gegen die ärztliche Betreuung von Jugendlichen, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren. SpaceX hatte die Zentrale bisher in Hawthorne im Großraum Los Angeles - auch wenn große Teile der Anlagen samt Startrampen bereits in Texas beheimatet waren. Dieser aus dem Boden gestampfte Ort mit dem Namen Starbase soll künftig auch der Hauptsitz der Firma sein. Auch X-Zentrale soll umziehen Musk kündigte zudem an, die Zentrale seines Onlinedienstes X von San Francisco nach Austin in Texas zu verlegen. Musk verband die Ankündigung mit einem Seitenhieb gegen die Stadt, die vor allem in konservativen politischen Kreisen im Niedergang gesehen wird. Er habe genug davon gehabt, sich vor "Banden gewalttätiger Drogenabhängiger" wegzuducken, nur um ins Gebäude zu kommen, schrieb Musk bei X. Der Tech-Milliardär wird stets von mehreren Leibwächtern begleitet und muss nur ein paar Meter zwischen Auto und dem Gebäudeeingang gehen. San Francisco gilt als eine der US-Städte, die derzeit ein besonders großen Problem mit Obdachlosigkeit und Drogenabhängigkeit haben. In bestimmten Straßen der Innenstadt ist dieses Problem auch sehr sichtbar. Musk ist auch Chef des Elektroauto-Herstellers Tesla - und ließ die Firma bereits aus Palo Alto im kalifornischen Silicon Valley ebenfalls nach Austin umziehen. Er war unter anderem unzufrieden mit den Lockdowns zu Beginn der Corona-Pandemie, die auch die Produktion in Teslas Stammwerk im kalifornischen Fremont zeitweise lahmlegten.
Die Zentralen von SpaceX und X sind bislang in Kalifornien. Firmenchef Musk hat nun angekündigt, sie nach Texas zu verlegen. "Letzter Tropfen" für die Entscheidung war laut Musk ein Gesetz, das mit Wirtschaft nichts zu tun hat.
[ "Elon Musk", "Space X", "X" ]
Ausland
Amerika
2024-07-17T06:46:26.063Z
2024-11-08T07:49:38.939Z
https://www.tagesschau.de//ausland/amerika/musk-firmensitz-space-x-100.html
EU-Treffen zur Flüchtlingspolitik: Festungen in Europa
Vor dem kleinen EU-Gipfel wird klar: In der Flüchtlingspolitik setzen die EU-Staaten immer stärker auf nationale Wege. Es ist häufiger von Zäunen die Rede als von einer gemeinsamen Lösung. Nur ein EU-Anwärter auf dem Balkan gibt sich offen. Von Andreas Meyer-Feist Von Andreas Meyer-Feist, ARD-Hörfunkstudio Brüssel EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker dürfte sich derzeit als Rufer in der Wüste fühlen. Nichts werde die Menschen auf dem Weg nach Europa aufhalten, mahnte Juncker schon im September im EU-Parlament: "Kein Meer, keine Grenze, keine Zäune ..."  Aber die Bereitschaft, auf ihn zu hören, nimmt spürbar ab. Mehr denn je ist die Rede von Zäunen. Ungarn machte den Anfang an der Grenze zu Serbien. Bulgarien rollte an der Grenze zur Türkei Stacheldraht aus. Auch in Kroatien, Slowenien und in Österreich gelten Zäune als Option, zumindest als "letztes Mittel", um Menschen aus dem Land zu halten, vor allem jene, denen von vornherein keine Schutzbedürftigkeit zugesprochen wird oder deren Asylchancen als sehr gering gelten. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz sagte dazu im ORF: "Wenn die Theorie der sinnlosen Zäune stimmen würde, dann frage ich mich aber auch, warum die Grenze zwischen der Türkei und Bulgarien funktioniert. Dort gibt es seit Jahren einen Zaun. Die Aussage, dass das nicht funktioniert, ist schlicht und ergreifend falsch!" Was wird aus den Menschen hinter dem Zaun? Aber wohin mit den Menschen, die hinter dem Zaun stehen? Wer versorgt sie dort, überprüft sie oder schickt sie zurück? Und wohin gehen diese Menschen dann? Diese Frage wird in Brüssel gestellt, ohne dass die Politiker, die Zäune bauen oder in Erwägung ziehen, darauf eine überzeugende Antwort präsentieren können. Tatsächlich kommen über die türkisch-bulgarische Grenze viel weniger Menschen in die EU als über die Ägäis nach Griechenland. "Die Menschen suchen sich neue Wege", so die Erkenntnis der UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Schon seit Jahren ist die griechische Landgrenze zur Türkei kaum zu überwinden. Die Menschen kommen über den Seeweg nach Griechenland, auf die griechischen Inseln, dorthin, wo es bis jetzt noch keine durchweg gut funktionierenden "Hot Spots" zur Registrierung und Kontrolle der ankommenden Flüchtlinge gibt. Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban sagt: Ein Europa der Zäune wird es solange geben, solange die Menschen nicht schon dort aufgehalten werden: "Was jetzt passiert, dafür haben die EU-Regierungschefs niemals die Erlaubnis von den Bürgern bekommen, nämlich so viele Migranten in die EU zu lassen. Diese Situation destabilisiert europäische Demokratien." Europa macht dicht Auch die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner verwendet inzwischen scharfe Formulierungen. Sie forderte am österreichisch-slowenischen Grenzübergang Spielfeld, "dass wir aus Europa eine Festung bauen, dass die EU-Außengrenzen ganz genau und dicht gesichert werden!"         An der griechischen EU-Außengrenze müsse jeder registriert werden "und dann im Falle der Schutzbedürftigkeit auf die Mitgliedstaaten der EU verteilt werden." Weit am Ziel vorbei Die österreichische Innenministerin trifft einen schwachen Punkt der EU. Bisher ist nicht klar, wohin schutzbedürftige Menschen am Ende kommen und was mit jenen geschieht, die als nicht schutzbedürftig gelten. Nur neun EU-Staaten von 28 haben mitgeteilt, insgesamt 854 Menschen aufzunehmen, rechnete eine Sprecherin der EU-Kommission nun vor. Das ist eine geringe Zahl angesichts der beschlossenen Aufnahmequoten. Das Ziel ist, innerhalb der kommenden zwei Jahre 160.000 Menschen in Not aufzunehmen. Das sind ohnehin nicht alle, die schon den Weg in die EU gefunden haben. Aber schon damit tun sich viele EU-Staaten offenbar schwer. Ungarn will niemanden aufnehmen. EU-Anwärter will sich beteiligen Erstaunlich ist immerhin, dass inzwischen auch ein Nicht-EU-Land mitmachen will, das sich im Gegenzug Fortschritte bei den Beitrittsverhandlungen versprechen dürfte: "Wir haben unsere Entscheidungen schon getroffen: Wir sind bereit, uns am Quoten-System zu beteiligen", verspricht Serbiens Premier Alexandar Vucic. "Zu uns kommen die Menschen aus Mazedonien und aus Bulgarien. Serbien ist das Zentrum." Von seinen EU-Kollegen und von der EU-Kommission fordert Vucic: "Sagt uns nur, was wir tun sollen". Das dürfte nicht einfach werden am Sonntag. Eine faire Verteilung der Menschen in der EU, so die Idee von Jean-Claude Juncker, hat derzeit wenig Chancen. Der Widerstand ist groß: "Es fehlt an Europa", klagte Juncker in einer viel beachteten Rede im EU-Parlament mit Blick auf die Migrationskrise schon im September. Viele EU-Staaten setzen auf nationale Konzepte, weil sie Europa nicht mehr sehen. Am Ende setzen sie auf Zäune.
Andreas Meyer-Feist
Vor dem kleinen EU-Gipfel wird klar: In der Flüchtlingspolitik setzen die EU-Staaten immer stärker auf nationale Wege. Es ist häufiger von Zäunen die Rede als von einer gemeinsamen Lösung. Nur ein EU-Anwärter auf dem Balkan gibt sich offen.
[ "EU-Flüchtlingspolitik" ]
Ausland
2015-10-23T19:14:15.291Z
2023-03-01T21:14:01.035Z
https://www.tagesschau.de//ausland/eu-fluechtlingspolitik-107.html
Arcandor-Pleite würde auch die Post treffen
Rund 4000 Mitarbeiter der Post sind mit Arcandor-Aufträgen beschäftigt - eine Pleite des Konzerns würde auch den Logistikkonzern hart treffen. Zumal bei einem Zusammenbruch die Versandhandelssparte an Otto gehen könnte, der einen eigenen Paketdienst betreibt. Ein Zusammenbruch der Karstadt-Mutter Arcandor würde auch die Deutsche Post empfindlich treffen. Der Bonner Konzern erledigt für Arcandor vor allem Dienstleistungen im Logistik- sowie im Paket- und Briefgeschäft. Insgesamt 4000 Mitarbeiter der Post seien mit Arcandor-Aufträgen beschäftigt, sagte ein Post-Sprecher. Rund 1000 davon seien im Paket- und Briefgeschäft tätig, die restlichen 3000 in der Logistik. Zum Umsatzvolumen, das die Post jährlich aus Aufträgen der Arcandor-Versandhandelssparte Primondo (Quelle) und der Warenhauskette Karstadt erzielt, wollte der Sprecher keine Angaben machen. Arcandor sei aber ein "großer Kunde", betonte er. Die Karstadt-Mutter hat nach eigenen Angaben insgesamt 20.000 Lieferanten und Dienstleister in Deutschland. Otto mit Interesse an Quelle Eine Arcandor-Pleite käme für die Post zur Unzeit. Denn der Bonner Konzern kämpft mit einem Umsatz- und Gewinnrückgang im Briefgeschäft. Interesse an der Arcandor-Versandsparte Primondo hat bereits der Versandhändler Otto angemeldet. Otto verfügt allerdings mit dem Paketdienst Hermes über einen eigenen Anbieter für den Transport von Gütern, der in Konkurrenz zur Post steht. Hermes ist zudem an der deutschen Tochter des Post-Wettbewerbers TNT, TNT Post, beteiligt.
tagesschau.de
Rund 4000 Mitarbeiter der Post sind mit Arcandor-Aufträgen beschäftigt - eine Pleite des Konzerns würde auch den Logistikkonzern hart treffen. Zumal bei einem Zusammenbruch die Versandhandelssparte an Otto gehen könnte, der einen eigenen Paketdienst betreibt.
