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2008-01-05 18:38:37
2025-06-12 11:57:15
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Nach „Flugscham“ nun „Ski-Shaming“? – Neuer Rekord: Gleich vier Grüne bei Hart aber Fair
Mit Felix Neureuther steht Louis Klamroth auf der Skisprungschanze von Garmisch-Partenkirchen, um über die Welt zu sprechen, das Klima, den Schnee und den ganzen Rest. Thema der Sendung: „Berge ohne Schnee – Ist Alpen-Tourismus noch okay?“ Der ehemalige deutsche Skirennläufer hat eine Doku moderiert, die der Sendung vorausging. Und Neureuther hat Angst. Vor den viel zu vielen Touristen in den Alpen. Und vor allem davor, dass sie sich wohl auch in Zukunft „immer noch das Skifahren leisten können“. Na, da seien doch wohl Habeck und Lindner vor, möchte man rufen. Neureuther ist offenbar auch Langzeit-Meteorologe. Er weiß ganz sicher: „Alles unter 1200 Meter wird schwierig sein die nächsten 30 Jahre.“ Zu wenig Schnee. Was dann? Umschnitt. Im Studio wartet Reinhold Messner, den Louis Klamroth zum Einzelinterview empfängt. Der weltberühmte Bergsteiger und ehemalige EU-Abgeordnete der Grünen steckt den Rahmen für den Abend ab: „Der Schwund des Permafrosts, das wird das Problem der Zukunft.“ Neben ihm auf der „Bank der Realisten“ sitzt Sporteventmanager Florian Stern aus Oberstdorf, der bereits die Vierschanzentournee organisiert hat. Er wirft der Neureuther-Vision mit den 1200 Höhenmetern erstmal eine andere Zahl hinterher. Skifahren werde zwar schwieriger, aber es „funktioniert immer noch, auch auf 700 Metern“. Dritte auf dieser Seite der Diskussionsrunde ist Michaela Kaniber, die bayerische Staatsministerin für Tourismus. Die CSU-Politikerin warnt eindringlich davor, jetzt analog zur „Flug-Scham“ möglicherweise auch noch „ein Ski-Shaming aufzumachen“. Sie mahnt mehrfach an diesem Abend Technologieoffenheit an und erzählt von einer KI-gestützten App, die am Tegernsee und am Schliersee bereits erfolgreich die immensen Verkehrsströme mit bis zu 70.000 Tagesausflüglern lenke. Doch damit die Wirklichkeit den Zuschauer nicht vollends umzingelt, hat Klamroth ja noch drei weitere Damen eingeladen. Und damit kommen wir zur lustigen Seite des Abends, nämlich der gegenüberliegenden Debattentheke. Was genau Martina von Münchhausen beim WWF Deutschland zur „Tourismusexpertin“ qualifiziert, wird leider nicht so recht deutlich. Denn die Alpen sind in ihren Augen bereits komplett „industrialisiert“ und auch die Katastrophe ist bereits final. Ihre Redebeiträge beginnt sie mit Halbsätzen wie „Jetzt, wo wir keinen Schnee mehr haben …“ oder: „Ohne Schneekanone ist kein Skifahren mehr möglich.“ Steile These. Gewissermaßen die schwarze Piste des Palavers. Aber es wird noch besser: Katharina Schulze ist da, Bayerns Grünen-Abgeordnete mit dem Master in TikTok-Tanzwissenschaften. Schon mit ihrem ersten Atemzug ist es raus, das unvermeidliche Wort: „Klimakrise“. Ausrufezeichen. Sie fordert „kluge politische Entscheidungen“ mit Verboten und „Subventionen“. Ihr Textbaukasten für diesen Abend hat alle bekannten Bausteine, aber nichts Konkretes. Deutschland müsse Vorbild sein und überhaupt. Angst kommt auf. Dass sich die Grünen nach der deutschen Wirtschaft möglicherweise noch die anderen Alpenländer vornehmen könnten. Den Punkt mit den Subventionen wirft Klamroth Reinhold Messner zu. Doch der Bergsteiger winkt ab: „Ich bin generell gegen jede Subvention. Das macht so viel kaputt.“ Klamroth traut seinen Ohren nicht und reagiert leicht zickig: „Auch in der Landwirtschaft?“ Doch Messner lässt sich nicht beirren. „In der Landwirtschaft haben wir so viele Fehler gemacht in den letzten hundert Jahren, dass es nur mehr korrigierbar ist, indem wir die Bauern jetzt von ihrer bürokratischen Keule erlösen.“ Bäm. Und die Alpen? „Die vertragen sogar noch mehr Gäste als bisher, wenn wir sie besser verteilen und wenn nicht alle mit dem Auto anreisen“, sagt Messner. „Sie suchen die Stille, aber in der Masse machen sie es alle kaputt.“ Er selbst habe Konzepte entwickelt für einen nachhaltigen Tourismus. „Ich mache aus dem aggressiven Skitourismus einen Kulturtourismus“, sagt er. Wenn man konstruktiv arbeite, müsse man sich auch nicht irgendwo auf den Asphalt kleben. CSU-Frau Kaniber kann mit den grün-woken Argumenten nichts anfangen. „Was mich stört, ist dieses deutsche Weißwestentum“, sagt sie. „Alles abschaffen ist auch keine Lösung. Man kann nicht mit einem Verbot diese Lenkung vollziehen. Nicht immer mit dem Vorschlaghammer arbeiten. Des mach’ ‘mer nicht mehr, und des mach’ ’mer nicht mehr.“ Intelligente Lösungen seien gefragt, „aber wir lassen es nicht zu, weil wir wieder mal die Welt retten“. Eventmanager Stern wirft kurz ein anderes Argument in die Runde: die weiterhin geltende Steuerbefreiung für Flugbenzin. Kaniber kann nicht an sich halten: „Das ist jetzt aber schlecht für die Partei der Vielflieger.“ Eine süffisante Spitze gegen die Grünen, die nach Auswertung der Bundestags-Reisedaten mehr fliegen als alle anderen Abgeordneten. Schulze lächelt süßsauer. Nach ein paar tiefgründigen Gedanken über Alpinismus und Tourismus bringt Reinhold Messner noch eine schöne These unter: Das Reisen dürfe man nicht verbieten, „weil wir damit andere Kulturen kennenlernen, andere Kontinente kennenlernen und damit auch Empathie entwickeln können. Es wäre gut, wenn ein paar bekannte Politiker mehr gereist wären.“ Übrigens: Wer von der Sendung immer noch nicht genug hat, für den gibt’s eine weitere Neuheit. „Hart aber Fair to Go“ immer am Folgetag in der ARD-Mediathek. Als wäre der Montag nicht schon hart genug.
Natalie Furjan
Anderes Sendekonzept: Klamroth jetzt nicht mehr nur im Studio, sondern auch mal an der frischen Luft. Doch der Grundtenor der Sendung ist das alte Panik-Programm. Diesmal: Klima, Krise, Erderhitzung, abschmelzende Gletscher. Wie passend: Im Studio sitzen diesmal gleich vier Grüne. Von Michael Plog
feuilleton
2024-02-27T07:32:57+00:00
2024-02-27T07:32:58+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/hart-aber-fair-gruene-alpen-tourismus/
Die Untergangsseligkeit ist eine Meisterin aus Deutschland
Neulich in einer der Landesvertretungen in Berlin. »Demokratie unter Druck« hieß das Thema der abendlichen Veranstaltung, eine von vielen derzeit, die sich mit dem Zustand der Republik befassen. Stets und zuallererst geht es um Rechtsextremismus, Antisemitismus, oft auch um »Islamfeindlichkeit« und populistisches Querdenkertum. Wie auch an diesem Abend ist man sich weitgehend einig, wo die Feinde der Demokratie zu finden sind – natürlich rechts. Im Handumdrehen steht die AfD im Mittelpunkt der Debatte, die eigentlich keine ist, weil es keinen grundsätzlichen Widerspruch gibt, auch nicht aus dem Publikum. Man ist unter sich, und so stößt auch die wiederholt formulierte These vom »strukturellen«, gleichsam unentrinnbaren postkolonial-weißen Rassismus in Deutschland, letztlich in ganz Europa, nicht einmal auf leise Kritik eines Pauschalverdachts – erst recht nicht, wenn sie von einem prominenten schwarzen Fußballweltmeister aus Frankreich vorgetragen wird, der sagt, seine Identität sei »schwarz«. Nur auf diesem Hintergrund wird die deutsche Asyl- und Flüchtlingspolitik der letzten zehn Jahre verständlich: ein großzügiges, schier grenzenloses humanitäres Engagement als Teil einer gefühlten historischen Wiedergutmachung diesseits und jenseits von Recht und Gesetz. Freilich steht ein Widerspruch als weißer Elefant im Raum: Wieso kamen ausgerechnet in dieses angeblich strukturell rassistische Land seit 2015 fast vier Millionen Migranten, größtenteils arabische und afghanische Muslime? Die Frage stellen heißt, sich Ärger einzuhandeln mit all jenen, die darauf antworten würden: eben deshalb. Sie kommen genau an den richtigen Ort: illegale Einwanderung als nationale Strafe für vergangene und gegenwärtige Untaten, ein Ablasshandel unter dem Banner der Willkommenskultur. Nun aber zeigt sich, dass der allgemeinen Euphorie die kollektive Depression gefolgt ist, Ängste und Enttäuschungen, Konflikte, Problemberge und Finanzlöcher, politische Entfremdung zwischen Bürgern und Politik, dazu ein grassierender Pessimismus. Genau hier steckt, frei nach Goethes Faust, des Pudels Kern: Weit und breit ist kein Optimismus mehr zu sehen. Während der Fußballeuropameisterschaft in Deutschland vor einem Jahr blitzte dennoch immer wieder ein selten gewordenes Gefühl auf, ein Ausbruch von Temperament, der einen halben, fast irritierenden Gedanken auslöste, der unter all den Klima- und Weltrettungsprogrammen der Ampel-Jahre verschüttet schien: Stolz. Gerade bei jungen, darunter vielen weiblichen Fußballfans konnte man regelrecht mit Händen greifen, dass sie wieder ein bisschen stolz sein wollen auf ihr Land, sich identifizieren wollen mit dem, was es ausmacht und was es sein könnte, wenn überhaupt einmal wieder so etwas wie Lust auf Zukunft, Tatkraft und die Verteidigung eigener Interessen auf der Agenda der Res publica stünde. Der Sound des alten proletarischen Kampfliedes, das zeitweise auch der SPD als Hymne diente – »Wann wir schreiten Seit’ an Seit’, mit uns zieht die neue Zeit!« –, klingt aus der stolzen Vergangenheit herüber, die noch an die eigene Zukunft glaubte. Es gehört zu den großen blinden Flecken des vergangenen rot-grünen Ampel-Ungeists, solche Motive als »nationalistisch« oder »rechts« darzustellen. In ihrem woken Furor haben sie die Realität des Landes verkannt, in dem inzwischen annähernd ein Drittel der Bevölkerung die berühmt-berüchtigte »Migrationsgeschichte« hat, also keine familiären Wurzeln in Oberbayern, die etwa bis in die Zeit Ludwig I. (1825–1848) zurückreichen. Auch diese Bürger wollen in einem Land leben, das selbstbewusst nach vorne schaut und ja, sich nicht im rituellen Kampf gegen Rassismus, Kolonialismus und Transphobie verliert. Mag sein, dass die Untergangsseligkeit eine Meisterin aus Deutschland ist – der türkische Taxifahrer hat damit nichts zu tun. Bevor er noch einmal Erdogan wählt, sollten wir ihm eine handfeste, positive Alternative in Deutschland anbieten. Darauf warten viel mehr Menschen, als man denkt. Auszug aus: Henryk M. Broder / Reinhard Mohr, Good Morning Germanistan. Wird jetzt alles besser? Europa Verlag, 208 Seiten, 18,00 €.
Jutta Willand-Sellner
Während der Fußballeuropameisterschaft in Deutschland blitzte ein selten gewordenes Gefühl auf, das in den Ampel-Jahren verschüttet schien: Stolz.
feuilleton
2025-03-30T17:29:02+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/buecher/die-untergangsseligkeit-ist-eine-meisterin-aus-deutschland/
Klimanotstands-Bürgermeister will doch einen Verbrenner-Dienstwagen
2019 erklärten viele deutsche Städte den „Klimanotstand“. Neben Köln, Saarbrücken, Bielefeld, Münster und vielen weiteren auch Leipzig. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) setzte das damals mit einer rot-rot-grünen Stadtratsmehrheit durch. Wir würden nämlich eine „Zeitenwende“ erleben und daher müsse man das Pariser Klimaabkommen für sein lokales Handeln ernst nehmen, sagte er damals. Aus dem Ganzen folgte nicht besonders viel, außer, dass man ein großes Zeichen gesetzt haben wollte; Leipzig solle bis 2050 klimaneutral werden und die Bürger sollten bewusster leben. Eines wurde aber ganz konkret beschlossen: die Anschaffung und Nutzung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren auf Basis fossiler Energieträger sollte in der Stadtverwaltung sofort eingestellt werden. Jetzt scheint es sich Oberbürgermeister Jung allerdings anders überlegt zu haben: denn für ihn und seine sieben Bürgermeister sollen jetzt doch Dienstwagen mit Verbrennungsmotor angeschafft werden. Dafür will er aber nicht die grundsätzliche Regelung ändern oder gar einen Fehler eingestehen, Nein, er will eine Ausnahmegenehmigung. Der Stadtrat soll nämlich beschließen, dass auch Hybride erlaubt sind, wenn der Dienstwagen mehr als zehn mal jährlich für Fahrten länger als 300 Kilometer gebraucht wird. Die Akkulaufzeit von Elektroautos sei nämlich nicht ausreichend. Jetzt stellen sich allerdings die Linken quer: „Wer wirklich nur zehn Tage im Jahr mehr als 300 Kilometer zurücklegen muss, kann auch mit dem Zug fahren“ heißt es aus der Fraktion. Man könne nicht „Wasser predigen und Wein ausschenken“. Der Umweltpolitische Sprecher Michael Neuhaus sagte ,„Wir lehnen die vorgeschlagene Blankovollmacht deshalb ab“. Der Herr Bürgermeister könnte es mit Autofahrten nach Berlin in Zukunft also schwer haben und merkt vielleicht am Rande einmal, was grüne Märchenpolitik im realen Leben für Folgen haben kann.
Max Mannhart
2019 erklärten viele deutsche Städte den „Klimanotstand“. Neben Köln, Saarbrücken, Bielefeld, Münster und vielen weiteren auch Leipzig. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) setzte das damals mit einer rot-rot-grünen Stadtratsmehrheit durch. Wir würden nämlich eine „Zeitenwende“ erleben und daher müsse man das Pariser Klimaabkommen für sein lokales Handeln ernst nehmen, sagte er damals. Aus dem Ganzen folgte nicht besonders
daili-es-sentials
2020-11-30T14:30:25+00:00
2020-11-30T16:00:30+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/leipzig-ob-jung-ausnahmeregel-dienstwagen/
Gewalt: Nur Linksfaschisten sind gute Faschisten
Das gibt es häufiger, dass auf die Wahlkreisbüros von Politikern Anschläge mit Farbbeuteln verübt oder Scheiben eingeworfen werden. Trifft es einen Linken-MdB, ist der Aufschrei bei Twitter und in den so genannten sozialen Netzwerken sehr groß. Der Grund: Weil sich dort überproportional viele Vorkämpfer der „Political Correctness“, selbst ernannte Antifaschisten und sonstige Gutmenschen jedweder Schattierung tummeln – überproportional zu ihrer Zahl, aber umso überzeugter von ihrer eigenen moralischen Überlegenheit und politischen Unfehlbarkeit. In der Nacht zum Freitag gab es, wie die „Mitteldeutsche Zeitung“ berichtet, in Halle gleich zwei Anschläge dieser Art. Die Betroffenen: der SPD-Abgeordnete Karamba Diaby und CDU-MdB Christoph Berger. Sehr vieles, wenn nicht alles deutet darauf hin, dass dieser Gewaltausbruch im Zusammenhang mit einer Demonstration gegen die angebliche Verschärfung des Asylrechts stand. Es muss sich demnach um linksradikale Gewalttäter gehandelt haben. Das freilich regt auf Twitter und und in den einschlägigen Blogs so gut wie niemanden auf. Warum auch? Handelt es sich bei den GroKo-Politikern doch vermutlich ohnehin um „Ausländerfeinde“ und „Reaktionäre“. Eigentlich, so denken wohl die klammheimlich applaudierenden, gefühlten Vorkämpfer für Menschenrechte, kann ein bißchen Gewalt „gegen Rechts“ nicht schaden. Was im Umkehrschluss bedeutet: Es gibt „gute“ Gewalt (von links) und „schlechte“ Gewalt (von rechts). Anders formuliert: Linksfaschisten sind gute Faschisten – jedenfalls aus Sicht unserer „Antifaschisten“.
Gewalt ist nicht gleich Gewalt: fatale Doppelmoral nicht nur auf Twitter und Facebook
daili-es-sentials
2015-06-19T14:34:50+00:00
2015-06-30T21:42:36+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/gewalt-nur-linksfaschisten-sind-gute-faschisten/
Nach Messerangriff und Randale: Irische Regierung will Hassrede-Regeln verschärfen
Nach dem Messerangriff vom vergangenen Donnerstag und den folgenden Unruhen hat sich das Meinungsklima in der irischen Hauptstadt um einige Grad erhitzt. Es hatte bis zum frühen Freitagmorgen gedauert, bis die irische Polizei die allgemeine Ordnung wieder hergestellt hatte. 50 Gardaí, wie die irischen Polizisten genannt werden, wurden verletzt. Fast ebenso viele Festnahmen gab es. In der irischen Politik ist aufgrund der Tat eines anscheinend verwirrten Algeriers die Zwietracht ausgebrochen. Ein fünfjähriges Mädchen kämpfte danach im Krankenhaus um sein Leben. Zwei weitere Kinder und zwei Erwachsene wurden verletzt. Rücktrittsforderungen gegen die verantwortliche Justiz- und Polizeiministerin McEntee, die in einer gewissen Sprache gehalten sind („he needs to take her out“), werden kritisiert, weil sie so ähnlich wie die Slogans der Demonstranten-Randalierer vom Donnerstag klingen: „Get them out!“ („Schiebt sie ab!“). Das deutet auf ein geradezu paranoides und neurotisches Meinungsklima in der irischen Polit-Kaste hin, die den Einschlag durch die Unruhen nicht gut verkraftet hat. Ähnliches wäre in Deutschland zu erwarten, wenn sich gleiches hier zutrüge. In Irland ging nun die Sinn-Féin-Vorsitzende und Oppositionsführerin Mary Lou McDonald zum Angriff gegen die Regierung aus christlich-konservativer Fine Gael („Familie der Gälen“), konservativer Fianna Fáil und der Grünen Allianz über und beklagte zweierlei. Zum einen muss auch sie nach dem Messerangriff vom letzten Donnerstag feststellen, dass man sich im Zentrum von Dublin nicht mehr sicher fühlen kann. Ein algerischer Angreifer hatte mehrere Kleinkinder und zwei Erwachsene teil schwer verletzt. Mehrere Passanten hatten den Angreifer außer Gefecht gesetzt, darunter ein zufällig vorbeikommender Lieferfahrer, der deshalb nun 350.000 Euro „Trinkgeld“ gespendet bekam. Für die Opfer kamen nur 160.000 Euro zusammen. Der algerische Messertäter war, das berichtet die Daily Mail, schon im Mai wegen Messerbesitzes festgenommen, aber wegen festgestellter psychischer Probleme nie verurteilt worden. Auch zuvor war der bald 50-jährige der Polizei schon mehrmals aufgefallen. Er lebte seit rund zwanzig Jahren in Irland und erhielt vor zehn Jahren die Staatsbürgerschaft. Er wohnt in einer Sozialwohnung, die nach der Tat vom Donnerstag durchsucht wurde. Zum anderen verurteilte Sinn-Féin-Chefin McDonald aber auch die Reaktion der Demonstranten und der Randalierer auf das Geschehen, wandte diese Kritik aber umgehend gegen die Justizministerin und den Polizeichef, die darin gescheitert seien, einerseits die innere Sicherheit für die Bürger sicherzustellen, andererseits die Polizeikräfte „korrekt“ einzusetzen. Die Polizei habe die Kontrolle über Teile der irischen Hauptstadt verloren und „katastrophale operationale Fehler“ begangen. Laut McDonald hatte es solche Randale schon früher gegeben. In der Tat sind Hooligan-Unruhen nichts Ungewöhnliches, etwa nach Sportereignissen. Einige Videos vom Donnerstag zeigen Personen, die – in durchaus gewohnheitsmäßiger Art – Freude an dieser Art der Zerstörung zu empfinden scheinen, etwa wenn ein kräftig gebauter Mann andere dazu aufruft, einen Polizeiwagen umzuwerfen. Neu waren also sicher nicht die Mittel und Formen, neu war aber der Anlass der Unruhen. Und obwohl jede Form der Randale natürlich zu verurteilen ist, hatte sie hier einen im Grunde politischen Hintergrund. Einer der Aufrufe zur „Demonstration“ auf X lautete: „Um sieben Uhr treffen wir uns alle in der Stadt. Wenn Du Dein Land und dessen Kinder liebst, sei dabei.“ Dazu trendete der Hashtag #enoughisenough: Genug ist genug. Dass sich kriminelle Plünderer darauf setzten, bleibt zu bedauern. Aber zunächst war anscheinend ein Protest gegen die Überforderung einer ganzen Gesellschaft durch illegale Migration geplant. Insofern tut McDonald, so weit links sie auch stehen mag, gut daran, die grün-konservative Regierung zu kritisieren: „Wir haben ein Szenario, in dem sich die Menschen in Teilen der Dubliner Innenstadt nicht mehr sicher fühlen.“ Das gelte für Schulkinder, deren Eltern und Großeltern, die sie zur Schule bringen, und natürlich für alle anderen, die in Dublin arbeiten oder leben, es besuchen. Die Ministerin und der Polizeichef seien gleichermaßen unhaltbar geworden. Der junge Hochschulminister Simon Harris sagte im öffentlich-rechtlichen Sender RTÉ, dass es eine Überprüfung und einen Bericht zum Agieren der beiden Verantwortlichen geben werde. Justizministerin Helen McEntee (aus der nominell konservativen Fine Gael von Leo Varadkar) ging derweil in die Offensive und forderte endlich die Einführung der technischen Gesichtserkennung, um bei ähnlichen Unruhen künftig die Missetäter schnell feststellen zu können. In der Regierung ist das Vorhaben nicht unumstritten, etwa bei den Grünen. Für die Ministerin ist es nur ein Teil ihrer Agenda für eine „robustere“ Polizeiarbeit, wozu außerdem die Nutzung von Körperkameras durch die Beamten gehört. So wird mit einer unübersichtlichen Lage – schrankenlose Kriminalität und darauf folgende Empörung der Bürger – ein stärkeres Zugreifen der Sicherheitskräfte begründet. McEntee wird auch von den Oppositionsparteien dafür kritisiert, dass sie Gesetzesvorhaben in großer Eile durch das Parlament treibe und dasselbe so faktisch entwerte. Man könnte aber bei dem Ganzen auch beginnen zu fragen: Wem haben diese Unruhen eigentlich genützt? War es nicht am Ende die woke, überwachungsversessene Regierung in Irland? Insofern kann man aus der Ferne nicht einmal eine False-Flag-Operation ganz ausschließen. Auch Premierminister Leo Varadkar will nun hart gegen die Gewalttaten durchgreifen. Die Randalierer hätten „Schande über Dublin“ und über Irland, ihre Familien und sich selbst gebracht. Niemals hätten sie aus Patriotismus gehandelt, sondern nur aus Hass, aus Liebe zu Gewalt und Chaos. „Sie lieben es, anderen Schmerzen zu bereiten“, sagte Varadkar wörtlich. Er findet die Ereignisse schlicht „grotesk“, was aber auch ein Licht auf den Premier selbst und seine Distanz zum eigenen Land wirft. Man könnte es „out of touch“ nennen. Am Vorgehen der Regierung, an der auch die konservativen „Populisten“ von Fianna Fáil beteiligt sind, wird es liegen, ob die Iren zukünftig Vertrauen in ihren Staat und in die öffentliche Sicherheit haben werden oder nicht. Allerdings trägt die weiche Haltung zur illegalen Migration, die auch Premierminister Leo Varadkar einnimmt, nicht dazu bei, dass das Sicherheitsgefühl der Iren und die reale Sicherheit gesteigert werden. Heute ist jeder fünfte Ire im Ausland geboren, aber in viele Fällen in einem europäischen Land oder einem Land von europäischer Kultur. Eins scheint sicher: Die Wut war erheblich groß und kam für die Eliten gänzlich unerwartet. Insgesamt wurden elf Einsatzwagen und mehrere Busse beschädigt. Dreizehn verwüstete oder geplünderte Läden kommen laut Polizeichef Drew Harris dazu. Harris sagte, man habe nicht vorhersehen können, dass in dieser Weise auf ein furchtbares Verbrechen reagiert werde. Was hat Varadkar aber konkret vor? Er will die Hassrede-Gesetze verschärfen, die verhindern sollen, dass derartige Aufrufe – die zunächst nur zu einer Versammlung riefen – überhaupt gepostet werden können. Das sieht man nicht nur in Irland kritisch. Der angeblich sozialreformerisch gesonnene Bismarck-Konservative Varadkar ist längst zum Apostel der Wokeness geworden. Jüngst stellte er sich mit einem geschmacksneutralen Tweet bloß, der die Freilassung einer Geisel zum „Wiederfinden“ eines „verlorenen Mädchens“ umgestaltete. Das ist die Art von Sprache, die auch Anhänger der Hamas nicht vergrämen will, und führte zu heftiger Kritik ebenso online wie von der israelischen Regierung, die darauf beharrte, dass die kleine Emily Hand von Terroristen entführt worden sei, dabei zusehen musste, wie ihre Nachbarn ermordet wurden, bevor sie nun aufgrund des militärischen Drucks und Verhandlungsgeschicks der israelischen Seite wieder freikam. Daneben will der woke Varadkar den öffentlichen Dienst in Irland per Gesetz diverser machen, vor allem auch in Polizei, Armee, Schulen und Amtsstuben, obwohl die überwältigende Mehrheit der Iren eben nicht braun oder schwarz, sondern weiß ist.
Matthias Nikolaidis
Nach Unruhen und Plünderungen vom letzten Donnerstag und Freitag in Dublin kommt die irische Politik nicht zur Ruhe. Die Justizministerin will zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, Premierminister Varadkar die Gesetzgebung zur Hassrede im Netz schärfen. In wessen Interesse war die Randale eigentlich? Auch sonst kommt Varadkar nicht aus den Schlagzeilen.
kolumnen
2023-11-27T16:04:43+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/irland-premier-leo-varadkar
Angst essen Freiheit auf
Servus Tichy, Angst, schrieb Kierkegaard, ist das „Schwindelgefühl der Freiheit.“ Sie gehört also zur Freiheit dazu. Aber nur wenn das Schwindelgefühl nicht in Ohnmacht umschlägt. Ich fürchte, wir schlittern mit freundlicher Unterstützung der Regierung in eine kollektive Angstneurose. Die USA machen es vor. In Amerika ist gerade ein Gehörloser von einem Polizisten erschossen worden, weil er nicht hören wollte. Tragisch? Noch nicht einmal tragikkomisch. Tragisch wäre das Unvermeidbare, Schicksalhafte. Die absurde Szene aber war vermeidbar. Gewiss ein Einzelfall und dennoch symptomatisch für eine hysterische, von sich selbst traumatisierte Angstgesellschaft. Die Polizei hat Angst, und jeder hat Angst vor der Polizei. Angst vor der Polizei haben müssen inzwischen sogar Eltern, die ihre Kinder ein paar Minuten lang auf der Straße unbeaufsichtigt spielen lassen. Weil Angst zu haben inzwischen Elternpflicht, ja Bürgerpflicht ist. In den Parks spielen keine Kinder mehr. Angst wird ihnen systematisch eingeimpft. Die Deformation nehmen sie mit ins Erwachsenenleben. Die Leute haben Angst vor Terror, vor Zika-Viren, vor dem Wetter, vor der Polizei, vor allen Risiken und Gefahren des Lebens. Angst schürt Gewalt, die wiederum Angst erzeugt. In den USA war Freiheit einmal das höchste Gut. Angst essen Seele auf, aber auch Freiheit. In Deutschland, sagen die jüngsten Zahlen des Instituts für Demoskopie, fürchten zwei Drittel der Bevölkerung, Opfer eines Verbrechens zu werden. Vor fünf Jahren waren es nur ein knappes Drittel. Lasst euch nicht verrückt machen, tönen die Mainstream-Medien, die von der Hysterie leben, aber auch an der Verharmlosung objektiver Risiken mitwirken. Der Islam, heißt es, sei eine friedliche Religion. Wer sich fürchtet, sei selbst schuld. Am besten, wir verbieten die Angst. Jetzt hat aber selbst die Merkel-CDU das Wahlkampfthema Sicherheit entdeckt. Denn die Kanzlerin hat es geschafft, dass die Ängste noch schneller steigen, als ihre Popularität sinkt. Zuerst instrumentalisierte sie die Ängste, die ein Tsunami im fernen Japan auch bei uns verursachte, verstärkte sie propagandistisch und begründete mit dieser Angst ihre energiepolitisch kopflose Wende. Sie benötigte diese Angst, um die überhastete, autoritäre Entscheidung zu legitimieren. Mit Hilfe der Angst hebelte Merkel den demokratischen Entscheidungsprozess aus. Immerhin hatte sie die Ängste vor den Restrisiken der Kernenergie nicht erfunden, sondern bloß machtpolitisch missbraucht. In Sachen Migration ging sie einen entscheidenden Schritt weiter. Merkel schuf selbst die Hauptursache der Angst. Denn radikalislamischen Terror gab es vorher schon, Einwanderung auch. Der Kontrollverlust an den Grenzen aber ist neu und hausgemacht. Wir sollten unterscheiden zwischen objektiven Gefahren und Ungewissheiten. Die ersten sind bekannt und lassen sich mehr oder weniger gut abschätzen. Es gibt Erfahrungen, aus denen man lernen könnte, und mit denen man leben muss. Verkehr etwa ist riskant. Trotzdem nehmen wir hinreichend sicher an ihm teil. Jetzt aber sitzen die Deutschen dummerweise in einem Bus, an dessen Steuer eine Politikerin sitzt, die bewiesen hat, dass sie nicht fahrtüchtig ist. Statt dessen macht sie eine Durchsage. Schnallen Sie sich bitte an! Statt mit wirkungsvollen Maßnahmen zur Beruhigung beizutragen, empfiehlt die Merkel-Regierung Wasser und Konserven zu horten. Mit der Abwehr der objektiven Gefahr hat das nichts zu tun, wie der Innenminister selbst zugibt. Statt „alles Menschenmögliche“ zu tun, steigert die Merkel-Koalition die allgemeine Verunsicherung. Schlimmer als objektive Gefahren sind Ungewissheiten, die plötzlich auftreten, die es zuvor noch nicht gegeben hat, die aber unvorstellbar groß sind. Ungewissheiten sind die wahren Angstmacher. Wenn wir noch nicht einmal wissen, wovor wir Angst haben müssen. Cyberkriege, Epidemien, die Folgen der digitalen Revolution, die Kehrseiten der Globalisierung. „Es ist zum ersten mal fast unmöglich, zu sagen, wie die Welt in 30 Jahren aussehen wird“ sagt der israelische Universalhistoriker Yuval Harari. Deshalb leben wir in Zeiten der Angst trotz objektiv hoher Sicherheit. Auch Politiker sind überfordert. Warum denken sie trotzdem immer nur bis zur nächsten Wahl? In einer demokratischen Gesellschaft, die weniger obrigkeitsstaatlich geprägt ist, als die unsere, wäre der Diskurs über die Zukunft offen – und damit mehr vernunft- statt angstgetrieben. Gewiss, es gibt keinen Anspruch auf Angstlosigkeit. Die Politik könnte ihn niemals einlösen. Den Anspruch aber, objektive Risiken zu minimieren, muss die Politik an sich selbst stellen. Was deutsche Regierungen im Kampf gegen Risiken und Ungewissheiten geschaffen haben, ist nicht zu übersehen. Es ist eine politisch weitgehend entmündigte, überregulierte Gesellschaft. Die Deutschen akzeptieren dies, weil sie irrtümlich glauben, Vorschriften seien ein Mittel gegen Risiken und Ungewissheiten. Erscheinen Risiken als unüberschau- und unkalkulierbar, gilt die Freiheit selbst als riskant. Die meisten Deutschen ziehen Sicherheit der Freiheit vor. Deshalb ist Angst die größte Gefahr der Freiheit. Wovor haben Sie Angst, Tichy? Ich kann Ihnen sagen, wovor ich mich fürchte. Nicht vor dem Islam und nicht vor den Rechten, nicht vor Putin und nicht vor le Pen. Sondern vor der ewigen Frau Merkel, die mit den Gefühlen der Bürger jongliert. Die Ängste schürt, indem sie selbst Risiken schafft. Die es zulässt, dass die Freiheit des Wortes wieder bedroht ist – aus Angst vor der Angst. Und davor, dass Angst die Freiheit aufisst.
Fürchten muss man Merkel, die zulässt, dass die Freiheit des Wortes wieder bedroht ist: aus Angst vor der Angst. Und davor, dass Angst die Freiheit aufisst.
kolumnen
2016-08-27T06:46:53+00:00
2016-08-27T20:03:13+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/herles-faellt-auf/angst-essen-freiheit-auf/
Wahlumfragen lassen eine desaströse Kontinuität befürchten
Brandenburg wird schlecht regiert – und zwar seit der Wiedergründung des Landes Brandenburg nach der Friedlichen Revolution – von seiner selbstgefälligen und arroganten Staatspartei namens SPD. Man könnte spotten, dass man in Brandenburg nicht einmal das Fenster öffnen kann, ohne die SPD um Erlaubnis zu bitten, oder sich die Schnürsenkel binden darf, ohne dass einem ein SPD-Apparatschik über die Schulter schaut. Wenn es nicht reicht, nimmt die SPD die Linken oder die Grünen oder die CDU mit in die Regierung, doch das ändert nichts an der Regierung. Denn diejenigen Politiker anderer Parteien, die sich Minister nennen dürfen, sind am Tage ihres Amtseides nicht von ihren SPD-Kollegen zu unterscheiden. In Brandenburg regiert immer die SPD, ganz gleich welche Farbkleckser das satte Rot einzufärben hat. Man fühlt sich immer ein bisschen an die SED erinnert. Einst fürchteten sich die Berliner vor ihrem König Friedrich Wilhelm I., der, wenn ihm die Laune kam, mit einem Knüppel aus dem Berliner Stadtschloss stürmte und jedem Berliner, dessen er habhaft werden konnte, durchbläute und dabei ausrief: „Lieben sollt Ihr mich.“ Nun besitzt Dietmar Woidke zwar keinen Knüppel, aber eine emotionale Erpressung macht es ja auch, denn die Brandenburger SPD plakatiert: Wer Woidke will, muss SPD wählen. Und Woidke legt überheblich nach: „Wenn die AfD auf Platz Eins landet, kann ich als Ministerpräsident nicht weitermachen.“ Welch Wohltat für Brandenburg wäre das. Die Brandenburger haben am 22. September die Chance, sich von Woidkes desaströser Herrschaft zu befreien, denn keiner kann Brandenburg so gut ruinieren wie er. Laut Statista ist Brandenburg mit 4039 Windräder im Jahr 2023 nach Niedersachsen das Land, das die höchste Anzahl an Windrädern hat. Mit Woidkes und Steinbachs, Woidkes Wirtschaftsminister, Amour fou zu Windrädern, haben sie den Brandenburgern überhöhte Energiepreise beschert. Selbst der Woidke genehme, und grünenhörige RBB meint: „Strompreise sind in Brandenburg im Vergleich zu anderen Bundesländern oft höher. Das liegt vor allem an den höheren Netzentgelten.“ Und hohe Netzentgelte zeigen die Kehrseite von Woidkes und Steinbachs Windkraftliebe, ihrer Anti-Wirtschaftspolitik, ihrer Anti-Brandenburg-Politik, einer Politik, die auf Kosten der Brandenburger Bürger die Erneuerbaren-Energien-Aristokratie bereichert. Auch für Firmen wie Enertrag haben Woidke und Steinbach die funktionierende Raffinerie PCK mit Habeck im Bunde und auf polnischen Druck in Ungewissheiten gestürzt. Die Raffinerie wurde unter die Treuhandaufsicht des Staates gestellt und ab 1. Januar 2023 verbarrikadierte man die Pipeline Drushba gegen russisches Erdöl, obwohl Pipeline-Öl vom Embargo ausgeschlossen war und die Polen fleißig weiter aus Russland Erdöl bezogen haben. Kann man das schon Sabotage nennen? Egal, die Brandenburger Autofahrer, und nicht nur die, denn das PCK Schwedt stellt auch Flugzeugbenzin, Diesel und Bitumen her, blechten für Woidkes und Steinbachs Regierungskunst. Woidkes SPD brüstet sich damit, dass am 1. Juli 2024 die Medizinische Universität Lausitz – Carl Thiem (MUL-CT) in Cottbus gegründet wurde, die im Wintersemester 2026/27 einen Medizinstudiengang als Modellstudium anbieten will. Zunächst wurden die Kosten auf 2,1 Milliarden Euro geschätzt, nun werden es 3,7 Milliarden Euro, wie die Wissenschaftsministerin Schüle sagt. Doch bei Schüle, die auch als Kulturministerin als eifrige Förderin der Gesinnungskultur von Grün bis Rot glänzt, könnten es am Ende auch mehr als 3,7 Milliarden Euro werden, denn wer sich einmal um über ein Drittel verschätzt, dem kommt es offensichtlich nicht auf Peanuts an oder er kann nicht rechnen oder beides. Doch bis zum Jahr 2038 sollen 1,9 Milliarden vom Bund, 1,8 Milliarden vom Land Brandenburg kommen. Und dann? Die jährlichen Kosten würde Brandenburg jedenfalls nicht allein bestreiten können, doch da ist Woidke so oder so nicht mehr im Amt. Die Phantasiebilder, die Woidke für seine Lausitzer Heimat zeichnet, werden in ein paar Jahren implodieren. Woidkes Wirtschaftsminister Steinbach setzt auf Photovoltaik. Dieses Engagement richtet sich gegen die Bauern im Land, denn die Förderung großer Photovoltaikflächen treibt die Pachtpreise für Ackerflächen in die Höhe. Aber auch Woidkes grüner Landwirtschaftsminister hat sich bisher nicht als Minister für, sondern eher gegen die Bauern profiliert. Woidkes Bildungsminister und Genosse Steffen Freiberg hat seinen Parteiauftrag vorbildlich erfüllt, denn im Bildungsranking belegt Brandenburg den vorletzten Platz im bundesrepublikanischen Ranking. Über die CDU-Minister in Woidkes Kenia-Koalition lässt sich nur so viel sagen, dass sich über sie nichts sagen lässt. Vielleicht dann doch so viel, dass Brandenburgs Innenminister Stübgen sich zum Gespött machte, als er aus den Medien erfuhr, dass Haldenwangs Verfassungsschutz und schreibende Mitarbeiter eines Vereins, den man auch als Haldenwangs Mitteilungsblatt verspotten könnte, unmittelbar vor Stübgens Augen eine Szene von „John English“ in der Villa Adlon drehten? Sollten sich die Zahlen bestätigen, dann müsste Woidke zum Wohle des armen, geschundenen Brandenburgs seinen Hut nehmen, denn laut Infratest dimap steht die AfD bei 27 Prozent, die SPD bei 23 Prozent, die CDU bei mageren 18 Prozent, das BSW bei 15 Prozent und die Grünen bei 5 Prozent. Das Institut Wahlkreisprognose kommt sogar auf 30 Prozent für die AfD, 20,5 Prozent für die SPD, 15 Prozent für die CDU, dicht gefolgt vom BSW 14,5 Prozent und 5,5 Prozent für die Grünen. Schadenfroh könnte man darauf verweisen, dass es die Grünen waren, die unbedingt das Wahlalter auf 16 Jahre herabsetzen wollten, was ihnen nun auf die Füße fällt. Wobei wir zu den Koalitionen kämen, die möglich wären, wenn sich die Umfragen in Wahlergebnisse umsetzen würden. Sollten es die Grünen in den Landtag schaffen, haben sie das Potsdam und Kleinmachnow zu verdanken. Dann würde sich die Kenia-Koalition zum Schaden Brandenburgs durch weitere fünf Jahre schleppen. Fliegen die Grünen raus, käme in Brandenburg eine SPD-CDU-BSW-Koalition in Betracht. Viel ändern würde sich auch hier nicht. Die einzige wirkliche Alternative für Brandenburg, die Bewahrung und Aufbruch ermöglichen könnte, wäre eine CDU-AfD-Koalition, doch dafür dürfte den langjährigen Politikangestellten der CDU die Kraft fehlen. Womit man nach den neuesten Zahlen aber rechnen kann, ist, dass die SPD ihre Macht und ihre beträchtlichen Ressourcen in einem Schmutzwahlkampf gegen die AfD nutzen wird. Gern auch mit der Hilfe des RBB, einiger Zeitungen und womöglich des Landesamtes für Verfassungsschutz. Ob die SPD bei dieser Kampagne sauber und penibel zwischen Partei und Staat trennt, darf bezweifelt werden. Ob die Verzweiflungskampagne am Ende hilft, übrigens auch.
Klaus-Rüdiger Mai
Sollten sich die Zahlen bestätigen, dann müsste Woidke zum Wohle des armen, geschundenen Brandenburgs seinen Hut nehmen: Laut Infratest dimap steht die AfD bei 27 Prozent, die SPD bei 23 Prozent, die CDU bei mageren 18 Prozent, das BSW bei 15 Prozent und die Grünen bei 5 Prozent.
meinungen
2024-09-06T15:32:11+00:00
2024-09-06T15:32:12+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/brandenburg-landtagswahl-umfrage/
Neue Insa-Umfrage: AfD nur noch knapp hinter Union – Deutschlands gordischer Knoten zieht sich zu
Die neueste Insa-Umfrage bestätigt einen Trend, der in den letzten Monaten zu verfolgen war und sich verstetigt. Die AfD liegt vor der CDU und kommt auf Sichtweite an die Union heran. Würde am Sonntag gewählt, kämen die Unionsparteien auf einen Wert von 26 Prozent der Stimmen, die AFD auf 22 Prozent, 2 Prozentpunkte mehr als in der Vorwoche und doppelt so viel wie vor einem Jahr. Bei SPD, Grüne, FDP und Linke gibt es keine Veränderung, sie stagnieren bei 18 Prozent, 14 Prozent, 7 Prozent und 5 Prozent. Doch die Bastion der SPD ist wacklig, denn sie ist zu einer woken Partei geworden, wie die Affäre Pantisano in Berlin zeigt, zu einer Partei, die ihre sozialpolitische Kompetenz im gleichen Maße verloren, wie sie identitätspolitische Weihen angenommen hat. Die rot-grüne Landesregierung hat einen Hilferuf an die rot-grün-gelbe Regierung nach Berlin gesandt, um die Deindustrialisierung Niedersachsen mit enormen Steuermitteln aus dem Bundeshaushalt abzuwenden. Doch mit diesem verzweifelten Voodoo verbrennt man nur Steuergelder, in der Hoffnung, Zeit zu gewinnen, wo man realiter doch nur Zeit verplempert. Aufgrund der Realitätsverweigerung stehen die Parteien – mit Ausnahme der AfD – und viele Medien hilflos vor der Entwicklung, flüchten in Propaganda, bemühen verzweifelt Klischees und zeigen sich doch nur als Gefangene ihrer Vorurteile. Selten lief politische Kommunikation so im Leerlauf, selten wurden tausendmal gehörte Textbausteine und Phrasen bemüht, dass selbst Texte von ChatGPT überraschender und farbiger wirkten. Grau ist den Funktionären der Parteien die Wirklichkeit, grau ist ihre Sprache. Die unlösbare Situation besteht darin, dass die Regierung Probleme produziert, die sie dadurch zu beheben gedenkt, dass sie noch größere Probleme erzeugt. Folgeabschätzung ist für sie ein Fremdwort, ihr Motto lautet hingegen: Ich will es, also macht es. Man nennt es Voluntarismus, die Wirklichkeit ist nichts, der Wille ist alles. Der Voluntarismus ist die deutsche Krankheit schlechthin. Der absolut gesetzte Wille ist die Leiter, die in die Höhen der Träume führt. Die Ratlosigkeit der Parteien, die sich in den üblichen Mustern des Orwellschen Politsprechs, den Verdrehungen, im Bemühen von Verschwörungstheorien breitmacht, die Geschwindigkeit, in der man Zuflucht zu kommunistischen Regelungen von der Antidiskriminierungsdiskriminierung bis hin zur Etablierung von Räten, um peu à peu von einer parlamentarischen Republik in eine Rätediktatur überzugehen, zeigt nur, dass die Eliten nicht aus ihrer Blase mehr herausfinden, sie mit ihrem Latein zwar nicht weiterkommen, nicht mehr so weiterregieren können, es aber wollen, die Regierten aber immer weniger mit dieser Regierung leben können. Die einen wollen nicht anders, weil sie nichts anderes wissen und kennen, die anderen können so nicht länger – das ist der große deutsche Widerspruch, der politisch und demokratisch gelöst werden muss. Nichts anderes sagen die Zahlen aus. Niemand sollte aus Gründen einer vermeintlich guten Sache der Verführung nachgeben, den Widerspruch auf einem anderen als einen demokratischen und politischen Weg lösen zu wollen.
Klaus-Rüdiger Mai
Die AfD erreicht einen neuen Höchstwert: 22 Prozent. Die Ampel kommt auf 39 Prozent – zu wenig für eine parlamentarische Mehrheit. Die unlösbare Situation besteht darin, dass die Regierung Probleme produziert, die sie dadurch zu beheben gedenkt, dass sie noch größere Probleme erzeugt.
daili-es-sentials
2023-07-22T13:44:42+00:00
2023-07-22T14:07:45+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/afd-22-prozent-hoechstwert-union-sonntagstrend-insa/
Bei hart aber fair: Alle gegen Apokalyptiker Karl Lauterbach
Vergessen wir das im Folgenden bitte nicht: Karl Lauterbach wäre zwar gerne so etwas wie Nostradamus, apokalyptischer Reiter und Medicus in Personalunion, aber er bleibt Politiker der SPD und das zuallererst und auch danach. Der größte Moment seiner politischen Karriere war wohl 2013 die Berufung in das Kompetenzteam von Peer Steinbrück. Letzterer scheiterte damals an Angela Merkel, ergo scheiterte auch der bei der SPD als Gesundheitsexperte geführte Lauterbach. Seine Warhol-15-minutes-of-fame lagen da aber noch vor Karl Lauterbach und sie dehnten sich mit den ersten Corona-Fällen in Deutschland sogar noch auf Talkshow-Format aus: Der Politiker ist im Windschatten von Corona zu so etwas wie einem Fotobomber des öffentlich-rechtlichen Fernsehens geworden, so auch dieses Mal wieder bei Frank Plasbergs Hart aber Fair, wo er wieder zuverlässig auftaucht, als würde er sich schon selbst einladen, vergleichbar seiner Dauerpräsenz bei Markus Lanz. Bei Plasberg muss man sich das fragen: Über wie viele Sendungen hinweg beschäftigt sich Hart aber Fair eigentlich schon mit Corona? Schon häufiger als damals, als Plasberg eine Obsession in Sachen Quatschen über die Segnungen der Massenzuwanderung entwickelt hatte? Wahrscheinlich liegt das Zuwanderungs-Halleluja quantitativ noch etwas vorne, aber Corona und der Talk über den Segen der Regierungsmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie schließt stetig auf. Frank Plasberg fragt gleich zu Beginn: „Rechtfertigen 270 Menschen auf deutschen Intensivstationen eine ganze Gesellschaft im Alarmzustand?“ Michael Preetz schwärmt von den Hygienemaßnahmen der Bundesliga. Karl Lauterbach findet das unmöglich, die Menschen auf den Tribünen hätten laut mit den Nachbarn gesprochen, das führe doch zu Tröpfcheninfektionen. Dr. Andreas Gassen kann das nicht lange ertragen und klärt Lauterbach erst einmal darüber auf, um was es sich seiner Meinung nach bei einer Tröpfcheninfektion überhaupt handelt und das es schon 15 Minuten intensives Gespräch unter einem Meter bräuchte, um die Infektionswahrscheinlichkeit deutlich zu erhöhen. Klar, was der Lauterbach da macht, ist schon mies: Natürlich besteht immer ein Restrisiko und wenn nichts schief geht, wer würde da böse auf den Mahner zeigen? So aber kann Lauterbach, wenn es doch düster wird, „siehste“ sagen. Eine unanständige Kaffeesatzleserei. Und eine, die sich dann auch noch anderen Meinungen gegenüber verweigert – der Apokalyptiker in seiner Paraderolle. Wenn doch etwas Schlimmeres passiert – und darauf setzt er ja – dann erlebt er seinen persönlichen Triumph. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wundert sich sogar, dass die Deutschen eine Reihe von Einschränkungen so klaglos haben über sich ergehen lassen, „das hat es in Deutschland seit über 80 Jahren nicht gegeben“, legt er gleich mal einen lupenreinen Nazivergleich nach. Autsch, der Sozialdemokrat bekommt seine Packung schon Minuten nach Anpfiff, erfährt etwas über einen Interessenausgleich zwischen den Bedürfnissen einer Gesellschaft und den Medizinischen. Plasberg gibt an Lauterbach weiter, aber nicht, ohne ihn vorher noch zu schimpfen: „Sie sind der Politiker und der Hardliner.“ Lauterbach rechnet das gesamte Spiel hoch und zählt alle Sprechkontakte zu den besagten 15 Minuten zusammen und zählt die Anreise noch drauf. Wie auf dem Basar. Und die Drohung gleich hintendran: Wenn die Zahlen steigen, „werden wir die Stadien wieder zuschauerfrei machen“. Lauterbach spricht von „magischem Denken“, wer glaubt, uns würde erspart bleiben, was anderen Ländern wie Spanien und Österreich jetzt schon erfahren würden, nämlich eine Zunahme der Belegung von Intensivbetten. „Wir werden ebenfalls Probleme bekommen.“ „Was man befürchtet, was man vermutet, was vielleicht erschreckenswerter Weise kommen kann“ – die Journalistin Susanne Gaschke kann dieses Lauterbachklagen nicht mehr hören und ist ganz bei Dr. Gassen. Auch sie greift Lauterbach frontal an und unterstellt ihm, nicht einmal an die Befindlichkeiten der Menschen in seinem Wahlkreis zu denken. Wumms also auch hier. Lauterbach sieht die Aufgabe des Parlaments „in erster Linie darin, das Volk zu schützen.“ Aber selbst die zuvor bereits an Corona erkrankte Karolin Preisler (FDP) gibt Lauterbach einen vors Schienbein, der einmal gesagt hätte, die Zügel müssten wieder angezogen werden. Aber auch Preisler möchte nicht an die Leine oder an die Kandare von Herrn Lauterbach. Die Politikerin hatte übrigens, erzählt sie, nur einen mittelschweren Verlauf, ist aber auch nach sechs Monaten nicht wieder fit und kostet, so sagt sie, das Gesundheitssystem und die Einzahler weiter Geld. Keiner außer Lauterbach findet in der Runde das „präventive Einschränken von Grundrechten“ noch angemessen. Und an der Stelle muss man es einmal sagen: Die Verunglimpfung von Demonstrationen gegen diese Einschränkungen und das Kleinreden der Teilnehmerzahlen insbesondere auch durch Parlamentarier und Regierungsmitglieder hat keine Wirkung gezeigt – augenscheinlich sogar im Gegenteil. Und im Gegensatz zur Debatte um eine anhaltende Massenzuwanderung hat die Diffamierung der Regierungskritiker hier nicht gegriffen. Und nachdem Karl Lauterbach wieder ein paar Sätze lang Apokalypse rund um R-Wert und Co gemacht hat, zieht der Arzt Andreas Gassen mal kurz heftig an dessen Kandare: „Ne, Herr Lauterbach, das geht so nicht.“ Und Gassen mit einem Gassenhauer: „Wenn es am Wetter läge, warum bekommen Menschen in Texas dann überhaupt Corona?“ Darauf fordert Lauterbach, man dürfe doch bestimmte Fakten nicht strittig stellen im Fernsehen … Zack, dafür gibt’s sofort ein „Unfug“ von der Journalistin. Gassen kritisiert die „absolute Wahrheit“ von Lauterbach und klärt darüber auf, dass aus seiner Sicht morgen nicht das Armageddon käme. Hallervorden ist gerade 85 geworden. Und eines muss man hier sagen: Der Mann ist auch im hohen Alter schlagfertig und wortreich. Humor scheint eine wirkliche gute Waffe zu sein, sehr lange fit zu bleiben. Aber Humor kann man nicht impfen. Gesundheit allerdings auch nicht … „Das sind ja kein Warnungen mehr, das ist Panikmache. Ich kann es nicht mehr hören. Da hilft man den Leuten auch nicht mit. Man muss doch irgendwo eine Hoffnung haben, dass es besser wird.“ Lauterbach schon jammernd: „Ich mache doch Vorschläge, wie man es besser machen kann.“ Susanne Gaschke weiter energisch: „Nein, das sind Vorschläge für Verbote!“ Auf die Frage, was man in Schulen besser machen kann dann Karoline Preisler Richtung Lauterbach: „Ich habe Zweifel, dass sie dafür der richtige Mann sind.“ „Selbst das Theater in Bergamo, das hätte es hier nicht gegeben,“, ist sich der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sicher: „… nicht im Ansatz!“ Bedenkt man nun, dass hier bei Hart aber Fair noch nicht einmal die Hardcore-Kritiker der Corona-Maßnahmen und Einschränkungen der Grundrechte zu Wort gekommen sind, dann muss man angesichts der teils schon massiven verbalen Angriffe gegen Lauterbach attestieren, dass der Protest tatsächlich auch dort angekommen ist, wo die Regierung zu anderen Themen immer noch recht wohlgelitten ist. Karl Lauterbach fühlt sich schlecht behandelt: „Ich bin gegen jede Panikmache.“, Gelächter im Raum, „Nein“, wieder Lauterbach weiter, „ich bin auch nicht bereit, eine Warnung, die auf Grundlage von Studien begründet werden kann, durchgehen zu lassen, als Panikmache. Das ist ein unfairer Angriff, wenn ich das nicht begründen kann.“ Karoline Preisler war an Corona erkrankt, sie ist unter 50. Und sie nennt die Atemnot, die sie erlebt hat, „überwältigend.“ Sie hatte sich von ihrem Mann auf dem Weg in die Klinik schon verabschiedet, ohne zu wissen, ob man sich je wiedersieht. Die Erkrankung sei von leichten Symptomen innerhalb eines Tages zu schwer bedrohlich gewechselt. Karoline Preisler wäre heute „gerne wieder so fit wie vor Covid-19.“ Ist sie aber nicht, sagt sie. Sie hat heute, Monate später, Hirn-, Nieren-, Herz- und Lungenschäden, wie sie in einem Einspieler erzählt. Jeder kann also hier zur Kenntnis nehmen, auch das ist Covid-19.
