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2008-01-05 18:38:37
2025-06-12 11:57:15
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Deutschlands Schlüsselfunktion im Ukraine-Konflikt
Es war eine Woche der Weltdiplomatie: Baerbock in Kiew und Moskau, Blinken und die Chefalliierten in Berlin. Die Ukraine-Krise hält die Welt in Atem. Marschiert Russland ein – und wie reagiert der Westen? Gibt es begrenzte Sanktionen, wie US-Präsident Joe Biden anzudeuten schien, wenn Russland „nur ein wenig einmarschiert“? Gibt es einen aus den NATO-Staaten unterstützten und letztlich gesteuerten Guerillakrieg, sollte Putin tatsächlich sein westliches Nachbarland besetzen, wie es US-Außenminister Antony Blinken angedeutet haben soll? Und endet ein solcher Partisaneneinsatz tatsächlich an den Grenzen Russlands? Eines jedenfalls gilt in Washington als gesetzt: Der Focus liegt gegenwärtig auf Berlin. Schlüsselpartner auf dem Kontinent ist in diesem Konflikt die Bundesrepublik Deutschland. So waren es die USA, die die Außenminister aus Frankreich und dem Vereinigten Königreich nach Berlin zum gemeinsamen Auftritt der Front gegen Putin zitierten. Annalena Baerbock steht für die USA im Mittelpunkt. Zwar noch unerfahren auf dem diplomatischen Parkett, wird ihr jedoch „ein klarer, moralischer Kompass“ unterstellt. Ihrem mit Spannung erwarteten Besuch bei dem russischen Außenminister Sergej Lawrow, der gern als bärbeißige Bulldogge auftritt, wird in Washington hohe Anerkennung gezollt. Es sei der Newcomerin gelungen, trotz unterschiedlicher Positionen einen in der Sache harten und konsequenten, dabei gleichzeitig freundlichen Ton durchzuhalten. Lawrow, der in klassischer Gromyko-Tradition gern den Bösen aus den Weiten Russlands gibt, habe im Umgang mit Baerbock fast handzahm gewirkt. Ohnehin wird Lawrow in Washington unterstellt, über mehr Weltverständnis und Intelligenz als sein Chef im Kreml zu verfügen. Der gebürtige Moskowiter, dessen Äußeres an den britischen Schauspieler Leo G. Carroll erinnert, gilt trotz seiner aggressiven Auftritte als verbindlicher und zuverlässiger Gesprächs- und Verhandlungspartner. Gegenüber Baerbock wirkte er fast schüchtern – auf jeden Fall ungewöhnlich höflich. Dass der Deutschen im Konflikt um die Ukraine aus Washingtoner Sicht eine Schlüsselrolle zufallen soll, hängt jedoch nicht nur mit ihrem offensichtlichen Geschick im Umgang mit „alten weißen Männern“ zusammen. Vergessen bereits Angela Merkel, der stets ein ambivalentes Verhältnis zum eurasischen Imperium an der Moskwa unterstellt wurde. Anders auch als die SPD gelten die Grünen mit Baerbock und Habeck in den USA als Atlantiker, auf die in der Konfrontation mit Russland Verlass ist. Deshalb die sehr wohl durchdachte Rollenverteilung bei der Belieferung der Ukraine mit Defensivwaffen. Diese Aufgabe übernehmen die USA und Großbritannien. Baerbock kann entsprechende Wünsche aus Kiew freundlich zurückweisen und sich so gegenüber Moskau die Rolle einer unparteiischen Vermittlerin erhalten. Daran, dass eine solche Rolle unverzichtbar ist, soll die Konfrontation nicht aus dem Ruder laufen, gibt es in Washington keinen Zweifel – und auch Moskaus Chefdiplomat scheint dieses akzeptiert zu haben. Wenn die FDP nun dennoch Waffenlieferungen an die Ukraine fordert, dann belegt die Lindner-Partei damit aus Sicht der USA nichts anderes als ihre Unfähigkeit, das große Spiel zu durchschauen. Die Partei des Hans-Dietrich Genscher, die über Jahrzehnte für eine seriöse Außenpolitik stand, hat sich abgemeldet. Für Frankreichs Selbstdarsteller Emmanuel Macron mag diese Rollenverteilung eine ungewohnte Situation darstellen, wohingegen der Brite Boris Johnson mit seinem Partygate ohnehin gerade ums Überleben kämpft und andere Sorgen als die Außenpolitik hat. Wenn die Außenminister dieser beiden Alt-Alliierten nun bereitwillig dem US-Ruf zum Gruppenfoto nach Berlin gefolgt sind, ist damit die aktuelle Rollenverteilung im Bündnis eindeutig definiert. Dennoch wird in Washington mit Interesse auch darauf geschaut, wie der Schulterschluss mit den deutschen Grünen in der deutschen Innenpolitik wirkt. Die SPD des Bundeskanzlers Olaf Scholz gilt jenseits des Atlantiks als „wankelmütig und butterweich“ in ihrer Russland-Politik. Zwar wird gesehen, dass die atlantische Politik der Grünenspitze auch in der ehemaligen Öko-Partei bei manchem Alt-Marxisten auf wenig Gegenliebe stoßen könnte, doch wird auf Robert Habeck gesetzt, der die „isolationistische und weltabgewandte“ Basis mit Öko-Bonbons bei Laune halten soll. Anders bei der SPD. Scholz gilt als politischer Egomane, als jemand, der großen Wert darauf legt, in allen Bereichen den Hut aufzuhaben. Die grüne Außenpolitik jedoch, die eine unerwartete Dynamik entfaltet, scheint an ihm vorbei zu gehen. Washington rätselt. Nimmt Scholz das unkommentiert hin – und vor allem: Wie gehen die Anti-Amerikaner in der SPD mit dem grünen transatlantischen Schulterschluss um, die – anders als bei den Grünen – eine deutliche Mehrheit in der sozialdemokratischen Parteispitze stellen? Denkbar, dass dem gebürtigen Osnabrücker die gegenwärtige Rollenverteilung mit Blick auf seine SPD sogar sehr angenehm ist. Wenn Baerbock die US-BRD-Connection im wahrsten Sinne des Wortes auf leuchtendgrün stellt, kann der Kanzler seinen auf rot gepolten Genossen immer noch die durch die Partei abgesegnete Rollenverteilung im Kabinett vorhalten. Motto: Wollte ihr lieber mit US-affinen Grünen oder überhaupt nicht regieren? Angesichts der großzügigen Verteilung lukrativer Posten an verdiente Genossen bedarf die Antwort keines Nachdenkens. Und so hat Baerbock ungewöhnlich freie Fahrt, wenn sie in enger Abstimmung mit Blinken daran arbeitet, die aus Russland drohende Kriegsgefahr in eine langanhaltende, diplomatische Beschäftigung umzuleiten. Bislang, so wird ihr unterstellt, habe sie nichts falsch gemacht. Und gegenüber ihrem Vorgänger aus der SPD sei sie ohnehin in jeder Hinsicht eine Wohltat.
Tomas Spahn
Es war eine Woche der Weltdiplomatie: Baerbock in Kiew und Moskau, Blinken und die Chefalliierten in Berlin. Die Ukraine-Krise hält die Welt in Atem. Marschiert Russland ein – und wie reagiert der Westen? Gibt es begrenzte Sanktionen, wie US-Präsident Joe Biden anzudeuten schien, wenn Russland „nur ein wenig einmarschiert“? Gibt es einen aus den NATO-Staaten
kolumnen
2022-01-21T19:24:37+00:00
2022-01-21T19:24:38+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/spahns-spitzwege/deutschlands-schluesselfunktion-im-ukraine-konflikt/
Potsdamer „Geheimtreffen“ – Der Anfang vom Ende
Wenn man einen Blick auf die Texte von Correctiv und auf den Text des auf dieser Grundlage entstandenen Theaterstücks wirft, wird deutlich, dass Correctiv, als es Potsdam im November verließ, eigentlich nichts in der Hand hatte. Die gemachten Aussagen gaben nicht viel her, vor allem aber scheint man keine Wortprotokolle oder keine brauchbaren Aufzeichnungen zu besitzen. Außer ein paar Zitaten, Gesprächsfetzen und natürlich den Gedanken, die Sellner in seinen Büchern publiziert hat, scheint Correctiv nicht allzu viel Material gesichert zu haben. Angesichts dessen darf man sich die Frage stellen, ob Correctiv mit diesem dürftigen Material wirklich an die Öffentlichkeit gehen wollte oder ob Correctiv zu diesem Schritt am Ende gedrängt wurde. Im Grunde bestätigt bereits die Form des Artikels vom 10. Januar, dass das „Recherche“-Team nur über Wertungen, Meinungen und Unterstellungen verfügte. Das erkannte auch das Gericht in Hamburg an. Dass die Niederlage nicht größer ausfiel, lag wohl nur daran, dass die Rechercheplattform am Ende mehr gemeint als recherchiert haben wollte – und Meinungen sind im Gegensatz zu falschen Tatsachenbehauptungen nun einmal nicht strafbar. Dass Correctiv, wenn nicht mit Unterstützung durch das Bundesinnenministerium, so doch zu dessen Nutz und Frommen gearbeitet hat, zeigt der Abgleich der Texte von Correctiv, der journalistischen Farce vom 10. Januar und der Farce als Theaterstück mit Faesers Maßnahmenplan gegen Rechts sowie den Aktivitäten des Verfassungsschutzes. Die Texte, von wem auch immer initiiert, sollten zum Volkswillen werden, der sich auf Demonstrationen Bahn brechen sollte, den die Regierung wiederum als Handlungsaufforderung interpretieren wollte. In diesem Licht lesen sich manche Passagen des Textes wie vom Innenministerium bestellt. Eine kleine Auswahl verifiziert die These. Im Text vom 10. Januar behauptet Correctiv, ohne es belegen zu können: „Was dort an diesem Wochenende entworfen wird, ist nicht weniger als ein Angriff gegen die Verfassung der Bundesrepublik.“ Nachdem Correctiv vorher schon geraunt hat: „Für die AfD ist das mit Bezug auf die Debatte um ein mögliches Verbotsverfahren juristisch heikel.“ Nur kann Correctiv den „Angriff gegen die Verfassung der Bundesrepublik“ nicht belegen, etwas später sah sich die stellvertretende Chefredakteurin von Correctiv, Anette Dowideit, gezwungen, öffentlich zurückzurudern: „Wir haben auch nicht von Deportationen gesprochen oder so. Das wurde dann von denen, die es interpretiert haben, [aufgenommen].“ Correctiv wollte anscheinend nicht berichten, sondern wie das Bundesamt für Verfassungsschutz Material für das Verbot der AfD sammeln oder kreieren. Deshalb wird die Behauptung aufgestellt, dass die AfD eine verfassungsfeindliche Partei ist, eine Partei, die einen Angriff auf die Verfassung plant. Und im Stile Böhmermanns, für den Jean Peters auch gearbeitet hat, schreibt Correctiv, um den Eindruck zu erwecken, als werde der „Geheimplan“ zum heimlichen Parteiprogramm der AfD: „Unter den Teilnehmern sind Menschen mit Einfluss innerhalb der AfD. Einer von ihnen wird in dieser Geschichte noch eine Schlüsselrolle spielen. Er brüstet sich damit, an diesem Tag für den Bundesparteivorstand der AfD zu sprechen. Er ist der persönliche Referent von Alice Weidel.“ An dieser Stelle ruft der Text nach dem Staatsanwalt, dem Richter, nach der Bundesinnenministerin, die sich dem Willen des Volkes dann nicht verschließen kann. Oder wie es in ihren 13 Maßnahmepunkten gegen Rechtsextremismus heißt: „2. Ganzheitlicher Ansatz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus“. Ganzheitlich heißt dann schnell die Herrschaft des Rechts durch die Herrschaft des Verdachts zu ersetzen, denn jeder ist verdächtig. Die Gedankenspiele laufen – Indikativ – auf eines hinaus, und das eine wäre – Konjunktiv – ein Angriff? Würden die Gedankenspiele auf eines hinauslaufen, dann wäre das nicht nur, dann ist das ein Angriff. Correctiv liebt den willigen Konjunktiv. Wahr ist, was Correctiv für möglich hält. Der höchste journalistische Standard von Correctiv läuft darauf hinaus, dass Correctiv konstruiert, was ein Angriff auf „das Staatsbürgerrecht und auf den Gleichheitsgrundsatz“ wäre, um dann zu behaupten, dass die „Gedankenspiele“ darauf hinauslaufen würden. Geht es etwas genauer? Wieso laufen die Gedankenspiele nur auf einen Angriff hinaus, wieso sind sie keiner, wenn das doch ihre Konsequenz ist? Das, was Nancy Faeser und Thomas Haldenwang als Angriff auf das Grundgesetz sehen wollen, unterstellt Correctiv als Konsequenz der Gedankenspiele der AfD, denn das anschließende Kapitel der „Recherche“ trägt die Überschrift: „Akt 1, Szene 3 – Keine Einwände aus der AfD – trotz der Diskussion um ein Verbotsverfahren“. Aber wie kann die AfD etwas dementieren, von dem Correctiv behauptet, dass das nur gesprochen worden sein könnte und darauf hinauslaufen würde? Wenn Correctiv weiter behauptet, dass in Potsdam diskutiert wurde, dass zur Veränderung der Gesellschaft „metapolitische, vorpolitische Macht“ aufgebaut werden müsse, um „das Meinungsklima zu ändern“, dann hat Correctiv hier nur präzise das eigene Vorgehen beschrieben oder in den Worten von Jean Peters: „Ich entwickele Aktionen und erfinde Geschichten, mit denen ich in das politische und ökonomische Geschehen interveniere. Besonders wichtig dabei: Mit der passenden Medienstrategie Aufmerksamkeit erregen, den gesellschaftlichen Diskurs anregen und so zum Wandel beitragen.“ Wenn Correctiv das Resümee zieht: „Es soll auch Geld fließen. In Influencer-Projekte, in Propaganda, in Aktionsbewegungen und universitäre Projekte. Das ist die eine Seite, der Aufbau einer rechtsextremistischen Gegenöffentlichkeit“, und sich etwas später noch als Hinweisgeber für die Bundesinnenministerin mit den Denunziationen betätigt: „Einigen hier in dem Kreis, sagt er (Gernot Mörig), sei es am ehesten recht, bei seiner Frau einen Briefumschlag abzugeben. Offenbar will er die Spenden aber noch professioneller organisieren und kündigt an, dass sie wahrscheinlich dann doch beim nächsten Mal einen nicht eingetragenen Verein haben“ werden, über den Überweisungen laufen könnten, „antwortet Nancy Faeser in ihrem 13. Punkteprogramm: „3. Finanzquellen rechtsextremistischer Netzwerke austrocknen“. Wie sieht es eigentlich mit der Finanzierung von Correctiv aus? Und ist es nicht das, was Soros Open Society, die auch mal Correctiv unterstürzt hatte, in großem Stil so betreibt: Geld fließen zu lassen in „Influencer-Projekte, in Propaganda, in Aktionsbewegungen und universitäre Projekte“? Die Kritik an der Regierung soll künftig kriminalisiert werden, was bei Faeser zu dem schwammigen Maßnahmepunkt wird: „Angegriffenen Demokratinnen und Demokraten den Rücken stärken“ – und Demokraten sind ihrer Auffassung nur rot oder grün. Correctiv ermüdet nicht dabei, Faesers Hinweisgeber zu bleiben. Wenn über die AfD Politiker Ulrich Siegmund und Roland Hartwig gesprochen wird, will der Correctiv-Beitrag Thomas Haldenwang und Nancy Faeser beim Verbot der AfD tatkräftig unter die Arme greifen: „Dass Teile der AfD mit Neo-Nazis und Neuen Rechten eng vernetzt sind, ist nichts Neues. Bisher aber schob die Partei das Problem auf einzelne Orts- oder Landesverbände. Bei dem geheimen Treffen in dem Hotel ist auch ein Vertreter der höchsten Ebene der Partei präsent …“ Möglich, dass der fragwürdige Text von Correctiv in das Gutachten des Verfassungsschutzes zum Verbot der AfD eingeht, denn die Gutachten, auf dessen Grundlage der Verfassungsschutz seine Einschätzungen trifft, hält der Verfassungsschutz praktischerweise geheim. Und so erstaunt es auch niemanden, dass der Text von Correctiv vom 10. Januar 2024 mit einer Steilvorlage für Faeser und Haldenwang im Bestreben, die AfD zu verbieten, endet: Es bleiben zurück: Ein rechtsextremer Zahnarzt, der sein konspiratives Netzwerk offenlegte; ein Treffen von radikalen Rechtsextremen mit Vertretern der Bundes-AfD; ein „Masterplan“ zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern aufgrund ihrer „Ethnie“; also ein Plan, die Artikel 3, Artikel 6 und Artikel 21 des Grundgesetzes zu unterlaufen. Die Offenlegung mehrerer potenzieller Spender für Rechtsextremismus aus dem gehobenen Bürgertum; ein Verfassungsrechtler, der juristische Methoden beschreibt, um demokratische Wahlen systematisch anzuzweifeln; ein Landtagsfraktionsvorsitzender der AfD, der Wahlspenden an der Partei vorbei organisieren will; und ein Hotelbesitzer, der etwas Geld einnehmen konnte, um seine Kosten zu decken. Doch was bleibt tatsächlich nach vier Monaten von den politisch erwünschten Correctiv-Tales übrig? Das Wort „Ethnie“ hat Correctiv inzwischen klammheimlich gestrichen, die stellvertretende Chefredakteurin behauptet, von „Deportation“ nicht gesprochen zu haben, doch hat sie den Begriff insinuiert. Nur indem Correctiv Behauptungen, die wie Tatsachen daherkamen, selbst als Meinungsäußerung umdeklarierte, entging Correctiv einer größeren Niederlage vor Gericht. Dass der Skandal um eine Recherche, die sich nicht an Tatsachen, sondern an der woken Gesinnung orientierte, niedergehalten wird, liegt an der Gunst, der sich Correctiv in Regierungskreisen erfreut, und nicht zuletzt darin, dass die vielen Medien, die den Correctiv-Tales nur allzu gern auf dem Leim gingen, sie ungeprüft übernommen und sogar noch vergröbert haben, mit ihrer Fehlleistung nicht konfrontiert werden möchten. Was zurückbleibt, ist ein regierungsnahes Medium, das nicht frei von dem Verdacht ist, mit dem Verfassungsschutz und dem Bundesinnenministerium gemeinsame Ziele verfolgt zu haben und dadurch den Journalismus zum Diener der Herrschenden erniedrigt zu haben. Was zu erwarten steht, ist, dass der Verfassungsschutz oder Correctiv bereits am nächsten Verschwörungsplot schreiben, der vor den Europa-Wahlen im Mai oder Juni veröffentlicht werden wird. Was wir erlebt haben, ist erst der Anfang. Man wird beim nächsten Mal vermutlich weniger dilettantisch vorgehen, aber eigentlich ist es egal, denn auch die plumpe Farce hat dank vieler Medien und der Regierung funktioniert. Dass keinerlei Hemmungen, keinerlei Verpflichtung, sich an demokratische Spielregeln zu halten, bestehen, ist in den Correctiv-Tales und den Regierungsdemonstrationen deutlich geworden. Thomas Haldenwang schrieb: „In der Nachkriegsgeschichte war die Demokratie in unserem Land selten so in Gefahr wie heute.“ Der Mann muss es wissen, denn er trägt für diese Entwicklung keine geringe Verantwortung. Hier geht es zu Teil 1 „Geheim am Treffen ist nur der Tippgeber“ und Teil 2 „Viel Dichtung, wenig Wahrheit“ und Teil 3 „Wie aus Fakes Fakten werden“.
Natalie Furjan
Die Correctiv-Veröffentlichungen über ein angebliches Geheimtreffen im November 2023 in Potsdam und die daran anschließenden Demos „gegen Rechts“ dienen Innenministerin Faeser als Begründung für ihren Demokratieabbau, den sie mit Hilfe des Verfassungsschutzchefs umsetzt. TE dokumentiert in vier Teilen Recherche-Ergebnisse zur Kampagne. Von Frank Schröter
gastbeitrag
2024-04-22T16:37:57+00:00
2024-04-22T16:37:58+00:00
https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/potsdam-treffen-teil-4/
Merz, Milei und die Moral der Machtbesessenheit
Die Genugtuung über das Ampel-Aus (Wort des Jahres!) und die Hoffnung auf eine Wende und ein Ende der Talfahrt der deutschen Wirtschaft währen nicht lange. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Friedrich Merz die Latte seiner Ankündigungen nicht so hoch hängt, dass er sie nur reißen kann, wenn er koalieren muss, mit wem auch immer. Er sollte aber auch keinen Wahlkampf für seine Konkurrenten – ob rechts oder links – betreiben. Das ist zweifellos der Fall, wenn er behauptet, er könne sich Robert Habeck auch fürderhin als Wirtschaftsminister vorstellen. Linnemann und Söder haben sofort widersprochen – aber passiert ist es. Was hat Merz bloß geritten? So eine Formulierung („ob mit oder ohne Habeck“) rutscht einem nicht einfach heraus. Ist es das Lockere-Zunge-Syndrom? Fehlgeleitete Gefallsucht? Haltungsschwäche eines Mannes, der nur noch eines vorhat: nein, nicht das Land in Ordnung zu bringen, sondern Kanzler zu werden? Politiker, die noch alle Tassen im Schrank haben, können sich gewiss vieles vorstellen, nur nicht, dem Hauptverursacher des Absturzes einen Persilschein auszustellen. Wohlstandsvernichtungsminister Habeck war und ist Sektenführer der grünen Ideologie, der zwar in der Lage ist, mit aberwitzigen Thesen leichtgläubige Wähler:/_innen zu faszinieren, der aber den letzten Rest von Kompetenzvermutung wiederholt zerstört hat. Wer diesem Klabautermann der sozialen Marktwirtschaft Vertrauen schenkt – dem kann selbst niemand mehr Vertrauen schenken. Habeck ist keine Naturkatastrophe. Vielmehr ist der seit Jahrzehnten zu beobachtende Wandel in den Köpfen deutscher Wähler menschengemacht. Jetzt wird wieder auf Teufel komm raus moralisiert. Die Öffentlichkeit und ihre „Qualitätsmedien“ halten allen Ernstes die Art und Weise des (verspäteten) Ausstiegs der FDP aus der Koalition für das aufregendste Thema. Das ist so unpolitisch wie – pardon – schwachköpfig. Niemals zuvor hatte dieses Land einen Schub Liberalismus nötiger als gerade heute. Niemals zuvor war die FDP – die nicht liberal genug ist, aber immerhin noch liberal – so abgemeldet wie gerade jetzt. Im Moment kann der FDP-Chef sagen, was er will, es wird skandalisiert. Gerade hat er mit der Aussage schockiert, Deutschland müsse etwas mehr Milei wagen. Er hat nicht gesagt, Deutschland sei mit Argentinien zu vergleichen. Aber es ist doch nicht zu übersehen, dass die libertären Wirtschaftsreformen binnen eines Jahres Argentinien auf einen Wachstumspfad gebracht und die Inflation nachhaltig bekämpft haben. Lindner hat also vollkommen Recht. Besonders „entsetzt“ darüber gibt sich nun Merz. Milei sei ein Präsident, der sein Land ruiniere und die Menschen mit den Füßen trete. Das ist blühender Unsinn, kommt aber offenbar im Wahlkampf an. „Libertär“ ist im Land der preußischen Staatshörigkeit ein Synonym für „teuflisch“. Merz kann versprechen, was er will. Daran halten wird er sich ohnehin nicht. Er wird die Schuldenbremse lösen. Man solle, so der künftige Kanzler, in der Politik „niemals nie“ sagen und natürlich könne man das Grundgesetz ändern. Er wird auch Habecks Heizungsgesetz mit geringen Korrekturen und unter anderem Namen wüten lassen. Und das Totschlagargument für alle Missetaten der künftigen Regierung wird bereits in allen Talkshows ventiliert. Die Deutschen wählen vier Wochen nach der Amtseinführung Donald Trumps. Sie wissen dann, wie die USA Deutschlands Export bedrohen wird – und die künftige deutsche Regierung wird es als Begründung für neue Untaten nutzen. Es gibt ein zweites Totschlagargument gegen eine echte politische Wende. In Deutschland verstecken sich nicht nur die Unionsparteien hinter Brüssel, und tun so, als sei die EU höhere Gewalt. Sie waschen ihre Hände in Unschuld, Brüssel zwingt sie zu allem, zum Wahnsinn der Bürokratie, zu immer mehr Staat. Der „Green Deal“ der EU ist der dickste Sargnagel am Wohlstand Deutschlands. Dahinter steckt auch noch Rücksicht auf die CDU-Parteifreundin Ursula von der Leyen, die sich an der Spitze der undemokratischen EU-Kommission gebärdet wie die Regentin Europas. Anders als alle ihre Vorgänger und alle Kommissare stand sie noch nie unter dem Verdacht, die Interessen ihres eigenen Landes im Auge zu haben. Wie niemand sonst verkörpert sie das verhängnisvolle Weiterwirken der grünen Merkel-CDU. Notwendig wäre eine deutsche Regierung, die nicht einfach alles schluckt, was aus Brüssel kommt (und es auch noch besonders folgsam durchzieht). Wer Deutschland wieder in Fahrt bringen will, darf dem Konflikt mit Brüssel nicht aus dem Weg gehen. Bündnispartner gäbe es. Jetzt, da Frankreich im politischen Chaos zu versinken droht, wäre es umso wichtiger, dass die Bundesregierung nicht den braven Mustereuropäer gibt, sondern tut, was für die immer noch stärkste Volkswirtschaft der EU bitter nötig wäre. Mehr Markt, weniger Staat. Doch die EU-Reform steht auf keinem Wahlprogramm auf der ersten Seite. Deutschland wird, wenn es so weitergeht, ebenso unregierbar sein wie Frankreich, wo die bürgerliche Mitte von beiden radikalen Seiten in die Zange genommen wird.
Sofia Taxidis
Was hat Merz bloß geritten? So eine Formulierung – „ob mit oder ohne Habeck“ – rutscht einem nicht einfach heraus. Ist es das Lockere-Zunge-Syndrom? Fehlgeleitete Gefallsucht? Haltungsschwäche eines Mannes, der nur noch eines vorhat: nein, nicht das Land in Ordnung zu bringen, sondern Kanzler zu werden?
kolumnen
2024-12-07T07:15:41+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/herles-faellt-auf/merz-milei-und-die-moral-der-machtbesessenheit/
Die Migrationspolitik wird zum Armutsrisiko für Deutschland
Sie kennen doch bestimmt die Politikerphrase, dass der Rohstoff unserer Volkswirtschaft die gut ausgebildeten Köpfe sind. Weil Deutschland über wenig natürliche Ressourcen verfügt, steckt der absolut wichtigste Produktionsfaktor in der Leistungsfähigkeit von zig Millionen gut ausgebildeten Arbeitnehmern und innovativen Unternehmerpersönlichkeiten. Auf den digitalen Wandel der Wirtschaft antwortet die Politik gebetsmühlenartig mit dem Ruf nach lebenslangem Lernen und höherer Qualifikation. Auch ältere und erfahrene Arbeitnehmer sollten sich digital weiter qualifizieren, weil sie aufgrund des demografischen Wandels auch länger hochproduktiv erwerbstätig sein sollten. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft ja bekanntlich oft eine Riesenlücke. Während Union und SPD mit der abschlagsfreien Rente mit 63 in den vergangenen Jahren mehr als eine Million gut qualifizierte langjährige Facharbeiter aus dem Arbeitsmarkt herauslockten, sorgte die gleiche Koalition mit einer ungesteuerten Zuwanderung über den Asyl-Pfad in der gleichen Zeit für eine millionenfache Einwanderung in die Sozialsysteme unseres Landes. Diese Form von Zuwanderung befördert den demografischen Kollaps, statt ihn zu mildern, wie noch vor drei Jahren DAX-Manager mit Millionengehältern in die Willkommenskultur-Kameras frohlockten. Doch die nüchternen Zahlen sprechen eine harte und brutale Sprache. Vor wenigen Wochen erschien das Statistische Jahrbuch 2018. Dem Kapitel 2 (Bevölkerung, Familien, Lebensformen) lassen sich jede Menge Zahlen entnehmen, die das Armutsrisiko für unser Land belegen, das sich hinter dieser ungesteuerten Zuwanderung versteckt. Vor allem auf den Seiten 42 und 43 finden sich die entscheidenden Fakten, die das Ausmaß einer seit Jahrzehnten verfehlten Migrations- und Integrationspolitik unterstreichen. Insgesamt lebten im vergangenen Jahr 19,258 Millionen mit Migrationshintergrund im engeren Sinn in Deutschland. Das entspricht 23,6 Prozent der Gesamtbevölkerung. Bei den unter Fünfjährigen ist der Anteil mit 39,1% signifikant höher. In allen Altersgruppen bis zum 45. Lebensjahr liegen die Bevölkerungsanteile von Personen mit Migrationshintergrund um die 30 Prozent oder deutlich darüber. Erst mit den älteren Jahrgängen sinkt der Anteil unter 20 Prozent. Rein demografisch betrachtet verjüngen also die Personen mit Migrationshintergrund Deutschland. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich die Höhe der Arbeitseinkommen auszumalen, die Arbeitnehmer mit diesen Qualifikationsmerkmalen erzielen können. Unter 500 Euro netto verdienen monatlich 2,444 Millionen Migranten, was einem überdurchschnittlichen Anteil von 33,8 Prozent in dieser Einkommensklasse entspricht. Auch in der nächsthöheren Einkommensklasse von 500 – 900 Euro liegen die Migranten mit einem Anteil von 27,3 Prozent deutlich über ihrem proportionalen Anteil an der Gesamtbevölkerung. Dass Personen in diesen niedrigen Einkommensklassen den demografischen Wandel nicht finanzieren können, versteht sich wohl von selbst. Da ist es auch kein Trost, dass immerhin 700.000 Personen mit Migrationshintergrund mehr als 3.200 Euro im Monat netto verdienen. Denn mit einem Anteil von 12,5 Prozent in dieser Einkommenshöhe liegen die Migranten sehr deutlich unter ihrem Bevölkerungsanteil. Dass auch die Zahl von Personen im Tranferleistungsbezug unter den Migranten deutlich über ihrem Bevölkerungsanteil liegt, verstärkt das Bild. 30,6 Prozent aller Arbeitslosengeld I-Empfänger waren 2017 Personen mit Migrationshintergrund. Und 49,3 Prozent aller Arbeitslosengeld II-Empfänger, besser bekannt unter dem Namen Hartz IV, waren im vergangenen Jahr Migranten. Diese Migrations- und Integrationspolitik schadet Deutschland und untergräbt auf Dauer unseren Wohlstand.
Sofia Taxidis
30,6 % aller Arbeitslosengeld I-Empfänger waren 2017 Personen mit Migrationshintergrund. Und 49,3 % aller Arbeitslosengeld II-Empfänger, besser bekannt unter dem Namen Hartz IV, waren im vergangenen Jahr Migranten.
kolumnen
2018-11-15T13:41:40+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/oswald-metzger-zur-ordnung/die-migrationspolitik-wird-zum-armutsrisiko-fuer-deutschland/
Bundespräsident Steinmeier mischt sich wieder parteipolitisch ein
Die SED-PDS-DIE LINKE kann von nun an ein Zertifikat des parteiischen Bundespräsidenten Steinmeier vorweisen: demokratisch unbedenklich bis empfehlenswert. Die FAZ kleidet das in eine Frage: „Wollte der Bundespräsident damit sagen, dass es sich bei der Thüringer Linkspartei eigentlich um eine bewahrende, also konservative“ Partei handele, sich die CDU also nicht so haben soll?“ Jasper von Altenbockum weiter bei der FAZ: „Die versteckte Aufforderung zur pragmatischen Regierungsbildung erinnert an den Eingriff des Bundespräsidenten in die Regierungsbildung auf Bundesebene. Vor knapp zwei Jahren überzeugte er zwei Wahlverlierer, die zu Neuwahlen entschlossen waren, doch noch eine Koalition einzugehen.“ Dem stimmen wir zu, nicht aber seiner Schlussfolgerung: „Die CDU wird darüber nicht erfreut sein.“ Damals wie heute leistet Steinmeier hier Auftragsarbeit für Merkel. Der Verpflichtung zur Unparteilichkeit des Bundespräsidenten ist Steinmeier von Anfang an nicht nachgekommen. — Boris Reitschuster (@reitschuster) November 10, 2019
Sofia Taxidis
Die SED-PDS-DIE LINKE kann von nun an ein Zertifikat des parteiischen Bundespräsidenten Steinmeier vorweisen: demokratisch unbedenklich bis empfehlenswert.
daili-es-sentials
2019-11-10T13:32:35+00:00
2019-11-10T13:58:49+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/bundespraesident-steinmeier-mischt-sich-wieder-parteipolitisch-ein/
Wagenknecht verklagt Habeck – und stellt ihn mit seinen eigenen Mitteln bloß
Sahra Wagenknecht greift an: Die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) hat Strafanzeige gegen Robert Habeck gestellt – wegen Verleumdung (§ 187 StGB) und übler Nachrede (§ 186 StGB). Doch besonders pikant: Der Vorwurf richtet sich nicht gegen irgendeinen anonymen Hetzer im Netz, sondern gegen den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister selbst. Und es geht nicht um eine unbedachte Formulierung im Eifer des Gefechts – sondern um eine gezielte Aussage auf einer Wahlkampfveranstaltung, professionell vorbereitet und öffentlich vorgetragen. Inklusive Videoaufzeichnung. Am 30. August 2024 sagte Habeck bei einem Grünen-Auftritt in Dresden, niemand in der Bundesregierung sei korrupt – „im Unterschied zu AfD und BSW, von denen jeder weiß, dass sie von Moskau, von Putin bezahlt werden“. Wenige Minuten später legte er nach: BSW und AfD würden „Trollarmeen aufbauen“, „Stimmen kaufen“, sich „für ihre Meinung bezahlen lassen“. Das sind keine Meinungen mehr – das sind Tatsachenbehauptungen. Und genau hier wird es juristisch heikel. Die Ironie: Ausgerechnet Habeck hatte in den letzten Jahren reihenweise Anzeigen gegen Bürger losgetreten, die ihm im Netz „Hass“ unterstellt hätten – wegen deutlich weniger. Menschen, die seine Energiepolitik kritisierten, wurden mit Paragraf 188 bedroht oder gar verfolgt. Habeck war nie zimperlich, wenn es darum ging, sich selbst als Opfer von Desinformation und Hassrede darzustellen. Jetzt steht er plötzlich auf der anderen Seite. Wagenknecht lässt daran keinen Zweifel: „Es geht hier nicht um eine hitzige Debatte, sondern um bewusste Lügen zur Wahlkampfmanipulation.“ Die Aussage, ihr Bündnis werde von Putin bezahlt, sei nachweislich falsch – es gebe keinerlei Belege, sondern nur eine infame Gleichsetzung mit russischer Einflussnahme. Der Vorwurf sei nicht nur rufschädigend, sondern auch demokratiegefährdend. Wagenknecht sagte gegenüber der Bild: „Während Habeck hunderte normaler Bürger angezeigt hat, die im Internet ihre berechtigte Wut über seine schlechte Politik geäußert haben, hat er selbst mit der Behauptung, das BSW würde sich ‚für seine Meinung bezahlen lassen‘, im Internet ‚Stimmen kaufen‘ und ‚Trollarmeen aufbauen‘ wissentlich Lügen über einen politischen Konkurrenten verbreitet. Dagegen wehren wir uns.“ Brisant auch deshalb, weil Habeck selbst lange der Inbegriff des moralisierenden Politikers war. Kaum ein Kabinettsmitglied pflegte so sorgfältig das Image des redlichen Intellektuellen, der über dem „Gekreische“ der AfD steht und für eine bessere Debattenkultur wirbt. Jetzt steht er ausgerechnet wegen Hetze und Diffamierung vor dem Staatsanwalt. Wagenknecht bringt es auf den Punkt: Es sei „schon bemerkenswert, dass ausgerechnet ein, wenn es ihn selbst betrifft, so dünnhäutiger Politiker wie Robert Habeck, der angeblich unablässig gegen ‚Hass und Hetze‘ kämpft, selbst ohne Skrupel nicht nur hetzt, sondern Lügen und Verleumdungen verbreitet, wenn er sich davon Vorteile verspricht“. Sollte sich der Vorwurf der Verleumdung erhärten, droht Habeck nicht nur ein Imageschaden, sondern auch eine mögliche Verurteilung – nach einem Gesetz, das seine eigene Partei verschärft hat. Die Grünen wollten politische Hetze bekämpfen. Wagenknecht zeigt jetzt, was geschieht, wenn die Mittel des moralischen Aktivismus gegen die Aktivisten selbst gerichtet werden. Ein Bumerang – und ein Lehrstück in politischer Doppelmoral.