[ "Meldung" ]
Wirtschaft
2009-06-05T15:36:26.011Z
2023-03-01T23:35:54.204Z
https://www.tagesschau.de//wirtschaft/postarcandor-ts-100.html
Nach Blockade im Sicherheitsrat: Syrien erlaubt UN humanitäre Hilfe
Nach einer Blockade im UN-Sicherheitsrat hat Syrien den Vereinten Nationen weitere humanitäre Hilfslieferungen aus der Türkei in Rebellengebiete des Bürgerkriegslands erlaubt. Die Zusage gilt laut Damaskus für sechs Monate. Nach den festgefahrenen Verhandlungen im UN-Sicherheitsrat können über den türkisch-syrischen Grenzübergang Bab al-Hawa nun doch wieder Hilfsgüter-Lieferungen in die syrischen Rebellengebiete erfolgen. Syriens Regierung genehmigte die Nutzung des Grenzübergangs zwischen den beiden Ländern vorerst für weitere sechs Monate. "Die Regierung der Arabischen Republik Syrien hat die souveräne Entscheidung getroffen, den Vereinten Nationen und ihren Sonderorganisationen die Erlaubnis zu erteilen, den Grenzübergang Bab al-Hawa zu nutzen", schrieb der syrische UN-Botschafter Bassam Sabbach in einem Brief an das mächtigste UN-Gremium, den Sicherheitsrat. UN-Sprecher Stéphane Dujarric sagte, das Schreiben aus Syrien würde nun geprüft werden. Sicherheitsrat rang vergeblich um Einigung Bereits am Montag war eine Vereinbarung des UN-Sicherheitsrats ausgelaufen, die internationale Hilfslieferungen für Menschen in den syrischen Rebellengebieten genehmigt hatte. Tagelang hatte das Gremium zuvor vergeblich um eine Einigung gerungen. Doch die 15 Mitglieder des Sicherheitsrats konnten sich nicht rechtzeitig auf eine Verlängerung einigen. Grund dafür war ein Veto Russlands im Sicherheitsrat gegen eine Verlängerung für neun Monate. Einen Gegenentwurf vonseiten Russlands lehnten die Mitglieder mit großer Mehrheit ab. Darin ging es unter anderem um Änderungen zu den westlichen Sanktionen gegen die Regierung von Syriens Machthaber Baschar al-Assad, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet. Generalsekretär Antonio Guterres hatte sich für eine zwölfmonatige Verlängerung eingesetzt. Syrien sieht Souveränität verletzt Der Sicherheitsrat muss die seit 2014 laufenden Hilfsmaßnahmen genehmigen, weil Syrien dem humanitären Einsatz in Rebellengebieten nicht zustimmt. Um eine Resolution umzusetzen, müssen mindestens neun der 15 Mitglieder zustimmen. Außerdem darf keins der fünf ständigen Mitglieder - Russland, China, die USA, Frankreich und Großbritannien - ein Veto einlegen. Russland ist einer der engsten Verbündeter von Syriens Regierung. Machthaber Assad hatte in den vergangenen Jahren auf die Schließung der Grenzübergänge gepocht, um Einfluss auf die von Rebellen gehaltenen Teile des Landes zurückzugewinnen. Die beiden Länder sehen in den UN-Lieferungen eine Verletzung der Souveränität Syriens. Russland hatte 2015 auch militärisch in den Syrien-Krieg eingegriffen. Bab al-Hawa wichtigster Grenzübergang Nach Angaben der UN sind in Syrien mehr als vier Millionen Menschen auf die Lieferungen von Essen, Wasser und Medikamenten angewiesen. 85 Prozent aller Güter für den Nordwesten laufen den UN zufolge über den türkisch-syrischen Grenzübergang Bab al-Hawa, der jedoch nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa in der Nacht von Montag auf Dienstag geschlossen wurde. Dies ist die einzige Route, über die UN-Hilfen an die syrische Bevölkerung geliefert werden können, ohne von syrischen Regierungstruppen kontrollierte Gebiete passieren zu müssen.  Nach den schweren Erdbeben in Syrien und der Türkei vor einigen Monaten hatte Assad zwei weitere Grenzübergänge zur Türkei übergangsweise freigegeben: Bab al-Salam und Al-Ra'ee sind auch weiterhin offen. Bab al-Hawa ist allerdings deutlich wichtiger.
Nach einer Blockade im UN-Sicherheitsrat hat Syrien den Vereinten Nationen weitere humanitäre Hilfslieferungen aus der Türkei in Rebellengebiete des Bürgerkriegslands erlaubt. Die Zusage gilt laut Damaskus für sechs Monate.
[ "Syrien", "Vereinte Nationen", "Hilfsgüter" ]
Ausland
Asien
2023-07-14T06:31:23.428Z
2023-07-14T07:17:43.700Z
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Deutschland und Großbritannien wollen militärisch enger kooperieren
Der Krieg gegen die Ukraine lässt Deutschland und Großbritannien enger zusammenrücken - nun auch militärisch. Verteidigungsminister Pistorius und sein britischer Kollege Healey haben eine entsprechende Erklärung unterzeichnet. Nach dem Brexit und dem Regierungswechsel in London wollen Deutschland und Großbritannien nun bei der Verteidigung enger zusammenarbeiten. Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein neuer britischer Kollege John Healey haben in Berlin eine entsprechende "Joint Defence Declaration" unterzeichnet. "Wir wollen und wir müssen noch enger zusammenarbeiten", sagte Pistorius. "Wir wollen unsere Beziehung auf ein neues Fundament stellen." Demnach wollen die beiden Staaten zusammenarbeiten, um die Rüstungsindustrie zu stärken, die europäische Sicherheit zu verbessern und die Ukraine im Kampf gegen die russischen Streitkräfte zu unterstützen. "Das ist eine der Lehren, die wir ziehen müssen aus dem Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt", fügte der SPD-Politiker hinzu. Der europäische Pfeiler innerhalb der NATO solle gestärkt werden. "Trainieren zusammen und trinken Bier zusammen" Healey nannte die Erklärung einen wesentlichen Schritt hin zu einer tieferen Verteidigungszusammenarbeit beider Länder und betonte die bereits bestehende Kooperation. "Wir kämpfen zusammen, wir trainieren zusammen, und wir trinken Bier zusammen." Sein Ministerium erklärte, beide Länder würden auch bei der Bewältigung von Sicherheitsherausforderungen, etwa im Cyber-Bereich, zusammenarbeiten. Der Labour-Politiker lobte die führende Rolle Deutschlands bei der Unterstützung der Ukraine. Deutschland habe viel getan und bekomme manchmal nur wenig Anerkennung dafür. Russlands Präsident Wladimir Putin werde nicht bei der Ukraine aufhören, wenn er gewinne. Die Verteidigung europäischer Sicherheit beginne dort. Gemeinsame Beschaffung von Präzisionswaffen Bei dem Treffen kündigte Healey laut Pistorius zudem an, dass Großbritannien dem Projekt zur gemeinsamen Entwicklung, Beschaffung und Produktion von weitreichenden Präzisionswaffen beitreten wird. Damit sollten gemeinsam eine europäische Fähigkeitslücke - gemeint ist beispielsweise fehlende oder veraltete Ausrüstung - geschlossen und die anteiligen Kosten für alle gesenkt werden. Bislang sind daran Deutschland, Frankreich, Italien und Polen beteiligt, die beim NATO-Gipfel in Washington eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet hatten. Der Anstoß für die gemeinsame Erklärung ging laut Pistorius von Healey aus, der in der neuen Labour-Regierung noch keine drei Wochen im Amt ist. "Europäische Sicherheit hat oberste Priorität" Healeys Berlin-Besuch ist Teil einer zweitägigen Reise, die ihn auch nach Frankreich, Polen und Estland führt. "Diese Besuche vermitteln die klare Botschaft, dass die europäische Sicherheit für diese Regierung oberste Priorität in der Außen- und Verteidigungspolitik hat", sagte der Minister. Healey ist erst seit zweieinhalb Wochen im Amt. Er gehört der von Premierminister Keir Starmer geführten Labour-Regierung an, an die sich von deutscher Seite Hoffnungen auf einen Neustart der Beziehungen richten. Deutschland und Großbritannien sind enge NATO-Verbündete.  Großbritannien will Verteidigungsausgaben auf 2,5 Prozent des BIP erhöhen Eines der Ziele der neuen britischen Regierung ist die Stärkung des Militärs. Starmer hat eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Ziel ausgegeben. Der Regierungschef stimme auch einer Äußerung des britischen Generalstabschefs zu, wonach das britische Militär in drei Jahren kriegsbereit sein müsse, sagte ein Regierungssprecher.  Die neue Labour-Regierung hatte als eine ihrer ersten Amtshandlungen eine Überprüfung der Verteidigungsstrategie des Landes angekündigt. Geleitet werden soll sie von dem früheren NATO-Generalsekretär und Ex-Verteidigungsminister George Robertson.
Der Krieg gegen die Ukraine lässt Deutschland und Großbritannien enger zusammenrücken - nun auch militärisch. Verteidigungsminister Pistorius und sein britischer Kollege Healey haben eine entsprechende Erklärung unterzeichnet.