Redaktion Tichys Einblick
Über wie viele Sendungen hinweg beschäftigt sich Hart aber Fair eigentlich schon mit Corona? Schon häufiger als damals, als Plasberg eine Obsession in Sachen Quatschen über die Segnungen der Massenzuwanderung entwickelt hatte?
feuilleton
2020-09-22T05:40:49+00:00
2020-09-22T08:54:34+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/bei-hart-aber-fair-alle-gegen-apokalyptiker-karl-lauterbach/
Die europäischen Konservativen treffen sich in Rom – Deutschland bleibt außen vor
Rom ist wieder die Hauptstadt Europas – zumindest im Sinne des europäischen Konservatismus. Dieses Eindrucks konnte man sich in den noblen Räumen des Hotels Quirinale mit seinem klassischen Interieur und einem Hauch von Settecento und Belle Époque nicht erwehren, angesichts der über 400 Gäste aus allen Teilen Europas, darunter 100 akkreditierte Journalisten – inklusive der italienischen Senderfamilie RAI. Der Veranstaltungsort lag dabei an der Via Nazionale, eine der Hauptadern der italienischen Hauptstadt. Der Titel der dreitägigen Tagung? Italian Conservatism: Europe, Identity, Freedom. Der in Rom dargestellte Konservatismus ist national und zugleich europäisch; und er steht dezidiert in den Fußstapfen der kontinental-lateinisch-christlichen Tradition, die erst seit einiger Zeit eine Wiederbelebung erfährt, am bekanntesten am Beispiel Ungarns, seit neuestem auch im Gewand der Fratelli d’Italia mit Giorgia Meloni. Gastgeber Giubilei exerzierte den Kontrast zu dem auch in Deutschland mal mehr, mal weniger dominierenden angelsächsischen Konservatismus, der sich vor allem über national-liberale bzw. wirtschaftsliberale Denkmuster identifiziert. Der italienische Konservatismus dagegen – und das gilt mit Abstrichen auch für den Konservatismus der anderen eingeladenen Parteien und der Länder, die sie repräsentieren – sieht seinen Kern im christlichen, vorzugsweise katholischen Erbe Europas sowie in römisch-griechischen Wurzeln. Damit ist auch der Typus der im Aufwind begriffenen politischen Parteien beschrieben, die sich in den letzten Jahren vermehrt in Europa durchsetzen und die konservative Liga anleiten. Die Situation Italiens erscheint dabei nahezu paradigmatisch: Die Zeit des rechten Populismus neigt sich dem Ende zu, die Wählerschaft rechts der Mitte sehnt sich wieder nach Seriosität und Professionalität, überzeugenden Argumenten und gediegenem Tonfall, statt der in den 2010ern dominierenden Polterpolitik. Salvini wird vermutlich nicht sein Wunschministerium – das Innenministerium – erhalten, wird aber Vizepremier und womöglich Arbeitsminister. Die Lega wird aber nach jetzigem Stand dennoch das Innenministerium für sich verbuchen können, oder ein wertgleiches Ministerium, jedoch mit einem anderen Minister als Salvini. Auf der Konferenz waren vor allem Vertreter der Fratelli d’Italia zugegen, jedoch auch Leghisten, darunter Lorenzo Fontana. Die Stimmung war – anders als von den Medien dargestellt – erstaunlich gut; vielleicht nur zum Schein, vielleicht aber auch, weil man innerhalb der Lega die Post-Salvini-Zeit vorbereitet. Salvini hätte sich nach der Halbierung des Lega-Ergebnisses bei der Wahl zurückziehen müssen, doch eine Kopflosigkeit des zweitwichtigsten Regierungspartners will offenbar niemand in der neuen Mitte-Rechts-Regierung. Die Lösung für die vermeintlichen Spannungen zwischen Salvini und Meloni ist daher erstaunlich elegant: Salvini darf (noch) seinen Posten als Generalsekretär der Lega behalten, wird aber in der Regierung eingeschränkt, sodass die Lega selbst sich in den nächsten Jahren regenerieren und wieder professionalisieren kann – mit neuem Personal, das jetzt in die immer noch gewichtigen Ministerien zieht. Die Hoffnung besteht, dass die Lega in der Zeit wieder zu Format findet und bei der nächsten Wahl als autonomistisch agierende liberalkonservative Partei im Gegensatz zu den zentralistisch nationalkonservativen Fratelli agieren kann. Das Mitte-Rechts-Lager ist also weniger zerstritten, als man denkt; man sucht stattdessen immer noch nach gemeinsamen Lösungen: Und derlei Gedankengänge sind deutlich verständlicher, hörte man insbesondere den italienischen Journalisten, Politikern und politischen Denkern zu, die sich völlig darüber einig waren, dass der Wahlsieg Giorgia Melonis die vermutlich größte und letzte Chance darstellt, den italienischen Konservatismus nicht nur politisch, sondern vor allem kulturell zu festigen. Zugleich war aber die Rackete-Episode eine Zäsur, weil Doppelmoral und Ruchlosigkeit dieser linken Gesellschaft für alle spürbar und offensichtlich wurden, also ein Moment, aus dem die kulturelle wie politische Rechte einen Vorteil zog, um das Ende der linken kulturellen Hegemonie vorzubereiten. Schließlich waren es konservative Medien und Think Tanks, die den Boden für die Konterrevolution beackerten. Ganz klar kommunizierten die Beteiligten, dass Slogans, Memes oder andere Internetphänomene nützlich seien, jedoch nicht die fundamentale Arbeit ersetzen könnten, ob nun durch die Formulierung des besseren Arguments oder auch durch ganz pragmatische politische Entscheidungen. So habe die Einrichtung und Renovierung von Schwimmbädern in Neapel der dortigen Rechten weitaus mehr genützt, da es ein für alle sichtbarer und fühlbarer Erfolg war, an den man sich auch noch in Jahren erinnerte, indes auch die beste Propaganda nach wenigen Monaten vergessen sei. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Umgang der rechten Parteien im Zuge der Regierungsbildung zu verstehen: Angesichts der immer noch dominanten linken Hegemonie, die eine demokratisch gewählte Ministerpräsidentin zur Faschistin und Bedrohung für die Demokratie dämonisieren, aber einen von außen kommenden und undemokratisch installierten Technokraten als Rettung Italiens verherrlichen kann, ist dieser Kampf noch nicht gewonnen. Der Parteipolitik ist das Ende gewisser Persönlichkeiten geschuldet; doch denselben Taktikern ist bewusst, dass das rechte Lager nur gemeinsam etwas bewirken kann. Photographs courtesy of Vaszkó Dávid/BL Press and The European Conservative Dabei bestanden durchaus Zweifel, ob es reichte, eine linke kulturelle Hegemonie durch eine rechte kulturelle Hegemonie auszuwechseln; für den intellektuellen Prozess und die gesellschaftliche Innovationskraft sei die Aufhebung jeder Hegemonie fruchtbarer. In jedem Fall ist jedoch zu erwarten, dass die neue Regierung auch kulturelle Anstöße gibt, damit sich eine rechte Kultur auch in Musik, Literatur oder Film etablieren könne, um das gesellschaftliche Klima weiterhin zu korrigieren. Auch das ist Teil jenes eher lateinisch denn angelsächsischen Konservatismus, der die kulturellen und gesellschaftlichen Kräfte höher bewertet als rein ökonomische Gesichtspunkte. Interessant auch die Personalie Giampaolo Rossi, früher im Beirat der RAI, danach Wahlberater Melonis und heute in einer durchaus guten Position, Generaldirektor der staatlichen Senderfamilie zu werden. Rossi sorgte 2018 für erhebliche Unruhe im juste milieu, als er behauptete, die afrikanische Einwanderung nach Europa sei von der Elite gewollt, die normalen Bürger Opfer der Massenmigration. In der Diskussionsrunde erwarb der gewandte Redner mit seinen klaren, aber nie den falschen Ton treffenden Worten die spontane Sympathie im Publikum. Die tieferen ideologischen Veränderungen sind schon vor Antritt der Meloni-Regierung in Gang gesetzt worden, Veränderungen, die womöglich langfristig wichtiger sind als Parteiprogramme und Wahlsiege. Von einer herzlichen Freundlichkeit waren die Beiträge europäischer Mitstreiter geprägt: Der Sieg Giorgia Melonis ist kein bloßes italienisches Phänomen, sondern vielmehr ein europäischer Hoffnungsschimmer und eine Art Leuchtturm für die europäischen Konservativen. Es herrschte die Atmosphäre eines europäischen Familientreffens, in dem Italien nunmehr die Rolle des primus inter pares einnimmt, Rom neuerlich Zentrum Europas geworden ist, zumindest aus einer ideologischen Perspektive. Besonders die Ungarn fielen dabei mit Freundlichkeiten auf: Kaum zu übersehen war die lange Allianz mit Viktor Orbán, der gegenüber TE vor nicht allzu langer Zeit einen Sieg Melonis als „Game Changer“ bezeichnet hatte. Der spanische Vertreter Jorge Buxadé Villalba (Vox), der ehemalige Anführer der Schwedendemokraten Mattias Karlsson oder auch John O’Sullivan, ehemaliger Berater und Redenschreiber von Margaret Thatcher, bildeten die ganze Diversität der europäischen Familie ab. TE-Autor David Engels, der Polen repräsentierte, hielt einen Vortrag auf Italienisch, der auf dem zuerst bei TE publizierten Beitrag nach den Wahlen fußte und beim italienischen Publikum für großen Applaus sorgte. Daneben waren unter anderem tschechische, portugiesische, belgische und französische Gäste als Sprecher eingeladen. Die AfD hat sich schon länger in den Augen einiger europäischer Verbündeter ihrer Unberechenbarkeit wegen disqualifiziert; die zunehmend völkisch-nationalistische Ausrichtung ist auch den übrigen europäischen Konservativen nicht entgangen. Der nationalliberale Geist, der die moderaten Kräfte in der AfD beherrscht, steht wiederum eher den angelsächsischen Ideen der dortigen Brexit-Fraktion nahe, denn der Idee, die Europäische Union maßgeblich durch konservativ-christliche Reformen zu verändern. Tino Chrupalla steht insbesondere für eine eher liberal- bis rechtspopulistisch agierende Partei, die weder mit den eigentlichen Fundamenten des Abendlands noch mit dem Christentum als solchem etwas anfangen kann, außer in der Dimension eines nationalchristlichen Modells, das ja gerade dem europäisch-katholischen Mantra einer grenzübergreifenden res publica christiana widerspricht (vielsagend wieder, dass es dazu keine deutsche Wikipedia-Seite gibt). Giubilei gab eine programmatische Linie vor, demnach man immer mit allen geredet habe und auch in Zukunft reden werde, ohne dabei aber die eigenen Prinzipien zu verraten; in den Augen einiger Beteiligter scheint die AfD aber nur noch für blanken Protest zu stehen. Während Frauke Petry noch im Jahr der Bundestagswahl 2017 die Spitzen der europäischen Konservativen nach Koblenz einlud und die AfD dadurch eine gewisse Anerkennung gewann, hat es kein vergleichbares Unterfangen in den letzten fünf Jahren gegeben. Tichys Einblick war demnach die einzige deutsche konservative Vertretung bei einem Treffen, bei dem sich die Zukunft der europäisch-konservativen Parteien zumindest für die nächsten Jahre herauskristallisierte. Regionale, nationale und europäische Identität finden wieder den Ausgleich zueinander, das christliche Fundament tritt stärker in den Vordergrund, der Bezug zur eigenen Identität und Herkunft ist bestimmend. Das konservative Lager in Deutschland schwankt dagegen zwischen Populismus und Bräsigkeit oder der Sehnsucht nach einem preußenähnlichen Wiedergänger, der – wenig verwunderlich – bei den möglichen europäischen Verbündeten auf wenig Gegenliebe stößt. Man mag Deutschland als Sonderfall in Schutz nehmen, in dem das historische Meinungsklima noch mehr eingeschränkt ist als anderswo; doch angesichts der erdrückenden Macht der kommunistischen Partei über Jahrzehnte in Italien, die nahezu jeden kulturellen Sektor für sich absteckte und es schaffte, selbst den erfolgreichsten italienischen Autor der Nachkriegszeit, Giovannino Guareschi („Don Camillo und Peppone“), zu einer de facto nicht-existenten Person der Kulturszene zu degradieren, muss zumindest die Frage erlaubt sein, ob die Situation nicht doch vergleichbar ist; mit dem Unterschied, dass die italienische Rechte ab den 1990ern mit einer jahrzehntelangen Arbeit begonnen hat, indes in Deutschland ab den 1990ern sich Meinungsräume eher geschlossen als geöffnet haben. So gibt es in Deutschland auch keinen mit Nazione Futura vergleichbaren Think Tank von Jugendlichen, die als Konservative nicht aus dem Raster fallen, sondern anschlussfähig genug bleiben, um konstruktiv statt aktivistisch etwas in die richtigen Wege zu leiten und die linke kulturelle Hegemonie wenigstens stückchenweise abzubauen, ohne auf der anderen Seite umzukippen und zu anbiedernden Ja-Sagern des Mainstreams zu werden. Deutschland hat keinen konservativen Intellektuellen vom Format eines Marcello Veneziani, der mittlerweile als „italienischer Scruton“ gehandelt wird, und auch keine so gebildete und zugleich so unterhaltsame Geistesgröße wie Vittorio Sgarbi, der in einem Satz über die Tagespolitik spotten und im anderen über Raffaels Vater als verlorene Vorbildfigur europäischer Familienväter per se dozieren kann. Allein auf schriftstellerischem Feld fiele eine Geistesgröße wie Martin Mosebach ein; den übrigen konservativen Intellektuellen Deutschlands fehlt schlicht die Verbindung zum christlich-europäischen Konservatismus, wie er in Rom vibrierte. Sie folgen dem säkular-nationalliberalen Modell, das zumindest in den kontinentalen konservativen Gruppen mittlerweile zum angestaubten alten Eisen gehört. Deutschland hat damit jede Verbindung zum europäischen Trend verloren. Es war demnach kein Ausschluss deutscher Konservativer, denn vielmehr eine Bestätigung der eigenen Isolation. Deutschland tauchte in der Tagung als Beispiel für eine völlig in die Sackgasse laufende Energiepolitik ohne geopolitisches Fundament auf. Offenbar steckt nicht nur die, sondern auch der deutsche Konservatismus mit seinen aktuellen Vertretern in einer Sackgasse – oder auf einem selbstgewählten Sonderweg.
Marco Gallina
Auf der hochkarätigen Veranstaltung konservativer Politiker, Journalisten und Intellektueller aus ganz Europa wird deutlich, dass die Zukunft der konservativen Parteien abendländisch und christlich bestimmt ist. Melonis italienische Regierung könnte dabei eine Schlüsselrolle einnehmen. Die bitterste Botschaft aus Rom lautet jedoch: die deutschen Konservativen haben den Anschluss an europäische Entwicklungen verloren.
kolumnen
2022-10-03T07:28:35+00:00
2022-10-03T07:29:37+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/konservatismus/
Atomkraft aus: Deutschland schaltet ab
Drei weitere Kernkraftwerke wurden gestern abgeschaltet, um zum Jahreswechsel endlich Werte zu vernichten und die Stromerzeugung zu reduzieren: Gundremmingen, Brokdorf und Grohnde. Allein das 1985 in Betrieb genommene Kernkraftwerk Grohnde in Niedersachsen pumpte in der vergangenen Woche noch maximale Strommengen ins Netz und zählt zu den Kraftwerken, die weltweit am erfolgreichsten Strom lieferten. Am 7. Februar 2021 hat es die Marke von 400 Milliarden Kilowattstunden geknackt. Weltrekord! Das Ereignis soll mit einer großen »Abschaltparty« von Atomkraftgegnern gefeiert werden. Neben einem »Pastor gegen Atomkraft« ist auch dabei Rainer Sagawe vom BUND Hameln. Der hat in Hameln das erste sogenannte »Bürgerwindrad« mitgebaut. Dafür wurde »Omis und Opis« das Geld aus der Tasche gezogen angeblich für die Enkel, berichtet ein Kenner. Doch das Windrad liege jedes Jahr weiter unter seiner Prognose und verschlingt nur Geld – niedersächsische Energiezukunft. Die Abschalterei hat Folgen: In Kreisen der Energieversorger und Übertragungsnetzbetreiber berichtet man, dass in den Netzen ein starker Leistungsmangel herrscht und Netzreserven regelmäßig in Anspruch genommen werden müssen. Das Vorbeischrammen an sogenannten Lastabwürfen ist mittlerweile Normalzustand geworden. Die Übertragungsnetzbetreiber müssen immer häufiger jede letzte Megawattstunde von irgendwoher zusammenkratzen. Verantwortlich dafür ist aktuell Robert Habeck, der neue Superminister für Wirtschaft und Energie. Der kannte keine Hemmungen, »sein« Schleswig-Holstein mit Windrädern vollzupflastern, das Bundesland unbewohnbar zu machen und die Windkraft als Energieerzeugung der Zukunft zu preisen. So groß klaffte die Lücke allein in den vergangenen vier Wochen zwischen dem Stromverbrauch, wie sie die rote Kurve anzeigt, und der Leistung von Sonne, Wind- und Wasserkraft. Ohne konventionelle Kraftwerke wäre es ziemlich dunkel in Deutschland geworden. Doch eine Claudia Kemfert betont wie tibetanische Gebetsmühlen, es geht dennoch, es müssten nur noch mehr Windmühlen gebaut werden. Kemfert (»Unser gesamtes Wirtschaftssystem basiert auf einem extrem hohen Energieverbrauch: Energie ist das Blut der Volkswirtschaft.« ) sitzt im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW und kämpft für Windmühlenflügel. 100 Prozent Strom aus Wind und Solarenergie seien möglich. Was allerdings aus 100.000 Windrädern bei null Wind herauskommen soll, hat sie noch nie erklärt. Eine weitere Folge: Strompreise, die so hoch sind wie nirgendwo sonst auf der Welt. Um die Schande zu übertünchen, wird die EEG-Umlage gesenkt. Das bezahlt der Stromverbraucher künftig über jene CO2-Steuer, die ab Januar um weitere 20 Prozent erhöht wird. Steuern für Luft zu erheben – der feuchte Traum aller politischen Systeme. Mehr Lug und Trug geht kaum. Die Preise für Energie kennen auch künftig nur eine Richtung: steil bergauf. Denn zusätzlich werden sich auch die Preise für Gas teilweise verdoppeln. Viele Gasverbraucher haben bereits entsprechende Ankündigungen erhalten. Gesagt und beschrieben ist alles. Die Bilanz: In Deutschland haben Grüne die letzten Atomkraftwerke abgestellt, zugleich Milliardenwerte zerstört und die Versorgung eines Industrielandes mit preisgünstiger und immer verfügbarer Elektrizität ruiniert. Die Nachbarländer reihum planen neue Kernkraftwerke nicht zuletzt im Hinblick nach Deutschland. Dort wird es eine Menge Geld zu verdienen geben, wenn Energie geliefert werden muss. Im Augenblick allerdings verfügen Nachbarn wie Frankreich und die Schweiz selbst nicht über genügend Energie, die sie nach Deutschland schicken könnten. Sehr einengend auf die Transportleistungen wirken auch die Grenzkuppelstellen, über die die Ströme nach Deutschland fließen sollen. Diese Kinder des Wahnsinns haben auch dafür gesorgt, dass Deutschland nahezu seine gesamten Kompetenzen in Kernphysik verloren hat. Immerhin wurde hier die Kernspaltung entdeckt und wesentliche Grundlagenforschung geleistet. Heute werden Kernreaktoren in China und Russland gebaut, China exportiert diese Anlagen und wird sie vielleicht in Zukunft auch nach Deutschland liefern und hier betreiben. Der Deutsche kaufe sich zuerst eine Bahnsteigkarte, bevor er Revolution mache, soll einst Lenin gesagt haben. Heute kauft er Notstromaggregate, wenn so etwas wie »Grundlast« von gestern ist. Doch die sind ausverkauft, Lieferzeit: sechs Monate.  
Natalie Furjan
Das Jahr 2021 hat vor Augen geführt, dass Wind- und Sonnenenergie nicht in der Lage sind, ein Industrieland wie Deutschland zu versorgen. Zum Jahreswechsel werden dennoch drei weitere Kernkraftwerke abgeschaltet.
meinungen
2021-12-31T15:57:55+00:00
2021-12-31T16:07:41+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/kernkraftwerke-deutschland-schaltet-ab/
Scholz, Merz, Habeck und Weidel im Quadrell auf RTL – Merz für Koalition mit Grünen, SPD
Eines muss man dem dramatisch abstürzenden Sender RTL lassen: Mit dem „Quadrell“ hat er den öffentlich-rechtlichen Polit-Sendungen gezeigt, wie es geht, wenn man will. Ganz einfach, ganz ohne durchgecastetes Publikum und vorab feingesiebte pseudo-zufällige Fragesteller. Ganz einfach mit zwei Moderatoren und vier Kanzlerkandidaten. Die Moderatoren sitzen, die Gäste müssen stehen. Der Rest ist Inhalt. Der ganze Rest? Nein. Ein kleiner Kanzlerkandidat weigert sich standhaft, die Fakten-Dicke zu halten: Robert Habeck, der allen Ernstes für die Grünen als Kanzlerkandidat antritt. Bei einem Habeck ist der ganze Rest selbstverständlich weniger Inhalt als vielmehr offensives Grübeln, Stammeln und Wohlfühl-Murmeln. Seinen manierierten Habitus treibt er an diesem Abend allerdings derart auf die Spitze, dass er bisweilen wie ein Literat auf Dope wirkt. Und so viel wissen wir aus jüngsten Leseproben: Ein Literat ist er nicht. Von Habeck kommen beeindruckende Sätze wie: „Ich empfehle den Faktencheck. Die erneuerbaren Energien machen den Strom günstiger.“ Oder auch: „Die billige Energie aus Russland, die hat Putin abgestellt. Das hat uns die Energiepreise versaut und hoch gemacht.“ Politik in einfacher Sprache. Doch auch der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kann beeindruckende Sätze. Beispiel Thema Migrationskrise und Abschiebung: „Wir haben ja einen Abschiebeflug organisiert. Ein ganzer Abschiebeflug hat stattgefunden.“ Das meint er nicht als Witz oder satirisch oder irgendwie negativ. Nein, er will damit prahlen. „Ein ganzer Abschiebeflug hat stattgefunden.“ Der Zuschauer sitzt fassungslos vor dem Schirm. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz setzt den Kontext: „In vier Tagen kommen so viele, wie in einem Monat abgeschoben werden. Die deutsche Bundesregierung ist die einzige in Europa, die immer noch Flüchtlinge aus Afghanistan holt. Jetzt lesen wir heute in der Zeitung, dass die Bundesregierung das endlich mal stoppen will. Heute! Kurz vor der Bundestagswahl.“ Habeck hat es offenbar nicht so mit Zahlen und Fakten. Er wirft ein, es seien „ja nur ganz wenige“. Und die Plätze seien „reserviert für die, die unsere Alliierten waren“. Alice Weidel, Co-Chefin der Alternative für Deutschland (AfD), blickt in die Zukunft: „Wir werden die illegale Migration stoppen.“ Sie hat auch etwas gegen die neudeutsche Umformuliereritis, die sich in den vergangenen Wochen breit macht. „Sie ist nicht irregulär, sondern sie ist illegal.“ Merz mäkelt: 300 Millionen Euro Entwicklungshilfe zahle Deutschland an die Taliban. „Warum machen wir das, ohne mit den Taliban darüber zu sprechen? Frau Baerbock weigert sich, diese Gespräche zu führen.“ Nicht das einzige Mal, dass er mit der AfD-Frau Weidel an diesem Abend auf einer Linie ist. Die hat einen schweren Stand. Nicht ganz so schwer wie üblich bei ARD und ZDF, aber doch bemerkenswert. So muss sie beispielsweise minutenlang erklären, wie und wo sie amtlich gemeldet ist und wo sie Steuern zahlt, in Deutschland oder in der Schweiz. Günther Jauch nimmt sie geradezu ins Verhör. Als sie erklärt, dass sie ganz regulär und ausschließlich in Deutschland versteuert, macht sich allgemeine Enttäuschung breit. Nächstes Thema: Gauland, Ehrenvorsitzender der AfD, und sein Zitat von der Nazizeit als „Fliegenschiss“ der deutschen Geschichte. Wir lernen: Auch RTL ist sich nicht zu schade, mit uralten Kamellen aktuelle Punkte sammeln zu wollen. Das gelingt allerdings nur mittelmäßig. Weidel empfiehlt, den Zitierten selbst einzuladen, und weist Scholz, der sich über Gauland geradezu in Rage redet, sauber in die Schranken: „Schauen Sie, Sie können mich hier heute Abend beleidigen, wie Sie wollen. Sie beleidigen damit Millionen von Wählern. Mich trifft das überhaupt nicht. Ich repräsentiere diese Stimmen nur. Schreiben Sie sich das bitte hinter Ihre Ohren.“ Es ist nicht das einzige Mal, dass Scholz sich eine Watsch’n holt an diesem Abend. Als er sich ein anderes Mal in die AfD-Frau verbeißt, haben die Moderatoren ihre liebe Müh’. „Lassen Sie mich doch nicht aufstehen!“, ruft Pina Atalay, nur, um eine Sekunde später ihr Pult zu verlassen: „Jetzt muss ich doch noch aufstehen.“ Sie stellt sich vor den gut einen Kopf kleineren Scholz und stoppt seinen Redefluss mit schierer, persönlicher Präsenz – so schlank und zierlich sie auch ist. Nicht gerade der beste Moment für ihn. Der Kanzler, ein alter, schwacher Mann. Als sich Merz zur AfD äußern soll, greift Günther Jauch zu einem alten Zitat des CDU-Recken. „Wer sich eine Natter an den Hals holt, den beißt sie halt irgendwann tot.“ Merz sei 1,98m groß, sagt Jauch. „Wie hoch hängt die Natter denn schon an Ihrem Körper?“ Merz ist von so viel Privatfernseh-Chuzpe leicht überfordert: „Gar nicht, Herr Jauch!“, stammelt er. „Wir halten uns das weit vom Leib.“ Atalay setzt nach: Sogar die Amerikaner würden die CDU ermahnen, dass es keinen Grund für Brandmauern gebe. Daraufhin beweist Merz eindrücklich, dass er als Kanzler bei den Amerikanern wirklich schlechte Karten hätte. Denn er lässt sich zu dem Satz hinreißen: „Ich lasse mir doch nicht von einem amerikanischen Vizepräsidenten sagen, mit wem ich hier in Deutschland zu sprechen habe.“ Habeck setzt später sogar noch einen drauf: „Wir sind ja nicht hörig von Wahlempfehlungen von zweifelhaften Vizepräsidenten.“ So zerlegt sich die Runde fein säuberlich ohne weiteres Zutun. Während Weidel mit klaren Zahlen ihr Konzept für ein neues Deutschland ausbreitet, hacken die drei anderen wahlweise auf ihr oder – versehentlich – auf den anderen beiden herum. Merz kritisiert Habeck und Scholz: „Da stehen diese beiden, die die größte Wirtschaftskrise der deutschen Nachkriegsgeschichte zu verantworten haben.“ Scholz wirft ein: „Ich dachte immer, das wär‘ Putin.“ Auch diesen Satz meint er anscheinend ernst. Weidel schaut amüsiert zu. Als zwischen Habeck und Merz der Streit entbrennt, geht es plötzlich um alles Mögliche, von Agrar-Diesel bis zu Nord-Korea. Weidel lacht. In Richtung Merz sagt sie: „Hier wird deutlich: So wird er seine Politik nicht umsetzen können. Das war hier ein Offenbarungseid.“ Und direkt an Merz: „Sie eiern hier rum um die Koalitionsfrage. Sagen Sie’s doch: Habeck soll Wirtschaftsminister werden, der unser Land ruiniert hat, der es deindustrialisiert. Sie werden es nie umsetzen können, und das wissen Sie auch. Damit täuschen Sie ihre Wähler.“ Die CDU „zementiere“ sich in linker Politik ein. Habeck lässt noch irgendwas mit Putin fallen, passt ja irgendwie immer. Und Merz lächelt so honigkuchenpferdchen-eingefroren, als sei er gerade von einem legendären Comic-Zeichner wie Don Martin (Mad) oder Gerhard Seyfried als Grinse-August verewigt worden. Sein Wahlkampfmanager beißt derweil hart ins Kissen. Ein paar Habeck-Zitate sind so schön – man muss sie einfach für die Nachwelt erhalten: Zur Wirtschaft: „Aufhören rumzuheulen. Zuversicht ist Arbeit an der Hoffnung.“ Zur Migration: „Die Debatte, sie krankt daran, dass die Menschen ja nunmal hier sind.“ (Ob Merkel dafür Tantiemen fordert, wird sich zeigen) Zu Alice Weidel: „Sie haben es immer noch nicht verstanden. Sie haben ja kein intellektuelles Problem, weil sie sich Putin unterwerfen würden.“ Ein Scholz-Bullshit-Bingo haben wir auch. Bitteschön: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Energiepreise unten sind.“ „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch in Zukunft stabile Renten haben werden.“ (Ob Norbert Blüm dafür Tantiemen verlangt – ebenfalls offen) Und ein Merz-Bingo, weil es so schön ist: „Diese Wirtschaftspolitik wird nicht fortgesetzt. Punkt. Herr Jauch.“ „Wir müssen die Bremsen lösen, wir müssen die Fenster öffnen.“ Bei Weidel geht Scholz komplett auf Kurs Aggro. Er redet sich in Fahrt: „Sie wollen Kohle und Gas auf Staatskosten einkaufen. Das nenn’ ich mal ’n Konzept. Super Konzept. Großartig ausgedacht. Ganz toll. Sie machen heiße Luft. Sie reden nur rum.“ Weidel kontert trocken: „Sie reden rum. Vor allem waren Sie drei Jahre lang in der Regierung. Und Sie haben Politik gegen die Bevölkerung gemacht.“ Was bei Scholz auffällt: Er lobt auffällig und wiederholt die Europäische Zentralbank, wie er es schon in den vergangenen Wochen getan hat. Sie habe „richtigerweise die Zinsen erhöht“. Steht da etwa irgendein Posten in Aussicht für die Zeit nach seiner Kanzler-„Karriere“? Jauch spricht ihn derweil eiskalt auf seinen Cum-Ex-Gedächtnisverlust an. Scholz versucht, es abprallen zu lassen. Es sei kein Gedächtnisverlust. Er habe gesagt, was er weiß. Doch Merz dreht das Messer in der Wunde nochmal ganz langsam weiter: „Aber den Gedächtnisverlust, den können Sie doch nicht bestreiten.“ Scholz kleinlaut: „Ich sage immer nur, was ich erinner’.“ Der Höhepunkt der Sendung kommt so ziemlich zum Schluss: Merz wird nach seinen möglichen Koalitionspartnern gefragt. Die AfD schließt er aus, an die FDP glaubt er nicht, aber mit Grünen und SPD werde man verhandeln. Habeck bestätigt, Scholz wird gar nicht mehr gefragt. „Mit einem Wirtschaftsminister Habeck werden Sie Ihr Programm nicht umsetzen können“, bilanziert Weidel, unwidersprechbar. Es ist ein Volltreffer Schiffsmitte, Langer Kreuzer Merz schlingert seinem Schicksal entgegen. Als Habeck gefragt wird, ob er denn „zum Wohle des Landes“ abtreten würde, um die Grünen noch attraktiver für die CDU zu machen, fragt er: „Was ist denn das für ’ne komische Frage?“ Jauch und Atalay antworten im Chor: „Wieso ist die komisch? Ist doch berechtigt.“ Jauch ergänzt: „Wenn es von der CSU heißt, dass Sie der entscheidende Problembär sind …“ Für einen Habeck klingt diese Existenzfrage völlig absurd: „Sie können mit aller Liebe nicht das Problem der Union auf mich übertragen. Das Problem Markus Söder hat Herr Merz allein.“ Am Bundeszähltag am 23. Februar wird sich zeigen, wer welches Problem hat. Am 23. Februar ist die Urnenwahl zum Bundestag. Liegen Sie mit Ihrer Prognose besser als die Demoskopen? Machen Sie mit bei der TE-Wahlwette!
Fritz Goergen
Es war einer der besseren Polit-Talks. Vor allem, weil es kein gecastetes Klatschvolk gab. Beim RTL-Quadrell bemühten sich die Vertreter der schwarz-rot-grünen Einheitspartei, sich nur ein bisschen zu kritisieren, um keine Koalitionsfähigkeit zu demontieren. Das gelang nur mittelgut. Die lachende Vierte: Alice Weidel.
feuilleton
2025-02-17T06:40:11+00:00
2025-02-17T07:24:18+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/scholz-merz-habeck-weidel-quadrell-rtl/
Verbände und Behörden werben für das Neun-Euro-Ticket
Den Freitagnachmittag wählen Pressestellen gerne, um unangenehme Nachrichten zu verstecken. Die Zeitungen sind dann schon geschrieben und die Funkmedien erhalten weniger Aufmerksamkeit, da die Hörer und Zuschauer schon mit dem Kopf im Wochenende sind. Dieser Freitagnachmittag könnte ein günstiger Termin für den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sein. Der muss noch die Verkaufszahlen des Neun-Euro-Tickets im Juli loswerden. Zwischendrin sorgt das Statistische Bundesamt nochmal für positive Schlagzeilen zum Neun-Euro-Ticket: „Seit Einführung des 9-Euro-Tickets weiterhin deutlich mehr Reisen im Eisenbahnverkehr ab 30 Kilometern im Vergleich zu 2019“, textet das Amt in seiner eigenen Überschrift. Der Dreh wird von einigen Zeitungen bereits dankbar aufgenommen. Dabei lässt die Auswertung einige Fragen offen, wie das Amt selbst einräumt. Die Telefongesellschaft Telefónica hat dem Statistischen Bundesamt die Mobilitätsdaten seiner Kunden zur Auswertung bereitgestellt. Anonymisiert, wie das Amt versichert. Aus den Daten des Anbieters der Telefongesellschaft hat das Amt entsprechende Bewegungsprofile entwickeln lassen. Telefónica hat laut eigenem Geschäftsbericht im Jahr 2020 rund 43 Millionen Menschen in Deutschland mit Anschlüssen versorgt. Überschrift und Ergebnis des Statistischen Bundesamtes lassen den Schluss zu, dass Nutzer das Neun-Euro-Ticket eher für touristische Fahrten einsetzen. Dies klingt plausibel. Was allerdings auffällt: Im Juli 2019 begannen die Sommerferien im Schnitt deutlich früher als 2022. Das habe dazu geführt, dass Anfang Juli die Reisezahlen auf Strecken über 100 Kilometern leicht zurückgegangen seien, sagt das Amt. Bei einer touristischen Nutzung des Neun-Euro-Tickets hätte der Ferienbeginn aber eher zu einem Anstieg der Fahrten führen müssen. Erklärungen gibt das Bundesamt dazu keine. Möglich, dass Bahn-Nutzer in dieser Zeit auf das Flugzeug als öffentliches Verkehrsmittel setzten und ihre Zeit am Strand statt auf Bahnschienen verbrachten. Aber das ist Spekulation. Die offenen Punkte in der Auswertung des Statistischen Bundesamtes lassen Raum für diese. Wichtiger wird ohnehin die Frage sein, wie viele von denen, die sich im Juni ein Neun-Euro-Ticket gekauft haben, das im Juli wieder tun wollen. Vielleicht gibt es die Pressemitteilung dazu ja an diesem Freitag.
Ferdinand Knauß
Den Freitagnachmittag wählen Pressestellen gerne, um unangenehme Nachrichten zu verstecken. Die Zeitungen sind dann schon geschrieben und die Funkmedien erhalten weniger Aufmerksamkeit, da die Hörer und Zuschauer schon mit dem Kopf im Wochenende sind. Dieser Freitagnachmittag könnte ein günstiger Termin für den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sein. Der muss noch die Verkaufszahlen des Neun-Euro-Tickets im
daili-es-sentials
2022-08-12T06:06:53+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/neun-euro-ticket/
„Europa“ als Beschwörungsformel
Unmerklich, aber mit erstaunlicher Geschwindigkeit hat sich die politische Landschaft verschoben. Zumindest gilt das für die „Themen“, auf die der tonangebende Block in Politik, Wirtschaft und Kultur setzt, um seine Hegemonie zu behaupten. Es ist eigentlich nur ein Thema – gewissermaßen nur ein Wort – auf das in diesen Wochen die ganze Politik zusammenschrumpft: „Europa“. Mit der Größe „Europa“ soll das entscheidende Gefecht veranstaltet werden, um die Opposition definitiv auf eine Randgröße zu reduzieren. Zugleich soll ein europäischer Imperativ errichtet werden, in dessen Schatten all die Mühen der Ebene, die die regierende Mehrheit nicht bewältigt, aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden. Die Überschuldung, an der man sich Zähne ausbeißt, soll sich auf einmal, wie durch wundersame Fügung, dadurch erledigen, dass man sie „europäisch“ angeht. Desgleichen die grenzüberschreitende Massenmigration, wo die heutigen Probleme der Abwehr an den Außengrenzen sich dadurch erledigen sollen, dass man „europäische“ Außengrenzen hat. Ähnliches gilt für die hartnäckigen Probleme, die es bei der Bekämpfung des Terrorismus, bei der Deindustrialisierung ganzer Länder oder bei der zunehmenden Krisenanfälligkeit der Infrastruktur gibt. Alle diese realpolitischen Aufgabenfelder, die sich in den verschiedensten Größenordnungen zwischen kleinräumig und großräumig erstrecken, sollen nun durch eine politische Verschiebung bearbeitet werden, von der man eigentlich nur sagen kann, dass sie irgendwie eine Verschiebung „ins Große“ ist. Ja, das neue Politikthema der Regierenden bedeutet, wen man es einmal nüchtern auf seinen sachlichen Kern bringt, nichts anderes als ein Größe-Versprechen. Suggeriert wird, dass die heutigen Probleme nur durch einen größeren Politikrahmen lösbar seien. Und in dem Moment, wo man diesen Kern der laufenden Europa-Kampagne einmal so nüchtern betrachtet, wird eigentlich sofort klar, dass das nicht klappen kann. Das Superthema „Europa“ ist eigentlich ein Nonsens. Es ist eine Beschwörungsformel und auch eine Flucht vor der Realität. Eine Flucht ins Große. ◊◊◊ Die neue Beschwörung des Großen – Die Beschwörung des Großen ist historisch nichts Neues. Sie appelliert an jene Milieus in der Mitte der Gesellschaft, die über keine wirklichen Erfahrungen mit den Bedingungen und Grenzen großräumigen Handelns hat, aber sich doch gerne vom „Großen“ (und vom Mitreden auf höchsten Kommandohöhen) faszinieren lässt. So kehrt das, was man früher bisweilen als „kleinbürgerlich“ bezeichnet hat, heute in neuer Gestalt bei unseren globalisierenden „urbanen Mittelklassen“ wieder. Tatsächlich ist im Inneren unserer Metropolen der Glaube an europäische Lösungen (und andere Global-Themen) viel stärker als in der Peripherie. Hier findet auch ein merkwürdiger Spagat statt: Auf der einen Seite nehmen, beruflich und privat, die Einzelexistenzen zu, aber ausgerechnet diese glauben gerne, einen unmittelbaren Zugang zu globalem Wissen und Entscheiden zu haben. Dieser Unmittelbarkeits-Glaube kennt keine institutionellen Grenzen und Vermittlungen mehr. Hier ist man unmittelbar zum Weltganzen. Von dieser Art ist der Glaube, der jetzt „für Europa“ marschieren soll, ohne Rücksicht auf die Verbindlichkeit von Verfassungsstaaten, Volkswirtschaften und Sprachkulturen. Diese Verbindlichkeit soll nur noch als „nationalistische“ Engstirnigkeit gelten. ◊◊◊ Eine Umkehr der Bringschuld – Mehr noch, man macht diese angebliche nationalistische („populistische“) Engstirnigkeit dafür haftbar, dass das Wundermittel „Europa“ nicht zum Zuge kommt. Man tut so, als habe man bereits bewiesen, dass „mehr Europa“ die richtige Antwort ist. Und dies Gute, das schon auf dem Weg ist, würde nun durch den bösen „Nationalismus“ aufgrund irgendeiner dämonischen Macht zu Fall gebracht. Das ist die neue Dolchstoßlegende. Hier ist oft zu hören, dass es bei so großen Themen in der heutigen Politik (und Wirtschaft) vor allem auf „Vertrauen“ ankomme. Und dass die bösen Nationalisten eben dies Vertrauen zerstörten. Merken Sie, verehrte Leser, den Trick? Unter der Hand haben diejenigen, die nicht mehr von den Anforderungen der politischen Verbindlichkeit sprechen, sondern von „Vertrauen“, die Bringschuld umgekehrt. Eigentlich müsste das europäische Projekt beweisen, dass es eine verbindliche und haftbare Einheit sein kann. Wenn es aber um Vertrauen geht, müssen Sie, die Bürger, sie als Vorschuss geben. Die Bringschuld liegt bei Ihnen. Und wenn das große Europa scheitert – dann sind Sie schuld … ◊◊◊ Die Europawahlen als Beschwörungswahlen – Von dieser heimtückischen Art ist die Beschwörungsformel „Europa“. Auch die Kampagne, die jetzt anlässlich der kommenden Europawahlen geführt wird, lebt im Grunde von einer Umkehr der Bringschuld. Statt zu beweisen, was ein Einheitseuropa besser machen kann, beschwört diese Kampagne nur eine angebliche Gefahr, die irgendwie in den Nationen Europas schlummert. So wird zum Beispiel in den zahlreichen Europa-Reden, die der französische Staatspräsident Macron seit 2017 gehalten hat, die Beschwörungsformel „Europa“ immer mehr zur Negativ-Beschwörungsformel des „Nationalismus“. ◊◊◊ In der Großeinheit „Europa“ lauert die Willkür – Aber hat Macron in seinem Brief an die „Bürgerinnen und Bürger Europas“ vom 5. März nicht weitreichende institutionelle Reformen vorgeschlagen? Ein genauerer Blick in den Text (unter anderem erschienen in „Die Welt kompakt“ vom 5.3.2019) zeigt, dass Macron die Frage nach allgemein-verbindlichen Entscheidungen und nach einer staatlichen Gesamtverantwortung auf europäischer Ebene überhaupt nicht beantwortet. Stattdessen schlägt er eine Reihe von zusätzlichen Räten und Agenturen vor (eine „Agentur zum Schutz der europäischen Demokratie“, einen „Europäischen Rat für innere Sicherheit“, einen „Europäischen Innovationsrat“ usw.). Er schlägt also eine Parallelstruktur neben den verfassungsstaatlichen Strukturen der EU-Mitglieder vor. Diese Parallelstruktur ist ein Rückschritt bei der Verbindlichkeit, bei der Transparenz und bei der Verantwortlichkeit staatlicher Strukturen. Macron erzeugt seine politische „Größe“ also nur dadurch, dass er alle republikanischen Mindestanforderungen aufgibt. Seine europäische Politik ist eine Politik ohne Staat. Eine Politik, in der die Willkür regiert. Man sollte den tiefen Zorn, der sich in Frankreich gegen den Parvenu Macron ausgebreitet hat, hierzulande ernst nehmen. ◊◊◊ Warum die Europa-Beschwörung auch für Deutschland eine Gefahr ist – Die französische Regierung profiliert sich „europäisch“, und die deutsche Regierung hat diesem Kurs nichts Substanzielles entgegenzusetzen. Berlin beschränkt sich darauf, einigen Vorschlägen nur halb zuzustimmen – aber in der Grundrichtung „mehr Einheits-Europa“ ist man mit Paris einig. So ist es zu einer Art europäischem Führungsduo gekommen. Das wird gerne als deutsch-französische Freundschaft verstanden, aber mit Deutschland und Frankreich hat die Vision „Europa“ gar nichts im Sinn. Die beiden Nationen zählen dort ja gar nicht mehr, sondern sind unter den Generalverdacht gestellt, Brutstätten von Nationalismus und Krieg zu sein. Aber ist es nicht umgekehrt: Werden sich nicht gerade in dem Riesenkomplex des Einheits-Europas unkontrollierbare Mächte bilden? Wohnt hier nicht schon eine zunehmende Willkür von „Richtlinien“ und „Verordnungen“, für deren Folgen in den Ländern Europas niemand verantwortlich ist? ◊◊◊ Die Richtungsfrage, nüchtern gestellt – Man sollte Propaganda-Alternative „europäisch oder nationalistisch“ durch die nüchterne Frage ersetzen, welche Größe für verbindliche politische Entscheidungen und verantwortungsfähige staatliche Einheiten angemessen und zukunftsfähig ist. Oder anders gesagt: Brauchen wir jetzt in Europa eine Mehr an Einheitlichkeit oder ein Mehr an Pluralismus? Dazu gehört auch die Bestandsaufnahme, wo zwischen Einheitlichkeit und Pluralismus das heutige Gebilde namens „Europäische Union“ einzustufen ist. Denn die Beziehungen in Europa haben sich seit den 1950er Jahren mehrfach stark geändert. Das heutige EU-System ist etwas fundamental anderes als die Europäischen Gemeinschaften, die als Antwort auf die Erfahrungen zweier Weltkriege geschaffen wurden. Die forcierte Verflechtung des heutigen EU-Systems kann für sich gar nicht beanspruchen, die Friedensantwort auf zwei Weltkriege zu sein. Insbesondere nach 1989 wurde die Vereinheitlichungs-Schraube stärker angezogen, und sie hat uns das beschert, was nun als „Europa“ gelten soll.
Redaktion
Brauchen wir jetzt in Europa eine Mehr an Einheitlichkeit oder ein Mehr an Pluralismus? Dazu gehört auch die Bestandsaufnahme, wo zwischen Einheitlichkeit und Pluralismus das heutige Gebilde namens „Europäische Union“ einzustufen ist.
kolumnen
2019-03-15T13:28:34+00:00
2019-03-15T13:28:35+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/helds-ausblick/europa-als-beschwoerungsformel/
Klares Signal: AfD legt weiter zu – jetzt allein auf Platz 1
Das ist ein deutliches politisches Signal: Erstmals seit ihrer Gründung liegt die AfD in einer bundesweiten Forsa-Umfrage vor der Union. In der aktuellen Erhebung für RTL und n-tv erreicht die AfD 26 Prozent, während CDU und CSU zusammen bei 25 Prozent stagnieren. Diese Entwicklung markiert einen bedeutenden Umbruch in der politischen Stimmungslage der Bundesrepublik – und rückt insbesondere die AfD-Co-Parteivorsitzende Alice Weidel erneut in den Fokus. Die 44-jährige promovierte Ökonomin gilt als das strategische Gesicht der Partei, das bürgerlich-konservative Wähler ebenso anspricht wie Unzufriedene am rechten Rand des Spektrums. Die SPD bleibt stabil bei 15 Prozent, während die Grünen leicht an Zustimmung verlieren und mit 11 Prozent auf ihren tiefsten Stand seit Monaten fallen. Die Linke liegt bei 9 Prozent, das von Sahra Wagenknecht gegründete BSW sowie die FDP kommen jeweils auf 4 Prozent – womit die Liberalen um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen müssten. Trotz des Umfragehochs zeigt die Befragung zur Problemlösungskompetenz ein anderes Bild: Nur 12 Prozent der Befragten trauen der AfD zu, die großen Herausforderungen Deutschlands zu meistern – weit hinter der Union, der 21 Prozent diese Fähigkeit zuschreiben. Bezeichnend: Fast die Hälfte der Bevölkerung (47 Prozent) sieht keine Partei in der Lage, die aktuellen Probleme erfolgreich anzugehen – ein Ausdruck allgemeiner Politikverdrossenheit. Auch CDU-Chef Friedrich Merz kann nicht vollständig überzeugen: Nur 42 Prozent der Befragten trauen ihm eine bessere Regierungsführung als Olaf Scholz (SPD) zu. 53 Prozent glauben hingegen nicht, dass Merz das Land erfolgreicher führen würde. Unterstützung erfährt er nahezu ausschließlich aus den eigenen Reihen (86 Prozent der Unionsanhänger). Bei den Wählern anderer Parteien überwiegt Skepsis – darunter auch bei AfD-Wählern (22 Prozent Zustimmung), obwohl diese der Union insgesamt mehr Problemlösung zutrauen als ihrer eigenen Partei. Alice Weidel, seit 2022 gemeinsam mit Tino Chrupalla an der Parteispitze, profitiert maßgeblich vom aktuellen Höhenflug ihrer Partei. Ihr Image: sachlich, analytisch und rhetorisch stark und mit klaren Botschaften in der Migrations-, Wirtschafts- und Energiepolitik. Trotz kritisierter Auftritte gelingt es ihr, in Talkshows und Social Media als führende Stimme der Systemkritik aufzutreten. Kritiker werfen ihr vor, bewusst mit populistischen Tönen zu spielen. Befürworter sehen in ihr die erfolgreichste Strategin der AfD seit ihrer Gründung. Die Zahlen der Forsa-Umfrage vom 15. bis 17. April (Parteipräferenzen) sowie vom 16. und 17. April (Kanzlerfrage, jeweils mit über 1.000 Befragten) spiegeln eine deutlich veränderte politische Landschaft wider. Die AfD hat sich unter Alice Weidel zur stärksten Kraft im bürgerlich-rechten Lager entwickelt. Noch bleibt aber offen, ob  dieser Trend nachhaltig ist und ob daraus tatsächliche Regierungsoptionen erwachsen. Klar ist: Die Regierungsparteien stehen unter Handlungsdruck.
thomas punzmann
Friedrich Merz (CDU) hat ein massives Problem: Laut neuester Forsa-Umfrage legt die AfD weiter zu und kommt jetzt auf 26 Prozent – damit ist die Partei erstmals allein auf Platz 1.
daili-es-sentials
2025-04-22T12:26:27+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/afd-legt-weiter-zu-allein-auf-platz-1/
Der Zwergenaufstand gegen Ursula von der Leyen
Ein klein bisschen Demokratie ist beim Bukarester Gipfel der Europäischen Volkspartei gegen Ende nun doch aufgekommen: Die französische Delegation stimmte gegen Ursula von der Leyen, die sich, horribile dictu, als Spitzenkandidatin und erneute Anwärterin auf das Mandat der Kommissionspräsidentin bewirbt, und die Österreicher enthielten sich bei der Abstimmung über das neue Wahlprogramm ihrer Stimme. Das wird die Parteispitzen zwar ein wenig gestört haben, aber immerhin hatte die kleine Fronde den Kollateralvorteil, jedem, der es bezweifelt hätte, zu beweisen, dass schließlich immer noch alles „ganz demokratisch“ zugeht bei jenen europäischen „Konservativen“, deren wichtigstes Ziel es in den letzten Jahren zu sein scheint, eine so linke Politik wie möglich zu machen, ohne doch ihre Stammwähler ganz zu vergraulen. Insgesamt wird also wohl große Erleichterung die Führungsebene der EVP durchzogen haben, denn eigentlich war es schon ein gewisses Risiko, von der Leyen ein zweites Mal in den Ring ziehen zu lassen. Man erinnert sich daran, dass sie nach den letzten Wahlen in einem Hinterzimmerabkommen zwischen Juncker, Macron und Merkel bei völliger Missachtung der bisherigen Abmachungen über die Bedeutung der „Spitzenkandidaten“ wie ein etwas sperriges Kaninchen aus dem Zylinder gezaubert worden war, und auch diesmal hatte es Stimmen gegeben, die von einer Spitzenkandidatin der größten europäischen Partei zumindest verlangt hatten, sich auch als Parlamentarierin den Bürgern zu präsentieren und zunächst einmal einen demokratisch legitimen Sitz zu gewinnen – etwas, das bezeichnenderweise nie die Stärke der „mächtigsten Frau der Welt“ (Forbes) war und auch nun tunlichst unterlassen wurde. Was ist nun geschehen? Gerade in Frankreich ist die Personalie von der Leyen hochproblematisch, und das aus mehreren Gründen, wie die französischen EVP-Abgeordneten aus der Gruppe „Les Républicains“ in einem langen Brandbrief an EVP-Chef Manfred Weber erklärten. Zum einen gilt die CDU-Spitzenpolitikerin und Merkel-Vertraute im Volksmund seit jeher als eine von Berlin ferngelenkte Marionette und Technokratin, die zudem unter dem Deckmantel „konservativer“ Politik aktiv die Linksbegrünung der EVP und der gesamten Europäischen Union betreibe – ein Vorwurf, der gerade angesichts der massiven Bauernproteste gegen die Folgen des unter der Federführung von der Leyens entstandenen „Green Deal“ überaus schwer wiegt. Dazu kommt noch die freundschaftliche Unterstützung, welche Macron, Hassfigur Nummer Eins der statistisch überwältigenden Mehrheit der Franzosen, von der Leyen seit jeher hat angedeihen lassen, die dementsprechend als eine Art „U-Boot“ der Linksliberalen gilt: Außerdem sehen sich die französischen „Republikaner“ und Parteifreunde von der Leyens in der Zwickmühle, daheim zwischen den beiden Rechtsparteien Le Pens und Zemmours auf der einen Seite und dem ideologisch irrlichternden Macron auf der anderen Seite zerrieben zu werden: Schon jetzt besteht ein echtes Risiko, bei den Europawahlen weniger als 5 Prozent zu erhalten – ein wahrlich trauriges Ergebnis für die Erben des General de Gaulles, die vor gar nicht so langer Zeit noch absolute Mehrheiten einfahren konnten. Freilich macht dies die Entscheidung der Fraktion, geschlossen gegen von der Leyen zu stimmen, nicht wirklich mutiger: Ganze 7 Stimmen haben die „konservativen“ Franzosen noch innerhalb der EVP (gegen 18 für den „Rassemblement National“ Le Pens). Die Fronde der Republikaner war daher eher Prinzipsache und dürfte wohl auch vorher mit von der Leyen und EVP-Chef Manfred Weber durchchoreographiert worden sein. Von Anfang an war nämlich solchermaßen klar, dass von der Leyen, die sich noch nicht einmal gegen einen Gegenkandidaten wehren musste, die Nominierung gewinnen würde, dass von den 801 stimmberechtigten Abgeordneten (die Zahl wurde dann von der EVP kurioserweise mehrfach nach unten korrigiert) ohnehin nur 499 zur Abstimmung geschritten sind, während die übrigen lieber am Buffet geblieben sind. Dass von den 499 Mutigen dann 400 für, immerhin 89 gegen von der Leyen stimmten und 10 ungültig wählten, ist insgesamt alles andere als eine Auszeichnung. „82 Prozent Zustimmung“ wird zwar nun stolz durch die Medien getragen, aber bei einer Beteiligung von 62 Prozent lässt sich das Resultat auch so formulieren, dass 50 Prozent der stimmberechtigten gar nicht oder gegen von der Leyen gestimmt haben – ein etwas bedenkliches Ergebnis angesichts eines Wahlzettels, auf dem gut demokratisch nur ein einziger Name vermerkt war. Und gleich mit einer zweiten Fronde hatte der Parteitag aufzuwarten: Hier waren es die Österreicher der ÖVP, die sich dem neuen Wahlprogramm der EVP verwehrten – kein Wunder, rückt dieses die EVP doch (schon wieder) bis auf ein paar Lippenbekenntnisse einen weiteren Schritt nach links, was angesichts einer wieder erstarkten und im Gegensatz etwa zur AfD schon weitgehend salonfähigen und „entdämonisierten“ FPÖ den österreichischen Konservativen schlecht zu verkaufen ist. So sprach sich die ÖVP in ihrer Begründung gegen die geplante Abschaffung der letzten Veto-Rechte innerhalb der europäischen Institutionen aus und will auch die vollgültige Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in den Schengen-Raum lieber hinauszögern; in der Frage der Atomkraft überholt die ÖVP aber das EVP-Programm von links: Ihr wäre am liebsten eine völlige Schließung aller Zentralen. Doch handelte es sich hierbei wesentlich um Details, welche die ÖVP dann auch nicht zur Ablehnung, sondern nur zur Enthaltung geführt haben: Auch hier sollte vor allem das Gesicht gewahrt und elegant wienerisch sowohl nach rechts als auch nach links die eigene Autonomie bewiesen werden, ohne doch etwas Wesentliches an den Dingen ändern zu wollen. Insgesamt: Trotz leichter Risse schreitet die EVP weiter auf dem Weg voran, die Taktik der CDU nun auch auf das Parkett des Europäischen Parlaments zu übertragen; und rein wahltaktisch dürfte auch hier – vorerst – die Rechnung ebenso aufgehen wie weiland unter Dauerkanzlerin Merkel: auf der einen Seite die Rechte dämonisieren und somit für jegliche Koalition unbrauchbar machen; auf der anderen Seite die Christdemokratie zunehmend in die Mitte rücken und bei Grünlinks ohne weiteren Reibungsverlust andockbar machen, um somit auf viele Jahre, ja vielleicht Jahrzehnte mehr oder weniger „Große“ Koalitionen zu sichern, die um eine Beteiligung der EVP rechnerisch nicht herum können. Machterhalt vom Feinsten also – aber gleichzeitig das Todesurteil über das eigene ideologische Alleinstellungsmerkmal. Denn langfristig ist deutlich, dass die Menschen auf der rechten wie der linken Peripherie lieber das Original als die Kopie wählen und somit ein schleichender Glaubwürdigkeitsverlust einsetzt, der die Partei noch lange Jahre verfolgt, wenn er sie nicht vollends in die Bedeutungslosigkeit manövriert. Aber ist gerade das nicht ohnehin schon typisch geworden, nicht nur für die Politik auf europäischer, sondern auch nationaler Ebene, nämlich das langfristige Wohlergehen kurzfristigen Kalküls und Erfolgen zu opfern?