Natalie Furjan
Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen Robert Habeck. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hatte gegen ihn eine Strafanzeige gestellt. Der Vorwurf: Falsche Behauptungen in einer Wahlkampfrede. Wagenknecht bezichtigt Habeck der „offenen Lüge und Verleumdung“.
meinungen
2025-06-11T07:53:51+00:00
2025-06-11T07:53:52+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/wagenknecht-verklagt-habeck-und-stellt-ihn-mit-seinen-eigenen-mitteln-bloss/
Steuerzahlertag - erst Ende Juli wird's privat
Vom 1. Januar bis vergangenen Dienstag Punkt 14 Uhr 44 mussten wir nur für das Finanzamt arbeiten – errechnet der Bund der Steuerzahler. Aber tatsächlich schuften wir sogar annähernd bis Ende Juli für den Staat. Der Grund: Immer mehr Steuern werden als harmlose Abgaben getarnt. Im Endeffekt sind es trotz aller Rabulistik – Steuern – Leistungen ohne direkt erkennbare Gegenleistung. Denn in der Rechnung des Steuerzahlerbundes fehlen 32 Abgaben – die allerdings trotzdem sorgfältig aufgelistet werden. Durch sein vorsichtiges Vorgehen versucht der Steuerzahlerbund, seine Glaubwürdigkeit zu erhöhen, ein ehrenwertes Unterfangen, das aller Mühe wert ist: Und so werden einige dicke Brocken versteckt: Andere kleine Brocken: So „wird die tatsächliche Abgabenbelastung verschwiegen“, sagt Steuerzahlerpräsident Reiner Holznagel. Offiziell sind es 53% von jedem Euro, der durch die vielen großen und kleinen Hände des Staates fließen – faktisch nähern wir uns der 60-Prozent-Grenze. „Es ist deshalb Zeit, dass über diese hohe Belastung diskutiert wird. Wenn deutlich mehr als die Hälfte von unserem Einkommen weggenommen wird, ist das ein großer Eingriff in die Freiheit der Bürger und Betriebe,“ so der Steuerzahlerpräsident. Streit gibt es in Bayern gerade um die „Straßenausbaubeitragsabgabe“ – damit müssen Anwohner für frischen Asphalt vor ihrem Haus blechen. Bitte nicht zu verwechseln mit Erschließungsbeiträgen, Ausbaubeiträgen, Anschlussbeiträgen oder besonderen Wegebeiträgen; der Erfindungsreichtum beim Abkassieren ist grenzenlos, ihre Verwaltung teuer und kompliziert, was wiederum eine Erhöhung der Beiträge erforderlich macht. Derzeit verhandeln in Bayern die Kommunen mit dem Land über die Ausgestaltung. Allein dadurch werden wieder Beamte gebunden, die teuer bezahlt werden müssen: Ein System, das sich selbst erhält und sich dabei ständig ausdehnt. Auffällig ist, wie sich das System verselbständig hat: Schockbilder auf Zigarettenpackungen und aus Bayreuth: Dort schließt der Rauch-Konzern BAT (HB, Lord, KIM, Lall Mall) seine letzte Zigarettenfabrik in Deutschland. Weil die Schockbilder wirken, wird weniger geraucht, so BAT-Chef Ralf Wittenberg. Weil die Produktion nach Osteuropa verlagert wird, so Gewerkschaftschef Michael Grundl. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner kommt zum Krisengespräch. Rauchen für Arbeitsplätze? Die Tabaksteuer bringt 15 Milliarden. Ein paar Peanuts werden jetzt in eine Transfergesellschaft investiert. Gesundheit hat ihren Preis; irgendwo steigen erneut die Steuern. Trotzdem wollen Grüne und SPD um Jürgen Trittin Vermögen stärker besteuern. Klingt gut. Aber Politiker kriegen bis zu 2 Millionen an Pension – und rechnen sich arm: Ihre dicke Kohle kommt ja vom Staat wie beim Harzer, und nicht vom eigenen Konto. Handwerker, die diesen Betrag aus selbstverdientem, schon versteuerten Geld für´s Alter ansparen, gelten als Reiche und sollen noch mal blechen, wenn es nach der neuen Wunschkoalition der Linken geht, der sich erfahrungsgemäß innerhalb weniger Wochen auch die CDU anschließt. „Ein Handwerker mit 2 Millionen auf dem Vorsorgekonto ist ein böser Reicher, ein Politiker mit Pensionsansprüchen in gleicher Höhe ist ein armer Wicht. Man muss sich die Verhältnisse halt nur zurechtzubiegen wissen“, spottet Hugo Müller-Vogg. Merke: Politik ist, andere für dich bezahlen lassen. Probier´s mal in der Kneipe …
Roland Tichy
Bis vergangenen Dienstag 14 Uhr 44 arbeiteten wir nur für's Finanzamt - die Rechnung zum Steuerzahlertag - tatsächlich bis annähernd Ende Juli.
tichys-einblick
2016-07-19T07:11:47+00:00
2016-07-19T08:20:51+00:00
https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/steuerzahlertag-erst-ende-juli/
Ampel deutet Fachkräfte neu: Weniger Hürden, schnellere Einbürgerung
Die Bundesregierung will einen „Kurswechsel“ einleiten. Noch eine Zeitenwende? Reicht es nicht langsam mit den Sonderausgabenprogrammen, die zu nichts führen, mit den Umsteuerversuchen an einem Land, das sich nicht umsteuern lassen will, jedenfalls nicht in die von der Ampel gewählte Richtung? Aber dann wäre Nancy Faeser (SPD) ja ohne Aufgabe, wenn sie dem Land nicht zumindest diesen winzigen pädagogischen Stups geben dürfte, der sie erst zur wirklichen Sozialdemokratin macht. Das Land droht darüber zur Chaos-Hochburg zu werden. Denn mit dem Bewahren hat es Faeser nicht so. Sie will einreißen, und das schafft sie auch, durch Tun und Unterlassen. Denn wenn es nach den Genossen geht, ist Deutschland schon lange ein „Einwanderungsland“. Seit einem Vierteljahrhundert lautet ein sozialdemokratischer Refrain, dass das öffentliche Eingeständnis, dass Menschen nach Deutschland einwandern, diesen Prozess irgendwie verbessern würde – zum Beispiel, wo es um die Zuwanderung von Fachkräften geht. Laut Faeser fehlen davon „hunderttausende in verschiedenen Bereichen“. Man spüre es an allen Ecken und Enden. Deutschland ist in Schwierigkeiten, so die Ministerin – und das trotz acht Jahren Dauermassenzuwanderung. Die Bundesrepublik sei aktuell nicht das Top-Ziel für ausländische Fachkräfte, weil die Gesetzgebung so hohe Hürden für qualifizierte Fachkräfte aufbaue, so Faeser: „Das wollen wir ändern.“ Konkret sieht der Gesetzentwurf vor allem die Absenkung verschiedener Standards vor. Dazu gehören auch gelockerte Gehaltsschwellen für bestimmte Berufsgruppen. Schutzberechtigte aus anderen EU-Staaten sollen eine „Blaue Karte“ erhalten, um legal nach Deutschland zu kommen. Wäre damit auch das Problem Sekundärmigration von Afghanen aus Griechenland gelöst? Daneben soll es Erleichterungen für „Studierende“ und eine Gratis-Chancenkarte für Neu-Einwanderer aus Drittstaaten geben. „Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“ heißt das Ganze. Und eine sehr freie Weiterentwicklung ist es wohl, genauso wie die Westbalkan-Regelung, die auch „Nicht-Fachkräften“ die Zuwanderung ermöglicht und nach Ampel-Wunsch und Wille bald auch für Moldau und Tunesien gelten soll. Aber zu diesem Paket gehört für Faeser auch die bald kommende erleichterte Einbürgerung, dank der Deutschland zu Einwanderungsländern wie Kanada aufschließen soll. Es ist sehr zweifelhaft, dass das gelingen wird. Denn Kanadas Einwanderungserfolg hängt noch an ganz anderen Kriterien, die Deutschland nicht so leicht und zum Teil gar nicht erfüllen kann. Etwa, was die Weite des Landes angeht, in dem man noch weitgehend ungestört seinen Geschäften nachgehen kann. Außerdem sollen sich Fachkräfte in Deutschland natürlich wohlfühlen, was das „gesellschaftliche Klima“ angeht. Den nötigen Kurswechsel leite die Bundesregierung nun ein… Man bemerkte es schon. Da stellt man sich die Heimat lieber mit Menschen voll, egal ob sie nun Flüchtlinge oder Invasoren, Armuts- oder Wohlstandsmigranten, Tagelöhner oder Taugenichtse, Glücksritter oder Sozialschmarotzer sind. Die SPD öffnet die Tore, die bei ihr allezeit weit sind, auch wenn die Herzen eng bleiben. Die Entrechtung der Alteingesessenen schreitet derweil voran. Immer mehr Wohnraum wird von Migranten besetzt, die leider nicht direkt auf den Arbeitsmarkt durchdringen. Doch die SPD hat es sich in den Kopf gesetzt, „eines der modernsten Einwanderungsrechte in der Welt“ zu schaffen. Was aber, wenn dieses moderne Konstrukt auf eine vormoderne Einwanderungsbewegung sonders gleichen trifft? Es ist, als ob China den Xiongnu oder die Römer den Hunnen rascheren Zugang zum Arbeitsmarkt und festen Rechten in ihrem jeweiligen Reich angeboten hätten. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Alexander Throm, fand vieles Richtige in Faesers Gesetzentwurf, kritisierte allerdings, dass es ihr offenkundig weniger um Fach- als um Arbeitskräfte ging. Denn die Qualifikationen setze diese Bundesregierung überall herab, wo es nur geht. „Damit verkehren Sie die Fachkräfteeinwanderung […] in eine Einwanderung von Minderqualifizierten.“ Als ob die Sozialdemokratie jemals anderes vorgehabt hätte. Aber auch die Christdemokratie bleibt an diesem Geschäft, dieser Selbstbeschäftigungstherapie der politischen Klasse beteiligt. Besonders amüsant ist das Kapitelchen „Alternativen“ in dem Gesetzesentwurf. Dort heißt es im einzigen Absatz: „Es ist keine Alternative, auf diese Änderungen zu verzichten.“ Man ist also, wo man bei der SPD schon länger war: Gibt es Alternativen? Nein und basta. Vor allem kommt es laut Bundesregierung „nicht in Betracht, ein grundlegend neues Verfahren des Zugangs zum deutschen Arbeitsmarkt zu implementieren, zum Beispiel indem sämtliche Zugangsmöglichkeiten auf ein Punktesystem umgestellt würden“. Es gebe keine Evidenz, dass „ein solcher Systemwechsel zu besseren Ergebnissen in Deutschland führen würde“. Bald wird auch das neue Einbürgerungsgesetz der Ampelkoalition kommen, dann wahrscheinlich unter dem Titel Gute-Staatsbürgerschaft-Gesetz. Dieses Gesetz wird nun präsentiert als Allheilmittel gegen den schlechten Ruf des Einwanderungslandes Bundesrepublik in der Welt, als ob das Versprechen der Staatsbürgerschaft zu einem Land, in das man nicht einwandern will, einen von der Auswanderung überzeugen würde. Ganz im Gegenteil: Das kommende Einbürgerungsgesetz soll keine Wirkung auf die kommende ideale Einwanderungskandidaten entfalten, sondern den Notstand im Lande selbst mildern, wo Hunderttausende leben, die nicht im Land geboren sind, die aber irgendwie an Staat und Partei gebunden werden sollen. Experten sehen schon heute voraus, dass mit den angekündigten Neuregelungen viel mehr Menschen Anspruch auf den deutschen Pass haben werden, so der Dozent für Staatsangehörigkeitsrecht und Beamter beim Regierungspräsidium Darmstadt, Peter Schlotzer. „Zum einen wegen der Verkürzung der Aufenthaltszeit von acht auf fünf Jahre. Eine große Rolle spielt außerdem, dass die Mehrstaatigkeit weiter geöffnet werden soll.“ Das werde sich vor allem auf langjährig in Deutschland lebende Ausländer auswirken, die noch keine deutsche Staatsangehörigkeit haben, weil sie bis jetzt damit gezögert haben. Auch aus Russland, Pakistan oder etwa Serbien sei dann mit mehr Anträgen zu rechnen. Auf Syrien, Irak und Afghanistan kommt der Herausgeber eines Praxishandbuchs zum Staatsangehörigkeitsrecht hier offenbar nicht. Sehr viele Anträge würden sehr rasch gestellt werden, zum Teil weil die Antragsteller befürchten, das Gesetz könnte wieder geändert werden. Und dann haben wir den Salat: Denn der „Fachkräftemangel betrifft auch den öffentlichen Dienst“ (O-Ton Schlotzer). Es ist also bewiesen: Der Fachkräftemangel entsteht durch jene Regelungen, die ihn angeblich lindern sollen, sich aber in Wahrheit auf Menschen beziehen, die sowieso schon in Deutschland sind. Für die Abgeordnete Gerrit Huy (AfD) steht ohnehin fest, dass es sich in anderen Ländern inzwischen besser lebt und „eher gering qualifizierte Migranten zu uns kommen“. Allein im letzten Jahr seien 185.000 Deutsche ausgewandert, die sicherlich eine bessere Ausbildung bekommen haben als die hunderttausenden Asylbewerber, die statt ihrer ins Land strömten. Doch qualifizierte Fachkräfte, so Huy, „können woanders viel mehr Nettoeinkommen erzielen“. Dem stehen die deutschen Steuern und Sozialabgaben in Maximalhöhe entgegen. Neben dem Wohnraummangel und den hohen Mieten prangerte Huy zudem das mangelhafte Schulsystem und die sich zuspitzende Sicherheitslage in den Städten an. Sie glaubt eher an das Sozialsystem als Perspektive für die Mehrzahl der Zuwanderer. Diesem Fehlschluss hatte schon zuvor Katharina Dröge von den Grünen indirekt widersprochen, indem sie – im Verein mit Kai Wiese von der SPD – sogar der Union vorwarf, den deutschen Wirtschaftsstandort ruinieren zu wollen. Von einem „Verramschen von Pässen“ könne keine Rede sein. So würden nur Stimmungen gegen Menschen geschürt, die „schon lange“ zum Gemeinwesen beitrügen und „vielleicht hierherkommen könnten, um uns auszunutzen“. Das letztere meint Dröge natürlich ironisch. Derlei Misstrauen halten die Grünen für gänzlich unangebracht, wo es um unbelastete Goldstücke für die Heimat geht. Und überhaupt: Die deutsche Wirtschaft, das bodenständige Handwerk sogar brauche frische „Arbeitskräfte, die zu uns kommen“. Beide wollen mehr von dieser Ampelpolitik. Und nur so erklärt sich die Absenkung der Mindestwartezeit für einen deutschen Pass von acht auf fünf Jahre (in einigen Fällen: drei). Es geht also gerade nicht um die, die „schon lange“ hier sind und viel beigetragen haben. Diese rhetorische 360-Grad-Wende funktioniert nur dank grüner Sophistik gepaart mit Logikmangel. Und dabei wollte Dröge eigentlich eine „nette Rede“ an die Union halten, weil die Ampel diese staatstragende Oppositionspartei „braucht“. Doch das fiel ihr erkennbar schwer. Und die FDP? Die möchte den Gesetzentwurf „im parlamentarischen Verfahren noch besser“ machen. „Die Attraktivität dieses Landes entscheidet darüber, ob Menschen wirklich zu uns kommen wollen“, so Lukas Köhler (FDP). Ja, und danach werden die gekommenen Menschen über die Attraktivität dieses Landes entscheiden.
Matthias Nikolaidis
In ihrem neuen Fachkräftegesetz legt die Ampel eine umfangreiche Neudeutung des Fachkräftebegriffs vor. Vor allem sollen Hürden abgebaut werden. Im Hintergrund beherrscht bereits das nächste Gesetz die Diskussion: die erleichterte Einbürgerung ab drei Jahren Aufenthalt.
daili-es-sentials
2023-04-30T11:36:25+00:00
2023-04-30T17:20:04+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/ampel-fachkraefte-weniger-huerden-schnellere-einbuergerung/
Corona-Demonstrationsverbot: Politische Ungleichbehandlung
Die für das Wochenende angekündigten Demos in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen wurden von der Berliner Versammlungsbehörde verboten. In der Begründung hieß es, dass die Corona-Demo vom 1. August gezeigt hätte, dass „die Teilnehmenden sich bewusst über bestehende Hygieneregeln und entsprechende Auflagen hinweggesetzt haben“. Berlins Innensenator Andreas Geisel äußerte sich ebenfalls am Mittwoch dazu: „Wir müssen deshalb zwischen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und dem der Unversehrtheit des Lebens abwägen. Wir haben uns für das Leben entschieden.“ Als weitere Begründung gab er an, die Veranstalter der Demo im August hätten „ganz bewusst die Regeln gebrochen“. Ähnliche Fälle gab es in Berlin bereits zuvor, insbesondere die BlackLivesMatter-Demos im Mai und Juni. Dichtgedrängt standen die Demonstranten u.a. am Alexanderplatz, ohne dass die Polizei die Veranstaltungen beendete. Als dann im Juni weitere Demonstrationen aus dem gleichen Spektrum angekündigt waren (unter anderem die „unteilbar“-Demo) äußerte sich Berlins Innensenator noch ganz freundlich und bedacht. Er appellierte lediglich – nach dem er die Demonstration „ein wichtiges Anliegen“ nannte – an die Berliner, „Eigenverantwortung“ zu übernehmen und sich selbst und andere zu schützen. Und jetzt soll, bei einem anderen politischen Anliegen, die volle Staatsmacht zuschlagen? Dass das Verbot auch insofern eine groteske Ungleichbehandlung darstellt, ist das eine, aber auch Geisel selbst konnte es sich nicht verkneifen im Weiteren auf die politischen Inhalte der Demo einzugehen und seine eigene politische Motivation hinter der Entscheidung zu entlarven. „Ich bin nicht bereit ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird.“ sagt er und wird damit von der offiziellen Pressemitteilung des Senats zum Verbot der Demonstrationen zitiert. Und dann folgt ein Satz, der genauso gut von einem totalitären Regime stammen könnte: „Ich erwarte eine klare Abgrenzung aller Demokratinnen und Demokraten gegenüber denjenigen, die unter dem Deckmantel der Versammlungs- und Meinungsfreiheit unser System verächtlich machen“. Im Leben in der Hauptstadt ist Corona eigentlich längst vorbei. Es werden wieder große Partys in der Öffentlichkeit gefeiert, der übliche linke Demo-Rummel ist wieder voll zurück. Überall schaut der Staat weg. Aber ausgerechnet bei einer politischen Demonstration ist der Infektionsschutz so unabdingbar? Der Verfasser ist 17, angehender Journalist. Er lebt in Berlin und schreibt wegen der politischen Bedrohung durch Linke unter  dem Namen „Air Türkis“
Maximilian Tichy
Überall schaut der Staat weg. Aber ausgerechnet bei einer politischen Demonstration ist der Infektionsschutz so unabdingbar?
daili-es-sentials
2020-08-26T10:32:45+00:00
2020-08-26T12:31:02+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/corona-demontrationsverbot-politische-ungleichbehandlung/
Solms: Viele wissen nicht mehr, worauf unser Wohlstand basiert
Berlin. Die Mehrheit für eine Enteignung von Wohnungsbauunternehmen in Berlin und die Fokussierung auf Klimapolitik sind für den FDP-Politiker Hermann Otto Solms Alarmzeichen dafür, dass viele gar nicht mehr wissen, worauf Deutschlands Wohlstand basiert. Das gelte besonders für junge Leute, sagte Solms im Gespräch mit der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift Tichys Einblick. „Im Rahmen der vielen Problemkreise, die sich entwickelt haben, haben wir vergessen, auf unser eigenes Land zu gucken und unsere Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Wir sind dahingehend träge und bequem geworden. Unsere Kinder wachsen im Wohlstand auf und sehen leider nicht mehr, wodurch dieser Wohlstand geschaffen wurde“, so der langjährige Bundestagsabgeordnete. „Aus dieser Selbstlähmung müssen wir wieder raus.“ Die Fokussierung der öffentlichen Debatte auf das Klima hält Solms für falsch. „Der Klimawandel ist ein drängendes Problem, aber die Diskussion über die Leistungsfähigkeit des Landes muss ebenfalls geführt werden. Diese Leistungsfähigkeit ist schließlich Teil der Lösung. Ohne wirtschaftliche Leistungsfähigkeit keine Lösung der Probleme, die aus dem Klimawandel resultieren.“ Man brauche jetzt eine „Entfesselung der Kräfte“ und keine Enteignung von Unternehmen, die Wohnraum schaffen. „Menschen, die durch ihre Arbeit Vermögen und Eigentum aufgebaut haben, sollen enteignet werden. Wer glaubt, man kriegt den Staat in den Griff, um dann das Privateigentum zu verstaatlichen und zu kontrollieren, ist auf einem Irrweg“, erklärt Solms. „So wie es eben das Politbüro der DDR war. Da saßen ein paar alte Männer, die nicht mit der Zeit gehen konnten und wollten und nur damit beschäftigt waren, ihre Macht zu erhalten und das Volk nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen.“
Sofia Taxidis
Hermann Otto Solms war Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion und Alterspräsident des 19. Deutschen Bundestages. Zum neuen Bundestag kandidierte er nicht mehr. Mit Tichys Einblick sprach er über das Eigentum und den Zustand der Marktwirtschaft
daili-es-sentials
2021-11-16T14:54:00+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/solms-viele-wissen-nicht-mehr-worauf-unser-wohlstand-basiert/
Kurz bei Söder und Seehofer im Löwenbräukeller
Was Spitzenpolitiker bei letzten Auftritten vor einer Wahl bewirken können, ist immer mal wieder erprobt worden. Bei der FDP gilt als erwiesen, dass Walter Scheel mit seiner Aussage für eine Koalition mit Willy Brandt kurz vor der Bundestagswahl 1969 die FDP doch noch über die Fünfprozenthürde hob. Markus Söder hätte der CSU noch einen letzten Schub bei der Abschlusskundgebung im Löwenbräukeller geben können, doch er ließ diese Gelegenheit ungenutzt. Er sagte nicht, was ihm noch mehr Beifall eingebracht hätte, als er so beim Gast aus Österreich allein gemessen wurde, bei Sebastian Kurz. WELT online schreibt: „Einer seltsamen Dramaturgie folgend begrüßte CSU-Generalsekretär Markus Blume zunächst nicht den Gast, sondern CSU-Chef Horst Seehofer. Der deutsche Innenminister erhielt ordentlichen Applaus. Daraufhin wurde Ministerpräsident Markus Söder eingeführt. Erste Bravos waren zu hören. Doch wer dies für echte CSU-Ovationen gehalten hatte, wurde eines Besseren belehrt, als Blume Sebastian Kurz willkommen hieß. Da tobte der Saal. Das war weit mehr als der Ausdruck von Respekt, dem man einem Gast entgegenbringt, dem das erste Grüßgott hätte gelten müssen.” Der Vergleich dieser WELT-Darstellung mit jener auf derStandard.at zeigt, dass das Wiener Blatt nicht zu Kurz‘ Freunden gehört: „Bei der Begrüßung durch CSU-Generalsekretär Markus Blume bekommt der Kanzler deutlich mehr Applaus als jener, der ihn bei der Wahlkampf-Schlussveranstaltung eigentlich dringender nötig hätte: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).” Was WON „seltsame Dramaturgie” nennt, erinnert den Österreicher mit deutschem Pass unweigerlich an die unendliche Serie an Witzen über Preußen und Bayern, mit denen man einen ganzen langen Abend bestreiten könnte. Hier fiel mir sofort einer aus der Unterserie der Antworten auf die Frage ein, was ist ein Bayer. Er wird einem berühmten Wissenschaftler nachgesagt, der lange in München wirkte. Und geht so: Der Bayer vereinigt in einer einzigen Person die Höflichkeit der Preußen mit der Pünktlichkeit der Wiener. Und weil ich schon dabei bin, noch eine wahrscheinlich wahre Anekdote über einen frühen Vorgänger von Sebastian Kurz als Bundeskanzler, eine des in Österreich legendären Bruno Kreisky. Bei einem Besuch in München soll ihm ein Redakteur der Süddeutschen die geradezu investigative Frage gestellt haben, ob er gerne nach München komme. Kreisky: Ich komme immer gern nach Bayern, man ist nicht mehr in Österreich, aber auch noch nicht in Deutschland. Den Tonfall der Antwort stellen Sie sich bitte in gemäßigtem Wienerisch vor. Ob es dabei bleibt, dass man in Bayern noch nicht in Deutschland ist, bezweifelt bis verneint Wolfgang Herles in seiner heutigen Kolumne mit guten Gründen. Jedenfalls hat Markus Söder im Löwenbräukeller die einzige Möglichkeit nicht genutzt, die er noch hatte, um seine CSU in Stimmung und eine größere Zahl von abwandernden CSU-Wählern vielleicht doch zum Umkehren zu bringen. Der Beifall, der ihm für die Absage an eine Koalition mit den Grünen sicher gewesen wäre, hätte mit dem Jubel für Kurz mindestens gleichgezogen. Eine andere Möglichkeit der Interpretation als diese ist nicht möglich: Söder wollte im Löwenbräukeller eine Koalition mit den Grünen nicht ausschließen. Bei WON heißt es dazu: »… sogar mitten in München johlen die CSU-Anhänger, als Söder sich deutlicher als bisher von den Grünen distanzierte. Ihre Programmatik sei „nicht koalitionsfähig“. Das erste und einzige Mal setzte an dieser Stelle rhythmisches Klatschen ein, obwohl dies noch immer nicht der von vielen CSU-Anhängern ersehnte Satz: ,Mit den Grünen werden wir nicht koalieren’, war.« DerStandard.at zitiert Söder: „Das Programm der Grünen ist in Bayern nicht koalitionsfähig. Denn das, was sie vorgestellt haben, ist genau das Gegenteil von dem, was viele bürgerliche Wähler sich wünschen.“ Und verweist auf Söder im ZDF-Morgenmagazin: Bayern wolle „Freistaat bleiben und nicht Verbotsstaat werden“. So bleibt mir nichts anderes übrig, als Herles zuzustimmen, spät, aber nun eindeutig ist klar: Die CSU war nie vom „Miasanmia-Gefühl einer tausendjährigen Geschichte” getragen. Sonst hätte München „sich als Gegenberlin positionieren” müssen, „nicht nur ökonomisch, auch ideologisch und kulturell”. Söder wollte sich bei der Abschlusskundgebung wie im ganzen Wahlkampf zuvor alle Koalitionsoptionen offenhalten. Ob es tatsächlich zur Koalition mit den Grünen kommt oder nicht, ist für die Frage, wie sehr oder wie wenig sich die CSU von Merkels CDU noch unterscheidet, nicht mehr relevant. Söder und Seehofer haben sie beantwortet. Ob die CSU juristisch eigene Partei bleibt oder nicht, politisch ist sie nun der letzte Landesverband der CDU. Wer über alle genannten Parteien hinweg am nächsten an den Ergebnissen landet, gewinnt. Ihre Wetten nehmen wir ab sofort entgegen. Annahmeschluss ist der Wahlsonntag (14.10.2018 ) um 16:30 Uhr. Das Wettergebnis wird am Wahlsonntag um 17.45 Uhr veröffentlicht. Auf die Gewinner wartet: 1. Platz: eine Flasche Champagner von Tante Mizzi 2. Platz: zwei Bücher aus dem Shop nach Wahl 3. Platz: ein Buch aus dem Shop nach Wahl
Redaktion
Ob die CSU juristisch eigene Partei bleibt oder nicht, politisch ist sie nun der letzte Landesverband der CDU.