[ "Großbritannien", "Kooperation", "Militär" ]
Inland
2024-07-24T16:36:59.250Z
2024-11-03T12:21:03.239Z
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Ingenieure fordern neue Vorgaben zur Reinigung von Kfz-Klimaanlagen
Jedes dritte Auto ist im Innenraum belastet - mit Pilzen, Pollen und allen möglichen Partikeln. Der Verein Deutscher Ingenieure fordert strengere Vorgaben bei der Wartung von Klimaanlagen. Von Juri Sonnenholzner Wenn die Sonne den Innenraum des Autos heiß werden ließ, dann öffnete mancher Autofahrer einst eine kleine Frischluftklappe unterhalb der Windschutzscheibe oder ein Ausstellfenster. Der Fahrtwind blies so direkt in den Innenraum - und vielleicht auch kühlend ins Antlitz der Insassen.   Einfache Technik, aber leider auch nur für einfacheres Komfort-Bewusstsein geeignet. Wer es angenehmer haben wollte und finanziell entsprechend ausgestattet dazu war, der konnte seit den 1960er-Jahren Wagen mit Klimaanlage ordern. Mittlerweile gehören diese zur Basisausstattung vieler Fahrzeuge. Positiver Nebeneffekt: Ein kühler Kopf bewahrt vor Fahrfehlern. Studien belegen ein höheres Unfallrisiko bei höherer Temperatur im Auto. "Jedes dritte Fahrzeug belastet" Die körperliche Unversehrtheit leidet laut dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) in vielen Fällen aber auch unter den Klimaanlagen: "Nach unseren Untersuchungen ist jedes dritte Fahrzeug stark bis sehr stark belastet, vor allem mit Mikroorganismen", sagt Andreas Winkens. Er ist Inhaber eines Ingenieurbüros mit Schwerpunkt für Raumluftqualität und Vorsitzender der VDI-Richtliniengremien zur Lufthygiene.   Eigentlich sollten im Fahrzeug verbaute Innenraumfilter unerwünschte Mitfahrer draußen halten. Doch sind die Filter oft alt, voll oder fehlerhaft eingebaut. Dann finden Pollen, Schimmelpilze oder Feinstaub und Rußpartikel dennoch Eingang ins Fahrzeuginnere. Ein späterer Beleg dafür: Es stinkt! Winkens erklärt: "Die Filter werden mit der Zeit sogar zu Speichern. Wenn die Filter nicht regelmäßig oder unsachgemäß gewechselt werden, habe ich natürlich ein Problem." Wenige Studien zu Gesundheitsfolgen Frank Powitz vom Bundesverband Deutscher Pneumologen warnt, dass bei schlecht gewarteten Klimaanlagen sogar die Gefahr einer Lungenerkrankung besteht: die sogenannte "Befeuchterlunge", im Fachjargon "exogen allergischen Alveolitis, kurz EAA". Diese Erkrankung könne durch sehr viele verschiedene Faktoren entstehen, eben auch durch Einatmen von organischen Partikeln wie Pilze oder Bakterien in kontaminierten Klimaanlagen. "Allerdings gibt es keine differenzierte Datenlage zur EAA durch Autoklimaanlagen", schränkt Powitz ein.  "Zu lässig an die Sache herangegangen" Tatsächlich gibt es wenig belastbare Studien zum Thema Gesundheit und Kfz-Klimaanlage. Dennoch klingt es einleuchtend, wenn Ärzte wie Powitz zu regelmäßigem Wechsel des Filters der Lüftungsanlage aufrufen. Er spricht dabei von einer "permanent höheren Pollenlast infolge des Klimawandels und einer erheblichen Zunahme von allergischen Erkrankungen". Doch viele Autowerkstätten widmen sich der Kfz-Klimaanlagen zwar schnell und billig, einer Qualitätsprüfung hielten die Ergebnisse aber oft nicht stand, berichtet Winkens: "Man ist da bisher ein wenig zu lässig an die Sache herangegangen."   Zum Einsatz kämen Schäume, Ultraschallvernebler und anderes zum Übertünchen mit Duftstoffen. "Die Methoden stehen allesamt für einen grundsätzlich fehlenden Hygiene-Standard und für die mangelhafte Wartung und Reinigung von Kfz-Klimaanlagen in der gesamten Automobilbranche." Neuer Standard für die Kfz-Branche Ein neuer Standard für die Reinigung von Klimaanlagen soll nun für Abhilfe sorgen. VDI und der ZDK haben nun eine entsprechende Richtlinie vorgestellt. Sie sieht unter anderem mehr Schulungen vor, in Kfz-Werkstätten soll für das Thema sensibilisiert werden. Vorgesehen ist auch eine jährliche Reinigung der Klimaanlage, die gründlicher ausfallen soll als bisher.   "In Gebäuden ist das überhaupt kein Thema, da werden die Filter jährlich gewechselt", gibt Winkens zu Bedenken. "Im engen Raum Auto hingegen sehen manche Hersteller einen Wechsel erst nach drei, vier Jahren vor." Zu spät, findet Winkens: "Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Wenn Sie sehen, was da drinsteckt, wird Ihnen schlecht."   Winkens empfiehlt einen Filterwechsel jedes halbe Jahr, zu Beginn und zum Ende der Pollensaison, also vor dem Winter. Andernfalls würden Autobesitzer Mikroorganismen in der heizenden Lüftungsanlage durch den Winter spazieren fahren. Vorsicht bei "Hilf dir selbst"-Lösungen Einen Filterwechsel können bei manchen Fahrzeugen auch wenig versierte Autobesitzer vielleicht noch selbst erfolgreich vornehmen. Anders sieht es allerdings bei der Reinigung des Kernstücks der Klimaanlage aus, dem Verdampfer. Da er meist tief im Inneren des Autos verbaut ist, kann meist nur geschultes Personal seinen Bewohnern zu Leibe rücken.  Zwischen den engen Lamellen des Verdampfers herrscht ein feuchtes Milieu - viel Nährboden für Schimmelpilze, Keime und Bakterien. Sie werden von hier aus ungefiltert in die Belüftungsschläuche des Fahrzeugs gepustet - selbst wenn die Kühlfunktion nicht aktiv ist. "Der Verdampfer ist für die Reduktion von Keimen, Allergenen und aller Arten von Biowachstum das zentrale Bauteil. Ist er belastet, ist es auch die Luft", erklärt Winkens. Nur die spezielle Behandlung in der Werkstatt könne helfen. Desinfektionssprays kontraproduktiv Von Desinfektionssprays in Klickdosen, die in "Hilf dir selbst"-Internetvideos angepriesenen werden, hält ZDK-Vizepräsident Detlef Grün wenig: "Wir haben sie in unserer Werkstatt früher selbst benutzt. Aber nach den Tests sehe ich ihren Wert anders." Meist sind es Spraydosen, die im Auto bei eingeschalteter Klimaanlage aktiviert werden. Der Nutzer verlässt das Auto und die Klimaanlage soll das im Innenraum verteilte Spray einsaugen und die Anlage damit reinigen. "Wenn Oberflächen mikrobiologisch verschmutzt sind, löst sich der Schmutz nicht, weil irgendein Gas vorbeigeflogen kommt. Wir duschen uns ja auch nicht mit Sprays", schüttelt Winkens den Kopf und macht auf einen Nebeneffekt aufmerksam: "Das Gas bleibt lange im Innenraum, der Fahrzeugnutzer atmet so jede Menge von den konzentrierten, schädigenden Stoffen ein."  Letztendlich sollte sich die Kundschaft nicht von günstigen Begriffen wie "Klimaservice" oder "Klimacheck" blenden lassen, wünscht sich Winkens. Stattdessen sollten Kunden gezielt nach der neuen "VDI/ZDK-Richtlinie 6032" fragen, um eine Reinigung des gesamten Klimasystems zu erhalten. Die sei zwar nicht für 15 Euro zu haben, aber verhindere so manches Unbehagen: In Innenraumluftfiltern fanden Mechaniker schon verweste Mäuse.
Juri Sonnenholzner
Jedes dritte Auto ist im Innenraum belastet - mit Pilzen, Pollen und allen möglichen Partikeln. Der Verein Deutscher Ingenieure fordert strengere Vorgaben bei der Wartung von Klimaanlagen.
[ "Auto", "Klimaanlagen", "Luftqualität", "Gesundheit" ]
Wirtschaft
Verbraucher
2024-06-09T12:14:15.982Z
2024-11-15T05:40:06.848Z
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Neue britische Regierung stellt sich auf No-Deal-Brexit ein
Für Großbritanniens Regierung wird ein Austritt aus der EU ohne Abkommen immer realistischer. Eine der größten öffentlichen Kampagnen aller Zeiten soll - laut Finanzminister Javid - auch auf einen No Deal vorbereiten. Die neue britische Regierung stellt sich offenbar immer stärker auf einen EU-Austritt ohne Abkommen ein. Staatsminister Michael Gove sagte der "Sunday Times", die Regierung gehe von der Annahme aus, dass Brüssel kein neues Abkommen aushandeln werde. "Die gesamte Maschinerie der Regierung werde auf Hochtouren arbeiten", um sich auf einen No Deal vorzubereiten. "Mit einem neuen Premierminister, einer neuen Regierung und neuer Klarheit des Auftrags werden wir die EU am 31. Oktober verlassen. Ohne Wenn. Ohne Aber. Keine weiteren Verschiebungen. Der Brexit wird erfolgen." Geld für Kampagne Laut Finanzminister Sajid Javid werden nun erhebliche zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Großbritannien soll darauf vorbereitet werden, die EU am 31. Oktober mit oder ohne Abkommen zu verlassen, sagte er dem "Sunday Telegraph". Mit dem zusätzlichen Geld soll eine der größten öffentlichen Kampagnen aller Zeiten finanziert werden, um sicherzustellen, dass Einzelpersonen und Unternehmen für einen No Deal bereit seien. Er plant demnach, 500 neue Grenzschutzoffiziere zu finanzieren. Darüber hinaus will er eine neue Infrastruktur rund um die Häfen des Landes prüfen, auch um zu sichern, dass der Warenverkehr fließen könne. Am Donnerstag hatte Johnson in seiner ersten Rede im neuen Amt im Parlament in London bereits deutlich gemacht, dass seine Regierung verpflichtet sei, den EU-Austritt am 31. Oktober umzusetzen - "unter allen Umständen". Er pochte darauf, das zwischen seiner Vorgängerin Theresa May und der Europäischen Union vereinbarte Austrittsabkommen nachzuverhandeln. Ansonsten müsse sich Großbritannien ohne Deal von der EU trennen. Eine Neuverhandlung lehnt Brüssel ab. Konservative legen in Umfrage zu Der neue Kurs findet bei Wählern offenbar Zuspruch. Die britischen Konservativen haben unter ihrem neuen Premierminister Johnson in Umfragen zugelegt. Der Zeitung "Sunday Times" zufolge liegen die Tories nun laut einer YouGov-Erhebung bei 31 Prozent. Das seien sechs Prozentpunkte mehr als bei der vorherigen Umfrage und zehn Punkte vor der Labour-Partei. Die führende britische Forschungsstiftung warnte hingegen die neue Regierung vor massiven Negativfolgen für die Wissenschaft im Falle eines ungeordneten EU-Austritts. Seit der Brexit in Gang gesetzt wurde, sei mit dem Verlust von Forschern und Einfluss schon "einiger Schaden entstanden", schrieb die Vorsitzende des Wellcome Trust, Eliza Manningham-Buller, in einem Brief an Johnson. Es gelte, die Hürden für globale Zusammenarbeit in Europa zu senken, denn dort lägen Großbritanniens "engste und umfassendste Forschungsbeziehungen".
tagesschau.de
Für Großbritanniens Regierung wird ein Austritt aus der EU ohne Abkommen immer realistischer. Eine der größten öffentlichen Kampagnen aller Zeiten soll - laut Finanzminister Javid - auch auf einen No Deal vorbereiten.
[ "Brexit", "No Deal", "EU" ]
Ausland
2019-07-28T03:09:07.709Z
2023-03-01T18:31:30.540Z
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2013-05-24T13:48:07.856Z
2024-04-04T13:40:39.075Z
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Energieeffiziente Gebäude: Schlussakt im Ringen um die Richtlinie?