Natalie Furjan
Beim EVP-Kongress stimmte die französische Delegation gegen von der Leyen, und die Österreicher enthielten sich bei der Abstimmung über das neue Wahlprogramm. Das wird die Parteispitzen etwas gestört haben, aber die kleine Fronde hatte den Vorteil zeigen zu können, dass immer noch alles „ganz demokratisch“ zugeht bei jenen europäischen „Konservativen“.
meinungen
2024-03-08T12:04:23+00:00
2024-03-09T06:17:55+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/evp-gipfel-bukarest-gegen-von-der-leyen/
Zugeständnisse der EMA belegen betrügerische Absicht der Covid-Impfkampagnen
In einer Pressekonferenz des EU-Parlaments unter Vorsitz des niederländischen EU-Parlamentariers Marcel de Graaff verkündete dieser die Ergebnisse einer Anfrage bei der European Medical Agency (EMA; Europäische Arzneimittel-Agentur), in der diese zugab, dass die Covid-Impfstoffe nie für die Bekämpfung oder Reduktion von Infektionen zugelassen wurden, dass diese sogar die Wahrscheinlichkeit einer Infektion bei geimpften Personen erhöhte, und dass die EMA mit Nebenwirkungen und Erkrankungen kurz nach der Impfung rechnete. Das Eingeständnis der EMA bestätigt damit Vermutungen, dass die Impfkampagnen europäischer Regierungen nicht nur fahrlässig waren, sondern mutwillig Falschinformation in Umlauf brachten und damit schwerwiegende Gesundheitsrisiken in Kauf nahmen. De Graaf präsentierte gemeinsam mit Joachim Kuhs, seines Zeichens Europaparlamentarier der AfD, die Ergebnisse ihrer Anfrage an die EMA bezüglich der vielen Probleme rund um die Corona-Impfstoffe, sowie der daraus folgenden Aufforderung der Einstellung der Impfkampagnen, sowie des Entzugs der Impfstoffgenehmigung für die betreffenden Impfstoffe. Die nun vorliegende Antwort der EMA beinhaltete, so de Graaff, „schockierende Fakten“. — Norbert Häring (@norberthaering) November 22, 2023
D Boos
Auf Anfrage einiger EU-Parlamentarier gab die EMA zu, dass die Covid-Impfstoffe niemals zur Bekämpfung und Reduktion von Infektionen zugelassen wurden. Außerdem wurden Studien zu Nebenwirkungen bewusst unterwandert, indem diese nicht rechtzeitig gemeldet wurden. Ein Skandal erster Güte, der kaum jemanden interessiert.
daili-es-sentials
2023-11-24T14:15:34+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/ema-covid-impfkampagnen/
Der Schutz durch den Staat kann verhängnisvoll werden
«Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf» (homo homini lupus) sagt Hobbes; und damit sie sich nicht gegenseitig zerreißen, müssen sie allesamt ihre wölfische Gewalt auf eine gemeinschaftliche Institution, genannt «Staat» übertragen, der nun als der große Wolf all ihre Macht in sich vereinigt und sie, die zu Schafen gewordenen Einzeltiere, genannt «Bürger», überwacht, um ihre innere Wolfsnatur durch allgemein geltende Rechtsverhältnisse zu zähmen. In welcher Variation auch immer die neuzeitliche Vertragstheorie des Staates auftrat, eines ist allen gemeinsam: Die Macht des Staates ist eine direkte Funktion der Ohnmacht der Einzelnen, mit ihrer wechselseitigen Gefährdung umzugehen, also ihrer Schutzbedürftigkeit. Alle Staatsmacht legitimiert sich durch diesen Fehl und Mangel; und je gefährdeter und darum schutzbedürftiger sich die Einzelnen selbst erscheinen, desto größer die Machtübertragung an die staatliche Allgemeinheit, desto größer aber auch die Selbstentmündigung des Einzelnen, mit den Gefährdungen des Lebens autonom und selbständig umzugehen. In der Entwicklung des modernen Staates zum Fürsorgestaat qua Universalversicherung gegen alle Unbill erodiert die freie Kraft des Selbstseins, mit Gegensätzen umzugehen, Herausforderungen durchzustehen und daran zu wachsen. Der Mensch wird zunehmend verletzlicher, schutzbedürftiger – und veräußert seine Ohnmacht an die Therapie oder die politische Ideologie, die ein gegensatzloses Heil im universellen Guten verspricht. Wo sich die Legitimation der Regierungsmacht nicht mehr aus handgreiflichen inneren und äußeren Gefahren ergibt, müssen andere Gefahrenpotentiale – ob real oder imaginär – in Szene gesetzt werden: Es ist der geschichtliche Augenblick der Heranziehung von Infektionskrankheiten als Quelle staatlicher Selbstermächtigung, wie sie nach den gescheiterten Versuchen der Vogelgrippe (2006), dann der Schweinegrippe (2009) auch von der Rockefeller Stiftung (2010) theoretisch durchgespielt wurde und nun endlich: mit der Corona-Krise 2020 – auch Erfolg verspricht. Mit der neuesten Novellierung des Infektionsschutzgesetzes (IsFG), dem Entwurf eines 3. Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (Drucksache 19/23944 vom 3.11. 2020), das am Freitag, den 6.11. in erster Lesung dem Bundestag vorlag, soll dem bisherigen «Verordnungsregime» auch nachträglich eine gesetzliche Grundlage gegeben werden, die eine massive Einschränkung von Grundrechten (Artikel 7) nach dem neu eingefügten § 28 a vorsieht und der alleinigen Entscheidungsgewalt des Ge-sundheitsministers untersteht. Der Schutz vor Infektionen, die zum allgemeinen Lebensrisiko gehören, wird damit erstmals zur Legitimation einer umfassenden Aufhebung von Grundrechten herangezogen (der Freiheit der Person, der Versammlungsfreiheit, der Freizügigkeit, der Unverletzlichkeit der Wohnung), die als Willkürakt der Regierung ohne zureichende sachliche Begründung verhängt werden kann. Entsprechend vermerkt die Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages: «Der Deutsche Bundestag ist mithin frei, (jeweils) eigene Kriterien für die Ausrufung der epidemischen Lage zugrunde zu legen. Die in § 5 Abs. 1 S. 2 IfSG angesprochenen „Voraussetzungen für ihre Feststellung“, nach deren Wegfall die epidemische Lage aufzuheben wäre, sind nicht durch weitere Merkmale unterlegt. Der Beschluss des Bundestages ist also maßgebend, unabhängig davon, ob tatsächlich eine epidemische Lage angenommen werden kann». Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Das Schema sachlicher Unbestimmtheit und damit eines eklatanten Rationalitätsdefizites ist nicht neu; es folgt ganz dem Vorbild der von der WHO schon im Vorfeld der Schweinegrippe vollzogenen Aufweichung des Pandemiebegriffs, der nun nicht mehr die Schwere und Letalität («eine enorme Zahl von Todes- und Erkrankungsfällen»), sondern nur noch die vermutete (!) Infektionsgefahr beinhaltet. Aber es liegt auf der Hand, daßssnur die Schwere der festgestellten klinischen Verläufe und ihre Letalitätsrate den Alarmruf einer «Pandemie» rechtfertigt, der von der Allgemeinheit als angstauslösendes Bedrohungsszenario verstanden wird. Der Gesetzesentwurf widerspricht so den eigenen Begriffsbestimmungen des IsFG; und überspringt, ganz wie die veränderte Pandemiedefinition der WHO, auch die festzustellende Bedrohlichkeit einer Infektion. Sie besteht, nach dem IsFG § 2, 3a darin, dass «schwere klinische Verläufe» zu erwarten sind und die Infektion damit eine «schwere Gefahr für die Allgemeinheit» darstellt. Was bei Covid-19 außer für eine wohldefinierte Risikogruppe gerade nicht der Fall ist. Ist dann einmal unter Missachtung aller rationalen Grundlagen des IsFG eine «epidemische Lage» ausgerufen, die sich auf eine durch Massentests herbei inszenierte xte Welle beruft, dann folgt der Rest: die Aufhebung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung – wie von selbst aus der Bevollmächtigung der Regierung und ihres Gesundheitsministers. Man würde erwarten, dass für Grundrechtseinschränkungen, die das ganze öffentliche Leben lahmlegen, besonders starke und evidenzbewährte Gründe geltend gemacht werden. Nichts davon ist der Fall – im Gegenteil, es bleibt so einfach und leicht, dass man noch nicht einmal auf die objektive Daten Rücksicht nehmen muss, die das eigene Institut, das RKI, liefert, aber politisch weisungsgebunden in jene alarmistischen Kundgebungen umkehrt, die zur massenspsychologischen Auslösung der Schutzbedürftigkeit politisch erwünscht sind. Die ideologische Kontamination von Wissenschaft und Politik und ihre medial flächendeckende Verbreitung kommt dann als grundsätzlicher Vertrauensverlust der Bevölkerung zum Zuge, der durch keine «Faktenchecker» mehr einzufangen ist. Besonders kurios wirkt dann, wenn im Begründungsteil des Gesetzesentwurfs (S. 18 ff.) auch noch das Grundgesetz selbst bemüht und behauptet wird, die Maßnahmen der Grundrechtseinschränkungen erfolgten «in Umsetzung der Gewährleistung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit» (GG Art. 2.2.). Nun gilt aber als Rechtsgrundsatz, dass kein Grundrecht dazu mißbraucht werden darf, andere Grundrechte aufzuheben. Aber auch abgesehen davon ist es fraglich, ob der Infektionsschutz überhaupt dem «Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit» subsumiert werden kann. Denn dieses hat es in erster Linie damit zu tun, das staatliche Gewaltmonopol auf den Schutz der Allgemeinheit zu beschränken, etwa in der Bekämpfung von Gewaltverbrechen. Deren Urheber aber können dem Staate gegenüber keineswegs ein «Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit» gelten machen. «Gewährleisten» kann ein Mensch bzw. der Staat als menschliche Institution nur, worüber er verfügt, also ursächlich bestimmende Macht hat: Dazu gehört aber weder das Leben noch die körperliche Unversehrtheit oder Gesundheit, die als rein physisch-biologische Gegebenheiten weitgehend dem eigenverantwortlichen Handeln des Einzelnen überantwortet und vom Staate nur im Ausmaße seiner Möglichkeiten zu schützen sind. Sowenig es Sache des Staates ist, den Einzelnen vor Unfällen zu schützen, sowenig vor Krankheiten und Infektionen. Der Versuch, das Infektionsschutzgesetz unter das Grundgesetz Art. 2.2. zu subsumieren, könnte geradezu zynisch erscheinen angesichts der gesundheitlichen Schäden, die durch die Maßnahmen selbst bewirkt wurden und werden; nicht nur die Verschiebung von zahlreichen notwendigen Operationen (ca. 90 000 schon im Frühsommer), sondern all die Vernachlässigungen und Beeinträchtigungen der individuellen Gesundheitsfürsorge, die unzähligen Einzelnen in ihrer Lebensgestaltung und psychosozialen Existenzführung abgenötigt wurden. Ein Gesetzesentwurf, der sich in seinen Begründungen ad absurdum führt, wirkt zumindest – schamlos. Was als Ermächtigungsgesetz für den Bundesgesundheitsminister wie eine kindliche Trotzreaktion auf die wachsende Opposition der Corona-Maßnahmen erscheint («Jetzt erst recht»!), gerät zum Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung, gegen den der Bürger nur noch sein Widerstandsrecht nach Grundgesetz Artikel 20 Absatz 4 geltend machen kann, «wenn andere Abhilfe nicht möglich ist». Diese Abhilfe aber kann aufgrund der politischen Identität von Parlamentsmehrheit und Regierung nicht aus dieser diffusen Einheit von Legislative und Exekutive qua Bundestag kommen, sondern allein von der Judikative, die damit unter dem erheblichen Erwartungsdruck ihrer Bürger steht, die grundgesetzliche Ordnung wieder herzustellen. Was geschieht, wenn sie dies nicht zustande bringt, liegt im Unwägbaren geschichtlicher Prozesse – nicht zuletzt der freien Selbstermächtigung der Bürger. Rudolf Brandner 
Sofia Taxidis
Der Bürger ist gut beraten, die Alarmglocken seines Freiheitsbewusstseins schallen zu lassen, wo der Staat sich immer dichter an ihn heran drängt, um ihn vor was auch immer zu «schützen». Denn alle Schutzübertragung ist Selbstentmächtigung.
meinungen
2020-11-16T16:03:18+00:00
2020-11-16T16:03:19+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/der-schutz-durch-den-staat-kann-verhaengnisvoll-werden/
Jenseits jeder Staatsräson
Vor den Februarwahlen gab es in Deutschland ein verbreitetes Gefühl, dass „etwas nicht stimmt“ im Land, und dass es kein „Weiter-so“ geben könne. Das war gewiss kein ganz klares und sicheres Urteil, aber es reichte, damit sich viele Politiker im Wahlkampf genötigt sahen, einen „Politikwechsel“ zu versprechen. Sie erweckten den Eindruck, dass nun Fehlentscheidungen korrigiert würden und sich mehr Realismus in der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik durchsetzen würde. Doch dann geschah etwas ganz Anderes. Etwas genau Entgegengesetztes. Eine künftige Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD will die kommende Legislaturperiode von 2025 bis 2029 auf der Grundlage einer gigantischen Neuverschuldung des Staates bewältigen. Konnte man gerade noch hoffen, dass die kritische Lage des Landes zu einer begrenzenden Vernunft führen würde, wurden nun alle Grenzen staatlichen Handelns „geldpolitisch“ noch weiter aufgeweicht. Für diesen Mechanismus der Aufweichung steht die Devise „Whatever it takes“, die der italienische Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, ausgab, um die Schuldenkrise vieler Länder zu überwinden. Die Devise des „Koste es, was es wolle – wir tun es“ bedeutete, dass die EZB gigantische Garantiesummen aufbot, um die Schuldenstaaten zu „retten“. Und so geschah es. Allerdings hat diese „Rettung“ bis heute nicht dazu geführt, dass diese Länder ihre strukturellen Defizite überwunden haben. Und ausgerechnet diese großtönende Devise, die die tieferen Probleme eines Landes nur mit Geld zuschüttet, soll nun über den kommenden fünf Jahren die Führung der Staatsdinge in Deutschland bestimmen. Das kann man – mit Fug und Recht – als eine der größten Wählertäuschungen in der Geschichte der Bundesrepublik bezeichnen. Aber die Betrugs-Anklage bringt noch keine Klarheit über das, was Deutschland in der gegenwärtigen Situation fehlt. Es geht um die Aufgaben, die ein Staatswesen in einem modernen Land lösen muss – und die nur ein Staatswesen lösen kann. Um die Aufgaben, die nicht „dem Markt“ und auch nicht „der Gesellschaft“ überlassen werden können. Da liegt die wahre Dimension der jetzigen politischen Krise: Sie ist eine Krise des Staates. Es fehlt die Vernunft, die sich aus der Eigenart und den Beständen des Staates ergibt – die Staatsräson. ◊◊◊ Über die Vernunft des Staates (I) – Wenn von „Staatsräson“ die Rede ist, wird das häufig mit blindem Gehorsam (im Sinne von „jemanden zur Räson bringen“) verbunden. Aber es geht nicht um eine Herrschaft von Menschen über Menschen. Die Autorität, die der moderne Staat geltend macht, liegt in der Sache, dem Land und dem damit verbundenen Amt. Es geht um eine Allgemeinheit von Rechten und Pflichten. Eine solche Allgemeinheit kann nicht den ganzen Wohlstand oder das „ganze Leben“ bestimmen, sondern nur die sachlichen und geistigen Gemeingüter. Mit der Differenzierung der individuellen Güter haben die Gemeingüter nicht an Bedeutung eingebüßt, sondern haben sich in modernen Zeiten ihrerseits weiterentwickelt. Sie haben tragende „Infrastrukturen“ gebildet, deren ständige Erhaltung und Weiterentwicklung ein prägendes Merkmal und ein kritischer Maßstab für das politische Handeln ist. Der moderne Staat ist „stehender“ Staat und „Bestände“-Staat. Er verfügt nicht nur im personalen Sinn über einen millionenstarken „öffentlichen Dienst“, sondern auch im sachlichen Sinn über immense materielle und geistige Bestände. Darin ähnelt der Staat den modernen Unternehmen, aber er unterscheidet sich von ihnen dadurch, dass er nicht auf Wertschöpfung, sondern auf die Bedingung der Möglichkeit von Wertschöpfung gerichtet ist. Seine Leistung ist weniger eine Produktionsleistung als eine Tragleistung. Von daher bekommt der Begriff „Infrastrukturen“ seinen Sinn. Nur in diesem spezifischen Sinn kann man dann davon sprechen, dass der Staat ein „ganzheitliches“ Interesse vertritt. Aber es ist eine gegliederte Ganzheitlichkeit, wenn man die unterschiedlichen Ebenen des Staates – Bund, Länder, Gemeinden – mit ihren unterschiedlichen Größenordnungen und Zuständigkeiten berücksichtigt. Auf dem Feld des „Ganzen“ steht nicht alles von vornherein fest. Auch hier gibt es Versuch und Irrtum („try and error“). Der politische Prozess ist – wie der Markt-Prozess – ein Suchverfahren. Die staatliche Vernunft ist also ein durchaus komplexes Gebilde. Wie die unternehmerische Vernunft in der Marktsphäre vieles zu erwägen hat – hat in der politischen Sphäre die Staatsräson viel zu tun: Sie muss die Gegebenheiten und Möglichkeiten in ihrem ständigen Wandel beobachten, sie muss das richtige Maß für ihr Handeln finden und die Aufstellung des Staates immer wieder anpassen. ◊◊◊ Über die Vernunft des Staates (II) – Dabei regiert ein wichtiges Prinzip: Ein Staatswesen muss die Gemeingüter und Infrastrukturen aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln erhalten und weiterentwickeln. Diese Mittel gewinnt es aus den Steuern und Entgelten der Bürger, die aber nicht Zwangstribute an „die Mächtigen“ sind, sondern auf dem eigenen Beitrag beruhen, den der Staat zur Leistungsfähigkeit des Landes einbringt. Ein Staatswesen muss nicht die unternehmerische Produktivität haben, aber es muss etwas leisten, das zur Produktivität der Unternehmen und zur Lebensführung der Haushalte etwas Grundlegendes und Dauerhaftes beiträgt. Deshalb ist ein Grundgebot der Staatsräson, dass die Finanzierung der Staatsausgaben nicht dauerhaft außerhalb des regulären Staatshaushalts erfolgen darf. Eine Finanzierung durch Sonderschulden ist keine Lösung, sondern führt nur zu einer späteren erhöhten Rechnung. Sie führt also zu einer Notlage, in der die Bürger zu Zwangstributen herangezogen werden. Sonderschulden dürfen daher nur eingegangen werden, wenn nachweislich und greifbar eine so starke Prosperität in Aussicht steht, dass aus ihr die Sonderschulden beglichen werden können. Mit „gutem Willen“ und „Zuversicht“ sind die Anforderungen der Staatsräson nicht zu erfüllen. An dieser Stelle wird sichtbar, warum es so wichtig ist, die substanziellen Bestände, aus denen der moderne Staat besteht, zu erkennen und zu schützen. Mit diesen Beständen steht und fällt die Staatsräson eines modernen Staates. Und damit steht und fällt auch die Souveränität eines modernen Landes. An dieser Front muss sie verteidigt werden. ◊◊◊ Über die Vernunft des Staates (III) – An diesem Punkt zeigt sich auch, wie grundlegend die Beachtung von Grenzen für die Staatsräson ist. Das sind zum einen die inneren Grenzen. Der Staat kann und darf sich nicht mit allen Angelegenheiten der Bürger befassen. Er muss die Lösung vieler Probleme der Eigenverantwortung der Unternehmen und der Bürgerhaushalte überlassen. Zugleich muss die Staatsräson auch deutlich zwischen den inneren und den äußeren Angelegenheiten eines Landes unterscheiden. Das gilt sowohl für militärische oder zivile Interventionen im Ausland als auch für die Aufnahme von Migranten oder die Übertragung von Gemeingütern in fremde Hände. Was aus weltbürgerlicher Perspektive berechtigt erscheinen kann, muss aus Gründen der Staatsräson begrenzt und oft sogar ausgeschlossen werden. An dieser Stelle wird deutlich: Wer nicht von Grenzen sprechen will, verlässt den festen Boden der Staatsräson. Er verwickelt das Land in alle möglichen – inneren und äußeren – Abhängigkeiten. Er macht es zum Spielball der Ereignisse. Und er macht die politisch Verantwortlichen zu „Getriebenen“ von wuchernden Ansprüchen und Einflüssen. ◊◊◊ Wohin das „Whatever it takes“ führt – So sind wir nun an den Punkt des „Koste es, was es wolle“ gekommen. Aber die Konsequenzen werden noch unterschätzt. Für den beschlossenen gigantischen Schuldensprung müssen ab sofort und dann Jahr für Jahr Kreditgeber gefunden werden (zum Beispiel als Käufer von Bundesanleihen). Diese Schulden müssen bedient werden: Jedes Jahr muss (beim gegenwärtigen Zinsniveau) ein Zins von fast 3 Prozent an die Käufer überwiesen werden. Und diese Zahlung muss aus dem Staatshaushalt bestritten werden. Am Ende der Laufzeit ist dann die Rückzahlung des Gesamtkredits fällig, und sie muss ebenfalls aus dem Bundeshaushalt bestritten werden. Wird das erst problematisch „für unsere Kinder“, wie man hier und da lesen kann? Oh, nein, es wird schon für unsere Ersparnisse kritisch. Denn wo sollen die zusätzlichen Erträge und Einkommen herkommen, aus denen die Kredite in Höhe von knapp 1000 Milliarden erst bedient und dann zurückgezahlt werden? Sollen sie aus der Ukraine oder aus russischen Reparationen kommen? Sollen sie aus den erneuerten normalen Brücken und Bahngleisen kommen? Aus der teuren „erneuerbaren“ Energie? Oder gar aus den Elektroautos und Wärmepumpen? Das ist ja das hässliche Geheimnis hinter der so mächtig klingenden Ankündigung von „Zukunftsinvestitionen“ und dem „Europa muss es selber stemmen“ im Ukraine-Krieg: Dort warten gar keine zusätzlichen Ertragsquellen und sprunghaften Effizienzsteigerungen, aus denen die gigantische Neuverschuldung gegenfinanziert werden könnte. Wie kann man sich auf der einen Seite ständig auf extreme „Notlagen“ berufen – mit einem angeblich drohenden russischen Angriff auf Europa und mit einer angeblich drohenden Überhitzung des Planeten – und auf der anderen Seite die Lösung einfach mit Geld auf Pump kaufen wollen? Die Abwehr von Notlagen zahlt keine Zinsen. Bei diesem sogenannten „Befreiungsschlag“ handelt es sich weder um wirkliche Investitionen noch um eine Vermögensbildung, sondern um eine zusätzliche Belastung der jetzt noch bestehenden Vermögen. Das „Whatever it takes“ steht über dem Tor zu einer großen Vermögensvernichtung in Deutschland. ◊◊◊ Nur die Rückkehr zur Staatsräson führt da heraus – Das Prinzip „Whatever it takes” ist das direkte Gegenteil jeglicher Staatsräson. Das „Koste es, was es wolle“ besteht ja darin, von absoluten „Aufgaben“ auszugehen, bei denen man keinen Gedanken darauf verwenden darf, ob diese Aufgaben eventuell sinnlos und ruinös sind. Genau an diesem Punkt kann und muss eine Wende ansetzen – indem dieses Land endlich damit beginnt, die Aufgaben kritisch zu betrachten und sich aus ihnen zurückzuziehen. Das aber kann nur geschehen, wenn man sich positiv auf die Sichtweisen und Anforderungen bezieht, die die Substanz und die Vernunft eines modernen Staatswesens ausmachen. Es reicht ganz offensichtlich nicht, hier nur subjektive „Werthaltungen“ oder „Identitäten“ ins Feld zu führen. Deutschland braucht die objektive Autorität einer Staatsräson.
Fritz Goergen
Die gigantische Neuverschuldung bedeutet eine schwere Hypothek für die nun beginnende Legislaturperiode. Die neue Regierungsdevise „Whatever it takes“ ist so grenzenlos, dass sie die Grundlagen eines souveränen Landes angreift.
kolumnen
2025-03-21T08:26:09+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/helds-ausblick/staatsraeson/
Niederlande: Kippt die nationale Notlage das Asylrecht?
Die Leiche der 18-jährigen Ryan aus Friesland wurde am 28. Mai 2024 in Lelystad gefunden. Die junge Frau hatte angeblich die Familienehre schwer verletzt, woraufhin sie von ihren beiden Brüdern Muhanad und Mohammed (24 und 22) entführt wurde. Wenig später war sie tot, ermordet von ihren Brüdern, wie der Vater Khaled in einem Brief an die Tageszeitung De Telegraaf offen zugab. Er hatte seinen Söhnen den Auftrag dazu gegeben: „Die Fische sollen sie fressen, damit keine Spur von ihr zu finden sein wird.“ Kurz darauf reiste Khaled zurück in seine syrische Heimat, wo er am besten bleiben wird. In diesen Tagen begann die Verhandlung in dem Fall, der in niederländischen Medien breit diskutiert wird. Das Land will etwas aus diesen rechtlosen Zuständen lernen, ja, es hat seine Lektion schon gelernt, wie sich bei den letzten Wahlen zeigte, die ein neues Regierungsbündnis an die Macht brachten. Und diese neue Regierung will nun in der Tat Grundsätzliches ändern am niederländischen Asyl- und Einwanderungsrecht. Die unmittelbar umzusetzenden Vorschläge zum Asylrecht drehen sich dabei um die Unterbringung der Asylbewerber, die Befristung von Asylbescheiden und die Verschärfung vieler Verfahren. Daneben will man ärmere Haushalte durch einen Energiefonds unterstützen und im Jahr 100.000 Wohnungen bauen (darunter 290.000 Seniorenwohnungen bis 2030), kostenloses Schulessen beibehalten und 600 Millionen Euro für die Altenpflege ausgeben. Die Außenpolitik soll weitgehend unverändert bleiben. Spiritus rector des Ganzen ist ohne Zweifel Geert Wilders, dessen Partei für die Freiheit (PVV) der stärkste der Koalitionspartner ist und seit langem über die Themen Asyl und Islamisierung spricht. Die Spitzenkandidaten aller vier Partner sind aufgrund einer gemeinsamen Verständigung nicht selbst in die Regierung eingetreten. Asyl- und Migrationsministerin Marjolein Faber von der PVV will nun so bald wie möglich eine nationale Notlage ausrufen, um – wie während der Regierungsbildung versprochen – das „strengste Asylsystem aller Zeiten“ einführen zu können. Die Ausrufung eines nationalen Notstands ist dabei nur ein Teil der Strategie und für sich schon ungewöhnlich. Eine rechtliche Prüfung ist im Gange und laut der Ministerin auch schon abgeschlossen. Der Premierminister hielt am Freitag fest: „Ich denke, dass unser Vorschlag der Kritik standhalten kann.“ Faber macht die Krise mit den folgenden Sätzen anschaulich: „Die Menschen sind überlastet, die ganze Kette ist festgefahren, es gibt keine Häuser mehr. Wir müssen etwas gegen den Zustrom tun – und zwar sehr schnell.“ Die Ausrufung einer Asylkrise war Teil des Koalitionsrahmenvertrags gewesen. Die dann ergriffenen Maßnahmen sollen auch mittelfristig für eine Dauer von bis zu zwei Jahren gelten. Wäre die nationale Asyl-Notlage einmal eingeführt, dann hätte die Regierung viele Möglichkeiten. Das Ausländergesetz könnte zeitweilig aufgehoben werden. Dem Staat stünde es frei, vorerst keine weiteren Asylanträge anzunehmen. Das könnte dank Notstandsrecht auch durch königlichen Erlass, ohne Parlamentsdebatte, beschlossen werden. Im Unterhaus hätten die vorgeschlagenen Maßnahmen derzeit aber zudem eine klare Mehrheit, wie der Telegraaf anmerkt. Nur die linke Opposition, vor allem die sozialdemokratische Arbeitspartei (PvdA), GroenLinks (GL) und die linksliberale D66, führe hier ein „fanatisches Nachhutgefecht“, in dem sie die neue Regierung als „kalt“ und „rechtsextrem“ darstellt. Für die Linken gibt es nur eine Krise bei der Unterbringung von Asylbewerbern, vor allem seit Faber einem Teil von ihnen das staatlich bezahlte Bett, Bad und Brot strich (TE berichtete). Aber die Wohnungsnot ist auch in den Niederlanden kein neues Phänomen. Die Linken meinen, es gebe kein Problem, die Zahl der Migranten liege stabil bei jährlich etwa 40.000 Asylbewerbern. Welche Logik! Ihren Kritikern entgegnet die Fachministerin Faber: „Die Ausrufung einer rechtlichen Asylkrise ist ein normaler Teil des Einwanderungsgesetzes.“ Daneben wird die Regierung das Asylsystem so oder so grundlegend reformieren, und dies ab sofort. So will sie zeitlich unbegrenzte Asylgenehmigungen abschaffen und die Dauer der befristeten Erlaubnisse anpassen. Die Verfahren sollen allgemein sehr viel strenger werden, der Familiennachzug eingeschränkt werden. So werden volljährige Kinder nicht mehr nachreisen können. Es soll mehr abgeschoben werden, Einspruchsmöglichkeiten gegen Gerichtsurteile entfallen. Man ergreife „Maßnahmen, um die Niederlande für Asylsuchende so unattraktiv wie möglich zu machen“. Das – kurz vor Regierungsbildung noch beschlossene – Zwangsverteilungsgesetz wird abgeschafft, und über Asylanträge wird vorerst nicht entschieden. Erwartet werden außerdem Grenzkontrollen, die im Zweifel über das deutsche „Vorbild“ hinausgehen werden. Daneben will die Regierung schon nächste Woche in Brüssel einen Antrag auf ein sogenanntes „Opt-out“ aus der EU-Asylpolitik einreichen. Die teils erst im Dezember von der Regierung Rutte mitbeschlossenen Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) sollen dann nicht mehr für die Niederlande gelten. Wird dem Antrag nicht stattgegeben, will die Regierung die Regelung nutzen, nach der ein Mitgliedsstaat 20.000 Euro zahlen kann, um die Übernahme eines EU-Asylbewerbers zu vermeiden. Sicher ist man sich in Den Haag offenbar nur über eins: Man wird in der gleichen Weise wie Ungarn keinen einzigen „umverteilten“ Asylbewerber aus Brüsseler Händen annehmen. Dazu ist der Platz am Deich zu knapp und teuer. Kurzfristig werden sich Asylbewerber auch darauf einstellen müssen, nicht mehr in Mietwohnungen untergebracht zu werden, sondern in Zimmern mit gemeinsamen Küchen und „Waschgelegenheiten“. Der Vorrang auf dem Wohnungsmarkt für sogenannte Statusinhaber wird abgeschafft. Wenn es mit der ungezügelten Zuwanderung so weitergehe, würden „im Jahr 2050 zwischen 21 und 23 Millionen Menschen in den Niederlanden leben. Viel, viel zu viele auf diesem kleinen Fleckchen Erde“, meinte die Abgeordnete der Bauern-und-Bürger-Bewegung (BBB) Claudia van Zanten.
Matthias Nikolaidis
Die neue Regierung hat ihre Pläne vorgestellt. Neben Energie und Wohnen geht es dabei vor allem um die Asylkrise, die man zur nationalen Notlage erklären will, um keine Anträge mehr annehmen zu müssen. Daneben sucht man ein Opt-out in Brüssel und will umgehend viele Verfahren verschärfen.
kolumnen
2024-09-15T10:53:20+00:00
2024-09-15T10:53:21+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/niederlande-kippt-die-nationale-notlage-das-asylrecht/
Anne Will mit immer den gleichen Gästen Lauterbach und Söder
Normalerweise ist es für Journalisten ein Glücksfall, wenn gleich der Erste in einer Diskussion die Kernfrage des Abends stellt. Bei Anne Will war das die Anästhesistin und praxiserfahrene Intensivmedizinerin Carola Holzner, die auf die während der ganzen Sendung über im Raum stehende Frage: „Warum lassen sich so viele in Deutschland nicht impfen?“, antwortete: „Weil wir die Menschen nicht mitnehmen.“ Doch Anne Will ist eben Anne Will und bleibt sich treu. Warum Kritik zulassen, wenn die Schuldigen auch so von vornherein feststehen? Sogenannte „Impfverweigerer“, „Verschwörungstheoretiker“ und immer wieder Vorwürfe gegen eine zu wenig hart „durchgreifende“ politische Klasse. Und so zog es sich wieder wie immer, in einer Art Redundanz vorheriger Sendungen dahin. Ebenso hörte man aus dem Munde des TV-Corona-Spezialisten, dass jederzeit immer wieder neue Viren und Mutationen auftreten könnten. Stellt sich dem durchschnittlich gebildeten Zuschauer automatisch die Frage, warum man für derartige Überraschungen nicht heute schon über einen Ausbau der Intensivmedizin nachdenkt. Nur Anne Will fällt das nicht ein. Schon jetzt ist doch absehbar, dass aus Geimpften immer wieder mehr „Ungeimpfte“ werden mit dem gleichen Infektionsrisiko und Ansteckungsgrad. Das alles kann man nun wirklich nicht den „Ungeimpften“ von heute in die Schuhe schieben. Wo ist die vorausschauende Strategie? Und – die schon oft gestellte Frage harrt immer noch einer Antwort: Warum wurden Tausende von Intensivbetten erst in jüngster Zeit abgebaut? Wo sind die vielen Tausende Pflegekräfte? Was wäre erst los, wenn uns ein völlig neuer und aggressiverer Virus schockiert? Nein, der Bürger wird mit all dem allein gelassen – nicht nur „nicht mitgenommen“, wie es Carola Holzner eingangs charakterisiert, sondern nie ernst genommen oder gar respektiert. Jetzt soll es also doch eine allgemeine Impfpflicht richten, die von allen Politikern verneint wurde. Zwingen will man auch dann niemanden. Dafür sollen hohe Geldbußen die Zweifler zur Vernunft bringen. Wer genügend Geld hat, kann sich also freikaufen. Sage noch einer einmal etwas gegen die Zwei-Klassen-Medizin. Allgemeine Empörung bei Will auch über den Fackelmarsch vor dem Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin in Grimma. Selbstverständlich ist auch diese Art der Nötigung, die die Schwelle zur Gewalt überschreitet, mit aller Härte zu verfolgen. Seit 1933 habe es so etwas in Deutschland nicht mehr gegeben, hörte man – leider stimmt das nicht. Wenn wir schon in die Geschichte zurückgehen, war das sogenannte „Bauernlegen“ der SED-Agitationstrupps im Rahmen der Kollektivierungskampagne der DDR-Landwirtschaft im Sommer 1952 ein ebenso abstoßendes Gebaren. Zum Teil mehrere Tage und Nächte hindurch wurden die Gehöfte einzelner Bauern umringt, um sie mit Brüllkanonaden, Lautsprecherbeschallung und Drohungen zur Vergesellschaftung ihres Eigentums zu zwingen. Viele Landwirte sahen den einzigen Ausweg in der Flucht über die Grenze nach Westen. Die Folge war eine schwere Versorgungskrise im Frühjahr 1953. Doch noch einmal zurück zu Anne Will. Schon bald wird man nicht mehr zwischen Geimpften und nicht Geimpften unterscheiden können, weil beide sich durchmischend der gleichen Gefahrenlage ausgesetzt sein werden. Man gibt die Hoffnung nicht auf, dass dann auch bei Anne Will die verheerende und widersprüchliche Politik der letzten beiden Merkeljahre in Sachen Corona zur Sprache kommt. Vielleicht dann auch mit einer größeren Vielfalt der Meinungen.
Sofia Taxidis
Schon bald wird man nicht mehr zwischen Geimpften und nicht Geimpften unterscheiden können, weil beide der gleichen Gefahrenlage ausgesetzt sind. Ob dann bei Anne Will die verheerende und widersprüchliche Politik der letzten beiden Merkeljahre in Sachen Corona zur Sprache kommt?
feuilleton
2021-12-06T06:51:03+00:00
2021-12-06T07:21:32+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/anne-will-corona-lauterbach-soeder/
Schwedt als Schilda: Habecks Posse
Mit dieser Posse hat sich Robert Habeck selbst übertroffen – und das will schon etwas heißen. Im PCK Schwedt wird Rohöl zu Flugbenzin, zu Benzin, Dieselkraftstoffen und Bitumen verarbeitet. Das Rohöl kam bis zum 1. Januar 2023 durch die Pipeline Drushba aus Russland. Nicht die Russen tragen die Schuld daran, dass aus der Pipeline danach kein russisches Erdöl mehr floss, sondern Robert Habeck und Annalena Baerbock. Baerbock hatte in Riga im Frühjahr 2022 aufgetrumpft, dass sie kein russisches Erdöl und kein russisches Erdgas mehr haben wolle. Man hörte förmlich, wie sie dabei mit dem linken Fuß auf den Boden stampfte. Auch wenn Annalena Baerbock aus Pattensen sich in Riga so sehr an ihrer Rede berauschte, bereitete das nun wirklich niemandem im Kreml, weder Wladimir Putin noch einem Unterabteilungsleiter, noch dem Hausmeister, einen Kater – nur den Deutschen, nur Schwedt, nur den Uckermärkern und den Brandenburgern, aber auch den Berlinern und den Mecklenburgern. In der Uckermark werden sie sich am 22. September daran erinnern. Robert Habeck, der sich nicht von seiner ziemlich besten Parteifeindin Annalena Baerbock in der Flucht vor den fossilen Energieträgern überholen lassen wollte, und sich zudem von den Polen, mit denen er eher in gebückter Haltung und mit Kratzfuß wie mit dem Emir von Katar sprach, unter Druck setzen ließ, schritt zur Tat – so, wie es nur Robert Habeck kann mit jenem für die Grünen charakteristischen Aufwand von minimaler Fachkenntnis und maximaler PR-Kompetenz. Im Herbst 2022 wurden die 54 Prozent Anteile des Mehrheitseigners des PCK, der russischen Rosneft, unter die Treuhandverwaltung des Bundes gestellt. Beflissen reisten Habeck und Woidke im Herbst 2022 nach Schwedt und kündigten den staunenden Mitarbeitern herrliche Zeiten an. Auf die herrlichen Zeiten warten sie in Schwedt bis heute vergeblich. Zwischendurch wurde es sogar sehr unherrlich. Aber für die Grünen gilt ja die bekannte Maxime, dass es erst einmal schlechter werden muss, bevor es ganz schlecht wird. Man kann das alles auf TE nachlesen. TE dokumentierte Habecks Industrie-Soap damals detailliert. Ab 1. Januar 2023 nahm das PCK Schwedt auf Habecks Verlangen und mit Woidkes Billigung kein Erdöl mehr aus Russland ab. Die Folge davon war, dass die Raffinerie zeitweilig nur noch eine Auslastung von um die 50 Prozent hatte, nämlich nur das Rohöl verarbeitet werden konnte, das aus der Notleitung vom Rostocker Hafen kam. Die Polen hielten ihre Versprechen, Schwedt über den Danziger Hafen zu beliefern, von dem eine Pipeline zur Drushba lief, nicht voll umfänglich ein, bezogen aber selbst fleißig weiter russisches Erdöl aus der Drushba. Denn das Pipeline-Öl war vom Embargo ausgeschlossen. Vielleicht wussten Habeck, Kellner, Woidke und Steinbach das nicht, auf alle Fälle haben sie sich zum Nachteil des PCK Schwedt von den Polen zum Narren machen lassen. Inzwischen liegt die Auslastung dank des Erdöls aus Kasachstan um die 78 Prozent. Doch jetzt kommt das Beste. Bis heute ist Rosneft nicht enteignet, nicht verkauft. Wieder wurde die Enteignung verschoben, die Treuhandverwaltung des Bundes über die Rosneft-Anteile um ein Jahr verlängert. Offensichtlich agieren Habeck, Kellner, Woidke und Steinbach auf einer sehr dünnen rechtlichen Grundlage. Dem Vernehmen nach erhoffte sich Habeck, dass die Anteile für 3 Milliarden Euro verkauft werden können, doch Rosneft will 8 Milliarden. Diese Risiken könnten Interessenten wie Polens PKN Orlen abgeschreckt haben. Nun heißt es, dass der Investmentfonds Katars Rosneft die Anteile am PCK abkaufen würde. Gespräche sollen laufen. Doch wenn der Investmentfonds Katars tatsächlich kauft, heißt es: Ende gut alles gut. Und worum ging es jetzt eigentlich nochmal? Unterm Strich bliebe, stiege der Investmentfonds Katars ein, irgendwie alles beim Alten, außer, dass Habecks Posse das PCK und die deutschen Bürger an den Tankstellen viel Geld gekostet hat. Aber es ist ja nur Geld, wie der Philosoph Robert Habeck einmal bemerkte.
Klaus-Rüdiger Mai
Seit 2022 stehen die Rosneft-Anteile an der Raffinerie PCK Schwedt unter der Treuhandverwaltung des Bundes. Nun heißt es, dass Rosneft die Anteile an Katar verkaufen will, das wiederum an Rosneft beteiligt ist. So oder so würden die Russen also an Bord bleiben. Und Deutschland bleibt dabei außen vor.
meinungen
2024-09-13T12:12:53+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/habeck-schwedt-rosneft-katar/
Blackbox KW 7 – Narrhallamarsch!
So, das war’s dann wieder mal, Straßen-Karneval im Rheinland, oder wie es in München hieß: „Lichtermeer für Demokratie“. Das Motto überall das gleiche: fröhliches Bekenntnis zu unserer segensreichen Führung. ♦ Waren Sie schon mal in Biberach, verehrte Leser? Der malerische Landkreis ist bekannt für seine Klosteranlagen, Kirchen und Kapellen, schreibt die Stadtverwaltung. Wir ergänzen etwas nüchterner: Autokennzeichen BC, 35.000 Einwohner, im Landkreis 6.800 „Geflüchtete“, das „Himmelreich des Barock“ (wieder Stadtverwaltung) wurde soeben um 150 Wohncontainer (nicht Barock, eher Post-Moderne) bereichert. In dieser beschaulichen Idylle trug sich nun die aufsehenerregendste Aschermittwoch-Veranstaltung zu – beziehungsweise nicht, weil den Landwirten der Umgebung nicht nach Aschermittwoch zumute war, den haben sie schließlich das ganze Jahr. Jedenfalls winkten Ricarda Lang, Cem Özdemir und die Mao-Opas Trittin und Kretschmann angesichts der mit Pfefferspray besonders wütend gemachten Bauern

 ab und mussten ihre Scherzle anderweitig verbreiten. ♦ Weil die Bilder von bösen Protestierern solche von guten Protestlern konterkarieren, will SPD-Nancy Faeser „entschlossen bekämpfen“, was für sie wohl „Rechtsextreme“ sind (Landwirte, AfD, Werteunion, Corona-Leugner, Zweigeschlechtverfechter, generell Widerwortegeber). Netzwerke sollen zerschlagen, Einnahmen entzogen, Waffen (Mikrofone, Griffel, Computer, Kameras?) konfisziert und Versammlungen „möglichst untersagt“ werden.
 Das nahm die teils staatlich geförderte Antifa gleich zum Anlass, die Gründungsversammlung der Werteunion zu verhindern, sodass die neue Union auf ein Rheinschiff ausweichen musste. Das ZDF verhöhnte das faesergerecht als „Versteckspiel“. ♦ Apropos. Wir sind ja nur ein getreulicher Beobachter der politischen Lage, außerdem würden wir nie den Staat und seine Symbole (Regenbogenfahne) verspotten, aber sogenannte Satiriker, Humoristen oder Comedians müssen sich schon Sorgen machen. Denn „diejenigen, die den Staat verhöhnen“, so Nancy Faeser auf Twitter, „müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen“. Noch ist ungeklärt, ob auch Tatsachenbehauptungen jetzt als Verhohnepiepelungen gelten, wie etwa diese hier vom Söder Maggus: „Was unterscheidet meinen Hund Molly von Kevin Kühnert und Ricarda Lang? Mein Hund hat eine abgeschlossene Ausbildung.“ ♦ Von den Vertretern aller Spaßparteien einstimmig empört zurückgewiesen: Söders Verspottung von Umwelt-Steffi Lemke als „grüne Margot Honecker“. 
Schließlich macht sich die Steffi verdient um „konsequenten Klimaschutz, vorsorgende Klimaanpassung und eine intakte Natur“ (Eigenlob). Außerdem ist der Witz keiner, denn bei Honeckers Margot denken ältere DDR-Bürger wahrscheinlich eher an Dolores Umbridge oder Nancy Faeser. ♦ Überhaupt ist Söders Attacke der neuen Arbeitsteilung bei der Union geschuldet. Söder verspricht den Wählern „Nie mit den Grünen“ und führt die Minderleister permanent vor, während Homeland-NRW-Wüst schon mal andeutet, „Schwarz-Grün hat viel Potential“. Und Fritze Merz bastelt wohl schon an einem schwarz-grünen Kabinett. ♦ Natürlich lachen auch die SPD-Genossen gern einmal, wenn es etwas zum Schmunzeln gibt – sogar über Chef Olaf, den Spritzigen: Der glaubt, dass die SPD bei der nächsten Bundestagswahl siegen kann, „weil wir sehr viel geschafft haben, trotz einer unglaublich unsicheren Zeit“. Ganz der Humor, den Deutschland jetzt braucht. Uns gefällt ein Faeser-Scherz am besten. Ausgerechnet Nancy warnt vor einer „Verrohung und Vergiftung des Diskurses“.
 Köstlich. ♦ Bekanntlich ist die SPD über ihren Friedensschatten gesprungen und hatte einer (in Zahlen: 1) bewaffneten Drohne für die Bundeswehr zugestimmt, und das Verteidigungsministerium meldet inzwischen stolz, dass sie zu den „bis zu zwei Drohnen“, die unsere Armee von Israel geleast hat, weitere 140 unbemannte Flieger bestellt hat. Das ist schon mal ein Anfang, angesichts der „bis zu 10.000 Drohnen pro Monat“, die laut Bayerischem Rundfunk allein die Ukraine verloren haben soll. Unsere 140 Drohnen kosten allerdings 43 Millionen Euro, das ist doch mal eine ganze andere Qualität, da wird der Russe Augen machen. ♦ Wenn wir jedoch wider Erwarten, aber ordentlich berechnet, nach einem halben Tag keine Drohnen mehr haben sollten, wären Atombomben ein guter Ersatz. Das könnte sich jedenfalls die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl – Gott, wie heißt sie gleich? – vorstellen und Professor Siggi, ehemaliger SPD-Parteichef, übernimmt gleich mal die Initiative. 
Was sagen die Grünen? Friedenstauben zu Pleitegeiern? Atombomben, ja? Atomkraftwerke, nein? ♦ Gerührt schreibt Bild „So sehen Freunde aus“ unter ein Foto von Scholz, Baerbock und Selenskyj in Berlin und bejubelt eine „bilaterale Vereinbarung über Sicherheitszusagen und langfristige Unterstützung“, die Chef Olaf unterzeichnet haben soll. Der Inhalt der Vereinbarung bleibt den Bild-Lesern allerdings gänzlich verborgen. Ist damit lediglich die Zusage von „unter anderem“ 36 Panzer- beziehungsweise Radhaubitzen und 120.000 Schuss Artilleriemunition im Wert von rund 1,1 Milliarden Euro gemeint, die die Welt auflistet? 

Oder zählen auch Rentenzahlungen und die Finanzierung des ukrainischen Staatshaushalts dazu? Schweigen im Walde, laut übertönt von der Marschmusik auf der Münchner „Sicherheitskonferenz“. ♦ Hoffentlich haben die Russen nicht die jüngste Bestandsaufnahme des US-Wirtschaftsdienstes Bloomberg gelesen, denn im Krieg gilt noch mehr als im Frieden: Ohne Moos nix los. „Deutschlands Tage als industrielle Supermacht sind gezählt“, so die Erkenntnis aus den USA: „Die Energiekrise bedeutete für viele Betriebe den Todesstoß“, und „das politisch gelähmte Berlin scheint kein Rezept zu haben“. Was heißt da „scheint“? ♦ Wie beliebt die deutsche Justiz inzwischen bei Straftätern aus aller Welt geworden ist, zeigt der Fall eines irakischen Juwelenräubers, der sich nach erfolgreicher Flucht in die Heimat freiwillig zurück nach Hannover begab. 
Lieber Stuhlkreis und ein paar Monate Knast (wegen bewaffneten Raubüberfalls mit Schwerverletztem) in Allemannda als Irak ohne Bürgergeld. ♦ Wahlwiederholung in Berlin (nachdem TE „Unregelmäßigkeiten“ aufgedeckt hatte), und wir melden aus der Hauptstadt: ein Wahlvorstand besoffen, aber trotzdem Glück gehabt, beziehungsweise richtig ausgezählt. In Berlin bleiben SPD, Grüne, CDU und SED vor der AfD. ♦ Apropos. Liebe Berliner Leser, vielleicht können Sie der Berliner Polizei bei der Fahndung nach „männlich gelesenen Personen“ helfen, die eine offenbar anders gelesene Person homophob beleidigt haben sollen. Wir sind da noch mitten im Sprachkurs ‚Queer für Dummys‘ und wären wenig hilfreich. Schönen Sonntag! Nicht genug? Lesen Sie Stephan Paetow täglich auf https://www.spaet-nachrichten.de/
Natalie Furjan
Für die Grünen lautete das diesjährige Karnevalsmotto: Überall ist Biberach. Aber auch bei der CSU blieb der Humor auf der Strecke, wenigstens unser spritziger Chef Olaf, SPD, war mal wieder die Bombe…
kolumnen
2024-02-18T06:51:17+00:00
2024-02-18T06:51:18+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/blackbox/kw-7-aschermittwoch/
Hart aber fair: Wen würde Ihr Geldbeutel wählen?
Grundsätzlich ist die Idee nicht schlecht. Der Alleinunterhalter Alexander Tappert (verwandt mit Horst?) lässt die Hosen runter und Plasberg fragt die Parteien: Was können Sie für Herrn Tappert tun? So sieht‘s bei den Tapperts aus: Die Gattin betreibt ein kleines Geschäft, die drei Kinder sind im kostenintensiven Alter. Familien-Einnahmen 52.000 € im Jahr, Steuern 6.700 € (14,8%), netto bleiben etwa 45.000 €. In der Zeit vor dem Euro hätte man das als gutsituiert bezeichnet. Heutzutage sind keine großen Sprünge mehr drin. Und an Wohneigentum ist nicht zu denken. „Die Parteien“ waren bei Plasberg die CDU (Jens Spahn), die FDP (Christian Lindner), die SPD (Manuela Schwesig) und die Linke (Dietmar Bartsch). Das war schon die erste Schwäche. Bevor die Linke in eine Bundesregierung kommt, taut zuerst das Eis in der Arktis weg. Das Treiben der Genossen in den Ländern – Paradebeispiel Berlin – ist bezeichnend. Also ist alles, was Dietmar Bartsch, der noch gewickelt wurde in der tiefroten Wolle der SED, heute nur im kapitalistischen Design, so egal, als wenn in Moskau eine Schneeschaufel umfällt. Manuela Schwesig weiß natürlich, wie teuer Kinder sind (wobei wir uns immer wieder die Frage stellen: Kostet die Privatschule für ihren Sohn wirklich nur 200 € im Monat? Dafür gibt es in München nicht mal einen Platz in einer mittleren Kita). Sie spielt ihr SPD-Forderungs-Programm gekonnt herunter. Aber wenn man dann hört, dass eine ihrer zahllosen Forderungen lautet „Endlich eine richtige Mietpreisbremse“, obwohl der verantwortliche Verfasser der ersten Variante aus ihrem sozialdemokratischen Dilettantenstadl kommt, dann hilft das der Glaubwürdigkeit auch nicht. Der Wähler hat nun die Möglichkeit, mit dem Herzen oder dem Verstand (sprich mit dem Geldbeutel, plus ein wenig Gier) zu wählen. Für den Geldbeutel ist der Fall klar: Christian Lindner soll es sein, obwohl, auch mein Geldbeutel fühlt Verlust und Schmerz und erinnert daran, dass uns zuletzt Guido W. mit fulminanten Versprechungen auf‘s Kreuz gelegt hatte. Irgendein Facebooker durfte dann über die Kapitalertragsteuer schimpfen, wo Leute „mit einem Anruf viel Geld verdienen, aber maximal 25% auf die Gewinne zahlen“. Die Nummer würden wir auch gerne mal anrufen. Aber geschenkt. Spahn und Lindner sind einverstanden, solche Gewinne normal zu versteuern – außer man hält Aktien länger, etwa zur Altersvorsorge. Dann sollen die Gewinne steuerfrei sein. Ansonsten hatten alle Steuererleichterungen im Geschenkekoffer, sogar Manu, die den Spitzensteuersatz „für Leistungsträger“ (neues SPD-Wort!) erst ab 60.000 € Einkommen greifen lassen will. Lindner stellte noch den Soli zur Disposition. Jedenfalls stritten sich die vier am Thema entlang, bis Alleinunterhalter Tappert wieder den Blick auf die Wirklichkeiten lenkte. Etwa, dass Pflegefamilien 700 – 900 € pro Pflegekind erhalten, „normale“ Familien hingegen billig abgespeist werden. Alle wollen die Kinderfreibeträge erhöhen, in den Wohnungsbau investieren, die Kita-Gebühren und Steuern senken, und einer dabei noch die schwarze Null retten. Herr Tappert kriegt aber als Freiberufler trotzdem keinen Baukredit von der Bank. Weil die Regierung eine Wohnimmobilienkreditrichtlinie (Super Scrabble-Wort!) geschaffen hat. Vernünftiges Argument von Herrn Tappert: Wenn ich nachweisen kann, seit 10 Jahren immer pünktlich meine Miete gezahlt zu haben, das muss doch auch was zählen, vor allem, wenn der kaufen günstiger als mieten wäre. Jens Spahn machte den Scherz, selbst er hätte Schwierigkeiten, bei der Bank einen Kredit zu bekommen, wurde aber belehrt, dass Ironie im TV eine schwierige Sache sei. Schließlich duzte er den Dietmar, was zu spaßigen Spekulationen führte. Lindner konnte noch den Kalauer unterbringen, die SPD befinde sich auf Francois Hollande-Kurs, der selbst National-Ikonen wie Gerard Depardieu in die Flucht trieb. Dann kam noch ein wenig Rente. Da sieht es bei Herrn Tappert übrigens auch verdammt übel aus. Die Politiker waren sich einig, dass das mit der Rente recht kompliziert sei, und verschoben „einen großen Wurf“ auf später. Und Herr Tappert, wen würden Sie wählen? Kandidat 1, der Ihre Kinderfreibeträge erhöhen und den Soli abschaffen will? Oder Kandidat 2, dessen Partei  mit höchster Wahrscheinlichkeit in der Regierung bleibt, und bei dem es auch ein wenig mehr netto gibt? Kandidat 3, der für jedes Kind 150 € locker macht. Oder Kandidat 4, der mit Ihnen zusammen auf Milliardärsjagd gehen will? Uns bleibt die Hoffnung, dass alle Parteien das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, die steuerliche Belastung dürfe nicht über 50% steigen, nicht als freundliche Kann-Empfehlung betrachten. Die 50 Milliarden € für „Flüchtlinge“ haben die Herrschaften ja auch aus irgendeinem Hut gezaubert, mit schwarzer Null und fast ohne Steuererhöhungen.
Fritz Goergen
Für den Geldbeutel ist es Christian Lindner. Aber der Geldbeutel erinnert, dass uns zuletzt Guido W. mit Versprechungen auf‘s Kreuz legte. Hart aber fair.
feuilleton
2017-09-12T08:29:04+00:00
2017-09-12T08:29:08+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/hart-aber-fair-wen-wuerde-ihr-geldbeutel-waehlen/
Der Glaube, es würde einen selbst nicht treffen
»What goes up, must come down«, sagt man im Englischen, und im Deutschen sagt man: Was hochfliegt, muss auch runterkommen. (Notiz: Die Varianten »hochfliegt« und »hoch fliegt« unterscheiden sich auf interessante Weise in der Bedeutung.) Am Dienstag, den 30. Oktober 2012, endete eine Hochzeitsfeier in der Nähe von Abqaiq (Osten Saudi-Arabiens, siehe Google Maps) deutlich anders als geplant. Zur Feier des Ereignisses hatte man aus der Hochzeitsgesellschaft in die Luft geschossen, wie es der dortigen Tradition entspricht (so wird etwa von reuters.com, 31.10.2012 berichtet). So weit man das Unglück rekonstruieren konnte, so die Berichte, hatten die Kugeln das Kabel einer Stromleitung gelöst, welches dann auf eine Metalltür fiel – 23 Menschen starben durch Stromschlag und 20 weitere wurden verletzt. Unfälle mit Pistolen- und Gewehrkugeln, die aus freudigem Anlass abgefeuert wurden, sind längst nicht so selten, wie jene, die sie abfeuern, in dem Moment meinen; es verwundert wenig, dass vor allem aus den gewehrfreudigen und zugleich medial gut dokumentierten USA über eine Zahl von Toten durch herabfallende Projektile berichtet wird. Am 1. Juli 2017 wurde ein dreizehnjähriger Junge von einer herabfallenden Kugel am Kopf getroffen, während er Basketball spielte – er starb (siehe chicagotribune.com, 10.7.2017 – nicht in der EU abrufbar). Am 1. Januar 2015 wurde ein 43-jähriger Mann von einer Kugel am Kopf getroffen, während er mit seiner Familie das Feuerwerk in Houston bewunderte – er starb (siehe reuters.com, 2.1.2015). Am 1. Januar 2010 wurde ein Junge kurz nach Neujahr von einer Kugel getötet, während er sich in einer Kirche befand; es wird vermutet, dass die Kugel das Kirchendach durchschlagen hatte (siehe etwa wsbtv.com, 1.1.2010). Man könnte die Liste fortsetzen. Alle diese Fälle haben gemeinsam, dass die Schießenden nie in »böser Absicht« handelten – die Schießenden wollten einfach nur feiern, ihrer Freude am Leben einen Ausdruck verleihen – kann das denn »böse« sein? Das deutsche Innenministerium plant, so wird berichtet (etwa welt.de, 29.5.2019, welt.de, 30.5.2019), »die Kompetenzen der Geheimdienste zu erweitern«; und – oh Wunder! – nun soll es auch einfacher sein, Journalisten geheimdienstlich im Blick zu behalten, ohne dass ein Richter vorher drüberschaut. Zu Deutsch: Wenn Sie mit einem Journalisten sprechen, der für seine Enthüllungsstories bekannt ist, und Sie ein auf Sie angemeldetes Smartphone in der Tasche haben, wäre es nicht das taktisch Klügste, davon auszugehen, dass niemand weiß, dass Sie gemeinsam an einem Ort sind. Einige Journalisten merken auf, und sie versuchen einen Gegenprotest zu wecken, doch es wird und will nicht gelingen. – Deutsche Journalisten haben weite Teile der Bevölkerung dazu erzogen, dass alle Zweifel am Regierungshandeln böse und rechts sind, und wer will schon rechts sein? Und, vor allem, haben sich nicht die Journalisten – nicht nur beim Staatsfunk – wie eine geschlossene Presseabteilung des Kanzleramts betätigt, ewig im Wahlkampf gegen Abweichler und Andersdenkende? Was sollte uns motivieren, für die Rechte von Journalisten einzutreten? Sehen wir einmal davon ab, dass es denkbar wenig gibt, was eine moralisch-gesellschaftliche Sonderstellung von Journalisten rechtfertigen würde! Journalisten haben die Mehrheit der Bürger dazu erzogen, willig zu ertragen, was auch immer die Regierung tut, bis hin in den Tod. Deutsche Journalisten betreiben seit einigen Jahren etwas, das als größte Quasi-Kampagne in Deutschland seit Ende des sogenannten »Dritten Reiches« bezeichnet werden kann – eine ununterbrochene Dämonisierung von Abweichlern und Andersdenkenden, welche die Handlungen der Regierung in Frage stellen. Was haben die Journalisten denn gedacht, dass passieren wird, nachdem sie die Mehrheit der Bevölkerung in den totalen Gehorsam gefaselt und die Andersdenkenden eingeschüchtert und ausgegrenzt haben? Dann wird die Regierung eben sagen: »Danke soweit, und jetzt ziehen wir die Kandare etwas an – für alle!« – In einem Text über Erdoğans Auftreten in Deutschland schrieb ich über Gutmenschen: »Wenn der nützliche Idiot nutzlos geworden ist, dann ist er eben nur noch ein Idiot.« – Ich überlasse es den heimlich mitlesenden Journalisten, selbst zu beurteilen, ob sie nützliche Idioten waren, einfach nur Idioten oder doch etwas ganz anderes. Auf gewisse Weise wirkt der Staatsfunkler Mario Sixtus (ZDF) wie ein extra ehrlicher unter den Journalisten – er fordert inzwischen offen etwas, das an eine Diktatur erinnert, die keine Rücksicht aufwenden kann bezüglich »privatem Eigentum oder persönlichen Lebensplanungen« (@sixtus, 30.5.2019/archiviert) – man fragt sich, wie viele Leute beim deutschen Staatsfunk ähnlich schalten, aktuell aber nur zu feige sind, es zu äußern. Was in die Luft fliegt, kommt auch wieder runter. Journalisten, die das Volk auf Gehorsam und Unterwerfung drillen, welche den blinden Gehorsam preisen und das Selbstdenken zu bestrafen suchen, wären nun wirklich selbst für Journalisten außerordentlich naiv, zu meinen, der Kelch der schleichenden Entdemokratisierung würde an ihnen vorbeigehen. Manche Nachricht liest sich heute wie eine herabfallende Pistolenkugel, und oft ist es recht einfach herauszufinden, wer eine von den Kugeln abgefeuert hat. Familienunternehmen, die für »Weltoffenheit werben«, was Code ist für »Grenzen auf, wir zahlen alles!« (siehe handelsblatt.com, 26.3.2019) – und dann doch doof finden, dass der Staat so viel Geld braucht, um das alles zu finanzieren (handelsblatt.com, 30.5.2019: »Unionsfraktionschef Brinkhaus erteilt weiteren Steuersenkungen eine Absage«), und dennoch das Land verkommen lässt – so ist das mit den Kugeln, die man in die Luft schießt! In Berlin findet am kommenden Sonntag wieder die Al-Kuds-Demo statt, und damit wird Berlin wieder einmal zur Hauptstadt des Antisemitismus in Europa (siehe etwa tagesspiegel.de, 30.5.2019); einige derer, die nun über den offenen Antisemitismus mitten in Berlin schockiert sind, haben durch ihr Toleranz-Islamophobie-Hat-nichts-mit-nichts-zu-tun-Gefasel den gesellschaftlichen Rahmen geschaffen, innerhalb dessen auch antisemitische Demos mitten in Berlin erst möglich wurden – auch hier gilt die Metapher: so ist das mit den Kugeln, die man in die Luft schießt! Ja, man könnte viele, viel zu viele Beispiele listen – das Prasseln der niederfallenden Kugeln, metaphorisch gesprochen, wird dichter und lauter. Pistolenkugeln fliegen in Parabeln. Einige derer, die von herabfallenden Pistolenkugeln getötet werden, sind Kinder, die eigentlich mit etwas Abstand zum Geschehen zugeschaut hatten, an der Hand ihrer Eltern. Viele Opfer des neuen deutschen Wahns waren selbst keineswegs daran beteiligt – zum Teil sind es Kinder, die glücklich hätten aufwachsen können, wenn sie nicht in eine weitere Periode deutscher Verwirrung hineingeboren worden wären. Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com. Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.