kolumnen
2018-10-13T08:08:22+00:00
2018-10-14T14:56:19+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/goergens-feder/kurz-bei-soeder-und-seehofer-im-loewenbraeukeller/
Die Covid-Patientenverfügung eines Freundes
Ich lehne für mich persönlich eine intensivmedizinische Behandlung auf der Intensivstation wegen einer Coviderkrankung ab. Insofern nehme ich auch keinem anderen Patienten einen Intensivmedizinplatz weg. Eine Impfpflicht gerade aus dieser immer wieder vorgebrachten Befürchtung entfällt somit für mich. Eine Impfung mit den nur bedingt zugelassenen Gen-Impfstoffen, die mit ihrem Impfversagen und mit ihren Nebenwirkungen immer wieder unangenehm überraschen, kommt für mich nach meinem jetzigen Wissensstand und Gesundheitszustand noch nicht in Frage. Auch das monoton strapazierte „Solidaritäts-Narrativ“ überzeugt mich nicht, da auch Geimpfte das Virus weitergeben. Die staatlichen und medialen Impfnötigungsversuche bestärken mich in meiner Meinung. Lieber nehme ich einen für mich unwahrscheinlichen, aber doch möglichen vorzeitigen Tod durch Covid in Kauf. Selbstverständlich wünschte ich mir dann eine optimale palliative Betreuung, auch wenn damit eine ungewollte Lebenszeitverkürzung verbunden sein sollte. Ich wünschte mir auch, dass alle meine Lieben an meiner Seite sein dürften. Ich würde mich sehr freuen, wenn es den Pflegekräften gelingen würde, einen anderen Menschen an meiner Stelle auf der Intensivstation am Leben zu erhalten. Mein politisch oberstes Anliegen ist es, meinen Kindern eine Welt zu übergeben, in denen die individuellen Grundrechte nicht vorschnell kollektivistischen Zwangsmaßnahmen untergeordnet werden, die sich gerade in Coronazeiten immer wieder als offensichtlich ungeeignet, nicht erforderlich oder nicht verhältnismäßig erwiesen haben. Ich bin bereit, gravierende Nachteile hinzunehmen in meinem Engagement für die körperliche Selbstbestimmung und für die individuelle Impfentscheidung bei noch nicht ausgereiften Impfstoffen. Als Christ darf ich in der Gewissheit sterben, dass selbst im Tod das Beste noch vor mir liegt. Gez. XXX
Sofia Taxidis
Auszug aus der Patientenverfügung: „Ich lehne für mich persönlich eine intensivmedizinische Behandlung auf der Intensivstation wegen einer Coviderkrankung ab ... Lieber nehme ich einen für mich unwahrscheinlichen, aber doch möglichen vorzeitigen Tod durch Covid in Kauf.“
kolumnen
2021-11-27T18:30:39+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/vorwort-zum-sonntag/die-covid-patientenverfuegung-eines-freundes/
Warum Europa keine Republik werden darf
Nach dem Brexit-Votum der Briten ist die deutsche linksliberale Öffentlichkeit in einem Schockzustand. Hatte man bisher nur leise Zweifel am Europaprojekt zugegeben, so ist nun offenkundig geworden, dass die Europäische Union in ihrer jetzigen Form, von Wirtschaftspolitik bis zu Einwanderungs- und Grenzfragen, – gelinge gesagt – unattraktiv geworden ist. Das Vereinigte Königreich, ein Urvater der modernen Demokratie, hat sich, allen kurzfristigen wirtschaftlichen Schäden zum Trotz, von der EU in ihrer Gesamtheit abgewandt. Das ist kein Zeichen einer aufgestachelten, verängstigten Bevölkerung, sondern eine souveräne Absage an die supranationalistische Verheißung der ever closer union, an deren Ende, nimmt man die Formel ernst, ja nur ein europäisch-zentralistischer Bundesstaat stehen kann. Weil die Briten bereits in der jetzigen EU mehr Nachteile als Vorteile sehen, haben sie die Vereinigten Staaten von Europa gleich mit abgewählt, noch bevor es sie gab. Britischer Pragmatismus in einer gelebten, jahrhundertealten Demokratie, statt Euro-Euphorie und Durchhalteparolen in DDR-Manier. Die deutsche Öffentlichkeit reagiert darauf erbost, nicht selten mit einer „Jetzt-erst-recht“-Mentalität. Statt sich einzugestehen, dass der missglückte Euro sowie der Zusammenbruch des Schengen-Systems logische Folgen der hierzulande praktizierten realitätsabholden Europatümelei sind, werden Volksabstimmungen per se in Frage gestellt, „die Alten“ zu den Schuldigen erklärt und der Kampf gegen den Populismus ausgerufen. „Was tun, wenn die Falschen gewinnen?“ Titelt die als linksliberal geltende Zeit, ohne zu bemerken, was sie dort eigentlich gerade in die Welt gesetzt hat. Bezeichnend ist auch der über die ARD verbreitete Kommentar der „Journalistin des Jahres 2015″, Anja Reschke, die in holprigen Sätzen formuliert: „Demokratie muss irgendwie auch das eigene Volk mitnehmen“. Irgendwie mitnehmen? Das klingt als stünde das gemeinsame Ziel schon fest, nur die Bevölkerung müsse noch irgendwie mitmachen  – oder zumindest der Anschein erweckt werden, man kümmere sich noch um den Volonté générale. Man sollte meinen, nach einem Politik- und Geschichtsstudium sei die Kenntnis über den Wesenskern der Demokratie weiter verbreitet. Die Reaktionen offenbaren in Wahrheit die immer noch dominante Entschiedenheit, mit der Journalisten und Politiker die Auffassung vertreten, Europa müsse nolens volens immer weiter zusammenwachsen und per Integration zum Bundesstaat werden. Dass man sich heute eingesteht, so schnell und so einfach sei das nicht zu machen, ist ein Schritt in die richtige Richtung, bezeugt aber nur in den seltensten Fällen eine Abkehr von der Ziellogik. Die Hartnäckigkeit, mit der ein großer Teil der classe politique an das letztendlich lineare Fortschreiten zum „richtigen“ Ziel der (europäischen) Geschichte glaubt, erinnert in ihrer Vehemenz schon fast an die – zum Glück begrabene – marxistische Geschichtsphilosophie, die Widersprüche in der Realität mal eben zu irgendwie dialektischen Beweisen der eigenen Richtigkeit erklärte. Im Übrigen ist es auch ein deutscher „Sonderweg“, um mal einen missbrauchten Begriff aufzugreifen, am Endziel des vereinigten Europas festzuhalten. Für die Franzosen war die EU, beziehungsweise ihre Vorgänger Montanunion und EWG, meist nur Garant eines gebändigten, kooperativen Deutschlands und somit Friedensstabilisator, niemals Selbstzweck. Auch die Osteuropäer sahen in der europäischen Union mehr eine Eintrittskarte in die „westliche Welt“ mitsamt NATO-Mitgliedschaft und wirtschaftlicher Prosperität, den Nationalstaat aufzugeben lag den meist jungen Nationen Ost- und Mitteleuropas ferner als sich unsereins vorstellen könnte. Die erwähnten Briten traten in ihren Vorstellungen primär einer Freihandelszone bei, der Gedanke der „politischen Union“ scheiterte schon an den „besonderen Beziehungen“ zu Washington, was in den 2000er Jahren auf der Insel das Mantra NATO first hervorbrachte. Allein die Südeuropäer sind dem deutschen EU-Idealismus entfernt verwandt, was wenig tröstlich ist angesichts der sonst eher heterogenen Vorstellungen der Europäer , was „Projekt Europa“ eigentlich zu bedeuten habe. Wenn die bundesdeutsche Öffentlichkeit nun also mit dem Brexit „Rückschritte“ auf dem Weg zur europäischen Einigung bedauert, führt sie eine Lebenslüge fort. In Wahrheit ist der Traum von der europäischen Republik eine politische Utopie.  Und wie alle guten Utopien, hat sie keinerlei Realitätsbezug. Allein die abendländische Geschichte sollte hellhörig machen, wenn immer jemand aus Europa ein Imperium zimmern möchte. Napoleon ist daran ebenso gescheitert wie Hitler. Das soll nicht bedeuten, die heutige Europäische Union hätte mit den beiden inhaltlich etwas gemein, doch formal stand hinter der Grande Armée wie hinter der Wehrmacht der gemeinsame Gedanke, Europa in Zentralherrschaft zu überführen. Dass dies scheiterte – und dies ist auch der Grund, warum ein europäischer Bundesstaat scheitern muss – ist, neben den individuellen Faktoren der Epochenakteure, die Verschiedenheit des Kontinents. Der französische Philosoph Rémi Brague brachte diese Heterogenität auf den Begriff, als er von der „exzentrischen Identität Europas“ sprach. Gerade weil Europa nie ein Zentrum kannte, sondern im Gegenteil, die Diversität die eigentliche Natur des Kontinents ist, ist jeder weitere Integrationsschritt der EU ein Kräftemessen mit der Geschichte. Dass nun bereits seit mehr als einer Dekade der Integrationsmotor stottert, ist Anzeichen dafür, dass die Geschichte wieder die Oberhand gewinnt. Warum wir den Nationalstaat brauchen Zurück zur Staatsraison Ein beliebter Kunstgriff in Europafragen ist es, „Demokratisierung“ zu fordern, als Reaktion auf die EU-Krise. Wenn die Unionsbürger nicht „europabegeistert“ sind, so die Logik, müsse man ihr nur ein wenig mehr Gewaltenteilung, Gleichheit und Parlamentarismus verpassen und schon strahle der Gedanke der der immer-engeren-Union wieder in altem Glanz. Gerade die Linke versucht sich damit vom christdemokratischen Europaverständnis abzugrenzen. So plädiert die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, pünktlich zum aufkeimen einer neueren europäischen Krise, für eine „Republik Europa“. Kernbestandteil der These: Die EU funktioniert nicht, weil das Nationale überwiegt, während republikanische Traditionen kaum Geltung in den europäischen Institutionen fänden. So seien Gewaltenteilung, politische Gleichheit, Parlamentarismus und demokratische Legitimität nur sehr unzureichend umgesetzt, oder ganz und gar abwesend. Die Lösung liegt hier bereits freilich in der vorgetragenen These: „Europa muss demokratisiert werden!“, dann ist alles gut und der Gedanke der Vereinigten Staaten von Europa gerettet. Das in linken Kreisen bereits vielrezipierte Buch – es soll hier exemplarisch dienen -, unterliegt allerdings einer idealistischen Fehldeutung. Die Idee, der Demokratiegedanke sei vom Nationalgedanken abzugrenzen, muss fehlschlagen. Richtig stellte der ehemalige Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm vor einigen Jahren hierzu fest: „Parlamentarische Formen gewährleisten noch keine demokratische Substanz. […] Information und Partizipation als Grundvoraussetzung demokratischer Systeme bleiben sprachlich bedingt. Eine europäische Öffentlichkeit und einen breiten öffentlichen Diskurs auf europäischer Ebene wird es deswegen noch auf lange Sicht nicht geben. Ein europäisches Staatsvolk, dem die Hoheitsgewalt zugerechnet werden könnte, ist gar nicht in Sicht. […] Die Errungenschaften des demokratischen Verfassungsstaates lassen sich vorerst in vollem Umfang nur auf nationaler Ebene wahren.“ Auch historisch lassen sich Nation und Demokratie kaum trennen. In Deutschland war der aufkeimende Nationalismus des frühen und mittleren 19. Jahrhundert stets liberal-demokratischer Natur und der Demokratiegedanke national, man denke nur an das Hambacher Fest oder die Paulskirchenverfassung oder auch in Frankreich an den Patriotismus der Jakobiner. Die gereifte Nation ist Bedingung einer gesunden Demokratie, da sie aus beliebigen Individuen einer Gegend, Mitglieder einer einheitlichen Geschichts-, Sprach-, Kultur-, Solidar- und Rechtsgemeinschaft macht. Ohne Nation keine Demokratie. Auch deswegen scheint es absurd, unter der Parole der vermeintlichen „Demokratisierung“ einen europäischen Bundesstaat zu verwirklichen. Wenn überhaupt ist eine „Republik Europa“ nur als Folge einer breiten Revolution von unten vorstellbar, die zum Inhalt hätte, aus Nationalmenschen Unionsbürger zu formen. Solange dies nicht geschieht (und das ist nicht verwunderlich), bedeutet jeder „Für-ein-neues-Europa“-Slogan aus dem linksliberalen Milieu nichts anderes als weitere Parlamentarisierung der riesigen EU-Bürokratie. Den „Geist der Demokratie“ (Mahatma Gandhi) vermag aber kein Technokrat den europäischen Institutionen einzuhauchen, er ist bisweilen dem Nationalen vorbehalten. Das merkt man auch an jeder Sitzung des europäischen Parlamentes, für das sich kein Bürger interessiert, wenn immer dort lustlos Anträge im halbleeren Saal runtergeleiert werden. Das mag parlamentarisch sein, demokratisch ist es hingegen nicht. Aus dieser lang erkämpften Erkenntnis kann nur die Einsicht folgen, sich von der Idee des europäischen Zentralstaates zu verabschieden. Er ist weder realistisch, noch besonders wünschenswert – das totalitäre Potential hinter dieser Utopie ist enorm. Vielmehr muss der Gedanke der „Republik Europa“ transformiert werden in einen realistischen Europabezug an deren Ausgangspunkt die Nation mit ihren Interessen steht. Den Widrigkeiten der deutschen Debatte zum Trotz, ist es notwendig, sich Gedanken über ein neues Europa zu machen. Denn die Tatsache bleibt ja bestehen, dass sich die Probleme globalisieren und nur eine zumindest einigermaßen gemeinsame Antwort der Europäer echte Gestaltungskraft in der Welt ermöglichen kann. Es ist nicht verwerflich, die Landesgrenzen zu schließen, wenn die EU versagt, besser wäre es allerdings die EU-Außengrenze würde gemeinsam geschützt. Und auch in außen- und sicherheitspolitischer Hinsicht ist enge Kooperation strikt notwendig, möchte man nicht bedingungslos der amerikanischen Außenpolitik folgen. In den letzten Jahren hat sich allerdings offenbart, dass der deutsche EU-Idealismus für diese Zielsetzung eher kontraproduktiv wirkt, aber auch die Verweigerung jeder europäischen Zusammenarbeit wird nicht helfen. Dem neuen Europagedanken kommt daher die Aufgabe zu, Interessen zu bündeln und produktive Kooperation zu ermöglichen, ohne bei jeder Entscheidung das Einigungsprinzip zum Selbstzweck zur erklären. Überhaupt wird es notwendig sein, aus dem Institutionengefüge der EU, diesem riesengroßem Nichts, ein kohärentes Prinzip zu formen, egal ob dies nun „Europa der Vaterländer“, „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“, „Kerneuropa“ oder „europäische Konföderation“ lautet. Wichtig ist, dieses Durchwurschteln durch das Dickicht verschiedener Europaideen zu beenden und zu einem realistischen gemeinsamen Nenner zu kommen. Dafür müsste das deutsche juste milieu jedoch seine Europa-Schwärmereien beenden, die ja längst antidemokratische Züge tragen, und im gleichen Moment das Prinzip der Nation als Ausganspunkt souveräner Entscheidungen wiederbeleben. Für Ersteres stehen die Aussichten allerdings weitaus besser.
Aus den Institutionen der EU, dem riesengroßem Nichts, ein kohärentes Prinzip für Europa formen,  ob „Kerneuropa" oder „europäische Konföderation".
meinungen
2016-07-04T10:50:29+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/warum-europa-keine-republik-werden-darf/
Zu Silvester wieder viele Angriffe auf Polizei und Feuerwehr – 330 Festnahmen allein in Berlin
In der Silvesternacht hat es wieder zahlreiche Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte gegeben. Allein in der Hauptstadt gab es in Zusammenhang mit dem Silvestereinsatz bis zu 330 Festnahmen, sagte Florian Nath von der Berliner Polizei kurz vor drei Uhr am frühen Neujahrsmorgen. Die Einsatzkräfte seien „zahlreich“ mit Pyrotechnik beschossen worden, in einem Fall sei ein Polizist schwer verletzt worden und musste im Krankenhaus operiert werden. Es habe zuvor ein spezielles „Blutabbindungsgerät“ benutzt werden müssen. Der Polizist sei aus einer Gruppe von Personen angegriffen worden. Die Hamburger Polizei zog nach eigenen Angaben „im Zusammenhang mit dem Auftreten größerer Personengruppen“ insbesondere in den Bereichen Steindamm (St. Georg) und Schreyerring (Steilshoop) verstärkt Einsatzkräfte zusammen, nachdem es dort zuvor zu Bewürfen mit pyrotechnischen Gegenständen auf Polizisten gekommen sei. Durch die polizeilichen Maßnahmen habe die Situation aber befriedet werden können, so die Beamten. In Leipzig griffen etwa 50 Menschen Einsatzkräfte der Polizei mit Feuerwerk und Flaschen an, wie die Tagesschau berichtet. In Köln wurden nach Polizeiangaben zwei Beamte durch Böller verletzt. Einsatzkräfte der Polizei und Feuerwehr seien mit Feuerwerkskörpern beschossen worden. Zudem hat es mehrere Todesfälle durch Silvesterböller gegeben. In Hamburg ist ein 20-Jähriger ums Leben gekommen. Wie die dortige Polizei mitteilte, ereignete sich der Vorfall kurz nach Mitternacht im Stadtteil Ochsenwerder. Der junge Mann sei „durch die Detonation seiner Pyrotechnik tödlich verunglückt“, hieß es. Weitere Erkenntnisse zu den Hintergründen lägen nicht vor. Einen Todesfall gab es am Silvesterabend auch in Geseke im Kreis Soest (NRW). Dort starb ein 24-Jähriger durch die Explosion eines Feuerwerkkörpers. Nach ersten Erkenntnissen hatten sich einige Partygäste zwecks Zünden von Feuerwerk in die westliche Feldflur von Geseke begeben, wo es dann zu dem Unglück kam. Da sich die weiteren Personen in einem ausreichenden Abstand zu der Person befanden, die die Explosion auslöste, sei niemand sonst verletzt worden. In der Silvesternacht kommt es immer wieder zu schwersten Verletzungen durch Böller, in den Notaufnahmen herrscht um den Jahreswechsel Hochkonjunktur. Im baden-württembergischen Grünsfeld im Main-Tauber-Kreis hatte ein Mann am Dienstag einen Bagger entwendet und mit diesem anschließend Personen verletzt und zahlreiche Fahrzeuge beschädigt. „In Tauberbischofsheim konnte der Mann schließlich bei der Zerstörung eines Autohauses durch eine Schussabgabe gestoppt werden“, teilte die Polizei Heilbronn mit. Laut Medienberichten soll der mutmaßliche Amokfahrer dabei gestorben sein. Die weiteren Hintergründe der Tat waren zunächst noch unklar. Die Behörden haben Ermittlungen aufgenommen.
Natalie Furjan
Auch in diesem Jahr hat es in der Silvesternacht Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte gegeben. Zudem gab es mehrere Todesfälle durch Silvesterböller. Am Dienstagnachmittag schoss die Polizei in Grünsfeld in Baden-Württemberg auf einen Amokfahrer mit Bagger, um ihn zu stoppen.
daili-es-sentials
2025-01-01T06:51:20+00:00
2025-01-01T07:30:41+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/zu-silvester-wieder-viele-angriffe-auf-polizei-und-feuerwehr/
ARD und ZDF: Warum es nach der „Umweltsau“ nicht mehr so weitergeht
Kennen Sie den? – Amputiert ein Chirurg aus Versehen das gesunde Bein und nicht das kranke. – Beschwert sich der Patient vergebens. Der Arzt sagt, es war nur Satire. Das ist noch kein Witz. Zum Witz könnte es werden, wenn sich der Patient beschwert und der Chirurg die Beschwerde zurückweist: Der Patient sei ein Rechter und mit seiner Kritik an der OP wolle er nur die AOKs zerstören. Immer noch nicht lustig? So ungefähr reagiert der WDR auf Kritik an seinem „Umweltsau“-Sau-Projekt: Satire, und Kritiker sind Rechte. Das gilt auch für den gemütvollen Ministerpräsidenten von NRW Armin Laschet – wirklich kein Rundfunkrevolutionär. Laschet warnt die WDR-Belegschaft vor Hybris: „Es kann nicht sein, dass Sie in Deutschland alles kritisieren dürfen, vom Papst abwärts – nur nicht die Beiträge des Westdeutschen Rundfunks.“ Wie antwortet der WDR? Georg Restle, Monitor-Chef: „Offenbar braucht da jemand Nachhilfe. Wer erklärt dem Ministerpräsidenten des Landes NRW @ArminLaschet, was Unabhängigkeit und Staatsferne des ÖRR bedeuten?“  Die Antwort wäre einfach: Auch ein Ministerpräsident darf Mist zu einem Misthaufen sagen. Und Nachhilfe braucht Georg Restle: Wer im Journalismus mal das falsche Bein abschneidet, sollte sich dafür entschuldigen, und es nicht „Satire“ nennen. Denn es war keine, sondern einfach nur eine schlechte, missbräuchliche Sendung. Und nicht einmal die maximal misslungene Sendung wäre das Problem – Shit Happens. Das Problem ist die komplette Unfähigkeit unterhalb der Ebene des Intendanten, den Fehler als solchen einzugestehen, zu korrigieren und sich zu entschuldigen. Stattdessen werden immer neue Aluhüte aufgesetzt, Verdächtigungen gestreut, Verschwörungstheorien ausgebrütet und Zuschauer beschimpft. Das Problem des WDR ist nicht ein Fehler, Murks, ein Bock – sondern mangelnde Fehlerkultur. Als ob der Patient schuld sei, dass er das falsche Bein zur Amputation hingehalten habe, und der Chirurg habe nur einen Witz gemacht. Wie kommt es dazu – und was sind die Folgen? Was hier geschieht ist Publikumsbeschimpfung statt Rundfunkprogramm. Wer seine Zuschauer für Tiere hält und so behandeln will, hat seinen Beruf verfehlt. Ohne Vertun. Das Programm muss den Zuschauern gefallen, nicht ein paar festangestellten Aktivisten in eigener Sache. Ich selbst habe beim Bayerischen Rundfunk gelernt; Filme (ja, es waren noch Filme, keine Videos) gedreht, 12-teilige Folgen wie „Telekolleg Volkswirtschaftslehre“. Die dritten Programme waren damals noch Bildungsprogramme, und den Auftrag haben sie ernst genommen: Man konnte sogar einen Bildungsabschluss erwerben. „ABC der Wirtschaft“ war ein anderes Programm, für das ich Erklärstücke gestalten durfte. Heute klingt es etwas lächerlich. Zu der Zeit gab es auch schon die Restles in den Sendern. Allerdings auf unterschiedlichen Seiten. „Monitor“ und „Panorama“ waren schon damals links, aber aus München sendete „Report München“ tapfer dagegen an. In Ost-Berlin provozierte Lothar Löwe die dortigen Machthaber so lange durch kritische Berichterstattung über den real existierenden Sozialismus, bis sie ihn buchstäblich hinauswarfen. Aus Berlin Adlershof, genau aus dem Studio, aus dem heute Anne Will sendet, funkte Karl Eduard von Schnitzlers „Schwarzer Kanal“ DDR-Propaganda gen Westen. (Ein Treppenwitz, dass später kritische Rundfunkleute in diesem Studio interniert werden sollten; es waren, Treppenwitz Nummer 2, die tapferen jungen Männer vom Stasi-Wachregiment Felix Dserschinski, die den Befehl verweigerten. Aber das war viel später.) Von Westen sendete Gerhard Löwenthal zurück. Das ZDF wurde in Mainz gegründet, weil Rheinland-Pfalz als schwarze Erblande galt, und die CDU dort den Einfluss suchte, den sie bei den meisten ARD-Sendern nie gewann. Nein, die Rundfunklandschaft war nicht perfekt, auch nicht die gedruckten Medien. Aber sie war bunt und divers, wo heute Eintönigkeit vorherrscht. SPIEGEL und STERN waren links, mit „Konkret“ hielt sich die DDR eine eigene Zeitschrift; alle paar Wochen brachte ein graues Männchen den Geldkoffer nach Hamburg, wie Bettina Röhl, die Tochter des Gründers Rainer Röhl und seiner Ehefrau Ulrike Meinhof, sich bildhaft erinnert, um die Druckerei-Rechnung zu bezahlen und den glamourösen Lebensstil der Kommunisten im Westen zu finanzieren. STERN und SPIEGEL publizierten Material aus den Fälscherwerkstätten der Stasi; sie verleumdeten mittels gefälschter Dokumente den damaligen Bundespräsident Heinrich Lübke als KZ-Baumeister; die Hamburger Journaille druckte es begeistert. Aber DIE WELT hielt dagegen wie auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die sich als Leib- und Magenblatt an der Seite Ludwig Erhards bleibende Verdienste errungen hat. Viel später wurde Focus von Helmut Markwort als Gegenmodell zum SPIEGEL gegründet – erfolgreich. Es gibt keine perfekte Medienwelt, sie ist immer Spiegel der politischen Kämpfe ihrer Zeit. Während sich die Print-Landschaft nach links oder rechts sortierte, sollten die Rundfunkanstalten „Binnenpluralität“ garantieren: Da bei nur einem oder später zwei, drei  Kanälen kein Wettbewerb wie bei Zeitungen möglich ist, sollte der Wettbewerb innerhalb der Sender ausgetragen werden. Und er wurde es. Auf jeden Kommentar aus den Rotfunkanstalten WDR und NDR konterte aus München bissig und hart Rudolf Mühlfenzl, mein späterer Chef. Der letzte Chefredakteur der alten Garde, Sigmund Gottlieb, wurde erst vor wenigen Jahren verabschiedet. Er wurde ersetzt, aber nicht beerbt. Heute zählen alerte Glätte und geschmeidige Nähe zum Kanzleramt auch beim BR. Heute ist der Intendant  Merkels langjährige Regierungssprecher; und sein Nachfolger als Sprecher ist ein prominenter ZDF-Journalist. So geht das. Mächtige Rundfunkanstalten wecken bei Politikern Begehrlichkeiten. Mir wurde das deutlich nach der Wiedervereinigung. Auf Betreiben von Lothar de Maiziere waren Funk und Fernsehen der DDR über den Einigungsvertrag in den Westen gerettet worden. Chef des Ost-Funks wurde allerdings ein Wessi, der „Rundfunkbeautragte der Neuen Länder“: Rudolf Mühlfenzl – ich sein zeichnungsberechtigter Stellvertreter. Wir waren Anhänger des öffentlichen-rechtlichen Systems, weil wir daran glaubten, dass ein Volk eine gemeinsame Öffentlichkeit braucht; ein Lagerfeuer, um das man sich versammelt, eine Informationsquelle, die ausgewogen berichtet, einen Krimi, über den man am nächsten Morgen spricht, eine Talkshow, über die man streitet. Wir glaubten, dass man Stars aus West UND Ost braucht, den Wessis den Osten in die Stube sendet und den Ossis erklärt, wie die ticken. Wir wollten der Wiedervereinigung unseren Dienst leisten. Deshalb haben wir die Rundfunkgesetze kreativ ausgelegt und die ARD sowie das ZDF in der gesamten DDR sichtbar gemacht, auch im Tal der Ahnungslosen, wo bis dahin kein Westen zu sehen war. Im Gegenzug zur Hingabe damals wertvoller Sendefrequenzen machten wir reiche Beute. Wir erhielten am Abendprogramm der ARD mit über 10 Prozent der Sendezeit, die wir mit Ost-Programmen füllen konnten. Das fing mit dem Sandmännchen an, das aber nicht mehr wie in Ost-Zeiten im NVA-Panzer in die Kinderzimmer rollte, sondern auf dem Schlitten kam; die Entpolitisierung der Propaganda-Sendungen war schwierig und gelang nicht immer. Die Westler staunten, wenn die Ost-Kommissare im klapprigen Wartburg auf Verfolgungsjagd gingen durch die verfallenen Backsteinquartiere von Stendal oder Oranienburg. Wir sendeten die Weihnachtskonzerte aus den Konzerthäusern des Ostberliner Gendarmenmarktes und der Thomaskirche in Leipzig und das Silvesterprogramm „Ein Kessel Buntes“ aus dem Friedrichstadtpalast. Das war alles nicht unumstritten. Ich habe dem WDR 40 Sängerinnen und Sänger des Rundfunkchores auf die Gehaltsliste geschwindelt, Friedrich Nowottny, der letzte große Intendant des WDR,  ist seither etwas beleidigt, aber sie singen noch immer, so wie das auf ähnliche Trickbetrügerbasis gerettete Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin weiter spielt: Der Osten sollte seinen Anteil haben am Gebührenkuchen, und für die Gefühlswelt bemühten wir uns um die Rechte an „Paul und Paula“ mit der Musik der Puhdys. Der „Kessel Buntes“ mit dem Fernsehballet trieb westdeutsche Programmmacher in den Wahnsinn, aber gefiel in seiner schlichten Altart den Zuschauern. Der „Sender Freies Berlin“ verneinte jede Zusammenarbeit und wollte aus dem Westen den Osten auch rundfunkmäßig monopolisieren. Wir wollten ihm Stimme geben. Wir wateten bis zum Hals in Stasiverstrickungen. Gremien des WDR verbündeten sich mit den alten Rundfunkmachthabern der DDR, die ja noch da waren, um zusammen mit der SED, die heute „DIE LINKE“ heißt, ein „Drittes Deutsches Fernsehen“ mit Sitz in Adlershof zu gründen als Ausgangspunkt für eine vereinte Linke Partei. Man stelle sich das vor: Der alte Funk der DDR im Westen, als ob die Mauer nicht gefallen wäre – ein Traum für alte Funktionäre aus dem Osten und linke Ideologen aus dem Westen. Rundfunktpolitik ist Machtpolitik. Bis heute. Aber vermutlich war diese Zeit der Wiedervereinigung die letzte große von ARD und ZDF. Seither sind sie mächtig, aber in der Defensive. Es folgte die Ausweitung der Frequenzen und Fernsehkanäle, ihren Zweck haben sie spätestens seit den 90ern erfüllt. ARD und ZDF reagierten mit „Frequenzbesetzung“, um die zwar vervielfachten, oder immer noch knappen Frequenzen für sich zu reklamieren. Immer neue Sender und Programme entstanden. 2014 machte der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium eine Rechnung auf, die tendenziell immer noch gilt: „Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten betreiben 22 Fernsehkanäle sowie 67 Radioprogramme und entfalten Aktivitäten im Bereich des Internets. Ein normales Jahr hat 525.600 Minuten. Das Jahr 2012 verzeichnete dem gegenüber 10,2 Millionen Fernsehsendeminuten im Bereich der öffentlich-rechtlichen Sender, was in etwa 19 Fernsehjahren entspricht.“ Es klang wie eine gute Strategie, und sie hat die privaten Sender auch in die Defensive gedrängt. Aber der Preis dafür ist hoch. Die Frequenzbesetzung ist heute der Mühlstein um den Hals der Öffentlich-Rechtlichen. Sie haben sich zerfasert. Statt weniger guter senden sie mittelmäßig bis schlechte Programme, aber dafür viele. Quantität soll Qualität ersetzen und zersetzt die Anstalten von innen. Das Internet bietet beliebig viele Sendekanäle, mehr als man auch mit noch mehr Geld Bestzen könnte, und zwischen denen die Öffis einfach verschwinden. Netflix bietet die besten Filme, oder ist es Amazon, neuerdings Apple-TV? Während die Streaming-Kanäle ständig neue Serien raushauen, reicht es bei den altersschwachen Öffis  unter letzter Kraftanstrengung nur zu noch einem Tatort, der so albern ist wie der Vorgänger und so innovativ wie ein Abakus im Apple-Zeitalter. ARD und ZDF haben halbwegs gegen die privaten Sender gewonnen und diese haben sich darauf reduziert nur noch Trash senden zu wollen. Peter Klöppel wirkt bei RTL wie der letzte Mohikaner des ernsthaften News-TVs. Wie lange macht er das noch? Das teuerste öffentliche Rundfunksystem der Welt verfüttert bei einzelnen Anstalten wie dem Hessischen Rundfunk schätzungsweise die Hälfte der Einnahmen an die Pensionisten der früheren, der goldenen Jahre. Früher galten die öffentlichen Sender als Verwaltungen mit angeschlossenem Sendebetrieb. Heute sind es Altersheime, in denen meist unterbezahlte freie Mitarbeiter irgendwie den Sendebetrieb aufrechterhalten und Bettpfannen mit den Wiederholungsprogrammen rezyklieren. Um den Status Quo aufrechtzuerhalten brauchen sie statt derzeit 8,4 mindestens 11 Milliarden. Die Chancen, die zu erhalten, sind mit der Umweltsau gerade im Wald oder im Maisfeld verschwunden. Rundfunkgebühren zu erhöhen – das wird sich wohl keiner mehr trauen. Ihr öffentlich-rechtlicher Charakter verhindert per Definition Reformen. Das angesammelte Bauchfett erdrückt die inneren Organe, aber geht nicht weg, man kennt das. Sie müssten abspecken – Bürokraten entlassen, flexible, innovative Einheiten bilden, Frequenzen aufgeben, liebgewonnene Besitzstände abbauen, ihren Innenstadt-Beton verkaufen; wer betreibt noch Fabriken in Sichtweise des Kölner Doms? Nur der WDR. RTL-Chef Helmut Thoma beschrieb in grauer Vorzeit den Unterschied: „Die investieren in Beton. RTL in Programm“. Der Bayerische Rundfunk ist zu Recht stolz auf eine Verknüpfung von TV, Radio und Internet. Aber dafür mußte erst einmal ein neues Gebäude erstellt werden. Im Zeitalter der Netze funktioniert Vernetzung aber per WLAN, nicht per Linoleum. Die vielen Sender mit ihren vielen Intendanten ohne Zuschauer und Programmen ohne Hörer müssten eine Anstalt bilden mit einem Programm, dessen Nachrichten an Schnelligkeit und Faktentiefe nicht zu überbieten ist; mit Talkshows, die fetzen statt mit  in Ehren ergrauenden Endlostalkern; mit Sendungen, die die Buntheit und das Leben abbilden in unterschiedlichen Facetten und nicht in grüngetunkter Einheitsfarbe und monotoner Volksbelehrung, die sich als Spruchweisheiten lebensferner Abiturienten mit Rundfunkpraktikum herausstellen. Sie könnten wieder die Fachredakteure aktivieren, die sonst kaum einer mehr hat und die irgendwann resigniert sind vor der Wucht der Politikaktivisten, die heute die Sender beherrschen. Die älteren Journalisten der Öffis sind meist hochqualifiziert; die Jüngeren so einseitig und oberflächlich wie in den Printmedien auch: Haltung zählt, nicht Inhalt; Einseitigkeit wird zum Programm erhoben. Das kann man ändern. Wenn man will. Richtig falsch ist es, die Öffentlichkeit mit einem „Framing-Manual“ behumpsen zu wollen, durch Sprach- und Begriffsmanipulation. Die Zuschauer reagieren empfindlich auf solche Versuche, die Wirklichkeit durch neue Kampüfbegriffe zu verschleiern. Der Ost hat doch den Westen eingeholt: Das peinliche Manual wurde von MDR-Intendantin Karola Wille beauftragt, aus altem SED-Adel stammend und geschult im DDR – Lehrbetrieb. Die Veröffentlichung war der Beginn eines Prozesses, der die Glaubwürdigkeit zerrüttet hat.  ARD und ZDF bräuchten dazu eine Führungsmannschaft, die Konflikte anzettelt und durchsetzt, statt nur ständig um mehr Geld zu betteln bei der Politik wie der Junkie bei seinem Dealer. Denn das macht sie angreifbar, abhängig, süchtig – und das ist Gift für Journalismus und Ideen. Sehr viel weniger wäre sehr viel mehr. Die überkommenden Strukturen müßten aufgebrochen werden, um im Kreativitätswettbewerb bestehen zu können. Denn um Kreativität geht es – nicht um Gebührenmaximierung und dem Festhalten an überkommenen Strukturen: Programm statt Beton.  Die Sender der DDR stellten am 31.12.1991 ihre Programme ein; mit dem „Letzten Walzer“. Irgendwann ist die Zeit auch des weltteuersten und vermeintlich unangreifbaren Programms vorbei, und wenn es so weitergeht, ziemlich bald. Und die ängstlichen, geradezu hysterischen Reaktionen wie auf die richtigen Worte von Armin Laschet zeigen: Die Angst muss riesig sein in den Anstalten. Irgendwie spüren sie, dass es so nicht weitergeht; ihr Pfeifen im Wald ist laut und schauerlich. Anzeige
Roland Tichy
Die Sender der DDR stellten am 31.12.1991 ihre Programme ein; mit dem „Letzten Walzer“. Irgendwann ist die Zeit auch des weltteuersten Programms von ARD und ZDF vorbei, und wenn es so weitergeht, ziemlich bald.