Um die Richtlinie für die Energieeffizienz von Gebäuden ist in der EU hart gerungen worden. Nun soll sie vom Parlament verabschiedet werden - doch Änderungen sind bis zum Schluss möglich. Was könnte sie ändern? Von Paul Vorreiter Das EU-Parlament in Straßburg kann heute den Haken hinter die Gebäuderichtlinie setzen. Mitgliedsländer und Parlament haben sich bereits im Dezember auf neue Zielvorgaben zur Energieeffizienz von Gebäuden geeinigt. Die Richtlinie ist Teil des Europäischen Grünen Deals. Neben vielen anderen Gesetzen des sogenannten Fit-for-55-Pakets soll sie dazu beitragen, den C02-Ausstoß bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken und in einem weiteren Schritt bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Der Gebäudesektor gilt dabei neben dem Verkehrssektor als großes Hindernis auf dem Weg zur Klimaneutralität. Nach Angaben der EU-Kommission entfallen 36 Prozent der Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union auf Gebäude. Bisher liegt der Umfang der Sanierungen weit unter den Erwartungen. Die Baubranche leidet unter Auftragseinbrüchen. Gleichzeitig steigt der Anteil der Menschen, die von Energiearmut bedroht sind. Dem versucht die Richtlinie zu begegnen. Einsparziele beim Primärenergieverbrauch Die Richtlinie setzt unter anderem Zielvorgaben für den Wohngebäudebestand. Dabei unterscheidet sie zwischen Nicht-Wohngebäuden und Wohngebäuden. Bei Wohngebäuden müssen die Mitgliedsländer sicherstellen, dass der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des gesamten Wohnungsbestandes bis 2030 um mindestens 16 Prozent und bis 2035 um mindestens 20 bis 22 Prozent sinkt. Vergleichswert dazu ist das Jahr 2020. Einen Großteil der Energieeinsparungen müssen dabei die Gebäude leisten, die am schlechtesten energetisch saniert sind. Wie die Vorgabe erreicht wird, liegt weitgehend in der Verantwortung der jeweiligen Mitgliedsstaaten. Schwellenwert für die Energieverschwender Bei den Nicht-Wohngebäuden müssen die Mitgliedstaaten nach und nach sicherstellen, dass die energetisch schlechtesten Gebäude einen bestimmten Schwellenwert beim Energiebedarf nicht mehr unterschreiten. Unter Primärenergieverbrauch versteht man dabei die gesamte Energie, die notwendig ist, damit der Endenergiebedarf eines Hauses gedeckt werden kann. Bevor die Energie die Immobilie erreicht, müssen etwa fossile Energieträger aufwendig gewonnen und umgewandelt werden. Auch das wird also beim Primärenergieverbrauch berücksichtigt. Von den neuen Vorschriften ausgenommen werden können landwirtschaftliche und denkmalgeschützte Gebäude, ebenso architektonisch wertvolle Immobilien, Kirchen oder temporäre Gebäude.   Null-Emissionsgebäude beim Neubau Ab 2028 sollen Neubauten im öffentlichen Eigentum gar keine Emissionen ausstoßen. Man spricht von "Zero Emission Buildings" (ZEB). Ab 2030 sollen alle Neubauten ZEB sein. Wenn es technisch und wirtschaftlich sinnvoll ist, müssen die Mitgliedstaaten bis 2030 schrittweise Solaranlagen in öffentlichen Gebäuden und Nichtwohngebäuden, je nach deren Größe und in allen neuen Wohngebäuden installieren. In neun deutschen Bundesländern gibt es bereits einen Solarstandard, der dann bundesweit ausgeweitet werden muss. Ab 2025 darf auch der Einbau einer Gas- oder Ölheizung nicht mehr finanziell gefördert werden. Möglich sind aber finanzielle Anreize zum Einbau hybrider Heizsysteme, wenn der Heizkessel zusammen mit einer Solarthermie-Anlage oder einer Wärmepumpe kombiniert wird. Heizungsanlagen, die mit fossilen Brennstoffen funktionieren, sollen bis 2040 ersetzt werden. Keine Sanierungspflicht Die Gebäude-Richtlinie hatte während der Verhandlungen viel Kritik auf sich gezogen. Von Zwangssanierungen und einer finanziellen Überlastung von Wohnungseigentümern war die Rede. Ursprünglich sollten die Gebäude im schlechtesten energetischen Zustand schrittweise teilsaniert werden. Ziel war es im Vorschlag der Kommission, dass alle Wohnhäuser bis zum Jahr 2030 in die Energieeffizienzklasse F aufsteigen, 2033 dann in die Klasse E. Auch das EU-Parlament hatte schärfere Regeln vorgeschlagen. Während der Verhandlungen wurden der Richtlinie die scharfen Zähne wieder gezogen. Viele der Sanierungsziele gelten nur unter Vorbehalt, dass sie wirtschaftlich und technisch machbar sind. Zur Erreichung der Einspar-Zielvorgaben können auch bisherigen Fördermaßnahmen gegengerechnet werden. Wie es nach der Abstimmung weitergeht Im Dezember hatten sich EU-Parlament, Länder und Rat bereits auf den Kompromiss geeinigt. Heute stimmt das EU-Parlament final über das Gesetz ab. Es ist nicht ausgeschlossen, dass noch Änderungsanträge zur Abstimmung gestellt werden. Manche Christdemokraten etwa hatten den Mehrwert der Richtlinie in Frage gestellt, weil der europäische Emissionshandel bereits auf den Gebäudebereich ausgeweitet wurde. Auch von Teilen der Liberalen und Vertreter rechter Fraktionen gab es Kritik an zu viel Regulierung. "Die EU-Gebäuderichtlinie EPBD könnte bei der geplanten Abstimmung als einziges Vorhaben des Green Deals scheitern", warnt der Umweltverband WWF Deutschland. "Das hätte drastische Konsequenzen für den Klimaschutz im Gebäudebereich und könnte das Risiko für Energiearmut erhöhen." Nationale Gebäudesanierungspläne Sobald die Richtlinie beschlossen ist, haben die EU-Staaten 24 Monate Zeit, die Regeln in nationale Gesetzgebung zu gießen. Dabei können sie auch Spielräume des Gesetzes nutzen. Denkbar wären Ausnahmeregelungen für Rentner, sozial benachteiligte Menschen oder Ferienimmobilien.   Ende kommenden Jahres sollen der EU-Kommission die nationalen Renovierungspläne der Mitgliedsländer vorgelegt werden und ein weiteres Jahr darauf dann verabschiedet werden. Die Richtlinie wirkt also nicht sofort. Da sich allerdings die Sanierungszyklen im Bau über mehrere Jahre hinziehen, bereiten sich Investoren und Baubranche schon jetzt auf die Veränderungen vor. Mehr als zwei Millionen Wohngebäude in Deutschland haben schätzungsweise die Energieeffizienzklasse G. Das entspricht knapp 15 Prozent der deutschen Wohnimmobilien. Auf diese besonders energieverbrauchenden Gebäude dürfte der Fokus der politischen Debatte nun fallen.
Paul Vorreiter
Um die Richtlinie für die Energieeffizienz von Gebäuden ist in der EU hart gerungen worden. Nun soll sie vom Parlament verabschiedet werden - doch Änderungen sind bis zum Schluss möglich. Was könnte sie ändern?
[ "EU", "Energieeffizienz", "Gebäude", "Klimaschutz" ]
Ausland
Europa
2024-03-12T07:37:42.609Z
2024-03-12T08:21:27.920Z
https://www.tagesschau.de//ausland/europa/eu-gebaeude-energie-richtlinie-100.html
Kämpfe im Norden Kolumbiens treiben Tausende Menschen in die Flucht
Kämpfe in Kolumbien haben Tausende Menschen vertrieben. Viele sind ins benachbarte Venezuela geflohen. Die kolumbianische Regierung wirft der Rebellengruppe ELN Kriegsverbrechen vor und hat Gespräche mit ihr abgebrochen. Im Norden von Kolumbien sind Tausende Menschen aufgrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden paramilitärischen Gruppen geflohen. Vor allem die Region Catatumbo ist von den Kämpfen zwischen der linksgerichteten Nationalen Befreiungsarmee (ELN) und einer Splittergruppe der früheren FARC-Guerilla betroffen. Mindestens 80 Menschen sollen getötet worden sein. Die Region liegt nahe der Grenze zu Venezuela. Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) zufolge sind schon mehr als 1.000 Kolumbianierinnen und Kolumbianer in das Nachbarland geflohen. Insgesamt seien durch die Kämpfe mehr als 18.000 Menschen vertrieben worden. Das kolumbianische Militär geht inzwischen von etwa 20.000 Menschen aus, die ihr Zuhause wegen der Gewalt verlassen mussten. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich zutiefst besorgt über die eskalierende Gewalt, wie ihn sein Sprecher Stéphane Dujarric zitierte. Guterres forderte die "unverzügliche Einstellung von Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung". Präsident will Ausnahmezustand ausrufen Es wird vermutet, dass die rivalisierenden Gruppierungen um die Vorherrschaft im Kokainhandel kämpfen. Die kolumbianische Regierung macht die ELN für die Kämpfe verantwortlich und wirft ihr vor, Kriegsverbrechen zu begehen. Berichten zufolge soll die Rebellengruppe Zivilisten angegriffen haben, denen sie vorwarf, mit der Gruppe FARC-EMC zu kollaborieren. Demnach trieben ELN-Kämpfer die Menschen aus ihren Häusern und erschossen sie auf der Straße. Am Montag hatte der kolumbianische Präsident, Gustavo Petro, angekündigt, er werde aufgrund der Gewalt den Ausnahmezustand ausrufen. Dieser würde es ihm ermöglichen, Gesetze auch ohne die Zustimmung des Parlaments zu erlassen. Friedensgespräche mit ELN abgebrochen Die ELN ist die stärkste noch aktive Rebellenorganisation in Kolumbien und soll Tausende Kämpfer mobilisieren können. Wie viele Mitglieder die ELN genau hat, ist unklar. Ende der vergangenen Woche brach Präsident Petro die seit 2022 andauernden Friedensgespräche mit der ELN vorerst ab. Auch mit den Splittergruppen der früheren FARC will Petro einen dauerhaften Frieden erreichen. Abkommen über einen Waffenstillstand werden aber immer wieder gebrochen. Die FARC-Rebellengruppe hatte 2016 einen endgültigen Waffenstillstand mit der kolumbianischen Regierung vereinbart und anschließend die Waffen niedergelegt. Inzwischen ist die frühere FARC-Guerilla als politische Partei unter dem Namen "Comunes" aktiv. Mehrere Splittergruppen lehnten das Friedensvertrag jedoch ab.
Kämpfe in Kolumbien haben Tausende Menschen vertrieben. Viele sind ins benachbarte Venezuela geflohen. Die kolumbianische Regierung wirft der Rebellengruppe ELN Kriegsverbrechen vor und hat Gespräche mit ihr abgebrochen.