Sofia Taxidis
Was dachten Journalisten denn, dass passiert, nachdem sie die Mehrheit der Bevölkerung in den totalen Gehorsam gefaselt und die Andersdenkenden eingeschüchtert und ausgegrenzt haben? Dann wird die Regierung eben sagen: »Danke soweit, und jetzt ziehen wir die Kandare etwas an – für alle!«
meinungen
2019-06-01T11:36:11+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/der-glaube-es-wuerde-einen-selbst-nicht-treffen/
Die Zukunft der Parteien: Schlüsselpersonen
Da die meisten Menschen eine Grundneigung haben, Personen als Führungsfiguren anzuerkennen und gleichzeitig die Parteien bestimmte Schlüsselpersonen markenähnlich aufbauen und propagieren, und weil diese Schlüsselpersonen einen maßgeblichen Einfluss bzw. eine signifikante Macht haben, sei es in der Partei, sei es durch öffentliche Ämter, lohnt sich ein Blick zumindest auf einige dieser. Hierbei ist die Frage nach den tatsächlichen Fähigkeiten der entsprechenden Personen am hilfreichsten: Welche Tätigkeit außerhalb der Funktionärswelt, außerhalb der Medienwelt etc. käme in Frage? Beim Versuch der Beantwortung dieser Frage treten große Schwierigkeiten auf, die in den Biographien dieses Personenkreises der Parteien (z.B. Ursula von der Leyen, Annegret Kramp-Karrenbauer, Horst Seehofer, Andrea Nahles, Martin Schulz etc.) begründet liegen. Es ist nicht möglich, dieses Thema in der Form einer Analyse abzuhandeln; es wäre vielmehr nur in der Form einer sarkastischen Satire möglich. Daher entfällt dieser Abschnitt. Ein Einfluss anderer, potenzieller Determinanten ihres Verhaltes (z.B. eine solides Wertegerüst, Grundprinzipien, das Konzept des Bürgers etc.) ist statistisch nicht signifikant ermittelbar. Eine Fähigkeit zur Analyse oder gar Prognose ist ebenfalls nicht erkennbar, ihre Grenze scheint bei der Fähigkeit zur Mittelwertbildung zu liegen (das steht in einem gewissen Widerspruch zu ihrem Ausbildungszertifikat als promovierte Physikerin, vielleicht ein Artefakt, ein Ergebnis von juvenilem Fleiß?). Ein adulter Starrsinn sowie eine Lernresistenz sind stark ausgeprägt. In welchem Maße sie den Medienleuten folgt, könnte theoretisch getestet werden: Würden diese z.B. en Block die Idee lancieren und forcieren, dass alle Menschen aus Gleichberechtigungsgründen und Umweltgründen nur in einer grauen Einheitskluft aus recycelter Pappe herumlaufen sollten, würde ihre Reaktion auf diese Bürger-feindliche Forderung sofort die Antwort auf diese Frage aufzeigen. (Ich schätze die Wahrscheinlichkeit, dass sie dies, ohne mit der Wimper zu zucken, als komplett selbstverständlich unterstützen würde, auf 85%, würde es professionell und langjährig lanciert). Die punktuelle Betrachtung einiger Schlüsselparteifunktionäre hat ein verheerendes Bild ergeben. Diese sind aber keine Einzelfälle. Vielmehr ergibt sich folgendes Gesamtbild bzgl. der etablierten Parteien, gezeigt als Diagramm für eine repräsentative (aber fiktive) Auswahl einiger Parteifunktionäre: In diesem Diagramm sind auf der X-Achse die Fähigkeiten der Parteifunktionäre aufgetragen, den Aufgaben gerecht zu werden, die sie haben, und in der Vertikalen das tatsächliche Handeln im Sinne der Bürger, es handelt sich hierbei um meine Einschätzungen. Es sind zwar einige Parteien-abhängige Unterschiede erkennbar, aber im Mittel muss festgestellt werden, dass die Fähigkeiten in keiner Weise ausreichen, um die Aufgaben zu erfüllen, sie sind überwiegend unter 0%. Ein Wert unter 0% bedeutet, dass die Fähigkeiten so gering sind, dass den Bürgern fast zwangsläufig ein Schaden entsteht. Eine +10% beim Handeln bedeutet, dass den Bürgern immerhin noch ein Nutzen von 10% entsteht. Ein Beispiel mag dies erläutern: +100% sowohl bei den Fähigkeiten wie beim Handeln im Falle einer Autowäsche bedeuten, dass jemand ein Auto gut waschen kann und dass es nach dem Waschen 100% sauber ist und schonend gewaschen wurde. +10% beim Handeln bedeutet, dass es schlecht gewaschen wurde, aber immerhin noch etwas sauberer ist als vorher. -50% bedeutet, dass es schmutziger ist als vorher und dabei noch z.B. etwas zerkratzt wurde. Bei -100% hat es zusätzlich noch eine Beule erhalten. Der Umstand, dass selbst bei positiven Fähigkeitswerten trotzdem meist ein negatives Handeln konstatiert werden muss, liegt darin begründet, dass die meisten Parteikader kein Interesse an einer Bürger-orientierten Politik haben, sondern an einer Eigeninteressen-orientierten. Es werden z.B. mehr Funktionärsposten geschaffen, die Regulierungsdichte erhöht, neue Steuern geschafften (z.B. Maut), statt das Rechtsgestrüpp zu entmisten etc. Die AfD ist nicht im Diagramm aufgenommen worden, da die Historie des tatsächlichen Verhaltens noch fehlt. Sehr auffällig ist das weitestgehende Fehlen von Kompetenz und noch mehr, der Kombination von Kompetenz und Handeln im Sinne der Bürger. Hier ist eine riesige Lücke, die in keiner Weise von den bisher etablierten Parteien gefüllt wird. Sie wird auch nicht aus der Funktionärsriege und noch weniger vom Funktionärsnachwuchs gefüllt werden können, da die entsprechenden Personen schlicht und ergreifend nicht in der Partei bzw. nur als einfache Mitglieder vorhanden sind. Das größere Bild im zeitlichen Ablauf zeigt folgendes Diagramm: Dieses Diagramm zeigt die Komplexität der Öffentlichen Angelegenheiten im Zeitablauf (meine Einschätzung). Die Erhöhung beruht auf einer zunehmenden Anzahl von Themenkreisen im Laufe der Zeit, auf einer zunehmenden Größe des Territoriums, auf einer zunehmenden Zahl von relevanten Playern und Menschen weltweit. Seit 1820 gibt es z.B. folgende neue Themenkreise / Domänen: Zunehmend mehr Technik und Wissenschaft, Sozialversicherungen, Papiergeldsystem, zunehmende Zahl von Menschen weltweit, Umweltthematik, Klimathematik, zunehmende Überalterung, Digitalisierung / Automatisierung durch Computer, zunehmende Migration etc. Die rote Linie zeigt die Fähigkeiten der jeweiligen Machtausübenden an, maßgeblich also seit 1919 solche von Parteien-Funktionären. Der Kontrast zu den Anforderungen war schon immer hoch, ist nach dem 2. Weltkrieg dann gerade noch einmal auf ein halbwegs erträgliches Niveau gestiegen und befindet sich seitdem im stetigen Sinkflug, letztlich nach unten nur durch die -100% Linie begrenzt (wobei diese genau genommen nicht absolut ist, nach unten ist immer noch Platz …). Die Kriegszeiten etc. wurden ausblendet, da das Diagramm hierfür ungeeignet ist. Vor allem seit ca. 1980-1990 ist der Durchmarsch von Personen, die sich nur noch als Parteikader sehen und nicht als Bürger in politischen Positionen, deutlich erkennbar. Der Umzug des Bundestages und der Ministerien nach Berlin hat diesen Effekt nochmals deutlich verstärkt, da er eine geistige Inzucht, eine negative Selbstverstärkung in der dort erzeugten Funktionärsparallelwelt (kritisch auch als „Funktionärspfuhl“ bezeichnet) sehr begünstigt hat und weiterhin tut. Der Umzug vieler Redaktionen und NGOs nach Berlin hat diesen Effekt nochmals deutlich verstärkt. Die unselige Geschichte Berlins als Sitz von zwei Diktaturen und zwei autoritären Systemen vor Ende 1989 hat sicher auch ihren negativen Beitrag geleistet, da sie ein negatives, herrisches und arrogantes geistiges Klima erzeugt. Das noch schlimmere Drama ist das immer extremere Auseinanderklaffen zwischen der Komplexität der Öffentlichen Angelegenheiten und den Fähigkeiten der Parteikader, vor allem in den letzten Jahrzehnten. Auch hier mag ein Beispiel aus der realen Welt hilfreich sein: Verkehrsflugzeugpiloten, wobei deren Anforderungen weniger gestiegen sind. Würden deren Fähigkeiten im gleichen Maße abgenommen haben, wie das bei Parteipolitikern der Fall ist, würden wir ständig, jeden Tag, solche Nachrichten wie die folgenden lesen: Bryan Hayes ist als Softwarearchitekt in der IT-Branche tätig. Das Thema wird in fünf Teilen dargestellt:
Fritz Goergen
Sehr auffällig ist das weitestgehende Fehlen von Kompetenz und noch mehr, der Kombination von Kompetenz und Handeln im Sinne der Bürger in den Parteien.
kolumnen
2018-03-18T17:39:02+00:00
2018-03-24T18:43:07+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/neue-wege/die-zukunft-der-parteien-schluesselpersonen/
Die EU auf dem Weg zum Imperium?
Die Vereinigten Staaten von Europa – endlich gibt es sie schwarz auf weiß. Die Nachricht peitscht bereits durch soziale Medien und Internetportale. Sie hat historischen Wert. Zwar kreiste vielen Liebhabern der Brüsseler Bürokratie schon seit Jahrzehnten Ähnliches durch die Köpfe. Es fand jedoch bisher nicht den Weg in einen Koalitionsvertrag. Die ganze Passage in ihrem strahlenden Kontext: „Die Konferenz zur Zukunft Europas nutzen wir für Reformen. Erforderliche Vertragsänderungen unterstützen wir. Die Konferenz sollte in einen verfassungsgebenden Konvent münden und zur Weiterentwicklung zu einem föderalen europäischen Bundesstaat führen, der dezentral auch nach den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit organisiert ist und die Grundrechtecharta zur Grundlage hat.“ Ein verfassungsgebender Konvent – das klingt doch fast schon nach Paulskirchenversammlung! Mit dem Schönheitsfehler, dass es keine Märzrevolution mit Volkswillen gegeben hat, die eine solche Transformation – der Begriff ist auch hier Kernelement – bisher gefordert hätte. Es scheint auch keinerlei Überlegung zu geben, was nach der Absegnung einer solchen Verfassung durch den Konvent geschieht. Als das letzte Mal eine EU-Verfassung ratifiziert werden sollte, stimmten bekanntlich die EU-Kernländer Frankreich und die Niederlande in einer Volksabstimmung dagegen. Die Ahnung greift Raum, dass nicht so sehr der Glaube an eine Zustimmung unter den europäischen Völkern gewachsen ist als vielmehr die Gewissheit, eine Zustimmung über andere Abstimmungsmodi zu erzwingen. Deutschland schloss damals ein Referendum über die EU-Verfassung aus. Deutschland schafft sich nicht nur durch Migration und mangelhafte Integration, tausendfache Abtreibung, Auflösung in unbekannte Geschlechter, Erosion der Werte, Vernichtung des Wirtschaftstandortes und Verachtung der Vergangenheit wie des Vaterlandes als solches ab; es gibt sich schlichtweg als Nationalstaat auf. Und das nicht mit Wehklagen, Melancholie oder aus der Einsicht ins Notwendige, sondern enthusiastisch jubelnd und mit dreifachem Hurra, wie wir es sonst nur aus den eher weniger helldeutschen Zeiten kennen. Das Bundesverfassungsgericht hat in der jüngeren Vergangenheit immer wieder einen solchen Schritt als kaum mit dem geltenden Grundgesetz vereinbar bezeichnet. Das Grundgesetz ist kein positivistisches Handbuch, sondern besitzt Ewigkeitsklauseln. Zugegeben: Mit dem Grundgesetz sah es in den letzten Jahren düster aus, und das bereits lange vor Corona. Auch das Bundesverfassungsgericht hat an Ansehen in der Bevölkerung deutlich eingebüßt und sich in letzter Zeit nicht als eine Kraft betrachtet, die Legislative und Exekutive kontrolliert, sondern diese eher beratend begleitet. Es verwundert daher kaum, dass der Aufschrei, der die akademische Elite vom Juristen bis Politikwissenschaftler erfassen müsste, komplett ausbleibt. Wie so oft will Deutschland in Europa und der Welt vorangehen. Dabei sollte man nicht auf die Idee kommen, dass dieses von der Ampel erdachte Europa nur ein etwas fester gezurrter Staatenbund im Sinne des Deutschen Bundes oder des Heiligen Römischen Reiches ist. Im Eingangstext sagt die zukünftige Bundesregierung: „Eine demokratisch gefestigtere, handlungsfähigere und strategisch souveränere Europäische Union ist die Grundlage für unseren Frieden, Wohlstand und Freiheit.“ Dazu findet sich im Koalitionsvertrag ein Satz, der hellhörig macht: „Als größter Mitgliedstaat werden wir unsere besondere Verantwortung in einem dienenden Verständnis für die EU als Ganzes wahrnehmen.“ Die Frage ist natürlich, inwiefern dieser „Dienst“ im Sinne anderer Mitgliedsstaaten ist. Es läuft nach der Prämisse: Deutschland weiß, was für die EU gut ist, und die EU weiß, was für die anderen gut ist, ergo weiß Deutschland es besser. Die leise Ironie der Geschichte besteht also darin, dass die neue Koalition besonders europäisch sein will, indem sie anderen Ländern vorschreibt, was sie zu tun haben. Einige Passagen sind deutlich gegen Budapest und Warschau gerichtet. Etwa: „Wir werden den Vorschlägen der EU-Kommission zu den Plänen des Wiederaufbaufonds zustimmen, wenn Voraussetzungen wie eine unabhängige Justiz gesichert sind.“ Oder: „Wir setzen uns dafür ein und unterstützen, dass die EU-Kommission künftig auch Verfahren gegen systemische Vertragsverletzungen vorantreibt, indem sie einzelne Verfahren bei Verstößen gegen Rechtsstaatlichkeit gegen einen Mitgliedstaat bündelt. Wir wollen, dass die Rechte aus der EU-Grundrechtecharta vor dem EuGH künftig auch dann eingeklagt werden können, wenn ein Mitgliedstaat im Anwendungsbereich seines nationalen Rechts handelt.“ Damit die Bürger der neuen, souveräneren Union vor den Einflüsterungen EU-feindlicher Propaganda gefeit sind, stellt die zukünftige Regierung einen ganzen Maßnahmenkatalog vor: „Wir befähigen die liberalen Demokratien Europas dazu, Desinformation, Fake-News, Kampagnen, Propaganda sowie Manipulationen aus dem In- und Ausland besser abwehren zu können. Wir wollen das zivilgesellschaftliche Engagement durch die Stärkung gemeinnütziger Tätigkeit über Grenzen hinweg fördern.“ Zeitgleich beschwört der Koalitionsvertrag zum ersten Mal nicht nur die deutsch-französische, sondern auch die deutsch-polnische Freundschaft. Ein im Grunde erfreuliches Novum. Aber die Einschränkung muss sofort folgen, denn so ganz koscher ist die Passage nicht. „Deutschland und Polen verbindet eine tiefe Freundschaft. Wir stärken hier die Arbeit der zivilgesellschaftlichen Akteure (z. B. Deutsch-Polnisches Jugendwerk). Wir verbessern die Zusammenarbeit in Grenzräumen, z. B. durch Grenzscouts, Regionalräte und Experimentierklauseln.“

 Es gäbe an dieser Stelle noch viele andere Punkte zu nennen: die Anberaumung von Aufnahmegesprächen für Albanien und Nordmazedonien; der Ausbau „sozialer Rechte“ auf EU-europäischer Ebene; Unterstützung „Erneuerbarer Energien“ europaweit; Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion (vom Wiederaufbauprogramm NGEU ist die Rede, ein deutlicher Hinweis für das interventionistische Verständnis der Koalition); Zuckerbrot und Peitsche gegenüber dem Vereinigten Königreich. Das alles steht unter dem Motto der „Transformation“. Es ist fraglich, warum die neue, versprochene EU plötzlich subsidiär, dezentral und „verhältnismäßig“ organisiert sein sollte, wenn sie dies in 30 Jahren nicht geschafft hat. Vielmehr träumt man offenbar von einem europäischen Imperium. Das einzige echte europäische Imperium, nämlich das Römische Reich, kannte auch so eine Transformationsphase. Transformation ist der von der jüngeren Forschung gewählte Begriff für den Übergang Roms zwischen Spätantike und Frühmittelalter. Dabei veränderten sich Gesellschaft, Kultur, Staat und Alltag für die Einwohner in einem beträchtlichen Maß. Die ältere Forschung sah diesen Abschnitt weitaus pessimistischer: als Zeitalter der Völkerwanderung mit Niedergang, Verfall und Ende des Imperium Romanum. Dieses Mal ist die Transformation regenbogenbunt angemalt.
Natalie Furjan
Zum ersten Mal strebt eine Bundesregierung einen föderalen europäischen Bundesstaat an. Schon jetzt fordert die Ampel, dass die Europäische Union „souveräner“ werden soll. Man werde eine besondere Verantwortung in einem „dienenden Verständnis“ für die EU wahrnehmen.
meinungen
2021-11-30T08:45:55+00:00
2021-11-30T08:45:56+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/die-eu-auf-dem-weg-zum-imperium/
Blackbox KW 37 – Dunkelheit als Chance
Nun, da der Herbst kommt, und unsere Polizeiminister in den Ländern ihre Einsatztruppen bereits kräftig aufgerüstet haben, fühlt sich auch Verfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth bemüßigt, sich einzubringen. Im Hamburger Übersee-Club nahm er gleich mal den Demokratiefreunden den Wind aus den Segeln, die der irrigen Ansicht sind, Demonstrationen gegen die Obrigkeit seien statthaft, nur weil Heizung und Brot unbezahlbar werden, sie seien sogar durch die Freiheitsrechte ausdrücklich legitimiert. So nicht, Freunde! Der Gebrauch der Freiheitsrechte, so der der oberste Hüter derselben, könnte im Gegenteil dazu geeignet sein, die Verfassungsordnung zu delegitimieren. Weshalb der Gebrauch wohl dringend eingeschränkt werden muss. Die Freiheitsrechte kann der Bürger ja gerne behalten, nur gebrauchen eben nicht, wie einen topgepflegten Oldtimer, den fährt man ja auch nur gelegentlich. ♦ Weil russisches Öl moralisch schwer kontaminiert ist, wollen „wir“, beziehungsweise die Bundesregierung, ab Januar 2023 darauf verzichten. So weit, so feministisch, aber keine Bange, „wir sind vorbereitet“, so Ölprinz Olaf. Und zwar durch neue Lieferverträge mit Polen. Nanu, werden manch aufmerksame Staatsfunkempfänger einwenden, Polen bezieht doch sein Öl zum größten Teil aus Russland, wie die Tagesschau erst im März feststellte, und hat selbst große Schwierigkeiten, diese Lieferungen zu ersetzen. Egal. Blaues Hufeisen kauft jedenfalls Tankerflotten. ♦ Der Blackout, einst nur von Verschwörungstheoretikern und Thrillerautoren im Munde geführt, ist längst auch bei Behördenvertretern angekommen, denen langsam klar wird, dass der Stromausfall in grünen Hirnen geradezu zwangsläufig zur großen Finsternis führen muss. Nun gilt der eben noch polizeilichen Maßnahmen zugeführte Prepper als Vorbild: Für 14 Tage soll der Bürger „Wasser, Taschenlampen und Lebensmittel“ bevorraten, so das Bundesamt für Zivilschutz, und der Hauptgeschäftsführer Deutscher Städte- und Gemeindebund schließt sich der Empfehlung vollumfänglich an. ♦ Noch haben nicht mal alle die Baerbocksche Theorie vom Strom, der in Netzen gefangen gehalten wird, richtig verstanden, da erreicht uns aus Afrika die Kunde vom „Fernseher, der Energie generiert, statt sie zu verbrauchen“. Erfinder Maxwell Chikumbutso hat einfach eine „Art Generator“ integriert, „an den man andere Elektrogeräte anschließen kann“. Donnerwetter, dachte sich da Jana Genth vom ARD-Studio Johannesburg, das dürfte unseren Grüngläubigen gefallen, und im Tagesschau-Bericht fehlte auch der Hinweis auf Rassismus nicht, der den Erfolg des Geräts bisher verhindert hat. ♦ Überbezahlt und fehlqualifiziert? Da bleiben wir beim Staatsfunk. Um das Wetter halbwegs treffsicher anhand eingeblendeter Karten vorherzusagen, braucht es kein Meteorologie-Studium, es reicht das richtige „Kontextualisieren“ von Regen oder Sonnenschein. So weigert sich der ZDF-Wettervorleser Özden Terli, zukünftig von „schönem Wetter“ zu reden, weil: „Was ist denn schön daran, wenn draußen alles gelb ist vor Trockenheit und die Bäume leiden?“ Ein verregneter Sommer hingegen ist Klimapanikers neuer Liebling. ♦ Und bei der Tagesschau arbeiten sie bereits fleißig an der Kontextualisierung eines rotgrünem Politversagen geschuldeten, drohenden Blackouts. Man müsse „Dunkelheit als Chance“ sehen, so Redakteure des SWR. ♦ Weil die Gerechtigkeit für den Spezialdemokraten das bedeutet, was dem Grünen sein Klima ist, hat sich Arbeitsminister Heil überlegt, wie er möglichst vielen ein kommodes Leben ohne Arbeit ermöglichen kann. Wenn auch nicht ganz auf dem Niveau eines SPD-Funktionärs, aber immerhin: Die SPD-Erfindung Hartz 4 wird umgetauft in Bürgergeld, die Vermittlung in einen Job hat nicht länger Vorrang. Die Kosten für die Wohnung sollen in den ersten beiden Jahren künftig quadratmeter- und preisunabhängig voll übernommen werden. ♦ Eilig rechnete „Bild“ seinen Lesern, die noch für € 2.500 brutto arbeiten gehen, vor, wie sie ihrer misslichen Lage entkommen können: Lass dich nicht verkohlen, geh’ Bürgergeld holen! Denn: Eine Familie (zwei Kinder zwischen 6 und 13), bei der beide Partner Bürgergeld beziehen, kommt so auf € 1.598. „Einem verheirateten Maler (Alleinverdiener, gesetzlich versichert, kein Kirchen-Mitglied) mit zwei Kindern bleiben z.B. in Berlin von € 2.500 Monatslohn im besten Fall € 1.967,12 netto. Plus Kindergeld.“ Aber jetzt kommt’s: Der fleißige Maler muss die Miete und „explodierende Heizkosten“ selbst bezahlen. Auch für Mitarbeiter suchende Firmen haben die Spezialdemokraten eine einfache Lösung parat: mehr Geld zahlen. Dürfte kein Problem sein. Immerhin stecken die Unternehmen ja auch Steuern, Sozialabgaben, Inflation und Energiepreise locker weg. ♦ Wir wollen uns mit den Details nicht groß befassen, jedenfalls haben Bundestag und Bundesrat das neue Corona-Schutzgesetz durchgewunken, die „schweren Bedenken“ waren wohl leichter wegzustecken als die schweren Nebenwirkungen einer Impfung. Unser Karl ist schon längst viel weiter. „Vielleicht schon im nächsten Sommer“ will der Bundesvertriebsleiter der Firma Pfizer/Biontech nasale Impfstoffe anbieten können, da blüht das Geschäft nochmal richtig auf. Wie? Sicher, das Zeug wirkt gegen viele Varianten gleichzeitig, was denken Sie denn!? Zulassung? Im Notfall geht alles, das wissen Sie doch. ♦ Den „Tag der Wohnungslosigkeit“ (11. September) beging Schlossherr Frank-Walter, der Erste, wie stets in einem Obdachlosenheim, wo er Schnittchen mit Käse und Wurst an Wohnungslose verteilte. Und bei Bohnenkaffee und Kuchen gab’s zudem noch Pretiosen aus Frank-Walters berühmtem Füllhorn schöner Worte. „Wir müssen jetzt gemeinsam dafür sorgen“, so das Staatsoberhaupt zu den Ärmsten der Armen, die schweigend ihren Kuchen mümmelten, „dass niemand, der wegen der steigenden Wohnkosten in Zahlungsschwierigkeiten gerät, sein Zuhause verliert oder sogar auf der Straße landet“. Während die Obdachlosen wohl noch dachten, sie würden ja gerne „gemeinsam dafür sorgen“, aber dass es für sie ja nun zu spät sei, notierte der mitgereiste Pressetross gerührt die Worte des Präsidenten in schwerer Zeit. ♦ Während seine Parteifreunde das Land abwracken, damit es der Teufel Klimawandel nicht holt, erfreut Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident, der Mao-Schüler Winnie ze Dung, seine Landsleute mit allerlei lösungsorientierten Ansätzen bei täglichen, von seinen Grünen verursachten Problemen. Die Energiekosten vervielfachen sich? Kein Problem: „Brötchen nicht im Ofen aufbacken, sondern auf dem Toaster, spart 40 Cent pro Frühstück“, hat Sonderling Kretschmann ausrechnen lassen. 34 solcher Tipps von zeitloser Güte und Gültigkeit („Putzen Sie die Zähne nicht bei laufendem Wasser“) hat die grünschwarze Gurkentruppe in Stuttgart zusammengetragen und, wohl um den Schwaben zu schmeicheln, unter der Bezeichnung „Cleverländ“ veröffentlicht. Zwar weisen die Realitätsverweigerer in ihrem Ratgeber darauf hin, dass „häufiges Bremsen und Schalten beim Autofahren“ Energie kostet. Aber deshalb in den Großstädten eine grüne Welle schalten? Niemals! ♦ Wichtiger Hinweis für die Millionen Wiesn-Besucher, wo Bundes-Logik auf Ortsverstand trifft: In der S-Bahn zur Festwiese ist Maske zu tragen, im knallvollen Bierzelt hingegen nicht. Gut, dass wenigstens Markus Söder zum „Team Prosit“ gewechselt ist. ♦ Was ist nur in Schweden los? Bei uns müsste so eine Wahl rückgängig gemacht werden, beziehungsweise wäre gleich wie in Thüringen verschoben worden … ♦ Der ausgebuffte Robert Habeck, dieser Schlingel, stellt die für Ende September geplante Gasumlage wegen der Niedersachsen-Wahl am 9. Oktober erst Ende Oktober fällig. Kopf hoch und schönen Sonntag! Nicht genug? Lesen Sie Stephan Paetow täglich auf https://www.spaet-nachrichten.de/
Sofia Taxidis
Die ARD-Tagesschau entdeckt in Afrika einen Erfinder, der TV-Geräte in Stromgeneratoren verwandelt. Ölprinz Olaf entdeckt Polen als Ölquelle, und aus München grüßt Markus Söder vom Team Prosit...
kolumnen
2022-09-18T06:11:15+00:00
2022-09-19T05:24:49+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/blackbox/kw-37-dunkelheit-als-chance/
Karl Lauterbach verwirrt mit rätselhaftem Krankheitsverlauf
Die Pressestelle des Bundesgesundheitsministeriums leistet gute Arbeit. Ihre Mitteilungen sind gründlich und aussagekräftig; Anfragen beantwortet das Haus zügig und nicht ausweichend. Eigentlich. Doch wegen des Verhaltens ihres Chefs auf Twitter kommt die Pressestelle nun nicht mehr hinterher. Der hat während seiner selbst veröffentlichten Corona-Infektion Widersprüchliches mitgeteilt. Die Folge ist jetzt eine Anzeige gegen Minister Karl Lauterbach (SPD) wegen des mutmaßlichen Verstoßes gegen die Berliner Corona-Verordnung. Hintergrund ist die Corona-Infektion, die Lauterbach in der ersten August-Woche auf Twitter selbst öffentlich gemacht hat. Der Verlauf, den er schilderte, ist widersprüchlich. Stimmt eine Aussage davon, hat die Anzeige Aussicht auf Erfolg. Der Logik entsprechend können nicht alle Angaben stimmen. Demnach hatte Lauterbach: Für Luthe ist das Verhalten des Ministers inakzeptabel: Ihm gehe es um eine Gleichbehandlung von Bürgern und Gesundheitsminister, wie er der Berliner Zeitung sagte. Die GG vertrete Dutzende von Menschen, die wegen ähnlicher Verstöße bestraft werden sollen: „Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es, den Fall nun öffentlich aufzuklären und Herrn Lauterbach zur Verantwortung zu ziehen. Oder alle anderen Bürger ebenfalls in Ruhe zu lassen.“ Angesichts der Vorwürfe müsse es ein Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit geben, sagte Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP). Zu dessen möglichem Ergebnis wollte er sich nicht äußern. Lauterbachs unterschiedliche Aussagen zu seiner Infektion lassen sich im Zusammenhang verstehen: Am Freitag eröffnete er mit der Auskunft, er habe nur leichte Symptome und präventiv Paxlovid genommen. Für das Medikament hatte er bereits auf eine für einen verantwortlichen Politiker bemerkenswert offensive Weise geworben. Auf seinen Tweet hin bekam Lauterbach Gegenwind. Paxlovid sei nur für ältere Patienten gedacht oder für welche mit Vorerkrankungen. Zudem könne es für schwere Verläufe eingesetzt werden. Zu der Frage, wie mit Verstößen gegen Corona-Verordnungen umgegangen werden soll, hat TE an das Bundesgesundheitsministerium einen kleinen Fragenkatalog geschickt. Am Dienstag um 11.02 Uhr. Bisher bleibt dieser unbeantwortet. Davor hat die Pressestelle des Ministeriums solche Anfragen solide und zügig abgearbeitet. Doch mit diesem Minister lässt sich das Niveau offenbar nur schwer halten.
Natalie Furjan
Der Gewerkschaftsvorsitzende Marcel Luthe hat Karl Lauterbach angezeigt. Der Gesundheitsminister soll gegen die Corona-Auflagen der Stadt Berlin verstoßen haben. Sicher ist: Nicht alle Darstellungen des Ministers können stimmen.
meinungen
2022-08-17T15:15:56+00:00
2022-08-18T07:52:07+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/karl-lauterbach-anzeige-marcel-luthe/
Der „Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit“ und seine schwierige Aufgabe
Viele Studien haben sich bereits mit dem Thema befasst. Auch der am 25. November veröffentlichte aktuelle umfangreiche Maßnahmenkatalog, den der Kabinettausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus erarbeitet hat, richtet sich gegen Muslimfeindlichkeit als eine Form „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“. Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte vor wenigen Wochen sogar eine Runde von Fachleuten berufen, um in zwei Jahren „Empfehlungen für den Kampf gegen Muslimfeindlichkeit“ in Deutschland zu erarbeiten. Die in diesem staatlichen Kreis mitarbeitende Vertreterin der Bertelsmann Stiftung verbreitet dabei im britischen „Guardian“ und auf der Website „Vielfalt leben“ schon mal als griffige, zugespitzte Grundthese, dass ganz „Europa durch den Hass auf Muslime vergiftet“ wird und der „europäische Sündenbock der Wahl höchstwahrscheinlich muslimisch sein“ wird. Das klingt verdächtig nach einem vorweggenommenen Ergebnis aus dem Expertenkreis, der eigentlich antreten sollte, die Bevölkerung toleranter zu machen, nicht: verbal aufzurüsten. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat Anfang September einen zwölfköpfigen „Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit“ (UEM) berufen. Die Forscher und Praktiker sollen „aktuelle und sich wandelnde Erscheinungsformen von Muslimfeindlichkeit analysieren und auf Schnittmengen mit antisemitischen Haltungen sowie anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit hin untersuchen“, um nach zwei Jahren „Empfehlungen für den Kampf gegen Muslimfeindlichkeit“ vorzulegen. Abzuwarten bleibt, was die eingesetzten Experten ganz konkret unter Muslimfeindlichkeit verstehen, ob sie auch Integrationsschwierigkeiten von Zuwanderern einbeziehen. Abzuwarten bleibt vor allem, wie viel weltanschauliche Unabhängigkeit die Runde der Fachleute an den Tag legen wird. Die im UEM mitarbeitende Bertelsmann Stiftung stellt jedenfalls bereits vor Arbeitsaufnahme wortstark und öffentlich ihre Grundthese in den Raum: „Es gibt eine soziale Pandemie, die Europa vergiftet: der Hass auf Muslime“ und spricht wortwörtlich von einer „antimuslimischen (Europäischen) Union“. [Siehe dazu Text weiter unten.] Die zwölf berufenen Personen sind: Alle Personen und Organisationen wurden vermutlich berufen, weil sie sich im Schwerpunkt mit Fremdenfeindlichkeit beschäftigt haben. Kai Hafez etwas hat als Forschungsschwerpunkt „Islam/Muslime im Westen (Islamophobie)“, Nina Mühe von der Initiative CLAIM – die auch zum „Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlichkeit“ des Bundesprogramms „Demokratie leben“ zählt – beklagte schon 2019, man sei in „großer Sorge angesichts der islamfeindlichen und antimuslimischen Einstellungen, die sich in Deutschland seit Jahren auf einem konstant hohen Niveau befinden“. Diese Einstellungen werden normalerweise in einschlägigen, in ihrer Methode nicht unumstrittenen Studien wie den sogenannten Mitte-Studien erhoben. Zahlreiche Organisationen haben die Einrichtung des UEM begrüßt, so auch der Zentralrat der Muslime. Er verweist auf eine für den Mediendienst Integration erstellte Expertise der Göttinger Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus vom September 2020. Die Islamwissenschaftlerin ist Vorstandsmitglied des Rats für Migration. Als Anliegen islamischer Selbstorganisationen listet Spielhaus auf: „Islamischen Religionsunterricht, Bestattung nach islamischem Ritus, Recht auf Freistellung von Arbeit und Schule, um an den Riten der islamischen Feiertage und dem Freitagsgebet teilnehmen zu können, religiöse Betreuung von Muslim*innen in Gefängnissen, Krankenhäusern und bei der Bundeswehr, Vertretung in Rundfunk-und Medienräten, islamische Theologie an Hochschulen, islamische Wohlfahrtspflege, Zugang zu öffentlichen Geldern und steuerlichen Vorteilen für gemeinnützige und soziale Arbeit von Religionsgemeinschaften“. Erwähnung finden weiter die Themen: Beschneidung, Kopftuch und Vollverschleierung, Moscheesteuer, „Eindämmung von Islam- und Muslimfeindlichkeit“. Im Hinblick auf die rechtliche Anerkennung des Islams habe der damalige Bundespräsident Christan Wulff 2010 mit seiner Feststellung „Der Islam gehört zu Deutschland“ einen Nerv getroffen, in den Folgejahren sei „viel geschehen“. Spätestens seit 2016 stagnierten Prozesse und Verhandlungen jedoch. Horst Seehofers Expertenkreis läuft unter einer Überschrift, die zwei Wörter mit schillerndem Inhalt verknüpft. Zum einen zählen „Muslime“ zu einer Religion, der sich in vielen Staaten hohe Bevölkerungsanteile zuordnen, die jedoch eine Vielfalt von „Konfessionen“, theologischen Schulen und Gruppen aufweist. Es ist auch unklar, wie hoch der aktuelle Anteil der Muslime an der bundesdeutschen Bevölkerung ist (vermutlich 6 + X Prozent). Zum anderen umfasst das Stichwort „Feindlichkeit“ Abneigungen sehr unterschiedlicher Art. Viele Initiativen von Migrantenverbänden wie auch der UEM begründen ihren Handlungszwang vor allem mit „rassistischen und muslimfeindlichen Vorfällen“, konkret also: mit Kriminalität. In der Forschung werden aber auch schon deutlich „harmlosere“ Erscheinungen (wie eine „tiefe Skepsis gegenüber Muslimen“) ins Visier genommen. Es bleibt das Grundproblem, dass der Begriff „Muslimfeindlichkeit“ ungenau ist. Das Bundesinnenministerium hat den UEM explizit auf das Untersuchungsfeld „Muslimfeindlichkeit“ festgelegt. Dabei wäre es wichtig, die Muslimfeindlichkeit von benachbarten Begriffen und Phänomen abzugrenzen, die im öffentlichen Raum kursieren. Armin Pfahl-Traughber hat 2019 für die Bundeszentrale für politische Bildung versucht, den Begriffsdschungel zu lichten. Der „wohl etablierteste Begriff“ „Islamophobie“ meine ein auf den Islam oder die Muslime bezogenes stark ausgeprägtes Gefühl von Furcht, das über ein als angemessen oder normal geltendes Maß hinausgeht. (Dass dieser Begriff, obwohl immer noch beliebt, nicht viel taugt, liegt auf der Hand: Negative Haltungen zu sozialen Gruppen lassen sich nicht auf irrationale Angststörungen reduzieren.) „Islamfeindlichkeit“ stehe für rigoros ablehnende Auffassungen zum Islam. Wer islamfeindlich argumentiere, zeichne ein durchgängig negatives Bild vom Islam und bringe seine eigenen Auffassungen in eine konfrontative Gegenposition. Prinzipiell müsse allerdings nicht jede rigorose Abwertung des Islams extremistisch oder muslimenfeindlich motiviert sein. Ein Atheist im Sinne eines säkularen Humanismus etwa lehne auch das Christentum grundlegend ab, werde aber nicht für die Abschaffung von Grundrechten für die Anhänger dieses Glaubens plädieren. „Muslimenfeindlichkeit“ ziele nicht auf den Islam als Religion, sondern beschreibe allgemeine und rigorose Negativ-Bilder von den Anhängern dieser Religion wie „Für Muslime in Deutschland sollte die Religionsausübung erheblich eingeschränkt werden.“ Die Anhänger des Begriffs „Antimuslimischer Rassismus“, erklärt der Autor, sehen „in den Muslimen tatsächlich keine ‚Rasse‘. Es geht ihnen darum, dass die Betroffenen zu einer homogenen Gruppe aufgrund ihrer tatsächlichen oder angenommenen Religion konstruiert werden.“ Bleiben noch die Schlüsselwörter „Islam-“ und „Muslimenkritik“. „Islamkritik“ richte sich mit Einwänden gegen bestimmte Erscheinungsformen der Religion. Bei „Muslimenkritik“ gehe es um die Hervorhebung von negativ eingeschätzten Eigenschaften der Anhänger des Islams. Auch dem Autor ist dabei klar, dass die „zumindest idealtypische“ Abgrenzung von Feindlichkeit und Kritik eine intellektuelle Herausforderung darstellt. Hier bieten sich, meint Pfahl-Traughber, die Gesichtspunkte „Realitätsgehalt“ und „Reichweite“ an. Im erstgenannten Sinne gehe es um die Frage, inwiefern die formulierten Auffassungen empirisch belegbar sind. So weise etwa eine Reihe von Studien auf bestimmte Besonderheiten der in Deutschland lebenden Muslime hin, wozu etwa ein relativ geringes Bildungsinteresse, ein relativ traditionelles Frauenbild, eine relativ ausgeprägte Religionsorientierung oder eine relativ starke Segregationsneigung zählten. Der kritische Hinweis auf diese Besonderheiten allein könne „nicht als Ausdruck von ‚Islamfeindlichkeit‘ oder ‚Islamophobie‘ gelten.“ Die hier versuchte trennscharfe theoretische Abgrenzung löst natürlich nicht das praktische Problem, dass es jeweils auf die Konkretisierung ankommt sowie auf subjektive Wertungen, ob man eine Aussage als „richtig“ bzw. als legitime Meinungsäußerung oder im Gegenteil als verzerrt, einen ganzen Bevölkerungskreis herabwürdigend einordnet. Es gehört zum Standard-Repertoire vieler Studien, die „Muslimfeindlichkeit“ der Gesamtbevölkerung bzw. deren, implizit meist als zu pauschal bis falsch gewertete, Vorurteile gegenüber muslimischen Mitbürgern/allen Zuwanderern aufzudecken. Dabei ist eine Tendenz erkennbar, Probleme im Verhältnis zwischen Minderheitengruppen und der Gesamtbevölkerung vor allem der „Mehrheitsgesellschaft“ anzulasten. So erbittet die Studie „Verlorene Mitte – Feindselige Zustände“ von den Interviewteilnehmern Beurteilungen folgender, von den Forschern selbst formulierter Statements, welche sie als Kennzeichen einer Diskriminierung von Muslimen verstehen: (Die Prozentzahlen sind Zustimmungswerte auf der Basis von 5-er Skalen sowie 4-er Skalen ohne die mittige Rubrik „teils/teils“. Andere Studien nennen teilweise davon abweichende Werte.) Der Thüringen-Monitor 2019, der wahlberechtigte Thüringer unter die Lupe nahm, arbeitete mit den vorformulierten Items: Die Studie „Ost-Migrantische Analogien“ des DeZIM hat in Ost- und Westdeutschland erhoben: Einige Fragen thematisieren das Konkurrenzverhältnis zwischen Alt- und Neubürgern: Das Recht auf freie Religionsausübung wird bejaht, eine starke Minderheit der Befragten zeigt aber Skepsis gegenüber der konkreten Ausübung des islamischen Glaubens: Speziell die Integration und Religiösität türkeistämmiger Einwohner in Deutschland untersuchte 2016 das Excellenzcluster Politik und Religion der Universität Münster mit Emnid unter der Leitung von Detlef Pollack. Seine Beobachtungen im Telegrammstil: „Hohes allgemeines Wohlbefinden, aber weit verbreitetes Gefühl mangelnder sozialer Anerkennung – Vehemente Verteidigung des Islam – Fundamentalistische Haltungen verbreitet – Kulturelle Selbstbehauptung besonders in der zweiten und dritten Zuwanderer-Generation“. Einzelne Ergebnisse: Einblicke in die Lebenswelten von Migranten gewährt auch Sabine Pokorny in der 2016er Publikation der Konrad-Adenauer-Stiftung „Was uns prägt. Was uns eint“. „Nur wer die Regeln des Koran buchstabengetreu befolgt, ist ein wahrer Muslim“ erklärten hier 31 Prozent der befragten Muslime. Mit „Respekt behandelt“ fühlten sich über drei Viertel der türkeistämmigen Befragten bzw. Muslime „immer oder häufig“, je ein Fünftel jedoch „selten oder nie“. Die Bertelsmann Stiftung, eine in der Politik und den Medien fraglos viel beachtete und sehr aktive (Forschungs-)Einrichtung, hat sich in puncto „Muslimfeindlichkeit“ jüngst bemerkenswert klar positioniert. Patrycja Sasnal, Political Scientist beim Think Tank Polnisches Institut für Internationale Angelegenheiten und seit kurzem Mitglied des Human Rights Council Advisory Committee der Vereinten Nationen, und Yasemin El-Menouar, Senior Expert in der Bertelsmann Stiftung, veröffentlichten am 8. Oktober auf der Website „Vielfalt leben“ einen Text, der übertitelt ist: „Es gibt eine soziale Pandemie, die Europa vergiftet: der Hass auf Muslime. Wenn antimuslimische Vorurteile nicht ins Visier genommen werden, sind Maßnahmen zur Bekämpfung des Rassismus in Europa im Gefolge der Black-Lives-Matter-Proteste sinnlos“. El-Menouar, Leiterin des Projekts Religionsmonitor, gehört wohl bemerkt, siehe oben, als Repräsentantin der Bertelsmann Stiftung zu den zwölf Mitgliedern von Horst Seehofers neuem Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit. Im Text, der am 28. September in englischer Sprache in der britischen Zeitung „The Guardian“ erschienen war, heißt es, Vorurteile gegen Muslime gebe es inzwischen „quer durch Europa“. „Nicht nur, dass wir muslimische Europäer kollektiv abwerten und diskriminieren, auch die Gewalt gegen Muslime nimmt in Europa zu.“ „Von Spanien bis Bulgarien, von Finnland bis Frankreich – überall pflegen die Menschen inzwischen Vorurteile gegenüber Muslimen.“ In seinem jüngsten Bericht warne der Europarat davor, dass „Europa einer schockierenden Realität gegenübersteht: Antisemitische, antimuslimische und andere rassistisch motivierte Hassverbrechen nehmen mit alarmierender Geschwindigkeit zu“. So werde der „europäische Sündenbock“ erster Wahl „höchstwahrscheinlich muslimisch sein“, warnen Sasnal und El-Menouar unter Verweis auf die Website der Open Society Foundations, die den Titel „Islamophobia in Europe“ trägt. Natürlich, heißt es relativierend, seien nicht alle Europäer rassistisch eingestellt. „Aber die Fremdenfeindlichkeit wächst in Krisenzeiten wie diesen. Die Pandemie, die drohende Rezession und die globale Unsicherheit können die existenzielle Gefahr durchaus verschärfen, die Rassismus und Muslimfeindlichkeit für die Europäische Union und die Demokratie bereits heute darstellen.“ Im Einzelnen begrüßen die Forscherinnen den beim DeZIM – wie die Bertelsmann Stiftung Mitglied im UEM – angesiedelten künftigen, vom Bundestag beauftragten „Rassismus-Monitor“ und die geplante Ernennung eines „Anti-Rassismus-Koordinators“ der EU. Der zitierte Beitrag bezieht sich unter anderem auf Ergebnisse des 2019er Religionsmonitors der Gütersloher Stiftung. Danach ist religiöse Toleranz weit verbreitet, „aber der Islam wird nicht einbezogen“. Den Befunden zufolge empfindet gut die Hälfte der Gesamtbevölkerung den Islam als „bedrohlich“ׅ. Immerhin 36 Prozent sagen demgegenüber, er sei „bereichernd“. „Offenbar“, interpretiert El-Menouar, „sehen viele Menschen den Islam derzeit weniger als Religion, sondern vor allem als politische Ideologie an und nehmen ihn deswegen von der religiösen Toleranz aus“. Hierzu haben aus ihrer Sicht auch die gesellschaftlichen Debatten und Medienberichte der vergangenen Jahre beigetragen. Als Gegenmaßnahme schwebt ihr unter anderem vor, bereits in Kita und Schule anzusetzen, „um Kinder – unabhängig von konfessionellen Grenzen – über Religion und religiöse Vielfalt zu unterrichten“. Dabei, dies hatte bereits der Religionsmonitor 2017 der Bertelsmann Stiftung postuliert, seien muslimische Einwanderer „in ihrer großen Mehrheit in ihren Aufnahmeländern angekommen“. Insbesondere das Kopftuch sei jedoch zum Symbol von Fremdheit geworden. Die Wahrnehmung, dass Muslime in Europa im Durchschnitt religiöser sind als andere Glaubensgemeinschaften und enge Beziehungen in ihre Herkunftsländer unterhalten, löse „Unbehagen“ aus. In der 2017er Umfrage ordnen sich immerhin 40 Prozent der Muslime in Deutschland als „hochreligiös“ ein (gegenüber 16 % der Nichtmuslime). Die viel zitierte muslimische „Parallelgesellschaft“ sei „die Ausnahme und nicht die Regel“, bilanzieren Dirk Halm und Martina Sauer. Nur 15 Prozent der befragten Muslime wohnten nach eigenem Bekunden in Gegenden, in denen überwiegend Einwanderer leben. Die Schlaglichter auf ausgewählte Studien lassen erahnen, wie vielschichtig das Thema „Einstellung der Bevölkerung zu Zuwanderern – Lebenswelten von Migranten“ ist. Die Rolle der Religion/des Islams wird in den meisten Untersuchungen eher abstrakt erhoben, obgleich die grundgesetzlich gewährte Religionsfreiheit noch nichts darüber aussagt, welche religiösen Verhaltensweisen darunter im Einzelnen zu fassen sind. Zudem haben islamische Vorschriften auch mit juristischen Überlegungen zu tun, nicht nur beim Thema Kopftuch im öffentlichen Dienst. So wird das islamische Schächten an Regelungen des Tierschutzes gemessen. Auch um den Bau neuer Moscheen und den Muezzinruf entbrennt hier und da ein Streit. Grundsätzlich fängt die gängige Erhebung von Einstellungen dazu, ob DER Islam „bereichernd“ oder „bedrohlich“ ist, diffuse Bauchgefühle und Stimmungen ein, weniger sachliche Argumente. Niemand bestreitet ernsthaft, dass es Menschen gibt, die „Ausländer“ blind und grundsätzlich stark ablehnen, und dass auch strukturelle, im System liegende Benachteiligungen von sozialen Gruppen möglich sind und identifiziert werden sollten. Wer aber „Muslim-/Islamfeindlichkeit“ flächendeckend für gegeben hält, sollte und muss differenzieren zwischen 1. dem viel zitierten „Hass“ auf Gruppen, „abwegigen“ Einstellungen, chronisch unfreundlichem Verhalten oder gar kriminellen Akten, 2. natürlichen Fremdheitsgefühlen gegenüber anderen Kulturen/sozialen und religiösen Gruppen bezogen auf deren Werte, Lebensweisen, Kleidung (die zu einer Abgrenzung führen können, auch von Seiten der Minderheiten) und 3. praktischen Sorgen, dass Staat und Gesellschaft mit größeren schnellen Zuwanderungsbewegungen politisch, kulturell und ökonomisch überfordert werden könnten. Die anspruchsvolle Aufgabe von Horst Seehofers „Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit“ sollte nun eigentlich, möchte man meinen, darin bestehen auszuloten, welche Meinungen, Äußerungen und Handlungen der Bevölkerung als Aggression gegenüber Muslimen bekämpft werden müssen, welche in einem demokratischen Rechtsstaat als legale und legitime Meinungen, sogar erlaubte Vorurteile, zu qualifizieren sind. Solange sich Bürger in Wort und Tat sozialverträglich und gesetzestreu zeigen, besteht ja keine Verpflichtung, alle Fremdgruppen ohne Wenn und Aber „zu mögen“. Die vom Bundesinnenministerium dem Kreis übertragene explizite Aufgabenstellung – „Erscheinungsformen von Muslimfeindlichkeit zu analysieren und auf Schnittmengen mit antisemitischen Haltungen sowie anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit hin zu untersuchen“ – gibt allerdings Anlass zu der Vermutung, dass die Expertenrunde selektiv nach Vorurteilen gegenüber und allen möglichen Benachteiligungen von Minderheiten und Migranten Ausschau halten könnte. Sollten noch mehr Mitglieder des „Unabhängigen Arbeitskreises Muslimfeindlichkeit“ wie die Vertreterin der Bertelsmann Stiftung von vornherein europäische Bevölkerungen von xenophobischem „Hass auf Muslime vergiftet“ betrachten, darf man sich schon fragen, ob derlei grelle Voreinstellungen nicht einer nüchternen Gesellschaftsanalyse im Wege stehen. Zu Letzterer gehört auch die Beobachtung, dass einige europäische Staaten fraglos beliebte Einwanderungsländer darstellen.