tichys-einblick
2020-01-12T10:28:51+00:00
2020-01-12T15:58:15+00:00
https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/ard-und-zdf-warum-es-nach-der-umweltsau-nicht-mehr-so-weitergeht/
Die Grünen auf dem Weg zur planetarischen Macht
Die Politikerin, die das Netz für einen Stromspeicher hält und meint, dass in einer Batterie Kobolde wirken, denkt in planetarischen Dimensionen. In ihrer Rede auf dem Parteitag der Grünen verkündete sie: „Wir haben alles, um diese Pandemie zu überstehen. Wir haben alles, um uns aus der Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu befreien. Wir können mit 10 Milliarden Menschen auf unserer Erde leben, ohne Hunger und ohne Krieg. Wir können so vieles schaffen, wenn wir nur anfangen.“ Und da man es in Deutschland epochal liebt, rief sie in beinah wilhelminischem Pathos den Delegierten zu: „Machen wir 2021 zum Beginn einer neuen Epoche.“ Es ist eine alte Erfahrung, dass der Dilettant immer nach dem höchsten greift, ohne das einfache zu können. Wenn man sich die Wirtschaftsdaten von Baden-Württemberg anschaut und den Niedergang der Bildung im Ländle, in dem die Grünen regieren, stellt sich schon die Frage, weshalb planetarisch gelingen soll, was schon in einem Bundesland nicht funktioniert. Auch auf ihrem Parteitag zeigten sich die Grünen wieder als die Partei der Verbote und der Illiberalität, die sie trotz allen Phrasengeklingels sind. So hat der Geschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, dekretiert: „Es bedeutet eine Überforderung des Einzelnen, wenn einzig und allein die eigenen Konsumentscheidungen die Welt retten sollen. Es ist deshalb Aufgabe von Politik, gute Regeln zu setzen.“ Es passt ins Weltbild der Grünen, das aus kognitiven Dissonanzen besteht, wenn auf der einen Seite stets von Freiheit getönt wird, auf der anderen Seite die Freiheit des Bürgers in seinen persönlichen Konsumentscheidungen ausgehebelt werden soll. Im Grunde ist Kellners Statement noch perfider: er unterstellt den Bürgern, dass die nicht in der Lage sind, selbständig Konsumentscheidungen zu treffen, weil diese Entscheidungen sie „überfordern“ würden. Der Staat hat also zu entscheiden, was der einzelne konsumieren darf und was nicht. Die Grünen fordern: „Globale Umweltgerechtigkeit nimmt die historische Verantwortung der Industriestaaten für die Zerstörung der Umwelt in den Blick. Deshalb sind wir in der Pflicht, die ökologischen und sozialen Kosten unseres Wirtschaftens zu reduzieren, statt sie in andere Weltregionen zu verlagern, sowie diejenigen zu unterstützen, die schon heute stark von Umweltzerstörungen betroffen sind und das in Zukunft noch stärker sein werden.“ Gleichzeitig fordern sie das Aus für Verbrennungsmotoren und den Umstieg auf E-Mobilität. E-Mobilität bedeutet aber genau das, nämlich die „ökologischen und sozialen Kosten unseres Wirtschaftens … in andere Weltregionen zu verlagern. “ Die Förderung der E-Mobilität produziert vier große Probleme: erstens eine immense Umweltverschmutzung in Afrika, zweitens brutale Kinderarbeit in Afrika, drittens die Vergrößerung unserer Abhängigkeit von China, die über umfangreiche Schürfrechte in Afrika verfügen – und die Deutschland, und auch die Grünen, die davon womöglich träumen würden, wenn sie das Problem sähen, nicht zur Einhaltung von Standards der Bezahlung, des Arbeitsschutzes, des Mindestarbeitsalters und des Umweltschutzes in irgendeiner Weise verpflichten kann. Viertens bleibt vollkommen unklar, wie die Grünen den erhöhten Energiebedarf für 100% E-Mobilität aus 100% Strom aus Erneuerbaren Energien decken wollen, wenn das Netz nicht nur nicht als Speicher, sondern auch nicht als Stromproduzent einspringt. Man hat ohnehin den Eindruck, dass der Autor des Grundsatzprogrammes ein Monteur von Textbausteinen war, so dass es in dem Programm im Grunde nur um die Bedeutung der Rolle, sowie um die Rolle der Bedeutung geht, weil das Fundament die Basis der Grundlage ist. Schließlich bedeutet die Addition von Phrasen nur die Addition von Phrasen: „Die Klimakrise und Zerstörung unserer Lebensgrundlagen verschärft bestehende Ungleichheiten und trifft damit insbesondere Frauen. Ökologische Maßnahmen müssen von Frauen mitgestaltet werden. Nachhaltigkeit bedeutet auch Geschlechtergerechtigkeit.“
 In dieser Formulierung bleiben die Grünen sogar hinter ihrem selbst gestellten Anspruch zurück, denn gendergerecht müsste es eigentlich heißen: „Die Klimakrise und Zerstörung unserer Lebensgrundlagen verschärft bestehende Ungleichheiten und trifft damit insbesondere die Angehörigen der 90 Geschlechter.“ Bleiben wir bei den kognitiven Dissonanzen: Auf der einen Seite bestehen die Grünen auf eine starken Sozialstaat, auf der anderen Seite wollen sie den Nationalstaat abschaffen und Deutschland in eine europäische Föderation überführen, wo doch der Nationalstaat die Voraussetzung für den Sozialstaat bildet. Gleichzeitig möchten sie die deutsche Arbeitslosenversicherung und die deutschen Sozialleistungen für alle anderen europäischen Staaten der Föderation öffnen. Da die deutschen Bürger unter einer der höchsten Staatsquoten leiden, würden sie ihrer Einlagen beraubt und würden zusätzlich nach dem Willen der Grünen eine EU-Steuer obendrein zu entrichten haben. Die Grünen scheinen die Maxime der Linken übernommen zu haben, die lautet: Wenn wir es nicht für alle gut machen können, müssen wir es eben für alle schlecht machen. So kann man Gerechtigkeit natürlich auch verstehen. Auf der einen Seite verkünden die Grünen, das „jeder Mensch …das Recht auf Mobilität“ hat. Und dass diese Mobilität „Freiheit und Teilhabe“ ermöglicht, auf der anderen Seite sind die Grünen die einzige Partei, die mit allen Abgeordneten der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes zustimmt haben, welches das grundgesetzverbriefte Recht auf Freizügigkeit, auf Mobilität aushebelt. Deutlich wird, dass die Grünen die soziale Marktwirtschaft in einen ökologistische Kommandowirtschaft überführen wollen, denn sie fordern ein „Wirtschafts- und Finanzsystem, das die planetaren Grenzen einhält.“ Denn schließlich ist „der Markt .. nicht das alleinige Organisationsprinzip für das Wirtschaften in einer Gesellschaft. Ein Großteil menschlicher Wirtschaftsbeziehungen erfolgt jenseits von Märkten über den Staat, in Haushalten oder gemeinschaftlich organisierten Bereichen.“ Schaut man dann noch auf die Pläne einer staatlichen, wesentlich aktiveren „Industriepolitik“, auf den Willen zur wachsenden Staatsverschuldung, auf eine Steuerpolitik, die nach ideologischen Prinzipien auch wirklich „steuern“ will, wird deutlich, dass die Grünen ein sozialistisches Wirtschaftssystem anstreben, indem der Staat die Wirtschaft bestimmt, denn: „es gilt das Primat der Politik, auch gegenüber Wirtschaft und Kapital. Wir wollen es neu begründen und durchsetzen.“ Die Grünen sagen es eindeutig: „Wirtschaftspolitisch muss der Staat mehr tun, als nur einen Rahmen zu setzen.“ Es ist aber nicht die Aufgabe des Staates, mehr zu tun, als einen Rahmen zu setzen, außer im Kommunismus natürlich, oder in China. Unternimmt der Staat mehr, wird er Unternehmer – und zwar ein oligopolistischer Unternehmer. Die Grünen werden sogar noch deutlicher: „Zukunftsfähige Wirtschaftspolitik orientiert sich an einem neuen Wohlstandsmaß und einer neuen Form der Wirtschaftsberichterstattung.“ Es geht den Grünen darum, das BIP um eine ökologische Komponente, die völlig willkürlich ist, zu erweitern. Die Aufgabe des BIP besteht nicht darin, „die sozialen Folgen und die ökologischen Schäden“ zu messen, wie übrigens auch ein Thermometer blind für die sozialen Folgen und ökologischen Schäden der Temperaturschwankungen ist. Es zeigt nur die Temperatur an, so wie das BIP den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen ausweist, die in einem Jahr in einer Volkswirtschaft als Endprodukte hergestellt werden. Das BIP trifft somit eine Aussage über die Wirtschaftsleistung eines Landes. Die Grünen verwechseln Wirtschaftsleistung mit Wohlstand. Außerdem sind sie geradezu versessen darauf, zu bestimmen was Wohlstand ist und wer wie wohlhabend sein darf. Die Wirtschaftsleistung ist ein statistisch klar zu erhebender Wert, während Wohlstand eine Größe darstellt, die davon abhängig ist, was unter Wohlstand verstanden wird. Die Große Transformation soll nach den Vorstellungen der Grünen durch einen Mix aus CO2-Preis, Anreizen und Förderung sowie dem Ordnungsrecht vorangetrieben werden. Im Klartext also durch massive Steuererhöhungen, Verteuerung des Lebens, Umverteilung und Zwang. Was früher unter den Namen Kommunismus firmierte, heißt heute bei den Grünen „Gemeinwohl“ und Gemeinwohlwirtschaft. Desweiteren planen die Grünen eine Bodenreform der eigenen Art, „ Grund und Boden“ sollen „verstärkt in öffentliches Eigentum überführt werden.“ Man kennt das aus der DDR, übrigens auch die Schaffung von sogenanntem Volkseigentum, was bei den Grünen etwas kaschiert und aufgehübscht unter „neuen Formen von gemeinwohlorientiertem Eigentum und eine stärkere Gemeinwohlbindung“ heißt. Zum Büttel der Finanzindustrie machen sich die Grünen, wenn sie fordern „Anlagegelder in den ökologischen Umbau“ zu lenken, denn für die Finanzindustrie sind grüne Industrie, grüne Produkte, „ökologischer Umbau“ die neue große Blase, an der sie kräftig verdienen wollen, wie an der vermehrten Schuldenaufnahme des Staates oder der EU, für die die Grünen in einer beispiellosen Verantwortungslosigkeit für künftige Generationen Schulden um Schulden aufnehmen wollen. Sie werden, gelangen sie an die Macht, unseren Kindern ein hochverschuldetes Land mit einer zerstörten Wirtschaft hinterlassen, ein Land, indem als einziges Recht das Recht des Stärkeren gilt. Zum islamistischen Terror findet sich nur eine verschämte Andeutung in ihrem Programm, dafür aber viel über den Kampf gegen „antimuslimischen Rassismus“, viel darüber, dass der Islam zu Deutschland gehöre, wahrscheinlich in dem Sinne, dass Deutschland eines Tages dem Islam gehöre, denn, was folgende Forderung bei weiterhin offenen Grenzen und großer kontinuierlicher Einwanderung bedeutet, kann sich jeder vorstellen: „Menschen, die in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt haben und Teil dieser Gesellschaft geworden sind, sollen einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung haben.“ Wer einwandert, legal oder illegal, wird deutscher Staatsbürger. Mit der Forderung nach Schließung von „Staatsverträgen mit islamischen Religionsgemeinschaften“ verbindet sich die Steuerfinanzierung selbiger, was natürlich nicht erwähnt wird. Wer Deutschland liebt, wer seine Zukunft in einem freien, modernen, aufgeklärten und zukunftsfähigen Deutschland sucht, das sich in der Welt zu behaupten weiß, kann nur hoffen, dass Robert Habeck im Herbst nächsten Jahres nicht die Gelegenheit dazu bekommen wird, das große Rad zu drehen, das er drehen möchte. Das WIR, von dem die Grünen sprechen und das sie zu stärken gedenken, ist das WIR der Grünen, in das das IHR der anderen allenfalls konvertieren darf.
Sofia Taxidis
Auf ihrem Netz-Parteitag präsentieren sich die Grünen mit Robert Habeck und Annalena Baerbock als die politischen Retter in planetarischer Dimension. Nicht weniger als eine "neue Epoche" haben sie sich vorgenommen. Die Dilettanten greifen nach dem höchsten.
daili-es-sentials
2020-11-23T12:24:08+00:00
2020-11-23T17:41:07+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/die-gruenen-auf-dem-weg-zur-planetarischen-macht/
Extinction Rebellion hindert Flugzeuge am Abheben
Protest kann man das schon nicht mehr nennen. Aktivisten von Extinction Rebellion (XR) haben den Start von mehreren Flugzeugen verzögert und auf vier deutschen Flughäfen die Abläufe gestört. Eine Aktivistin, die als Passagierin an Bord eines Flugzeuges war, stand unmittelbar vor dem Abflug in Berlin-Tegel auf und hielt eine Ansprache, die per Video auf Twitter verbreitet wurde. Sie weigerte sich daraufhin, sich hinzusetzen und verlangte, das Flugzeug zu verlassen. Eine ähnliche Aktion fand auch in Düsseldorf statt. Am Flughafen Lübeck blockierten XR-Aktivisten die Start- und Landebahn. In dem Video der Berliner Aktivistin ist unter anderem zu hören, wie sie sagt: „Ich stehe auch für Sie auf, denn wir alle sind von einem ökologischen Kollaps bedroht“. Sie fordert, „Klimanotstand zum Gesetz machen“. Als eine Flugbegleiterin kommt, sagt sie „Ich will aussteigen. Ich will aus diesem System aussteigen. Das System macht unsere Erde kaputt. Und wir brauchen die Erde zum Leben.“ Die Aufforderung einer Flugbegleiterin, das Gefilmte zu löschen, ist der Mitstreiter der Aktivistin ganz offensichtlich nicht nachgekommen. Die anderen Fluggäste in dem Flugzeug blieben während der ganzen Aktion völlig teilnahmslos und ruhig. Das war in dem Flugzeug in Düsseldorf anders. Als der Aktivist den Flugbegleiter mit einer Handbewegung unterbricht und sagt: „Bitte halten Sie dieses Flugzeug an“, rufen Fluggäste „oh nein“, „du Arschloch!“ und „Setz dich hin“. Nachdem der Flugbereiter ankündigt, auf die Parkposition zurückzurollen, erzählt der Aktivist, dass „wir auf das Ende unserer lieben Welt zu rasen“. Am Ende fordert er: „Liebe Politiker, fangt bitte an zu regieren und erfindet Gesetze, um uns Menschen vor unserer eigenen Dummheit zu schützen.“
Sofia Taxidis
Protest kann man nicht mehr nennen, was Aktivisten von Extinction Rebellion (XR) beim Start von mehreren Flugzeugen und auf vier deutschen Flughäfen veranstalteten.
daili-es-sentials
2020-08-17T13:07:32+00:00
2020-08-17T13:08:01+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/extinction-rebellion-hindert-flugzeuge-am-abheben/
Wirtschaftsjournalisten mögen Habeck lieber als Laschet und Scholz
Traditionell waren Wirtschaftsjournalisten in den meisten Redaktionen deutlich liberal-konservativer als ihre Kollegen im Politik-Ressort. Aber offenbar grassiert auch unter ersteren die branchenübliche Habeck-Manie. 17 Prozent von 165 deutschen Wirtschaftsjournalisten, die das Umfrageinstitut Dr. Doeblin befragte, nannten den Bundesvorsitzenden von Bündnis90/Grüne als ihren Wunschkandidaten für die Nachfolge von Angela Merkel als Bundeskanzler. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) – ebenso wie Habeck kein dezidierter Wirtschaftspolitiker – landete mit 24 % als Wunschkandidat auf Platz Eins. Der konservativ-liberale Wirtschaftspolitiker und frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz ist überraschenderweise nur für 21 % die erste Wahl. Nur jeweils sieben Prozent wünschen sich den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) oder Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) als Bundeskanzler. 16 Prozent der Befragten bevorzugen keinen der genannten Politiker. 8 Prozent wollen sich in keiner Richtung festlegen. Bei der Frage, welche Institutionen „konstruktive und qualifizierte Lösungsbeiträge zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland“ geleistet haben, benennen fast zwei Drittel der Wirtschaftsjournalisten die Bundesregierung. Gegenüber Dezember 2019 stellt dies einen erheblichen Zuwachs von 22 Prozent dar. Während knapp die Hälfte der Wirtschaftsjournalisten die CDU/CSU- Bundestagsfraktion für ihre Beiträge lobt – das Ergebnis ist eine leichte Verbes- serung gegenüber Dezember 2019 –, kann die SPD den Journalisten ihre wirt- schaftspolitische Kompetenz in der Großen Koalition nicht vermitteln. Nur noch 18 Prozent der Wirtschaftsjournalisten – gegenüber 25 Prozent im Dezember 2019 – würdigen die Beiträge der SPD zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Die Grünen überholen im Ansehen bei Wirtschaftsjournalisten mittlerweile die als Wirtschaftspartei geltende FDP. Nur 25 Prozent (nach 33 Prozent im Dezember 2019) sind von den Lösungsvorschlägen der Liberalen in einem ihrer Schwerpunktthemen beeindruckt. Dagegen sind es bei Bündnis 90/Grüne gleichbleibend 28 Prozent. Ausgerechnet die Grünen genießen also bei Wirtschaftsjournalisten nach der Bundesregierung und der CDU/CSU-Fraktion das höchste Ansehen für ihre Wirtschaftskompetenz.
Redaktion Tichys Einblick
Nicht nur Politik-, sondern auch Wirtschaftsjournalisten sind dem Grünen-Chef zugetan. Zwar wünschten sie sich eher Söder oder Merz als Kanzler, aber Habeck kommt gleich danach und liegt in ihrer Wertschätzung deutlich vor Laschet und Scholz. Und zwei Drittel von ihnen loben die Bundesregierung.
wirtschaft
2020-07-14T14:45:21+00:00
2020-07-14T14:45:22+00:00
https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/wirtschaftsjournalisten-moegen-habeck-lieber-als-laschet-und-scholz/
Ukraine greift Russlands Bomberflotte an
Wenn diese Nachrichten zutreffen dann war es das, was man früher einen Husarenstreich nannte: Die Ukraine hat in weit von der Front entfernt liegenden russischen Flughäfen zwischen 10 und 40 russische Langstreckenbomber zerstört. Dies ist eine enorme Anzahl; nach vorliegenden Zahlen verfügt Russland über rund 110 Typen der Strategischen Bomber Tu-95, Tu-22M3 und 160. Entscheidend: Diese Maschinen stammen z.T. noch aus den 70er Jahren und wurden bis in die 90er gebaut. Seither wurden sie ständig modernisiert und auf den neuesten technischen Stand gebracht. "SBU drones are targeting aircraft that bomb Ukrainian cities every night. At this point, more than 40 aircraft have… pic.twitter.com/a3YwQB8ZC5 — Christopher Miller (@ChristopherJM) June 1, 2025
Sofia Taxidis
Die Ukraine hat Videos und Nachrichten veröffentlicht, wonach ein großer Teil der russischen strategischen Bomberflotte zerstört worden sei.
kolumnen
2025-06-01T14:06:45+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/ukraine-greift-russlands-bomberflotte-an/
Zwangseinweisungen: Pläne der Bundesländer für Quarantäne-Verweigerer
Mehrere Bundesländer planen Zwangseinweisungen für „Quaratänebrecher“ in sogenannten „Einrichtungen für Sammelstellen.“  In Dresden wird dafür ein Erstaufnahmelager für Asylbewerber umgewidmet, so die „Dresdner Neuesten Nachrichten“ über einen sogenannten „Quarantäneknast“. Baden-Württemberg schafft derzeit etwa sogenannte Absonderungsplätze in zwei Kliniken. Sie sollen dauerhaft von einem Wachdienst kontrolliert werden, wie ein Sprecher des Gesundheitsministerium sagte. „Details und Namen können wir erst nach dem finalen Vertragsabschluss nennen, der für kommende Woche geplant ist.“ Mehrere Tageszeitungen berichten nach „Welt am Sonntag“ über dieses Vorhaben der Länder und geben den Bürgern belehrende Auskunft darüber, was den Regelbrechern droht:  Neben hohen Bußgeldern droht bei Missachtung der geltenden Bestimmungen künftig im Extremfall die Zwangseinweisung in zentrale Sammelstellen, Kliniken oder Jugendarrestanstalten. Bereits jetzt werde dies auf Grundlage richterlicher Anweisungen in Einzelfällen praktiziert. Einen 90-Jährigen Rentner gegen seinen Willen in einem Heim einzusperren damit er das Leben anderer 90-Jähriger nicht gefährdet mag noch einfach sein – im Gegensatz allerdings zu der ethisch moralischen Vertretbarkeit. Denn wehren kann dieser sich wie viele andere kaum mehr. Schwieriger wird es bei jüngeren Menschen, die nicht in einem Heim leben. Sie neigen dazu, in die Natur an die frische Luft zu gehen oder einzukaufen, weil sie Nahrung brauchen. Was für ein Vergehen! Gibt es nicht überall Lieferdienste neuerdings für Nahrung und Bedarf? So einfach geht das. Manche meinen: Richtig so! Es sei sogar ein überfälliger Schritt. Denn die Freiheit hört spätestens da auf, wo andere Menschenleben gefährdet werden. Insofern gehören ihrer Meinung nach Quaratänebrecher sowieso in eine Nervenheilanstalt. Was der Staat sagt, kann ja nur richtig sein und dieser verlässt sich bei seinen Bestimmungen und Maßnahmen über das Leben seiner Bürger ja auch auf die umstrittenen PCR Tests.  Sie leisten allerdings keine Aussage über eine infektiöse Covid-19 Ansteckungsgefahr, ihre Fragwürdigkeit wird jeden Tag augenfälliger. Abgesehen davon kommen diese Gängelungen vom Staat ohnehin zu spät. Die Verfolgung von Ansteckungen ist bereits im Herbst zusammen gebrochen. Ursache ist auch, dass die Corona-App der Bundesregierung untauglich ist. Noch immer ist unbekannt, wo sich das Virus wirklich verbreitet. Der Kreis der Verdächtigen wird damit immer größer und unbestimmter. Letztlich kann es jeden treffen. Wieviele Sammelstellen braucht man für so viele fiktive Täter? Aber sei´s drum. Es sind ja nur 14 Tage Freiheitsentzug – Quarantäne in einer „Sammelstelle“ in der der ungezogene Bürger beigebracht bekommt, wie man zu Handeln hat wenn der Staat sagt: „Zuhause bleiben“. Dann zeigt  einem freundlicherweise das Bewachungspersonal wie das geht und übernimmt sogar Einkaufen, Versorgung und ander lästige Alltagspflichten.  Offen bleibt viele Fragen: Wie wird unterschieden, wer anstecktend und nicht-ansteckend ist, wer geimpft ist oder nicht, wer längst Immunität aufgebaut hat. Es ist höchst erstaunlich und auch interessant zu beobachten was sich alles im Schatten dieser Pandemie wieder zusammenbraut. Es hat nur ein Jahr gebraucht das man offiziell verkünden kann, dass man Bürger „Sammelstellen“ konzertieren will wenn sie sich den Maßnahmen des Staates wiedersetzen die mehr als willkürlich und offenbar nutzlos sind. Vor einem Jahr war solch eine vorangehenweise hierzulande aus gutem Grund undenkbar. Wenn dann in sechs Monaten die Überschrift lautet „Länder planen Zwangseinweisungen für Corona-Impfverweigerer“ sollte sich auch niemand wundern. Aber Gott sei Dank hat niemand die Absicht eine Impfpflicht einzuführen. So wie es keinen zweiten Lockdown gibt. Und obwohl immer mehr Politiker wie zuletzt Außenminister Heiko Maas genau das fordern: Grundrechte nur noch Geimpften zugestehen. Denn das ist der eigentliche Wendepunkt: Grundrechte schützen nicht mehr den Bürger vor dem übergriffigen Staat. Freiheit ist nicht mehr grundgesetzlich garantiert, sondern von Heiko Maas gewährt. Und so werden wieder Bürger zum Schutz vor sich selbst und anderen in Sammelstellen zwangseingewiesen.
Sofia Taxidis
Zentrale Sammelstellen sollen Bürger einsperren, die sich der Aufforderung zur Quarantäne widersetzen. Aber rechtfertigt ein auf fragwürdiger Grundlage ermittelter "Verdacht" diese Maßnahmen - und was kommt als Nächstes?
meinungen
2021-01-17T18:09:13+00:00
2021-01-17T18:11:06+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/geplante-zwangseinweisungen-fuer-quarantaene-verweigerer/
Neues Baerbock-Rätsel: Ein anderer promovierte mit ihrem Doktor-Thema
Zu all den Unstimmigkeiten im Lebenslauf von Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kommt noch eine neue: Wie das österreichische Online-Magazin exxpress.at berichtet, hat Baerbock jahrelang an der Freien Universität Berlin an einer Doktorarbeit geschrieben, die jemand anderer abgeschlossen und eingereicht hat, was Baerbock allerdings nicht daran hinderte, die Arbeit daran fortzusetzen. Das ist zumindest eigenartig. Unklar ist, von wann bis wann Baerbock worüber ihre Dissertation geschrieben hat und ob überhaupt an der rechtswissenschaftlichen Fakultät. In einem “Tagesspiegel”-Artikel vom Oktober 2013 heißt es über Baerbock: “Nebenbei will sie endlich die fast fertige (sic!!) Promotion beenden, trotz der nun noch knapperen Zeit. Das Thema ist für eine Grüne perfekt: ‘Naturkatastrophen und humanitäre Hilfe’. Das sei im Völkerrecht nämlich nicht geregelt, erzählt Annalena Baerbock.” Aber die eigentliche Kuriosität ist: Eine Dissertation mit demselben Titel “Naturkatastrophen und humanitäre Hilfe” wurde an der Freien Universität in Berlin damals tatsächlich abgeschlossen, allerdings nicht von Baerbock. Wie Online-Recherchen von exxpress.at ergaben, ist im Jahr 2012 just an jener Uni, an der Baerbock immatrikuliert war, eine Dissertation mit genau diesem Titel erschienen, allerdings auf Englisch. Sie heißt: “Humanitarian Aid and Natural Disasters: A Study of Selected European Countries” und stammt von Matteo Garavoglia, einem Experten für Rhetorik und Interkulturelle Kompetenz. Er promovierte mit dieser Arbeit allerdings nicht in Völkerrecht, sondern in Politikwissenschaften. Eine Arbeit mit identischem, wenn auch englischem Titel an derselben Universität ist höchst ungewöhnlich. Wie exxpress.at schreibt, wurden Anfragen an Baerbock und an Garavoglia von diesen bis jetzt noch nicht beantwortet. „Wusste Baerbock am Ende von dieser wissenschaftlichen Arbeit und wollte sie diese unter dem Gesichtspunkt des Völkerrechts weiterentwickeln? Aber woran hat sie ab 2009 gearbeitet, als sie schon  ihren eigenen Angaben zufolge immatrikuliert war und warum verwendet sie genau denselben Titel?“, heißt es bei express.at. Möglich wäre auch, dass Baerbock schon früher mit ihrer Doktorarbeit nicht weitergekommen ist, weshalb sie von Garavoglia übernommen wurde.  “Doktorandin des Völkerrechts, Freie Universität Berlin, Promotion nicht beendet” steht aktuell auf ihrer Homepage. Laut dem Plagiatsjäger Stefen Weber ist Baerbock aber seit 2015 ohne Abschluss exmatrikuliert. Doch die Kanzlerkandidatin hat noch andere Versionen in Umlauf gesetzt. In ihrem Curriculum von 2018 stand etwa “Promotion derzeit ruhend” – was auch immer das heißen mag – und auf der Website des Deutschen Bundestags steht: “2009 bis 2013 Doktorandin im Völkerrecht, Freie Universität Berlin (nicht beendet)”.
Ferdinand Knauß
Zu all den Unstimmigkeiten im Lebenslauf von Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kommt noch eine neue: Wie das österreichische Online-Magazin exxpress.at berichtet, hat Baerbock jahrelang an der Freien Universität Berlin an einer Doktorarbeit geschrieben, die jemand anderer abgeschlossen und eingereicht hat, was Baerbock allerdings nicht daran hinderte, die Arbeit daran fortzusetzen. Das ist zumindest eigenartig. Unklar ist,
daili-es-sentials
2021-06-11T07:58:08+00:00
2021-06-11T08:35:00+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/baerbock-dissertation/
Medien: Panzer für die Ukraine – TE-Wecker am 25. Januar 2023
Medien: Panzer für die Ukraine ++ auch USA sollen Abrams-Panzer liefern ++ AfD in NRW: Politik der Energie- und Mobilitätswende koste Arbeitsplätze – Antrag auf Aktuelle Stunde zu „Was passiert mit Ford in Köln?“ abgelehnt ++ OSZE will keine Wahlbeobachter nach Berlin schicken: großes Vertrauen in die Fähigkeiten des Wahlamtes ++ München: Andrea Tandler festgenommen – Verdacht: Gewerbesteuerbetrug ++ Elektro-Ferrari zu leise: Super-Sound-System für neuen Elektro-Ferrari ++ Frankreich: Senat stimmt für 14 neue Kernkraftwerke ++
Sofia Taxidis
Der TE-Wecker erscheint montags bis freitags – und bietet Ihnen einen gut informierten Start in den Tag. Ideal für den Frühstückstisch – wir freuen uns, wenn Sie regelmäßig einschalten.
podcast
2023-01-25T02:00:47+00:00
2023-01-25T06:32:21+00:00
https://www.tichyseinblick.de/podcast/te-wecker-am-25-januar-2023/
Politischer Wortschatz: Demokratiefeind(e)
Die Corona-Proteste stellten Regierung und Sicherheitsbehörden vor ein sprachliches Problem, nämlich die neuen, weder links noch rechts einzuordnenden Protestgruppen zu benennen. „Demonstranten“ war zu neutral, „Aktivisten“ zu positiv. Man wählte zunächst einen justizförmigen und negativ-ausgrenzenden Begriff: „Staatsfeinde“. Dieser fand aber im öffentlichen Sprachgebrauch wenig Anklang und wird nun durch „Demokratiefeinde“ ergänzt oder ersetzt. In der alten Bundesrepublik beobachtete der Verfassungsschutz sogenannte „Verfassungsfeinde“, hauptsächlich im Öffentlichen Dienst: „Schon bist du ein Verfassungsfeind“ wurde in den 1970er Jahren durch ein gleichnamiges Buch (Peter Schneider, 1976) zum geflügelten Wort. In der DDR zielte die Staatssicherheit (Stasi) auf „Staatsfeinde“: Nach § 106 des DDR-Strafgesetzbuches wurde „staatsfeindliche Hetze“ mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft. Nach der Wiedervereinigung (1990) kam der belastete Begriff „Staatsfeind(lich)“ außer Gebrauch, bis er, dreißig Jahre später, vom Verfassungsschutz reaktiviert wurde, um die Corona-Protestierer zu brandmarken. Diese wurden auch „Delegitimierer“ genannt – eine sprachlich schwer verdauliche und deshalb kommunikativ erfolglose Wortkreation des Verfassungsschutzpräsidenten. Aber auch „Staatsfeind“ wurde im allgemeinen Sprachgebrauch wenig akzeptiert. Der Begriff gibt die Sichtweise des Staates wieder, genauer: der jeweils Herrschenden, und wird deshalb von diesen verwendet und – wie schon der Staatsrechtler Hermann Heller (1891–1933) feststellte – gerne missbraucht: „Immer wieder hat die in der Macht befindliche Regierung ihre Gegner fälschlich als ‚Staatsfeinde‘ diskreditiert.“ Im Falle Deutschlands liegt dieser Missbrauch nur eine Generation zurück: Wer im jüngeren Alter in der DDR der 1970er und 80er Jahre wegen „staatsfeindlicher Hetze“ verurteilt worden war, konnte durchaus 2021/22 an Corona-Spaziergängen teilnehmen. War er nun, „im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat“ (Bundespräsident Steinmeier zum Tag der Deutschen Einheit, 3. Oktober 2020), wieder – wie der Verfassungsschutz meinte – ein „Staatsfeind“? Während der Corona-Zeit, ja. Aber heute wäre es lächerlich, einen protestierenden Spaziergänger als „Staatsfeind“ zu bezeichnen, also – laut Wörterbuch – „jemand, der die bestehende Ordnung und die Sicherheit eines Staates gefährdet“. Man brauchte also einen neuen Begriff und wurde unter den vielen Wortzusammensetzungen auf -feind (Deutschland-feind, Erb-feind …Tod-feind, Volks-feind) fündig: „Demokratie-feind“. Das Wort ist (noch) wenig verbreitet – in allen Ausgaben 1946 bis 2017 der ZEIT kommt „Demokratiefeind“ insgesamt 30-mal vor, „Staatsfeind“ hingegen 820-mal –, hat aber einen Akzeptanzvorteil: „Demokratie“ wird viel positiver bewertet als „Staat“, ein Demokratiefeind stößt deshalb auf stärkere soziale Ablehnung als ein Staatsfeind. Allerdings bleibt die sprachliche Bedeutung von „Demokratiefeind“ ziemlich offen. Im politischen Sprachgebrauch tritt das Wort deshalb heute selten allein auf, sondern zusammen mit anderen Feindbezeichnungen, die es richtig „kontextualisieren“: So wünschen evangelische Verbände eine „Strategie gegen rechte Demokratiefeinde“, und die grüne Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern fordert, den Entzug des Waffenscheins bei „Rechtsextremist*innen, Reichsbürger*innen und anderen Demokratiefeind*innen“ zu vereinfachen. Ob die Gleichung Demokratiefeind = rechts(extrem) vom allgemeinen Sprachgebrauch übernommen wird, ist jedoch fraglich; denn Demokratiefeinde kommen auch von links: Die sogenannten Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ werden zwar noch nicht „Demokratiefeinde“ genannt – aber das kann sich ändern.