[ "Kolumbien", "ELN", "FARC", "Venezuela" ]
Ausland
Amerika
2025-01-22T07:57:08.933Z
2025-05-25T05:49:28.069Z
https://www.tagesschau.de//ausland/amerika/kolumbien-kaempfe-flucht-venezuela-100.html
Schottland: Sturgeons Ehemann Murrell wieder frei
Der festgenommene Ehemann der ehemaligen schottischen Regierungschefin Sturgeon, Peter Murrell, ist "ohne Anklage" wieder auf freiem Fuß. Dem einstigen Generalsekretär der SNP wird ein fragwürdiger Umgang mit Spendengeldern vorgeworfen. Der Ehemann von Schottlands Ex-Regierungschefin Sturgeon ist nach seiner Festnahme am Mittwochmorgen im Zuge von Ermittlungen zu den Finanzen der Regierungspartei Schottische Nationalpartei (SNP) wieder auf freiem Fuß. Der frühere SNP-Generalsekretär Peter Murrell sei "ohne Anklage vorbehaltlich weiterer Ermittlungen" freigelassen worden, erklärte die schottische Polizei. Die Polizei hatte zuvor mitgeteilt, einen 58-Jährigen in Gewahrsam genommen zu haben, um ihn zu "Parteifinanzen" zu befragen. Sie durchsuchte das Haus von Sturgeon und Murrell in Glasgow sowie den SNP-Hauptsitz in Edinburgh. Murrell war fast 25 Jahre lang Generalsekretär der SNP - bis zu seinem Rücktritt im vergangenen Monat im Streit um Mitgliederzahlen der Partei. Ärger um falsch deklariertes Darlehen Die SNP hatte gegenüber Medien fälschlicherweise behauptet, keine 30.000 Mitglieder verloren zu haben. Schon in der Vergangenheit hatte die mutmaßliche Abzweigung von rund 600.000 Pfund (etwa 684.000 Euro) Spendengeldern Fragen rund um Murrell aufgeworfen. Außerdem hatte er es versäumt, ein persönliches Darlehen an die Partei in Höhe von rund 100.000 Pfund (etwa 114.000 Euro) zu deklarieren - das könnte einen Bruch von Gesetzen zur Transparenz der Parteienfinanzierung darstellen.
tagesschau.de
Der festgenommene Ehemann der ehemaligen schottischen Regierungschefin Sturgeon, Peter Murrell, ist "ohne Anklage" wieder auf freiem Fuß. Dem einstigen Generalsekretär der SNP wird ein fragwürdiger Umgang mit Spendengeldern vorgeworfen.
[ "Schottland", "Sturgeon" ]
Ausland
Europa
2023-04-05T21:47:52.168Z
2024-05-07T16:00:09.438Z
https://www.tagesschau.de//ausland/europa/sturgeon-ehemann-103.html
Deutsche Start-ups sollen leichter an Kapital kommen
Ökonomen fordern seit langem mehr Risikofreude und Innovationen in der deutschen Wirtschaft. Eine neue Start-up-Strategie von Wirtschaftsminister Habeck soll dabei helfen.    Deutsche Start-ups sollen leichter an Risikokapital kommen, um ihre wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben zu können. Das sieht der Entwurf für eine neue Start-up-Strategie von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor. Ziel sei es, den deutschen Wagniskapitalmarkt weiter zu stärken und zusätzliche Möglichkeiten für großvolumige Finanzierungen durch inländische Investoren zu schaffen, heißt es darin. Einfachere Börsengänge Dafür wurde im vergangenen Jahr bereits der zehn Milliarden Euro schwere Zukunftsfonds ins Leben gerufen, der auch Hochtechnologie- und Klima-Start-ups gesondert fördert. Auf Europa-Ebene werde nun die Gründung von Mega-Fonds erwogen, und in der Bundesrepublik soll ein Programm zur Förderung von sogenannten Business Angels neu aufgelegt werden. Auch an den für Investoren und Firmen so wichtigen Börsengängen will die Bundesregierung etwas verändern und die Zulassungsregeln modernisieren. "Wir wollen die Breite der Themen abdecken und schnell zu einer finalen Strategie kommen, um die einzelnen Punkte Realität werden zu lassen. Wir wollen das in dieser Wahlperiode erreichen", sagte die Start-up-Beauftragte der Bundesregierung, Anna Christmann von den Grünen. Umsatzsteuerbefreiung geplant Die Branche beklagt sich seit langer Zeit darüber, dass den Start-ups nach einer ersten erfolgreichen Finanzierung in der frühen Phase oft beim weiteren Wachstum der Zugang zu Finanzspritzen im großen Stil verwehrt bleibt. Aktuell ist es in Deutschland für stark wachsende Jungfirmen, die einen hohen Kapitalbedarf haben, ohnehin schwer, ausreichend Geld zu erhalten. Bankkredite kommen aufgrund des Risikos für die Banken und deren Eigenkapitalregeln kaum in Frage. Deswegen läuft die Finanzierung über staatliche Förderprogramme sowie spezialisierte öffentliche und private Investoren. Hier will die Ampel-Koalition nun die Umsatzsteuerbefreiung von Wagniskapitalfonds umsetzen und strebt eine Mindestinvestitionsquote in diese Fonds an. Regulierung verhindert Geldfluss Künftig sollen ferner auch Versicherungen und Pensionskassen ihr Geld als Wagniskapital investieren dürfen. "Die Bundesregierung strebt den Aufbau eines Kapitalstocks bei der gesetzlichen und privaten Altersvorsorge an und wird diesen mit einer Mindestinvestitionsquote in VC-Fonds versehen, um die Verfügbarkeit von Risikokapital strukturell und dauerhaft zu stärken", heißt es in dem Papier. Die Abkürzung VC steht für Venture Capital, also Risikokapital. In den USA, den Golfstaaten, Skandinavien, Großbritannien und anderen Ländern fließen schon seit Jahren große Summen aus den Rentenkassen über Wagniskapitaltöpfe in die Finanzierung von jungen Firmen. In Deutschland verhindern regulatorische Vorgaben diesen Geldfluss dagegen weitgehend. Die richtigen Schwerpunkte gesetzt In der Corona-Krise waren die Finanzierungssummen angesichts niedriger Zinsen und einer voranschreitenden Digitalisierung gleichwohl deutlich gestiegen. Im Jahr 2021 hatten deutsche Start-ups laut einer Studie der Beratungsfirma EY so viel Risikokapital erhalten wie noch nie. Der Gesamtwert habe sich demnach auf fast 17,3 Milliarden Euro mehr als verdreifacht. Inzwischen hat sich der Wind angesichts der Talfahrt von Technologiewerten an den Börsen, steigender Zinsen, Inflation und einer weltweiten Wirtschaftsabkühlung wieder gedreht. Der Start-up-Verband begrüßte den Plan aus dem Wirtschaftsministerium. Der vorliegende Entwurf setze die richtigen Schwerpunkte, um die Bedingungen für Start-ups in Deutschland zu verbessern, erklärte Christian Miele, Vorstandsvorsitzender des Verbands. "Wird die Start-up-Strategie konsequent umgesetzt, leisten Start-ups zukünftig einen noch größeren Beitrag zu der wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Transformation unseres Landes." Bosch als Wagniskapitalgeber Unterdessen engagiert sich der Technologiekonzern Bosch erneut als Wagniskapitalgeber für Start-ups. Bosch legt über die Tochtergesellschaft Robert Bosch Venture Capital (RBVC) einen Fonds mit einem Volumen von 250 Millionen Euro auf. Es handele sich dabei um den fünften Fonds des Unternehmens, teilt das Unternehmen mit. RBVC sei auf innovative Technologie-Start-ups spezialisiert, hieß es in einer Mitteilung. Zum Portfolio gehörten mehr als 50 Unternehmen. Man beteilige sich mit jeweils bis zu 25 Millionen Euro an Start-ups und unterstütze sie mit Wissen und dem Netzwerk des Unternehmens. Bosch erhalte wiederum frühzeitig Zugang zu neuen Technologien und könne diese in eigene Innovationen einfließen lassen. Jährlich investiere RBVC in sechs bis zehn Start-ups.
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Ökonomen fordern seit langem mehr Risikofreude und Innovationen in der deutschen Wirtschaft. Eine neue Start-up-Strategie von Wirtschaftsminister Habeck soll dabei helfen.   
[ "Kapitalmarkt", "Start Up", "Finanzierung", "Risikokapital", "Wagniskapital", "Habeck", "Wirtschaft", "Konjunktur" ]
Wirtschaft
Unternehmen
2022-06-03T12:04:19.711Z
2023-05-25T08:37:35.412Z
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Meteorologe: Zerstörungswut von "Nargis" war vorhersehbar
Bereits zwei Tage vor dem Auftreffen von Taifun "Nargis" auf das Festland hat Indien die Regierung in Birma gewarnt. Aber konnte zu diesem Zeitpunkt schon die Gefahr des Taifuns eingeschätzt werden? Ja, meint der Meteorologe Andreas Friedrich im Interview mit tagesschau.de. tagesschau.de: Die Inder sagen, sie hätten die burmesische Regierung bereits 48 Stunden vor dem Auftreffen den Taifuns "Nargis" auf das Festland gewarnt – wie genau sind zu diesem Zeitpunkt die Vorhersagen? Andreas Friedrich: Man kann 48 Stunden im Voraus sehen, dass sich so ein Taifun in eine gewisse Richtung bewegt und dann zum Beispiel auf Land übertritt. Die genaue Zugbahn ist allerdings immer unsicher. So ein Auge von einem Taifun hat ja nur einen Durchmesser von wenigen Kilometern. Man kann insofern nicht genau vorhersagen, ob das Auge ein paar Kilometer weiter nördlich oder südlich zieht und damit zum Beispiel die Küste von Birma genau trifft. Diese Unsicherheit kann man erst wenige Stunden vorher klären. tagesschau.de: Aber der Bereich, in dem das Auge auf Land treffen kann, lässt sich schon ziemlich genau vorhersagen, oder? Andreas Friedrich: Der Einflussbereich von so einem Taifun ist natürlich weitaus größer. Das Gebiet, in dem es Zerstörungen durch  Überschwemmungen oder eben auch hohe Windgeschwindigkeiten gibt, hat einen Durchmesser von mehreren hundert Kilometern. Wo dieser Bereich in etwa auftreffen wird, das lässt sich schon 48 bis 72 Stunden vorher eingrenzen. tagesschau.de: Inwieweit kann man sagen, wie stark ein Taifun wird? Andreas Friedrich: Da gibt es wie immer Unsicherheiten, aber der betreffende Taifun war schon einige Tage vorher sehr stark. Er hatte schon auf dem Indischen Ozean hohe Windgeschwindigkeiten. Zum Teil hatte er die Stärke von Taifunen der Klasse drei bis vier -  das ist schon sehr viel. Insofern war schon klar, dass der mit Windgeschwindigkeiten von über 200 km/h auf diese Region in Südbirma treffen wird. tagesschau.de: Warum haben die Inder den Taifun vorhergesagt, nicht aber die Thailänder oder Koreaner? Andreas Friedrich: Das Problem ist, dass die Wetterstationen dort sehr dünn gesät sind. "Nargis" kam über den Indischen Ozean und ist auch dort entstanden. Da gibt es nur sehr wenige Beobachtungsstationen wie zum Beispiel Schiffe oder Inseln. Man ist dann sehr viel auf Satelitendaten angewiesen, die solche Systeme von oben beobachten. Warum nur Indien vorgewarnt hat, kann ich nicht genau sagen. Sicherlich stellt sich immer die Frage, ob es die Region betrifft, für die man zuständig ist, oder nicht. tagesschau.de: Warum war Taifun "Nargis" so verheerend? Andreas Friedrich: Das entscheidende bei diesem Taifun waren die relativ hohen Niederschlagssummen. Die kann man nicht mit direkten Beobachtungen bestimmen, weil es dort durch die Schäden zum Teil auch keine Messstationen mehr gibt. Man kann aber aufgrund der Satellitenbilder, die es aus der Region gibt, die Niederschlagssummen in etwa abschätzen. Danach sind in diesen ersten Maitagen über Südbirma Niederschlagsmengen von etwa 500 bis 600 Litern pro qm in nur drei Tagen gefallen - das entspricht in etwa der Summe, die in Berlin in einem Jahr herunter kommt. Das sind natürlich unwahrscheinlich große Niederschlagssummen und das erklärt auch diese Bilder, wo ja auch große Landstriche komplett unter Wasser stehen. tagesschau.de: Was würde passieren, wenn ein vergleichbarer Hurrikan auf die USA zuziehen würde? Andreas Friedrich: Man kann die Stärke von "Nargis" mit einem Hurrikan der Stufe vier vergleichen -  das wäre so etwa "Katrina", der ja New Orleans getroffen hat. Sicherlich hätte das ähnliche Folgen für Teile der Karibik und der USA. Erschwerend kommt in Birma hinzu, dass das Land sehr flach ist, eine sehr flache Küstenregion hat. Dadurch können Flutwellen vom Meer sehr weit ins Land hinein kommen. tagesschau.de: Warum funktioniert das Vorwarnsystem in den USA so viel besser als in Birma? Andreas Friedrich: Also ich denke, dass einfach die Infrastruktur und der ganze Katastrophenschutz in einem hochtechnisierten Land wie den USA natürlich besser ist. Auch die Wetterdienste sind besser ausgerüstet. In den USA gibt es ein eigenes Hurrikanzentrum in Miami, das eine ganze Flotte von Flugzeugen hat. Diese fliegen bereits weit im Atlantik und die Karibik die Hurrikane an und messen mit zahlreichen Messsonden jede Änderung in so einem Hurrikane. Die Daten gehen dann in die Modelle ein. In den Regionen in Südostasien fehlt es noch an diesen High-Tech-Ressourcen. Das Gespräch führte Imke Weihmann, tagesschau.de
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Bereits zwei Tage vor dem Auftreffen von Taifun "Nargis" auf das Festland hat Indien die Regierung in Birma gewarnt. Aber konnte zu diesem Zeitpunkt schon die Gefahr des Taifuns eingeschätzt werden? Ja, meint der Meteorologe Andreas Friedrich im Interview mit tagesschau.de.