Sofia Taxidis
Die vom Bundesinnenministerium dem Kreis übertragene Aufgabe – „Erscheinungsformen von Muslimfeindlichkeit zu analysieren" gibt Anlass zur Vermutung, dass die Expertenrunde selektiv nach Vorurteilen gegenüber und allen möglichen Benachteiligungen von Minderheiten und Migranten Ausschau halten könnte.
daili-es-sentials
2020-11-27T12:49:58+00:00
2020-11-27T12:49:59+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/der-unabhaengige-expertenkreis-muslimfeindlichkeit-und-seine-schwierige-aufgabe/
„Den“ Islam gibt es doch gar nicht
In der Islamdebatte gibt es zwei Gruppen: Die erste behauptet, dass es „den (einen) Islam doch gar nicht gibt!“. Zu dieser Gruppe gehören Islamwissenschaftler wie Andreas Kaplony, [1] Andreas Tunger-Zanetti [2] und Christian Troll [3], sowie Journalisten wie Ulrich Kienzle [4]. Wer irgendetwas allgemein über den Islam sagt (zumal etwas Kritisches), der pauschalisiert demnach auf eine unzulässige Weise. Ich bezeichne sie als „Differenzierer“. Die zweite Gruppe behauptet, dass „der Islam eine Religion des Friedens ist“. Zu dieser Gruppe gehören Aiman Mazyek [5], Barack Obama [6], George W. Bush [7], Mahathir bin Mohamad (ehemaliger malaiischer Präsident) [8] und Dalil Boubakeur (Mufti einer Pariser Moschee) [9]. Ich bezeichne sie als „Pauschalisierer“. Wir wundern uns über den Widerspruch zwischen beiden Behauptungen: Wie kann man „den Islam“ als Religion des Friedens bezeichnen, wenn es „den Islam“ gar nicht gibt? Ich erörtere den Sinn und Unsinn dieser Pauschalisierungs- und Differenzierungspraxis und überprüfe die Gültigkeit der vorgebrachten Argumente. Stellen wir uns vor, wir könnten jeden gläubigen Moslem und jede gläubige Muslimin auf der Welt darum bitten, einen vierseitigen Aufsatz zum Thema „Mein Islam“ zu schreiben. Jeder dieser 1,5 Milliarden Aufsätze hätte einen eigenen Wortlaut, so gesehen wäre auch jeder Glaube individuell verschieden. Trotzdem würden wir bei der Lektüre der turmhohen Papierstapel viele Gemeinsamkeiten finden: Der (eine) Islam lehrt, dass es nur einen Gott gibt und Mohammed sein Prophet ist. Der (eine) Islam ist also ein Monotheismus. Der (eine) Islam ist die Religion, die von Mohammed gegründet wurde. Das heilige Buch des (einen) Islam ist der Koran. Es gibt den Islam – allgemein genug betrachtet – also doch. Und hier handelt es sich nur um eine religionsimmanente Betrachtung, also um eine Betrachtung des Islams ohne einen Vergleich zu anderen Religionen. Noch aussagekräftiger wird unser Bild vom (einen) Islam, wenn wir unser Gedankenspiel um 1,5 Milliarden christliche und 1,5 Milliarden hinduistische Aufsätze erweitern. So entdecken wir Gemeinsamkeiten unter Muslimen und Unterschiede zwischen den Religionen, die es uns erlauben, pauschale Aussagen über „den Islam“ oder „die Muslime“ zu treffen (bzgl. ihres Frauenbilds, der Trennung von „Kirche“ und Staat, der Bewertung Ungläubiger usw.). So können wir bspw. die Integrationsfähigkeit von Muslimen in Relation zu anderen religiösen Gruppierungen abschätzen – wohlwissend, dass wir hier von Durchschnittswerten reden. Diese 4,5 Milliarden Aufsätze existieren leider nicht, wir haben aber internationale Umfragen, die uns eine ungefähre Vorstellung vom Religionsverständnis der islamischen oder der westlichen Welt geben. Wir haben Statistiken, die das Verhalten von Muslimen und Nicht-Muslimen abbilden. Und wir haben heilige Schriften, darunter biographische Darstellungen der heiligen Propheten, die wir miteinander vergleichen können. Ein Vergleich: Kleinwagen und SUVs mögen sich deutlich voneinander unterscheiden, trotzdem haben diese Fortbewegungsmittel mehr miteinander gemeinsam, als mit Zügen oder gar Flugzeugen, und für manche Überlegungen (z. B. zur Vermeidung von Verkehrsstaus) ist eine Differenzierung verschiedener PKW-Typen überflüssig. Es klingt wie eine Selbstverständlichkeit, aber folgendes Prinzip scheinen sogar renommierte Islamwissenschaftler nicht begriffen zu haben: Man kann von einer Einheit sprechen (sei es eine Religion oder ein Fortbewegungsmittel), sobald zwischen den einzelnen Bestandteilen dieser Einheit genügend Gemeinsamkeiten bestehen, um die Einheit sinnvoll von anderen Einheiten abgrenzen zu können. Nun zu den Pauschalisierern und ihrer „der Islam ist eine Religion des Friedens“-Behauptung. Diese Apologeten beziehen sich normalerweise auf drei Bewertungskriterien, die ich der Reihe nach überprüfen will. Auf die Gläubigen kommt es an. Ausgehend von der Definition „Eine Religion ist friedlich, wenn sich die meisten Anhänger dieser Religion friedlich verhalten“ argumentieren Apologeten, dass der Islam so definiert eine Religion des Friedens sei. Es handelt sich um ein religionsimmanentes Beurteilungskriterium, es kommt also nicht darauf an, wie der Islam sich mit anderen Religionen vergleicht. Diese Definition lässt einige Fragen offen: Ist eine Religion schon friedlich, wenn die meisten ihrer Anhänger zurzeit keinen Krieg führen und sich ein relativ normales Leben wünschen? Das wäre vielleicht die bescheidenste Definitionsgrundlage. Oder kann eine Religion erst friedlich genannt werden, wenn die meisten Anhänger Pazifisten sind (so wie beim buddhistischen Jainismus)? Das wäre vielleicht die anspruchsvollste Definitionsgrundlage. Gilt der Islam auch dann als friedlich, wenn die meisten Anhänger zwar körperliche Gewalt gegen Ungläubige ablehnen, aber trotzdem in islamisch dominierten Staaten leben wollen, in denen Ungläubige sich islamischen Gesetzen unterordnen müssen? Betrachten wir ein paar Grenzfälle. Im Auftrag des englischen Senders „Channel 4“ wurde eine repräsentative Umfrage durchgeführt. [10] Laut dieser Umfrage wollen 52 % der britischen Muslime Homosexualität unter Strafe stellen. Diesen 52 % stehen nur 18 % entgegen, die an der Legalität von Homosexualität festhalten wollen (die übrigen haben sich enthalten). [11] Da Muslime in Großbritannien bislang eine Minderheit sind, müssen Homosexuelle normalerweise weder persönliche noch staatliche Gewalt fürchten, insofern kann man argumentieren, dass britische Muslime sich friedlich verhalten. Man kann es aber auch als unfriedlich werten, dass die Mehrheit britischer Muslime mit staatlicher Gewalt islamische Normen durchsetzen will. Die Umfrage ergab außerdem, dass 66 % der britischen Muslime einen Bekannten nicht bei der Polizei melden würden, wenn dieser sich mit Leuten einlässt, die Terrorismus in Syrien unterstützen (34 % würden ihn melden). Passt das zu einer „Religion des Friedens“? Bewerten wir eine Religion nur dann als friedlich, wenn ihre Gläubigen relativ zu den Gläubigen anderer Religionen friedlich sind, dann sieht es schlecht für den Islam aus. Umfrageergebnisse zeigen, dass Muslime Gewalt zur Durchsetzung religiöser Ziele wesentlich häufiger für gerechtfertigt halten, als die Anhänger anderer Religionen, [12] und im Vergleich zu westlichen Gesellschaften sind islamische Gesellschaften durchschnittlich gewalttätiger. [13] Ein christliches, jüdisches, buddhistisches oder hinduistisches Pendant zum Islamischen Staat gibt es ohnehin nicht. Auf die Schriften kommt es an. Andere Apologeten argumentieren mit den heiligen Texten des Islams, also mit dem Koran und den Hadithen. Hier wird eine Friedensreligion in etwa so definiert: „Jede Religion, deren heilige Texte auch friedliche Passagen enthalten, gilt als friedliche Religion.“ Ein paar wenige friedliche Passagen findet man in der Tat auch im Koran, insbesondere in den frühen (und deshalb weniger verbindlichen) mekkanischen Suren. Diese religionsimmanente Definition ist aber wieder so anspruchslos, dass jede Religion der Welt als Friedensreligion gelten muss. Wenn wir den Koran gegen die Bibel antreten lassen, dann ist der Islam im Vergleich zum Christentum (dank des Neuen Testaments) gewiss keine Religion des Friedens. Im Vergleich zum Judentum (bzw. zum Alten Testament) schneidet der Islam scheinbar besser ab. Doch die Gewalt im Alten Testament wird von Gläubigen zurecht nur als Teil einer historischen Erzählung gesehen. Die Gewalt im Koran ist dagegen unmissverständlich als Handlungsempfehlung für alle Zeiten gemeint.[14] Es gibt im Judentum keinen Jihad. Es gibt nicht einmal einen Auftrag zur Missionierung. So lange sich Ungläubige nicht auf dem heiligen Boden des auserwählten Volkes Israels befinden, gilt im Judentum das Prinzip: „Leben und leben lassen.“ Die Bibel ist von Menschen geschrieben und lediglich von Gott inspiriert (ausgenommen die 10 Gebote und laut manchen Auslegungen alle Passagen, in denen Jesus wörtlich wiedergegeben wird, also bspw. die Bergpredigt). Der Koran ist dagegen wörtlich zu verstehen, weil Allah ihn höchstpersönlich diktiert hat. Um die alleinseligmachende Wahrheit ihrer spezifischen Religion zu beweisen, beziehen sich Apologeten immer auf ein Wunder, an dessen Übernatürlichkeit niemand zweifeln kann. Das Wunder der Christen ist die Auferstehung Jesu. [15] Das Wunder des Islams ist der Koran selbst! Muslimische Apologeten argumentieren, dass der Koran inhaltlich und stilistisch so perfekt ist, dass nur ein Gott dieses schriftstellerische Wunder vollbracht haben kann. [16] Wer argumentiert, dass Jesus ein normaler Mensch war, dessen Knochen seit seiner Kreuzigung in der Erde Israels verscharrt liegen, der entzieht dem Christentum sein Initialwunder und somit seine Grundlage. In ganz ähnlicher Weise entzieht man dem Islam seine Grundlage, wenn man argumentiert, dass der Koran ein fehlerhaftes Menschenwerk ist, welches als Produkt seiner Zeit gesehen und frei interpretiert werden kann. Entsprechend gering ist der Reformeifer in der islamischen Welt. Auf den Religionsstifter kommt es an. Hier lautet die religionsimmanente Definition in etwa: „Jede Religion, von deren Begründer man sagen kann, dass er auch einmal Gnade gezeigt hat oder milde gestimmt war, ist eine Religion des Friedens.“ Wie üblich ist diese religionsimmanente Definition sehr anspruchslos und nicht aussagekräftig, denn jeder Religionsgründer hatte seine guten Momente. Eine vergleichende Bewertung ist auch bei diesem Kriterium wesentlich sinnvoller, aber auch schwieriger, denn Moses, Jesus und Mohammed (ganz zu schweigen von Buddha und Konfuzius) haben als Religionsstifter einen unterschiedlichen Status. Trotzdem ist Mohammed als erfolgreicher und machthungriger Feldherr und Eroberer, als Prophet mit dem Schwert, als Räuber und Massenmörder, als absoluter Herrscher und als Besitzer und Verteiler von Sexsklavinnen schwer an Gewalttätigkeit zu überbieten.[17] Jesus, der die Feindesliebe predigte und kein Königreich auf dieser Welt erobern wollte, ist in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von Mohammed. Diesem Kriterium zufolge ist der Islam also am eindeutigsten eine Religion des Krieges und der Gewalt. Es gibt den Islam. Er lässt sich genauso klar definieren und abgrenzen wie die meisten anderen Religionen. Religionsimmanent betrachtet kann der Islam abhängig von den Bewertungsmaßstäben sowohl als Religion des Friedens, wie auch als Religion der Gewalt gelten. Bei einer vergleichenden Betrachtung aller Religionen ist der Islam aber nach jedem Bewertungsmaßstab am gewalttätigsten. Was folgt aus dieser Analyse und Bewertung? Der Islam ist zu einem Problem für uns geworden, weil unsere politische Elite seit Jahrzehnten eine islamische Massenzuwanderung forciert. Ob sich dieses Problem verschlimmert oder relativiert, hängt vor allem von Deutschlands zukünftiger Zuwanderungspolitik ab. Da Islamkritik ohne Zuwanderungskritik leeres Gerede ist, noch ein paar abschließende Worte zur Zuwanderung. In diesem Jahrhundert wird sich die Bevölkerung Afrikas voraussichtlich von 1,2 auf 4,4 Milliarden beinahe vervierfachen. [18] Gleichzeitig werden die Ressourcen immer knapper. In den nächsten Jahrzehnten werden alleine aus Afrika einige hundert Millionen Menschen nach Deutschland kommen wollen, also ein Vielfaches unserer aktuellen Einwohnerzahl. Was folgt daraus? Es ist keine Option, unsere Zuwanderungs- und Asylgesetze einfach so zu belassen, wie sie sind. Und es ist keine Option, angesichts solcher Massen jeden einzelnen Zuwanderungswilligen auf seine weltanschauliche Kompatibilität hin zu überprüfen. Ein gewisser Grad an Pauschalisierung ist bei jeder Zuwanderungssteuerung unvermeidbar. Die Integrations- und Assimilationsfähigkeit von Zuwanderern hängt nicht von unseren Bemühungen ab („Wir schaffen das!“), sondern erstens von der Anzahl und zweitens von der kulturellen Kompatibilität der Zuwanderer. Wenn wir Zuwanderung für wünschenswert halten, aber Parallelgesellschaften, Kulturkonflikte, Fundamentalismus und Gewalt weitestgehend vermeiden wollen, dann haben wir die Option, Zuwanderung zahlenmäßig auf ein assimilierbares Maß zu beschränken und anhand religiöser und kultureller Kriterien bestimmte Zuwanderergruppen oder Herkunftsländer auszuwählen bzw. auszuschließen. Wenn wir Zuwanderung nicht für wünschenswert halten, dann haben wir aber auch die Option einer Nullzuwanderungspolitik. Japan beweist, dass moderne Demokratien keine Einwanderungsländer sein müssen. Japaner pflegen ihre eigene Kultur, sie bereisen aber auch interessiert andere Länder, besuchen dort Denkmäler und Museen, schauen gerne ausländische Filme und hören gern ausländische Musik. Sie haben die niedrigste Mordrate überhaupt. Weltoffenheit, Wohlstand und ein hoher zivilisatorischer und kultureller Standard sind mit einer Nullzuwanderung gut vereinbar. Carl Lang betätigt sich nach einem Studium der Literaturwissenschaft, Linguistik und Philosophie als Essayist und Liedtexter. Er fühlt sich keinem politischen Lager zugehörig und interessiert sich besonders für Moralphilosophie und Religionskritik. [1] Kaplony, Andreas. „Es gibt nicht ‚den‛ Islam“. Ludwig-Maximilians-Universität München. Uni-muenchen.de, 10.10.2016. https://www.uni-muenchen.de/aktuelles/medien/mum/artikel_mum/kaplony.html Anmerkung: Der Titel des Interviews wird später relativiert. Im Interview sagt Kaplony „Es gibt nicht ‚den‛ Islam im Sinne einer homogenen Religion.‟ [2] Tunger-Zanetti, Andreas. „Den“ Islam gibt es nicht. Neue Züricher Zeitung Online. Nzz.ch, 17.09.2014. https://www.nzz.ch/meinung/debatte/den-islam-gibt-es-nicht-1.18385729 Anmerkung: Tunger-Zanetti reagiert mit seinem Aufruf zur Maximaldifferenzierung auf eine kritische Analyse der islamischen Lehre von Martin Rhonheimer. Es lohnt sich, Rhonheimers Text „Töten im Namen Allahs“ und Tunger-Zanettis Apologie miteinander zu vergleichen. [3] Troll, Christian. „Es gibt nicht den einen Islam“. Der Tagesspiegel Online. Tagesspiegel.de, 06.10.2010. http://www.tagesspiegel.de/politik/islam-professor-es-gibt-nicht-den-einen-islam/1950808.html [4] Kienzle, Ulrich. In: Markus Lanz. ZDF. Youtube.com, 10.02.2016. https://www.youtube.com/watch?v=_11pK11jsGc [5] Mazyek, Aiman. Rede von Aiman Mazyek zum Reformationstag in der Laurentiuskirche Altdorf. Zentralrat der Muslime in Deutschland. Zentralrat.de, 01.11.2016. http://www.zentralrat.de/28137.php [6] Obama, Barack. Barack Obama (Islam is peace). YouTube. YouTube.com, 22.10.2016. https://www.youtube.com/watch?v=h1xdcNEAJGg [7] Bush, George W. “Islam is Peace” Says President. The White House. https://georgewbush-whitehouse.archives.gov, 17.09.2001. https://georgewbush-whitehouse.archives.gov/news/releases/2001/09/20010917-11.html [8] Bin Mohamad, Mahathir. Islam, Terrorism and Malaysia’s Response. Asia Society. Asiasociety.org, 04.02.2002. http://asiasociety.org/islam-terrorism-and-malaysias-response?page=0,0 [9] Anonym. Prophet cartoons enraging Muslims. International Harald Tribune Europe. Iht.com, 02.02.2006. https://web.archive.org/web/20060204165912/http://www.iht.com/articles/2006/02/02/news/toon.php [10] Press release. C4 survey and documentary reveals What British Muslims Really Think. Channel 4. Channel4.com, 11.04.2016. http://www.channel4.com/info/press/news/c4-survey-and-documentary-reveals-what-british-muslims-really-think [11] Perraudin, Frances. Half of all British Muslims think homosexuality should be illegal, poll finds. The Guardian Online. Theguardian.com, 11.04.2016. https://www.theguardian.com/uk-news/2016/apr/11/british-muslims-strong-sense-of-belonging-poll-homosexuality-sharia-law [12] Anonym. The World’s Muslims: Religion, Politics and Society. Pew Research Center. Pewforum.org, 30.04.2013. The World’s Muslims: Religion, Politics and Society [13] Vgl. z. B. Pinker, Steven. The Better Angels of Our Nature: Why Violence Has Declined. Penguin Books, 25.09.2012, oder Fox, Jonathan. „Are Some Religions More Conflict-Prone Than Others?“ Jewish Political Studies Review 16:1-2, Spring 2004. [14] Vgl. z. B. Rhonheimer, Martin. Töten im Namen Allahs. Neue Züricher Zeitung Online. Nzz.ch, 06.09.2014. https://www.nzz.ch/feuilleton/toeten-im-namen-allahs-1.18378020 [15] Vgl. z. B. Debatten mit dem amerikanischen Apologeten William Lane Craig oder dem englischen Apologeten John Lennox. [16] Vgl. z. B. Tzortzis, Hamza. Hamza Tzortzis vs Dan Barker Debate Is Atheism or Islam more rational. Nazam44. Youtube.com, 10.11.2011. [17] Vgl. z. B. Abdel-Samad, Hamed. Mohammed: Eine Abrechnung. Droemer HC, 01.10.2015. [18] UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen. Weltbevölkerungsbericht 2015. www.unfpa.org.
Fritz Goergen
Islam: Integrationsfähigkeit hängt nicht von unseren Bemühungen ab („Wir schaffen das!“), sondern von Anzahl und kultureller Kompatibilität der Zuwanderer.
gastbeitrag
2018-03-17T16:24:22+00:00
2018-03-17T16:24:25+00:00
https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/den-islam-gibt-es-doch-gar-nicht/
Deutschland in Europa wieder allein zuhaus'
Die Europäische Union redet am liebsten über sich selbst. Es ist eine Autosuggestionsübung. Täte sie es nicht, sie könnte an ihrer eigenen Existenz zweifeln. Seit Allerheiligen sollte die neue Kommissionsführung im Amt sein. Ursula von der Leyen wartet als ungeduldige Prinzessin auf dem Thron, aber das Hofzeremoniell gestattet ihr nicht die Nachfolge. Der kranke König Juncker bleibt geschäftsführend im Amt, obwohl ein Aneurysma erst kürzlich die Grenzen seiner eigenen Macht aufzeigte. Dass von der Leyen ihre Kommissare ein halbes Jahr nach der Europawahl noch nicht um sich geschart hat, liegt dabei nicht nur am fehlenden britischen Amtsträger, der im Gänseblümchenzupfen um den Brexit noch nicht festgelegt werden konnte. Die Kandidaten aus Frankreich, Rumänien und Ungarn müssen immer noch vom EU-Parlament geprüft werden. Der geschlechtliche Proporz bei der Kandidatensuche – wir leben in paritätischen Zeiten, in denen offensichtlich die richtigen Sexualorgane mehr über die Qualifikationen aussagen als die Kompetenz – tat sein Übriges. Verlorene Monate für eine supranationale Organisation, die nach außen hin ihre eigene Position nicht oft genug als historische Unabdingbarkeit verkaufen kann, aber im Grunde selbst nicht weiß, wie sie ihre historische Beständigkeit begründen will. Die Werte, welche die EU vertritt, könnten überall auf der Welt vertreten werden; der Einsatz für Menschenrechte und Frieden ist keine genuin europäische Sache, das Bekenntnis zu Anti-Diskriminierung könnte ebenso gut in Australien oder Neuseeland stattfinden. Ein überzeugendes Narrativ ihrer Existenz hat die EU bis heute nicht vorgelegt: Frieden allein sicherte auch das Osmanische Reich in den von ihm befriedeten Teil der Welt. Während sich die EU zu nichts zu bekennen traut und sich am Ende der Geschichte wähnt, lechzen jene Völker, die jahrzehntelang unter dem sowjetischen Joch darbten, nach dem Wiedereintritt in die Geschichte. Wie ist anders der Bund der Visegradstaaten zu erklären, der in einem weitaus effektiveren Manöver als das Pendant EU mit Grenzschützern aus Polen, Tschechien und der Slowakei am ungarischen Zaun patrouilliert? Schon 2015 kritisierte Deutschland dieses Vorgehen. Dabei ist es Deutschlands historisches Verdienst, dass die V4 heute so hervorragend zusammenarbeiten – das alte Dreieck aus Paris, Berlin und Warschau ist längst vergessen, und Deutschland hat auch keinen Hehl daraus gemacht, dass es diese Partnerschaft nicht interessiert. Wenn nicht unter Gerhard Schröder (als man russische Pipelines in der Ostsee festlegte – und damit an Polen vorbei dirigierte), so doch spätestens unter Angela Merkel (deren Migrationspolitik wenig populär ist). Die Antwort Visegrads bei der Bewährungsprobe von 2015 zeigt – gerade im Unterschied zum Wirken der EU – die Vorteile des alten Lehrsatzes „small is beautiful“ auf. Die mangelnde Effizienz der Brüsseler Bürokratie mit ihren unzureichenden Antworten verhält sich unflexibel angesichts Problemstellungen katastrophalen Ausmaßes. Sie wirkt chancenlos. Kleine Bündnisse in der Größe der Benelux- oder Visegradstaaten, die sich schneller abstimmen können, bilden dabei nicht nur eine mögliche Antwort auf die Krise des Kontinents – sie könnten sogar alternativlos sein. Eine Gesundung des Kontinents könnte daher ein EU-Europa mehrerer Geschwindigkeiten sein; im Grunde ist die EU eben genau das seit Jahren, gibt es doch seither Euro-Staaten und Nicht-Euro-Staaten. Dennoch versucht Brüssel eine solche Reform um jeden Preis zu verhindern: die Gesamtintegration steht im Vordergrund. Die beiden Motoren Deutschland und Frankreich haben – aus Furcht vor einer kompletten Desintegration – solche Vorhaben behindert. Insbesondere aus Paris folgen Zentralisierungsvorschläge im Wochentakt. Deutschland liegt paralysiert in der Mitte Europas, dank einer Kanzlerin, die in ihrer Amtszeit zu einer „lame duck“ geworden ist. Mit dem Ende der Regierungsbeteiligung der Lega ist auch Emmanuel Macrons wichtigster Gegenspieler Matteo Salvini verschwunden. Frankreich ist derzeit die gestaltende Macht des Kontinents – mit allen Konsequenzen. Diese Herausforderung könnte jedoch zum genauen Gegenteil führen, nämlich dann, wenn sich erneut zeigt, wie überfordert Brüssel mit seinen Aufgaben ist. Regionalbündnisse werden dann notwendigerweise erzwungen, um Krisen zu lösen. Nicht nur wirtschaftliche und sicherheitspolitische Vorstellungen spielen dabei eine Rolle, sondern auch historische und kulturelle Verbindungen. Eine Vereinigung der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen wirkt ebenso sinnig wie ein Bündnis der Nachfolgerstaaten der Donaumonarchie. Gerade Österreich weiß um sein Erbe und hat trotz seines kleinen Territoriums einen erfahrenen Diplomatenapparat, um ein ähnlich effizientes Netzwerk zu spinnen. Das Vereinigte Königreich hatte wiederum eine historisch wichtige Rolle im Nordseeraum, wo es lange Zeit mit der EFTA (European Free Trade Association) führendes Mitglied einer Konkurrentin zur alten EWG war. Die Europäische Freihandelsassoziation ist heute nur noch ein Schatten ihrer selbst, aber eine engere Kooperation mit Irland erscheint schon deswegen sinnig, um eine neue Spaltung der Insel zu unterbinden. Norwegen und Island sind bis heute keine EU-Staaten, die sich ebenfalls anböten. Dass Nordeuropa zudem seine pan-skandinavischen Träume niemals ganz aufgegeben hat, ist eine Binsenweisheit. Deutschland ist dabei das Land, das solch einem Szenario widerstehen muss. In einem Konzert der europäischen Blöcke stände es allein. Mit seinen 80 Millionen Einwohnern und seiner gewaltigen Volkswirtschaft ist es schlicht zu groß, um Verbündete zu finden. Selbst die drei großen romanischen Nationen Frankreich, Italien und Spanien halten sich gegenseitig das Gleichgewicht. Deutschland dagegen kann nur in einem gesamteuropäischen Konzert eingebunden werden, in dem es mehrere gleichwertige Kräfte gibt, die sich im Zweifelsfall gegen den germanischen Riesen verbünden können. Ein oft erträumter Nord-Euro muss den Nordstaaten deswegen schon als Gefahr gelten, weil Deutschland ein ähnliches Übergewicht hätte wie Preußen im Deutschen Kaiserreich. Bündnisse dieser Art pervertieren zu Hegemonien. Es stünden keine Optionen in nächster Nähe zur Verfügung. Womöglich müsste Deutschland dann – zynisch gesprochen – seine besondere Partnerschaft mit der Türkei beleben, um doch noch einen Freund zu finden. Marco Gallina schreibt vorzugsweise auf www.marcogallina.de
Fritz Goergen
Deutschland stände in einem Konzert europäischer Blöcke allein.
meinungen
2019-11-13T12:53:50+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/deutschland-in-europa-wieder-allein-zuhaus/
Wann wird der deutsche Michel endlich aufbegehren?
Das real existierende Deutschland ist zu einem Land voller Paradoxien geworden. Die Staatsverschuldung steigt ins Unermessliche, im Jahr 2022 betrug der Schuldenstand 2,368 Billionen Euro, das ist 2 368 000-mal 1 Million und damit fast zwei Drittel des Jahres-Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3,876 Billionen im Jahr 2022. Parallel dazu zerbröseln die sozialen Sicherungssysteme. Man jammert über einen Fachkräftemangel, der angeblich die Zuwanderung von bis zu einer Million Menschen pro Jahr erfordere. Zugleich diskutiert man ernsthaft die Einführung einer Viertagewoche und merkt gar nicht, dass man damit bis zu 20 Prozent Arbeitskraft vernichtet. Der Einsatz für Ehe, Familie und Kinder verkommt zum Lippenbekenntnis, zumal gleichzeitig die Streichung der Witwenrente und des Ehegattensplittings diskutiert wird. Millionen und Abermillionen fließen in die weite Welt hinaus, nicht selten in korrupte Systeme. Aber wenn im Ahrtal und im benachbarten Erfttal in der Nacht vom 14./15. Juli 2021 in einer Flut 189 Menschen umkommen und samt Infrastruktur Hunderte von Häusern und Betrieben kaputtgehen, dann dauert die rein materielle Aufarbeitung wohl ein Jahrzehnt. Das Land Rheinland-Pfalz beispielsweise nimmt für 2023 ganze 11 Millionen für die Beseitigung von Schäden in die Hand, während die Hansestadt Hamburg allein im März 2023 für 6500 Flüchtlinge insgesamt 14 Millionen Euro für Hotelunterbringung zu schultern hatte. Deutschlands angeblich entscheidender Beitrag zur Verwirklichung von „One-World“-Visionen inkl. Rettung des Weltklimas und Bewältigung weltweiter Migrationsströme ist angesagt. Finanziert aus dem Geldbeutel und den Konten des deutschen Michels. Aber es ist nichts anderes als Selbstaufgabe, immer häufiger orchestriert von UNO, WHO und Co. nichts anderes als Unterwerfung unter die Visionen eines globalen Milliardärssozialismus, dem es – ausgestattet mit Stiftungs-Milliarden, ja -Billionen – als „woker“ Kapitalismus um die Etablierung eines Überstaates und die Preisgabe nationaler Souveränitäten geht. Und die Folge? Der Staat sieht sich nicht mehr als originärer Garant, sondern als argwöhnischer Begrenzer von Freiheiten bis ins Totale (Totalitäre?). „Cancel Culture“ ist angesagt. Schier alltäglich. Ein Heilbronner Konditor, der Faschingskrapfen mit „indigenen“ Köpfen ziert, wird im Februar 2023 von einer kommunalen Stelle ermahnt. Winnetou muss wegen Verbots von „Cultural Appropriation“ nun definitiv sterben; eine Tanzgruppe von Rentnerinnen, die bei der Bundesgartenschau im April 2023 mit Sombreros auftritt, ist ebenfalls wegen „Cultural Appropriation“ unerwünscht. Nun hat der deutsche Michel Ende 2021 ein solches System nolens volens bestätigt und mit der „Ampel“ mit knapper Mehrheit eine Gouvernanten-Regierung gewählt. „Gouvernante“ in dem Sinne, wie man sich diesen früheren, durchaus ehrenwerten Beruf im negativen Klischee vorstellt: spießig, besserwisserisch, belehrend, endlos tadelnd, verbietend, immer nur das – vermeintlich – Beste wollend. Und die CDU, die Partei der Ex-Kanzlerin? Zusammen mit der CSU fuhr sie bei der Bundestagswahl 2021 das miserabelste Ergebnis seit Bestehen der Republik ein: 24,1 Prozent. Oder noch härter gerechnet: 18,9 Prozent gaben der CDU in 15 Bundesländern ihre Stimme, der Söder-CSU auf den Bund berechnet 5,2 Prozent, allein auf Bayern bezogen 31,7 Prozent. 24,1 Prozent insgesamt – das sind – wegen der vielen Nichtwähler – 18,5 Prozent der Wahlberechtigten. Es war dies eine Klatsche für die Ex-Kanzlerin und „ihren“ Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Gleichwohl stellen die Merkelianer in der CDU nach wie vor einen Machtfaktor dar. Neu-Parteichef Friedrich Merz weiß die Partei nicht komplett hinter sich. Zugleich holt sich die CDU samt CSU eine blutige Nase an der von ihr selbst errichteten „Brandmauer“ gegen die AfD und damit gegen Hunderttausende dorthin abgewanderte CDU-Wähler. Derweil wird Merkel schier hagiografisch mit höchsten Orden der Republik sowie der Länder NRW und Bayern behängt. Apropos Wahlen: Sollte man nicht von „sogenannten“ Wahlen sprechen, zumindest in Berlin? Dort fand am 26. September 2021, dem Tag der Bundestagswahl, zugleich die Wahl zum Abgeordnetenhaus statt. Besser: Sie sollte stattfinden. Denn 73 Wahl-lokale waren zeitweilig geschlossen; es gab zu wenig Wahlurnen; in manchen Wahllokalen wurde über 19 Uhr hinaus gewählt; in 100 Wahllokalen gab es zu wenig Stimmzettel. Vielfach wurde falsch ausgezählt, andernorts waren Stimmzettel verschwunden. Berlin, doof, aber sexy? Der Verfassungsgerichtshof Berlins ordnete in der Folge eine Wiederholung der Wahl an. Diese fand am 12. Februar 2023 statt. Die CDU siegte, der rot-grün-dunkelrote Senat wurde von einem schwarz-roten ersetzt. Geändert hat sich nichts. Dass die Bundestagswahl in Berlin ebenso chaotisch ablief, ist klar. Aber es errangen drei Linkspartei-Kandidaten ein Direktmandat, so dass ihre Partei trotz eines bundesweiten Ergebnisses von nur 4,9 Prozent in den Bundestag einzog. Gegen diesen Teil der Wahl in Berlin gibt es rund 1700 Beschwerden in Karlsruhe. Wie werden die Damen und Herren in roter Robe im Herbst 2023 urteilen? Wetten, dass … Und die anderen „Bürgerlichen“? Die FDP, die dem Namen nach „Liberalen“? Zur Jahreswende 2017/18 hatten sich die „Freien Demokraten“ im Bund einer „Jamaika“-Koalition (schwarz-gelbgrün) verweigert. Die Begründung war: „Lieber nicht regieren als schlecht regieren!“ Damals wäre man zweitstärkste Regierungsfraktion gewesen. Nun, da man drittstärkste Regierungsfraktion ist, gilt: „Lieber schlecht regieren, als auf Ministersessel verzichten!“ Die Quittung folgte: Die FDP flog aus den Landtagen in Berlin, in Niedersachsen und im Saarland. Die „Gelben“ stellen (Stand: Sommer 2023) nur noch 85 Abgeordnete in 11 Landesparlamenten. Auf Bundesebene dümpelt man im Juli 2023 bei der „Sonntagsfrage“ um 7 Prozent vor sich hin. Der Liberalismus und die Liberalität eines Friedrich August von Hayek, das Denken eines Ludwig Erhard haben in Deutschland offenbar keine Chance mehr. Gleichheit und Gleichmacherei rangieren vor Freiheit, Entmündigung und „komfortable Stallfütterung der domestizierten Massen“ (Wilhelm Röpke) rangieren vor Eigenverantwortung. Eine wahrlich liberale Partei, die glaubhaft gegen solche Paradigmenwechsel angeht, gibt es nicht mehr. Am 26. September 2021 also hat der deutsche Michel gewählt. Und zwar mit in der Summe 52,0 Prozent der Wähler (= 39,8 Prozent der Wahlberechtigten) eine „Ampel“. Deren Ziel ist ein anderes Land mit einem neuen Bild von Familie und Geschlechtlichkeit, von Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit, von Nation und Staatsangehörigkeit, von Leistungsprinzip und Eigenverantwortung, von Gewaltenteilung und Subsidiarität. All dies müsste den deutschen Michel auf die Palme bringen. Aber er bleibt brav am Boden und duckt sich weg. Dabei wurde der deutsche Untertan seit Bestehen der Republik noch nie so miserabel regiert wie ab 8. Dezember 2021. Nun schaut der deutsche Michel, wenn er nicht eingefleischter Sozialist, gut situierter Grünling oder Pseudoliberaler ist und sich nicht mit der geplanten Freigabe von Cannabis darüber hinwegtrösten will, dumm aus der Wäsche. Den eigenen Unmut in Meinungsumfragen zu artikulieren, reicht nicht. Nein, der deutsche Michel schluckt nach wie vor viel zu viel. Nicht einmal das öffentlich-rechtliche „Unsere tägliche Gehirnwäsche gib uns heute!“ bringt er zu Fall, indem er den „Beitragsservice“ für die Öffentlich-Rechtlichen trickreich lahmlegt. Noch geringer als die Wahlbeteiligung dürfte der Anteil der De-facto-Wähler sein, die vor ihrer Stimmabgabe die Programme der Parteien gelesen haben. Hätte wenigstens ein Teil der in der Summe 52 bzw. 39,8 Prozent, die die „Ampel“ ins Kabinett hievten, dies getan, wäre Deutschland einiges erspart geblieben, denn man konnte anhand der SPD- und „Grünen“-Programme sowie aus Teilen des FDP-Programms erkennen, wohin die Reise Deutschlands geht. Der deutsche Untertan soll nun also sein: bindungslos, genderfluid, bevormundet, zur Denunziation bereit, denkfaul, bekennend antifaschistisch, antirassistisch, antikolonialistisch, antiweiß, ewig ob seines Deutschseins schuldkomplexbeladen, vegan, klimaneutral und wegen CO2 fortpflanzungsunwillig. Ist Ruhe da die erste Bürgerpflicht? Nein, der deutsche Michel muss sich endlich auf seinen Namenspatron, den Erzengel Michael, den Drachenbezwinger, besinnen. Als intellektueller Stachel – auch für CDU/CSU. Diese Union, solange es sie noch gibt, sollte ihre „Merkel“-Prägungen hinter sich lassen, sich markant als die große Oppositionspartei präsentieren und endlich den „grün-marxistisch-woken“ Kulturkampf kontern. Auszug aus dem Vorwort zur aktualisierten Neuausgabe von: Josef Kraus, Der deutsche Untertan. Vom Denken entwöhnt. LMV, Breitklappenbroschur/Paperback, 360 Seiten, 20,00 €.
Jutta Willand-Sellner
Der Staat sieht sich nicht mehr als originärer Garant, sondern als argwöhnischer Begrenzer von Freiheiten bis ins Totalitäre. „Cancel Culture“ ist angesagt. Nun hat der deutsche Michel Ende 2021 ein solches System nolens volens bestätigt und mit der „Ampel“ mit knapper Mehrheit eine Gouvernanten-Regierung gewählt.
feuilleton
2023-09-22T17:41:45+00:00
2023-09-22T17:41:46+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/buecher/wann-wird-der-deutsche-michel-endlich-aufbegehren/
VW – In einer doppelten Sackgasse
Eins ist gewiss: Unter den Bedingungen, die in Europa im Namen der „großen Transformation“ für das Automobil gesetzt wurden, wird der große deutsche Autobauer VW nicht mehr existieren können. Die Kosten für Herstellung, Reparatur und Versicherung der E-Automobile und die Kosten für Herstellung und Unterhalt einer verlässlichen, flächendeckenden Infrastruktur werden niemals so zu senken sein, dass sie für die Mehrheit der Bürger tragbar sein werden. Keine Serienfertigung und kein Netzausbau wird diese Kosten in absehbarer Zukunft ausreichend senken können. Keine Subvention, so lange sie auch dauert, wird dagegen ankommen. Sie würde nur die Selbstfinanzierung des Unternehmens und die Staatsfinanzen ruinieren. Keine CO2-Verteuerung von Benzin und Diesel wird dem E-Automobil mehr zahlungsfähige Kunden zutreiben. Und die Verteuerung der Gesamtproduktion eines Herstellers, wenn er die immer restriktiveren Grenzwerte bei den sogenannten „CO2-Flottenemissionen“ nicht einhält, werden nicht den E-Mobilmarkt zu neuem Leben erwecken. Stattdessen wird zusätzlich noch die Produktion herkömmlicher Fahrzeuge ruiniert. Insgesamt zeichnet sich so ein Endstadium ab, in dem in Deutschland das Autofahren zu einem exklusiven Gut für wenige geworden ist. Das Ende des Automobils als Massenverkehrsmittel ist beschlossen und die großen Automobilhersteller stehen am Abgrund. Das gilt in besonderem Maß für das Unternehmen Volkswagen, das mit Fahrzeugen für ein breites Publikum groß geworden ist. Aber die gleiche Krise trifft inzwischen auch Hersteller wie Daimler-Benz, BMW und Audi. Und es ist keine rein deutsche Krise, sondern eine europäische Krise, wie der Fall des Stellantis-Konzerns, zu dem Peugeot, Fiat und Opel gehören, jetzt zeigt. Mehr als nur eine Übergangs-Krise – Der Vorwurf, dass da von den Konzernlenkern ein „notwendiger Strukturwandel zur E-Mobilität“ verschlafen wurde, ist ein falscher Vorwurf. Er treibt die Dinge nur weiter in die falsche Richtung und führt dazu, dass weitere Unsummen auf einem Kurs versenkt werden, der zu keinem tragfähigen Neuland führt. Der Vorwurf redet die Krise klein, indem er den Eindruck erweckt, die Automobilindustrie befände sich in einer „Übergangssituation“, die es nur zu „überbrücken“ gelte, damit dann wieder goldene Zeiten anbrechen. Aber die „Brücke“, für die jetzt eine letzte siegbringende „Anstrengung“ gefordert wird, führt ins Leere. Und irgendwann werden diejenigen, die jetzt gegen die „Schwarzmalerei“ zu Felde ziehen, dem Publikum verkünden müssen, dass die Lage auf einmal doch ganz finster ist. Und dass der große Transformations-Feldzug verloren ist. Ja, manches in Deutschland erinnert, wie der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe richtig schreibt, an die letzten Jahre der DDR. Und manches sollte vielleicht sogar an das jähe Ende von 1918 erinnern, dem bekanntlich auch eine große, angeblich siegbringende Offensive vorausging. Die deutsche Geschichte bietet gute Gründe, den Versprechungen einer „ganz neuen Zukunft“ zu misstrauen. Nein, hier soll nicht mit radikalen Vergleichen eine Untergangsstimmung verbreitet werden. Die Lage bei VW ist nicht so, dass sowieso schon alles verloren ist, und dass jedes Handeln zu spät kommt. Aber es muss klargestellt werden, was geht und was nicht geht. Die jetzt festgelegten Ziele (vor allem hier die „Klimaziele“) haben zu einer Aufstellung des Unternehmens geführt, die mit einem großen, lebensfähigen Autobauer nicht vereinbar ist. Die Ziele müssen deshalb zurückgenommen werden. Zumindest muss ein Moratorium her, das den verheerenden Umsetzungsdruck stoppt und eine nüchterne Betrachtung der Lage erlaubt. Unterhalb einer solchen Korrektur der Aufstellung des Unternehmens und unterhalb einer entsprechenden Korrektur der politisch gesetzten Rahmenbedingungen gibt es keine Lösung. Das ist das erforderliche Minimum, damit bei VW die notwendige Vertrauensbasis für Arbeitseinsatz und Investitionen wiederhergestellt werden kann. Das Schweigen der Unternehmensführung – In der kritischen Lage bei Volkswagen sind nun die Tarifverhandlungen zum Feld einer erbitterten Auseinandersetzung geworden. Die Industriegewerkschaft Metall hat sehr umfangreiche Forderungen gestellt: keine betriebsbedingten Kündigungen, Erhalt aller Standorte, 7 Prozent mehr Lohn. Der Verhandlungsführer Thorsten Gröger erklärte: „Wenn nötig, wird das der härteste Tarifkampf, den Volkswagen je gesehen hat.“ Die Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo sagte zu den angekündigten Warnstreiks: „Ich bin mir sicher, dass wir einen enormen Zuspruch haben werden.“ Und das hat sich inzwischen bewahrheitet. Es ist ein tiefer, durchaus realistischer Zorn spürbar. Es geht dabei gar nicht so sehr um die Durchsetzung der Forderungen, sondern um den Kurs des Unternehmens. Die Beschäftigten zeigen, dass es ein „Weiter so“ nicht geben wird. Es kann nun zu einem tiefen und dauerhaften Bruch zwischen der Belegschaft und der Unternehmensführung kommen. Die Belegschaft ist zu diesem Bruch bereit, wenn es keine Kurskorrektur bei VW gibt. Sie sieht, dass der gegenwärtige Kurs darauf hinausläuft, dass von Volkswagen nur noch ein Rumpf-Autobauer übrigbleibt, der keine Fahrzeuge für die Mehrheit der Bevölkerung bauen kann. Zu einem solchen Selbstmord auf Raten stehen die Beschäftigten nicht zur Verfügung. Man wird sich nicht gehorsam und brav zur Schlachtbank führen lassen. Alles hängt jetzt davon ab, was von der Unternehmensführung gesagt und getan wird. Dabei geht es gar nicht so sehr um die Erfüllung der Forderungen, denn diese Forderungen erreichen ja gar nicht die Ursachen der VW-Krise. Eine Ursache ist das einseitige Setzen auf die E-Mobilität. Diese Entscheidung hat die Unternehmensführung zu verantworten. Sie erweist sich jetzt als große Fehlentscheidung. Sie muss korrigiert werden, Zumindest müssen erstmal alle Maßnahmen und Ausgaben, die VW noch weiter in diese Sackgasse treiben, gestoppt werden. Aber bisher hören die Beschäftigten nichts, was nach einer Kurs-Korrektur oder zumindest nach einem Innehalten klingt. Man stelle sich vor: Da legt eine Unternehmensführung ihrer Belegschaft riesige Opfer auf – und gleichzeitig denkt sie nicht im Traum daran, etwas von ihrem verlustreichen E-Mobilitäts-Kurs zu opfern. Das ist der rosa Elefant im Raum, den niemand beim Namen nennen will. Wer hat hier Illusionen? – Bereits am 26.9.2024 erschien im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Leitartikel von Christian Müßgens mit dem Titel „Wolfsburger Illusionen“. Der Autor rechnet offenbar den Zorn der Arbeiter zu den Illusionen – und nicht die Wende zur E-Mobilität. Er schreibt: „In der Krise liegt die Chance, VW zu erneuern und den ganzen Industriestandort zu stärken. Doch dafür sind harte Einschnitte nötig.“ Der Autor lässt durchblicken, dass er einen größeren Stellenabbau und die Schließung kleinerer Standorte für realitätsgerecht hält. Was die Konzernführung betrifft, soll sie auch einen Beitrag zu den Kürzungen leisten. Aber das ändert an der Fehlaufstellung des Unternehmens nicht das Geringste. Das Einzige, was jetzt hilft, sind Kürzungen im Bereich der E-Mobilität. Aber davon ist nicht die Rede. Im Gegenteil, wenn es nach dem Autor geht, sollen alle Maßnahmen im Dienst eines weiteren Ausbaus des E-Auto-Angebots stehen: „Die Branche braucht jeden Cent, auch um E-Autos zu entwickeln, die Kunden wirklich haben wollen.“ Da steht tatsächlich: „die Kunden wirklich haben wollen“. Der Leitartikler der FAZ weiß also besser als die Kunden, was sie eigentlich wollen. Und sein Artikel endet mit einer finsteren Untergangs-Drohung: „Für die Wolfsburger bietet sich womöglich die letzte Chance für einen Neuanfang.“ Mit anderen Worten: Entweder ihr treibt die E-Mobilitätswende weiter oder ihr habt es verdient unterzugehen. Eine EU-Verordnung, die sich nun als existenzgefährdend erweist – Am 11.10.2024 berichtet die FAZ von einem gemeinsamen Positionspapier der Wirtschaftsminister der Bundesländer Niedersachsen, Hessen, Sachsen, Berlin (alle SPD), in dem sie die Bundesregierung und die EU-Kommission auffordern, „die geltende abrupte Absenkung der CO2-Flottengrenzwerte durch eine flexible Absenkung zu ersetzen“. Und es wird ein „ohne die Klimaziele in Frage zu stellen“ nachgeschoben. Ein Überschreiten der Grenzwerte, deren Verschärfung für das Jahr 2025 festgelegt ist, werde milliardenschwere Strafen nach sich ziehen, die nötige Investitionen erschwere. Der europäische Automobilverband ACEA hatte schon im September kurzfristige Erleichterungen gefordert, weil ansonsten Strafzahlungen von bis zu 15 Milliarden Euro drohen. Eine Überprüfung der Flottengrenzwerte durch eine Expertenkommission, die die EU-Kommission für 2025 in Aussicht gestellt hatte, komme zu spät. Das Positionspapier der SPD-Wirtschaftsminister (es ist in der FAZ vom 14.10.2024 abgedruckt) weist darauf hin, dass die Berechnung auf Basis der Gesamtflotte eines Herstellers die traditionellen Unternehmen benachteilige, die bisher die Kunden mit Verbrenner-Automobilen versorgen und dafür große Belegschaften haben. Neugegründete, reine E-Mobil-Hersteller mit viel weniger Beschäftigten seien nicht betroffen. Der FAZ-Artikel berichtet von mehreren Treffen zwischen der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und den Chefs verschiedener Automobilkonzerne. Und er berichtet, dass die Kommission an den Flotten-Grenzwerten und Strafen für 2025 festhält. Begründet wird dies damit, dass die CO2-Ziele für 2025 schon 2019 vom Europaparlament und vom EU-Ministerrat verabschiedet wurden. Die Branche hätte mithin genügend Zeit gehabt, sich auf die gesetzten Ziele vorzubereiten. Doch inzwischen hat sich herausgestellt, dass die EU-Grenzwert-Beschlüsse auf illusorischen Einschätzungen beruhten: Man ging von einem boomenden Markt für E-Automobile aus. Aber in Wirklichkeit ist dieser Markt stark rückläufig. Und man ging auch davon aus, dass die europäischen Autobauer bei der E-Mobilität große Exporterfolge erzielen würden. In Wirklichkeit sind inzwischen chinesische Hersteller weltweit auf dem Vormarsch. Eine Reduktion der CO2-Flottenemission eines europäischen Herstellers ist unter diesen Bedingungen nur noch durch ein radikales Verkleinern des Gesamtangebots zu erreichen. Die so unscheinbare EU-Verordnung der Flottengrenzwerte ist ein kaltes Stilllegungs-Programm zu Lasten der europäischen Autoindustrie. Eine Lösung à la Habeck – Auch das Bundeswirtschaftsministerium hat sich noch einmal ausdrücklich hinter diese EU-Verordnung gestellt. Aber der Minister Habeck wäre nicht der große Menschenfreund Habeck, wenn er dem nicht ein freundliches Mäntelchen umhängen würde. Wie die Wochenzeitung „Die Zeit“ berichtete, plädiert er für eine „Verrechnung“: Er will den Automobil-Herstellern, die die verschärften Grenzwerte des Jahres 2025 nicht einhalten können, die Möglichkeit einräumen, dies durch eine Übererfüllung der Grenzwerte in den Jahren 2026 und 2027 auszugleichen. Die Strafzahlungen sollen also erstmal gestundet werden. Aber dann können sie nur durch besonders niedrige Flottenemissionen in den Folgejahren abgewendet werden. Das gelingt eventuell nur durch drastische Stilllegungen beim Bau von Fahrzeugen mit Verbrenner-Antrieb. Oder es gelingt nicht und dann kommen sowohl alte als auch neue Strafzahlungen zusammen. Das kann schnell zur Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens führen. Es wird also nur scheinbar Milde gewährt, um dann umso härter zuzuschlagen. Das erinnert an jenen alten Mechanismus, durch den arme Bauern nach schlechten Ernten durch billige Kredite in Abhängigkeit von einem reichen Geldgeber gerieten. Diese Bauern konnten in der Regel gar nicht die Erträge erwirtschaften, um aus den Schulden wieder herauszukommen. Sie versanken in einer immer drückenderen Schuldknechtschaft. In eine ähnliche Falle führt nun auch der Habeck-Vorschlag einer zeitlichen „Verrechnung“ von Emissions-Strafzahlungen. Ein finsteres Kapitel der Wirtschafts- und Sozialgeschichte lässt grüßen. Die doppelte Sackgasse, in der VW jetzt steckt – Über dem Positionspapier der SPD-Wirtschaftsminister vom Oktober 2024 steht: „Für ein klares Bekenntnis zur E-Mobilität und Erleichterungen bei den Emissionszielen“. Eine Abschwächung der Pflichten zur Emissions-Senkung bei gleichzeitiger Bekräftigung der Wende in die E-Mobilität – das ist ein Spagat, der nicht mehr haltbar ist. Er motiviert nicht mehr zum Handeln, sondern lähmt das Handeln. Man kann natürlich sagen, dass es grob fahrlässig war, im Jahr 2019 vorgreifend Emissions-Grenzwerte zu beschließen, deren technisch-wirtschaftliche Realisierbarkeit absolut nicht sicher war. Aber jetzt ist eine neue Lage da. Jetzt haben wir es mit einem doppelten Engpass zu tun. Auf der einen Seite brachte die Wende in die E-Mobilität keinen Effizienzgewinn und keinen technischen Vorsprung, der sich auszahlte. Zum anderen erwies sich die Auslagerungsstrategie von Produktionsstätten, und dabei insbesondere die „China-Strategie“ als Sackgasse. Chinesische Unternehmen waren fähig, große Teile des eigenen Marktes und auch Teile des Weltmarktes zu erobern. Diese Außenwirtschaftskrise besteht unabhängig von der technologischen E-Mobilitätskrise. Was als leichte Zukunftsperspektive verlockend erschien, erweist sich jetzt als eine doppelte Sackgasse. Zwei verheerende Schwerpunkt-Verlagerungen – Die beiden Entscheidungen, die sich jetzt als verheerend erweisen, sind nicht falsche Reaktionen auf einzelne Ereignisse. Sie sind Grundentscheidungen, die auf einen Entwicklungspfad geführt haben, auf dem das Unternehmen VW (aber auch andere Automobil-Bauer) schon längere Zeit unterwegs sind. Sie haben zu Schwerpunkt-Verschiebungen in der Aufstellung des Unternehmens geführt. Zu Verschiebungen in ihrer tragenden Architektur, zum Wechsel zwischen Standbein und Spielbein. So lässt sich der Wechsel zum Standbein „E-Mobilität“ bei VW besser verstehen, wenn man weiter in der Zeit zurückgeht und die Tatsache berücksichtigt, dass – schon vor der E-Mobilität – eine Verlagerung auf immer aufwendigere und kostspieligere Typen und Typen-Ausstattungen stattfand. Wenn man den VW-Golf, der 1974 vom Band lief, mit dem VW-Golf der 2000er Jahre vergleicht, ist dieses „Upgrading“ unübersehbar, und Ähnliches gilt für das ganze Flottenangebot von VW. Vor diesem Hintergrund wird verständlicher, wie ein Unternehmen, das so sehr mit der Geschichte des Automobils als Massenverkehrsmittel in Deutschland verbunden ist, auf die Idee kommen konnte, sein Heil im Standbein „E-Mobilität“ zu suchen. Eine ähnliche Vorgeschichte lässt sich bei der heutigen Außenabhängigkeit des Konzerns beobachten. Es gab einen längeren Prozess der Schwerpunkt-Verschiebung ins Ausland – insbesondere bei den Standorten der Fahrzeug-Fertigung und den Standorten der Zulieferer. Ohne eine Rückkehr zu bewährten Standbeinen gibt es keine Lösung – Das bedeutet, dass man sich eine Wende der Lage nicht einfach als großen „Ruck“ vorstellen sollte, sondern als einen längeren Prozess der Rückverschiebung. Es geht um die Rehabilitierung einfacherer, erschwinglicherer Fahrzeuge. Und um die Rehabilitierung der Fertigung in Deutschland. Notwendig ist dabei nicht ein vollständiger Abschied von E-Mobilität und Auslandsfertigung, aber ein Wechsel zwischen Standbein und Spielbein. Eine Rückverschiebung des Unternehmens zu den Standbeinen, die über viele Jahrzehnte immer wieder fähig waren, sich an Veränderungen maßvoll anzupassen. Nur durch eine Rückkehr zum Standbein des herkömmlichen Fahrzeugbaus auf Verbrennerbasis und zum Standbein der Inlands-Fertigung kann man das Maß der Änderungen finden, die für eine „Bodenbildung“ in der aktuellen Konzernkrise notwendig sind.
Sofia Taxidis
Die Volkswagen-AG steckt in einer strategischen Krise. Weder die Wende zur Elektromobilität noch die weitgehende Verlagerung der Fahrzeug-Fertigung ins Ausland bieten eine zukunftsfähige Grundlage für das Unternehmen.
kolumnen
2024-12-15T14:33:23+00:00
2024-12-15T16:01:20+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/helds-ausblick/vw-in-einer-doppelten-sackgasse/
Polen: Justiz hebt Immunität des ehemaligen Premiers Morawiecki auf
Dem ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki wird vorgeworfen, dass er während der Corona-Pandemie 2020 unzulässigerweise eine Fernwahl des Präsidenten organisieren wollte. Staatsanwalt und Justizminister Adam Bodnar fordert die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität, damit er vor Gericht gestellt werden kann. Morawiecki, inzwischen Mitglied des Europäischen Parlaments, sieht darin eine politische Kampagne gegen ihn. Die Ereignisse gehen auf das Frühjahr 2020 zurück, die erste Phase der Covid-19-Pandemie. Der damalige polnische Ministerpräsident Morawiecki hatte die Idee, eine Fernwahl des Präsidenten zu organisieren – ein Verfahren, das es in Polen normalerweise nicht gibt –, und hatte den Prozess mit Beteiligung der Post und der nationalen Druckerei eingeleitet, um die Wahlzettel vorzubereiten. Letztendlich erwies sich die Aktion als erfolglos, sodass eine Rechnung in Höhe von 13 Millionen Euro, das heißt etwas mehr als 56 Millionen Złoty in polnischer Währung zu begleichen war. Die Präsidentschaftswahlen fanden schließlich einige Monate später mit den üblichen Modalitäten statt und führten zur Wiederwahl von Andrzej Duda, der wie Morawiecki der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) angehört. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat Morawiecki zum Nachteil des öffentlichen Interesses in Form der Achtung der Rechtsordnung und der verfassungsmäßigen Rechte der Wähler gehandelt und damit zu einer sinnlosen, unwirksamen und ungerechtfertigten Ausgabe öffentlicher Mittel in einer Gesamthöhe von nicht weniger als 56.450.406,16 Zloty zum Nachteil der Staatskasse geführt. Im Jahr 2020 wurde Morawiecki von einem Verwaltungsgericht für schuldig befunden. Er legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, die jedoch abgelehnt wurde. Es kam zu einem neuen Strafverfahren. Für Morawiecki sind die Angriffe gegen ihn politischer Natur. Er ist der Ansicht, dass er nichts anderes getan hat, als zu versuchen, die Wahlen unter schwierigen Bedingungen zu organisieren, wobei er den in der Verfassung festgelegten Zeitplan für die Wahlen einhalten und den gesundheitlichen Schutz der Bürger gewährleisten musste. Zu seiner Verteidigung verweist er auf ein weiteres Urteil des Verfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr, in dem festgestellt wurde, dass Morawiecki verfassungskonform gehandelt hat, als er versuchte, die Wahlen 2020 aus der Ferne zu organisieren. Obwohl er in Polen kein Regierungsamt mehr innehat, ist Morawiecki Zielscheibe der regierenden Linken in Polen, da er nun als Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR) eine Schlüsselrolle auf europäischer Ebene spielt. Morawieckis Gegner unterstützen die Initiative zur Aufhebung seiner Immunität und wollen seinen Fall nutzen, um die Loyalität polnischer Politiker, die mit der PiS gebrochen haben, gegenüber Brüssel zu demonstrieren. Sie lehnen die Entscheidung des Verfassungsgerichts mit der Begründung ab, es stehe „unter dem Einfluss“ der PiS. „Es gibt keine heiligen Kühe in Polen“, schrieb der Innenminister auf X, um die Aufhebung der Immunität des ehemaligen Premierministers zu forcieren. In der Überzeugung, dass er sich nichts vorzuwerfen hat, erklärte Morawiecki in einem Interview im polnischen Fernsehen, er sei bereit, seine Immunität aufzuheben. Er sieht in den juristischen Angriffen gegen ihn ein Manöver der Regierung, um ihre Rückschläge und schlechten Ergebnisse, vor allem in der Wirtschaft, zu vertuschen. Die Regierungspartei verfügt über eine ausreichende Mehrheit, um die Aufhebung der Immunität Morawieckis durchzusetzen. Der Antrag auf Überprüfung wurde bereits an das Parlament weitergeleitet. Sollte das Verfahren erfolgreich sein, könnten Morawiecki bis zu drei Jahre Gefängnis drohen. Dieser übersetzte und leicht bearbeitete Beitrag von Hélène de Lauzun erschien zuerst beim European Conservative in englischer Sprache.