Natalie Furjan
Die Demonstranten gegen Corona-Maßnahmen nannte man zunächst „Staatsfeinde“, dann „Demokratiefeinde“. „Demokratiefeind“ hat gegenüber „Staatsfeind“ einen Akzeptanzvorteil: „Demokratie“ wird viel positiver bewertet als „Staat“. Ein Demokratiefeind stößt deshalb auf stärkere soziale Ablehnung als ein Staatsfeind.
feuilleton
2023-02-16T14:15:11+00:00
2023-02-16T14:15:12+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/politischer-wortschatz-demokratiefeinde/
Verhaftung von Audi-Chef Stadler
Für deutsche Automanager wird es offenbar immer ungemütlicher. Jetzt wurde der Audi-Chef Rupert Stadler verhaftet. Wie Bild zuerst berichtete, wurde der Audi-Boss am Montag vorläufig festgenommen. Der Grund laut Presse-Erklärung der Münchener Staatsanwaltschaft: »Verdunkelungsgefahr«. »Der Beschuldigte wurde der Ermittlungsrichterin vorgeführt, die den Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet hat.« Für Stadler gelte die Unschuldsvermutung, schieben die Staatsanwälte nach, nennen aber keine Gründe für ihren sehr heftigen Schritt. »Darüber hinaus können wir uns vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen inhaltlich nicht äußern.« Stadler war gewarnt. »Zur Sicherung von Beweismaterial« waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft vor einer Woche die Privatwohnungen von Stadler und einem nicht genannten Audi-Vorstandsmitglied durchsucht worden. Danach habe Stadler wiederum laut Bild Informationen mit anderen im Dieselskandal Beschuldigten gesprochen. Laut Exklusiv-Information der Süddeutschen Zeitung ließ die Staatsanwaltschaft München II sogar Telefonate von Stadler abhören. Nicht das erste Mal übrigens, dass Telefongespräche von VW-Managern und Mitarbeitern abgehört wurden: Die SZ berichtet von einem leitenden Porsche-Mitarbeiter, der während einer Razzia bei Porsche einen Assistenten per Telefon angewiesen habe, bestimmte Unterlagen beiseite zu schaffen. Porsche dementierte diesen Vorwurf. Im vergangenen Jahr wurde bei einem Audi-Ingenieur ebenfalls dessen Telefon abgehört; daraufhin wurde er verhaftet, kam nach umfangreichen Aussagen wieder frei, berichtet die SZ. Manager stehen, wie sie gern auch zur Rechtfertigung ihrer teilweise beträchtlichen Gehälter betonen, mit einem Fuß im Knast. Thomas Middelhoff und seinerzeit der Bauunternehmer Josef Esch können ein Lied davon singen ebenso wie der Hedge-Fonds-Manager Florian Homm oder jener hochrangige Mitarbeiter des adidas-Konzerns, der im vergangenen Jahr in Amerika wegen des Verdachts auf Korruption verhaftet wurde. Doch hier geht es um eine neue Dimension. Es geht um einige Mikrogramm Stickoxide, die angeblich zu viel aus dem Auspuff kommen. Menschenleben sind nach Erkenntnissen der Wissenschaft weder durch Feinstaub noch durch Stickoxide in der Luft in Gefahr – im Gegensatz zu den Alarmschreien des Abmahnvereins Deutsche Umwelthilfe, der mit falschen, aber umso lauter in die Welt geschrienen Behauptungen fette Beute macht. Bei echten Fehlfunktionen der Autos aufgrund konstruktiver Fehler dagegen, bei denen immer wieder Menschen starben, kamen die Autohersteller mit Millionenbeträgen weg; in der Regel wanderten keine Verantwortlichen in Haft. Bisher ist juristisch nicht ausgefochten, was Betrug ist und was nicht. Erst jüngst hat Daimler angekündigt, ein wenig juristische Klarheit in die Angelegenheit zu bringen. Was ist technisch bedingt, was ist möglicherweise Manipulation? Dies soll keine Entschuldigung für mögliche Schwindeleien seien, wenn sie denn bewiesen sind. Doch muss man die Kirche im Dorf lassen. Seit September 2017, also seit fast einem Dreivierteljahr, sitzt bereits ein ehemaliger Entwicklungsvorstand von Porsche in Untersuchungshaft, ohne dass handfeste Fakten bekannt oder gar Anklage erhoben wurde. Sechs Audi-Vorstände mussten bereits in der Folge der Dieselkrise gehen. Auch gegen Stadler – seit elf Jahren Audi-Chef – wurden immer wieder Rücktrittsforderungen erhoben. Er hatte Recht mit seiner Aussage von Ende Mai: »Die Diesel-Krise ist noch nicht vorbei.« Vermuten darf man, dass hinter den Kulissen zugleich heftige Machtkämpfe ausgefochten werden. Doch bisher lehnte Stadler immer wieder einen Rücktritt ab: »Ich bin nicht der Typ, der die Flinte ins Korn wirft.« Gleichzeitig, auch dieser Vergleich muss gezogen werden, laufen Menschen mit terroristischem Hintergrund frei herum, überschreiten »Nochnichtsolangehierseiende« Grenzen, nachdem sie Menschen erstochen haben. Wo ist die Verhältnismäßigkeit? Man darf davon ausgehen, dass Stadler keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Hier passt das Fazit, das der Karlsruher Motorenpapst Professor Thomas Koch gezogen hat: »Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung muss man feststellen, dass die prinzipielle Diskussion über den Diesel absolut aus dem Ruder geraten ist.« Es muss also einen anderen Grund für einen solchen Aufbau geben. Es könnte eine Art Reserveherz werden, um das Wesentliche eines Autoherstellers, nämlich die Entwicklungsarbeiten an neuen Technologien und Automodellen, nahtlos weiterführen zu können – außerhalb der Reichweite von Merkels Grünschwarzroten.
Sofia Taxidis
Seit September 2017 sitzt ein ehemaliger Entwicklungsvorstand von Porsche in Untersuchungshaft, ohne dass handfeste Fakten bekannt oder gar Anklage erhoben wurde. Droht das auch Stadler?
wirtschaft
2018-06-19T09:59:09+00:00
2018-06-19T10:01:07+00:00
https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/mobilitaet/verhaftung-von-audi-chef-rupert-stadler/
„Die Gleichbehandlung der Geschlechter muss respektiert werden“
Es ist nicht übertrieben, wenn wir festhalten, dass sich Deutschland in den letzten zehn Jahren, aber speziell mit der Zuwanderung zahlreicher Asylsuchender seit 2015, ziemlich verändert hat. Das stellte natürlich bis heute auch die Behörden und Verwaltungen der Städte und Kommunen vor neue Herausforderungen. Dass das Rechtssystem in Deutschland weltweit immer noch so hoch angesehen ist, liegt auch daran, dass die Verwaltungsfachleute immer auf dem neuesten Stand ausgebildet werden, im Studium sowie in der Praxis. Die Verwaltungen in Deutschland funktionieren noch gut, obwohl der Druck steigt, sich mit neuen Gegebenheiten, auch interkultureller Natur, täglich auseinander zu setzen. Damit das so bleibt, dafür tragen auch Personen wie Professor Christian F. Majer und dessen Kollegen Verantwortung. Als Grundlage nehmen wir die gut besuchte Tagung „Parallelgesellschaften und die Herausforderung für die Kommunen“, die Professor Majer konzipierte, und auf der auch Ali Ertan Toprak (Tichys Einblick berichtete) sowie Professor Dr. Ralph Ghadban teilgenommen haben. Die Resonanz war groß. Dass es Parallelgesellschaften definitiv gibt, ist unbestritten, Ertan Toprak sprach sogar von Gegengesellschaften, die es sich auf die Fahnen geschrieben haben, die DITIB und Erdogan-Politik auch in Europa und Deutschland, zu unterstützen und auch in die Tat umzusetzen. Bleiben wir aber bei den Definitionen von Parallelgesellschaften und Paralleljustiz innerhalb Deutschlands. Die Medien haben das Thema auch aufgegriffen, weil Stadtteile in Berlin und ebenso in Nordrheinwestfalen, von gut organisierten libanesischen (Familien-)Clans quasi nach „mafiosen“ Strukturen beherrscht wurden, bis hinein in Immobilien-und anderen Wirtschaftszweigen. Oft auch als eine Art der Schattenwirtschaft. Professor Christian F. Majer gab Giovanni Deriu Einblicke ins gängige Rechtssystem der Bundesrepublik. Hallo, Professor Majer, wo erreichen wir Sie gerade? Professor Majer: Heute, am Samstagvormittag an meinem häuslichen Schreibtisch, oder, wie man heute sagt, im „home office“. Als Dozent und Fachmann für Rechtsfragen, bilden Sie angehende Verwaltungsfachleute aus. Haben die Fragen im Bereich Ausländer- und Asylrecht in den vergangenen fünf Jahren zugenommen, musste der Lehrplan geändert oder modifiziert werden, auch im Blickpunkt der Zuwanderung seit 2015? Die Bedeutung und Komplexität dieser Themen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, wobei sie schon früher einen hohen Schwierigkeitsgrad aufwiesen. Die Materie ist durch ständige Änderungen zudem sehr schnelllebig geworden. Wir sind damals auch auf Ihre ausgeschriebene Tagung aufmerksam geworden, sowie auf Ihr höchst interessantes Impulsreferat, „Parallelrecht und Paralleljustiz – Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen“. Was hatte Sie zu diesem Thema bewogen? Das Thema bewegt die Öffentlichkeit seit langem und stellt auch die Rechtsordnung vor eine neue Herausforderung. Insbesondere besteht meines Erachtens ein erheblicher Bedarf an einer rechtlichen Würdigung der Thematik jenseits von politischen Standpunkten, was im Übrigen für viele andere Fragen auch gilt. Leider neigt man in bestimmten Bereichen oftmals dazu, den eigenen politischen und moralischen Standpunkt anstelle von rechtlichen Wertungen zu setzen. Der Zusatz, „Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen“, macht uns etwas nachdenklich – heißt das, dass sich unser Rechtssystem neuen kulturellen und strafrechtlichen Gegebenheiten anpassen muss? Oder dass sich die Gäste unserem Rechtsstaat gegenüber respektvoll verhalten sollen? Wo wären tatsächliche Grenzen gesetzt? Das Recht selbst eröffnet Möglichkeiten, die auch von anderen kulturellen Systemen genutzt werden können: so können vermögensrechtliche Streitigkeiten wie etwa Kaufverträge schon heute ohne weiteres unter Einhaltung gewisser Voraussetzungen von einem privaten Schiedsgericht statt einem staatlichen Gericht entschieden werden. Und die Vertragsfreiheit erlaubt dabei auch die Berücksichtigung islamisch geprägter Rechtssätze wie etwa dem Zinsverbot. Entscheidend ist aber, dass hier die Grenzen unserer Grundwerte, welche sich aus dem Grundgesetz ergeben, respektiert werden. Das betrifft vor allem die Gleichbehandlung der Geschlechter. Zudem ist eine Schiedsvereinbarung nicht möglich bezüglich einer Scheidung oder Eheschließung. Deutschland behandelt, wie es das Grundgesetz und die Verfassung vorschreibt, alle Menschen gleich, das Recht, Fehlverhalten anzuzeigen, die Gerichte zu bemühen, hat jeder Bürger Deutschlands. Der effektive Schutz der Grundrechte von Behörden und Gerichten, soll stets gewährleistet werden. Gibt es denn tatsächlich auch Parallelgesellschaften, die auf ein eigenes Rechtssystem, einer eigenen Rechtsprechung setzen? Weil sich die zugewanderten Bürger auf ihren Kulturkreis, auf ihre Community oder auch auf die Scharia berufen? Welche Beispiele gäbe es dafür …? Ja, dieses Phänomen existiert. Solche Beispiele gibt es vor allem im Bereich der organisierten Kriminalität, den sog. Clans, aber auch in salafistischen Kreisen. Es ist schwierig, das Phänomen hinsichtlich seiner Verbreitung richtig einzuschätzen. Hier sind weitere Studien nötig. Wir hörten immer wieder von so genannten „Friedensrichtern“, nur anerkannt von Streitparteien in einigen Communitys aus dem moslemischen Kulturkreis, sind diese Friedensrichter registriert, und wird dann von einer strafrechtlichen Verfolgung nach unserem Recht, Abstand genommen? Oder kommt es trotz Friedensrichtern, zu strafrechtlichen Verfolgung? Die strafrechtliche Verfolgung funktioniert meist in diesen Fällen dann nicht mehr, da Zeugen nach einer solchen Schlichtung unter Druck gesetzt werden und sich im Prozess dann angeblich nicht mehr erinnern. Die Strafjustiz wird so sabotiert. Heißt das gegebenenfalls auch, dass das deutsche Rechtssystem „Bagatelldelikte“ den Friedensrichtern überlässt? Im strafrechtlichen Bereich ist eine private Schlichtung nur bei Antrags- und Privatklagedelikten wie Beleidigung oder einfacher Körperverletzung zulässig. In allen anderen Fällen steht der staatliche Strafanspruch nicht zur Disposition der Beteiligten. Die bekannt gewordenen Fälle betreffen aber auch schwere Delikte. Wir wären dann ja bereits bei einer Paralleljustiz. Führt diese ein Schattendasein, oder gibt es Erhebungen zur Paralleljustiz in Deutschland? Es gibt eine Studie des Leiters des Erlanger Zentrums für Islam in Europa, Prof. Dr. Mathias Rohe, aus dem Jahr 2015 für Berlin. Jetzt soll das Phänomen auch in Baden-Württemberg untersucht werden. Es gibt jedenfalls hier weiteren Forschungsbedarf, da solche Fälle schwer zu erkennen sind. Zu nennen ist auch die Monographie von Dr. Kathrin Bauwens aus dem Jahr 2016. Beschreiben Sie doch bitte das Territorialprinzip, und welchen Gesetzgebungen deutsche Bürger, sowie hier lebende Ausländer, unterstellt sind. Das Territorialprinzip (oder Territorialitätsprinzip) besagt, dass deutsches Recht und die deutsche Gerichtsbarkeit grundsätzlich für alle in Deutschland lebenden Menschen gleich welcher Herkunft, Nationalität, Religion usw. gilt; Ausnahmen gelten nur aus völkerrechtlichen Gründen etwa für ausländische Diplomaten. Es ist heute weltweit bestimmend. Das war nicht immer so: das Frühmittelalter kannte das Personalitätsprinzip (oder: System personaler Rechte). Jedes Volk lebte nach seinem Recht unabhängig von einem bestimmten Gebiet. Damit nicht zu verwechseln ist die Anwendung ausländischen Rechts durch deutsche Staatsorgane im Einzelfall: sie beruht stets auf einer Anordnung des deutschen oder europäischen Rechts, einer sogenannten Kollisionsnorm (zum Beispiel gilt ausländisches Recht vor deutschen Gerichten, wenn ein Verkehrsunfall im Ausland stattgefunden hat). Wo liegen momentan die Hauptprobleme für die Jurisprudenz, in einem sich stete verändernden Deutschland? Die Veränderung der Lebenswelten stellt auch die Jurisprudenz vor große Herausforderungen, es gibt zahlreiche neue rechtliche Phänomene, die untersucht werden müssen. Das gilt insbesondere für Erforschung der Anwendung ausländischen Rechts und ausländischer Entscheidungen in Deutschland, wie etwa Eheschließungen und Scheidungen. Die Bedeutung dieses Gebiets (wir nennen es Internationales Privat- und Verfahrensrecht) hat auch für die Verwaltung massiv zugenommen und wird in den nächsten Jahren noch weiter stark ansteigen. An unserer Hochschule wird es daher auch im Bereich „Zuwanderung und Integration“ gelehrt. Aus den Kommunen bundesweit, sowie durch einen SPIEGEL-TV Beitrag wissen wir, dass viele „Flüchtlingsmänner” bereits wegen einer Zweit- und Drittfrau vorsprachen. Ein Syrer in Pinneberg sprach das sogar offen in die Kameras. Die Zweitfrau war bereits da. Fern jeder Polemik, was ist erlaubt, was nicht. Gibt es da einen (kulturellen) Ermessensspielraum? Die „Mehr-Ehe“ in der einseitig „polygynen Form“ (also dass ein Mann mehrere Ehefrauen, eine Frau aber nicht mehrere Ehemänner haben darf), ist ein klarer Verstoß gegen die grundrechtlich garantierte Gleichberechtigung von Mann und Frau. Sie darf in Deutschland nicht geschlossen werden und muss bekämpft werden. Bei bereits im Ausland geschlossenen Ehen muss aber differenziert werden: wenn Dritte oder die Allgemeinheit benachteiligt würden, sind sie nicht anzuerkennen (zum Beispiel beim Ehegattennachzug). Wenn aber die Wirkung rein intern, d.h. zwischen den Beteiligten, bleibt (wenn z.B. die Zweitfrau Trennungsunterhalt verlangt), erkennen wir auch die „Zweitehe“ als wirksam an. Das liegt an unserer Methode: wir prüfen, ob das Ergebnis der Rechtsanwendung gegen unsere Grundwerte verstößt, nicht das Institut an sich. Und ersteres ist in meinem Beispiel nicht der Fall. Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Ich wünsche mir, dass man die Herausforderungen Migration und Integration sachlicher diskutiert und noch viel mehr, dass man im Rahmen unserer Rechtsordnung und unseres Grundgesetzes konkrete Lösungen für auftauchende Schwierigkeiten findet, anstatt sich Schlagworte und Beschimpfungen gegenseitig um die Ohren zu hauen. Dabei gilt natürlich auch, dass unsere Grundwerte und unser Recht gegenüber allen auch im Alltag konsequent durchgesetzt werden müssen. Dieses Recht und die Grundwerte geben auch den Maßstab für die Beurteilung anderer Kulturen und Traditionen vor: sie sind weder pauschal abzulehnen noch pauschal anzuerkennen, sondern insoweit zu akzeptieren, wie sie jenen nicht entgegenstehen. Zur Person: Christian F. Majer, 39, verheiratet, war vor seiner Tätigkeit als Professor an der Hochschule in Ludwigsburg als akademischer Mitarbeiter und Rechtsanwalt tätig. Professor Majer firmiert als Direktor des Instituts für internationales und ausländisches Privat- und Verfahrensrecht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen, Ludwigsburg. Außerdem ist der passionierte Wanderer mit seinem Institut dafür bekannt, fakultätsübergreifende Tagungen und Seminare mit seinen Kollegen zu organisieren. Gefragt ist Christian F. Majer besonders bei Rechtsfragen zur Anwendung ausländischen Rechts. Professor Majer hat zudem mit seinen Studierenden gemeinsam ein „Rechtsseminar für Geflüchtete“ konzipiert. An drei Tagen wird den Asylbewerbern das deutsche Gesetz, sowie Rechte und Pflichten vermittelt. Von den Kommunen wird das „Programm“ gut nachgefragt. Das Interview führte Giovanni Deriu.
Sofia Taxidis
Recht und Grundwerte geben den Maßstab für die Beurteilung anderer Kulturen und Traditionen: sie sind weder pauschal abzulehnen noch pauschal anzuerkennen, sondern insoweit zu akzeptieren, wie sie jenen nicht entgegenstehen.
meinungen
2018-10-27T08:24:01+00:00
2018-10-27T09:37:38+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/professor-christian-f-majer-die-gleichbehandlung-der-geschlechter-muss-respektiert-werden/
Die Inflation wird Alltag: Bahn, Post, Strom und Bier werden teurer
Die Inflation, mittlerweile über 5 Prozent in Deutschland, bleibt auch 2022 auf hohem Niveau. Das lässt sich an den Tarif- und Preiserhöhungen ablesen, die Unternehmen jetzt ankündigen. Am deutlichsten steigen die Stromtarife im kommenden Jahr – eine Reaktion auf die stark gestiegenen Gas- und Kohlepreise. Die Versorger nehmen aber auch schon höhere CO2-Preise vorweg. Die Münchner Stadtwerke etwa verlangen ab 1. Januar 2022 für die Kilowattstunde 27,65 Cent brutto pro Kilowattstunde (statt wie bisher 26,18 Cent) und heben den Grundpreis pro Jahr von 90,65 Euro auf 104,72 Euro brutto. Andere Stadtwerke kündigten ihren Kunden Aufschläge in ähnlicher Höhe an. Teurer wird 2022 auch das Bier, denn beim Brauen handelt es sich um einen energieintensiven Prozess. Laut Branchenblatt „GetränkeNews“ planen die großen Hersteller eine merkliche Preisanhebung. Ein Glas Bier in der Gaststätte würde nach Schätzungen der Fachzeitschrift zwischen 30 und 50 Cent teurer. Für einen Kasten Bier dürfte der Handel im Schnitt einen Euro mehr pro Kasten verlangen. Engpässe beim Material und gestiegene Energiepreise verteuern auch das Bauen erheblich. Laut Statistischem Bundesamt legten die Baupreise im 3. Quartal 2021 um 12,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu – der stärkste Preissprung in diesem Sektor seit 1970. Die von der neuen Bundesregierung geplante Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro, weiter steigende Energiepreise und deutlich aufwändigere Energiespar-Vorschriften dürften die Baupreise auch 2022 weiter treiben – und damit mittelfristig das Miet- und Kaufpreisniveau im Neubaubereich. Die anhaltende Schwäche des Euro, der auch im Dezember immer wieder unter die Marke von 1,13 zum Dollar fiel, macht Importe aus dem Dollarraum teurer.
Natalie Furjan
Im Dezember und verstärkt ab Januar verlangen viele Anbieter höhere Preise von ihren Kunden. Der Kaufkraftverlust durch Inflation nimmt erst richtig Fahrt auf.
wirtschaft
2021-12-07T16:30:24+00:00
2021-12-07T17:01:10+00:00
https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/die-inflation-wird-alltag/
Humboldt-Universität: Wie radikale Aktivisten den Vortrag einer Biologin verhinderten
Am Samstag, den 2. Juli 2022, sollte die Biologin Marie-Luise Vollbrecht einen Vortrag im Senatssaal des Hauptgebäudes der HU, im Rahmen der „Langen Nacht der Wissenschaft“ halten. Der Vortrag unter dem Thema „Geschlecht ist nicht gleich Geschlecht. Sex, Gender und warum es in der Biologie nur zwei Geschlechter gibt“ wurde allerdings kurzfristig im vermeintlichen Interesse der Gesamtveranstaltung von der Universitätsleitung aus dem Programm genommen. Grund dafür seien Sicherheitsbedenken. Bezüglich des angekündigten Vortrags der wissenschaftliche Mitarbeiterin der HU hat sich großer Widerstand in der Studentenschaft gezeigt, welchem Proteste folgten. Frau Vollbrecht war als Co-Autorin eines am 02.06.2022 veröffentlichten Artikels in der Tageszeitung Welt mit dem Titel „Wie ARD und ZDF unsere Kinder indoktrinieren“ beteiligt. In dem Artikel machten Wissenschaftler auf die Gefahr aufmerksam, welche mit der Leugnung der Existenz von zwei Geschlechtern einhergeht und forderten eine Abkehr von dieser Ideologie. Unter anderem die Kritik in dem Artikel an der Unterstützung der woken „Vielgeschlechtlichkeit“ in der berühmten Kinder-Wissenssendung, der „Sendung mit der Maus“, scheint den „kritischen“ Juristen der HU allerdings aufgestoßen zu sein. Der „Arbeiterkreis kritischer Jurist*innen an der Humboldt Uni Berlin“ mobilisierte das Aufbegehren gegen den Vortrag. Am Freitag fand ich erneut eine Nachricht in meinem Email-Eingang vor, diesmal als Rundmail an alle Studenten verschickt, in welcher ebenfalls zu dem Protest gegen den vermeintlich diskriminierenden, sowie queer- und transfeindlichen Vortrag aufgerufen wurde. Absender war der „Referent_innenrat“, kurz RefRat der HU, welcher sich selbst als politische Vertretung der „Student_innenschaft“ der HU betrachtet. Der RefRat ist schon in der Vergangenheit durch linksradikale und ideologiegeleitete Projekte und Aufrufe aufgefallen. In Pandemiezeiten hat er beispielsweise die Infektionsschutzmaßnahmen der Universität als unzureichend kritisiert, Anfang diesen Jahres zur „Exmatrikulation rechter Ideologien“ aufgerufen und die bestehende Maskenpflicht im Februar diesen Jahres ausdrücklich befürwortet. In diesem Sinne erscheint es nur folgerichtig, dass sich die „Studentenvertretung“ auch hierbei wieder engagiert und die Studentenschaft nun sogar aktiv zu Protesten gegen einen wissenschaftlichen Vortrag aufruft. Die Demonstration, initiiert vom „Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen“ (AKJ), fand schließlich vor dem Hauptgebäude der Uni statt. Der AKJ versteht sich selbst als Forum für kritische Menschen für rechts- und allgemeinpolitische Diskussionen. Leider scheint dieser vermeintlich kritische Verein kein Ohr für andere Ansichten, geschweige denn für nicht genehme, jedoch wissenschaftliche Tatsachen zu haben. Öffentlich hieß es vom AKJ: „An unserer Uni gibt es keinen Platz für Queerfeindlichkeit. Wir sehen uns auf der Straße!“ Bei der Protestaktion selbst sah man der Slogans wie: „Geschlossen gegen Trans*feindlichkeit – Keine Bühne für die Co-Autorin von Statements einer ‚Biologischen Realität der Zweigeschlechtlichkeit“ und ‚woker Trans-Ideologie'“. Die Humboldt-Universität zu Berlin wurde im Jahre 1809 im Zuge der preußischen Reformen, hier insbesondere der Bildungsreform, mit dem Anspruch gegründet, einer breiteren Masse Bildung auf naturwissenschaftlicher Basis zugänglich zu machen – ganz im Sinne und Geiste der Gebrüder Humboldt. Die PR-Chefin der HU sagte, dass mit der Absage des Vortrages keine inhaltliche Aussage einherginge und diese Entscheidung allein der Sicherheit diene. Der Vortrag solle außerdem nachgeholt werden. Das Einknicken vor radikalen, gewaltbereiten Aktivisten, die kein Verständnis von Biologie haben, sei verständlich, aber alarmierend. Laura Werz ist 19 Jahre alt und ist Jura-Studentin in Berlin. Sie schreibt für das Jugendmagazin Apollo News
Max Mannhart
An der Humboldt-Universität Berlin wurde ein Vortrag einer Biologin verhindert - radikale Aktivisten denunzierten die Wissenschaftlerin mit Erfolg. Eine Studentin der Universität erzählt wie die Kampagne lief. Über die Macht der Verleumdung an Deutschlands Universitäten. Von Laura Werz.
daili-es-sentials
2022-07-03T12:16:57+00:00
2022-07-03T12:16:58+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/humboldt-universitaet-vortrag-verhindern/
Bei Illner: Olaf Scholz wird mit Bürgerfragen und Inflationssorgen belästigt
Für ihren krönenden Abschluss vor der Sommerpause haben Illner und ihr Team sich einen großen Knaller zurechtgelegt: Olaf Scholz ist zu Gast – aber nicht im Anne-Will-Style im Vier-Augen-Jubel-Gespräch. Nein, Olaf Scholz wird in dieser Talkshow mit dem einfachen Volk konfrontiert. Okay, jetzt mal halblang, nicht dass sie jetzt noch in Begeisterung ausbrechen: Das einfache Volk durfte natürlich nicht einfach so vorbei kommen, das wäre ja noch schöner. Dann müsste man danach alles putzen und wenn sich so viele Leute im Studio tummeln, weckt das den Karl Lauterbach im ZDF-Abstellraum auf, der hat nämlich einen leichten Schlaf. Nein – die Vertreter der Bürgerschaft wurden natürlich penibel vorausgewählt.  Da ist Ralf Berning, der gleich zwei verstoßene Berufsgruppen repräsentiert: Einerseits ist er Intensivpfleger, andererseits Zeitsoldat. Außerdem Social-Media-Persönlichkeit und bekennender Sozialdemokrat, aber das wird bei Illner nicht erwähnt. Jackpot für die Illner-Redaktion, so kann man einen weniger einladen von diesen Normalos und Sendezeit sparen. Und super für Scholz ist es auch – zwei komplexe und schwer umstrittene Themengebiete in einem Abwasch abgehakt. Im Gespräch kommt dann raus: Familienvater wird er auch noch (herzlichen Glückwunsch an den werdenden Papa). Familienministerium, Gesundheitsministerium und Verteidigungsministerium – die drei wackeligsten Posten in der Scholz-Regierung, alle zuständig für Millionen von Menschen. Doch in dieser Sendung sitzt Berning nur Scholz gegenüber und der ist der Aufgabe, muss man leider sagen, nicht gewachsen. Seine Frage an den Bundeskanzler: „Auf was muss ich mich vorbereiten, was kommt auf mich zu? Und lohnt es sich für mich in der Zukunft überhaupt noch, voll arbeiten zu gehen?“  Dazu gesellen sich Cornelia und Steffen Stiebling, die zusammen eine Familienbäckerei in Thüringen leiten. Aus irgendeinem Grund sind in solchen „volksnahen“ Folgen von Talkshows immer, wirklich immer, Vertreter aus handwerklichen Betrieben entweder aus Sachsen oder aus Thüringen dabei. Nicht dass ich etwas gegen diese Personengruppe hätte, ganz im Gegenteil. Ich frage mich nur, wie dieses Muster entsteht. Werden die gecastet? Ist das ein Specialeffekt für die Zuschauer aus der Großstadt? „Oh wie süß, ich hab‘ noch nie so normale Menschen gesehen, die gehen ja noch richtig arbeiten und so. Schatz guck mal, so wohnen die Menschen auf dem Land. Glaubst du, die haben fließendes Wasser, da wo die herkommen?“ Seine Antwort: „Wir haben gerade heute viele Beschlüsse gefasst, dass wir Strom aus erneuerbaren Energien produzieren wollen, damit dauerhaft billiger sein wird“, direkt mit dem Anhang, dass das ja noch dauern werde, bis man das im Preis merkt. Wenn Sie gestern Abend ein lautes Klatschen gehört haben, dann war das wahrscheinlich das Geräusch, das meine Hand gemacht hat, als ich sie mir gegen die Stirn geschlagen habe. Es ist zum wahnsinnig werden. Gerade gibt er noch zu, dass wir diese Probleme haben, weil wir uns von den Falschen abhängig gemacht haben. Und im nächsten Satz haut er dann raus, dass sein super toller Lösungsvorschlag eine unausgereifte Technologie ist, die ohne Subventionen auf dem Markt nicht überleben kann und überhaupt der Grund ist, weshalb wir uns von dem Falschen abhängig gemacht haben? Dann ist da noch Rifka Lambrecht, ihres Zeichens Politik-Studentin. Also Achtung, Verwechslungsgefahr: Bei dieser Lambrecht handelt es sich nicht um eine gewisse, besonders inkompetente Ausgabe einer Verteidigungsministerin, auch nicht um einen Sprössling eben jener Helikoptermutter. Na, können Sie sich schon denken warum und wofür wohl eine Studentin in diese Sendung eingeladen wurde? Wenn Sie jetzt denken: „Die kommt mir jetzt aber nicht mit der Klimakrise“, muss ich Sie direkt enttäuschen – denn ja, sie kommt Ihnen mit der Klimakrise, und wie Sie Ihnen mit der Klimakrise kommt. „Es gibt Hilfen für Familien, es gibt Hilfen für große Unternehmen, es gibt Hilfen für den Transport und das Bewegen – tauchen in all den Dingen irgendwie auch Sie und Ihre Generation auf?“, fragt Illner Fräulein Lambrecht (wobei sie meiner Meinung nach den Spannungsbogen etwas überzieht.) Rifka antwortet: „Also außer dem 9€-Ticket ist bei mir persönlich nichts angekommen, aber das ist nicht meine größte Sorge…“ So hier muss ich sie mal direkt unterbrechen. Liebe Rifka, gerade weil es nicht deine größte Sorge ist, ist bei dir auch noch nix angekommen. Es ist schon so absurd, dass es fast wirkt, als hätte die gute Maybrit sie in die Falle tappen lassen. Die Bäckers Familie lässt Sätze fallen wie „Es ist ein Wunder, dass wir noch da sind“ oder „Wir wissen nicht, wie lange wir noch durchhalten“, und dann kommt die Rifka freudestrahlend um die Ecke, mit einer „Also bei mir läuft alles super, ich wollt nur mal fragen, warum Sie uns noch nicht alle Freiheiten geraubt haben, um die Erde in 100 Jahren ein bisschen kälter zu machen“-Einstellung. Zu guter Letzt war dann auch Kateryna Mishchenko im Studio, eine ukrainische Verlegerin und Autorin, die aus Kiew geflüchtet ist. Sie wird von Scholz abgekanzelt mit leeren Worten über Demokratie und Frieden. Also da haben wir‘s: Unsere Gesellschaft wird im ZDF vertreten durch zwei Quoten-Thüringer, einem Herren, der drei Schwerpunkte in einem verkörpern sollte, aber wenn es hoch kommt, fünf Minuten Sendezeit hat, einer Ukrainerin und einer Undercover-Aktivistin. Und Scholz, dem damit alle Vorlagen auf dem Silbertablett serviert wurden, kommt selbst dann noch ins Stottern. Fördermöglichkeiten, Subventionen – der Krisenbewältigungswortschtz von Olaf Scholz läuft irgendwie immer auf sozialistische Maßnahmen hinaus, die massiv in den Markt eingreifen. Das Wort „Steuersenkung“ kommt jedenfalls nicht vor – aber wie soll es auch? Denn Steuersenkungen kann Deutschland sich nicht leisten, jetzt wo unsere Volksvertreter sich gerade die Diäten erhöht haben.