[ "Myanmar", "Taifun", "Nargis", "Wetter" ]
Ausland
2008-05-07T12:16:48.476Z
2023-03-01T17:03:04.795Z
https://www.tagesschau.de//ausland/nagris-ts-100.html
Erste Beschlüsse im Kabinett: Bundesregierung hat Arbeit aufgenommen
Heute reist der neue Bundeskanzler nach Frankreich und Polen - nach einer mutmaßlich kurzen Nacht. Denn die konstituierende Sitzung seines Kabinetts dauerte bis zum späten Abend. Klar wurde: Das Digitalministerium wird viel zu sagen haben. Deutschland hat eine neue Bundesregierung und die hat - nach der sehr holprigen Kanzlerwahl - sofort mit der Arbeit begonnen. Als eine seiner ersten Amtshandlungen regelte der neue Bundeskanzler Friedrich Merz im sogenannten Organisationserlass die Aufgabenverteilung innerhalb der Regierung. Merz legte den Erlass am Abend in der konstituierenden Sitzung des neuen Kabinetts den Ministerinnen und Ministern vor. Aus dem geht hervor, dass das neue Digitalministerium noch umfangreichere Kompetenzen bekommt als ursprünglich geplant. Demnach erhält das Ministerium des parteilosen Karsten Wildbergers Abteilungen oder Zuständigkeiten aus insgesamt sechs Häusern. Ziel ist es, die Digitalisierung in Deutschland massiv zu beschleunigen. Digitalministerium erhält Zustimmungsvorbehalt Aus dem Kanzleramt kommen dafür die Zuständigkeiten für strategische Vorausschau und Grundsatzfragen der Digitalpolitik in das neue Ministerium, das zunächst in einem Gebäude des Innenministeriums sitzen soll. Das Bundesinnenministerium (BMI) muss die beiden Abteilungen digitale Verwaltung und digitale Gesellschaft sowie die allgemeine IT-Beschaffung, "die Steuerung der IT des Bundes einschließlich der zugehörigen Infrastruktur und der darauf begrenzten zugehörigen IT-Sicherheit" und sogar die Cybersicherheit in der Bundesverwaltung abgeben. Diese wollte das BMI als Sicherheitsministerium unbedingt behalten. Das bisherige Ministerium für Verkehr und Digitales gibt die Digital- und Datenpolitik sowie die Abteilung für die digitale Infrastrukturen ab. Aus dem Wirtschaftsministerium bekommt Wildberger unter anderem die Zuständigkeiten für europäische und nationale bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau. Das Finanzministerium muss etwa teilweise die Zuständigkeit für das Informationstechnikzentrum (ITZBund) sowie für die sogenannte souveräne Cloud für Verwaltungen abgeben. Das Justizministerium gibt die Geschäftsstelle für Bürokratieabbau, für bessere Rechtssetzung und für den Nationalen Normenkontrollrat sowie die federführende Umsetzung der EU-Direktive für Künstliche Intelligenz ab. Damit das neue Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung aber die gesamte IT des Bundes besser steuern kann, erhält es zudem einen Zustimmungsvorbehalt "für alle wesentlichen IT-Ausgaben der unmittelbaren Bundesverwaltung". Ausnahmen gelten nur für Sicherheitsausgaben und die Steuerverwaltung. Digitales vor Verkehr oder Umwelt Die besondere Wertschätzung für das von Merz geforderte Ministerium zeigt sich noch an einem anderen Punkt. Denn in der ersten Sitzung ebenfalls geregelt wurde die amtliche Reihenfolge im Kabinett - und dort rangiert das Digitalministerium noch vor dem Verkehrs-, Umwelt- oder Gesundheitsministerium. An erster Stelle nach Kanzler Merz steht dort Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), der damit die Funktion des Vizekanzlers wahrnimmt. An zweiter Stelle steht Innenminister Alexander Dobrindt (CSU). Es folgen die Minister für Auswärtiges, Johann Wadephul (CDU), und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Streichliste für Sonderbeauftragte und Bevollmächtigte Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, ändern sich auch bei anderen Ministerien die Zuschnitte teils erheblich. So werden etwa die Zuständigkeiten für Klimaschutz im Umweltressort unter Leitung von Carsten Schneider (SPD) gebündelt. In den vergangenen Jahren war für das Klima auf nationaler Ebene federführend das Wirtschaftsressort zuständig, auf internationaler Ebene das Auswärtige Amt. Als Zeichen, den Bürokratieabbau vorantreiben zu wollen, beschloss das neue Bundeskabinett bei seiner ersten Sitzung, die Zahl der Beauftragten, Bevollmächtigten und Koordinatoren der Bundesregierung deutlich zu kürzen. 25 von den bisher 43 Posten sollen wegfallen, wie die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Regierungskreise berichtete. Ein Schritt, den Union und SPD ebenfalls im Koalitionsvertrag festgeschrieben hatten. Auf der Streichliste steht unter anderen der Posten des Sonderbevollmächtigten der Bundesregierung für Migrationsabkommen. Die Stelle war 2023 eingerichtet worden und dem Bundesinnenministerium anhängig. Der damals eingesetzte FDP-Politiker Joachim Stamp verhandelte unter anderem mit Vertretern mehrerer Staaten über die Rücknahme ausreisepflichtiger Staatsbürger. Die Union hatte bereits kurz nach Schaffung des Postens kritisiert, das sei eine Aufgabe, die das Ministerium gut ohne einen solchen Bevollmächtigten erfüllen könne. Beauftragte für Schienenverkehr und Radverkehr werden gestrichen Im Bundesverkehrsministerium sollen die Stellen des Koordinators für Güterverkehr und Logistik und der Beauftragten für den Schienenverkehr sowie für den Radverkehr gestrichen werden. Ebenfalls verzichten will die neue Bundesregierung auf die Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik und eine Botschafterin für feministische Außenpolitik. Wegfallen soll zudem der im September 2022 eingerichtete Posten einer oder eines Meeresbeauftragten. Das Amt war bisher im Umweltministerium angesiedelt, wo eine neue Unterabteilung Meeresschutz geschaffen wurde. Die bisherige Umweltministerin Steffi Lemke kritisierte das geplante Aus für diese Stelle im Gespräch mit der dpa scharf. Es sei "ein fatales Signal für den Meeresschutz", mahnte die Grünen-Politikerin. Treffen mit Macron und Tusk Nach einer mutmaßlich kurzen Nacht wird Merz dann heute zu seinen ersten Auslandsreisen als Kanzler aufbrechen. In Paris wird er mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron unter anderem darüber sprechen, wie Europa nach dem radikalen außenpolitischen Kurswechsel der USA unter Präsident Donald Trump selbstständiger werden kann. In Warschau dürfte es mit Ministerpräsident Donald Tusk neben dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch um irreguläre Migration gehen.
Heute reist der neue Bundeskanzler nach Frankreich und Polen - nach einer mutmaßlich kurzen Nacht. Denn die konstituierende Sitzung seines Kabinetts dauerte bis zum späten Abend. Klar wurde: Das Digitalministerium wird viel zu sagen haben.
[ "Bundesregierung", "Kanzlerwahl", "Digitalministerium", "Merz" ]
Inland
2025-05-07T05:13:39.714Z
2025-05-28T14:09:31.679Z
https://www.tagesschau.de//inland/erste-kabinettssitzung-digitalministerium-102.html
Städte fordern Milliarden für den Ausbau des Nahverkehrs
Zu alt, zu marode und zu viele Emissionen - der Deutsche Städtetag will vom Bund mehr Geld für den Ausbau des Nahverkehrs. Bis zu 60 Milliarden Euro seien nötig. Auch beim Deutschlandticket müsse die Regierung nachbessern. Mehr Menschen sollen nach dem Willen des Deutschen Städtetag Bus und Bahn nutzen. Doch dafür müsse das Angebot attraktiver werden, sagte Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetag und Oberbürgermeister von Münster - und fordert zusätzliche Milliarden. Es müsse einen "echten Investitionsschub" geben, so der CDU-Politiker. Die Pläne der Städte sehen moderne Busse und Bahnen vor, die häufiger fahren und zusätzliche Netze abdecken. Zudem müssten die Flotten emissionsfrei werden, um die Klimaziele bis 2030 erfüllen zu können, betont der Städtetag-Präsident. Städtetag hält Milliardeninvestitionen für notwendig Die Kosten für die Modernisierung liegen laut Lewe zwischen 40 und 60 Milliarden Euro - "aber der Bund schweigt sich weiter darüber aus, wie das finanziert werden soll und welchen Beitrag er leistet. Das ist ein echtes Problem", kritisierte der Präsident des Städtetags. Mit den im Moment zur Verfügung stehenden Geldern sei nicht einmal das derzeitige Niveau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zu halten, kritisiert der Zusammenschluss. Die Städte fordern unter anderem eine Zahlung von jährlich drei statt bislang einer Milliarde Euro vom Bund an die Kommunen ab 2027. Zudem brauche es eine Anschubfinanzierung für mehr klimaneutrale Antriebe im ÖPNV und mehr sogenannter Regionalisierungsmittel. Der Begriff beschreibt die Gelder, die der Bund den Bundesländern für den Betrieb von Bus und Bahn zur Verfügung stellt. Langfristige Finanzierung des Deutschlandtickets Kurz nach dem Beschluss, das 49-Euro-Ticket zum 58-Euro-Ticket zu machen, forderte Lewe zudem ein Bekenntnis zum Deutschlandticket, wie es nach einer Präsidiumssitzung des Städtetags im bayerischen Straubing hieß. Vorerst reichten die zusätzlichen neun Euro aus, doch schon für 2026 gebe es keine Kostensicherheit. "Das Deutschlandticket ist ein bundesweites Ticket, von der Bundesregierung gewollt und gestartet. Da kann sich der Bund nicht im Nachhinein einen schlanken Fuß bei der Finanzierung machen, er muss wieder einsteigen und das Ticket weiter mitfinanzieren", sagte Lewe. Es brauche ein langfristiges Finanzierungskonzept für das "Erfolgsprojekt".