Marco Gallina
Die Umwälzungen in Polen nach Entmachtung der PiS gehen weiter: Donald Tusks Justizminister will ein Exempel an dem konservativen Mateusz Morawiecki statuieren, der jetzt Vorsitzender der ECR-Fraktion im Europäischen Parlament ist.
gastbeitrag
2025-01-18T14:59:09+00:00
https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/polnische-justiz-immunitaet-mateusz-morawiecki/
Claudia Pechstein und der Ärger um ihren Auftritt in Uniform
Eine Sechseinhalb-Minuten-Rede der fünffachen Eisschnelllauf-Olympiasiegerin und vormaligen CDU-Bundestagskandidatin Claudia Pechstein (51) auf dem „CDU-Grundsatzkonvent“ vom 17. Juni in Berlin hat das eigentliche Anliegen dieses Parteitages medial und in den sozialen Netzwerken völlig in den Hintergrund gedrängt. Claudia Pechstein hatte in ihrer Rede vier Minuten lang über die Bedeutung des Vereinssports, das Ehrenamt und die bedenkliche Bewegungsarmut junger Leute gesprochen. Sie hat dabei geltend gemacht, dass gerade im Sport das Prinzip „Leistung lohnt sich“ gelte. CDU-Chef Friedrich Merz nannte Pechsteins Rede „brillant“. CDU-Vize Karin Prien sah das anders, sie rührte keine Hand zum Beifall, meinte zudem, die CDU solle keine Debatten um „Nebensächlichkeiten“ (!) führen. CDU-Quoten-Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magas polterte: „Thema verfehlt“. Allerdings drängt sich schon auch die Frage auf: Warum gibt es in der ersten und zweiten Reihe der CDU niemanden, der solche wahrlich nicht marginalen Probleme ausspricht? In der Folge kaprizierte sich die veröffentlichte und die in den „sozialen“ Netzblasen lancierte Meinung auf die Frage, ob Claudia Pechstein diese Rede – was sie getan hatte – in der Uniform der Bundespolizistin als Polizeihauptmeister hätte halten dürfen. Schnell war denn auch der Vorwurf im Raum, dass Pechstein das Neutralitätsgebot verletzt habe. Die Bundespolizei selbst kündigte umgehend eine Prüfung des „Falles“ an. Fragen des Asylmissbrauchs und der Bedeutung der Familie waren damit vom Tisch gewischt. Wir haben Rainer Wendt gefragt, den Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), wie er Pechsteins Auftritt in Uniform beurteilt. Wendt ist übrigens auch CDU-Mitglied. Wendt sagte gegenüber TE: „Frau Pechstein ist leider falsch beraten worden … Bei politischen Veranstaltungen geht das nun einmal nicht, weil nicht einmal der Eindruck entstehen darf, dass die Bundespolizei sich nicht an ihre Verpflichtung zur Neutralität halte. Die Vorschriften der Bundespolizei sind da eindeutig. Ob es aber auch zu disziplinarischen Konsequenzen führt, wie manche jetzt vorschnell schildern, wird die dienstrechtliche Untersuchung zeigen. Die Bundespolizei hat richtig und schnell reagiert und eine solche Untersuchung eingeleitet, die durchaus mehrere Wochen dauern kann.“ Dass Claudia Pechstein in Uniform auftrat, ist übrigens auch ein Versagen des CDU-Managements. CDU-Chef Merz oder sein Generalsekretär hätten Frau Pechstein vom Tragen der Uniform abraten müssen, weil zu erwarten war, wie Pechsteins Uniform politisch instrumentalisiert würde und öffentlich den ganzen CDU-Konvent überschattete. Dass Claudia Pechstein Bundespolizistin ist, wusste ohnehin jeder bei diesem Konvent. Sie hätte in Zivil auftreten und sagen können: „Sie wissen, dass ich Bundespolizistin bin, aber das spielt hier keine Rolle. Ich spreche hier als CDU-Frau.“ Es ist dies aber nicht die erste Kommunikationspanne, die sich die CDU mit ihrer Schläfrigkeit bzw. ihrer mangelnden Weitsicht selbst eingehandelt hat. Wir erinnern uns: Da gewinnt die CDU am Sonntag, 12. Februar, mit 28,2 Prozent eindeutig die Wiederholungswahl in Berlin und lässt SPD und Grüne (jeweils 18,4 Prozent) deutlich hinter sich. Aber was macht tags darauf der Bundesvorstand der CDU: Statt erst einmal den Erfolg medial auszukosten, verkündet sie ein Parteiausschlussverfahren gegen Hans-Georg Maaßen. Medial dominierte schließlich – wie zu erwarten – dieses Thema. Will sagen: Oft ist dem CDU-Management nicht mehr zu helfen.
Josef Kraus
Die Rede von Claudia Pechstein auf dem CDU-Grundsatzkonvent hat das eigentliche Anliegen des Parteitages medial in den Hintergrund gedrängt. Es ist dies nicht die erste Kommunikationspanne, die sich die CDU mit ihrer mangelnden Weitsicht selbst eingehandelt hat.
meinungen
2023-06-20T14:43:45+00:00
2023-06-20T14:43:46+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/cdu-grundsatzkonvent-claudia-pechstein-rede-auftritt-in-uniform/
Umweltschutzorganisation BUND verklagt Bundesregierung
Der BUND will vor Gericht erzwingen, dass die Ampelkoalition den „Klimaschutz“ mit Sofortprogrammen verschärft. Laut Süddeutscher Zeitung (Dienstagausgabe) wurde Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gegen die Regierung eingereicht. Darin werfen die Umweltschützer mehreren Ministerien Rechtsverstöße vor. Die sogenannten Sofortprogramme stehen im Zentrum des deutschen Klimaschutzgesetzes. Werden in einem Bereich die zulässigen Emissionen überschritten, müssen die zuständigen Ministerien binnen drei Monaten ein solches Programm vorlegen; es soll die Emissionen rasch mindern. Im Jahr 2021 betraf dies das Bau- und das Verkehrsministerium. Vor allem Letzteres blieb eine wirksame Antwort allerdings schuldig. Zwar legte es einen Sechs-Punkte-Plan vor – doch ein von der Regierung eingesetzter Expertenrat wies ihn als unzureichend zurück. „Das ist kein Sofortprogramm im Sinne des Klimaschutzgesetzes“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats: „Darauf warten wir bis heute.“ Die Grünen lehnen das ab, sie pochen auch auf ein Sofortprogramm. Wissing müsse vorlegen, wie er die Emissionen „in seinem Bereich drastisch reduzieren kann“, sagte Fraktionsvizechefin Julia Verlinden. Der Verkehrsbereich hinkt seit Langem beim Klimaschutz hinterher, die Emissionen sinken nur langsam. 2021 lag er um drei Millionen Tonnen Kohlendioxid jenseits der Zielmarke, für 2022 bahnt sich eine noch größere Verfehlung an. Der BUND kritisiert dies scharf. Kanzler Olaf Scholz, Verkehrsminister Wissing, aber auch Bauministerin Klara Geywitz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schafften es nicht, „das Land auf Klima-Kurs zu bringen“, heißt es von der Organisation. Während Klimaproteste in der Öffentlichkeit kriminalisiert würden, halte sich die Regierung selbst nicht an Gesetze, sagte Arne Fellermann, Abteilungsleiter Klimaschutz in dem Verband. Das Verkehrsministerium wies die Kritik zurück. Die Lücke werde in den nächsten Jahren überkompensiert, kündigte eine Sprecherin an. Sprich: Einem Zuviel an Emissionen stünde in den nächsten Jahren eine Übererfüllung der Klimaziele gegenüber. Nur: Das Gesetz sieht derzeit keine Möglichkeit vor, den Ausgleich über Jahre zu strecken. „Wir sind sehr optimistisch, dass die Klage Erfolg hat“, sagt BUND-Anwältin Franziska Heß. „Denn das Klimaschutzgesetz lässt der Bundesregierung keinen Ermessensspielraum. Sie muss liefern.“ Käme es zu einer entsprechenden Verurteilung der Bundesregierung, eröffnete dies den Weg, auf allen Gebieten die Regierungen von Bund und Ländern zu politischen Handlungen zu zwingen. Unter dem Druck von Medien, deren Journalisten sich einer Einheits-Meinung selbstverpflichtet haben, eine mögliche Entwicklung – oder? (dts Nachrichtenagentur)
Fritz Goergen
Käme es zu einer entsprechenden Verurteilung der Bundesregierung, eröffnete dies den Weg, auf allen Gebieten die Regierungen von Bund und Ländern zu politischen Handlungen zu zwingen. Unter dem Druck von Medien, deren Journalisten sich einer Einheits-Meinung selbstverpflichtet haben, eine mögliche Entwicklung - oder?
daili-es-sentials
2023-01-24T09:45:14+00:00
2023-01-24T09:45:15+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/umweltschutzorganisation-bund-verklagt-bundesregierung/
„Faktencheck“ auf Facebook: einige sind gleicher
„Der rechte Blogger hatte uns verklagt, weil er uns unsere Faktenchecks verbieten wollte“, behauptete die Plattform „Correctiv“ im November 2019 über eine Klage von TE. Was war passiert? „Tichys Einblick“ hatte sich dagegen gewehrt, dass ein Artikel des Mediums auf Facebook von Correctiv als „teilweise falsch“ abgestempelt wurde. Die erste Runde des Verfahrens vor dem Landgericht Mannheim ging zugunsten von Correctiv aus. TE wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, was ein Medienunternehmen auf Facebook darf, in die nächste Instanz gehen. Jetzt liegt das schriftliche Urteil des Landgerichts vor. Und das enthält – obwohl die Richter nach umfangreicher Abwägung anders entschieden – eine Reihe von Feststellungen, die die Position von TE stützen. „Die Praxis bei Facebook, die zB “Correctiv” weitreichende Befugnisse der Stigmatisierung und Diskriminierung erlaubt, ist vergleichbar mit der Situation, dass ein Medium auf dem Titelblatt eines Konkurrenten einen Sticker anbringen lässt, mit dem vor der Lektüre gewarnt und dazu aufgefordert wird, stattdessen das eigene Konkurrenzmedium zu lesen. Im Printbereich wäre eine solche Praxis – etwa dass “Focus”-Mitarbeiter während der Auslieferung des „SPIEGEL“ einen “Focus”-Sticker auf dessen Titelseite aufkleben, oder umgekehrt – kaum denkbar. Im digitalen Bereich ist genau dies “Correctiv” u.a. aufgrund der Kooperation mit Facebook möglich. Damit wird der Bereich der Auseinandersetzung mit publizistischen Mitteln überschritten und man bedient sich unlauterer Geschäftspraktiken. Correctiv bedient sich dabei der strukturellen Überlegenheit eines Monopolisten, die den ‚Geprüften‘ nicht zur Verfügung steht. Die Meinung von Correctiv ist damit privilegiert. Ein Verstoß gegen Art. 5 GG und gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG.“ Correctiv wurde 2014 gegründet und mit einer Anschubfinanzierung von drei Millionen Euro ausgestattet, unter anderem von der Brost-Stiftung – geführt von dem ehemaligen SPD-Politiker und Ex-Kanzleramtschef Bodo Hombach. Außerdem erhält sie Fördergelder von der Rudolf-Augstein-Stiftung und der Open Society Foundation des Milliardärs George Soros. Als Medium arbeitet Correctiv bei bestimmten Recherchen auch mit dem ZDF zusammen. Seit 2017 kooperiert Correctiv auch mit Facebook: es versieht in dessen deutschsprachigem Teil im offiziellen Auftrag des Netzwerks Postings, die nach Ansicht der Correctiv-Mitarbeiter nicht korrekt sind oder in der politischen Ausrichtung als ungebührlich eingeordnet werden, mit dem Stempel „falsch“ beziehungsweise „teilweise falsch“. Ursprünglich hatte Correctiv-Mitgründer David Schraven behauptet: „Wir arbeiten auf Facebook, nicht für Facebook.“ Inzwischen räumt Correctiv ein, dass Facebook für die „Faktencheck“-Dienstleistung bezahlt. Bei der Gründung von Correctiv hatten Schraven und seine Mitstreiter auch völlige Transparenz versprochen; alle Geldflüsse sollten öffentlich nachprüfbar sein. Auch daran hält sich Correctiv nicht mehr. Welche Summe die Plattform von Facebook erhält, verrät sie nicht. Es gibt zwar Gründe, die gegen diese Einschätzung von Correctiv sprechen. Trotzdem hat TE nichts dagegen, siehe oben, dass Correctiv das meint, und diese Meinung auf der eigenen Webseite oder bei Facebook verbreitet. Die Faktenchecker – und dagegen richtet sich die Klage – sollen sich nur nicht ungefragt an einen Facebook-Post von TE anhängen und damit von der TE-Reichweite profitieren dürfen. Correctiv ist ein Medium, also ein Wettbewerber von TE, das aber von Facebook das Sonderrecht erhalten hat, wie eine vermeintlich neutrale, mit fast richterlichen Befugnissen ausgestattete Instanz über andere Wettbewerber zu urteilen. TE klagte deshalb also nicht gegen die Äußerung von Correctiv, sondern machte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend. Interessanterweise stellte das Landgericht Mannheim fest, der „Faktencheck“ durch Correctiv sei überwiegend „als Stellungnahme des Dafürhaltens und Meinens als wertend und daher als Meinungsäußerung anzusehen“. Correctiv selber räumte im Prozess ein, dass es sich um eine reine Wertung handele, die auch durch die Formulierung „Faktencheck“ nicht zur Tatsachenbehauptung werde. Correctiv checkte also zumindest in dem konkreten Streitfall gar keine Fakten, sondern verbreitet, privilegiert durch Facebook, seine Meinung. Die Richter urteilten außerdem, Correctiv bewege sich – da es nicht als neutraler Dritter agiere, sondern gegen Geld für Facebook – in einem „Grenzbereich“, wenn es darum gehe, andere Medien zu kritisieren. Das Gericht sieht auch durchaus einen Eingriff in die Rechte von TE – zum einen dadurch, dass sich Correctiv an die TE-Facebook-Veröffentlichungen anhängt und damit seine Meinung jedem Nutzer aufdrängt, zum anderen, weil Facebook die Reichweite des auf diese Weise stigmatisierten Posts beschränkt: „Die Klägerin wird vorliegend durch den Faktencheck in ihrem Recht aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG und als Medienunternehmen ebenso in deren Grundrechtsposition aus Art. 5 Abs. 1 GG betroffen und in ihren Werbemöglichkeiten und auch in der Reichweite ihrer Werbung eingeschränkt. Wie bereits dargelegt trifft die streitgegenständliche unmittelbare technische Verknüpfung des Ergebnisses des Faktenchecks mit dem Beitrag der Klägerin, und insbesondere im Rahmen der Einwirkung auf den zum Teilen des Beitrags bereiten Nutzer, die Klägerin in ihrer Werbung auf Facebook für ihren Artikel nicht unerheblich. Ohne Weiteres kommt damit – und es wird durch Vorlage der Ziele von Facebook auch glaubhaft gemacht, dass dies sogar Ziel des Faktenchecks sei – in Betracht, dass die Reichweite der klägerischen Werbung erheblich eingeschränkt wird.“ „Wie oben dargelegt, entspricht es legitimen, auch europarechtlich determinierten Zielen von Facebook, als Medienintermediär auf dessen Plattform die öffentliche Meinungsbildung nicht durch die Erzeugung von „Filterblasen“ zu beeinträchtigen, sondern bei Inhalten, bei denen dies möglicherweise in Betracht kommt, geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen in dem von ihr zur Verfügung gestellten öffentlichen Kommunikationsraum dagegen zu ergreifen.“ Weil Facebook praktisch ein Monopol auf dem Gebiet der sozialen Medien darstelle, bekomme ein solcher Kampf gegen „Filterblasen“ auch einen übergeordneten Stellenwert: „Dies gilt gerade weil Facebook angesichts seiner Bedeutung als jedenfalls markt- stärkstes soziales Netzwerk als zum Zweck des gegenseitigen Austausches und der Meinungsäußerung eröffnetes, nicht ohne weiteres austauschbares Medium von besonderer Bedeutung und daher nicht ohne Weiteres substituierbar ist.“ Also: Gerade weil Facebook nach Einschätzung des Bundeskartellamtes wie vieler deutscher Gerichte ein faktisches Monopol besitzt, darf es mit Hilfe eines anderen Medienunternehmens den Veröffentlichungen von dessen Wettbewerbern eine Art Prüfstempel aufdrücken, auch, wenn dadurch das Wettbewerbsrecht leidet. Die FAZ spricht in einem Beitrag zu dem Rechtsstreit deshalb mit spöttischem Unterton von „Pluralismuspflicht ohne Gesetz“. Zu einem interessanten Punkt äußert sich das Gericht nicht: Müsste es dann nicht – wenn das Ziel wirklich darin besteht, „Filterblasen“ auf Facebook zu bekämpfen – wenigstens mehrere Unternehmen von unterschiedlicher politischer Ausrichtung geben, die dort ihre Kommentare und Meinungen zu anderen verbreiten? Das Problem besteht ja nicht nur in der Machtstellung von Facebook, sondern darin, dass es keine rechtes und keinen liberales Korrektiv zu der weit links stehenden Correctiv-Plattform engagiert. Die Quintessenz des Mannheimer Urteils lautet also: eigentlich sind alle Medienunternehmen gleich – aber einige eben gleicher. Die nächste Instanz wird also gar nicht mehr entscheiden müssen, ob das privilegierte Stempelaufdrücken von Correctiv auf Facebook in das Wettbewerbsrecht eingreift. Das haben die Richter in Mannheim schon bejaht. Es geht um die Frage: Gibt es tatsächlich ein höheres Rechtsgut, das einen solchen Eingriff rechtfertigt? Wegen dieser grundlegenden Frage wird TE das Verfahren weiter führen.
Sofia Taxidis
TE klagte gegen die Plattform „Correctiv“ wegen der Verletzung des Wettbewerbsrechts. Die Richter sahen zwar eine Benachteiligung von TE – rechtfertigten sie aber mit höheren Interessen. TE wird dagegen in die nächste Instanz ziehen.
daili-es-sentials
2020-01-12T09:03:57+00:00
2020-01-12T09:34:42+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/faktencheck-auf-facebook-einige-sind-gleicher/
Blackbox KW 26 – Wenn alle (mediale) Schminke nichts mehr nutzt
Die Tagesschau will allen Ernstes – wohl als einziges Medium weltweit – ein „scharfes Wortgefecht“ zwischen Murmel-Joe Biden und Donald Trump gesehen haben. Anscheinend rauchen die in Hamburg seit der Freigabe ziemlich starkes Zeug. Nicht einmal Bidens Vize Kamala Harris mochte ein solches Gefecht erkennen und führte als Entlastungsargument für den armen Joe eine „Erkältung“ an, und Barack Obama meint lakonisch ‚Shit happens‘, wenn er es auch vornehmer ausdrückt. Die New York Times forderte sogar, der müde Joe solle, „um seinem Land zu dienen“, seinen Abschied einreichen und Platz für einen anderen Präsidentschaftskandidaten machen. Aber nicht mit Jill Biden! Die hat nämlich keine Lust, schon wieder umzuziehen. ♦ „Du hast das ganz toll gemacht“, lobte Jill deshalb ihren Joe, bevor sie ihn behutsam von der Debattenbühne führte, „du konntest alle Fragen beantworten“, und der alte Mann taperte, glücklich grinsend, hinter ihr her. Die Vorführung eines Hochbetagten als senilen Trottel vor der ganzen TV-Nation ist ein weiterer Tiefpunkt der Spezialdemokraten hüben wie drüben. Unfähige und Vergessliche hatten und haben sie genug in ihren Reihen, aber jemanden, orientierungslos wie ein Kleinkind, ohne Teleprompter und Assistenten für den eigenen Machterhalt vor erbarmungslose Kameraaugen zu schicken, hat schon eine andere Qualität. Schlimmer noch: Wer sitzt eigentlich am Atomknopf? Wirklich der demente Joe, der sagte, die einzige Existenzbedrohung für die Menschheit sei der Klimawandel? ♦ Ach, wie harmlos ist Lalaland. Chef Olaf meinte im Sommerinterview, eine Art SPD-Bürgerräte solle die Corona-Verbrechen aufarbeiten, und Fritze Merz forderte im anderen Staatsprogramm die sächsischen Wähler auf, CDU zu wählen, denn FDP, SPD und Grüne seien in Sachsen eh längst Geschichte. ♦ „Die deutsche Bahn ist so im Oasch“ singen unsere Fußballfreunde aus Österreich, und nicht nur die Bahn ist im selben, auch um die Justiz steht es nicht zum Besten. So wurde der Prozess gegen die nach Olaf Scholz zweitbekannteste Figur im bundesweiten Cum-Ex-Skandal (kriminelle Bankgeschäfte in Milliarden-Höhe), den Banker Olearius, eingestellt. Wegen Kreislauf. Oder Blutdruck. Jedenfalls ist so ein Prozess viel zu aufregend für den Angeklagten. Außerdem ist er kein Rechter, sondern hat mit Linken gedealt. ♦ Die Polizei in Bad Oeynhausen sucht „etwa zehn unbekannte, südländisch wirkende Männer“, die einen 20-Jährigen totgeschlagen haben. Den mutmaßlichen Totschläger, einen 18-jährigen Syrer, fanden sie schließlich im Archiv unter P wie „Polizeibekannte“. Die Ermordung des 20-jährigen Philippos bewegt das ganze Land, schreibt die Welt. Nur die Regierung, die bewegt das nicht. Für die furchtbare Faeser war der Totschläger „ein Geflüchteter, der seit acht Jahren in einer Flüchtlingsunterkunft lebt. Ein Jugendlicher, der gar nichts anderes kennt“, da müsse man nun in erster Linie über „nicht gelungene Integration“ reden. Wieder einmal eine so blühende wie gefährliche SPD-Phantasie. Der Syrer lebte nie im Heim, sondern bei der Clanverwandtschaft, in die er bestens integriert war. ♦ Man möge sich keine falschen Vorstellungen machen, so SPD-Kanzler Scholz, denn „ein Zurück in die gute alte Zeit, das wird es nicht geben“. Also mit ihm und den grünen Migrationsnarren jedenfalls nicht. Außerdem war „die gute alte Zeit meistens nie so gut“, wie sie immer dargestellt werde. Was allerdings an seiner Gedächtnisschwäche liegen dürfte. ♦ Fünfzig Euro Bargeld im Monat sei viel zu wenig, befand ein gewisser Dave Schmidtke, und wir wollen ihm mit Blick auf Pfandflaschen sammelnde Rentner durchaus recht geben. Nur, dass Schmidtke nicht die Rentner meint, sondern die Hereingeschneiten aus aller Welt, die zusätzlich Kost und Logis frei haben. ♦ Inzwischen haben zwei Drittel der Bürger alle Hoffnung auf Besserung der Verhältnisse aufgegeben, nur noch 25 Prozent glauben, dass der Staat mit dieser Regierung überhaupt noch irgendwas auf die Reihe kriegt. Arithmetisch passts: 14 Prozent würden im Bund laut Umfragen immer noch die SPD wählen und 11 Prozent die Grünen. ♦ Bild verbreitet die Beruhigungspille, es lebten viel weniger Menschen in Schland „als angenommen“. Und, das wird die Sozis freuen, angeblich gibt es viel mehr Wohnungen als gedacht. Das habe der Zensus ergeben. Hahaha. Seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wird nicht mal mehr der Versuch einer Volkszählung gemacht – wegen der linken Störmanöver. Den Rest an Klarheit verhindert „Datenschutz“. So ist alles nur geschätzt. ♦ Die Ukraine mache „im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, der Korruptionsbekämpfung und auch der Pressefreiheit enorme Fortschritte“, so eine grüne Staatssekretärin aus dem Baerbockschen Feministerium. Deshalb soll die Ukraine nun auch in die EU. Gut, dass die EU bei der Rechtsstaatlichkeit, der Korruptionsbekämpfung und der Pressefreiheit eher Rückschritte zu verzeichnen hat, so passt‘s dann wieder. ♦ Von daher ist es auch keine Überraschung, dass Röschen von der Leyen trotz …äh … ja gut..äh … Schwamm drüber … jedenfalls soll ihr Mandat als EU-Kommissionspräsidentin verlängert werden, und sie wurde auch sofort vom amerikanischen Forbes wieder zur „mächtigsten Frau der Welt“ erklärt. Der Preis für ihre Amtsverlängerung ist dabei so geheim wie Ursels Pfizer-Deals. Dass eine liberale estnische Regierungschefin den Posten der EU-Außenbeauftragten bekommt, und ein portugiesischer Spezialdemokrat Frühstücksdirektor wird (EU-Gipfel vorbereiten, Getränke kaltstellen, Arbeitssitzungen leiten) – so billig werden wir kaum davonkommen. ♦  Ach, wie harmlos dagegen Lubna Jaffery. Die Ministerin für Trallala in Norwegen mit spezialdemokratischen Wurzeln ließ ihre üppige Oberweite nackt und frei auf einer Trans-Veranstaltung schwingen, um sich mit irgendwas solidarisch zu zeigen. Sich nicht so ernst nehmen und einfach mal mitfeiern, schwärmt Bild. ♦ Julian Assange räumte in Saipan ein, illegal an US-Militärgeheimnisse gelangt zu sein und diese veröffentlicht zu haben. Für das Geständnis wurde er nach vielen Jahren freigelassen. Wie? Nein der Angriff auf den Strand von Sewastopol mit Clustermunition gehört nicht zu den ausgeplauderten Militärgeheimnissen, da war Assange noch in Haft und der Raketenschlag wurde, so unsere Mainstreampresse, „vermutlich von der Ukraine ausgeführt“. ♦ Unsere Annalena hat verteidigt, warum ihre Verschönerung etwa 140.000 Euro im Jahr kostet. „Weil ansonsten sieht man aus wie ein Totengräber, weil man total grau ist.“ Justiz-Buschmann, eine Frage: Darf man Baerbock nun als geschminkte Totengräberin bezeichnen? Und Frage an die Genossen: Wie kriegt ihr die Faeser so viel billiger hin? ♦ Die Presse kriegt sich gar nicht mehr ein vor Begeisterung. „20.000 Protestierende“ zögen durch die Stadt (SZ), „die Behörden rechnen insgesamt mit bis zu 100.000 Demonstrierenden“ (Zeit), und die Tagesschau sieht bereits „die wohl größte Demonstration, die Essen je gesehen hat“ anlässlich des AfD-Parteitages. CDU-Bürgermeister Birnbaum hofft mit einer Rede in die Abendnachrichten zu kommen, dito der Evonik-Vorstand Kullmann und eine Einpeitscherin der Evangelischen Kirche. Motto wohl: Hass & Hetze gegen die AfD. Oder so ähnlich. Jedenfalls sehen die linken Schlägerbanden die honorigen Reden als Freibrief für ein erneutes „Straße frei, Rotfront marschiert …“ Schönes Wochenende! Nicht genug? Lesen Sie Stephan Paetow täglich auf https://www.spaet-nachrichten.de/
Sofia Taxidis
Beim alten Joe hat Schminke nichts genützt, obwohl Geld bestimmt keine Rolle gespielt haben dürfte. Auch für unsere Annalena ist uns nichts zu teuer, damit sie im TV nicht aussieht wie ein „Totengräber“. Was kostet eigentlich ein Faeser Makeover?
kolumnen
2024-06-30T06:03:10+00:00
2024-06-30T06:13:14+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/blackbox/kw-26-geschminkt-ungeschminkt/
Ein kleiner Fall aus dem Ruhrgebiet, der die Schwächen unseres Justizsystems offenlegt
Amtsgericht Duisburg. Montag 17.3.2025. Verfahren gegen Herrn M. Anklage: „Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses“ zur Maskenbefreiung. Als stille Öffentlichkeit waren über 30 Menschen im Verhandlungsraum anwesend. Herr M. hatte zu Beginn der Coronazeit selber Maske getragen. Dann aber zeigten sich bei ihm durch die Maske verschiedene körperliche und psychische Symptome. Sein Hausarzt, der ihn seit 20 Jahren kennt und behandelt, hat ihm nach eingehender Untersuchung ein Attest zur Maskenbefreiung ausgestellt. Dieses Maskenattest hat Herr M. ohne Probleme in vielen Alltagssituationen verwendet. Im Jahr 2021 hat Herr M. mit seiner Partnerin etwas gemacht, was die Lage verändert hat. Die beiden haben Masken und Corona-Teststäbchen an verschiedene Labore geschickt, um sie auf ihre Toxizität untersuchen zu lassen. Dabei kam heraus, dass die Ausdünstungen und Inhaltsstoffe zum Teil jenseits der erlaubten Grenzwerte für Kinder liegen. Daraufhin schrieb Herr M‘s Partnerin die nordrheinwestfälische Bildungsministerin an und forderte diese aufgrund der Befundergebnisse auf, über den Einsatz von Masken und Teststäbchen in Schulen neu nachzudenken. Nachdem das Bildungsministerium mehrfach unzureichend reagiert hat, hat M’s Partnerin Strafanzeige gegen die Bildungsminsterin gestellt wegen „Kindeswohlgefährdung“. Die Polizei rief die beiden ins Präsidium zum „informellen Gespräch“ aufgrund ihrer Anzeige gegen die Bildungsministerin. Dabei riet der Polizist davon ab, Strafanzeigen gegen Politiker zu stellen. Zudem warf der Polizist Herrn M. vor, dass er nicht den Aufzug benutzt habe, also sein Gesundheitszustand doch wohl so gut sei, dass er keine Maskenbefreiung bräuchte. Der Polizist stellte Strafanzeige gegen Herrn M. wegen Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses. Wegen eines Anfangsverdachtes auf „Ausstellen unrichtiger Urkunden“ wurde zudem die Praxis des Hausarztes von Herrn M. durchsucht. Das Verfahren gegen den Hausarzt ist mittlerweile eingestellt, da der Hausarzt nur Maskenbefreiungsatteste nach eingehender medizinischer Untersuchung und ordentlicher schriftlicher Begründung ausgestellt hatte. Für den Hausarzt ist bis heute die damalige polizeiliche Praxisdurchsuchung ein Schockerlebnis. Während die Anzeige von Herrn M’s Partnerin gegen die Bildungsminsterin im Sande verlaufen ist, musste Herr M. jetzt im März 2025 selber vor Gericht antreten wegen „Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses“. Die Richterin hörte sich alles aufmerksam an und schlug am Ende Folgendes vor: Das Verfahren könnte eingestellt werden, wenn Herr M. maximal 300 Euro an eine wohltätige Organisation zahle und die Staatsanwaltschaft dem auch zustimmen würde. Die Gerichtskosten würde der Staat tragen. Die Kosten der rechtsanwaltlichen Verteidigung müsse der Angeklagte selber bezahlen. Wenn der Angeklagte sich auf diese gütliche Einigung nicht einlassen würde, müsste das Verfahren aufwendig mit vielen Zeugen weitergeführt werden mit einem ungewissen Ausgang. Herr M. stimmte dem Vorschlag zu. Er hätte zwar keinerlei Schuld auf sich geladen, aber er würde sowieso regelmäßig für Tierschutz spenden und seine Familie wären froh, wenn die Belastung dieses Strafverfahrens endlich ein Ende hätte. Auch die Staatsanwaltschaft stimmte dem Vorschlag zur Verfahrensbeendigung zu. Soweit das Verfahren, wie ich es verstanden habe. Das hinterlässt bei mir einige grundsätzliche Fragen, die mir bei immer mehr Verfahren in Deutschland kommen: Ein Polizist maßt sich als unqualifizierter Hobbiearzt ein medizinisches Urteil über eine Person an, die er medizinisch kaum kennt. Der Polizist stellt seine Diagnose über die Diagnose eines qualifizierten Fachmanns. Das ist nicht weiter schlimm. Sich selber überschätzende Menschen gibt es in allen Berufen. Es wird aber schlimm, wenn die Staatsanwaltschaft solche unqualifizierten Vorwürfe aufnimmt und dann Strafverfolgungsmaßnahmen einleitet. Ist es nicht die wichtige Aufgabe eines Staatsanwaltes, unqualifizierte Anzeigen auszusortieren und damit Bürger und das Gerichtssystem vor unausgegorenen Anzeigen zu schützen? Warum haben es unausgegorene Anzeigen in unserem Land leichter, wenn sie dem politischen Narrativ entsprechen? Und warum haben es qualifizierte Anzeigen in unserem Land schwerer, wenn sie dem politischen Narrativ widersprechen? Der Hausarzt musste eine Praxisdurchsuchung über sich ergehen lassen. Dabei ist nichts Belastendes gefunden worden. Der Staat ist also einer fälschlichen oder gar verleumderischen Beschuldigung auf den Leim gegangen. Wie wird der Hausarzt dafür entschädigt? Es kann ja nicht sein, dass Staatsorgane die Bürger ohne eigenes Risiko schikanieren dürfen und alle Kosten dafür bei dem Bürger bleiben, in diesem Falle mindestens hohe seelische Kosten. Der gütliche Einigungsvorschlag der Richterin mag ein guter Kompromiss sein, mit dem alle Seiten Leben können und irgendwie ihr Gesicht wahren. Und doch bleibt bei mir auch da ein bitterer Nachgeschmack. Wenn dem Angeklagten nichts wirklich Belastendes nachgewiesen werden kann, warum muss er dann etwas spenden? Und warum bleibt er auf seinen Anwaltskosten sitzen? Damit hat das Justizsystem durch die Hintertür „Bestrafung durch Verfahren“ eingeführt. Diese Bestrafung trifft den Angeklagten auf jeden Fall, egal wie das Verfahren ausgeht. Damit werden Strafverfahren zu einer Versuchung für Politiker, die gegenüber der Staatsanwaltschaft weisungsbefugt sind. Politische Narrative werden juristisch flankiert, indem kritische Menschen durch legale Verfahren verängstigt und schikaniert werden, obwohl die Angeklagten lediglich ihre freiheitlich-demokratischen Rechte in Anspruch nehmen. Ich selber bin kein Jurist. Vielleicht habe ich manches in dieser Kolumne juristisch nicht perfekt ausgedrückt. Aber die Rechtsprechung in einem Rechtsstaat ist einfach zu wichtig, um sie alleine den Juristen zu überlassen. Innerhalb des deutschen Justizsystems haben sich offensichtliche Unwuchten herausgebildet, die den demokratischen Diskurs und das bürgerliche Vertrauen in das Justizsystem beschädigen. Auch im Justizsystem besteht ein unbedingter Reformbedarf, wenn es noch weiterhin als Säule der deutschen Demokratie gelten möchte.
Natalie Furjan
Amtsgericht Duisburg. Montag 17.3.2025. Verfahren gegen Herrn M. Anklage: „Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses“ zur Maskenbefreiung. Als stille Öffentlichkeit waren über 30 Menschen im Verhandlungsraum anwesend. Herr M. hatte zu Beginn der Coronazeit selber Maske getragen. Dann aber zeigten sich bei ihm durch die Maske verschiedene körperliche und psychische Symptome. Sein Hausarzt, der ihn seit 20
kolumnen
2025-03-22T18:05:31+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/vorwort-zum-sonntag/ein-kleiner-fall-aus-dem-ruhrgebiet/
Asyl-Halbzeit 2024: Deutschland bleibt Zielland Nummer 1 – andere Länder holen auf
Die Migrationslage in der EU entspannt sich keineswegs. Belgien hat letztes Jahr die Unterbringung allein reisender Männer eingestellt. Irland klagt über hohe Zuwanderung via Großbritannien, Bremen über kriminelle Maghrebiner, die aus Frankreich und Belgien einreisen. Zypern erlebte seine Krise der „kleinen Boote“ (aus dem Libanon), auf den Kanaren setzt sich die illegale Einwanderung aus Westafrika ungebremst fort. Und irgendwie schaffen es noch immer Zehntausende Syrer und Afghanen bis nach Deutschland. Laut dem dänischen Ausländerminister Kaare Dybvad Bek liegt die Zahl der illegalen Einreisen in die EU derzeit höher als 2015. In einem Brief aus dem Juni zeigte sich Ursula von der Leyen interessiert an Offshore-Lösungen. Zwei Nachrichten schienen in den letzten Tagen in grundverschiedene Richtungen zu weisen und taten es doch nicht. Die Tagesschau vermeldete, dass die in Deutschland gestellten Asylanträge in diesem ersten Halbjahr 2024 deutlich zurückgegangen seien. Man nimmt hier mit den „vertraulichen“ Zahlen von der EU-Asylagentur (EUAA) vorlieb, die von 115.682 Asylanträgen spricht. Tatsächlich waren es aber gemäß Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 132.201 Asylanträge in sechs Monaten, davon 121.416 Erstanträge. Die EU-Zahlen, die auch die Welt am Sonntag zitiert, sind also nicht so sehr „vertraulich“, sondern in Bezug auf Deutschland unvollständig. Die andere Nachricht steht gar nicht so sehr im Widerspruch zur ersten: Deutschland bleibt weiterhin „Spitzenreiter in der EU“, was die Zahl der Asylanträge angeht. Durchschnittlich 22.000 Anträge pro Monat wurden gestellt. Aufs Jahr hochgerechnet ergäbe das 264.000 Asylanträge, also immer noch mehr als in jedem Jahr von 2017 bis 2022. Da kann auch der leichte Rückgang (minus 17,5 Prozent) gegenüber dem Jahr 2023 kaum trösten. Deutschland steckt längst in einer neuen Migrationskrise beziehungsweise in der neuesten Verschärfung der seit 2015 altgewohnten, alljährlich sich wiederholenden Dauerkrise. Schaut man sich die Kurven der letzten fünf Jahre an, dann sieht man, dass das aktuelle Jahr zwar unter 2023 liegt und bisher eine ähnliche Tendenz wie dieses zeigt (gebremster Abwärtstrend in der ersten Jahreshälfte), dass aber beide Jahrgänge klar über den Zahlen der früheren Jahre (hier 2020 bis 2022) liegen. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr – laut EUAA – 499.470 Asylanträge in der EU gestellt, was nur einem Rückgang von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Das bedeutet, was Deutschland an Aufnahmen vermied, nahmen andere EU-Staaten hin. Deutschland bleibt aber Zielland Nummer ein, übrigens auch bei den Sekundärmigranten, die sich irgendwann aus Polen, Griechenland oder Spanien aufmachen, nach Deutschland weiterreisen und häufig wieder einen Asylantrag stellen. Alles das widerspricht dem EU-Recht, die Zuwanderer wurden häufig im Erstaufnahmeland registriert – wie jüngst eine fünfköpfige afghanische Familie aus Polen – oder besitzen gar einen Schutzstatus dort wie viele Afghanen aus Griechenland. Die meisten Asylanträge in Deutschland im ersten Halbjahr 2024 stammen noch immer von den allgegenwärtigen Syrern (29 Prozent), Afghanen (18 Prozent) und neuerdings Türken (zehn Prozent). Die Hälfte aller Asylbewerber kamen damit aus Syrien und Afghanistan. Etwa gleich blieben die Asylzahlen in Spanien (plus ein Prozent). Dennoch bleibt Spanien mit 87.700 Anträgen auf einem eher hohen Niveau im EU-Vergleich, das waren 180 Anträge pro 100.000 Einwohner. Steigerungen der Asylanträge gab es derweil in Italien (plus 32 Prozent; 81.108 Schutzbegehren = 138 pro 100.000 Einwohner) und noch mehr in Griechenland (plus 77 Prozent; 29.776 = 284 pro 100.000 Einwohner). Das ist ein negativer Spitzenwert unter den hier ausgewerteten Zahlen. Auch politisch lässt sich sagen: Die Mitte-rechts-Regierung von Kyriakos Mitsotakis zehrt ihr Grenzschützer-Image allmählich auf. Mitsotakis zeigt sich inzwischen offen für eine gewisse Zahl an Asylanträgen, die später zu dauerhafter Residenz im Zielland und Bevölkerungsvermehrung führen sollen. Auch in Griechenland wurden hunderttausende Illegale legalisiert. Ob sie letztlich in dem Land bleiben werden, ist angesichts der Freizügigkeit im Schengenraum eine ganz andere Frage. Im Vergleich dazu sank die Zahl der französischen Anträge (minus sechs Prozent; 77.474 = 113 pro 100.000 Einwohner). In Deutschland waren es übrigens 156 Asylanträge pro 100.000 Einwohner. Auch das ist nicht wenig. Ungarn nahm insgesamt nur 13 Asylanträge in diesem Jahr entgegen, die Slowakei 79 und Malta immer noch sehr schlappe 234. Diese Zahlen zeigen, dass man die Flut der Anträge bremsen, ja stoppen könnte, wenn man es wollte. In Österreich und Bulgarien gingen die Asylanträge deutlich um 41 und 39 Prozent zurück. In Österreich müssten es ungefähr 14.000 Anträge im halben Jahr gewesen sein (Statistik zum Juni liegt noch nicht vor). Daraus ergibt sich eine ähnliche relative Antragszahl wie in Deutschland, nämlich 154 Anträge pro 100.000 Einwohner. Als aktuelle Krisenhotspots laut EUAA gelten: zum einen die Grenze zwischen Weißrussland und Polen, wo sich inzwischen „Migranten aus der Subsahara“ oder von anderswo bemerkbar machen, die per Touristen- oder Studentenvisum nach Russland gereist seien. Von dort geht es dann illegal nach Weißrussland und dann über die Grenze nach Polen. 90 Prozent der Fälle sollen in dieser Weise über Russland gereist sein. Die Gesamtzahlen dieser Ostroute sind gleichwohl noch recht klein und tragen kaum etwas zum Asylaufkommen in der EU bei. Frontex berichtet von unter 1.000 illegalen Einreisen monatlich von Januar bis Mai. Eher ist von einem weiteren Arm der Balkanroute zu sprechen, der sich über Polen an die deutsche Grenze ansaugt. Aber die Einstufung als „hybrider Angriff“ ist es, die den Einreisen über Weißrussland eine gewisse Prominenz gibt. Außerdem ist die Zusammenarbeit mit der polnischen Grenzpolizei sehr zurückhaltend. Kontakt gibt es da kaum. Gemeinsame Streifen gibt es zwar, aber Ergebnisse sind nicht bekannt. Oft werden Migranten mehrfach an der deutschen Grenze aufgegriffen und müssen erneut zurückgeschoben werden. Aber so bleiben diese Zurückweisungen wirkungslos, wenn niemand auf der anderen Seite der Grenze ist, der sicherstellt, dass eine Zurückschiebung auch in Polen Konsequenzen hat. Anscheinend sind die beiden EU-Länder nicht daran interessiert, hier für eine Art integrierte Sicherheit zu sorgen, indem zurückgeschobene Migranten auch wirklich im Rückwärtsgang bleiben und letztlich nach außerhalb der EU abgeschoben werden. Die Krisen der EU-Asylagentur sind also nicht unbedingt die realen Krisen des EU-Grenzschutzes und Asylsystems. Auf den Kanaren gab es eine Vervierfachung der illegalen Einreisen gegenüber dem Vorjahr, im östlichen Mittelmeer (Bulgarien, Griechenland, Zypern) gab es hier eine Verdoppelung. Es geht dabei jeweils um Zehntausende illegale Einreisen. Der zweite Krisenfall aus Sicht der EU ist die Republik Irland, die von einer starken Zuwanderung über Großbritannien berichtet, seit es dort Gerüchte über eine Ruanda-Lösung gab. Das ist nun schon wieder Schnee von gestern. Sir Keir Starmer hat das Flaggschiff-Projekt seines Vorgängers in Sachen Bekämpfung der illegalen Migration versenkt. Labour will die illegalen Einreisen angeblich auf anderem Wege – vor allem polizeilich – bekämpfen. Zunächst hat man aber die Asylanträge nach illegalem Grenzübertritt wieder ermöglicht, die von den Konservativen de facto verboten worden waren. Also könnte sich vielleicht auch die irische Krise bald wieder lösen. In Irland gab es 10.596 Asylanträge in der ersten Jahreshälfte, was eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr darstellt. Immerhin, da zeigte der nun beendete Ruanda-Plan der Konservativen und ihre Selbstverpflichtung, illegale Einwanderer abzuschieben, noch Wirkung. Und was den Ursula-von-der-Leyen-Satz angeht, die Idee, „Asylanträge weiter von der EU-Außengrenze entfernt zu bearbeiten“, verdiene „sicherlich unsere Aufmerksamkeit“, liegt seine Verwirklichung sicher noch in weiter Ferne.
Matthias Nikolaidis
Asylanträge gehen zurück – aber sie liegen höher als von 2017 bis 2022. Deutschland bleibt häufigstes Zielland, aber auch die Südländer haben hohe Zahlen. An der Grenze im Osten klappen Zurückweisungen der Bundespolizei nicht immer. Es hakt an der Zusammenarbeit mit Polen.
daili-es-sentials
2024-07-10T09:43:22+00:00
2024-07-10T09:55:37+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/asyl-zahlen-2024-deutschland-zielland-nummer-eins/
DER SPIEGEL Nr. 3 - „Staatsohnmacht"
Es gibt einen Grund, den SPIEGEL in dieser Woche zu lesen: Der Gastbeitrag „Ein Karneval der Underdogs“ des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek mit einer fesselnden Sicht auf die Geschehnisse in Köln. Dahinter verblassen die Berichte und Meinungsartikel, die sich von der allgemeinen Hysterie anstecken lassen und den Blick für die Essenz verlieren. Den Titel könnte man als das richtige Thema zur richtigen Zeit ansehen. Nur ist die Redaktion in eine Falle gegangen, indem sie die fehlende Wehrhaftigkeit der Ordnungskräfte Polizei und Justiz auf die jüngsten Ereignisse fokussiert und damit eng mit der Flüchtlingskrise verschmolzen wird. Und dann gibt es noch einen weiteren Schuldigen für die Misere: laut Dirk Kurbjuweit in seinem Leitartikel das „neoliberale Denken“, wodurch dem Staat das Geld für seine Wehrhaftigkeit vorenthalten werde. Wo ist der Fingerzeig auf das linkspopulistische Denken und die davon instrumentalisierten Medien, die bisher jeden größeren Polizeieinsatz skandalisierten, aufjaulten über das ihrer Meinung nach einschüchternde Verhalten der Sicherheitskräfte? Auf PR-Unterstützergruppen, die die Kameras öffentlich-rechtlicher Sendungen in Stellung brachten, wenn mal wieder abgeschoben werden sollte? Ich lese nicht, dass die personellen und technischen Mittel fehlen, um die Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte aufzuklären. Ich lese nicht, dass in ländlichen Kommunen nachts und am Wochenende schon seit langer Zeit die nächste diensthabende Polizeidienststelle bis zu einer halben Stunde Autofahrt entfernt liegt. Ich lese nichts über Bürgerwehren, die sich nicht erst jetzt formen, sondern in ländlichen Gebieten schon seit längerem Alltag sind, weil zu wenige Polizeibeamte für eine zu große Region verantwortlich sind und sich die Menschen ungeschützt fühlen. Jetzt, wo man die Flüchtlinge verantwortlich machen kann, da sind die Defizite plötzlich Thema für die SPIEGEL-Redaktion. Das ist Populismus. Und was ist die Quintessenz der Titelgeschichte? Muss man nur den Geldhahn weiter aufdrehen? Mehr Beamte einstellen, nicht bei Integrationsmaßnahmen knausern? Und dann wird schon alles gut werden? Dass daneben Intelligenz und Findigkeit eine Rolle spielen, wird nur en passant erwähnt. Ich hätte gerne mehr über Menschen wie den Richter Johann Krieten erfahren oder Elke Bartels, die Polizeipräsidentin von Duisburg, die mit ihrer Null-Toleranz-Strategie in den Problemgegenden im Duisburger Norden mit Erfolg das Entstehen rechtsfreier Räume unterband und die Polizei zu einer respektierten Größe machte. Spannend und dringend zur Lektüre empfohlen sei auch der der Forschungskrimi „Liebe Grüße, Dein Ulrich“ von Laura Höflinger aus dem Innenleben des Leipziger Fraunhofer Instituts. Verzichtbar sind die Ausführungen von Alexander Jung mit „Ende eines Zeitalters“ zum Untergang des Erdöls als Wirtschaftsfaktor. Zum Schluss: Einen Blick hinter die Kulissen unseres Nachbarlands Polen lohnt der Essay „Polens Direktor“. Die These: Die Eroberung der Macht ist Jarosław Kaczyński nicht das Mittel zur Umsetzung seiner Politik, sondern das Ziel an sich. Autor des Psychogramms ist der in Sydney und Warschau lehrende Staatsrechtler Wojciech Sadurski.
Es gibt einen Grund, den SPIEGEL in dieser Woche zu lesen: Der Gastbeitrag „Ein Karneval der Underdogs“ des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek mit einer fesselnden Sicht auf die Geschehnisse in Köln. Dahinter verblassen die Berichte und Meinungsartikel, die sich von der allgemeinen Hysterie anstecken lassen und den Blick für die Essenz verlieren. Den Titel könnte
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2016-01-17T18:02:57+00:00
2016-01-17T20:31:43+00:00
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Eine neue Friedensallianz? Papst Franziskus in Ungarn
Als am Freitagvormittag der päpstliche Flieger auf dem Flughafen Budapest aufsetzte, war die Spannung mit Händen zu greifen. Das ganze Land war im Papstfieber, die vielen Programmpunkte des Papstes wurden während der Reise von einer großen Anzahl von Gläubigen verfolgt und nachgerade verwunderlich mutet an, dass auch linke Politiker der Opposition Gefallen am Pontifex maximus gefunden haben. Dieser Besuch von Franziskus war seine zweite Reise nach Ungarn, aber bereits die dritte Zusammenkunft des Papstes mit den ungarischen Gläubigen. Während er im Juni 2019 auf der traditionellen Wallfahrt ungarischer Pilger im siebenbürgischen Schomlenberg bei Szeklerburg (Rumänien) die Abschlussmesse zelebrierte, war er anlässlich des Eucharistischen Kongresses im September 2021 nur für einige Stunden in Budapest, was damals für einige Missverständnisse sorgte. Umso mehr kann sein Besuch im April 2023 als ein Hochamt für alle Ungarn verstanden werden, denn das Land, seine Geschichte und sein Geistesleben standen nunmehr unmittelbar im Mittelpunkt. Dabei machte der Papst einige bemerkenswerte Aussagen, die von seiner Tiefenkenntnis der ungarischen Geschichte und Gesellschaft zeugen. Anders, als vermutet ist Ungarn allerdings kein rein katholisches Land. Dem Katholizismus kommt nicht der hohe Stellenwert zu, als etwa in Österreich, Polen oder Kroatien. Begründet liegt dies in der wechselvollen Geschichte des Landes, in der die Reformation eine wichtige Rolle spielte. Ungarn wurde als Kernland der Reformation wahrgenommen, während der Zeit der türkischen Besatzung galt das Fürstentum Siebenbürgen und die dort besonders stark ausgeprägte Reformation als Unterpfand der ungarischen Staatlichkeit. Noch heute sind im Land neben 37% Katholiken etwa 12% Calvinisten, allen voran die politische Führung des Landes. Neben Ministerpräsident Viktor Orbán gehören auch Staatspräsidenten Katalin Novák, Parlamentspräsident László Köver, Kanzleramtsminister Gergely Gulyás und viele weitere führende Politiker diesem Glauben an. Umso bemerkenswerter ist, dass der würdevolle und symbolbehaftete Besuch von Papst Franziskus einen derart enormen Anklang fand. Beim militärisch-zeremoniellen Empfang des Papstes durch die Verfassungsorgane war die gesamte Führung des Landes vertreten. Auch im späteren begleitet die Staatspräsidentin den Gast aus dem Vatikan – für Katalin Novák als gläubige Calvinistin eine Selbstverständlichkeit. Im Vorfeld der päpstlichen Visite wurde von der ungarischen Regierung immer wieder eine möglichst rasche Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen im Ukrainekrieg angemahnt. Das Land ist gegen Waffenlieferungen, da diese nur den Krieg und das Leid der Zivilbevölkerung prolongierten, so das Argument der Ungarn. Mit dieser Position ist das Land in Europa, nicht aber in der Welt, relativ allein. Nur der Vatikan steht auf demselben Standpunkt. Umso mehr war im Vorfeld der Papstreise die Vermutung geäußert worden, es könnten neue Impulse für Friedensinitiativen gesetzt werden. Ebenso wurde im Regierungslager antizipiert, der Papst könnte ein Bekenntnis zur markanten Familien- und Gesellschaftspolitik der Ungarn ablegen, die im europaweiten Vergleich als besonders konservativ und werteorientiert gilt. Das Land sieht sich als bewussten Gegenentwurf zur linken und woken Identitäts- und Gesellschaftspolitik und stellt die Förderung von jungen Familien in den Mittelpunkt. Es schafft auch Bezugspunkte für eine Selbstbehauptung des Landes in demographischer, kultureller, religiöser, aber auch wirtschaftlicher und geopolitischer Hinsicht. Im Oppositionslager hingegen wurde spekuliert, der Papst würde womöglich einige kritische Aussagen zur ungarischen Migrationspolitik machen. Das Programm des Staatsgastes spiegelt die facettenreiche Bild des Landes wider. Immer wieder betonte der Papst die multireligiöse und vielfältige Zusammensetzung des Landes. Nach dem staatlichen Zeremoniell und den Vieraugengesprächen mit Staatspräsidentin Novák und Ministerpräsident Orbán wandte sich das Kirchenoberhaupt mit einer fast halbstündigen Rede an die Amtsträger des ungarischen Staates. Er traf am Freitagabend in der St. Stephans Basilika die ungarische Geistlichkeit, besuchte eine Blindenanstalt, traf Arme und Flüchtlinge und besuchte die in Ungarn traditionell verbreitete griechisch-katholische Kirche. Ebenso kam er mit Jugendlichen zusammen und mit den Vertretern von Wissenschaft und Forschung. Zudem empfing er den grünen Oberbürgermeister von Budapest, Gergely Karácsony. Auch traf er sich mit Hilarion Alfejew, dem Metropoliten der russisch-orthodoxen Kirche in Ungarn und vormaliger Außenamtschef des Patriarchats von Moskau. Insbesondere diese, von der europäischen Öffentlichkeit kaum beachtete, Begegnung bestätigt den Eindruck, der Papst verfolge eine intensive Friedensdiplomatie. Den Höhepunkt seiner Reise bildete die unter dem freien Himmel zelebrierte Heilige Messe auf dem Kossuth-Platz vor dem ungarischen Parlamentsgebäude, dem Hauptplatz der Nation. Die unter strahlendem Frühlingswetter abgehaltene Messe lockte mehrere Zehntausende Menschen an und wurde neben der Staatspräsidentin und dem Ministerpräsidenten von vielen ranghohen Vertretern aus Politik, Diplomatie, Verwaltung und Gesellschaft verfolgt. In seiner Rede vor den Amtsträgern bekräftigte der Papst sein Bekenntnis zum Glauben und hob die Besonderheiten von Ungarn hervor. Er ermunterte die Ungarn, die Gegenwart und die Zukunft aktiv zu gestalten und in Europa mitzutun. Budapest mit seinen vielen Brücken symbolisiere ein Europa, das aus seiner Vielfalt heraus lebendig sei, „Europa braucht den Beitrag aller seiner Völker, ohne dass die Einzigartigkeit auch nur eines Volkes in Mitleidenschaft gerät“, so Franziskus. Dabei zitierte er unerwartet das ungarische Grundgesetz, wonach „die individuelle Freiheit sich nur im Zusammenwirken mit anderen entfalten kann“ oder aber nach dem die ungarische „Nationalkultur einen reichhaltigen Beitrag zur Vielfalt der europäischen Einheit darstellt“. Nochmals unterstrich er den Wert der Freiheit, für die die Ungarn so oft kämpfen. In seinen Worten lobte er ausdrücklich die ungarische „Geburts- und Familienpolitik“ und geißelte die Genderideologie als „ideologische Kolonisierung“, die die Unterschiede ausmerze und das Leben der Völker ignoriere. Europa verglich er mit der Budapester Kettenbrücke, denn der Kontinent könne seine Stabilität nur aus den konstituierenden Elementen ableiten. Hierbei sei der christliche Glaube unerlässlich und Ungarn könne ein „Brückenbauer werden, seinen besonderen ökumenischen Charakter ausnutzend“, so das Kirchenoberhaupt. In Ungarn lebten nämlich viele Konfessionen respektvoll, konstruktiv und ohne Animositäten zusammen. Dabei erwähnte der Papst auch die einmalig große jüdische Gemeinde, die vielen verschiedenen in Ungarn lebenden Volksgruppen (insgesamt sind es 13 Nationalitäten), aber auch die oft vom westlichen Ausland vergessenen Auslandsungarn jenseits der Landesgrenzen, insbesondere in den an Ungarn grenzenden Ländern. Er sprach zudem seinen Dank für das Programm der ungarischen Regierung für die Hilfe von verfolgten Christen (Hungary Helps) aus, aber auch für die menschliche Aufnahme der aus der Ukraine geflohenen Kriegsflüchtlingen durch die Ungarn. Im letzten Teil seiner Rede zitierte er die Ermahnungen des Heiligen Stephan an seinen Sohn Emmerich, Fremden offenherzig zu begegnen, denn sie würden das Land reicher machen. Hierbei unterstrich er die Relevanz dieser Frage für die Christenmenschen, nichts anders als der Heilige Stephan würde auch heute gelten. Die zentrale Botschaft war aber eindeutig das Bekenntnis zum Frieden. Der Heilige Vater tadelte den „kriegerischen Infantilismus“ und bezichtigte die Politik, die Schrecken des Krieges vergessen zu haben, stattdessen Emotionen anzuheizen, aber nicht Probleme lösen zu wollen. Die Botschaft der Heiligen Messe war eine ähnliche: Krippen, nicht Särge seien notwendig und eine Politik der offenen Türen. Wieder einmal betont der Pontifex maximus das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Konfessionen in Ungarn. Der Papstbesuch war in organisatorischer Hinsicht eine Meisterleistung. Ganz Ungarn fieberte dem Besuch entgegen und die Budapester ließen sich die vielen Straßensperrungen gefallen – diese waren ja für den guten, heiligen Zweck. Doch auch in inhaltlicher Hinsicht konnte der Besuch von Franziskus überzeugen, denn die Visite vereinte die Ungarn im In- und Ausland. Insbesondere die freundliche, verbindliche, authentische Rolle der jungen Staatspräsidentin wird auch im Ausland als Bereicherung wahrgenommen. Regierung wie Opposition verband das Bestreben, den hohen Besucher mit Würde zu empfangen. Dabei achteten aber beide Seiten auf die ihnen genehmen Botschaften des Heiligen Vaters. Nichtsdestotrotz konnte die Regierung um Ministerpräsident Viktor Orbán international wichtige Punkte machen. In den relevanten Fragen von Familie und Gesellschaft zeigt sich einige große Einigkeit mit Papst Franziskus, der ferner über das erwartbare Maß hinaus die Vielfalt, den Freiheitsgeist und die Brückenfunktion von Ungarn in das Schaufenster stellte. Ebenso sind Friedensappel und Friedensinitiativen des Papstes bemerkenswert, denn damit zeigt sich eine große Übereinstimmung mit der Politik und dem Verständnis des in Europa völlig zu Unrecht als isoliert geltenden Landes, welches aber international wohl eher der Mehrzahl der Länder angehört. Dass dieser Aufruf ausgerechnet in Budapest erfolgte und auch noch durch den Heiligen Vater, sollte einige Kritiker doch zu denken geben. Ein Europa in Vielfalt, mit vielen verschiedenen Meinungen, die aber am Ende doch zu einem Miteinander in Frieden zusammenkommen müssen – auch das ist die Frohe Kunde vom Papstbesuch in der ungarischen Kapitale. Autor Bence Bauer ist Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusammenarbeit am Mathias Corvinus Collegium in Budapest/Ungarn.