Max Mannhart
Bei Illner werden normale Bürger eingeladen - allerdings sind es teils Undercover-Klimaaktivisten und viele Klischees. Dennoch kommt an den Bundeskanzler die ein oder andere kritische Frage. Der hat aber gar keinen Bock auf die Plebs.
feuilleton
2022-07-08T06:05:31+00:00
2022-07-10T16:52:08+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/bei-illner-olaf-scholz-buergerfragen-inflationssorgen/
Ein Jahr Corona - ein Jahr Regierungsversagen
Merkel nutzt ihre vereinfachte Sprache in geradezu artistischer Weise, um unauffällig möglichst viele Fehler zu vertuschen und ihre Fingerabdrücke am Tatort verschwinden zu lassen. Lassen wir uns nicht täuschen; sie ist nicht so beschränkt, wie ihr Sprachgebrauch vermuten lässt. Ihr Geschwurbel ist taktisch; weil es „authentisch“ klingen soll so wie: „Ich bin doch eine von Euch. Habt mich lieb“. Die geschliffene Sprache eines Helmut Schmidt, nach der man sich sehnt, oder die bullig-direkte von Gerhard Schröder, an der man sich reiben konnte, ist einem Geschwurbel gewichen, das Fakten und Verantwortung verwischt: Ihre Fehler und die ihrer Regierung, für die sie verantwortlich ist. Tatsächlich offenbart ein Jahr Corona ein Jahr Regierungsversagen. Seit 2013 liegt jene Bundestagsdrucksache vor, die mit gespenstischer Genauigkeit die Ausbreitung eines Virus nicht nur beschreibt, sondern auch die Folgen darstellt und Vorsorge einfordert. Geschehen ist seither nichts: Kein Klinikbett bereitgestellt, keine Medikamente, Schutzkleidung, Reserven. Merkels diverse Regierungen pflegten seither lieber allerlei Spielereien; Katastrophenschutz und Vorsorge schienen unnötig. Die Welt ist friedlich und unser aller Freund. So tapsig waren auch die folgenden Schritte: Verharmlosen, Kleinreden, Gefahr verniedlichen. Masken? Unnötig – vor allem: nicht vorhanden. „Die Corona-Warn-App ist ein Paradebeispiel für zukünftige IT-Projekte“, lobte sich die Staatsministerin „Doro“ Bär für Digitales im Frühjahr auf allen digitalen Kanälen.  Bald sei die App in vielen Sprachen verfügbar; Kritiker seien „typisch deutsche Bedenkenträger“ und wenn sie nicht funktioniert die Nutzer nur „zu bequem, sich ein neues Handy zu kaufen“ Die Wahrheit: Bärs App ist ein Totalversagen. Nachgebessert wird deshalb nicht, das Paradebeispiel ist verschwunden, die Gesundheitsämter seit Monaten genau bei dem überfordert, wofür die App dienen sollte: der Nachverfolgung von Infektionsketten. Diese Überlastung wird jetzt als Vorwand für immer neue Lockdown-Verschärfungen genommen. Die Zahl der Infizierten soll auf ein Niveau gedrückt werden, dass die Gesundheitsämter mit dem Faxen nachkommen, denn auch im Januar 2021 verfügt etwa ein Fünftel der Ämter noch nicht über angemessen moderne Datenverarbeitung oder Vernetzung. Der Umkehrschluss: Hätte Deutschland eine funktionierende App und nicht Bärs Ballaballa, wäre kein Lockdown nötig. Oder auch: Hätte Deutschland eine tätige Digitalpolitik, gäbe es vielleicht ein Release 2.0, das funktioniert. Stattdessen: Schweigen. Es gab nie eine App, nur Doro Bär gibt es immer noch im Amt. Krisen sind immer auch Anlass für Innovationen. Schmerzhaft zeigt sich der Rückstand der Digitalisierung in Deutschland. Doch während Unternehmen und Privatwirtschaft längst digitalisieren, was das Zeug hält, mit immer neuen Tools kooperieren und managen – der Stillstand in den Ämtern hält an. Kein Personalausweis per Internet wie in anderen Ländern; jede erforderliche amtliche Bescheinigung ein Hindernislauf durch gesperrte Amtsstuben, Beamte im Homeoffice, geschlossene Büros und unwillige Verwaltungen, die jetzt endlich einen Grund haben, den Bürger als Seuchenherd zu behandeln. Home-Schooling der öffentlichen Schulen? Es klappt, wenn ein Lehrer fix und engagiert genug ist. Unterstützung? Keine. Auch im Januar 2021 gibt es weder angepasste Lehrpläne, noch funktionierende Plattformen. Zuständig auf Bundesebene: Bildungsministerin Anja Maria-Antonia Karliczek. Sie habe „eine Idee, wann und wie der versäumte Stoff nachgeholt werden sollte“, jubelt das amtliche Mitteilungsblatt der Bundesregierung, DER SPIEGEL: „Weil durch die Schulschließungen im Corona-Lockdown viel regulärer Unterricht ausfällt, fordert Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) zusätzliche Lernangebote für Schülerinnen und Schüler. Die Länder sollten diese Angebote schaffen, denn es sei damit zu rechnen, dass die Schulschließungen zu »Rückständen im Lernstoff« führten, sagte Karliczek. Deshalb müssten in allen Ländern Angebote vorbereitet werden, um den versäumten Lernstoff nachzuholen.“ Diese tolle Idee kommt der Bildungsministerin im Dezember 2020. Im Dezember 2020! Was hat sie das ganze Jahr gemacht? Candy Crush gespielt? Schon eilt ihr Doro Bär zu Hilfe. Sie fordert, dass Schüler wegen der Corona-Pandemie in diesem Schuljahr keine Klassenstufe wiederholen müssen. Komplettversagen im Amt führt in der Regierung Merkel vermutlich zu weiterer Beförderung. Es wäre doch gelacht, wir werden doch kein Problem lösen! Während Digitalisierung und Bildungspolitik an einzelnen Kabinetts-Nullingerinnen hängt, ist das Impfdesaster ausgreifender. Dass die EU den Einkauf übernimmt, folgt einem Glaubenssatz, dem Angela Merkel anhängt: Eine Weltregierung, und wenn es die noch nicht gibt – ist wenigstens Brüssel besser als nationale Regierungen. Deutschland fuhr tendenziell gut mit dem Subsidiaritätsprinzip als Staatsordnung: Dass kleine Einheiten das tun sollen, was sie besser leisten können durch Nähe, Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten und Überschaubarkeit, und die größeren Einheiten nur übernehmen, wozu die Kleinen nicht in der Lage sind. Nun erleben wir die Bestätigung für die Unfähigkeit ferner Regierungen in real time: In Mainz wird ein Impfstoff erfunden und produziert, der aber in Mainz und um Mainz herum nicht verfügbar ist, weil das ferne Brüssel in Merkels Namen eine bessere Idee hat, die zwar niemand nachvollziehen kann, aber durchgesetzt wird: Export von Impfstoff. Die Bürokratie-Monster des staatlichen Gesundheitssystems fressen jede Dose auf: Weder klappt die Terminvergabe, weder funktioniert die Aufklärung der Betroffenen, noch ist die Zuteilung der Impf-Stoffe rational: So werden Sterbende in der Palliativstation geimpft, in Folge der nachfolgenden Komplikationen auf die Intensivstation verlegt, die überzulaufen droht und dort ein zweites Mal geimpft. Ärzte und Pfleger allerdings, die von Ansteckung bedroht sind und sie leicht weitergeben, bleiben ungeimpft. Die staatliche Verteilbürokratiemaschine stampft weiter vor sich hin. Gesundheitsminister Jens Spahn hätte das ungeheure Bürokratie-Monster zähmen können. Aber er war mit seiner Kandidatur für den Job des Parteivorsitzenden und das Amt des Stellvertreters voll ausgelastet. Politik ist nicht Problemlösung, sondern dient der Stimmenmaximierung. Dafür wird ein Land auf Null gefahren, seine Ressourcen werden ausgebrannt. Auch hier drängen sich Erinnerungen an die DDR auf. Und Jens Spahn passt ins Bild. Seine großartigste Leistung ist das Verteilen von Schutzmasken – bürokratisch perfekt: Mit Bundeswappen, Wasserzeichen und Selbstbeteiligung. Nur seine Gesundheit schützt man damit nicht, im Gegenteil. Aber was macht das schon im Pannenkabinett Merkel?
Roland Tichy
Lassen wir uns nicht täuschen; Merkel ist nicht so beschränkt, wie ihr Sprachgebrauch vermuten lässt. Ihr Geschwurbel ist taktisch; weil es "authentisch" klingen soll so wie: "Ich bin doch eine von Euch. Habt mich lieb". Tatsächlich offenbart ein Jahr Corona ein Jahr Regierungsversagen.
tichys-einblick
2021-01-28T12:31:14+00:00
2021-01-28T14:11:39+00:00
https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/ein-jahr-corona-ein-jahr-regierungsversagen/
Es gibt keine moderaten Taliban
Hätte Ihnen jemand im September 2001, als die Zwillingstürme fielen und die Menschen im Pentagon starben, gesagt, dass Amerika es am 20. Jahrestag dieser Gräueltat in Erwägung zöge, sich mit den Helfershelfern dieser Tat zu verbünden, hätten Sie ihn für verrückt erklärt. Doch nun sind 20 Jahre seit diesem düsteren, apokalyptischen Tag vergangen, und ein US-Militärchef hält es für „möglich“, dass seine Streitkräfte mit den Taliban zusammenarbeiten werden. Ja, denselben Taliban, die Osama bin Laden beherbergten, als seine Schergen den 11. September 2001 planten. Denselben Taliban, deren Verbindungen zu Al-Qaida sich in den letzten zwei Jahrzehnten sogar noch vertieft haben – wie es in einem kürzlich veröffentlichten UN-Bericht heißt, sind die Taliban und Al-Qaida jetzt durch ideologische Sympathie und Eheschließungen eng miteinander verbunden. Diese Taliban. Diese Al-Qaida – das sind diejenigen, denen Amerikas Militärchefs kokette Blicke zuwerfen. Die „Möglich“-Bemerkung kam von Mark Milley, keinem Geringerem als dem Vorsitzenden der Generalstabschefs. Auf einer jüngsten Pressekonferenz des Pentagon wurde Milley gefragt, ob seine Streitkräfte möglicherweise eine operative Beziehung zu den Taliban aufbauen könnten, um IS-K (den Islamischen Staat – Provinz Chorasan) zu bekämpfen. Dabei handelt es sich um das lokale IS-Netzwerk, das in Afghanistan zahlreiche Gräueltaten verübt hat, darunter das Selbstmordattentat am Kabuler Flughafen vom 26. August, bei dem fast 200 Menschen, darunter 13 amerikanische Soldaten, getötet wurden. Das sei „möglich“, sagte er. Ja, die Taliban seien „skrupellos“, räumte er ein, aber der Feind meines Feindes und so weiter (die Taliban und der IS haben sich in den letzten Jahren gegenseitig bekämpft). Milleys Kommentar folgt auf eine an Lob grenzende Bemerkung Frank McKenzies, dem Leiter des US Central Command. Amerikas Umgang mit den Taliban während der Sicherung des Flughafens von Kabul sei „sehr pragmatisch und sehr geschäftsmäßig“ gewesen, gurrte er. Erstens offenbart all dies, wie katastrophal die Intervention in Afghanistan gewesen ist. Sie hat den Raum für das Entstehen islamistischer Terrorgruppen geschaffen, die noch schlimmer sind als diejenigen, denen die USA nach dem 11. September den Krieg erklärt hatten. 20 Jahre Krieg, „Nation-Building“, Mohnblumenvernichtung und die Unterweisung von Afghanen in Dingen wie moderner Kunst haben Afghanistan nicht in das Seattle Zentralasiens verwandelt, wie es sich die NGO-Industrie vorgestellt hatte. Die Intervention hat noch nicht einmal die Taliban und Al-Qaida ausgeschaltet, was ihr eigentlicher Auftrag gewesen war. Vielmehr haben die Taliban wieder das Sagen, ihre Al-Qaida-Verbündeten fühlen sich zweifellos ermutigt, und noch nihilistischere Formen der islamistischen Barbarei sind auf den Plan getreten, um die Lücken zu füllen, die die Regimewechselpolitik des Westens nach dem 11. September in Afghanistan, Irak, Syrien und Libyen hinterlassen hat. Und die mächtigen USA, die nach dem 11. September 2001 die Operation „Enduring Freedom“ gestartet hatten, müssen nun die unangenehme Tatsache akzeptieren, dass sie im Wesentlichen von einer Bewegung aus dem 12. Jahrhundert besiegt worden sind, die dem Mann, der vor 20 Jahren ein Massaker an 3000 Menschen anrichtete, Zuflucht und Beistand gewährte. Vielleicht muss Amerika bald seine eingeschworenen Feinde vom September 2001 um Hilfe bitten. Dies stellt eine globale Demütigung schwindelerregenden Ausmaßes dar. Überall wird laut spekuliert, ob der Westen mit den Taliban zusammenarbeiten kann. „Haben sich die Taliban verändert, seit sie das letzte Mal an der Macht waren?“, lautet eine aktuelle Schlagzeile bei den britischen Sky News. „Wie moderat sind die Taliban?“ fragen in Deutschland wortgleich F.A.Z. und Tagesspiegel. Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) will den Taliban Geld anbieten, wenn sie sich etwas netter gegenüber Frauen und anderen Gruppen geben. Diese Diskussionen über eine künftige „integrative“ Regierung, die von den Taliban angeführt und in die internationale Gemeinschaft integriert wird, finden statt, während mächtige örtliche Taliban-Kommandeure der BBC Interviews geben, in denen sie sagen, dass Mädchen keinen Schulunterricht erhalten sollten, dass „unislamische“ Musik verboten werden sollte und dass die Strafe für Ehebruch „die Steinigung ist“. Ich kann mir kaum vorstellen, dass diese Leute an Workshops zur Konsensfindung teilnehmen werden. In Wirklichkeit kann die Globalisierung oft das Gegenteil von „Deradikalisierung“ bewirken. Sie kann den islamistischen Radikalismus eher verstärken, als ihn zu mildern. Ein prinzipieller Spannungspunkt zwischen den Taliban und Al-Qaida in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren lag darin, dass die Taliban stark lokal ausgerichtet waren und sich ausschließlich auf die Errichtung eines Emirats innerhalb der Grenzen Afghanistans konzentrierten, während Al-Qaida sich als hochgradig globalisierte, technologisch versierte Organisation eher zum Spektakel des internationalen Terrorismus hingezogen fühlte als zur harten, langweiligen Aufgabe, eine lokale Theokratie aufzubauen. Wenn die Taliban in den letzten zwei Jahrzehnten ihre Beziehungen sowohl zu den mittelschichtigen Globalisten von Al-Qaida als auch zu den reichen, modernen Scheichs der Golfstaaten gefestigt haben, könnten sie dadurch durchaus bedrohlicher und selbstbewusster in ihrem Islamismus geworden sein. Natürlich sind die Taliban eine zersplitterte Bewegung. Ihre jüngsten Erfolge bei der Expansion jenseits ihrer üblichen paschtunischen Anhängerschaft und der Anwerbung anderer ethnischer Gruppen in Afghanistan, einschließlich der Tadschiken und Usbeken, sind sowohl Zeichen der Stärke ihrer Bewegung als auch ihrer grundlegenden Instabilität. Ihr Wachstum ermöglichte es den Taliban, praktisch ganz Afghanistan zu erobern, aber das birgt auch sektiererische Probleme für die Zukunft. Angesichts dieser rapiden Ausbreitung ist es erschreckend naiv, wenn Aussagen von Taliban-Vertretern wie „Wir werden die Rechte der Frauen respektieren“ gegenüber BBC oder CNN im Westen für bare Münze genommen werden. Bei den heutigen Taliban handelt es sich um eine uneinheitliche Schar, wobei viele Mitglieder genauso skrupellos sind wie die Taliban in den späten 1990er Jahren, wenn nicht noch skrupelloser. In Teilen Afghanistans drängen Taliban-Vertreter Frauen aus dem Arbeits- und Hochschulleben und bestrafen sie, weil sie sich nicht sittsam kleiden. Es gab Hinrichtungen und die Niederschlagung von Anti-Taliban-Protesten. Am bemerkenswertesten ist, dass dem Haqqani-Netzwerk die Verantwortung für die Sicherheit in Kabul übertragen wurde. Dies ist der Flügel der Taliban mit den engsten Verbindungen zu Al-Qaida. Er wird derzeit von den USA mit Sanktionen belegt. Die Taliban-Führung hat den Freunden von Al-Qaida grünes Licht gegeben, Kabul zu beherrschen, und westliche Beobachter sprechen immer noch von einer reformierten, geläuterten Bewegung. Es ist surreal. Vor allem aber zeugt die westliche Naivität gegenüber den Taliban von einem tiefen Widerwillen, sich unseren Feinden zu stellen oder auch nur zuzugeben, wer unsere Feinde sind. Seit 20 Jahren sind westliche Regierungsvertreter, Beobachter und Wissenschaftler sehr zurückhaltend dabei, die neuen Terrornetzwerke zu benennen, die dem Westen Feindschaft geschworen haben und gewaltige Akte der Barbarei gegen die Bürger westlicher Staaten verüben. „Man sagt nicht ‚Islamisten‘“, heißt es, denn diese Leute „haben nichts mit dem Islam zu tun“. Noch besser wäre es, überhaupt nicht über das islamistische Problem zu reden, dann würde es vielleicht verschwinden. Einem Westen, der nicht einmal bereit ist, über die Tatsache zu sprechen, dass ein britischer Lehrer immer noch untergetaucht ist, nachdem er Todesdrohungen von islamischen Fundamentalisten erhalten hat, wird es kaum leicht fallen, mit dem weitaus umfassenderen globalen Problem der islamistischen Regression ehrlich umzugehen. Die Wahnvorstellungen über die Taliban 2.0 sind im Grunde Ausdruck einer moralischen Zurückhaltung, ja sogar einer moralischen Feigheit, bei der Verschleierung an die Stelle von Klarheit tritt und Mythenbildung über diese angeblich moderat gewordene islamistische Bewegung an die Stelle der schwierigen Aufgabe tritt, unsere eigene Lebensweise als die überlegene zu behaupten. Westliche Beobachter können oder wollen die Wahrheit über die Taliban nicht zugeben, weil dies bedeuten würde, dass sie etwas tun müssten, was sie nicht mehr tun – ein Urteil fällen, Stellung beziehen und die Aufklärung gegen die Theokratie verteidigen. Dieser Beitrag erschien zuerst beim britischen Novo-Partnermagazin Spiked. Aus dem Englischen übersetzt von Kolja Zydatiss.
Sofia Taxidis
20 Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 fallen zu viele im Westen auf den Mythos einer reformierten, geläuterten Taliban herein. Von Brendan O‘Neill
daili-es-sentials
2021-09-10T15:59:17+00:00
2021-09-10T16:43:09+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/es-gibt-keine-moderaten-taliban/
Ein Plädoyer für die ordnungsgemäße Beschaffung von Waschlappen
Ist es Ihnen noch nicht aufgefallen? Immer, wenn ich aus schierer Verzweiflung sprachlos bin, versuche ich es mit Satire. In dieser Woche ist die Verzweiflung beinahe grenzenlos. Unsere obersten Vormünder, Scholz und Habeck, kommen mit leeren Händen zurück. Nicht einmal in den schier unendlichen Weiten des grünen Bruderstaates Kanada sind sie auf schnell verfügbares Gas gestoßen. Was meine Erschütterung noch steigert: Viele Zeitgenossen finden es weitaus angemessener, sich darüber zu erregen, dass im Luftwaffen-Airbus keine Masken getragen wurden. Kennen sie doch nichts Wichtigeres als absolute Gerechtigkeit. Seit der grassierenden Bildungsmisere können die Deutschen mit der ehrwürdigen abendländischen Weisheit „Quod licet jovi non licet bovi“ nichts mehr anfangen. Stattdessen fühlen sie sich von diesem irrelevanten Verstoß so bedroht, als seien sie dem freien Virenflug an Bord der Regierungsmaschine persönlich ausgesetzt gewesen. Generös sehen die Deutschen dagegen über die Tatsache hinweg, dass die Regierungsmaschinerie als Ganzes unkontrolliert zu Boden trudelt. Offenbar sind sie abgelenkt. Wovon? Na, denken Sie mal scharf nach! Es fehlen Waschlappen! Dass dieser beunruhigende Zustand nicht längst zuverlässig vom für Hygienemaßnahmen zuständigen Robert-Koch-Institut systematisch erhoben wird, ist ein Skandal im Skandal. Nach leider nicht repräsentativen Umfragen benutzen nicht einmal 30 Prozent der Biodeutschen einen Waschlappen. Bei den Nichtbiodeutschen dürfte der Wert noch verheerender sein, (aber ich halte mich aus Gründen der p.c. hier besser zurück). Zusätzlich berücksichtigt werden muss der beunruhigende Umstand, dass von den in Gebrauch befindlichen Waschlappen nicht einmal die Hälfte den erforderlichen medizinischen Standards entsprechen. Zudem gerät Deutschland in ein echtes Dilemma: Einerseits müssten Wachlappen regelmäßig bei 60 Grad gewaschen werden, andererseits gilt Wäsche über 30 Grad als unmoralisch. Damit nicht genug: Viele Waschlappen werden von mehreren Personen eines Haushalts benutzt. Hier trifft der Mangel an allgemeiner Hygiene auf die Sorge vor den nächsten Covidwellen. Darauf hat Gesundheitsminister Lauterbach bereits reagiert: Nur regelmäßig geimpften Menschen ist der Gebrauch medizinisch einwandfreier und amtlich genehmigter Waschlappen anzuraten. Gespräche über die Aufnahme dieser Empfehlung in die Liste verbindlicher Maßnahmen im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes laufen. Widerstand leistet Justizminister Buschmann. Er folgt der liberalen Weisheit: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Wie jedermann weiß, funktioniert genau dies nur mit Hilfe von Waschlappen. Die gesetzliche Regulierung des Gebrauchs von Waschlappen, so der Minister, sei der freiheitlichen Gesellschaft nicht zuzumuten. Überraschende Zustimmung erfährt der FDP-Mann von Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann (Die Grünen): „Wenn das so weitergeht, gefährdet der Waschlappen noch den Frieden in der Ampelkoalition. Seid ihr denn alle mit dem Waschlappen gepudert!“ Inzwischen scheinen sich Grün und Gelb durchzusetzen. Der FDP-Finanzminister hat ein weiteres Sondervermögen von zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, mit dem nun schnellstens, spätestens zu Beginn der Kaltwasserperiode in deutschen Badezimmern, Waschlappen beschafft werden sollen. Noch nicht klar geäußert hat sich die Opposition. Friedrich Merz: „Wie werden ohnehin von oben bis unten eingeseift. Wozu also auch noch teure Waschlappen, solange deren Nutzen nicht einwandfrei belegt ist? Reden kann man natürlich über alles.“ Anders äußerte sich sein innerparteilicher Rivale Daniel Günther. Er erinnerte daran, dass bisher alle Krisen in Deutschland mit Hilfe von Waschlappen bewältigt worden seien. Wörtlich: „Wir schlappen das!“ Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz hat sich in die Debatte eingemischt. Es warnt vor der Bewegung #winterwutwaschlappen. Zu befürchten sind Aktionen, bei denen mit übelriechenden Flüssigkeiten getränkte Waschlappen auf Politiker geworfen werden. Ein Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbunds stellte bereits fest: „Wir sollten nicht riskieren, dass neben uns mit den falschen Lappen geworfen wird. Wehret den braunen Lappen!“ Einer weiteren inoffiziellen Erhebung ist zu entnehmen, dass mehr als 80 Prozent der Deutschen Waschlappen sind.
Fritz Goergen
Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt vor der Bewegung #winterwutwaschlappen. Zu befürchten seien Aktionen, bei denen mit überriechenden Flüssigkeiten getränkte Waschlappen auf Politiker geworfen werden. Aber einer inoffiziellen Erhebung zufolge sind mehr als 80 Prozent der Deutschen Waschlappen.
kolumnen
2022-08-27T06:14:52+00:00
2022-08-27T06:14:53+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/herles-faellt-auf/deutschland-waschlappen/
Serie „Nach Merkel“: Schussfahrt hinunter zur 20-Prozent-Partei
Das System Merkel geht seinem Ende entgegen und fordert auch dabei seine Opfer. Im Superwahljahr 2021 fällt die Kanzlerpartei jetzt tief hinunter. Erhielt die Union im ersten Corona-Jahr 2020 trotz fragwürdigem Krisenmanagement vom Wahlvolk noch 38,5 Prozent in Umfragen, so stürzen Merkels Regierungsparteien aufgrund ihrer immer offensichtlicher werdenden Chaospolitik bei Impfstoffen, Maskenzwang und irrwitzigen Corona-Regeln jetzt gewaltig ab. Bereits am 8. März hat die Union in einer INSA-Umfrage zur Bundestagswahl schon die niedrige Schwelle von 30 Prozent erreicht. Der Weg zur 20-Prozent-Partei ist programmiert. Selbst in einst traditionellen CDU-Hochburgen wie Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg sieht es schlecht aus. Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen stellen in der ersten März-Woche fest: In Helmut Kohls Rheinland-Pfalz fällt die CDU jetzt auf nur noch 29 Prozent und in Erwin Teufels Baden-Württemberg auf dürftige 24 Prozent. Das sind Umfrageverluste von sieben bis acht Prozentpunkten innerhalb eines knappen Jahres. Regierungsaussichten liegen für Merkels CDU in weiter Ferne oder sie gehen verloren. Die SPD-geführte Ampel in Mainz mit FDP und Grünen darf womöglich weiterregieren. Eine Grünen-geführte Ampel mit SPD und FDP könnte durchaus in Stuttgart das Ländle regieren. Richtig hart wird es jedoch Merkels Truppe treffen. „Beginnen für die Union jetzt die 20er-Jahre?“, fragt dieser Tage die Bild-Zeitung. Als Ursache machen CDU-Bundesvorständler das katastrophale Bild der Bundesregierung aus. Obendrein ist der neue Parteivorsitzende Armin Laschet nahezu unsichtbar. In Video-Konferenzen sähen Unionsabgeordnete der Bundestagsfraktion, den zugeschalteten NRW-Ministerpräsidenten sogar einschlafend während der Fahrt im Dienstwagen, berichten Teilnehmer. Wie wolle Laschet dann einen Bundestagswahlkampf durchstehen? Im Super-Wahljahr rächt sich offensichtlich das unterwürfige Dienern von Laschet und Söder gegenüber ihrer voraussichtlich abtretenden Kanzlerin. Wer im Herbst auf Merkel-Stimmen hoffe, müsse wissen, dass es Merkel-Stimmen nur mit Merkel-Politik gebe, verkündet Söder beim digitalen Aschermittwoch. Damit glaubt der Bayer seinen Rivalen aus Nordrhein-Westfalen ausstechen zu können. Doch die Zuversicht in die Merkel-Politik sinkt mit immer länger anhaltendem Lockdown und Impfchaos rapide. Da helfen selbst plötzliche Absetzbewegungen des CDU-Chefs von seiner Kanzlerin sehr wenig, wenn Laschet wettert, dass die Politik „nicht immer neue Grenzwerte erfinden“ dürfe. Dabei hat er bislang und gerade erst wieder alle Maßnahmen und Beschränkungen mitbeschlossen. Obendrein hat Laschet vor seiner Wahl zum CDU-Chef damit geworben: „Ein Bruch mit Angela Merkel wäre exakt das falsche Signal.“ Eine glaubwürdige Abwendung sieht anders aus. Die Konsequenzen sind klar: Ein grüner Kanzler sei mittlerweile sehr wahrscheinlich. Das Original käme dann an die Macht. CDU-Funktionäre betrieben doch jetzt schon eine „verstohlene Grünen-Politik“. Ein grüner Kanzler hätte aber auch etwas Lehrreiches. Vielleicht gingen dann vielen Bürgern noch die Augen auf, was die Grünen mit der Volkswirtschaft und dem privaten Leben alles anstellen würden. Allerdings könne die CDU in der Opposition nicht wieder aufstehen, weil der Merkel-kritische Flügel ja eben „ausradiert“ worden ist. Was für eine düstere Zukunft. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Schon mit 47 Prozent könnte Grün-Rot-Rot den Kanzler stellen, wenn die Grünen 22, die SPD 18 und die Linke 7 Prozent bei der Bundestagswahl erreichen. Denn der Fall würde eintreten, wenn im Gegenzug CDU/CSU nur 28, FDP 8 und AfD 10 Prozent bekämen. Den Auftakt dazu gab schon am Abend der EU-Wahl 2019 ARD-Kommentator Rainald Becker: „Die Grünen machen vor, wie es besser geht.“ Klima und Umwelt seien Zukunftsthemen. „Und wer weiß, vielleicht wäre ein grüner Kanzler ja gar nicht so schlecht für unsere Zukunft.“ Wie die künftigen Programm-Macher in den öffentlich-rechtlichen Medien ausgerichtet sind, sei hier noch einmal erwähnt. Eine Studie, veröffentlicht im Magazin des Deutschen Journalistenverbandes, fand heraus, dass 92,2 Prozent der Volontäre Grün-Rot-Rot (Grüne 57,1%, Linke 23,4%, SPD 11,7%) wählen würden. Union und FDP kämen zusammen nicht einmal über die Fünf-Prozent-Hürde. Also warum sollen sie die Union jetzt noch schonen, wo Merkel im Herbst abtritt? Jeder Verdacht, jeder Vorwurf gegen restlich vorhandene konservative Schwarze kommt ihnen jetzt gerade recht, um die Grünen an die Macht zu schreiben und zu senden. Für die CDU hat es sich nicht ausgezahlt, die linken Medien zu umgarnen und mit Gebührenerhöhungen zu mästen. Geliebt wird sie nicht dafür. Ganz offen bekennen sich die „Meinungsmacher*innen“ zur Partei ihres Herzens. Wie erfolgreich Journalisten eine Partei aus dem politischen Ring werfen können, haben Medien-Aktivisten schon 2013 bewiesen. Letztlich führte eine fingierte Sexismus-Debatte gegen den FDP-Spitzenkandidaten Rainer Brüderle zum Rausschmiss der Liberalen aus dem Bundestag und zum Ende von Schwarz-Gelb in der Bundesregierung. Wer bei diesem Spiel nicht mitspielt, lebt offensichtlich gefährlich, selbst im Mediengeschäft. Bild-Chefredakteur Julian Reichelt attestiert Merkels Administration angesichts der verheerenden Lage in Gesellschaft und Volkswirtschaft in der Corona-Krise mehrfach „Regierungs-Versagen“. Für ihn gibt es nur „leere Parolen statt volle Impflaster“. Reichelt sprach nur aus, was viele seiner Leser und Millionen Bürger über die Merkel -Administration denken. Doch mutige Bild-Berichterstattung hat wohl ihren Preis. Kaum flimmerte der Live-Kommentar am 4. März durchs Netz, sah sich Chefredakteur Reichelt vier Tage später via Spiegel „mit einer Compliance-Untersuchung im eigenen Haus konfrontiert“. Die Vorwürfe sollten angebliches Fehlverhalten gegenüber Frauen betreffen. Springer-Vorstand Mathias Döpfner hat allerdings die Mitarbeiter unterrichtet: „Julian Reichelt bestreitet die Vorwürfe.“ Der Verlag werde „keine Form der Vorverurteilung“ zulassen, heißt es jetzt. Erst kommentieren, dann kompromittieren. Merkwürdig, was jetzt so alles geschieht. Aber das sind sicher alles nur Verschwörungstheorien: „Rechts, rechts, Verschwörungstheorie, rechts, rechts“, wie Comedian Nikolai Binner Angriffe linker Identitärer im Internet auf die Meinungsfreiheit treffend beschreibt.
Fritz Goergen
Staatstragende Medien haben die Union an der Regierung nur ertragen, weil Merkel grüne Politik betrieben hat. Deswegen haben sie Merkel gegen fast jegliche Kritik verteidigt und die heilige Angela für sakrosankt erklärt. Jetzt ist das nicht mehr nötig.
kolumnen
2021-03-10T16:15:36+00:00
2021-03-10T16:32:30+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/olaf-opitz-klare-kante/serie-nach-merkel-hinunter-zur-20-prozent-partei/
Zuwanderung steuern, ohne Grenzen zu sichern - wie geht das?
In fernen Zeiten werden die Leute nicht glauben, was sie über einen Teil Europas, der Budesrepublik Deutschland hieß, an Geschichten lesen und von ihre Großeltern hören werden. Sie werden nicht glauben, dass dieses Land von einer Frau dominiert wurde, deren Partei verkündete, „Wir ordnen, steuern und begrenzen Zuwanderung“, gleichzeitig aber die Frau an der Spitze selbst die Voraussetzung dafür aber abgeschafft hatte: die Kontrolle der eigenen Grenzen.
Sofia Taxidis
Herrn Laschet sorgt ein drohender Rechts-Ruck der CDU, viele CDU-Anhänger der vollzogene Links-Ruck und ein Land ohne Grenzen.
daili-es-sentials
2018-02-18T15:06:12+00:00
2018-02-19T08:53:20+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/zuwanderung-steuern-ohne-grenzen-zu-sichern-wie-geht-das/
Nur noch warmes Wetter kann Deutschland über den Winter retten, gesteht Wirtschaftsminister Habeck
Realistische Einwände seiner Beamten ordnet der Bundeswirtschaftsminister unter möglicher russischer Spionage ein, zumal alles, was der grünen Ideologie widerspricht, entweder von Putin hervorgebracht wurde, oder von Querdenkern, Rechten, Klimaleugnern, TERFs oder Verschwörungstheoretikern stammt. Die Wirklichkeit selbst ist für Grüne eine rechte Verschwörung. Doch was hatte Habeck nun früher gesagt? Stimmt, in den Tagesthemen hatte Habeck noch vor 14 Tagen dem von ihm huldvoll regierten Volk mitgeteilt: „Die deutsche Energieversorgung ist sicher, wir haben genug Energie und unser Netz ist auch sicher.“ Vom Wetter und vom Glück war da noch nicht die Rede. So verlässliche Größen wie Wetter und Glück kamen jetzt erst dazu. Allerdings ging es damals eher darum, dass Deutschland keine AKWs benötigen würde – allenfalls zwei in einer Reserve, die wohl nicht funktioniert. Und allein der Gedanke, dass ein AKW zur Versorgung notwendig wäre, lässt auch die unsicherste deutsche Energieversorgung als absolut sicher erscheinen. Ohne AKWs benötigen wir eben etwas Glück mit dem Wetter. Im Juli jubelte Habeck noch, dass es „jetzt eine neue Allianz aus Klimaschutz und Energiesicherheit“ gäbe. Da hatte er weder das Glück noch das Wetter im Blick, dafür aber schon den Zwang, „deutlich mehr Gas einzusparen: in der öffentlichen Verwaltung, in Unternehmen, in möglichst vielen Privathaushalten“. Und da es immer einige Querdenker, Verschwörungstheoretiker, TERFS, Rechte und Putintrolle gibt, die aus der Reihe tanzen, und man im Rahmen der Erderwärmung ja auch Pech mit dem Wetter haben könnte, lehnt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck einen Preisdeckel für Energie, wie andere Länder ihn einführten, ab, weil sonst der Zwang zum Energiesparen nachließe. Wer sich weigert, Winterschlaf zu halten, der soll dafür kräftig in die Tasche greifen. Zwar dringt aus dem Wirtschaftsminister auf verschlungenen Pfaden still und heimlich von dem gern öffentlich und laut auftretenden Minister, dass er Zweifel daran hege, dass die Gas-Umlage finanzverfassungskonform wäre, wenn man Uniper verstaatlichen würde, doch bleiben die Äußerungen kryptisch. Das einzige, was klar ist, ist, dass am 9. Oktober in Niedersachsen gewählt wird. Und da will man sich nicht den Zieleinlauf verderben. Doch ansonsten bleibt alles unklar, denn noch gilt die Gas-Umlage, noch sollen zusätzlich zu den explodierenden Energiekosten die Gaskunden den Habeck-Staat mit 2,4 Cent pro Kilowattstunde bereichern. Es heißt, Habeck habe „finanzverfassungsrechtliche Zweifel“, weil der Finanzbedarf von Uniper wesentlich höher liege als beim ersten Rettungspaket. Das Handelsblatt schreibt: „Es werde zunehmend deutlich, dass die instabile Lage ‚die Macht und die Garantie des Staates sowie alle Finanzkraft des Staates‘ brauche, die nötig sei, heißt es in Regierungskreisen. Noch ist keine finale Entscheidung gefallen. Zuerst müsse die weitere Rettung des Gasimporteurs Uniper unter Dach und Fach sein, erst dann könne entschieden werden, wie es mit der Gasumlage weitergehe, sagte ein Regierungsvertreter dem Handelsblatt. Wenn am Ende jedoch alle Gasversorger – neben Uniper auch Sefe und VNG – verstaatlicht sind, stelle sich die Frage, welchen Sinn eine Gasumlage noch mache, hieß es.“ Nun, es macht den Sinn, dass die Bürger nicht nur über Steuern, sondern auch über die Energiepreise Habecks Verstaatlichungsorgien finanzieren sollen. Im Grunde erfreut die Ampel Deutschland mit einer klassisch-sozialistischen Politik. Man verzerrt den Markt durch politische Entscheidungen so sehr, dass Marktteilnehmer „gerettet“ werden müssen, die dann verstaatlicht werden, weil natürlich nur Bonzen, die „von der Mission“ aus denken, wissen, wie Wirtschaft geht. Dazu passt, dass Reuters berichtet, dass in der Regierung eine weitere Novellierung des Energiesicherungsgesetzes besprochen wird, die Ende September in Kraft treten soll. Dafür unterbricht Olaf Scholz sogar seinen Urlaub – wir sind beeindruckt. So wie es bis jetzt aussieht, würden dann wohl nur Uniper, VNG und die unter Treuhand stehenden Gazprom-Töchter von der Gas-Umlage profitieren. Sieht man von VNG ab, könnte das bedeuten, dass der Bürger über die Gas-Umlage und über hohe Energiepreise Habecks Verstaatlichungsprogramm zu finanzieren hätte. Habeck hatte ja bereits nach Regierungsübernahme angekündigt, dass die Energiewende sehr teuer für die Bürger werden würde. Dass die Energiewende sie ruinieren würde, hat er allerdings nicht gesagt. So, wie es bis jetzt aussieht, würde das bedeuten, dass die Bundesregierung den finnischen Fortum-Konzern mit deutschen Steuergeldern, mit deutschen Energiepreisgeldern und mit deutschen Gas-Umlage-Geldern beglückt, um Uniper zu verstaatlichen, denn die Verluste von Uniper resultieren aus dem grandiosen Erfolg von Robert Habecks Politik, Deutschland unabhängig vom russischen Gas gemacht zu haben. Da Deutschland trotz Glück mit dem Wetter, trotz nordkoreanischen Energiesparvorstellungen und Waschlappen-Evaluationen sehr teuer Gas dort kaufen muss, wo Deutschland Gas herbekommt, geraten Uniper, die VNG und die Gazprom-Töchter in eine Schieflage, die der deutsche Bürger auszugleichen hat. Mit einem Satz: Der deutsche Bürger kommt für das Missmanagement, für die energiepolitische Unfähigkeit der windkraftverliebten Führung des Bundeswirtschaftsministeriums auf. In einem hat Robert Habeck natürlich Recht: Es ist für die Deutschen sicherer, auf das Wetter zu hoffen als auf die Regierung.