Zu alt, zu marode und zu viele Emissionen - der Deutsche Städtetag will vom Bund mehr Geld für den Ausbau des Nahverkehrs. Bis zu 60 Milliarden Euro seien nötig. Auch beim Deutschlandticket müsse die Regierung nachbessern.
[ "ÖPNV", "Nahverkehr", "Städtetag", "Deutschlandticket" ]
Inland
Innenpolitik
2024-09-26T14:11:11.091Z
2025-02-07T17:02:59.374Z
https://www.tagesschau.de//inland/innenpolitik/nahverkehr-finanzierung-staedtetag-100.html
US-Supreme Court hält Zugang zu Abtreibungspille aufrecht
Bei mehr als der Hälfte aller Abtreibungen in den USA kommt die Pille Mifepriston zum Einsatz. Abtreibungsgegner wollten erwirken, dass der Zugang eingeschränkt wird - sind aber nun vor dem Obersten US-Gericht gescheitert. In den USA hält das Oberste Gericht den Zugang zu einer weit verbreiteten Abtreibungspille aufrecht. Die Entscheidung des Supreme Court kam rund zwei Jahre, nachdem das Gericht das landesweite Recht auf Schwangerschaftsabbruch gekippt hatte. Die neun Richter erklärten nun einstimmig, Abtreibungsgegner und Ärzte dürften Einschränkungen zum Zugang zum Präparat Mifepriston nicht vor Gericht erwirken. Zuvor hatten Gerichte im Bundesstaat Texas den Zugang zu dem Medikament eingeschränkt. Abtreibungsgegner hätten nicht das Recht, gegen die Zulassung der Pille und die von der Arzneimittelbehörde erlassenen Zugangserleichterungen zu klagen, so das Gericht. Die Kläger hätten nicht nachweisen können, dass sie einen tatsächlichen oder unmittelbar bevorstehenden Schaden erlitten hätten oder erleiden würden. Klägern, die möglicherweise nur "allgemeine rechtliche, moralische, ideologische oder politische Einwände" gegen die Verwendung von Mifepriston hätten, stehe keine Klagebefugnis zu.  Mehrere Zugangserleichterungen durch die FDA Mifepriston kommt bei mehr als 60 Prozent der in den USA durchgeführten Abtreibungen zum Einsatz. Das Medikament wurde im Jahr 2000 in den USA zugelassen und wird von der US-Arzneimittelbehörde FDA als zuverlässig eingestuft. Üblicherweise wird Mifepriston zusammen mit der Arznei Misoprostol für den Schwangerschaftsabbruch eingesetzt - Misoprostol kann aber auch allein verwendet werden. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge ist die Kombination aus beiden Medikamenten etwas wirksamer. In den vergangenen Jahren hatte die FDA mehrere Zugangserleichterungen für Mifepriston erlassen. Dazu zählen unter anderem die Einnahme bis zur zehnten Schwangerschaftswoche und die Versendung per Post innerhalb der USA. Das Oberste Gericht hatte sich bereits bei einer Anhörung vor einigen Monaten skeptisch mit Blick auf die Argumente der Kläger gezeigt, die vor dem Supreme Court weitreichende Beschränkungen beim Zugang zu der Pille erreichen wollten. Der Supreme Court ist unter Ex-Präsident Donald Trump weit nach rechts gerückt. Nur drei der neun Richterinnen und Richter gelten als liberal. Das Gericht löste vor knapp zwei Jahren ein politisches Erdbeben aus, als es das bis dahin seit rund 50 Jahren geltende landesweite Recht auf Abtreibung kippte. In der Folge können die Parlamente der Bundesstaaten per Gesetz regeln, ob und unter welchen Bedingungen Abtreibungen erlaubt sind.
Bei mehr als der Hälfte aller Abtreibungen in den USA kommt die Pille Mifepriston zum Einsatz. Abtreibungsgegner wollten erwirken, dass der Zugang eingeschränkt wird - sind aber nun vor dem Obersten US-Gericht gescheitert.
[ "USA", "Supreme Court", "Abtreibungen" ]
Ausland
US-Wahl 2024
2024-07-23T17:05:08.332Z
2025-02-10T13:11:38.937Z
https://www.tagesschau.de//ausland/uswahl/usa-abtreibungspille-102.html
Bergkarabach: 27 Tote durch den Angriff Aserbaidschans
Bergkarabach meldet 27 Tote durch die aserbaidschanische Offensive. Das Land will mit einem Großangriff die Autonomie der von Armeniern bewohnten Region beenden und die vollständige Kontrolle über das Gebiet erreichen. Der aserbaidschanische Militäreinsatz im Südkaukasus hat nach örtlichen Angaben schon am ersten Tag mehr als zwei Dutzend Menschen in der betroffenen Region Bergkarabach das Leben gekostet. Bislang seien 27 Todesopfer bestätigt, darunter zwei Zivilisten, schrieb der Menschenrechtsbeauftragte der international nicht anerkannten Republik Bergkarabach (Arzach), Gegam Stepanjan, auf der Online-Plattform X, ehemals Twitter. Darüber hinaus seien in der Konfliktregion mehr als 200 Menschen verletzt worden. Aus 16 Orten seien insgesamt etwa 7.000 Bewohner vor dem aserbaidschanischen Beschuss in Sicherheit gebracht worden, so Stepanjan. Social-Media-Beitrag auf Twitter von Gegham Stepanyan #StopArtsakhBlockade: "UPDATE!According to the information received from the Stepanakert’s morgue by the Office of the Human Rights Defender, as of 22:30, there are 27 victims due to the continuous full-fledged terroristic attack by AZE, among whom 2 are civilians. The number of injured exceeds 200. https://t.co/E3fkvLeyzA" Angriff nach langer Eskalation Nach monatelanger Eskalation im Konflikt um Bergkarabach hatten aserbaidschanische Truppen gestern Morgen einen breit angelegten Militäreinsatz zur Eroberung der Kaukasusregion begonnen. Die Regionalhauptstadt Stepanakert sowie weitere Städte standen nach Angaben der Vertretung Bergkarabachs in Armenien unter "intensivem Beschuss". Kurz vor Beginn des Angriffs hatte Aserbaidschan erklärt, zwei Mitarbeiter der Straßenverwaltung seien auf eine Mine gefahren und durch die Explosion getötet worden. Vier zu Hilfe eilende Soldaten seien von einer weiteren Mine getötet worden. Das Verteidigungsministerium in Baku erklärte, daraufhin seien Ziele an der Front und im Hinterland, Geschützpositionen und militärische Einrichtungen mit Präzisionswaffen außer Gefecht gesetzt worden. Nur militärische Ziele seien angegriffen worden. Aserbaidschan warf den armenischen Streitkräften außerdem vor, sie hätten Schuscha beschossen - eine Stadt in Bergkarabach, die von Aserbaidschan kontrolliert wird. Dabei sei ein Zivilist getötet worden. Aserbaidschan fordert Kapitulation Bergkarabach fordere Aserbaidschan im Onlinedienst Telegram auf, das Feuer sofort einzustellen und Verhandlungen aufzunehmen, erklärte das Außenministerium der abtrünnigen Region. Aserbaidschan erklärte sich zu Verhandlungen bereit, forderte dafür aber eine Kapitulation der armenischen Separatisten in Bergkarabach. Die armenischen Truppen in der Region müssten sich auflösen und ihre Waffen abgeben, das "illegale Regime" müsse sich auflösen, erklärte die Präsidialverwaltung in Baku. Andernfalls würden die "Antiterror-Einsätze bis zum Ende fortgesetzt". "Genug ist genug. Wir können es nicht länger dulden, dass sich solche Streitkräfte auf unserem Territorium befinden", sagte der Präsidentenberater Hikmet Hejiyev der Nachrichtenagentur Reuters mit Blick auf militärische Kräfte in der Exklave. Nach seinen Angaben sind Einheiten Aserbaidschans an mehreren Stellen der Front durchgebrochen. Das armenische Außenministerium erklärte, weder Truppen noch Waffen des Landes seien in Bergkarabach stationiert. Gerüchte über Sabotage und das Legen von Landminen seien "eine Lüge und fingiert". Signal der Entspannung am Vortag Die umstrittene Region liegt auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wird aber mehrheitlich von ethnischen Armeniern bewohnt. Die beiden Nachbarländer kämpfen seit Jahrzehnten um Bergkarabach. Seit dem Ende eines Separatistenkriegs 1994 wird die Region von ethnischen Armeniern kontrolliert, die von Armenien unterstützt werden. 2020 eroberte Aserbaidschan einen großen Teil der Region zurück. Seit Ende vergangenen Jahres blockiert Aserbaidschan Lieferungen in die Enklave, was dort zu einer ernsten Lebensmittelknappheit führte. Am Montag gestattete Aserbaidschan schließlich Hilfslieferungen des Roten Kreuzes mit Mehl und medizinischen Gütern. Die Regionalbehörden in Bergkarabach erklärten jedoch, die Straße sei noch immer nicht vollständig geöffnet. RIA: Russland evakuiert Zivilisten Armenien gilt als militärisch unterlegen. Aserbaidschan wird in dem Konflikt von der Türkei unterstützt. Russland ist traditionelle Schutzmacht Armeniens, vermittelte einen Friedensvertrag und hat in der Gegend eine mehrere Tausend Mann starke Friedenstruppe stationiert. Armenien hat der russischen Friedenstruppe wiederholt vorgeworfen, sie sei nicht Willens oder nicht in der Lage, die Straße nach Bergkarabach offenzuhalten. Nun rief Armenien russische Truppen zur Hilfe. Die Agentur RIA meldete, diese hätten fast 500 Zivilisten aus den umkämpften Gebieten evakuiert und Verwundete versorgt. Moskau fordert Ende des Blutvergießens Am Abend rief das Außenministeriums in Moskau die Konfliktparteien auf, die blutigen Auseinandersetzungen zu beenden und zum Waffenstillstand zurückzukehren. "Vor dem Hintergrund der starken Eskalation der bewaffneten Konfrontation in Bergkarabach rufen wir die Konfliktparteien auf, das Blutvergießen und die Feindseligkeiten sofort einzustellen und zivile Opfer zu vermeiden", hieß es in einer Erklärung auf der Kurznachrichtenplattform Telegram. Türkei stellt sich hinter Aserbaidschan Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan stellte sich dagegen erneut hinter Aserbaidschan. Das sagte Erdogan zu Beginn der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York. Derweil bot sich der Iran als Vermittler an. Der iranische Außenamtssprecher Nasser Kanaani forderte die Einhaltung des Waffenstillstandsabkommens von 2020 zwischen den Ländern, die beide eine Grenze mit dem Iran teilen. Erst vor wenigen Tagen hatte Irans Verteidigungsminister Mohammed-Resa Aschtiani vor einem Krieg in der Region gewarnt. Der Iran unterhält wie Russland gute Beziehungen zu Armenien. Auch die Europäische Union forderte den Stopp der Kampfhandlungen und erklärte sich ebenso wie die USA zur Vermittlung bereit. Frankreich, das traditionell eng mit Armenien verbunden ist, forderte wegen des Militäreinsatzes eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats an, wie das französische Außenministerium mitteilte. Diese soll am Donnerstag stattfinden, wie aus Diplomatenkreisen verlautete. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am Rande der UN-Vollversammlung, es sei "ganz klar, dass diese Kriegshandlungen sofort beendet werden müssen". Es gehe darum, "wieder zurückzukehren zum Pfad der Diplomatie".