Fritz Goergen
Der mit Spannung erwartete dreitägige Papstbesuch vom 28.-30. April 2023 dürfte als diplomatische, geistige und geistliche Bestätigung der Ungarn verstanden werden. Der Heilige Vater betonte den wichtigen Beitrag von Ungarn für Europa und setzte wichtige Wegmarken. Eine Nachbetrachtung von Bence Bauer
kolumnen
2023-05-01T11:49:37+00:00
2023-05-01T11:49:38+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/papst-franziskus-ungarn/
Zentralkomitee der Katholiken macht Parteipolitik
Wie bedankt man sich für ein Bundesverdienstkreuz erster Klasse? Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken jedenfalls bekam seines im Mai diesen Jahres und gab nun der Osnabrücker Zeitung ein viel beachtetes Interview, in dessen Verlauf er die AfD „rechtsradikal“ nennt. Thomas Sternberg heißt der Mann. Er ist CDU Mitglied und sein katholischer Verein nimmt für sich in Anspruch, als Zentralkomitee für etwas mehr als 20 Millionen Katholiken zu sprechen. Zunächst erinnert Sternberg daran, dass die NPD schon einmal im sächsischen Landtag saß mit über 14 Prozent der Stimmen. Die seien nun weg, weil, so Sternberg, „ ein demokratischer Staat das in den Griff bekomm(t).“ Aber Sternberg hat auch eigene Lösungsansätze. Für ihn lautet Ansatz Nummer eins „eine solide Politik mit transparenten Informationen“. Diese sollte beispielweise die „angebliche riesige Gruppe von Straftätern unter den Flüchtlingen“ als Lüge dechiffrieren. Denn, so Sternberg: „Diese Information stimmt einfach nicht. Im Jahr 2017 ist der Anteil von ausländischen Straftätern zurückgegangen.“ Der Präsident des Zentralrates der Katoliken beruft sich damit also im Herbst 2018 auf eine Kriminalstatistik, die mittlerweile allerdings längst auch von vielen Leitmedien ganz anders gelesen wird, wenn in bestimmten Deliktgruppen Asylbewerber, Geduldete, „unerlaubt Aufhältige“, subsidiär Geschützte und Kontingentflüchtlinge deutlich häufiger als Täter anzutreffen sind. Diese Deliktgruppen sind beispielsweise Taschendiebstahl, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, gefährliche und schwere Körperverletzung, Raubdelikte und Wohnungseinbruchsdiebstähle. Gerade in Anbetracht der Opfer, die hier insbesondere Frauen, Minderjährige und Alte sind, muss man sich schon fragen, wie abgebrüht das eigentlich ist, was Sternberg da als Falschinformation in den Raum stellt. Für den frischgebackenen Bundesverdienstkreuzträger keine Sache. Verliehen wurde es ihm übrigens direkt aus den Händen des Ministerpräsidenten Armin Laschet. Der ist selbst ein engagierter Kämpfer gegen das rechtsradikale AfD-Böse und sagte in seiner Laudatio auf Sternberg: „Die Verdienste und die Vielfalt, die wir heute würdigen, haben ja sonst in einem Menschen gar nicht genug Platz. Es sei denn, er heißt Thomas Sternberg.“ Nun kommt Sternberg seinem Parteikollegen Laschet nicht nur in dieser Sache entgegen. Wo Laschet in seinem Bundesland bei der feierlichen Eröffnung der neuen DITIB-Moschee in Aachen verkündete: „Islam gehört zu NRW“, lehnt sich Sternberg auch hier gerne daran an, wenn er im Interview weiter sagt: „Auch der Islam ist nicht das Problem. Wir sollten aus dem Ende von Weimar gelernt haben: Es ist brandgefährlich, eine Religion für alle Probleme in der Gesellschaft verantwortlich zu machen.“ Nun scheut sich Sternberg in besagtem Interview mit der Osnabrücker Zeitung nicht, auch die Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffe durch zehntausende katholische Würdenträger weltweit zu besprechen. Zunächst ist ihm allerdings wichtig, in der Sache einen persönlichen Eindruck mitzuteilen, der besagt, er glaube, „dass Gegner des Papstes den Umgang mit dem Missbrauchsskandal in den USA ausnutzen.“ Das findet er infam, wenn damit das Ansehen des Papstes geschädigt und zerstört werden soll. Das Erstaunliche an diesem Interview ist tatsächlich diese Aufeinanderfolge einer doch ziemlich lässig vorgetragenen Diskreditierung, einer Diffamierung einer demokratisch gewählten deutschen Partei und gleich darauf die engagierte wie vehemente Verteidigung einer Institution, die jahrzehntelang (streng genommen Jahrhunderte lang) erfolgreich die massenhafte Vergewaltigung von vorwiegend kleinen Jungen gefördert, geschützt und erfolgreich vor Strafverfolgung verschleiert hat. Besonders kurios wird es dann, wenn Sternberg zu Beginn seines Interviews Alexander Gauland vorwirft, der hätte diese oder jene Aussage getroffen und wenn Sternberg daraus den rechtsradikalen Charakter von Parteichef und Partei abliest. Dann aber, wenn es um seinen Papst geht, für sich in Anspruch nimmt, dessen Aussage, „man könne homosexuelle Kinder in der Psychiatrie behandeln“ sei eben „einer dieser zu schnell dahingesagten Sätze bei einer Pressekonferenz im Flugzeug, die dann in der Welt sind. Daraus Homophobie zu konstruieren, halte ich für absurd.“ Was für eine schreckliche Bigotterie aber ist das eigentlich noch dazu vom Präsidenten des Zentralrates der Katholiken vorgetragen? Die Osnabrücker Zeitung fragt zu Recht nach: „Eröffnen nicht gerade unbedachte Sätze einen Einblick in die Gedankenwelt eines Menschen und auch der Kirche?“ Wir wissen nicht, ob Thomas Sternberg wirklich verstanden hat, was der Interviewer ihm hier serviert, jedenfalls gibt er den Unbedarften und empfiehlt den Lesern der Zeitung „die Lektüre des apostolischen Schreibens Evangelii Gaudium oder der wunderbaren Schrift Amoris Laetitia.“ Letztere ist laut Papst Franziskus „ein Geschenk für Ehepaare und Familien.“ Und da staunt man dann schon ein bisschen, wenn man sich einliest. Denn was Franziskus da über Gesellschaft und Familie schreibt, liest sich streckenweise, wie die Blaupause für das Parteiprogramm der AfD Stichwort „Familienpolitik.“
Sofia Taxidis
Geht es um Papst Franziskus präsentiert Katholiken-ZK-Präsident Sternberg auch eine schreckliche Bigotterie.
kolumnen
2018-09-24T14:27:43+00:00
2018-09-24T14:29:22+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/alexander-wallasch-heute/zentralkomitee-der-katholiken-macht-parteipolitik/
Erbschaftssteuer oder Arbeitsplätze?
„Hier kocht der Chef persönlich.“ Das war war früher das Qualitätsversprechen von Dorfgasthäusern. Im Bundesfinanzministerium kocht auch noch der Chef persönlich, wenn er nicht gerade beim Griechen abserviert. Und kalt abserviert hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble letzte Woche auch die Sous-Chefs in seinem Ministerium in Sachen Erbschaftssteuerreform für Unternehmen. Das zeigt mehrerlei – so ganz im Griff hat Wolfgang Schäuble seinen Laden nicht mehr – die Belastungen der Griechenlandkrise führen dazu, dass er kleinere Themen schleifen lassen (muss): Das auf Staatssekretärsebene entwickelte Besteuerungsvorhaben entspricht nicht den Vorstellungen der CDU – kein Wunder, Staatssekretär Werner Gatzer ist SPD-Mitglied und seine Karriere erreichte unter Peer Steinbrück ihren vorläufigen Höhepunkt. Schäuble hat also den SPD-Entwruf erstmal kassiert und diskutiert jetzt mit Famillienunternehmern, DIHK und anderen eine neue Lösung. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Reform bestellt und will, dass ab 2016  auch die Betriebsvermögen von Unternehmen verschärft zur Erbschaftssteuer herangezogen werden. Bislang ist das für den Betrieb notwendige Vermögen gegenüber dem reinen Privatvermögen gegenüber privilegiert – weil so Arbeitsplätze erhalten bleiben sollen. Das ist auch die Bedingung für die Sonderreglung – kein Arbeitsplatzabbau in 5 oder 7 Jahren. Schäuble wollte einen „minimal-invasiven Eingriff“.  Einen Gesetzentwurf dazu haben die Beamten vorgelegt, der aber eine massive Operation am herzen der Wirtschaft darstellen würde – aber Schäuble will, dass er in allen kritischen Punkten neu gewürzt und abgeschmeckt wird. Dabei geht es nicht so sehr um Geld: Die Erbschaftssteuer macht nur ein Prozent am gesamten Steueraufkommen aus. Und trotzdem ist es für Arbeitsplätze und Wirtschaftsstruktur entscheidend, was hier passiert. Statt im Frühjahr soll er frühestens im Herbst auf den Kabinettstisch kommen – möglichst entschärft. Denn das Problem ist nicht ohne: Aktiengesellschaften ist es völlig wurscht, wie ihre Besitzer, die Aktionäre, besteuert werden. Bei Familienunternehmern geht es um die Existenz: Im Erbfall und bei Kindern und Ehepartnern, die die Begünstigten wären,  sind ohne Ausnahmeregelung 30 Prozent Steuer fällig; bei entfernteren Verwandtschaftsgraden bis zu 70%. Das würde dazu führen, dass in den nächsten Jahren tausende Unternehmen nicht mehr fortgeführt werden könnten. Viele Unternehmenserben müssten einfach aufgeben und verkaufen. Denn ein Drittel Steuern auf Hallen, Lieferautos, Maschinen, Patente und was sonst noch alles ein Unternehmen ausmacht – so viel Bargeld hat kein Unternehmen flüssig in der Kasse. Es ist eine Substanzsteuer – sie kann nicht aus dem gewinn bezahlt werden, sondern geht auf die Knochen. Selbst wenn dann die Erben nicht notgedrungen an Banken, Heuschrecken-Fonds oder große Konkurrenten verkaufen und doch irgendwie weitermachen, müssten sie Kredite für die Finanzamtsschulden aufnehmen. Ihre Substanz wäre geschwächt, Investitionen über Jahre unmöglich. Nun kann einem das auf den ersten Blick auch gleichgültig sein. Allerdings würde sich die Wirtschaftsstruktur dramatisch ändern: Deutschland ist geprägt von kleinen bis riesengroßen Familienunternehmen, die meist regional gebunden sind. Die in frage stehenden Unternehmen – die ganz kleinen ausgenommen – stehen für rund 38 Prozent der Beschäftigten in deutschen Familienunternehmen und 58 Prozent ihrer Umsätze; das entspricht 7,6 Millionen Arbeitnehmern. Das entscheidende ist die Grenze, ab der zukünftig geprüft werden soll, ob es zum Erhalt der Unternehmen eine „Bedürfnisprüfung“ gibt. Die SPD-Truppe im Finanzministerium setzte diese Grenze vergleichsweise niedrig an, nämlich bei einem Betriebsvermögen von 20 Millionen Euro. Klingt viel. Aber nach dem erbschaftssteuerlichen Bewertungsverfahren reicht schon ein Jahresgewinn von 1,1 Mio. € bei 20 Millionen, so dass auch größere und leistungsfähige Handwerksbetriebe erfasst wären. Noch einmal: Es geht nicht um das Privatvermögen – sondern um das Betriebsvermögen. Es kann aber nicht verkauft werden, um die Steuern zu bezahlen, denn es ist „betriebsnotwendig“. Muss es verkauft werden, gehen vermutlich die Unternehmen zugrunde oder werden vorher noch schnell verscherbelt. Kein Wunder, dass die Linke Blut geleckt hat. „Es ist eine Mär, dass pauschale Steuerbefreiungen großer Unternehmensvermögen nötig sind, um Arbeitsplätze zu erhalten“, weiß etwa Lisa Paus, die Steuerexpertin der Grünen. Und der grüne NRW-Landeschef Sven Lehman sagt: „Es ist keine Leistung, Erbe zu sein“. Deshalb sollten Vermögende zur Finanzierung wichtiger Zukunftsaufgaben herangezogen werden. Vermutlich hat er dabei die üblichen grünen Spielwiesen wie zusätzliche Gender-Lehrstühle für grüne Parteifreunde im Kopf. Auch Verdi-Chef Bsirske redet davon, dass sich da manche um „Erbschaftssteuer drücken“ – klar, der Öffentliche Dienst kennt keine Wirtschaft. Dagegen rechnet die „Stiftung Familienunternehmen“ vor: Die großen Familienunternehmen wie Schrauben-Würth, Kolben-Mahle und Persil-Henkel haben zwischen 2006 und 2012 gut elf Prozent neue Arbeitsplätze geschaffen und das meist in Deutschland, während die großen Konzerne ihre Belegschaften in diesem Zeitraum um sieben Prozent abbauten. Und sie schaffen die Arbeitsplätze in Drei Viertel der Fälle in Deutschland, während die Aktiengesellschaften nur jeden 3. Arbeitsplatz hier schaffen – ansonsten eben gerne global. Schäuble steht vor einer schwierigen Entscheidung: Höhere Steuern sind die Droge jedes Finanzministers – aber gleichzeitig riskiert er, dass er niemanden mehr findet, der überhaupt noch Steuern zahlen kann. Und auch die Bewertung der Unternehmen haben Schäubles Beamte in ihrem Entwurf künstlich in die Höhe getrieben – und damit die Steuerlast. Ausnahmen soll es zukünftig nur noch nach dieser „Bedürfnisprüfung“ für Unternehmen geben. Davor fürchten sich viele Unternehmen – dass sie endgültig durch einen Nacktscanner des Finanzamts gejagt werden und sogar noch das Gemälde vom Firmengründer zur Bezahlung der Erbschaftssteuer hergeben müssen. Hier setzt auch die Kritik an – wie wird das notwendige Betriebsvermögen ermittelt? Wollte das Bundesverfassungsgericht wirklich eine so enge Auslegung oder wird deren Urteilsspruch jetzt vom Finanzministerium für andere Zwecke genutzt? Gerecht ist die Erbschaftssteuer ohnehin nicht, weder für Unternehmen noch für das ersparte Arbeiterhäuschen – schließlich wurde es von dem bezahlt, das vorher schon zig mal besteuert wurde. Und warum soll bestraft werden, wer wirtschaftet, statt das Geld zu verprassen? Wird bestraft, wer verzichtet? Das ist eine sehr grundsätzliche Frage. Es ist auch eine gesellschaftspolitische: wird belohnt oder steuerlich bestraft, wer investiert? Will man Unternehmen, die sich über Generationen entwickeln – oder will man über die Erbschaftssteuer an sie ran, ihnen die Existenz entziehen und damit die Wirtschaftsform durch die Hintertür ändern? Es fällt auf, dass öffentlich in den Medien die Gefechtslage klar scheint: Enterbt sie alle. Allerdings kommt es auch zu Gegenreaktion, wie weiter unten zu lesen ist – das musste DIE ZEIT bitter erfahren. Aber nun will ja Schäuble das neue Menü selbst kochen. Dazu muss er sich auch mit den großen Bundesländern auf die neue Geschmacksrichtung einigen, denn den Ländern steht die Erbschaftssteuer zu. Ab Mai wird verhandelt. Ganz kleine Unternehmen mit bis zu 7 Beschäftigten sollen pauschal ausgenommen bleiben. Dann zeigt sich endgültig, wer Koch und Kellner ist in der Großen Koalition: Für die Union geht es um das Tafelsilber: Steht sie noch zu einer halbwegs unternehmerischen Ordnung oder folgt sie den Enteignern?
Roland Tichy
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Reform bestellt und will, dass künftig auch die Betriebsvermögen von Unternehmen verschärft zur Erbschaftssteuer herangezogen werden.
tichys-einblick
2015-03-29T07:22:34+00:00
2015-06-30T17:28:41+00:00
https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/erbschaftssteuer-oder-arbeitsplaetze/
Der Gesundheitskiosk – Medizin für Arme
Vor vielen Jahren, umtriebig und neugierig, war ich einige Zeit in Griechenland tätig. In unmittelbarer Nähe zu meiner Wohnung gab es ein sogenanntes „Bakalikon“, ein kleines Lebensmittelgeschäft, in dem man so ziemlich alles erhielt, was für ein gutes Auskommen notwendig war. Dort gab es eine Besonderheit. Es war auch möglich, eine Kleinigkeit zu essen, zu trinken und mit Freunden zu verweilen. In dem „Bakalikon“ erlebte ich viele wunderbare Stunden bei guten Gesprächen und köstlichen Mahlzeiten. Bei uns in Deutschland kannte man zu dieser Zeit solche Geschäfte besser unter dem Namen Kiosk mit (Steh-)Imbiss – sicher auch sehr urig, bei Weitem aber nicht so gemütlich. Wie ich nun darauf komme? Unser aktueller Gesundheitsminister Karl Lauterbach verkündete in einem Tweet, dass er beabsichtige, sogenannte Gesundheitskioske in armen Stadtteilen Deutschlands einzurichten. Es scheint, als habe er sich diese Idee auf seiner aktuellen Amerikareise abgeschaut. Auf Twitter hinterließ er hierzu ein Elaborat samt Bild, welches ihn in fragwürdiger Ausführung bei der Blutdruckmessung an einem Patienten zeigt. Nun gut. Lassen wir das Bild beiseite. Ebenso fragwürdig und zudem alarmierend war der dazugehörige Text. Geht es nach Lauterbach, so sollen in armen Stadtteilen in sogenannten Gesundheitskiosken – nach amerikanischem Vorbild – einfache medizinische Behandlungen und Untersuchungen erfolgen. Was sich auf den ersten Blick wie ein Fortschritt in Public Health anhören mag, wird sich als grausame Manifestierung einer Mehr-Klassen-Medizin herausstellen und den sozialen Abstieg von Menschen und ganzen Stadtteilen bereiten. Welche Stadt wird das Risiko eingehen, dass die Bodenpreise durch einen neuen Faktor beeinflusst werden? Weshalb sollten Gesundheitskioske für arme Menschen attraktiver als ordentliche Arztpraxen sein? Haben arme Menschen keine Ärzte und Praxen verdient? Wird man armen Menschen verbieten, eine Arztpraxis aufzusuchen und stattdessen an den Kiosk verweisen? Wie werden einfache Behandlungen oder Untersuchungen definiert? Schon eine Sprachbarriere oder die Unkenntnis über Gepflogenheiten in anderen Kulturen machen jede „einfache“ Blutdruckuntersuchung zu einer Untersuchung, die Fingerspitzengefühl und Erfahrung bedarf. Wer wird diese Untersuchungen und Behandlungen übernehmen? Studenten? Angelernte Kräfte? Es ist nicht anzunehmen, dass in einem Gesundheitskiosk ein Arzt arbeiten wird. Wird es so ähnlich wie bei Corona? Als ungelernte Personen durch ein Kurzvideo zu zertifizierten Testanbietern wurden und mit Teststäbchen in den Nasen und Hälsen von Menschen herumfuhrwerkten. Für mich als Facharzt ein äußerst beunruhigender Gedanke. Jeder Mensch, ob arm oder reich, hat bestmögliche Behandlung und Untersuchung verdient. Das sind Ärzte den Kranken schuldig. Das muss unser Anspruch sein. Zu diesen Gedanken sollte vor allem ein Gesundheitsminister fähig sein – und sodann dementsprechend handeln. Vor allem, wenn er vorgibt, Arzt zu sein. Lauterbach erntet nun das, was er vor Jahren selbst gesät hat – den Niedergang des Gesundheitssystems und das Aufkommen einer brutalen Mehr-Klassen-Medizin. Hilflos steht der Gesundheitsminister nun vor dem Scherbenhaufen seines eigenen Tuns. Ihm fällt nichts Besseres ein, als die in der Abwärtsspirale befindliche Gesundheitspolitik im schwindelerregenden Tempo noch weiter nach unten zu treiben. Oder ist das der nächste Schritt in Lauterbachs Plan? Soll mittels der Kioske ein Anreiz geschaffen werden, dass für eine bestimmte Gruppe von Menschen eine Krankenversicherung wenig rentabel wird, da für einfache Untersuchungen und Behandlungen künftig der Kiosk aufgesucht werden kann bzw. muss? Auch verkennt Lauterbach in seinem Tatendrang, dass das amerikanische Modell, welches er als „Vorbild“ ansieht, einer sozialen Entwicklung geschuldet ist, die wir in Deutschland weder in dieser Form erleben mussten, noch anstreben sollten. Klug wäre es, wenn Lauterbach mehr Engagement hinsichtlich des Erhalts und der Neugründung von Arztpraxen für Allgemeinmedizin an den Tag legen würde. In den nächsten zehn Jahren werden zahlreiche niedergelassene Ärzte in ihren wohlverdienten Ruhestand gehen. Nachfolger sind schwer zu finden. Die Anreize für Praxisneugründungen sind gering. Die Bürokratie und Belastungen sind zu hoch. Zudem wird Medizin immer weiblicher. Viele Kolleginnen möchten kinderfreundlich in Teilzeit arbeiten. Das ist verständlich und muss Berücksichtigung finden. Würden Sie mit Ihren Kindern in einen Stadtteil ziehen wollen, der keine hausärztliche und kinderärztliche Praxisversorgung bereithält? Eher nicht. Was also wird passieren? Es wird zu einer Ghettoisierung kommen. Ganze Stadtteile werden, wie in Amerika bereits üblich, verarmen und nur von bestimmten Bevölkerungsschichten bewohnt werden. Einmal in einem solchen Ghetto angekommen oder hineingeboren, wird ein Entkommen schwer. Eine belebende Infrastruktur mit neuen Geschäften und Arbeitsplätzen wird in diesen Stadtteilen ebenfalls nicht Einzug finden. Es wird dort weder neue Schulen noch Kindergärten geben. Ein Teufelskreis – zu Lasten der dort lebenden Menschen und der nachfolgenden Generationen. Ein moderner Public-Health-Ansatz muss anders aussehen. Lauterbach sollte dies aufgrund seiner vorgegebenen Ausbildung bewusst sein. Weshalb braucht es Kioske? Staatliche Arztpraxen mit Fachärzten aus den Fachrichtungen Allgemeinmedizin, Kindermedizin, Geriatrie, Psychiatrie und Suchtmedizin wären von Nöten. Diese Ärzte könnten beim Staat angestellt sein und für diesen im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses arbeiten. So entfiele für diese Ärzte das Risiko einer Selbstständigkeit und der Staat könnte qualifiziertes Personal für seine Bürger vorhalten. Eine Win-Win-Situation und Gleichbehandlung für alle. Medizin darf fachlich nicht abgespeckt werden. Geld darf nicht der Grund für eine gute medizinische Versorgung sein. Leider ist Lauterbach viel mehr Blender und Politiker als Arzt. Leider. Seine neuesten Pläne lassen nichts Gutes verheißen. Meinem „Bakalikon“ wird dies in meiner Erinnerung keinen Abbruch tun. Noch immer kann ich das Flair und den freien Geist dieses besonderen „Tante-Emma-Ladens“ spüren. Es war eine schöne Zeit in Griechenland. Das Land des Urvaters der Medizin – Hippokrates. Dr. med. Friedrich Pürner, MPH, Facharzt Öffentliches Gesundheitswesen und Epidemiologe
Sofia Taxidis
Lauterbach will in armen Stadtteilen sogenannte Gesundheitskioske mit einfacher medizinischer Behandlung und Untersuchungen einrichten. Was sich auf den ersten Blick wie ein Fortschritt in Public Health anhören mag, würde sich als grausame Manifestierung einer Mehr-Klassen-Medizin herausstellen mit sozialem Abstieg von ganzen Stadtteilen. Von Friedrich Pürner
gastbeitrag
2022-12-12T14:36:57+00:00
2022-12-12T15:00:47+00:00
https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/der-gesundheitskiosk-medizin-fuer-arme/
Vor 60 Jahren wurde der „antifaschistische“ Schutzwall gebaut
Es unterliegt mehr und mehr einem politisch durchaus gewollten historischen Analphabetismus, dass Deutschland und Deutschland zwischen dem 13. August 1961 und dem 9. November 1989 über fast eine Generation hinweg, mehr als 28 Jahre, exakt 10.315 Tage, aus ideologischen Gründen schier unüberwindbar getrennt waren. Entreißen wir einige Fakten dem Vergessen, auf dass sich nicht immer wieder Legendenbildungen und Verklärungen einstellen. Denn der US-amerikanische Historiker und Philosoph George Santayana hat nach wie vor Recht: Wer Geschichte ignoriert, muss darauf gefasst sein, sie zu wiederholen. Was ging dem 13. August 1961, dem Beginn des Baus des „anitfaschistischen Schutzwalls“, der nicht schützte, sondern einsperrte, voraus? Mit Inkrafttreten der DDR-Verfassung war die DDR am 7. Oktober 1949 aus der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) hervorgegangen. Mit DDR-Gesetz vom 23. Juli 1952 wurden die fünf Länder Mecklenburg, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Sachsen zugunsten von 14 Bezirken aufgelöst. Ab Mai 1952 war eine mehrere Kilometer breite Sperrzone auf der östlichen Seite der innerdeutschen Grenze eingerichtet worden. Unter den Namen „Aktion Ungeziefer“/„Aktion Grenze“ wurden zwischen 11.000 und 12.000 „Fluchtverdächtige“ und „Regimegegner“ ins Landesinnere umgesiedelt. * Von September 1949 bis August 1961 verließen 2,8 Millionen Menschen die DDR in Richtung Bundesrepublik Deutschland. Weil es sich überwiegend um junge, qualifizierte Leute handelte, hatte dieser Aderlass vernichtende Folgen für die DDR-Volkswirtschaft. Allein im Jahr 1960 waren es 199.188. Ab Frühjahr 1961 schwoll die Fluchtwelle noch mehr an. Im Jahr 1961 verließen bis zum Mauerbau 236.390 Bürger die DDR. * SED-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht sprach sodann bei KPDSU-Chef Nikita Chruschtschow vor, er wollte West-Berlin völlig abriegeln. SED-Sicherheitschef Erich Honecker bereitete die „Operation Rose“ vor. Details drangen nicht durch. Am 15. Juni 1961 noch verkündete Walter Ulbricht auf einer Pressekonferenz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“ * In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 fuhren um 1.05 Uhr Schützenpanzer auf. Bewaffnete DDR-Kräfte bildeten quer durch Berlin eine Kette und sperrten mit Stacheldraht die rund 80 vorhandenen offiziellen Übergänge zwischen Berlin-West und Berlin-Ost ab. Eineinhalb Stunden später war ganz Berlin-West umstellt. Dennoch gab es da und dort noch Lücken, durch die Tausende Ost-Berliner fliehen konnten, zum Beispiel über den Landwehrkanal oder indem sie sich aus Ostberliner Häusern auf Westberliner Hoheitsgebiet abseilten. Andere flohen über Abwasserkanäle. Ab 15. August 1961 wurden Sperren aus Beton- und Ziegelsteinen errichtet. Ab September 1961 werden Gebäude entlang der Mauer geräumt und planiert – auch Kirchen. * Walter Ulbricht kündigt am 22. August im Politbüro an: „Auf die Deutschen, die den deutschen Imperialismus vertreten, werden wir schießen. Wer provoziert, auf den wird geschossen!“ Am Folgetag bekommen die Grenztruppen scharfe Patronen. Nur zwei Tage später wird im Humboldthafen beim Reichstag der 24-jährige Schneidergeselle Günter Litfin erschossen. Der Schießbefehl lautete ab 14. September unter anderem: „Auf Flüchtlinge, die sich der Festnahme durch Flucht in die Bundesrepublik zu entziehen versuchen, dürfen nach einem Warnschuss gezielte Schüsse abgegeben werden.“ Erich Honecker ordnet am 3. März 1974 an: „Nach wie vor muss bei Grenzdurchbruchsversuchen von der Schusswaffe rücksichtslos Gebrauch gemacht werden.“ In Kraft bleibt der Schießbefehl bis Anfang April 1989. Dass er ab da aufgehoben war, blieb geheim. * Ab 1964 schuf man ein „freies Schussfeld“. Es wurden 1,3 bis 1,4 Millionen Anti-Personen-Minen sowjetischer Bauart verlegt. Dazu gab es Stolper- und Signaldrähte, Laternen und Gitter mit zehn Zentimeter langen Stahlnägeln („Stalinrasen“). Dazu mehr als 200 Laufanlagen für speziell abgerichtete Hunde (bis zu 3.000) und fast 250 Wachtürme. Minenfelder und Selbstschussanlagen werden an der Grenze zu West-Berlin aber auf Anweisung der Sowjets nicht installiert. * Rund 220.000 DDR-Bürgern gelang zwischen dem Mauerbau und 1988 die Flucht dennoch ohne Genehmigung, davon wohl 40.000, die ihren Versuch unter Gefahr für Leib und Leben unternahmen. Annähernd 1.000 haben bei ihrem Versuch, von Deutschland nach Deutschland zu fliehen, ihr Leben verloren. Wahrscheinlich sind es noch erheblich mehr. Geschätzte 6.000 Versuche gab es, vor allem jeweils im Spätsommer, über die Ostsee Dänemark zu erreichen. An der Ostseeküste wurden 600 Wasserleichen registriert. Bei 72 davon handelt es sich um belegte Fluchtversuche. Die letzten Fluchtopfer sind Chris Gueffroy, der im Februar 1989 in Berlin erschossen wird, sowie Winfried Freudenberg, der im März 1989 mit einem improvisierten Gasballon abstürzt. * In der DDR gab es 200.000 bis 250.000 politische Gefangene. Viele sind in den Gefängnissen gestorben. Um Systemkritiker dingfest zu machen oder um sie und ihre Familien wenigstens zu drangsalieren, gab es 189.000 Informelle Stasis-Mitarbeiter (Stand: 1989) und 91.000 hauptamtliche Mitarbeiter (Stand: 1989). 112 Kilometer Stasi-Akten wurden gefunden. Aus der DDR-Bevölkerung wurde aus Angst vor der alltäglichen Bespitzelung ein „Volk der Flüsterer“. * Wer Glück hatte, kam in den Genuss des „Häftlingsfreikaufs“. Zwischen 1964 und 1989 waren es 33.755 DDR-Bürger. Die DDR besserte damit bzw. mit den damit kassierten 3,4 Milliarden DM ihren Staatshaushalt auf. Wer weniger Glück hatte, dem drohte durchaus die Todesstrafe: Diese wurde in der DDR 221mal verhängt und 164mal vollstreckt, zuletzt im Juni 1981 in Leipzig. * Die „Mauer“ hatte auch gravierende Folgen für die psychische Gesundheit der Menschen. Von 1951 bis 1990 gab es in der DDR 204.000 Suizide – alles ab 1961 streng geheim verwahrte Statistiken. Die Suizidrate je 100.000 DDR-Bewohner (etwa 30) lag damit ungefähr zwei- bis zweieinhalbmal so hoch wie in der Bundesrepublik. * War ja alles nicht so schlimm! Oder? Die DDR sei ja kein Unrechtsstaat gewesen, meinen heute noch so manche „linke“ Politiker. Eine „commode Diktatur“ sei die DDR gewesen, meinte der Nobelpreisträger und SPD-Wahlkämpfer Günter Grass. Mutige Leute wie Hubertus Knabe, die sich seit Jahrzehnten der Aufdeckung des DDR-Unrechts Systems widmen, werden von einem Berliner Links-Justizsenator unter fadenscheinigen Gründen aus dem Amt des Direktors der Gedenkstätte Hohenschönhausen katapultiert. Ohne dass die Berliner CDU großen Widerstand aufbrächte. Damit auch in Zukunft gelten kann: Je länger die DDR Geschichte ist, um so schöner wird sie. Und was ist mit einem Gedenken an die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft? 2014 wurde dem damaligen Präsidenten des Deutschen Bundestages Norbert Lammert ein Aufruf für ein „Mahnmal für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in Deutschland“ übergeben, welcher von DDR-Bürgerrechtlern, Opfern der SED-Diktatur und Personen des öffentlichen Lebens unterzeichnet war. In einer Anhörung haben sich im Februar 2017 alle Experten für die Errichtung eines zentralen Gedenkortes ausgesprochen. Dann erfolgte am 13. Dezember 2019 ein Beschluss des Bundestages. Ergebnis im Sommer 2021: Es gibt noch nicht einmal einen Standort. Und was ist mit der Rechtsnachfolgerin der Mauerbauerpartei SED, der mehrmals namentlich gewendeten jetzigen Partei DIE LINKE, die in Thüringen einen Ministerpräsidenten von Merkels Gnaden stellt, die mit 69 Abgeordneten im Bundestag sitzt und in zehn deutschen Landtagen mit insgesamt 145 Abgeordneten ein nettes Dasein führt? Und was ist mit den verschwundenen SED-Millionen? Der großartige Lyriker und Essayist Reiner Kunze (*1933), der am 16. August 88 Jahre alt wird, der exakt 44 Jahre in einer der zwei deutschen Diktatur verbringen musste, der 1977 aus der DDR unter Androhung einer Gefängnisstrafe zur Übersiedlung in den Westen gedrängt wurde und nun seit 44 Jahren bei Passau in der Bundesrepublik lebt, ist mit Blick auf all diese Entwicklung im wiedervereinten Deutschland mehr und mehr in Sorge. In einem Essay mit dem Titel „Wenn wieder eine Wende kommt“ schreibt er: „Geschichte wiederholt sich nicht, heißt es, aber es gibt Ideologien, deren die Menschheit nie Herr werden wird, und der Weg von der Demokratie in die Diktatur kann demokratisch sein.“ Mit Blick auf das Deutschland des Jahres 2021 ist Kunze zurecht in Sorge. Man schaue sich nur die zahlreichen politischen und medialen Bemühungen an, Freiheiten unter Berufung auf die neuen „Religionen“ namens Klima und Corona zu beschneiden! Und die Bemühungen aus der gleichen Ecke, in den Köpfen der Menschen angeblich notwendige, neue antifaschistische Schutzwälle zu errichten: gegen alles Bürgerliche, Traditionelle, Konservative, Deutsche, Abendländische, Christliche, Männliche, Weibliche, gegen die Weisheit der Sprache!
Sofia Taxidis
Aus der DDR-Bevölkerung, eingesperrt ,hinter der Mauer wurde aus Angst vor der alltäglichen Bespitzelung ein „Volk der Flüsterer“.
daili-es-sentials
2021-08-13T07:52:37+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/mauer-vor-60-jahren-wurde-der-antifaschistische-schutzwall-gebaut/
Wie das Auswärtige Amt auf der ideologischen Rutsche abgleitet
Es ist uns die aktuelle Ausgabe der „Mitarbeiterzeitschrift“ (demnächst bestimmt: Mitarbeitenden- oder Mitarbeiter*_/I:nnen-Zeitschrift) des Auswärtigen Amtes (AA), also des von Annalena Baerbock (Grüne) geführten Bundesministeriums, in die Hand gekommen. Nun haben wir ja schon so manches über die Bedeutung von „Postcolonial Studies“ gelesen: über die Schuld der Weißen, über weiße Sklaverei, über die ewige rassistische Erbsünde der Weißen … In Deutschland wird all dies mit immer neuen Professuren masochistisch und exorzistisch nachgeplappert, was die „Critical Whiteness“-Forschung US-amerikanischer „Elite“-Universitäten vorplappert. Aber wir waren noch nicht in den Genuss des aktuellen Themenschwerpunkts „Kolonialismus“ der Oktober-Nummer 2022 von „internAA“, also der genannten Mitarbeiterzeitschrift des Auswärtigen Amtes, gekommen. Was manch windschnittige, den neuen dort wehenden Wind erkennende Beamten des AA da bestimmt zum karrierefördernden Gefallen der Frau an ihrer Spitze, der „Völkerrechtlerin“ Annalena Baerbock, zusammengepinselt haben, macht jede Geschichtsforschung für alle Zukunft obsolet. Allein schon der flüchtige Blick in die 28 Seiten reicht: Nun ja, am AA wundert uns seit den Zeiten der Außenminister ab 1998 nichts mehr: des welterklärenden „Joschka“ Joseph Fischer, des irrlichternden Westerwelle, des raumfüllenden Gabriel, des bräsigen Putinverstehers und Mullahfreundes Steinmeier, des maßgeschneiderten Maas und eben jetzt der „feministischen“ „Völkerrechtlerin“ Baerbock. Deutschland, fragen wir, wie stellst du dich denn in der Welt dar? Willst du noch ernstgenommen oder völlig zum geopolitischen Nullum werden? Aber Fakten spielen keine Rolle, wenn es um Exorzismus, Selbsthass, „weißen“ Sündenstolz und Ideologie geht. Und wenn das antirassistische und antikolonialistische Credo lautet: Gegen Weiße kann es keinen Rassismus geben, weil diese quasi als Rassisten geboren werden und damit ihre Vormacht sowie ihren Kolonialismus begründen wollen. Und dann erst die „feministische“ Außenpolitik: Auch nach der Lektüre des entsprechenden Beitrags auf Seite 24 der AA-Postille sind wir nicht schlauer geworden, was das ist, und es fällt uns immer wieder die wohl „feministisch“ gedachte Stellungnahme der Ministerin Baerbock ein, in Teheran habe der Anlass der aktuellen Proteste der Frauen gegen das Kopftuch nichts mit dem Islam zu tun. Also lesen wir wieder und wieder nach und zitieren, was der TE-Leser vielleicht verstehen mag: „Wir wollen die Anliegen von Frauen in den Fokus unseres Handelns rücken und ihre Stimmen stärken.“ Im „Ampel“-Koalitionsvertrag hieß das noch viel weltmännischer (pardon: weltfraulicher): „Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir im Sinne einer Feminist Foreign Policy Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit stärken und gesellschaftliche Diversität fördern.“ Bis hinein in die Besetzung „internationaler Führungspositionen“. Aha! Im AA fängt man damit an. Dort macht man eine Greenpeace-Chefin mit US-Staatsbürgerschaft ratzfatz zur Deutschen und zur Staatssekretärin. Dort verändert man – ganz offenbar aus Quotengründen – die Einstellungsvoraussetzungen, um mehr Frauen in höhere Ränge zu setzen. TE-Leser, die sich die 28 Seiten AA-Postille antun möchten: Hier findet sie sich in der Anlage.
Josef Kraus
Der Themenschwerpunkt der aktuellen Ausgabe der Mitarbeiterzeitschrift des Auswärtigen Amtes lautet „Kolonialismus“. Was da zusammengetragen wurde, macht jede Geschichtsforschung für alle Zukunft obsolet. Eine staatliche Behörde entpuppt sich als Spielwiese von Ideologen.
meinungen
2022-10-07T07:44:41+00:00
2022-10-07T14:15:19+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/aussenministerium-auswaertiges-amt-anti-kolonialismus/
Anne Will: Eine einzige Zumutung von Corona-Talk
Anlass zur Kritik an einseitiger Auswahl der Gäste oder unprofessioneller Gesprächsführung gab es beim „Will-Talk“ immer wieder. Doch die gestrige Sendung war ganz einfach eine Zumutung. Wenn schon die Will-Serie „Corona und kein Ende“ nach sehr langer (!) Abwesenheit der Moderatorin wieder aufgegriffen werden musste, hätte man wirklich etwas Neues erwarten können. Doch Fehlanzeige – entweder wurde Bekanntes wiederholt oder allgemeine Ratlosigkeit demonstriert. Zudem machte die Moderatorin gar keinen so erholten Eindruck – Frische und Energie strahlte sie jedenfalls nicht aus. Das war eher eine Mischung aus Aggressivität und plötzlichem Desinteresse. Der Zuschauer jedenfalls musste nach der Sendung verwirrter sein als zuvor. Buschmann sagte, eine Impfpflicht habe rechtlich nur Bestand, wenn sie eine Überlastung des Gesundheitswesens verhindert. Wie wäre dann eine Impfpflicht der unter 50-Jährigen zu rechtfertigen? Aber so etwas fragt Frau Will nicht. Es bleibt auch das Geheimnis der Moderatorin, warum sie an dieser Stelle nicht die eingangs von ihr selbst erwähnten Willkürakte gegen Millionen Bürger noch einmal auf den Tisch brachte. Gemeint ist die überfallartige Verkürzung der Genesenen-Bescheinigung um drei Monate, sowie der „Ungeimpft“-Stempel für alle, die mit besten Wissen und Gewissen den Impfstoff von Johnson&Johnson gewählt hatten. Von einem Moment auf den anderen galten sie als ungeimpft. Ein Umgang mit Bürgern, den man nur aus Diktaturen kennt. Dann auch schon zum hundertsten Mal vorgetragene Klagen: Die mangelnde Digitalisierung im Gesundheitswesen und die sich auch unter der neuen Bundesregierung fortsetzenden organisatorischen Mängel. Da fehlt immer mal wieder Impfstoff und jetzt gehen auch noch die PCR-Tests aus. In der Bundesrepublik können zur Zeit nur 25 von 1.000 Personen mit PCR-Test kontrolliert werden – in Österreich 400. Dabei liegt das Land doch gleich nebenan und nicht hinter dem Hindukusch. Also, wer gestern Abend aus Gewohnheit Anne Will einschaltete, musste mit tiefer Verzweiflung unter die Decke schlüpfen. Ganz nebenbei: Wäre es für die Gebührenzahler, die ja in gewisser Weise auch die Arbeitgeber der Talk-Dame sind, nicht interessant, einmal in die Verträge mit diesem Star am deutschen Fernsehhimmel hineinschauen zu können? Wie viele Sendungen pro Jahr muss Will moderieren? Wie sind die Abwesenheiten geregelt? Wird pauschal oder per Erscheinen honoriert? Welche Aufwendungen für die Sendung könnten von dem bekanntlich reichlich vorhandenen eigenen Personal des NDR erbracht werden? All dies würde sicherlich mehr als nur eine Will-Sendung füllen. Aber da der Gebührenzahler sowieso nichts zu melden hat, werden diese Fragen wohl nie beantwortet werden.
Fritz Goergen
Anlass zur Kritik an einseitiger Auswahl der Gäste oder unprofessioneller Gesprächsführung gab es beim „Will-Talk“ immer wieder. Doch die gestrige Sendung war ganz einfach eine Zumutung. Wenn schon die Will-Serie „Corona und kein Ende“ nach sehr langer (!) Abwesenheit der Moderatorin wieder aufgegriffen werden musste, hätte man wirklich etwas Neues erwarten können. Doch Fehlanzeige –
feuilleton
2022-01-24T06:51:44+00:00
2022-01-24T07:56:57+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/anne-will-eine-einzige-zumutung-von-corona-tv-talk/
Le Pen überholt Macron
„The poll, taken out by the Institut français d’opinion publique (IFOP), was published on Sunday (4 November), and showed that Macron’s centrist party Republic on the Move (LREM) had fallen to 19%, while Marine Le Pen’s RN — formerly the National Front — rose to 21%.” Meldet euractiv.com. Die öffentliche Stimmung dreht auch in Frankreich gegen die EU in ihrer heutigen Form. Ein halbes Jahr vor der Wahl zum EU-Parlament liegt Le Pens RN mit 21 Prozentpunkten erstmals vor der LREM von Macron mit 19. Gleichzeitig fordert die Partei „La France insoumise“ – Das unbeugsame Frankreich – von Mélenchon den Auszug Frankreichs aus „allen europäischen Verträgen“, weil Deutschland auf Kosten Frankreichs und anderer EU-Staaten lebe. Die weiterhin gängige Darstellung deutscher Medien von Merkel und Macron, welche unbeirrt an der ever closer union, der fortgesetzten Zentralisierung der EU auf Kosten der Souveränität ihrer Mitgliedsstaaten arbeiteten, ist bei näherer Betrachtung Irreführung. Die Wahlen zum EU-Parlament vom 23. bis 26. Mai 2019 werden es zeigen.
Redaktion
Die öffentliche Stimmung deht sich auch in Frankreich gegen die EU in ihrer heutigen Form.
daili-es-sentials
2018-11-05T08:48:05+00:00
2018-11-05T08:53:13+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/le-pen-ueberholt-macron/
Energiewende: Batterien ohne Power
Über die Chancen auf dem Weg zum Elektro-Auto Holger sprach Douglas mit Professor Dr. rer. nat. Frank Endres, 
TU Clausthal, Institut für Elektrochemie. Holger Douglas: Eine Million Elektroautos sollen auf Deutschlands Straßen fahren, und zwar schon 2020. Das will die Bundesregierung, aber sonst niemand. Gerade fand wieder ein Gipfel zum Thema »Elektroauto« statt – ohne greifbares Ergebnis. Die Bundesregierung will Milliarden für Elektroauto-Verkaufshilfen rauswerfen. Zentrales Thema bei Elektroantrieben ist: Woher kommt der Strom? Meist aus Batterien. Doch deren Kapazitäten sind noch dünn und dürften in absehbarer Zeit auch nicht zunehmen. Lohnend daher, einen Blick auf die erheblichen Probleme mit Stromspeichern zu werfen. Prof. Frank Endres forscht an neuen elektrochemischen Speichertechnologien. Welche gibt es denn? Was können die, und über welche Kapazitäten verfügen die? Frank Endres: In Deutschland werden ca. 30 GW Grundlast benötigt. Weder Windkraft- noch Solaranlagen können rund um die Uhr eine konstante Grundlast liefern, von der Phasensynchronität ganz zu schweigen. Will man dieses Ziel erreichen, muss man das Netz so umbauen, dass Speicher zwischen 20 und 100 TWh vorhanden sind und davon gespeiste elektronische virtuelle Schwungräder die Funktion der Turbinen übernehmen. Das wäre ein Komplettumbau der Stromversorgung, technisch bei Weiterentwicklung der Elektrotechnik vorstellbar. Wenn man in Deutschland alle Möglichkeiten, Pumpspeicherkraftwerke zu bauen, nutzt, erreicht man vielleicht 0,15 TWh an Speicherkapazität, das ist natürlich viel zu wenig. Es bleiben dann nur noch chemische und elektrochemische Speicher übrig, die in der Größenordnung bis 100 TWh sogar denkbar sind. Im „power to gas“ Ansatz stellt man mit dem Überschuss-Strom Wasserstoff her und wandelt den in Methan um, der im Erdgasnetz gespeichert wird. Flauten möchte man so mit Gaskraftwerken überbrücken, wenn sich denn jemand finden lässt, der Gaskraftwerke baut und betreibt. Die modernsten Gaskraftwerke Irsching 4 und Irsching 5 werden ja abgeschaltet. Andere Ansätze sollen Brennstoffzellen zur Rückverstromung von Wasserstoff nutzen. Das ist technisch alles vorstellbar, nur wird der dann zu zahlende Strompreis alleine aufgrund der Alterung der Anlagen oder chemischen Verbindungen irgendwo zwischen 1 und 2 EUR pro kWh liegen. Ich erwarte, dass in einem solchen Szenario auch Batterien (Akkus) für die Netzstabilität erforderlich sind, weil die Elektrolyseanlagen ein stabiles Netz benötigen. In jedem dieser Szenarien werden die wiederkehrenden Kapitalkosten (wegen Alterung) den Strompreis auf weit über 1 EUR/kWh treiben – das wäre unvermeidbar. Der Traum vom kostenlosen Strom, wenn erst einmal genügend Windkraft- und Solaranlagen aufgestellt sind, wird für unabsehbare Zeit ein Traum bleiben. Douglas: Batterien haben nicht nur keine große Speicherfähigkeit, sondern sie altern auch relativ schnell. Warum geht das so schnell und ist absehbar, ob Sie diese elektrochemischen Prozesse in der Batterie aufhalten können? Endres: Ja, alle Batterien unterliegen einer zyklischen und kalendarischen Alterung, das ist unvermeidbar. In den letzten Jahren waren Lithiumionen-Batterien in aller Munde. Lithium ist ein sehr reaktives dazu nicht allzu häufiges Metall, das mit jedem bekannten Elektrolyten chemisch reagiert. Solche Batterien sind daher nur kinetisch stabil. Lässt man eine Lithiumionenbatterie mehrere Jahre liegen, bläht sie sich im Laufe der Zeit wegen der Alterung auf. Wird sie dann stark belastet, kann sie zu brennen beginnen. Auch beim wiederholten Laden/Entladen leidet die Batterie, vereinfacht gesagt werden die Materialien in der Batterie durch mechanischen Stress während der zyklischen Belastung immer mehr zerstört. Wir haben post-mortem-Analysen auch von Batterien, die brannten, durchgeführt und konnten sehen, dass sich in den Batterien sog. „hotspots“ bildeten, die irgendwann so viel Wärme produzierten, dass die Batterie einem thermischen „Runaway“ unterlag. Bei Zink-Luft-Akkumulatoren nimmt die dort verwendete Kalilauge Kohlenstoffdioxid aus der Luft auf, hier altert also der Elektrolyt und neue Konzepte sind erforderlich. Bei Bleibatterien (wie im Auto) altern die Elektroden, da bei der wiederholten Auflösung und Abscheidung von Blei immer ein wenig Blei verloren geht. Es kann auch passieren, dass es in einer Zelle irgendwann einen Kurzschluss gibt und die Spannung zusammenbricht. Will man Bleibatterien für die Speicherung von „regenerativem“ Strom nutzen, kann man diese bei der heutigen Technik maximal 1500x aufladen und wieder entladen. Wegen der kalendarischen Alterung liegt die maximale Lebensdauer bei 6 Jahren, aber auch nur 3 Jahre Lebensdauer sind nicht überraschend. Es gibt Hersteller, die mit 30 Jahren Lebensdauer ihrer Batterien werben und 10 Jahre Garantie geben, meist kleinere Firmen. Ich wäre da ein wenig vorsichtig, denn Papier ist geduldig. Ein gänzlich neues Batteriekonzept ist so schnell nicht zu erwarten. Hätte die deutsche Politik die Elektrochemie vor gut 20 Jahren nicht beinahe abgewickelt, könnte Deutschland heute eine führende Nation in der Batterietechnologie sein, wir haben aber eher einen Rückstand von mindestens 10 Jahren. Douglas: Sie forschen an Materialien für mögliche neue Batterien. Ein durchschlagender Erfolg ist der Batterieforschung bislang aber noch nicht gelungen, sprich die Energiedichte um ein paar tausendfach zu erhöhen, wie es notwendig ist, um Autos richtig antreiben zu können. Warum macht es uns hier die Natur so schwer, geeignete Paarungen von Materialien zu finden, die gut für eine Stromspeicherung queren? Sie hat doch auch die genialen Kohlenwasserstoffe mit einer ungeheuren Energiedichte auf die Bühne gebracht, die Autos, lange Güterzüge und 500 Tonnen schwere Flugzeuge antreiben kann? Endres: Hier schlägt die Thermodynamik leider unbarmherzig zu. Die elektrochemische Spannungsreihe erlaubt maximal 6 Volt für ein Elektrodenpaar, das wäre eine (hochgefährliche) Lithium/Fluor-Batterie, deren technische Umsetzung und Verwendung sind für mich kaum vorstellbar. Voll geladene Lithiumionen-Akkus heutiger Bauart haben bei einer Einzelzelle eine Spannung von 4,2 Volt, mehr ist schwer zu erreichen, weil man noch keine Elektrolyte gefunden hat, die für die sog. „5-Volt-Batterien“ geeignet sind. Es ergibt sich wegen des spezifischen Gewichts der Batteriematerialien aktuell leider eine maximale Energiedichte von 0,3 kWh/kg, technisch erreichen kann man heute nicht mehr als 0,15 kWh/kg. Kohlenwasserstoffe enthalten dagegen rund 12 kWh/kg, wovon ein guter Dieselmotor ca. 5 kWh in mechanische Energie umsetzt. Wirkungsgrad-bereinigt schneiden Kohlenwasserstoffe bzgl. der Energiedichte also mind. 30x besser ab. Energiedichten von 1 – 5 kWh/kg sind nur mit Metall/Luft-Batterien denkbar. Relativ leicht herstellbare Zink/Luft-Batterien erreichen schon bis zu 0,5 kWh/kg, aber die Alterung des Elektrolyten ist das zentrale Problem. Neue Konzepte sind in der Erforschung, mit einem Markteinsatz ist frühestens in 5 Jahren zu rechnen, und da am ehesten noch aus US-amerikanischer Fertigung. Lithium/Luft-Batterien waren in aller Munde, und man sprach von bis zu 15 kWh/kg, was aber eine unseriöse Zahl ist, da sie nur auf das Lithium alleine bezogen wurde, die andere Elektrode, der Elektrolyt, Gehäuse usw. nicht berücksichtigt wurden. Im Labor erreichen Lithium/Luft-Batterien 1 kWh/kg, sie altern aber massiv, und eine Lösung für dieses Problem erscheint in weiter Ferne. Ein Einsatz ist frühestens in 20 Jahren zu erwarten, falls überhaupt. Wir arbeiten mit Unterstützung des BMBF sehr grundlegend an Aluminium/Luft und Silizium/Luft-Batterien. Die denkbaren Energiedichten liegen bei 1 – 4 kWh/kg, aber das ist alles sehr grundlegend und ebenfalls weit von einer kommerziellen Nutzung entfernt. Vielleicht können Lithium/Schwefel-Batterien als Nächstes vermarktet werden. Im Labor erreichen sie schon 1 kWh/kg. Sie altern aber schnell, und die nutzbare Energiedichte liegt bei ca. 0,3 kWh/kg, was im Vergleich zu Lithiumionenbatterien aber immerhin um einen Faktor 2 besser wäre. Ich rechne eher mit einer langsamen Evolution im Batteriesektor als mit einer schnellen Revolution. Dazu kommt das Kostenproblem. Wirklich gute Lithiumionen-Akkus, wie ich sie im Modellflug verwende, kosten zwischen 1.000 und 1.500 EUR/kWh, und selbst die „billigen“, wie sie in Elektroautos genutzt werden, kosten heute 500 EUR/kWh. Auf die immer mal wieder ins Feld geführten 100 – 200 EUR/kWh für gute Lithiumionenbatterien werden wir m.E. noch ein wenig warten müssen. Kürzlich veröffentlichte Zahlen seitens eines Lobby-Verbandes, bis ca. 2030 würden nur noch 5 Cent für die Speicherung von 1 kWh Strom zu bezahlen sein, kann ich nur mit Schönrechnerei nachvollziehen. Douglas: Erstaunlicherweise haben sich Ingenieure immer wieder im Abstand von 20,30 Jahren an Elektroantrieben für Autos versucht, dann festgestellt, das funktioniert nicht und es sein lassen. Sogar das erste Auto von Porsche wurde mit Batterien angetrieben. Immer setzte sich der Antrieb mit Verbrennungsmotoren und Diesel oder Benzin als sehr guter Energieträger durch. Warum setzen jetzt wieder Autoingenieure und Autohersteller auf Elektroautos? Es scheint fast so, als ob die Erfahrungen einer ganzen Generation von Ingenieuren nach deren Ausscheiden aus dem Berufsleben vergessen werden, sich junge Ingenieure wieder an derselben Technik probiert und dieselben negativen Erfahrungen wieder machen muss. Ist das der Lauf von Wissenschaft und Technik? Endres: Das habe ich mich auch schon gefragt. Als sich der letzte Elektroauto-Hype vor gut 20 Jahren in Schall und Rauch auflöste, schrieb ich als junger Doktorand an das damalige Forschungsministerium einen Brief. Ich schlug vor, auf Hybride zu setzen, denn ich habe auch heute gar nichts gegen Elektrofahrzeuge. Sie sind sehr leise und, solange die Batterie genügend Ladung hat, entspannt und angenehm zu fahren. Aber eine Reichweite von 60 km im Winter bei einem bald 30.000 EUR teuren Kleinwagen ist nicht wirklich ein Kaufanreiz, dazu kommt die Alterung von Batterien, zumal ein schneller Preisverfall bei Batterien nicht zu erwarten ist. Es liegt ja nicht an den Elektromotoren oder der Elektronik, das funktioniert im Großen bei der Eisenbahn oder bei Straßenbahnen ja ganz wunderbar, auch heute sind die Batterien das Problem. Ich erläuterte damals, dass man sowohl die Verbrennungsmotoren als auch die Batterien und die Elektronik nach und nach verbessern könnte. Ich erhielt nie eine Antwort. Falsche politische Entscheidung:  Elektrochemie vor 20 Jahren abgewickelt In der Folge wurde die Elektrochemie an den deutschen Universitäten faktisch abgewickelt, und es gab keinerlei Forschungsgelder mehr für Batterien, höchstens vereinzelt. Dann kam das Thema ca. 2007/2008 wieder hoch, diesmal begründet mit der „Klimakatastrophe“ und der Endlichkeit der Ressourcen. Wieder wurde das politische Ziel ausgegeben, bis zum Jahr X (diesmal 2020) eine Million Elektroautos auf die Straßen zu bringen. Nun gab es leider keine Batterieforscher mehr in Deutschland, so dass die Bundesregierung an einigen Stellen viel Geld investierte, um Forschung und Technik wieder aufzubauen, und zwar nur der Status, der im asiatischen Ausland Standard ist. Wie aber soll in wenigen Jahren ein von der Politik zu verantwortender Rückstand aufzuholen sein? Politiker wollen gewählt werden, und sie stürzen sich auf ein Thema, das gerade en vogue ist. Im Moment sind das die Themen „Klimaschutz“, „Energiewende“ und (endgültiger) „Atomausstieg“. Deutschland hinkt bei vielen Themen jedoch hinterher, die Musik der Batterieforschung und –herstellung spielt in Asien und vermehrt nun in den USA. Für neue Ideen, die einen langen Atem erfordern, fehlt Politikern meistens der Mut, die alten Fehler werden vergessen oder ausgeblendet. Heute ist es beispielsweise schon recht schwer, Gelder für die Forschung an Lithiumionen-Akkus zu erhalten, manche Kollegen unken sogar, dass es bald gar keine Gelder mehr dafür geben wird, da Kernprobleme als nicht lösbar betrachtet werden. Wenn dann etwas nicht so klappt, wie die Politik erwartet, wird das Thema immer schnell eingestampft, obwohl es seitens der Grundlagenforschung manchmal gerade dann erst interessant wird. Dazu kommen ermüdende Beantragungszeiträume, und als Hochschullehrer kann man manchmal einfach nur noch beten, dass ein Projekt bewilligt wird, denn mit Haushaltsmitteln kann kein Professor in Chemie, Physik und Materialwissenschaften noch Forschung betreiben, die Universitäten sind eh nur noch ein Schatten vergangener Tage. Politiker hören sich selten die begründete Meinung von Kritikern an, denn sie wollen in erster Linie ja gewählt werden, zumindest aber muss die Zahl der guten Pressemitteilungen stimmen. Es gibt viele Leute, die davor warnen, die Kernenergie abzuwickeln, zumindest sollte die Forschung hochgehalten werden. Man wird dann aber öffentlich schnell als „Atomkraftbefürworter“ bezeichnet und sieht sich einem medialen Shitstorm ausgesetzt. Der jetzt politisch gewollte Rückstand in der Kernenergie wird sicher nicht mehr aufzuholen sein. Eigentlich machen die deutschen Politiker immer wieder dieselben Fehler. Douglas: Wenn das Geld eh weg muss, dann könnte es für eine hybride Lösung mit Verbrennungsmotor und Elektroantrieb ausgegeben werden. Doch hier setzen sie sehr viel aufwendige, teure und vor allem anfällige Technik ein. Lohnt sich das denn wirklich? Endres: Wirtschaftlich lohnt sich ein solches Fahrzeug heute sicher nicht. In der sog. Golf-Klasse beträgt der Aufpreis eines Hybriden mit einer elektrischen Reichweite von ca. 30 – 50 km 5.000 – 8.000 EUR, weil eben zwei Systeme kombiniert werden müssen. Alleine die 10 kWh speichernde Batterie kostet schon 5.000 EUR, bei einer Lebensdauer von vielleicht 6 Jahren, und die Frage stellt sich, ob die Hersteller nicht ein Minus-Geschäft machen. Nach 6 Jahren ist ein solches Auto nur mit enormem Abschlag zu verkaufen, oder man ist gezwungen, eine neue Batterie einzubauen. Für den Privatkäufer ergibt sich hier eine finanzielle Hürde, die er sich sicher sehr gut überlegen wird, wenn nicht der Spaßfaktor überwiegen soll. Zweifelsfrei lassen sich Elektrofahrzeuge oder Hybride im elektrischen Modus sehr angenehm fahren. Sie sind leise und emittieren in Städten keine Schadstoffe wie Ruß, Kohlenstoffmonoxid oder Stickstoffoxide. Ich kann mir vorstellen, dass sich Hybride mittel- bis langfristig durchsetzen. Das setzt aber voraus, dass der Aufpreis zu einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor sehr überschaubar bleibt, die Lebensdauer von Batterien merklich steigt und der Preis für Batterien deutlich sinkt. Vielleicht setzen sich die Hybride durch, vielleicht kommt man aber auch zu dem Fazit, dass die Technik einfach schon wieder nicht weit genug ist und noch viel mehr grundlegende Arbeiten erforderlich sind.