Klaus-Rüdiger Mai
Robert Habeck muss ein exzellenter Schwimmer sein. Obwohl er bei jeder Sachfrage ins Schwimmen gerät, geht er dennoch nicht unter, sondern hält sich oben, auch wenn Deutschland inzwischen das Wasser bis zum Halse steht.
daili-es-sentials
2022-09-20T13:31:11+00:00
2022-09-20T17:27:45+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/auf-das-wetter-zu-hoffen-ist-aussichtsreicher-als-auf-die-regierung/
Warum Berlin für die Digitalisierung eine eigene Druckerei braucht
In ihrem Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD darauf geeinigt, eine neue Behörde zu erschaffen: das „Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung“. Das klingt mächtig gewaltig. Womöglich sollten die beeindruckten Steuerbürger trotzdem nicht allzu viel erwarten. Denn was passiert, wenn sich eine Verwaltung um ihre eigene Modernisierung und Digitalisierung kümmert, kann man bei uns schon besichtigen: natürlich in Berlin, Hauptstadt des Landes und Sammelbecken der nationalen Inkompetenz. Da dampft der Drucker, und der Scanner glüht. „Medienbruch“ nennen es Fachleute, wenn Vorgänge sowohl analog als auch digital bearbeitet werden. Medienbrüche sind arbeitsökonomisch und finanziell ein Desaster: Entweder werden elektronische Daten wieder zu Papier, indem man sie kosten- und zeitintensiv ausdruckt, weil man sie nur physisch statt elektronisch bearbeiten kann. Oder Papier muss kosten- und zeitintensiv digitalisiert werden. Im schlimmsten – und gar nicht so seltenen – Fall wird mehrfach zwischen analoger und digitaler Welt hin und her gewechselt. … führt der Medienbruch zu besonders viel Mehrarbeit. Denn bei einer Erbschaft oder Schenkung kann der Steuerbürger seine Angaben zwar (via Elster) digital einreichen. Doch in der Behörde werden die eingereichten Erklärungen erst ausgedruckt und dann „einmal im Monat mit der Hauspost übermittelt“, wie die Berliner Zeitung „Der Tagesspiegel“ recherchiert hat. Zur Bearbeitung werden die Daten dann, Achtung, noch einmal per Hand (!) abgeschrieben. „Die Tätigkeit ist aufgrund dessen sehr fehlerbehaftet“, erklärt die Berliner Finanzverwaltung. … spielen wir dasselbe Spiel. Studenten können ihre Anträge auf Unterstützung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz beim Hochschulamt online einreichen. Doch dort erfolgt die Bearbeitung dann ausschließlich analog. Warum? Weil „die maßgebliche Akte die Papierakte ist und dort alle Unterlagen vollständig vorliegen müssen“, erklärt die Berliner Bildungsverwaltung. Oder anders: Es ist so, weil es halt so ist. … in unserer geliebten Bundeshauptstadt bearbeiten jedes Jahr viele tausend Vorgänge. Die Anträge können die Bürger zwar online einreichen. Bearbeitet werden die Unterlagen in den Ämtern aber ausschließlich analog. Eingegangene Anträge werden deshalb ausgedruckt und am Ende mit einem hübschen amtlichen Siegel per Brief an die Bürger zurückgeschickt. Irgendwann soll mal ein „Digitaler Fahrzeugschein“ kommen. Aber das kann noch dauern. … kann man in Berlin relativ einfach online beantragen. Etwa 4.000 solcher Anträge kommen jährlich in der Verkehrsverwaltung an, das sind um die elf (11) pro Tag. Mit denen passiert dann Folgendes: Der Antrag wird ausgedruckt, unterschrieben, dann wieder gescannt (!) und danach hausintern digital weitergeleitet. Klingt komisch, ist aber so. … sind in Berlin besonders überlastet, denn mehr als 50.000 Haushalte in der Hauptstadt beziehen Wohngeld. Anträge kann man online stellen, das kennen wir ja schon. Dann dauert es nicht selten Monate. Denn Bescheide etwa zum Wohngeld-Mietzuschuss oder zur Gewährung eines Wohnberechtigungsscheins können ausschließlich analog ausgestellt werden. Für Druck und Porto nur in diesem Bereich gibt Berlin jedes Jahr mehr als 200.000 Euro aus. Dieses Geld fließt übrigens ausgerechnet an das „IT-Dienstleistungszentrum Berlin“ ITDZ. Das ist laut seinem gesetzlichen Auftrag verantwortlich für die Digitalisierung der Berliner Verwaltung. Weil Letztere so funktioniert, wie wir das gerade beschrieben haben, betreibt das ITDZ eine eigene Druckstraße. Kein Witz. Dort druckt die Behörde, die den Staatsapparat der Bundeshauptstadt digitalisieren soll, jedes Jahr mehr als 70.000.000 Seiten. In Worten: siebzig Millionen. In Deutschland und vor allem in Berlin versteht man unter Digitalisierung zumeist, dass E-Mails und deren elektronische Anhänge auf Papier ausgedruckt und in den altbekannten Aktenordnern archiviert werden. Manchmal, siehe Finanzamt, werden sie vorher auch noch per Hand abgeschrieben. Manchmal, siehe Verkehrsverwaltung, werden die ausgedruckten Papiere dann auch wieder eingescannt. Im ganz am Anfang schon erwähnten Koalitionsvertrag geizen Union und Sozialdemokraten im Kapitel „Digitalisierung“ nicht mit großen Worten. Man werde „Deutschland auf die digitale Überholspur“ führen, heißt es dort. Einen eigenen Fahrstreifen hat die staatlich organisierte Digitalisierung in Deutschland tatsächlich. Es ist die Standspur.
thomas punzmann
In Deutschland versteht man unter Digitalisierung zumeist, dass E-Mails und deren elektronische Anhänge auf Papier ausgedruckt und in den altbekannten Aktenordnern archiviert werden. Vorreiter des Wahnsinns ist, mal wieder, die Bundeshauptstadt.
feuilleton
2025-04-22T13:56:53+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/glosse/warum-berlin-fuer-die-digitalisierung-eine-eigene-druckerei-braucht/
2025 bringt viele Neuerungen - vor allem aber höhere Kosten
Das Jahr 2025 bringt einige Neuerungen, vor allem aber auch höhere Kosten in vielen Bereichen. So verteuert sich der Grundpreis für das sogenannte Deutschlandticket ab Januar von 49 auf 58 Euro. Auch der Preis für den Standardbrief bei der Post steigt, von 85 auf 95 Cent. Die Postkarte soll künftig ebenfalls 95 Cent kosten, statt bisher 70 Cent, der Kompaktbrief 1,10 Euro (vorher: 1,00 Euro), der Großbrief 1,80 Euro statt 1,60 Euro und das Porto für den Maxibrief steigt um 15 Cent auf künftig 2,90 Euro. Gleichzeitig sieht das neue Postgesetz vor, dass Briefe ab 2025 länger unterwegs sein dürfen: 95 Prozent der Briefsendungen müssen künftig erst am dritten auf den Einlieferungstag folgenden Tag ankommen statt wie bisher am ersten oder zweiten. Schneller werden dafür Überweisungen: Ab 9. Januar sind Banken und Sparkassen verpflichtet, „Echtzeitüberweisungen“ zu empfangen und ab Oktober müssen sie ihren Kunden auch ohne Ausnahme ermöglichen, solche Zahlungen abzuschicken. Viele Banken bieten das schon jetzt an, allerdings teils noch gegen Aufpreis, der abgeschafft wird. Bei solchen „Echtzeitüberweisungen“ kommt das Geld innerhalb von zehn Sekunden beim Empfänger an. Wenn der Internetanschluss nicht die vertraglich vereinbarte Schnelligkeit und Bandbreite liefert, können Verbraucher die Rechnung für ihren Internetzugang ab dem neuen Jahr kürzen oder den Vertrag außerordentlich kündigen. Für das Festnetz-Internet hat die Bundesnetzagentur bereits konkrete Vorgaben und ein offizielles Mess-Tool erstellt, um eine zu langsame Internetleistung nachzuweisen. Voraussichtlich ab Frühjahr 2025 wird es auch konkrete Minderungsregelungen für Mobilfunk-Internetzugänge sowie Vorgaben zum genauen Nachweisverfahren geben. „Auf die Änderung im Mobilfunk sind wir besonders gespannt, da in diesem Bereich eine Minderung bisher nicht möglich ist“, heißt es dazu von der Verbraucherzentrale NRW. Weniger Kabelsalat soll es durch die Umsetzung einer EU-Richtlinie geben, die nur noch einen Standard-Anschluss für Smartphones, Tablets und viele weitere mobile Kleingeräte vorschreibt – und zwar USB-C. Ein solcher Steckeranschluss muss künftig bei den entsprechenden neuen Geräten vorhanden sein. Der bereits 2021 von der Bundesregierung eingeführte CO2-Preis steigt zum Jahreswechsel von 45 Euro auf 55 Euro pro Tonne. Das betrifft fossile Brennstoffe wie Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel. Beim Erdgas bedeutet das dann einen Anstieg von etwa einen viertel Cent pro Kilowattstunde, für eine Familie mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden entspricht das rund 52 Euro im Jahr. Nochmal 80 Euro Mehrkosten kommen allerdings bei einem solchen Verbrauch auch noch durch die höheren Gasnetzentgelte oben drauf. Im Bereich Gesundheit startet ab 15. Januar 2025 die elektronische Patientenakte, zuerst allerdings in Modellregionen, und zwar in Hamburg, Franken und Teilen von NRW. Je nachdem wie die Pilotphase verläuft, soll die „ePA“ möglicherweise schon ab März deutschlandweit nutzbar sein. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag, den die gesetzlichen Krankenkassen zusätzlich zum allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent erheben können, wird zum Jahreswechsel um 0,8 Prozent auf nun 2,5 Prozent erhöht. Jede Krankenkasse entscheidet allerdings selbst, ob und in welchem Umfang sie den Zusatzbeitrag anhebt. Neu im Gesundheitsbereich ist die Regelung, dass ab dem 1. Januar 2025 Amalgam nicht mehr für neue Zahnfüllungen verwendet werden darf – und zwar EU-weit. In der Pflegeversicherung werden die Beiträge zum 1. Januar 2025 ebenfalls erneut angehoben, und zwar um 0,2 Prozentpunkte. Der Beitragssatz wird damit auf 3,6 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt, für Kinderlose erhöht er sich auf 4,2 Prozent. Bei der Steuer gibt es dafür auch ein paar Entlastungen: Der Grundfreibetrag steigt für das Jahr 2025 um 312 Euro auf 12.096 Euro – Steuern muss nur zahlen, wer mehr verdient, und auch die Besteuerungskurven verändern sich dadurch. Der steuerliche Kinderfreibetrag wird um 30 Euro auf 3.336 Euro pro Elternteil angehoben, zudem wird das Kindergeld von bisher 250 Euro zum 1. Januar 2025 um 5 Euro auf 255 Euro pro Kind und Monat erhöht. Und Solidaritätszuschlag muss nur noch abführen, wer mindestens 39.900 Euro Lohnsteuer oder Einkommensteuer zahlt, die Freigrenze wird damit um 3.640 Euro erhöht. Bislang konnten zwei Drittel der Aufwendungen für Kinderbetreuung, höchstens 4.000 Euro je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes, in der Regel bis 14 Jahre, als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Ab 2025 sind 80 Prozent möglich und bis zu 4.800 Euro je Kind. Nicht unbedingt günstiger wird es für jeden Immobilienbesitzer und deren Mieter – also für im Grunde für alle: Ab dem 1. Januar 2025 wird die Grundsteuer auf Grundlage des seit Jahren umstrittenen reformierten Rechts erhoben. Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen haben dabei eigene Grundsteuer-Modelle eingeführt. Andere Länder weichen nur punktuell vom sogenannten Bundesmodell ab, und zwar Berlin, Bremen, Saarland und Sachsen im Bereich der Steuermesszahlen, Nordrhein-Westfalen, voraussichtlich Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein im Bereich des kommunalen Hebesatzrechts. Letztlich entscheiden aber überall die Gemeinden, welchen Hebesatz sie anwenden, meistens wird es unterm Strich wohl teurer als vorher. Für Zigaretten steigt die Tabaksteuer auf 11,71 Cent je Stück und 19,84 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 24,163 Cent je Stück, für Feinschnitt gilt ein Steuertarif in Höhe von 57,85 Euro je Kilogramm und 17,20 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 121,51 Euro je Kilogramm, beides berechnet ohne Umsatzsteuer. Die bisher vorgesehene steuerbefreite Menge für die Herstellung von Bier durch Haus- und Hobbybrauer wird von 2 hl auf 5 hl erhöht, die bisher bestehende Anzeigepflicht für die Brauvorgänge entfällt. Für Photovoltaikanlagen, die nach dem 31. Dezember 2024 angeschafft, in Betrieb genommen oder erweitert werden, wird die für die Anwendung der Steuerbefreiung maximal zulässige Bruttoleistung auf 30 Kilowatt (peak) je Wohn- oder Gewerbeeinheit für alle Gebäudearten vereinheitlicht. Bisher war bei Gebäuden mit mehreren Wohn-/Gewerbeeinheiten nur 15 Kilowatt (peak)/je Wohn- oder Gewerbeeinheit die Grenze. Firmen sollen sich untereinander ab sofort für gewöhnlich eine elektronische Rechnung (E-Rechnung) schicken, bis Ende 2026 gibt es aber noch Ausnahmen, für kleine Unternehmen bis 800.000 Euro Jahresumsatz bis Ende 2027. Ab dem 1. Januar 2025 müssen aber alle inländischen Unternehmer in der Lage sein, E-Rechnungen in Empfang nehmen zu können. Die Vorhaltung eines E-Mail-Postfachs ist hierfür ausreichend. Und etwas Entbürokratisierung gibt es im neuen Jahr auch: Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege werden für Unternehmen von zehn auf acht Jahre verkürzt.
Natalie Furjan
Im neuen Jahr gibt es viele Neuerungen. Eines ist klar: Es wird teuer. 2025 ist das Jahr, in dem die Bürger geschröpft werden.
daili-es-sentials
2025-01-01T17:05:16+00:00
2025-01-01T17:05:17+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/2025-neuerungen-hoehere-kosten/
Bei Anne Will auftragsgemäß: Keine Überraschung, keine Spannung
Talkshow war früher schwer und ist heute leicht. Früher brauchte man Skandal. Immer neue Aufregung. 1979 hatte die wenige Jahre zuvor aus der DDR in den Westen übergesiedelte Nina Hagen im österreichischen Fernsehen mit einer Geste der Masturbation verstört. Die Punk-Sängerin war damals am 9. August zu Gast in der am späten Abend im zweiten Kanal des ORF ausgestrahlten Diskussionssendung. „Was ist los mit der Jugendkultur?“ war eigentlich das Thema der Sendung. Es gab Krach. Aber hallo. Elf Jahre später wiederholte Madonna diese Geckschmacklosigkeit unter großer Anteilnahme. Es stumpft ab. Gott sei Dank für die Beschäftigten – heute haben es Talkshow-Redaktionen leichter. Aufregung ist einerseits schneller herstellbar und – gleichzeitig unerwünscht. „Darf man jetzt noch Zigeunersauce sagen?“, war eine Frage bei der WDR-Talkshow „Die letzte Instanz“ in der vergangenen Woche. Prompt gab es Aufregung, ein wenig Twitter-Gekeife von den üblichen rotgrünen Aktivisten, der WDR knickte ein wie ein Windrad bei Starkwind – und entschuldigte sich selbstentlarvend wie folgt: „Der Verlauf der Sendung war nicht, wie wir es geplant und uns vorgestellt hatten. In DLI sollen kontroverse Themen unterhaltsam diskutiert werden, dabei darf jeder Gast seine Meinung äußern. Aber rückblickend ist uns klar: Bei so einem sensiblen Thema hätten unbedingt auch Menschen mitdiskutieren sollen, die andere Perspektiven mitbringen und/oder direkt betroffen sind.“ Und damit wir den Skandal richtig verstehen, der Satz von Janine Kunz, über den sich alle aufregen und für den sich der WDR entschuldigt. Wir nehmen ihn von Focus, der Spiegel hat sich nicht einmal getraut, diesen Satz der Überraschung einer Nicht-Schwarzen auch nur zu zitieren. So schmutzig war das: „Ich finde, da sitzen drei Leute, die nichts Besseres zu tun haben und fangen dann mit so einem Quatsch an. Ich find’s nervig. Wenn du dir natürlich jeden Schuh anziehst und dich immer beleidigt fühlst. Hier sitzt eine blonde Frau mit relativ großer Brust, was meinst du denn, was wir uns anhören? Wenn wir jetzt so anfangen, wenn ich mich jetzt für jeden Mist beleidigt fühle, dann habe ich ein echt bescheidenes Leben.“ Das also sagte Kunz sichtlich aufgebracht. Also Talkshows müssen ohne Überraschung auskommen. Jetzt sind wir schon bei Anne Will. Glaubt ernsthaft jemand, wenn Peter Altmaier, der Wirtschaftsminister, der weder von Wirtschaft noch von Medizin was versteht, mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten und GroKo-Politik-Kollegen Stephan Weil diskutiert, dass etwas aufregendes passiert? Und eine brave Virologin dabei sitzt, Corinna Pietsch, die kaum über ihre Petrischale hinausschaut und verblüfft über mutierende Viren ist? Überraschend ist allenfalls Ifo-Präsident Clemens Fuest, der sich einer im Kern linksradikalen Aktion angeschlossen hat, die Wirtschaft und damit Ifo ohnehin für überflüssig hält. Er will es zwar nicht ganz so radikal, aber dann doch; er ist auf dem Trip zur Beendigung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Aktivität. Überraschung allenfalls die Münchnerin Brigitte Meier, die mit ihrem Bruder Peter Eduard Meier den Familienbetrieb Ed.Meier München, führt, ehemals Königlich Bayerischer Hoflieferant und Schuhmacher. Sie darf kurz etwas sagen und wird dann totgeredet, so wie ihr Bekleidungsgeschäft totgemacht wird. Bemerkenswert, dass Fuest über sie in der dritten Person spricht, als wäre sie gar nicht da. Talkshows ist der Ringelreihen abgehobener Besserwisser, die bis auf Frau Meier ihr Geld direkt oder indirekt vom Steuerzahler erhalten, von öffentlichen Aufträgen abhängig sind und brav jegliche Distanz zur Kanzlerin vermissen lassen. Folge der Spur des Geldes. So werden Talkshows langweilig, also genau so, wie sich die Sender das wünschen: So „wie wir es geplant und uns vorgestellt haben“. Frau Meier ist auch ganz brav, demütig und hofft auf Altmaier als Retter der Wirtschaft. Das ist also doch ein sehr unerwarteter komischer Einwurf, aber sehr demütig. Eben so, „wie wir es geplant und uns vorgestellt haben“. Bloß nicht Altmaier ärgern! Und so quält sich die Sendung vor sich hin. Es fehlt jede Bereitschaft zur Perspektive, wie man mit einem Virus lebt, das nicht bereit ist, auf gutes Zureden aus braven Talkshows und von ahnungslosen Politikern zu hören. Und wenn es dann doch in die Lebenswirklichkeit ins Studio strömt, kommt die Virologin und tunkt Frau Meier und alle, die etwas erwirtschaften müssen, in ihre Petrischale. Sie jammert aber über den Mangel an Labormaterial. Komisch, dass es zu wenig ist, wenn man eine Wirtschaft auf Null fährt? Wirtschaft soll nicht arbeiten, aber liefern. Dann geht es noch ein wenig um die Impf-Notwirtschaft, wie sie Markus Söder (CSU) und Annalena Baerbock (Grüne) fordern, als ob es irgendwo irgendjemand gäbe, der nicht gerne für viel Geld viel Stoff herstellt. Es ist die Milchbubi-Vorstellung von Wirtschaft, die sich Bahn bricht. In der Skandal-Show vom WDR hat sich übrigens Thomas Gottschalk ein weiteres Mal unbeliebt gemacht, weil er davon erzählt hat, wie er in Hollywood Jimmy Hendrix nachgemacht hat und der ist schwarz. Das fällt unter „Blackfacing“, etwas, das auch die Toten Hosen verschämt im Keller ihrer Vergangenheit tragen. Wenn Sie also demnächst im Karneval als Schornsteinfeger gehen wollen: Passen Sie auf sich auf. Jede Lebensäußerung kann gefährlich sein, wenn Sie weiß sind. So ist das im neuen Rassismus, und deshalb darf Gottschalk auch nicht mehr in so eine Talkshow.
Roland Tichy
Glaubt ernsthaft jemand, wenn Peter Altmaier, der Wirtschaftsminister, der weder von Wirtschaft noch von Medizin was versteht, mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten und GroKo-Politik-Kollegen Stephan Weil bei Anne Will diskutiert, dass etwas aufregendes passiert?
feuilleton
2021-01-31T21:47:34+00:00
2021-02-01T06:13:54+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/bei-anne-will-auftragsgemaess-keine-ueberraschung-keine-spannung/
Droht eine neue Ära der Massenarbeitslosigkeit? – Der deutsche Standort schafft sich ab
Angesichts der herausfordernden wirtschaftlichen und energiepolitischen Lage sahen sich zahlreiche deutsche Unternehmen und Konzerne in diesem Jahr gezwungen, einen rigorosen Sparkurs zu fahren, der in den meisten Fällen mit einem massiven Abbau von Arbeitsplätzen einherging. Die fünf Wirtschaftsweisen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) zeichnen in ihrem aktuellen Gutachten ein düsteres Bild. Sie prognostizieren, dass die Arbeitslosigkeit in nächster Zeit weiter steigen wird: Im kommenden Jahr könnte die Zahl der Erwerbslosen um rund 80.000 anwachsen. Das entspricht einem monatlichen Verlust von mehr als 6000 Arbeitsplätzen. Des Weiteren hat der SVR seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft im Jahr 2025 gesenkt. Statt der ursprünglich erwarteten 0,9 Prozent wird nun nur noch ein Wachstum von 0,4 Prozent vorausgesagt. Diese Prognose ist besonders beunruhigend, denn nach zwei aufeinanderfolgenden Jahren der Rezession wäre für 2025 ein deutlich stärkerer und nachhaltigerer Aufschwung erforderlich, um die wirtschaftliche Stagnation zu überwinden und die Konjunktur in Deutschland wieder anzukurbeln. Auch eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bestätigt den Negativtrend auf dem Arbeitsmarkt. Sie geht davon aus, dass die Arbeitslosigkeit 2025 in allen Bundesländern weiter zunehmen wird. Ein weiteres Warnsignal liefert das Ifo-Beschäftigungsbarometer, das monatlich für das Handelsblatt erhoben wird. Im November fiel es erneut – von 93,6 Punkten im Vormonat auf nur noch 93,4 Punkte. „Immer mehr Unternehmen stoppen Neueinstellungen“, erklärt Klaus Wohlrabe, Beschäftigungsexperte des Ifo-Instituts. „Zudem wird immer häufiger über den Abbau von Arbeitsplätzen nachgedacht.“ Gleichzeitig greifen immer mehr Industrieunternehmen auf Kurzarbeit zurück. Laut der jüngsten Ifo-Umfrage setzten im November bereits 17,8 Prozent der Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie auf diese Maßnahme – ein Anstieg gegenüber 14,3 Prozent im August. Die Industrie wird insbesondere von der Krise in der Automobil-Branche erschüttert. Zahlreiche Schwergewichte wie Volkswagen, ZF, Schaeffler sowie die Automobilsparten von Bosch und Continental kämpfen mit finanziellen Schwierigkeiten. Allesamt haben dieses Jahr massive Stellenstreichungen angekündigt, um den Herausforderungen zu begegnen. Besonders schmerzlich für den Standort Deutschland sind die geplanten Werksschließungen von VW, dem größten Automobilhersteller des Landes. Von den rund 120.000 in Deutschland Beschäftigten könnten laut Betriebsrat bis zu 10.000 Arbeitsplätze wegfallen. Auch der schwäbische Zulieferer ZF Friedrichshafen hat Kürzungen angekündigt: Bis 2028 sollen 14.000 der 54.000 Stellen in Deutschland gestrichen werden. Schaeffler plant den Abbau von 2.800 Arbeitsplätzen, während Bosch bis Ende 2026 etwa 3.800 Stellen streichen will – ein Großteil davon in der Automobilsparte. Continental, ein weiterer Branchengigant, hat ebenfalls den weltweiten Abbau von über 5.500 Arbeitsplätzen in seiner Automobilsparte verkündet. Auch hier dürfte ein Löwenanteil davon auf den deutschen Standort entfallen. Die Krise in der Automobilindustrie hat mehrere Ursachen. Neben den schwierigen Rahmenbedingungen vor Ort erweist sich vor allem die Transformation hin zur E-Mobilität als zentrales Problem. Die technischen Herausforderungen überfordern nicht nur mittelständische Zulieferer, sondern auch große Konzerne wie Volkswagen oder Continental. Hinzu kommt ein Nachfrageeinbruch bei E-Autos, der dafür sorgt, dass Zweifel an der so oft als Zukunftstechnologie propagierten Antriebsart zunehmen. Der Wegfall von Förderprogrammen wie der Elektroauto-Prämie, die den Absatz batteriebetriebener Fahrzeuge künstlich aufgebauscht hatte, hat das Marktinteresse einbrechen lassen. Laut Verband der Europäischen Automobilhersteller (ACEA) sank die Nachfrage nach E-Autos im August 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um nahezu 70 Prozent. Diese Zahlen illustrieren den schlechten Zustand der deutschen Automobilbranche. Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft droht unter dem Druck der E-Mobilität mit lautem Knall zu zerbersten. Doch die Krise der Automobilbranche äußert sich nicht nur in Form von Stellenstreichungen. Ein regelrechter Sturm von Insolvenzen legt die Tiefe der Krise offen. Traditionsreiche Zulieferer wie Recaro, Gerhardi, Flabeg, Castwerk und Johann Vitz meldeten allesamt in diesem Jahr Insolvenz an. Diese Namen sind nur die Spitze des Eisbergs. In nahezu allen deutschen Industriebranchen zeigt sich ein ähnliches Bild. Allein im ersten Halbjahr 2024 stieg die Zahl der zahlungsunfähigen Großunternehmen im Vergleich zum Vorjahr um beeindruckende 41 Prozent. Darunter befanden sich 162 Firmen mit einem Umsatz von über zehn Millionen Euro. Berücksichtigt man jedoch auch kleine und mittelständische Unternehmen, wird das wahre Ausmaß der Krise noch deutlicher. Laut Creditreform summiert sich die übergeordnete Gesamtzahl der Unternehmensinsolvenzen in diesem Zeitraum auf 11.000 Fälle. In der Stahlsparte ist die Situation ähnlich prekär. Thyssenkrupp Steel Europe kündigte vor kurzem an, bis 2030 insgesamt 11.000 Arbeitsplätze abbauen zu wollen. Davon entfallen 5.000 Stellen auf Anpassungen in Produktion und Verwaltung, während 6.000 durch Auslagerungen oder den Verkauf von Geschäftsbereichen wegfallen sollen. Auch bei der Salzgitter AG verschärft sich die Lage. Das Unternehmen hat kürzlich seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr gesenkt und ebenfalls signalisiert, dass ein Personalabbau unumgänglich sein könnte. Der Druck auf die deutsche Stahlindustrie kommt von mehreren Seiten. Neben den unerfreulichen Standortfaktoren setzen Billigimporte aus dem Ausland die Branche unter erheblichen Wettbewerbsdruck. Obendrein erschweren die Vorgaben zur grünen Stahlproduktion die Situation. Insbesondere die verpflichtende Implementierung von Direktreduktionsanlagen (DRI), die mangelnde Wasserstoffversorgung und die dafür erforderlichen Elektrolyseure bereiten Anlass zur Sorge. Direktreduktionsanlagen gelten als zentrale Technologie für die klimafreundliche Stahlproduktion und sollen herkömmliche Hochöfen ersetzen. In Duisburg ist die Inbetriebnahme einer solchen Anlage bis 2027 geplant. Doch schon jetzt gibt es Zweifel an ihrer Effizienz. Zudem werden die enormen Baukosten kritisiert: Der Umbau hin zu einer grünen Produktion wird bei Thyssenkrupp beispielsweise auf 3 bis 7 Milliarden Euro geschätzt. Ein entscheidendes Problem ist der immense Bedarf an Wasserstoff, der für den Betrieb von DRIs erforderlich ist. Deutschland verfügt nicht über ausreichend Kapazitäten, um diesen Bedarf zu decken. Laut Bundesregierung müssen bis 2030 etwa 70 Prozent des benötigten Wasserstoffs aus dem Ausland importiert werden. Für die eigenständige Wasserstoff-Herstellung fehlt günstiger Strom. Das Elektrolyseverfahren ist energieintensiv und erfordert eine stabile und kostengünstige Energieversorgung, welche mit Solar- und Windenergie nicht zu gewährleisten ist. Wasserstoff könnte durchaus eine zukunftsfähige Lösung für die Stahlproduktion und den Industriestandort Deutschland sein. Allerdings ist dessen Herstellung nur in Kombination mit zuverlässigen Energiequellen wie zum Beispiel der Kernkraft rentabel. Diese könnte die Elektrolyseure zuverlässig mit der benötigten Energie versorgen. Mit einem dadurch günstig hergestellten Wasserstoff könnten wiederum die Produktionskosten für grünen Stahl gesenkt werden. Ohne einen solchen Energiemix bleibt grüner Stahl nicht mehr als eine teure Vision und ein Hirngespinst. Angesichts der massiven Probleme in den deutschen Industriebranchen stellt sich abschließend nun die Frage: Droht Deutschland ein Rückfall in die Zeiten der Massenarbeitslosigkeit? Erinnerungen an die Mitte der 2000er-Jahre werden wach, als rund fünf Millionen Menschen ohne Arbeit waren. Damals kämpfte die deutsche Wirtschaft mit den Folgen der geplatzten Dotcom-Blase, den globalen Unsicherheiten nach dem 11. September 2001 und dem Irakkrieg 2003. Auch der wirtschaftliche Zusammenbruch der DDR trug zur Jobkrise bei. Derzeit liegt die Zahl der Arbeitslosen, die aktiv auf Arbeitssuche sind, in Deutschland bei etwa 2,791 Millionen (Stand Oktober 2024). Dazu kommen rund vier Millionen Bürgergeldempfänger, die auf staatliche Kosten leben. Auffällig dabei: Fast die Hälfte dieser Empfänger sind keine deutschen Staatsbürger. – Das ist jedoch ein anderes Thema! Bezogen auf die Industriekrise ist klar, dass ohne eine radikale Wende in der Wirtschafts- und Energiepolitik Deutschland eine neue Ära der Massenarbeitslosigkeit droht. Die ideologischen Vorgaben, sei es der Zwang hin zur E-Mobilität oder die Transformation zum grünen Stahl, lasten schwer auf den Unternehmen. Hinzu kommen die unbezahlbaren Energiekosten, erdrückenden Steuern und die lähmende Bürokratie, die der deutschen Wirtschaft die Luft abschnüren.