Bergkarabach meldet 27 Tote durch die aserbaidschanische Offensive. Das Land will mit einem Großangriff die Autonomie der von Armeniern bewohnten Region beenden und die vollständige Kontrolle über das Gebiet erreichen.
[ "Aserbaidschan", "Bergkarabach" ]
Ausland
Asien
2023-09-20T01:53:39.675Z
2023-09-20T07:12:35.420Z
https://www.tagesschau.de//ausland/asien/offensive-bergkarabach-100.html
Die Europaskeptiker der AfD im Europawahlkampf
Zur Europawahl kämpfen in Deutschland 25 Parteien um den Einzug ins EU-Parlament, darunter auch die europaskeptische AfD. Die "Alternative für Deutschland" führt ihren Wahlkampf gegen einen "europäischen Superstaat". Von Thomas Denzel, SWR Zur Europawahl kämpfen in Deutschland 25 Parteien um den Einzug ins EU-Parlament, darunter auch die europaskeptische AfD. Die "Alternative für Deutschland" führt ihren Wahlkampf gegen einen "europäischen Superstaat".
Thomas Denzel, SWR
Zur Europawahl kämpfen in Deutschland 25 Parteien um den Einzug ins EU-Parlament, darunter auch die europaskeptische AfD. Die "Alternative für Deutschland" führt ihren Wahlkampf gegen einen "europäischen Superstaat".
[ "EP2014", "Europawahl", "AfD" ]
EU-Wahl
Kandidaten und Köpfe
2014-05-20T23:19:29.798Z
2023-03-02T14:23:55.307Z
https://www.tagesschau.de//europawahl/koepfe/afd-europawahl-ts-100.html
Abstimmung im Parlament: Spanien legalisiert Sterbehilfe
Nur wenige Länder erlauben medizinischem Personal die gewünschte Herbeiführung des Todes von Schwerstkranken. Spanien gehört nun dazu. Konservative und Kirche lehnen das beschlossene Gesetz strikt ab. Das spanische Parlament hat die Legalisierung der Sterbehilfe gebilligt. Bei der abschließenden Abstimmung im Abgeordnetenhaus votierte eine deutliche Mehrheit von 202 Abgeordneten für das entsprechende Gesetz. 141 Abgeordnete der konservativen und rechte Parteien stimmten dagegen, zwei Abgeordnete enthielten sich. Mit dem Gesetz können Menschen mit einer schweren und unheilbaren Krankheit oder chronischen, stark einschränkenden Schmerzen auf ausdrücklichen Wunsch Sterbehilfe erhalten, um "unerträgliches Leid" zu vermeiden.  Erlaubt ist dem Gesetz zufolge sowohl die bewusste Herbeiführung des Todes durch medizinisches Personal als auch Unterstützung dabei, wenn Sterbewillige ihrem Leben selbst ein Ende setzen wollen.  Bischofskonferenz: "Form von Mord" Mit diesem Gesetz "kommen wir einer humaneren und gerechteren Gesellschaft näher", sagte die sozialistische Gesundheitsministerin Carolina Darias mit Verweis auf "die Menschen, die sich in einer Situation großen Leids befinden, und ihre Familien".  Von konservativen Parteien sowie der katholischen Kirche wird das Gesetz vehement abgelehnt. "Sterbehilfe ist immer eine Form von Mord, weil es bedeutet, dass ein Mensch am Tod eines anderen beteiligt ist", erklärte die spanische Bischofskonferenz. "Das Leben kann nicht in die Hände der Behörden gelegt werden", sagte Lourdes Méndez Monasterio, Abgeordnete der rechtspopulistischen Vox-Partei, die bereits angekündigt hat, vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Jahrzehntelanger Diskurs um Sterbehilfe Der Gesetzentwurf war von der sozialistischen Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez eingebracht worden. Die Neuregelung erfolgte nach einer langen Auseinandersetzung um erschütternde Schicksale, darunter der Fall von Ramón Sampedro, der nach einem Badeunfall vom Hals abwärts gelähmt war und jahrelang vergeblich vor der spanischen Justiz um das Recht auf einen selbstbestimmten Tod kämpfte. Seinem Schicksal wurde mit dem Oscar-prämierten Film "Das Meer in mir" von 2004 ein Denkmal gesetzt. "Heute sind wir ein Land, das menschlicher, gerechter und freier ist", erklärte Regierungschef Sánchez auf Twitter. Das von vielen geforderte Recht, "würdig sterben" zu dürfen, sei in Spanien "endlich Wirklichkeit geworden", erklärte er kurz nach dem Parlamentsvotum. Hoy somos un país más humano, más justo y más libre. La ley de eutanasia, ampliamente demandada por la sociedad, se convierte por fin en una realidad. Gracias a todas las personas que han peleado incansablemente para que el derecho a morir dignamente fuera reconocido en España. https://t.co/Ge4CZWuvIe "Sterbe-Tourismus" soll verhindert werden Das Gesetz soll im Juni in Kraft treten. Sterbewillige müssen spanische Staatsbürger sein oder in dem Land wohnen. Den entsprechenden Antrag müssen sie schriftlich und "bei vollem Bewusstsein" stellen und nach zwei Wochen bekräftigen. Der Antrag muss dann von zwei Ärzten und anschließend noch von einer Kommission genehmigt werden, bevor die Sterbehilfe erfolgen kann. Gesundheitspersonal, das die Sterbehilfe nicht ausführen will, darf die Beteiligung unter Berufung auf "Gewissensgründe" verweigern. In Europa ist Spanien damit das vierte Land nach den Niederlanden, Belgien und Luxemburg, in dem aktive Sterbehilfe erlaubt ist. In der Schweiz ist sie indirekt möglich und Beihilfe zum Selbstmord straffrei. Das Parlament in Portugal hatte Ende Januar für eine Legalisierung der Sterbehilfe gestimmt, das Verfassungsgericht fordert jedoch Nachbesserungen an dem Gesetz.
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Nur wenige Länder erlauben medizinischem Personal die gewünschte Herbeiführung des Todes von Schwerstkranken. Spanien gehört nun dazu. Konservative und Kirche lehnen das beschlossene Gesetz strikt ab.
[ "Spanien", "Sterbehilfe", "Legalisierung" ]
Ausland
Europa
2021-03-18T15:34:23.822Z
2024-04-26T09:15:09.125Z
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Steinbrück muss Werbung für Sponsorengelder erklären
In seiner Zeit als Bundesfinanzminister hat der SPD-Politiker Steinbrück 2006 bei Firmen um Sponsorengelder für ein Schachturnier mit Weltmeister Kramnik geworben. Union und FDP übten scharfe Kritik und verlangten Aufklärung. Steinbrück erklärte, er könne an seinem Verhalten nichts Ehrenrühriges finden. Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück gerät wegen seiner Rolle bei der Suche nach Sponsorengeldern für ein Schachturnier unter Druck. Der mögliche SPD-Kanzlerkandidat bestätigte gegenüber der "Süddeutschen Zeitung", dass er während seiner Ministerzeit im Jahr 2006 nach Geldgebern für den Kampf des damaligen Weltmeisters Wladimir Kramnik gegen den Schachcomputer "Deep Fritz" gesucht habe. Der SPD-Politiker verteidigte zugleich sein damaliges Eintreten für das Turnier, bei dem es sich um ein öffentliches Turnier in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle gehandelt habe. "Das Ganze war auch ein Aufschlag, um nach etwa 80 Jahren wieder eine Schach-Weltmeisterschaft in Deutschland auszurichten", sagte Steinbrück. Dazu sei es dann auch gekommen. "Dafür suchte ich nach Sponsoren im Interesse der großen Schachgemeinde, woran ich nichts Ehrenrühriges finden kann." Steinbrück verwendete offenbar Briefpapier des Ministeriums Nach Darstellung des Magazins "Focus" wandte sich Steinbrück in einem Schreiben mit dem Briefkopf des Bundesfinanzministeriums an die damaligen Chefs der bundeseigenen Konzerne Post und Telekom. Er bat sie demnach um je bis zu eine Million Euro Sponsoring. Mehrere Aktienrechtsexperten sagten dem Magazin, Steinbrücks Bitte sei mit seiner Stellung als verantwortlicher Vertreter des Großaktionärs Bund nicht vereinbar gewesen. Offenbar entschieden sich beide Konzerne aber damals gegen ein Sponsoring. Nach Bekanntwerden des Sachverhalts reagierten FDP und CDU mit scharfer Kritik. FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte der "Welt", Steinbrück werde "Mühe haben, das zu erklären oder gar als korrekt zu deklarieren." CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärte in der "Rheinischen Post", die Nutzung des Ministerbriefkopfes für eine Spendenbitte an bundeseigene Unternehmen habe "mehr als ein Geschmäckle". Steinbrücks bisherige Erklärungen reichten nicht aus.
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In seiner Zeit als Bundesfinanzminister hat der SPD-Politiker Steinbrück 2006 bei Firmen um Sponsorengelder für ein Schachturnier mit Weltmeister Kramnik geworben. Union und FDP übten scharfe Kritik und verlangten Aufklärung. Steinbrück erklärte, er könne an seinem Verhalten nichts Ehrenrühriges finden.
[ "Steinbrück" ]
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2012-09-23T19:25:57.991Z
2023-03-02T13:46:58.616Z
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