Natalie Furjan
Der Stellenabbau in der deutschen Industrie nimmt ein beängstigendes Ausmaß an. Die Schreckensmeldungen häufen sich: von Thyssenkrupp über Bosch bis hin zu VW. – Durch die Bank weg bricht die deutsche Industrie zusammen.
wirtschaft
2024-12-03T12:08:46+00:00
2024-12-03T12:08:47+00:00
https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/deutschland-droht-massenarbeitslosigkeit-industrie/
DER SPIEGEL Nr. 43: Von Weinstein bis Houellebecq
Betrachten wir zunächst einmal dieses wundervoll zurückgenommene Titelbild des neuen Spiegels des in Wien tätigen Grafikers Francesco Ciccolella. So blumig sein Name, so reduziert seine Arbeiten. Die Presse nennt Ihn einen „jungen Meister der verdichteten Bildidee.“ Dieser Ciccolella ist ein hochinteressanter Typ, hat schon für Bang & Olufsen gearbeitet ebenso, wie als Markenentwickler für Lego. Sein Spiegel-Cover erinnert an einen simplifizierten Art Deco. Nur drei Farben, blau, rot und beige. Illustriert wird so „Macht und Missbrauch“, die Harvey-Weinstein-Story. Der Torso eines übermächtigen Mannes im blauen Anzug mit roter Krawatte hinter einer weiblichen Person in unschuldigem Weiß. Die Krawattenspitze wurde vom Mann ausgehend über die weiße Bluse der Frau gelegt. Eine subtile Vereinfachung mit maximaler Wirkung. Eine Inbesitznahme. Die Frau dreht sich um. Erschrocken, überrascht. Ciccolellas „Macht und Missbrauch“ ist eine großartige Arbeit. In Österreich und der Schweiz erscheint der Spiegel mit Schwarzweiß-Porträt von Sebastian Kurz auf dem Titel. Düster, gestrig, vorahnungsvoll. Auch hier ist die Botschaft eindeutig: Kurz, da kommt nichts Gutes. Da tritt einer aus dem Schatten ans Licht und auf die europäische Bühne. Nun gut. Im Leitartikel fordert Anne Clauß Männer auf, Belästiger und Vergewaltiger in ihren Reihen zu outen. Sie schreibt zur #metoo-Aufschrei-Kampagne im Windschatten der Weinstein-Affäre: „Ihr Aufschrei wird aber erst die volle Wirkung entfalten, wenn sich auch Männer angesprochen fühlen.“ Wer unter den Männern zur Gruppe der Anständigen gehört, habe eine Verpflichtung. Wer schweigt, vergewaltigt mit. Mann sollte nicht mitlachen, wenn der Kollege hässliche Bemerkungen über die Körperfülle einer Kollegin macht, schreibt Anne Clauß. Sie ist so eine Dünne aus der Spiegel-Redaktion, an der nicht viel dran ist. Zu böse? Ok, wir lernen noch. Jan Fleischhauer findet die Empörung über die Aufmerksamkeit um die neue Rechte auf der Buchmesse faul. Soll sich die Linke doch mehr anstrengen. Die Rechten könnten es mittlerweile fast besser: „Heute sind es die Rechten, die mit ihren Provokationen die Öffentlichkeit aufschrecken. Dabei reicht oft schon ein Wort, und alle drum herum fallen in Ohnmacht oder rufen vor Schreck „Nazi, Nazi“.“ Gut gesprochen! Erstes Thema: #metoo, Frauen twittern Belästigungen. Eine globale Bewegung. Sogar die schwedische Außenministerin schrieb „Ich auch.“  Männer sind Schweine. Am schweinischsten sind mächtige Männer. Der Titel nimmt es auf: „Macht ist wie Alkohol“. Der Spiegel hofft: Vielleicht reicht die Wut dieses Mal aus, „die gesellschaftliche Debatte endlich nachhaltig zu führen.“ Eine gemeinsame Empörung gäbe es nur da, wo es um Belästigung von Kindern geht, weiß der Spiegel. Die Autoren wollen also Kindesmissbrauch und die Belästigung von Frauen gleichstellen. Eine unzulässige Relativierung? Mal drüber nachdenken. Nun ist es natürlich nicht so, dass es keine Gesetze gäbe, die sexuelle Belästigung unter Strafe stellen. Hier ist nun aber die Hürde besonders groß. Denn hier muss das Opfer die Tat nachweisen, was schwer fällt, wenn Belästigungen am häufigsten unter vier Augen passieren. Aber ob nun eine Twitter-Kampagne der richtige Weg ist, scheint fraglich. Ein erster Schritt, ja. Nächster Artikel: Die Nato warnt in einem Geheimpapier vor Russland. Unsere Streitkräfte seien einem Angriff der Russen nicht gewachsen. Gefordert wird eine Rückkehr zu den Kommandostrukturen des Kalten Krieges. Die westlichen Armeen sein zwar haushoch überlegen, aber es würde scheitern an Faktoren wie Nachschub, Versorgung und Logistik. Muss man solche Meldungen ernst nehmen? Natürlich. Aber glaubt wirklich ernsthaft jemand daran, es gäbe noch einen Weltkrieg, der zu gewinnen wäre? Man fühlt sich zurück versetzt zu Kartentisch-Diskussionen aus dem letzten Jahrhundert. Damals, als Joschka Fischer und Co auch gegen den Nato-Doppelbeschluss revoltierten mit Sturzhelm auf dem Kopf. Der ehemalige Außenminister im Spiegel-Interview. Zu Jamaika fällt ihm Bob Dylan ein: „The Times they are a-changin.“  Zu Fischer fällt uns dass selbe ein. Gottseidank. Und mit unverhohlener Freude vermeldet der fast 70-Jährige: „Spätestens seit 2015 und dem Ankommen der Flüchtlinge ist klar, dass die Zeit des sich immer mehrenden Sonnenscheins über unserem lieben Vaterland zu Ende geht.“ Özdemir soll Außenminister werden raunt Fischer und die AfD stehe in der Tradition der NSDAP.  Ihm gehe das Drumherumgerede auf den Keks, sagt der Altmeister des Drumherumgeredes. Erklärungen für den Erfolg der AfD hat er keine. Nicht den blassesten Schimmer. Jetzt schnell weiterblättern, bevor ihm doch noch was Schräges einfällt. Der feine Feuilletonist Alexander Osang bekennt sich zum deutschen Herbst, schiebt es aber auf sein Alter. Selbst in den USA schleicht er sich in Wälder, um Bäume zu umarmen, weil sie ihn an seine deutsche Heimat erinnern. Er wurde auf seinem Wochenendgrundstück in Brandenburg zum passionierten Pilzsammler, erzählt er. Pilze, die Schützlinge der Bäume. Eine schöne kleine Geschichte. Osang bekommt von seinem Nachbarn Steinpilze geschenkt und endet mit den Worten: „Näher war ich noch nie dran an meiner Heimat.“ #metoo möchte man ihm hinterherrufen, wenn man weiterblättert hin zu Sebastian Kurz und der Frage: Was bedeutet sein Sieg für Deutschland? Die Spiegelianer besuchten Kurz in seinem aufgeräumten Büro im Wiener Außenministerium. Die Sachen sind schon eigenhändig gepackt. Weit hat er es ja nicht, das Kanzleramt ist im selben Gebäude untergebracht – beide gegenüber der Wiener Hofburg. Der Spiegel rückt es gerade: Nein, Kurz sei kein Nazi und auch kein Rassist. Er sei kein Extremer, nur extrem machthungrig. Fesch sei er, der Kurz. Ein konservativer Karrerist, usw. Ja, so macht man das beim Spiegel im Intro, wenn der flotte Nazivorwurf zwar auf der Zunge liegt, aber doch arg zu abwegig, zu blöde wäre, ausgeschrieben zu werden. Das anschließende Interview mit Kurz ist schlau und intelligent. Also von der Kurz’n Seite aus perfekt belichtet. Nein, Regierungsverhandlungen möchte er nicht „über das deutsche Politmagazin der Spiegel“ starten, bittet er um Verständnis. Unaufgeregter kann man aufgeregte Fragen kaum retournieren. Gut gemacht! Es folgt ein kluges Essay über Sezessionismus des Historikers Heinrich August Winkler. Die Bürger Europas würden in ihren Nationalstaaten weiterhin „den einzig verlässlichen Hüter von Rechtstaat, Sozialstaat und Demokratie“ sehen. Es ist also noch ein weiter Weg bis zu den Vereinigten Staaten von Europa, mag der eine oder andere Leser gemeinsam mit Winkler feststellen. Wer Nation und Nationalstaaten abschaffen will, zerstöre Europa, so Winklers Schlusswort. Sport überblättern wir wieder ebenso, wie einen weiteren Artikel, der Trumps Geisteszustand psychologisch beleuchtet und fragt: „Verrückt oder bösartig?“ und kommen zu einem echten Highlight dieser Spiegelausgabe, die tatsächlich alleine deshalb eine Kaufempfehlung nach sich ziehen darf: Ein wunderbares Interview mit dem französischen Autor Michel Houellebecq. Houellebecq zieht Bilanz. Und wir dürfen dank Spiegel dabei sein. „Bin ich deprimiert oder ist die Welt deprimiert?“ fragt der große Franzose und weiß die Antwort: Natürlich ist es die Welt. Die im von französischen Journalisten angeheftete Sünde der Verzweiflung werde er wohl nie mehr los, sagt ein an der Welt Verzweifelter, der dann aus dieser Verzweiflung heraus einen klaren Blick auf die Gegenwart vornehmen kann. Mit Blick auf den Islam ist Autor Houellebecq persönlich zutiefst davon überzeugt, das eine Religion sehr viel mächtiger ist, als eine Ideologie. Das Gespräch mit Michel Houellebecq gehört tatsächlich zum Besten, das der Spiegel seit Jahren abgedruckt hat. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Houellebecq anmerkt, dieses sei sein letztes Interview. Er mag keines mehr geben. Seine Intuition befände sich gewissermaßen „auf der Suche unterhalb des Vernünftigen.“ Was für ein toller Schlusssatz für einen Blick in den aktuellen Spiegel.
Fritz Goergen
Regierungsverhandlungen möchte er nicht über den Spiegel starten, bittet Kurz um Verständnis. Unaufgeregter kann man aufgeregte Fragen kaum retournieren.
kolumnen
2017-10-22T13:49:19+00:00
2019-05-04T21:57:22+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/der-sonntagsleser/der-spiegel-nr-43-von-weinstein-bis-houellebecq/
Bei Maischberger: Amthor will sich ’ne Storch braten
Da brat’ mir doch einer ’nen Storch – Philip Amthor ist wieder da! Es war ja einigermaßen ruhig geworden um ihn. Und das hat Gründe. Wir erinnern uns: Der Jungmann der CDU hatte, noch bevor er überhaupt 30 Lenze zählte, bereits einen handfesten Lobby- und Bestechungsskandal an der Backe, der die Offenheit des Meckpommers für pekuniäre Annehmlichkeiten des Politikerdaseins recht schonungslos offenbarte. Danach wurde Amthor für einige Jahre strategisch aus der Schusslinie genommen. Nun aber hält es die CDU offenbar für an der Zeit, ihn wieder aus der Versenkung zu holen. Bei Maischberger darf er gegen Beatrix von Storch antreten, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion. Gute Wahl: Denn kaum jemand in der CDU ist rhetorisch so feingeschliffen und hartgesotten durchgecastet wie dieser Vorzeige-Ossi. Und niemand sonst kann zugleich die Unausgegorenheit seiner Partei und die Überheblichkeit des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz derart treffsicher in einer Person manifestieren wie der 32 Jahre alte Amthor, der doch wie Mitte Fuffzich wirkt, Frau, Affäre, zwei Kinder, Modelleisenbahn und samstags Autowaschen. Respekt und Anerkennung an der Stelle. Als Maischberger die Frage in den Raum stellt, ob denn eigentlich eine Koalition aus CDU und AfD denkbar wäre, schallt uns Friedrich Merz in Dolby-Surround entgegen. „Das ist nicht der Wählerwille“, bollert Amthor, „sondern das ist vielleicht der Traum von Frau Weidel. Mit dem Wählerwillen hat das nichts zu tun.“ Muss er sagen. Denn dafür wird er bezahlt – von seiner Partei und von wem auch immer noch nebenher. Er soll Merz ins Kanzleramt pushen, das wird sehr deutlich. Wie oft er sich „darüber freut“, dass der Ex-Blackrock-Manager bald Kanzler sein möge, ist schon einigermaßen auffällig. Hat Merz, der Amthor vermutlich in die Sendung abgeordert hat, ihn womöglich bereits mit einem Ministeramt geködert? Für Gefälligkeiten ist Amthor ja immer offen, wie die Augustus-Affäre sehr deutlich zeigte. Von Storch kann rhetorisch nicht ganz mithalten. Sie wirkt müde. Hinzu kommt, dass Maischberger sie ständig unterbricht und mit penetranten Zwischenfragen verhindert, dass sie auch nur einen klaren Satz zu Ende bringen kann. Es ist das übliche Spiel: Die AfD wird als Zielscheibe eingeladen. Mit den Inhalten wollen wir uns lieber nicht allzu lange aufhalten. Als Amthor, um sich von der AfD zu distanzieren, die vielen Ordnungsrufe gegen die AfD im Bundestag als Argument anführt („Die Zahl der parlamentarischen Ordnungsmaßnahmen ist so hoch!“), kontert Storch nur dünn. Eine Alice Weidel hätte sicher einige kritische Punkte angeführt: Dass der AfD seit Jahren der ihr zustehende Platz im Präsidium des Deutschen Bundestages von den anderen Parteien verwehrt wird. Dass genau dieses Präsidium vor allem ständig die AfD rügt. Und dasselbe Präsidium die Zwischenrufe der anderen, „demokratischen Parteien“ – allzu oft ungerügt lässt. Doch Weidel kann die Füße hochlegen. Amthor demaskiert sich und seine Partei ganz ohne fremde Hilfe. Er feuert die altbekannten Salven ab, eine Parade der Platzpatronen. „Die AfD freut sich darüber, wenn es Deutschland schlecht geht.“ Oder über eine mögliche Kanzlerin Weidel: „Deutschland würde sich absolut isolieren.“ So, als ob die CDU-Brandmauer gegen die AfD auch nur irgendjemand anderes interessieren würde außer der CDU. Amthor tritt erstaunlich selbstsicher auf. Ganz schön sportlich, eingedenk der Tatsache, dass er nicht einmal den vermeintlich menschengemachten Klimawandel korrekt einordnen kann und sogar die Tatsache abstreitet, dass die umstrittene Taurus-Mittelstreckenrakete, die Merz samt deutschem Bedienpersonal in die Ukraine liefern will, überhaupt Ziele in Moskau erreichen kann („Das ist doch falsch!“). Dass eine solche Eskalation Deutschland überdies zum direkten Kriegsbeteiligten machen würde, kommt überhaupt nicht zur Sprache. Stattdessen geht es darum, warum der AfD-Politiker Björn Höcke denn wohl zuerst nach Moskau reisen würde und nicht nach Washington, oder warum die AfD das Ende der Europäischen Union fordere. Von Storch besteht mehrfach darauf, dass Maischberger aus dem Parteiprogramm an dieser Stelle doch bitte nicht nur den ersten Halbsatz zitieren möge, sondern den gesamten Satz. Es gehe nicht um das Ende Europas, sondern um die Gründung einer neuen europäischen Union. Es fällt ihr jedoch schwer, mit diesem klaren Argument durchzudringen. Amthor und Maischberger geben mit zahllosen Unterbrechungen ihr Bestes, damit der Einwand doch unerhört versickern möge. Die drei „einordnenden Journalisten“ (Sendungsbeschreibung) können an diesem Abend kaum Erhellendes von sich geben. Ulrich Wickert urteilt etwa über Elon Musk: „Dieser Musk, der ja eigentlich ein undemokratischer Milliardär ist.“ Und Maischberger setzt noch einen drauf: „Ein nicht demokratisch gewählter Milliardär.“ In der Welt der ARD werden eben Milliardäre gewählt. Wolfram Weimer, ein auf vielen Kanälen herumflatternder Journalist beschreibt seinen Freund und  bayerischen Ministerpräsidenten und Merz-Querschläger: „Markus Söder ist das zu Fleisch gewordene Trendforschungsinstitut.“ Nun gut, auch das nicht eben eine Neuigkeit, eher ein Freundschaftsdienst für den Radfahrerfreund vom Tegernsee. Die Deutschlandfunk-Journalistin Katharina Hamberger hat es offenbar nicht so mit Wirtschaft und Zahlen. Musk ist für sie „ein Milliardär, der gerade ein soziales Netzwerk in Grund und Boden gewirtschaftet hat“. Ziemlich steile These für die Journalistin eines zwangsfinanzierten Senders, der noch nie eine Mark oder Euro erwirtschaftet hat. Die reinen Zahlen über X, ehemals Twitter, sprechen eine völlig andere Sprache. Lustig, aber auch nachdenklich, wird es nochmal, als Kabarettist Mathias Richling dran ist. Er empfindet die gesamte aktuelle Politiker-Riege als „zickig“. Er kann nicht verstehen, dass „aufgrund von Meinungsäußerungen schon Klagen eingereicht werden von Frau Strack-Zimmermann und von Herrn Habeck“. Sie würden damit die Beleidigungen schließlich erst bekannt machen. Richling ist fassungslos: „Frau Strack-Zimmermann hat 1.900 Klagen laufen!“ Auch für den Kanzler hat Richling noch einen Pfeil im Köcher: „Scholz hat es nie nach oben geschafft, er ist einfach stehengeblieben, und die SPD ist an ihm vorbei nach unten gesackt. Im Grunde hat sich Olaf Scholz nach oben geschlafen.“ Maischberger ist überfordert: „Okay, da muss ich nachdenken. Das ist ’ne Sicker-Pointe.“ Absolut korrekt: Das war eindeutig zu anspruchsvoll für diese Sendung.
Anna Diouf
Die zweite Reihe ist nicht genug. CDU-Jüngling Philip Amthor soll Friedrich Merz ins Kanzleramt labern. Doch bei Maischberger scheitert er an der AfD-Politikerin Beatrix von Storch. Und an sich selbst. Von Michael Plog
feuilleton
2024-12-11T07:02:39+00:00
2024-12-11T08:04:05+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/maischberger-amthor-von-storch/
Elektro-Autos ohne Kunden: Politik und Konzerne erhöhen die Prämie
Nein, keiner der Autobosse ist in schallendes Gelächter ausgebrochen – zumindest nicht öffentlich. Im Gegenteil, der Noch-Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Bernhard Mattes, sprach nach dem Autogipfel bei der Kanzlerin davon, dass ein »gutes Paket« geschnürt worden sei. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte: »Wir brauchen jetzt die Massenwirksamkeit der Mobilität von morgen.« Die Menschen müssten begeistert werden. So kann das Ergebnis des Autogipfels nicht wirklich überraschen: mehr Geld für Elektroautos. Wie beim Aale-Peter: Und noch einen Aal drauf. Nicht 4000, nein 6000 Euro Zuschuss, wenn Du ein Elektroauto kaufst, das Du nicht willst. Der erste Aal wurde vor drei Jahren draufgelegt. Doch diese Prämie zog nicht, die Begeisterung für E-Autos hielt sich in bescheidenen Grenzen. Jetzt also der zweite Aal. Die bisher bezahlte Prämie sollte bis Ende 2020 gelten und wurde von Bund und Industrie mit insgesamt jeweils 600 Millionen Euro bezahlt. Sie wird jetzt voraussichtlich bis 2025 verlängert. Wie groß diese Summe insgesamt sein wird, darüber gab es bisher keine Angaben. Die Autoindustrie sagte lediglich zu, sich wieder an den Kosten zu beteiligen. Und es sollen – zack – mehr Ladestation aus dem Boden gestampft werden. Eine Million in zehn Jahren bis 2030 – das wäre eine stramme Leistung. Ab dem kommenden Jahr müßten dann rein rechnerisch an jedem Werktag 400 Ladestationen aufgestellt werden. Allein im dritten Quartal dieses Jahres gelang es gerade einmal, gegenüber dem zweiten Quartal 1140 neue öffentliche Ladestationen aufzubauen. Tiefbauer stöhnen bereits jetzt, dass zur Zeit kaum noch freie Baukapazitäten zu finden sind. Denn die Planwirtschaft bezahlt gerade kräftig den Ausbau der Glasfaserleitungen, Bauunternehmen sind recht vollauf damit beschäftigt, Gräben auszuheben und die Leitungen zu verlegen. Auf dem Gipfel wurde weiterhin beschlossen, das Wohneigentumsrecht zu ändern. Wer mit einem Elektroauto fahren will, soll auf eigene Kosten eine Ladestation in seine Garage einbauen und nicht mehr von einer anderen Mietpartei überstimmt werden. Allerdings weigern sich bisher Brandschützer, Ladestationen in Tiefgaragen zuzulassen. Das Brandrisiko sei zu hoch. Geht die Batterie eines A-Autos in Flammen auf, würden Betonsäulen und Decken so beschädigt werden, dass die Statik nicht mehr stimme. Einsturzgefahr droht.
Sofia Taxidis
Die Chefs der Autokonzerne treffen sich mit der Kanzlerin. Heraus kommt: Noch höhere Prämien für Elektro-Autos, die sonst keiner kaufen will. Und aberwitzige Pläne für den Ausbau der Ladeinfrastruktur.
wirtschaft
2019-11-06T17:21:18+00:00
2019-11-06T17:33:23+00:00
https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/mobilitaet/elektro-autos-ohne-kunden-politik-und-konzerne-erhoehen-die-praemie/
Energiepolitik im Streckbetrieb – Habeck und Lemke zum Weiterbetrieb von Kernkraftwerken
Im März haben Bundesumweltministerin Lemke und Wirtschaftsminister Habeck einen Prüfvermerk zum Weiterbetrieb von Kernkraftwerken aufgrund möglicher Einschränkungen der Gasversorgung aufgrund des Ukraine-Krieges veröffentlicht. Sie räumten ein, dass ein Streckbetrieb der Kernkraftwerke möglich ist, stellen aber den Sachverhalt eines Streckbetriebes völlig falsch dar. Zitat: „Die Atomkraftwerke würden dann im Sommer 2022 weniger Strom produzieren, um über den 31.12.2022 hinaus im ersten Quartal 2023 noch Strom produzieren zu können. Insgesamt würde zwischen heute und Ende März 2023 netto nicht mehr Strom produziert.“ Entweder haben die Minister keine Ahnung oder sie versuchen, uns hinter die Fichte zu führen. Streckbetrieb bedeutet längere und insgesamt höhere Ausnutzung von Brennstoff über das geplante Zyklusende hinaus und damit die Produktion zusätzlicher Strommengen. Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit GRS, eine gemeinnützige Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland und der TÜVs, erklärt den Streckbetrieb: „Am natürlichen Zyklusende kann der Reaktor nicht mehr 100 % Leistung erzeugen. Das wirkt sich dahingehend aus, dass in den Dampferzeugern nicht mehr ausreichend Dampf erzeugt wird. Dadurch fällt der Druck des Dampfes auch entsprechend ab. Mit dem fallenden Druck des Frischdampfes fallen auch dessen Temperatur und durch die Kopplung im Dampferzeuger die Temperatur des Kühlmittels im Reaktor. Das führt wiederum dazu, dass die potenzielle Leistung eines Reaktorblocks langsamer abnimmt. Dieser Prozess läuft ohne menschliche Eingriffe ab … Der Streckbetrieb ist für deutsche Kernkraftwerke genehmigt und auch schon mehrfach (in unterschiedlichen Längen) durchgeführt worden. Ein solcher Betrieb ist für mindestens 80 Tage realisierbar. Da ein Reaktorblock im Streckbetrieb täglich ca. 0,5 % seiner Leistung einbüßt, wäre er nach 80 Tagen noch bei ca. 60 % seiner ausgelegten Leistung.“ Weiter erklären die Minister im Prüfvermerk vom März: „Die Beschaffung, Herstellung und atomrechtliche Freigabe zur Herstellung neuer Brennelemente für einen funktionsfähigen Reaktorkern dauert im Regelfall 18-24 Monate. Ggf. ist eine Beschleunigung auf ca. 12-15 Monate möglich.“ Der US-Hersteller Westinghouse, der zu den etablierten Lieferanten auch deutscher Atomkraftwerksbetreiber zählt, bekam nach eigenen Angaben kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine eine Anfrage der Bundesregierung, ob man kurzfristig Brennstäbe liefern könne, um die Laufzeiten der drei AKW zu verlängern. So berichtet es das Handelsblatt. Die Firma habe das bejaht und gesagt, sie sei in der Lage, bis zum Jahresende Brennstäbe zu liefern. Das wäre eine Lieferzeit von 9 Monaten. Auch hier haben die grüne Umweltministerin und der grüne Wirtschaftsminister nicht die Wahrheit gesagt. Und die gesamte Bundesregierung sieht zu, wie das Volk hingehalten wird, um die grüne Ideologie aufrechtzuerhalten. Das Fenster einer Lieferung im nächsten Frühjahr schließt sich jetzt. Die Hinhaltungstaktik funktioniert. Der Bundestag ist im Urlaub. Umweltministerin und Wirtschaftsminister erklärten weiter, dass für einen Weiterbetrieb der drei bereits zum 31.12.2021 abgeschalteten Anlagen Brokdorf, Gundremmingen und Grohnde rechtlich Maßnahmen erforderlich wären, die einer „Neugenehmigung“ gleichkämen. Dazu schreibt der Verband Kerntechnik: „Solange die Genehmigung für den Rückbau nicht bei den Aufsichtsbehörden eingegangen ist, gilt weiterhin ausschließlich die bestehende Betriebsgenehmigung. Gemäß Atomgesetz erlischt mit den in §7 Abs 1a gesetzten Fristen nur die Berechtigung zum Leistungsbetrieb, die Betriebsgenehmigung indes ist davon nicht berührt.Tatsächlich sind die Genehmigungen aus verwaltungsrechtlicher Sicht immer noch wirksam, da das Gesetz sie nicht aussetzt. Es sollte ausreichend sein, die Enddaten des vorgenannten §7 1a zu ändern und auf die Festlegung von Reststrommengen zu verzichten.“ Dann wären auch die Kernkraftwerke Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen weiterbetreibbar. In Wirklichkeit muss die politische Debatte nicht um „Streckbetrieb“ geführt werden, sondern um den Dauerbetrieb von 6 Kernkraftwerken. Das würde die Strommärkte und ihre Preisbildung sofort entspannen. Wie bei der Kernenergie, so blockt Minister Habeck auch alle Versuche beim Gas ab, durch eigene Erdgasaufschlüsse die Importabhängigkeit zu reduzieren. Die Hälfte der Gasimporte aus Russland könnte durch Fracking des über 1000 m tief liegendem Schiefergestein gefördert werden. Axel Bojanowski in der Welt: „Gutachten deutscher Forschungsinstitute belegen, dass Fracking im Prinzip unbedenklich ist. Trotzdem hat die Politik die Technologie verboten. Dabei lagern unter Deutschland riesige Erdgas-Vorräte, die jetzt aus der Energie-Krise führen könnten.“ Zum entsprechenden Vorstoß fiel Bundeswirtschaftminister Habeck nur ein: „Die Debatte über Fracking nützt uns jetzt in dieser Zeit überhaupt nichts. Es dauert Jahre, wenn man es überhaupt machen will, um solche Vorkommen zu erschließen.“ Bei Wind- und Solarenergie hatte der gleiche Minister durchgesetzt, dass „der Ausbau der erneuerbaren Energien im überragenden öffentlichen Interesse ist und der öffentlichen Sicherheit dient“, um die Verfahren zu beschleunigen. Selbst Naturschutzziele wurden gekippt. Warum wird die Gasförderung in Deutschland nicht zum nationalen Interesse erklärt, anstatt in Katar zu betteln und sich auf Fracking-Gas aus den USA zu verlassen? Der Bundeskanzler muss hier eingreifen. Er kann sich ein Beispiel nehmen an den beiden Tory-Spitzenkandidaten für den nächsten Premierminister, Liz Truss und Rishi Sunak, die sich für die Aufhebung des unter Boris Johnson verfügten Fracking-Verbots in Großbritannien ausgesprochen haben. Und er kann hier sehen, wie sich weiteres ideologisch bedingtes Zögern in Verlust von Arbeitsplätzen niederschlägt: Datenbank Deindustrialisierung Deutschlands. Die Welt, Tichys Einblick und Publico waren die einzigen Medien, die an der Fachtagung „20 Jahre Energiewende – Wissenschaftler ziehen Bilanz“ vom 8. bis 10.7. in Stuttgart teilnahmen. Organisiert wurde die Tagung vom Lehrstuhl für Energiespeicherung der Universität Stuttgart, Prof. Thess. In 13 Expertenvorträgen wurde eine schonungslose Bestandsaufnahme der Energiewende vorgenommen. Die eingeladenen Vertreter von Bundes- und Landesregierungen, Bundesoberbehörden, Bundestag und Landtagen, die durch Abwesenheit glänzten, hätten viel dazugelernt. Die Tagung hatte ein Ergebnis in der Stuttgarter Erklärung, die beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages am 26. Juli eingereicht wurde.
Natalie Furjan
In einem Prüfvermerk zum Weiterbetrieb von Kernkraftwerken treffen Umweltministerin Steffi Lemke und Wirtschaftsminister Robert Habeck objektiv falsche Aussagen – und das in einer Frage, in der es um die existenzielle Versorgung der Bürger in Deutschland mit Energie geht.
kolumnen
2022-08-04T07:45:08+00:00
2022-08-04T07:45:09+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/klima-durchblick/energiepolitik-streckbetrieb/
Einigung über die Regeln für das erste TV-Duell zwischen Trump und Harris
In den letzten Wochen war es immer wieder Gegenstand intensiver Spekulationen, ob das TV-Duell zwischen Donald Trump und Kamala Harris tatsächlich stattfinden würde. Nachdem Trump ursprünglich nur unter seinen eigenen Bedingungen zugestimmt hatte, sich seiner Herausforderin zu stellen, deutet sich nun eine Veränderung seiner Position an. Die Einigung über die Regeln für das erste TV-Duell markiert einen Fortschritt, der für den Wahlkampf der beiden Kandidaten von strategischer Bedeutung ist. Das Duell, das am 10. September 2024 im National Constitution Center in Philadelphia stattfinden wird, ist nun offiziell bestätigt. Die Veranstaltung wird 90 Minuten dauern und ohne Publikum durchgeführt, um eine konzentrierte und ungestörte Diskussion zu gewährleisten. Die Entscheidung, das Duell ohne Zuschauer abzuhalten, soll sicherstellen, dass die Diskussion nicht durch äußere Einflüsse gestört wird. In Bezug auf die Struktur der Debatte sind nun endlich die wichtigsten Details festgelegt: Jede Frage wird mit zwei Minuten Antwortzeit beantwortet. Im Anschluss haben beide Kandidaten jeweils zwei Minuten für Gegenargumente, gefolgt von einer weiteren Minute für Klarstellungen oder Ergänzungen. Die Themen der Debatte werden die Bereiche Politik, Wirtschaft und soziale Fragen umfassen, was einen breiten und tiefgehenden Austausch zu wesentlichen Themen des Wahlkampfs ermöglicht. Die Diskussion über die Regeln für das Duell war von zahlreichen Verhandlungen und Auseinandersetzungen geprägt. Ein zentraler Streitpunkt war die Mikrofonregelung. Ursprünglich hatte Harris’ Team gefordert, dass die Mikrofone beider Kandidaten während der gesamten Debatte eingeschaltet bleiben. Diese Forderung stieß auf Widerstand von Trump, der drohte, die Debatte möglicherweise zu boykottieren, sollte diese Regelung nicht geändert werden. Schließlich einigten sich beide Parteien darauf, dass die Mikrofone des jeweils nicht sprechenden Kandidaten stummgeschaltet werden. Dies soll verhindern, dass Unterbrechungen und Störungen die Diskussion beeinträchtigen. Während der Werbepausen dürfen die Kandidaten nicht mit ihren Beratern sprechen. Die Moderatoren sind dafür verantwortlich, eine gerechte Verteilung der Redezeit sicherzustellen und eine „zivilisierte Diskussion“ zu gewährleisten. Die Kandidaten werden von den Moderatoren vorgestellt – Harris wird dabei zuerst auf die Bühne treten. Beide sollen die Bühne aus entgegengesetzten Seiten betreten. Diese Regeln und Bedingungen sollen sicherstellen, dass die Diskussion sachlich und ausgewogen abläuft, ohne externe Einflüsse. In einem virtuellen Münzwurf wurde entschieden, dass Trump die Schlussfolgerung der Debatte halten wird und auf der linken Seite des Bildschirms positioniert sein wird. Beide Kandidaten verzichten auf Eröffnungsstatements, was bedeutet, dass der Beginn der Debatte unmittelbar mit den Fragen an die Kandidaten startet. Stattdessen sind die Schlussstatements auf jeweils zwei Minuten begrenzt. Zur Ausstattung gehören ein Stift, ein Notizbuch und eine Flasche Wasser. Während der Debatte dürfen sich Harris und Trump keine vorgefertigten Notizen mitbringen, jedoch während des Duells eigene Notizen machen. Ein weiterer Punkt der Verhandlungen war die Kritik, die Trump an ABC News geäußert hatte. Auf seiner Plattform Truth Social hatte Trump den Sender als „Fake News“ bezeichnet und Vorwürfe der Voreingenommenheit und Unfairness erhoben. Trotz dieser Vorwürfe versicherte ABC, dass die Debatte „fair und gerecht“ ablaufen werde. In einem Interview mit Fox News kritisierte Trump ABC erneut als den „schlechtesten Sender“ hinsichtlich Fairness. Trotz dieser offenen Auseinandersetzungen scheint Trump bereit zu sein, den Bedingungen des Senders zuzustimmen, während Harris einen Alternativtermin am 4. September bei dem konservativen Sender Fox News abgelehnt hatte. Trump zeigte sich kürzlich bei einem Wahlkampfauftritt gelassen und siegesgewiss. Auf die Frage nach seiner Vorbereitung auf das Duell antwortete er, dass er sich nicht intensiv vorbereiten werde und stattdessen auf seine rhetorischen Fähigkeiten und Improvisationskunst vertraue. „Ich bereite mich nicht intensiv vor. Mein ganzes Leben war Vorbereitung genug“, erklärte Trump und betonte, dass seine langjährige politische Erfahrung und sein umfassendes Wissen ausreichend seien. Während Trump bereits intensiv in Interviews, Podcasts und auch vemehrt in Wahlkampfveranstaltungen präsent war, wurde Kamala Harris seit ihrer Nominierung als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten vorgeworfen, sich auffällig zurückhaltend zu zeigen. Das erste Interview nach ihrer Nominierung gab sie daraufhin letzte Woche, bei welchem sie zum ersten Mal gemeinsam mit Tim Walz beim Sender CNN auf der Bühne stand. Da Präsident Biden aus dem Rennen ausgestiegen ist, könnte dieses Duell auf ABC das einzige direkte Aufeinandertreffen zwischen Trump und Harris bleiben. Die Einigung über die Debattenregeln bietet einen klaren Einblick in die Auseinandersetzungen und es bleibt spannend abzuwarten, wie sich die beiden Kandidaten präsentieren werden.
Natalie Furjan
Das morgige TV-Duell Trump vs. Harris könnte das einzige direkte Aufeinandertreffen der Präsidentschaftskandidaten bleiben. Die Einigung über die Debattenregeln gibt Einblick in die Auseinandersetzungen und ist von strategischer Bedeutung für den Wahlkampf.
kolumnen
2024-09-09T07:33:31+00:00
2024-09-09T07:33:32+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/tv-duell-regeln-debatte-trump-harris-usa/