Energiewende? Als der Elektroauto-Hype vor 20 Jahren platzte, schlug Frank Endres vor, auf Hybride zu setzen: vom Forschungsministerium keine Antwort.
kolumnen
2016-02-05T09:33:43+00:00
2016-02-05T09:41:19+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/lichtblicke-kolumnen/energiewende-batterien-ohne-power/
Das Kopftuch und die Neutralität
Es ist das vorläufige Ende eines jahrzehntelangen Streits um die Präsenz des Kopftuchs als Symbol des Islams an Orten, die zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet sind, wie Schulen oder Gerichte. Und es ist ein Sieg auf der ganzen Linie für die Muslime. Bereits vor über 20 Jahren mussten Gerichte entscheiden, ob private Arbeitgeber das Kopftuch am Arbeitsplatz verbieten dürfen, oder ob es sich dabei um eine Diskriminierung der Frauen handelt, für die das Kopftuch Teil ihrer Identität ist; eine Diskriminierung, die dem Grundgesetz widerspricht. Diese Frage ist weitgehend im Sinne der Kopftuchträgerinnen beantwortet; sie sind in Geschäften, Büros und vielen anderen Arbeitsplätzen selbstverständlich präsent. Allein, wo das Kopftuch zu einer Gefährdung führen kann, ist es nicht erlaubt. Nicht ganz so eindeutig ist die Rechtslage bei Schulen, Gerichten und anderen Orten, wo weltanschauliche Neutralität verlangt wird. Faktisch ging es nie um Kreuze oder Kippas, die offen zu tragen in Berlin ohnehin gefährlich ist, sondern um das Kopftuch. So war es eine muslimische Lehrerin, die gegen das Gesetz klagte, da sie sich diskriminiert und in ihrer Religionsfreiheit behindert fühlte. Das Landesarbeitsgericht gab ihr Recht und sprach ihr eine Entschädigung von über 5.000 Euro zu, weil sie wegen des Beharrens auf dem Kopftuch nicht in den Schuldienst übernommen worden war. Dagegen ging das Land Berlin in Revision beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt – und verlor letzte Woche. Das höchste Arbeitsgericht ist ebenfalls der Meinung, das Berliner Neutralitätsgesetz verstoße gegen die Verfassung, weil es der Diskriminierung Vorschub leiste. Die Erfurter Richter betonten, ein Verbot des Kopftuchs sei nur dann zu rechtfertigen, wenn dadurch Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens vorlägen. Das Gesetz müsse überarbeitet werden, um nicht weiter gegen die Verfassung zu verstoßen. Die Richter folgen damit der aktuellen Linie des Bundesverfassungsgerichts, das sich bereits zweimal mit unterschiedlicher Stoßrichtung mit dem Thema befasst hat. 2003 wurden vorsorgliche Kopftuchverbote erlaubt, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage vorhanden sei. 2015 wurde das Urteil revidiert und ein pauschales Kopftuchverbot für verfassungswidrig erklärt. Dabei ging das oberste Gericht in einer Mehrheitsentscheidung bei zwei abweichenden Stimmen in seiner relativistischen Grundhaltung sogar noch weiter und erklärte die Bevorzugung christlich-abendländischer Bildungs- und Kulturwerte beziehungsweise Traditionen für unzulässig. Die Bildungssenatorin Sandra Scheeres kündigte dagegen an, die schriftliche Urteilsbegründung abzuwarten und dann zu prüfen, ob der Senat Verfassungsbeschwerde einlegt. Unterstützung erhält sie von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes. Bundesgeschäftsführerin Christa Stolle sieht in der Besetzung öffentlicher Ämter mit kopftuchtragenden Frauen einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot des Staates. Und sie fürchtet: „Das Urteil ist ein Rückschritt für Mädchen und Frauen und ihr Recht auf Gleichberechtigung und Chancengleichheit.“ Im Hinblick auf die politische Aussagekraft des islamischen Kopftuchs und den schon vorhandenen religiös bedingten Problemen an Berliner Schulen hat die Organisation kein Verständnis für die Entscheidung. Die symbolische Bedeutung des Kopftuchs wurde bei der juristischen Debatte kaum thematisiert. Wer, wie die Evangelische Kirche, das Tuch als Zeichen von Toleranz und Vielfalt betrachtet, übersieht, dass es weltweit buchstäblich kein Land und keine Region gibt, in der dieses Kleidungsstück vorgeschrieben ist und gleichzeitig Toleranz, Vielfalt und Demokratie herrschen. Dieser Beitrag von Klemens Ludwig erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.
Sofia Taxidis
Das Bundesarbeitsgericht hat einer Lehrerin Recht gegeben, der untersagt worden war, ein Kopftuch zu tragen. Beendet das Urteil einen jahrzehntealten Grundsatzstreit?
meinungen
2020-09-08T13:07:27+00:00
2020-09-08T13:07:28+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/das-kopftuch-und-die-neutralitaet/
Nach der Wahl - Was uns Niedersachsen und Österreich lehren
Vergessen wir als erstes einmal all das übliche Geschwätz, mit dem Wahlgewinner und Verlierer das Ergebnis in Hannover in ihrem Sinne interpretierten. Lassen wir auch den Blick auf die anstehende Regierungsbildung – bleiben Grüne und FDP ihren Aussagen treu und bekommen nicht die Grünen am Ende unverdient ein paar Sitze über den Durst, läuft es auf die rotschwarze Koalition hinaus. Mit dem Gewinner Weil und dem Verlierer Althusmann an der Spitze. Schauen wir also lieber auf das, was uns das Wahlergebnis lehrt. Da ist als erstes der Merkel-Malus. Denn so dürfen wir ihn mittlerweile bezeichnen, diesen Klotz am Bein der Union, der ihr jeden Schritt zur Qual macht. Aber auch Spitzenkandidat Althusmann war nicht jener Stern, der Wechselwähler zur CDU hätte holen können. Während der Afrika-Heimkehrer nicht zu überzeugen vermochte, hat Weil – das muss man neidlos anerkennen – einen guten Wahlkampf gemacht. Ganz auf Landesvater, ausgewogen und bedächtig. Sowas kommt gut an im größten Flächenland Norddeutschlands. Was, das nur am Rande, nur wenig damit zu tun hat, wie er seinen Regierungsjob tatsächlich ausübte. Doch im direkten Vergleich mit dem Unionsmann sah er einfach besser aus und wirkte überzeugender. Und dann war da ja auch noch dieser „Sowas-tut-man-nicht“-Effekt, den Weil immer wieder genüßlich hochfuhr. Dieses Geschichte mit der einen grünen Stimm, die aus Frust zur Union wechselte und dem MP damit die Regierungsmehrheit zerstörte. Schauen wir nun auf die kleinen Parteien. Die Grünen sind zwar immer noch halbwegs gut bedient, aber unter dem Strich heftig abgeschmiert. Dabei hatte der Übertritt der grünen Abgeordneten zur Union im Zweifel eher der Union als den Grünen geschadet. Aber er hatte auch deutlich gemacht: Niedersachsens Grüne sind Trittins Grüne. Also fest in der Tradition der maoistischen Systemüberwinder des Kommunistischen Bundes Westdeutschlands verankert. Deren Anhängerschaft allerdings, für die Ökologie immer nur Mittel zum Kampf gegen die bürgerliche Ordnung gewesen ist, kann sich nur schwer mit der Vorstellung einer Bundes-Koalition mit den aus ihrer Sicht „rechten“ Parteien CDU und FDP anfreunden. Jene Grünwähler von den Bundestagwahlen, die nun zur SPD gegangen sind, wollten sicherstellen, dass ihre Stimmen nicht ungewollt bei der Union landen. Kein gutes Omen für die Koalitionsverhandlungen in Berlin – auch wenn sich Özdemir, Göring-Eckardt und andere schon geistig auf dem Ministerstuhl sehen. Womit wir nun noch einen kurzen Blick auf die großdeutschen Nachbarn im Südosten werfen wollen. Dort hat der junge Sebastian Kurz die Republik gerockt. Gemeinsam mit der FPÖ wird er nun daran gehen können, die rote Republik der vergangenen Jahrzehnte Stück für Stück wieder auf den Weg der europäischen Tradition zu führen. Merkel und Macron wird das nicht gefallen. Noch weniger gefallen aber kann das auch dem deutschen Linkskartell nicht. Denn Kurz hat genau das getan, was der Union in der Bundesrepublik als potentielle Todsünde medial gestützt untersagt werden soll: Das Aufgreifen der Sorgen der Bürger, indem Themen in den Mittelpunkt der politischen Diskussion gestellt werden, die in Deutschland den von den Altparteien vernachlässigten Wählern unter den Nägeln brennen. Kurz kann nun ohne das Bremserhaus SPÖ den Kurs Österreichs zurück zu einer Politik für Österreich führen. Er hat gezeigt, dass die linksgrüne Politik zu überwinden ist, wenn Problembewusstsein statt Ideologie in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung gestellt wird. Wie man das Vertrauen der Wähler gewinnen kann, hat der Österreicher Kurz vorgemacht. Und er hat damit auch schon einmal gezeigt, wohin die Reise in den kommenden Jahren in Deutschland gehen kann – unabhängig davon, ob das Siechtum bundesdeutscher Politik noch einige Jahre weitergehen wird. In Österreich und den Visegrad-Staaten wird die Rückbesinnung auf die Werte der europäischen Zivilisation nun forciert ihren Weg gehen, während sich die Bundesrepublik regierungsamtlich weiter damit beschäftigen wird, die linksgestrickte Illusion von einer schönen, neuen Welt in einem Spiel ohne Grenzen zu leben.
Sofia Taxidis
Der Kontrollverlust der Bundespolitik in Sachen Völkerwanderung wird der Bundespolitik angelastet – nicht den Parteien in Niedersachsen.
kolumnen
2017-10-16T08:17:11+00:00
2017-10-16T08:22:40+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/spahns-spitzwege/nach-der-wahl-was-uns-niedersachsen-und-oesterreich-lehren/
"Spiegel" fällt über Richling her: Einheitsmeinungsführer
Mit einem schreibenden Kollegen bespreche ich meine Empörung darüber, dass selbst mit guten Bekannten kaum noch eine Debatte mehr möglich ist, zu verhärtet erscheinen die Fronten auf der anderen Seite des Tisches. Der Kollege winkt fast resigniert ab und meint, man müsse eben bei vielen Gesprächen Politik ausklammern, weil es einfach keinen Sinn mehr macht. Aber ist das nicht schon dieses dissonante Grundrauschen aus undemokratischen Gesellschaften? Was war der Anlass des Gesprächs? Ich hatte auf meiner täglichen Runde mit dem Hund einen Bekannten getroffen, mit dem ich mich über ein Interesse an dessen Hobby angefreundet hatte: Der gute Mann züchtet seltene Haustierrassen auf eingezäunten Wiesen am Wegesrand, was unserem Hund anfangs gar nicht gut gefiel. Also kam man über das Bellen hinweg ins Gespräch. Ein Pensionär, der im Beamtenstatus auf Lebenszeit tätig war und nun seinen komfortablen Ruhestand genießt und mit so einem interessanten Hobby ausfüllt. Man kann aber nicht ewig beispielsweise über das Coburger Fuchsschaf sprechen, das wohl so heißt, weil es eine rotbraune Wolle trägt. Und es kam, wie es kam, und zu Corona. Er wüsste nicht mehr, ob er es schon erzählt hätte, aber er wäre ja lange Jahre Kommunist gewesen, erzählt der Beamte. Wie er da eigentlich die Berufsverbote der 1970er Jahre überstanden hatte, frage ich lieber nicht nach. Ich staune viel mehr über seine Aussage, er lese nur noch den Spiegel, mehr bräuchte er nicht, da stehe ja alles drin, die Hefte würden sich sogar stapeln, er käme nicht hinterher. Der eingangs erwähnte Kollege hat wohl Recht: Bestimmte Themen müssen immer öfter ausgeklammert werden. Jedenfalls dann, wenn man beim Gegenüber ein Mindestmaß an Akzeptanz einer gegenteiligen Haltung nicht mehr vermuten darf. Wer nun dachte, die Diskussionskultur sei nur in der Massenzuwanderungsthematik aus dem Ruder gelaufen, der sieht jetzt bei den Diskussionen um die Corona-Einschränkungen der Regierung die Verächter demokratischer Debatte im zweiten Durchgang angekommen. Nein, eigentlich sogar schon in der dritten Runde, nimmt man die Verunglimpfung der Skeptiker der Klimapokalypse noch hinzu. Aber schauen wird doch mal, was besagter verbeamteter Ex-Kommunist (was für ein Klischee eigentlich, aber er steht doch vollkommen leibhaftig da in seinem Ziegengehege) im Spiegel liest zu Corona. Und da muss man dann schlucken, wie man eben schluckt, wenn es noch ärger kommt, als gedacht. Da schreibt aktuell eine Autorin namens Anne Haeming eine TV-Rezension der letzten Maischberger-Sendung. Und sie muss es schreiben für diejenigen, die die Sendung nicht gesehen haben. Nein, nicht um diese Nichtschauer zu informieren, sondern weil jeder, der geschaut hat, doch weiß, was für einen gefährlichen Unsinn in vielerlei Hinsicht die Autorin da verzapft hat: Wer so etwas schreibt (wir kommen gleich dazu), der fordert nämlich den netten Ziegenzüchter und andere Leser dazu auf, den Graben quer durch die Gesellschaft noch einmal tiefer zu ziehen. In betreffender Maischberger-Sendung war der Kabarettist Mathias Richling zu Gast und fiel damit auf, Regierungsmaßnahmen ansatzweise kritisch zu betrachten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger – und kaum spektakulär. Für die Spiegel-Autorin war das allerdings wider Erwarten „gefährlich viel Raum für Corona-Leugner und einen Kabarettisten, der Covid-19 mit der Grippe vergleicht.“ Ja, das steht da so. Und zunächst reibt man sich verwundert die Augen, wo die Gefahr sein soll, denn diesen Vergleich hatten auch Minister und Medien noch vor Wochen exakt so getan. Und selbst, wenn nicht. Wo stände geschrieben, dass 100.000-Grippe-Tote in einem Jahr weniger tot wären, als Tote durch das Corona-Virus? Und das muss also weg, das ist pfui. Richling hätte gesagt, da demonstrieren „besorgte Bürger“, dabei waren es laut Spiegel „Menschen, die die Pandemie für eine Verschwörungstheorie halten, linke Impfgegner, Rechtsextreme“. Und weil es sich anbietet, wird Mathias Richling von Autorin Haeming auf eine Weise diffamiert, die selbst für den Spiegel eine Eskalation bedeutet, wenn Richling zunächst beruflich diskreditiert wird: „Ein Regional-Kabarettist aus Baden-Württemberg“ und weiter „lustig war es eh nicht“, was Richling so macht. Bei Richling würde „das Muster, das bei der AfD so durchschlagenden Erfolg hat“, nun wieder auftauchen. Und weiter: „Wer Faschisten in eine Diskussionsrunde einlädt, legitimiert sie und ihre Positionen.“ Und Faschist ist hier offenbar für die Autorin der Komiker! Man will es nicht glauben. Denn weiter heißt es da: „Wer also nun jemanden in Talkshows Raum gibt, der die Demonstrierenden freundlich „besorgte Bürger“ nennt“ usw. Ein weiteres Spiegel-Fazit jedenfalls: Wer so jemanden einlädt, „der überlässt verantwortungslos viel Raum für Realitätsverweigerung“. Aber wir sind noch gar nicht am Ende der Fahnenstange der Diffamierung angekommen, denn Mathias Richling ist über 60 Jahre alt, da bietet sich für die Autorin an, noch mehr Häme und Dreck auszuschütten: „Motto der Redaktion wohl: Es haben noch nicht alle alten weißen Männer der Republik was zur Lage gesagt …“. Jetzt erinnern wir uns mal an unseren auf Lebenszeit verbeamteten Hobby-Ziegenzüchter zurück, der auch noch Kommunist auf Lebenszeit sein möchte und darin überhaupt keinen Widerspruch erkennen mag. Der ist nun aber ebenfalls schon  ein alter weißer Mann, sein Haupt sogar richtig schön weiß. Vielleicht auch deshalb, weil er sich selbst unentwegt Asche aufs eigene Haupt streut, weil eben das sein großes Manko ist: Er ist leider alt und sitzt potenziell mit diesem bösen Komiker in einem Boot. Also lebenslang auch noch Spiegel-Abo und sonst nichts, man will ja nicht auf falsche Gedanken kommen. Das Fazit hier soll nun sein: Nein, mit Einheitsmeinungsführern lässt sich keine Debatte führen. Es lohnt tatsächlich nicht mehr. Sie müssen aber als solche benannt werden, selbst dann noch, wenn es eine endlose Litanei wird, wir Journalisten dürfen daran nicht müde werden. Unbelehrbaren ist nicht zu helfen, wenn diese nicht mehr erreichbar sein wollen, es gibt aber viele freiheitlich denkende Menschen, für die Demokratie eben vor allem eines ist: Lebenselixier und Streit um die beste Position im positivsten Sinne. Eben der Austausch von Positionen als Mehrwert für alle. Der Spiegel beendet seinen Artikel mit einem Hinweis auf eine Sendung, in der wirklich einmal „Tacheles“ geredet werden würde. (Was hatte zuvor der Kabarettist eigentlich getan außer Tacheles zu reden?) Jedenfalls empfiehlt die Autorin vom Spiegel ihren Lesern – unter ihnen, das immerhin wissen wir jetzt, auch ein Ziegenzüchter – „Joko und Klaas“ – zwei nur in Zeitlupe alternde TV–Komiker, die sich eine Sendung lang um Gewalt gegen Frauen kümmern. Daran muss nichts falsch sein. Was so entsetzlich falsch ist, kann man allerdings rund um diese Empfehlung im Spiegel nachlesen: Einheitsmeinung als Medienauftrag.
Redaktion Tichys Einblick
Der "Spiegel" ist offenbar die optimale Lektüre für Leser, die von offener Diskussion die Nase voll haben. Da empört man sich, dass Maischberger einen Komiker zu Wort kommen lässt, der da Regierungshandeln ansatzweise kritisch betrachtet.
kolumnen
2020-05-14T15:18:38+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/alexander-wallasch-heute/einheitsmeinungsfuehrer/
Als Ob
Zwei Silben genügen, um den Zustand der deutschen Politik hinreichend zu beschreiben. Als ob das, was in Berlin geboten wird, irgend etwas mit Prinzipienfestigkeit, Klarheit, Struktur und Konzept zu tun habe. Stellen sich Merkel und Schulz überhaupt die Zukunft Deutschlands vor? Und falls ja, wie und weshalb? Wahlkampf sollte in der Demokratie eine Zeit sein, in der offen über alles diskutiert wird. In Deutschland ist das aus der Mode gekommen. Es wird nur so getan als ob. Und auch, als ob die Hauptpersonen so etwas wie eine echte Alternative wären. In den Fernseh-Nachrichten ist immer noch vom „Präsidialsystem“ die Rede, das Erdogan in der Türkei einführen wolle. Ein Präsidialsystem haben auch Frankreich und die USA, Demokratien ohne wenn und aber, mit Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit. In der Türkei steht dagegen nicht weniger auf der Tagesordnung als die Abschaffung der Demokratie. Die Deutschen kennen diesen Vorgang als „Ermächtigungsgesetz“. Eine Demokratie schafft sich unter Ausübung rechtswidriger staatlicher Gewalt selbst ab. Warum also der grotesk verharmlosende Begriff Präsidialsystem? Die Leisetreterei der Bundesregierung hat durchaus ein Pendant in den Medien. Angela Merkel lässt sich loben. „Lieber das Gesicht verlieren als die Geduld“ rühmt Die Zeit ihr staatsmännisches Geschick, das als Deeskalation ausgegeben wird. Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Kirchhof, hat dagegen klargestellt, dass es sehr wohl das Recht der Bundesregierung wäre, türkischen Politikern die Einreise zu verbieten. Auch für Erdogan gilt das Völkerrecht, wonach politische Kämpfe auf fremden Territorien verboten sind. Statt dessen müssen lokale Behörden im Kleingedruckten stochern und Deutschland sich von türkischen Despoten als Nazis beschimpfen lassen. Die EU zahlt weiter Milliarden an die Türkei als Vorbereitungshilfe für den immer noch nicht abgeblasenen EU-Beitritt. Deutschland lässt zu, dass sechs deutsche Staatsbürger rechtlos eingesperrt sind. Deeskalation? Die Bundesregierung schaut seit Jahrzehnten zu, wie sich ein großer Teil der Einwanderer aus der Türkei jeder Integration verweigert, und wie Erdogan systematisch Islamismus und Nationalismus unter Deutsch-Türken propagiert. Die „Schluss-mit-der-Türkei-Fraktion“, aber schreibt Die Zeit, sei hierzulande am „rechten und linken Rand“ zu finden. Gut, dann zählt Bundestagspräsident Lammert zum „rechten Rand“. Er hat Merkel mit ihrer Verharmlosungsrede im Bundestag warten lassen und erst einmal selbst das Nötigste zur Türkei gesagt. Merkel bringt sich erneut durch Nichthandeln in Schwierigkeiten und gibt dies als Charakterstärke aus. Als Ob als Führungsprinzip. Als ob sich die deutschen Wähler davon erneut täuschen ließen. Noch ist er nicht der neue Kaiser. Aber seine neuen Kleider führt er schon einmal vor. Die Menge applaudiert Schulz, dem Phänomen. Er steht für eine vermeintliche Wechselstimmung, deren Besonderheit darin besteht, dass die Mehrheit der Bevölkerung wohl eher Angst vor einem wirklichen Wechsel hat. Die Welt wandelt sich schon zu sehr. Aber da ist zugleich das Gefühl, dass es nicht so weiter gehen kann wie mit Angela Merkel. Ein Wechsel, der Deutschland bewahrt, ein Wechsel gegen den Wechsel – das wäre das Ei des Kolumbus. Komischer Weise trifft Schulz genau diese Stimmungslage. Er ist der Als-ob-Wechsler. Die Korrekturen der Arbeitslosenversicherung, die Schulz mit viel Getöse proklamiert, sind kleinere, unbedeutende, mehr symbolische (Arbeitsgeld Q) Gesten. Sie bedienen eine Stimmung, nehmen aber die bisherige SPD-Politik nicht wirklich zurück. Die Sozialdemokraten sind nach wie vor Regierungspartner im Kabinett Merkel. Dank Schulz aber gelingt es ihnen, so zu tun, als ob sie plötzlich die wichtigste Oppositionspartei seien. Die „Martinmania“, schrieb der Münchner Soziologe Stephan Lessenich in der Süddeutschen Zeitung, sei das Symptom eines „gigantischen gesellschaftlichen Selbstbetrugs“. Dahinter stecke die irrige Ansicht, die Sozialdemokratie könne weiter machen wie bisher, wenn nur der neue Name an der Spitze Schulz laute. Schulz lässt sich noch immer verkaufen, als ob er wie Robin Hood aus den Wäldern komme und es nun mit dem Establishment aufnehme. Der Mann ist mit allen Fasern nie etwas anderes gewesen als Establishment. Obwohl das einzige Feld der Politik, auf dem er sich Kompetenz erworben hat, die Europapolitik ist, hat der Europapolitiker Schulz derzeit nichts zu sagen. Ahnt er, dass er als Brandstifter jetzt nicht so tun darf, als ob er ein ausgebildeter Feuerwehrmann sei? Schulz weiß, dass er erstens mit dem Thema Europa im Wahlkampf keinen Blumentopf gewinnen kann, und zweitens, dass sich seine Position von der Europapolitik Merkels nicht unterscheidet. Beide geben mit ihrem halbgaren Weiter-So-Reform-Gewurstel der wachsenden antieuropäischen Stimmung in Deutschland Nahrung. Beide sprechen die Existenzkrise der EU nicht wirklich an, sondern tun nur so als ob. Ihre Politik hat einen Bart, ob sie ihn im Gesicht tragen oder nicht.
Mit Schulz gelingt der SPD, so zu tun, als ob sie Oppositionspartei sei. Ihre und der Union Politik hat einen Bart, ob sie ihn im Gesicht tragen oder nicht.
kolumnen
2017-03-11T06:36:01+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/herles-faellt-auf/als-ob/
Seine Ausfälle gegen Israel zeigen, wie verzweifelt PLO-Chef Abbas ist
Wie verzweifelt PLO-Chef Mahmoud Abbas sein muss, hat er Olaf Scholz und der ganzen Welt am Dienstag im Bundeskanzleramt zu Berlin bewiesen. Der alternde Araber muss erkennen, dass sein Lebenswerk, einen eigenen Staat mit der Hauptstadt Jerusalem zu gründen, gescheitert ist. Verlassen von seinen eigenen Glaubensbrüdern sieht er, wie sie, die ihn einst unterstützt und finanziert haben, verstärkt ins Lager Israels gewechselt sind. Und das ist erst der Anfang eines wachsenden Judenstaates, der stärksten Wirtschafts- und Militärmacht in der Nahostregion, einer Demokratie, eines Rechts- und Sozialstaats. Abbas’ Traum ist ausgeträumt. Der jüdische Traum ist Wirklichkeit geworden. Es beginnt schon mit der Anreise aus Ramallah. Er muss in einem gepanzerten Auto mit schwerbewaffneten Leibwächtern von seinem Wohnsitz durch Judäa und Samaria nach Amman reisen, wenn er die Region verlassen will. Die Leibwächter schützen ihn nicht vor Israel, sondern vor seinen eigenen Landsleuten, die Hamas, Hisbollah, palästinensischer islamischer Jihad heißen.  Die flanierenden Gäste aus Abu Dhabi, Dubai, Manama oder Rabat haben vielleicht eine der fünf Meerwasser-Entsalzungs-Anlagen besichtigt, die Millionen von Menschen in Israel und in der Region mit Trinkwasser versorgen. Oder haben einen Manager der Firma Chevron getroffen, die Erdgas aus israelischen Offshore-Anlagen für Israel, Ägypten und Jordanien fördert. In naher Zukunft vielleicht auch für Europa. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass Israel mit Griechenland und Zypern zu einem Energie-Konglomerat zusammenwachsen. Selbst die Türkei will Teil dieser Entwicklung werden. In den Berichten der Bank of Israel lesen sie, dass die Inflation in Israel halb so hoch wie im Rest der Welt ist und dass 2021 Investoren aus allen Kontinenten 25 Milliarden US-Dollar in über 9000 israelische Start-ups investiert oder sich für eine der über 400 Forschungseinrichtungen interessiert haben.  Sie staunen vor Bewunderung, dass Israels Außen-Handelsbilanz erstmals zu 52 Prozent aus Dienstleistungen und 48 Prozent aus Waren besteht. Hinter diesen Zahlen versteckt sich die Tatsache, dass Tel Aviv in der Software-Entwicklung ein Weltzentrum ist, bestätigt durch den Vorstandsvorsitzenden des amerikanischen Chip-Herstellers INTEL. Über 50 Prozent des 76-Milliarden-Umsatzes machen die in Israel entwickelten Algorithmen aus. Der Terror belastet Israel. Allein in diesem Jahr sind mehrere Dutzend Menschen willkürlich ermordet worden. Aber in diesem Jahr werden wieder 190.000 Kinder geboren und die Einwanderung aus Russland und der Ukraine nimmt wieder zu, fast wie in den Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Der arabische Terror belastet Israel, aber er ist keine existenzielle Gefahr. Mit Abbas’ Verhalten, seinem Ausraster am Mikrophon neben Olaf Scholz und vor der Weltpresse, werden sich Psychologen, Psychiater und andere Fachmediziner beschäftigen müssen, aber nicht Politiker. In den Hauptstädten Europas, in der EU und in den UN muss aber spätestens jetzt klar sein, dass jeder Dollar, der an die PLO und ihre Unterorganisationen überwiesen wird, rausgeworfenes Geld ist, das keinem Araber in der Nahost-Region nützt.  Die Frage des Journalisten in Berlin, ob er, Mahmoud Abbas, bereit sei, 50 Jahre nach dem Anschlag auf die israelischen Sportler bei den Olympischen Spielen sich zu entschuldigen, war der Auslöser für den Eklat, Israel habe „50 Holocausts“ an Palästinensern begangen. Abbas hat damit der Welt offenbart, dass er in einer anderen menschlichen Galaxie lebt, fern jeglicher Humanität. Er ist auch an seinem Lebensende nicht bereit, vielleicht nicht fähig, in die Familie derjenigen aufgenommen zu werden, die aus unserer angeschlagenen Welt einen besseren Platz machen wollen. Die Welt mag schockiert sein. Für Israel ist der Fall keine Überraschung. Kein Grund, sich zurückzulehnen. Aber ein Beweis, dass Israel und seine neuen arabischen Freunde unterstützt durch die USA auf dem richtigen Weg sind.
Ferdinand Knauß
Der Auftritt von Palästinenser-Chef Mahmoud Abbas in Berlin mit seinen Beleidigungen gegen Israel offenbart nur die Verzweiflung eines gescheiterten Mannes. Spätestens jetzt wird klar, dass Geldgaben an die PLO keinem Araber in der Nahost-Region nutzen. 
kolumnen
2022-08-17T11:57:22+00:00
2022-08-17T15:33:52+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/abbas-israel/
EU-Wahlkampf bei Hart aber Fair: Krieg der Charmebolzen
Nach einem kurzen Pfingsturlaub ist Louis Klamroth wieder zurück auf dem Bildschirm, um uns alle philosophieren zu lassen, was Luisa wohl an ihm findet. Hart aber Fair ist wohl die einzige Sendung im gesamten ÖRR, was in mir persönlich die Verschwörungstheorie auslöste, dass es sich hierbei wohl um eine vorher aufgenommene Show handelt, weil bei ihr als einziger nicht über Sylt gesprochen wurde. Wobei – dann wären wohl die Ton-Fehler und unerwünschten Echos rausgeschnitten worden und die Tatsache, dass man zwischendurch Anweisungen aus der Regie hören konnte, die man wohl eigentlich nicht hören sollte. Oder sollen wir das nur denken? Und falls Sie sich tatsächlich nicht angesprochen fühlen, sondern das Ansehen dieser Folge noch nachholen wollen – neben Barley sitzt Anton Hofreiter von den Grünen. Also bleiben Sie mal lieber schön hier. Auf der anderen Seite haben wir Leif-Erik Holm von der AfD, Fabio De Masi vom Bündnis Sarah Wagenknecht, den Journalisten Gordon Repinski und Julia Klöckner von der CDU. Jeder Anwesende scheffelt entweder schon eifrig Schotter nach Hause oder buhlt um Posten, die einen Haufen Geld einbringen. Der Journalisten Repinski, der aber auch nur für gefühlte fünf Sätze zu Wort kommen darf, dürfte da die einsame Ausnahme bilden. Trotzdem werden sie Ihnen allen schwören, dass sie das natürlich alles nur für Sie tun. Naja, wahrscheinlich nicht wirklich für Sie, denn Sie lesen diesen Text und qualifizieren sich damit für mindestens die Hälfte der anwesenden Parteien. Die Eurofighterin müsste für solche Fragen eigentlich gewappnet sein, sie hat sich auch eine Erklärung bereit gelegt, es ist trotzdem interessant, wie sie darauf umlenkt, darauf hinzuweisen, dass ihre Partei auch die einzige ist, die nicht mit Politikern wirbt, die nicht kandidieren. So etwa das Bündnis Sarah Wagenknecht mit Sarah Wagenknecht oder die SPD mit Olaf Scholz. Aber lesen Sie diesen Artikel heute morgen zum Frühstück wirklich, damit ich Ihnen aufzähle, dass sich auch kein FDP Politiker als Werbung eignen würde? Dass Lindner sich nicht mehr für Wahlplakate eignet, muss ich wohl niemandem erklären. Was könnte also interessanter sein als das Sudoku-Rätsel, das Sie jetzt stattdessen lösen könnten? Stattdessen verhält sie sich so, als hätte sie es sich aktiv zum Ziel gesetzt, so unangenehm, aggressiv und unflätig wie möglich zu sein. Sie wirkt damit nicht charakterstark und kämpferisch – sondern zanksüchtig und ätzend. Man muss an diese renitenten Rentner denken, die nur noch die Hälfte mitkriegen und einen grundlos im Supermarkt mit dem Einkaufswagen umfahren, wenn man zu nah an den Gurken steht. Manchmal fragt man sich, ob sie sich selbst noch reden hört, wenn sie plötzlich beschließt, über die anderen Gesprächsgäste drüber zu zetern. Wenn sie sich selbst nicht mehr zuhört, sehe ich keinen Grund, weshalb ich ihr dabei zuhören muss, wie sie sich auf Kosten der Zuschauer auskotzt. Bitte entschuldigen Sie die Wortwahl, wo Sie doch gerade Ihren Morgenkaffe trinken, aber da sind mir nun die Synonyme ausgegangen. Ich würde ja sagen, dass Anton Hofreiter eine ähnliche Strategie gefahren ist, aber das wäre ihm gegenüber nun wirklich unfair. Denn Anton H. hat ja nun wirklich schon Leute angebrüllt, als er noch im deutschen Parlament war. Mehrmal musste Klamroth ihn mit erhobenem Zeigefinger ermahnen, dass er sich nur selbst schadet, weil die Zuschauer ihn so doch gar nicht verstehen können. Dass man mir nun aber nicht den Vorwurf machen kann, ich würde dem Inhaltlichen völlig aus dem Weg gehen, möchte ich nun doch gerne meinen Lieblingsbeitrag auseinandernehmen. Dieser Vorwurf, das möchte ich nochmal zu Protokoll geben, wäre aber so oder so nicht fair, da mir die Anwesenden nicht wirklich etwas geliefert haben, womit ich arbeiten könnte, außer leerer Phrasen und Geschrei. Doch zum Glück hat Frau Barley sich an diesem Abend ganz besonders schlau gefühlt. Waren ihre Argumente spontan oder zurechtgelegt? Ersteres wäre weniger peinlich, doch die Art, wie sie mit ihren Fingern die „Argumente“ abzählte, weisen eher auf letzteres hin. Katarina Barley, das muss man wissen, bezeichnet sich zwar lieber als Europäerin denn als Deutsche – unter anderem weil sie zur Hälfte Britin ist, was sie ja super exotisch macht – doch wenn man sie länger über Europa sprechen hört, kann man sich eigentlich nicht mehr erklären, wo das herkommt. Denn eigentlich hat sie einen Privatkrieg mit fast jedem europäischen Politiker, über den sie spricht. „Also erstens, sie vereinnahmt gerade den Öffentlich-rechtlichen Rundfunk, was bisher in Italien so noch nicht passiert ist.“ Was sie damit meint und inwiefern es ein Argument sein soll, dass sowas in Italien „noch nicht passiert ist, bleibt sie dem unwissenden Zuschauer leider schuldig. „Zweitens versucht sie die bisher sehr starke unabhängige Justiz zu vereinnahmen.“ Auch dieses „Vereinnahmen“ will Barley uns leider nicht näher erläutern. Dann kommt der Coup: „Drittens, sie hat eine Parlamentsreform auf den Tisch gelegt, die weltweit einmalig ist. Sie will sich nämlich direkt vom Volke wählen lassen, gibt’s so nicht.“ Dass sie damit nicht mehr ohne weiteres vom Parlament abgewählt werden könne, ist nun der finale und eindeutigste Beweis gegen den Rechtsstaat. Das ist lustig. Nicht nur, weil Barley ganz offensichtlich panische Angst vor direkter Demokratie hat. Nein, sondern weil Barley in ihrer Juristen-Vorzeige-Vita vorzuweisen hat, dass sie 1990 ihr Auslandsstudium in Paris mit dem Diplôme de droit français, dem Diplom im französischen Recht abgeschlossen hat. Zugegeben, das auch schon wieder dreißig Jahre her. Aber sind dreißig Jahre wirklich genug, um eine erfahrene Juristin und leidenschaftliche Europäerin vergessen zu lassen, dass der französische Präsident auch direkt vom Volk gewählt wird und auch nicht ohne weiteres vom Parlament abgewählt werden kann? Dass also das, was sie ihren leicht zu beeindruckenden Wählern als Ermächtigungsgesetz einer Faschistin und „weltweit einmalig“ verkauft, gar nicht so weltweit einmalig ist, sondern von unseren direkten Nachbarn praktiziert wird? Leider können wir Frau Barley das nicht fragen. Und keiner im Studio, Klamroth schon gar nicht, ist darauf gekommen, das wenigstens Faktenchecken zu lassen. Ist ja kein Problem, Frau Barley ist ja auch nur Vizepräsidentin des EU-Parlamentes.
Fritz Goergen
„Herr Hofreiter! Her Hooofreiter. Herr Hofreiteee! Herr Hofreiter! Herr Hofreiter und Frau Klöckner! Und Herr De Masi und Frau Strack-Strack-Zimmerman! Sie machen sich alle hier keinen Gefallen, wenn Sie immer hier durcheinander reden, weil dann die Zuschauer nichts mitbekommen.“
feuilleton
2024-05-28T06:17:06+00:00
2024-05-28T10:39:27+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/eu-wahlkampf-hart-aber-fair/
Ärzte-Protest gegen Lauterbach: Geschlossene Praxen drohen zwischen Weihnachten und Silvester
Auf der Internetseite des Virchowbundes heißt es: „Wir geben unseren Medizinischen Fachangestellten in dieser Zeit frei – als Dankeschön für ihre harte Arbeit und als Ausgleich, weil sie bis heute keinen staatlichen Corona-Bonus erhalten haben.“ Aus diesem Grund blieben die Praxen an den Werktagen zwischen Weihnachten und Silvester geschlossen. Dies sei auch ausdrücklich ein „Protest gegen die Gesundheitspolitik von Karl Lauterbach“. Dem werfen sie einerseits vor, die Ärzte wirtschaftlich auszuhungern. Vor allem geht es um die „Fallpauschalen“. Niedergelassene Ärzte werden nur für eine bestimmte Anzahl an Behandlungen jeder Krankheit bezahlt. Kommen mehr Patienten mit dieser Krankheit, müssen Ärzte diese entweder kostenlos behandeln – oder entgegen ihres Berufseides unbehandelt nach Hause schicken. Auch klagen die Ärzte über bürokratische Gängelungen. Die haben entgegen ständiger Beteuerungen nicht ab-, sondern zugenommen unter der Ampel und deren Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Der wiederum äußert sich über den Protest der Ärzte: Er habe Verständnis, wenn die Ärzte mit der Finanzierung nicht zufrieden seien, aber nicht wenn sie aus Protest Praxen geschlossen ließen. Für den Minister ist es also okay, wenn die Ärzte seine Politik verheerend finden, solange sie dies nicht kundtun. Regierungsnahe Medien transportieren Lauterbachs Unverständnis nun als Schlagzeile. Auch und vor allem die Medien, die über den Protest des Virchowbundes ursprünglich nicht berichtet haben. Da scheint Einigkeit zwischen Regierung und regierungsnahen Medien in dem Punkt zu bestehen, dass es in einer Demokratie das Recht von Medien und Politik ist, die Bürger zu kritisieren – aber nicht umgekehrt.
Natalie Furjan
Zwischen den Feiertagen könnte es zu einem medizinischen Engpass kommen. Der Virchowbund hat seine Mitglieder dazu aufgerufen, die Arztpraxen für diese Zeit zu schließen. Minister Karl Lauterbach (SPD) zeigt sich empört.
daili-es-sentials
2023-12-22T13:56:42+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/aerzte-protest-gegen-lauterbach-geschlossene-praxen-zwischen-weihnachten-und-silvester/
Heiko Maas, die Rechtsextremisten und die Kippa
Auch Bundesaußenminister Heiko Maas nutzte die Gelegenheit, in der medialen Berichterstattungswelle um den Tod von Georg Floyd und die Black-Lives-Matter-Demonstrationen seine Botschaft zu setzen. Am 6. Juni veröffentlichte die BILD am Sonntag ein Interview mit dem SPD-Politiker unter der Überschrift: „Rassismus tötet nicht nur in den USA“. Den Interviewtext stellte das Auswärtige Amt auch auf seine Internetseite. Die Interviewer stellen ihm anfangs die Frage, wie Donald Trump auf seine, also Maasens Kritik an ihm wegen der Gewalt in den USA reagiert habe. Darauf geht Maas nicht ein – wahrscheinlich, weil es keine Reaktion des Präsidenten gibt – und antwortete stattdessen: „In Deutschland leben 30.000 Rechtsextremisten. Auch bei uns gibt es rassistische Übergriffe, schwarze Menschen werden diskriminiert, Juden wird die Kippa vom Kopf gerissen. Wir müssen zuerst mal vor der eigenen Haustür kehren. Rassismus tötet nicht nur in den USA.“ Durch die Erwähnung der „30 000 Rechtsextremisten“ und der Formulierung „Juden wird die Kippa vom Kopf gerissen“ legt er nahe, solche Übergriffe ereigneten sich in Deutschland sehr oft, die Täter seien Rechtsextremisten, und es handle sich um eine typisch rechtsextremistische Tat. Übergriffe auf Juden gibt es leider häufig in Deutschland. Auch von rechtsextremer Seite: Die Recherche- und Infostelle Antisemitismus Berlin (RIAS) ordnete für 2019 vier der von ihr registrierten 33 körperlichen antisemitischen Übergriffe in Berlin dem Rechtsextremismus zu. In den vergangenen Jahren geschah es auch immer wieder, dass antisemitische Täter Juden die Kippa vom Kopf rissen oder sie wegen einer Kippa in der Öffentlichkeit angriffen. In Polizei- und Gerichtsberichten, Medien und Chroniken von Organisationen lassen sich diese Fälle finden. Allerdings: Keiner passt in das Muster, das der Bundesaußenminister suggeriert. Neben dem spezifischen Angriff, den Maas erwähnte – Kippa vom Kopf reißen – gibt es in Deutschland eine sehr viel größere Zahl von Angriffen auf Juden in der Öffentlichkeit, beispielsweise folgende aus Berlin, und die sich in der RIAS-Chronik finden: Charlottenburg-Wilmersdorf, 26. Juli: Zwei Männer beschimpfen aus dem Fenster einer Wohnung einen Rabbiner als „Jude, Jude“. Kurz darauf spuckten die beiden Täter mehrmals in Richtung des Rabbi und seiner Kinder, die ihn begleiteten, und rufen Drohungen in arabischer Sprache. Charlottenburg-Wilmersdorf, 13. August: Zwei Männer beschimpfen einen Passanten, der ihnen wegen seiner Kleidung als orthodoxer Jude auffiel, auf Arabisch, und stießen ihn. Der Betroffene fiel vornüber und verletzte sich am Kopf und an den Beinen. 2. November: Ein Israeli spricht in der U8 auf Hebräisch eine Sprachnachricht in sein Telefon. Darauf sprach ihn ein Mann aus einer Dreiergruppe von Männern, die sich auf Arabisch unterhalten hatten, mit „Yahud“ an und versuchte ihn am Arm festzuhalten, als er aussteigen wollte. Der Betroffene konnte sich losreißen und davonlaufen. Fazit: Übergriffe, bei denen Juden die Kippa vom Kopf gerissen wurde, kommen in Deutschland leider vor, wenn auch nicht so häufig wie andere judenfeindliche Attacken. Die Täter bei den Kippa-Angriffen stammen, so weit bekannt, nicht aus dem rechtsextremen Milieu. Es sei denn, Heiko Maas definiert auch aggressive Antisemiten mit Migrationshintergrund als rechtsextremistisch. Nur: dann gäbe es in Deutschland deutlich mehr als die etwa 30.000 Rechtsextreme, die das Bundesamt für Verfassungsschutz zählt. Vor allem aber schlägt der SPD-Politiker eine besonders erschreckende Form des öffentlichen Angriffs auf Juden in Deutschland, die es, siehe oben, durchaus gibt, ohne Belege pauschal dem Rechtsextremismus zu, und spart damit den Antisemitismus von arabisch-muslimischer Seite komplett aus, während er über Rassismus in der Bundesrepublik spricht. TE fragte den Bundesaußenminister, welche Fälle aus Deutschland ihm bekannt sind, in denen rechtsextreme Täter Juden die Kippa heruntergerissen hätten – und wie er den Begriff „Rechtsextremisten“ definiert. Auf die Anfrage antwortete Heiko Maas bisher nicht. Falls er sich äußert, reicht TE die Reaktion des Ministers gern nach.
Sofia Taxidis
Der Außenminister springt auf die Black-Lives-Matter-Debatte auf – mit einer stark verzerrten Darstellung antisemitischer Straftaten in Deutschland.
daili-es-sentials
2020-06-08T16:32:23+00:00
2020-06-08T16:32:24+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/heiko-maas-die-rechtsextremisten-und-die-kippa/
Was uns Amerika gerade zeigt
Amerika handelt pragmatisch und zeigt der ganzen Welt, dass wirkliche Veränderungen möglich sind, wenn man denn tatsächlich will. Die Regierung Trump hat aus der ersten Amtszeit gelernt und sich dieses Mal sehr gut vorbereitet, um direkt von Anfang mit hohem Tempo die Nation und vor allem den Regierungsapparat umzukrempeln. Nichts ist in Stein gemeißelt, alles steht zur Disposition. Trumps Vorgänger im Präsidentenamt wie Bush, Clinton, Obama oder Biden haben zwar hier und dort mal Dinge verändert, ließen jedoch die Grundstrukturen unangetastet. Die Staatsverschuldung und Staatsquote wurden immer höher. Die Staatsverschuldung und die Staatsquote wuchsen stetig. Lobbygruppen und Regierungsbeamte arbeiteten eng zusammen, um die bestehenden Machtstrukturen zu bewahren und vor allem den finanziellen Fluss in ihre eigenen Reihen zu sichern. Die Reaktion der Profiteure des alten Systems ist erwartungsgemäß geprägt von Panik, Ablehnung und massiver propagandistischer Einflussnahme durch verbundene Massenmedien. Ich analysiere täglich die US-Presse und stelle fest, dass rund 80 Prozent der Artikel über die neue Regierung nicht auf fundierter Berichterstattung beruhen, sondern gezielt Meinungen formen sollen. Genau auf diese Weise wird die Trump-Regierung auch in Europa und insbesondere in Deutschland von den Medien vorverurteilt. Robert F. Kennedy Jr. wird in den Medien als skurril dargestellt – mit absurden Geschichten über Würmer im Kopf oder einen Bären als Mahlzeit. Ziel dieser Berichterstattung ist es, ihn unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Verschwiegen wird hingegen, dass er sich lediglich gegen die Corona-Impfung ausgesprochen hat, nicht aber gegen bewährte Impfungen wie Tetanus. Als künftiger Gesundheitsminister will er gesunde Ernährung für Schulkinder fördern, Sport unterstützen und die grassierende Fettleibigkeit bekämpfen. Er lebt selbst vor, was er einfordert, und setzt sich aktiv gegen die Macht der Pharmalobby ein – ein Kampf, der angesichts der massiven Gesundheitsprobleme der Bevölkerung dringend notwendig ist. JD Vance wird fälschlich als radikaler Abtreibungsgegner dargestellt. Tatsächlich unterstützt er Abtreibungen in bestimmten Fällen – etwa im Falle einer Vergewaltigung, bei schwerwiegenden Behinderungen des Kindes oder bis zur zwölften Schwangerschaftswoche. Die bisherige Regelung, die Abtreibungen bis zum sechsten Monat erlaubt, stellt für viele inklusive dem Autor jedoch eine ethische Grenze dar. Elon Musk wird oft als irrationale Figur dargestellt, doch er ist ein hochdisziplinierter Visionär. Seine strategische Effizienz, die ihn zum reichsten Menschen der Welt gemacht hat, bringt er nun auch in politische Prozesse ein. In Deutschland ist es ebenso unmöglich, den aufgeblähten Staatsapparat oder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von außen heraus zu reformieren. Trump hat dieses Problem erkannt und setzt gezielt Maßnahmen um, um überflüssige Bürokratie abzubauen. Deutschland leidet unter Parteiklüngel, Postengeschachere und einer aufgeblähten Bürokratie. Notwendig sind ein ehrlicher Realitätscheck und entschlossene Reformen im Sinne der Bürger. Die Weigerung der CDU, dem Wunsch vieler Bürger nach einem Bündnis mit der AfD nachzukommen, resultiert nicht aus Angst vor einer Zusammenarbeit mit Extremisten, sondern aus eigennützigen Machtinteressen und den verfestigten Strukturen des Parteiensystems. Friedrich Merz betreibt reine Showpolitik. Er greift AfD-Positionen auf, um Wähler zu gewinnen, obwohl er letztlich mit der Ampel weiterregieren wird. Seine Wahlversprechen bleiben leere Rhetorik. Die derzeitige Regierungsspitze – Scholz, Habeck, Baerbock, Lindner, Esken, Faeser – steht exemplarisch für das Versagen des politischen Systems: Unwissenheit, Inkompetenz und mangelnde Führungsstärke dominieren. Die Liste an Skandalen – von Wirecard über Cum-Ex bis hin zu Habecks Agieren beim Abbruch der Kernkraft und damit sicheren, bezahlbaren Energieversorgung des Landes bis zu Baerbocks Visa-Affäre – ist lang. Doch anstatt Verantwortung zu übernehmen, kandidieren dieselben Politiker erneut, obwohl sie in zentralen Fragen wie Migration und innere Sicherheit, Energieversorgung und Ukraine-Krieg eklatant versagt haben. Diese Realitätsverzerrung wäre ohne die anhaltende, gezielte Desinformation durch öffentlich-rechtliche und weitere begleitende Medien kaum möglich. Staatlich auch monetär unterstützte Proteste gegen die AfD nach jeder Gewalttat durch islamistische Täter sind nichts als durchschaubare politische Inszenierungen. Das Duell Scholz gegen Merz hat bestätigt: Politische Veränderungen sind wenn, dann nur kosmetischer Natur. Anstatt echte Reformen mutig, konsequent und entschlossen anzugehen, verharrt die Politik in minimalen Anpassungen, während Sicherheit und Wohlstand gleichermaßen weiter erodieren. Die Migrationsdebatte sollte sich nicht darum drehen, was für Migranten getan werden kann, sondern welchen Beitrag sie für die Gesellschaft leisten. Wer weder wirtschaftlichen noch gesellschaftlichen Nutzen in die Gesellschaft, in die er einwandern will, einbringt – stattdessen Sicherheitsrisiken erhöht –, sollte konsequent und effizient abgeschoben werden, auch ohne Rücksicht auf die Länder, in die wir die Migranten zurückführen. Arbeitspflicht für Migranten: Wer sich einer zumutbaren Arbeit verweigert, muss mit unmittelbarer Abschiebung rechnen. Straffällig gewordene Migranten müssen sofort inhaftiert und samt Familie binnen einer Woche abgeschoben werden. Deutschland steht inmitten einer dramatischen Migrationskrise, die schnelles und entschiedenes Handeln erfordert. EU-Vorgaben sind in einer nationalen Notlage zweitrangig, und Migranten müssen bereits in sicheren Drittländern aufgehalten werden. Abschließend einige weitere Vorschläge: Viele werden diese Aussagen reflexartig als „rechts“ abtun – ein Resultat gezielter Meinungssteuerung durch Medien und Politik. Dabei war ich lange Jahre Wähler von Rot und Grün. Ein kritischer Blick und intensive Lektüre, auch die englischsprachiger Medien, zeigen, dass die Realität komplexer ist – ein Detail, das unserer Außenministerin offensichtlich entgeht. Uwe Boll ist ein deutscher Regisseur, Produzent und Drehbuchautor und bekannt für seine unkonventionelle Herangehensweise an gesellschaftspolitische Themen. Neben seiner Arbeit im Filmgeschäft äußert er sich regelmäßig kritisch zu politischen Entwicklungen und sorgt mit seinen scharfsinnigen Kommentaren für Diskussionen. X: @uweboll7 – Instagram: uwe_boll_films – Youtube: @uweboll9101
Sofia Taxidis
Amerika zeigt eindrucksvoll, dass tiefgreifende Reformen möglich sind, wenn man denn nur will – während in Deutschland politische Eliten Veränderungen blockieren. In diesem Beitrag wirft Uwe Boll einen kritischen Blick auf die politische Trägheit und zeigt, was echte Reformbereitschaft bedeutet.
gastbeitrag
2025-02-21T11:33:40+00:00
2025-04-02T11:48:31+00:00
https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/was-uns-amerika-gerade-zeigt/
Maischberger: CSU und Linke gegen geordnete Zuwanderung
Sandra Maischberger könnte ihre nächste Sendung dort fortsetzen, wo die gestrige schloss. Roland Tichy und – wenn ich es körpersprachlich richtig deute – die Moderatorin sind für ein Zuwanderungsgesetz: den geregelten Weg für Menschen von außerhalb in die EU. Ähnlich den Einwanderungsregeln der USA oder Kanadas soll das Angebot an Berufsqualifikationen von Zuwanderern mit der Nachfrage der Wirtschaft zur legalen Migration auf Zeit oder Dauer führen. Und damit das Asylrecht für seine wirkliche Aufgabe freimachen: die Hilfe für Kriegsflüchtlinge und Verfolgte. Mir fiel auf, dass sowohl Til Schweiger als auch Anja Reschke Zugangsbeschränkungen zur EU nicht gänzlich ausschlossen. Zwischen CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer und  der migrationspolitischen Sprecherin der Linken Sevim Dağdelen zeigte sich die denkwürdige Parallele: Beide wollen an der deutschen Regelungslage nichts ändern. Was bedeutet, dass weiter alle nach Deutschland Strebenden die Asylverfahren mit der Wirkung verstopfen, dass der Beginn der Eingliederung für jene, die bleiben dürfen, unnötig und zum Schaden für alle Beteiligten monatelang verzögert wird. Das Beharren auf dem Nadelöhr Asyl für alle ist verantwortungslos. Scheuer gab sich überzeugt, dass das bestehende Regelwerk ausreicht, um auch mit den stark steigenden Migrantenzahlen umgehen zu können. Der Vorwurf von Dağdelen, die Politik hätte sich schon vor langem auf die jetzige Situation einstellen müssen, weil die Entwicklung absehbar war, ist berechtigt. Tichy stimmte dem bei seiner ersten Äußerung zu. In der Folge blieb diese Frage außen vor: ein lohnendes Thema für eine nächste Runde bei Maischberger oder in einem anderen Format. Die rückwirkende Beurteilung bringt auch nur dann etwas, wenn daraus gelernt wird, wie in Zukunft objektiv früh erkennbare Signale in rechtzeitiges Handeln umgesetzt werden. Das Freihalten des Asylverfahrens von Zuwanderungswilligen aus anderen Gründen ist dafür unabdingbare Voraussetzung. Neue Regelungen für legale Wirtschaftszuwanderer, die den heutigen Realitäten entsprechen, müssen hinzutreten. Wer sich einer solchen Migrations-Strategie verweigert, setzt sich dem Verdacht aus, dass ihm Propaganda wichtiger ist als konstruktive Politik. Scheuer, Dağdelen und Gleichgesinnte mit ihrem eigenen Widerspruch zu konfrontieren, lohnten weitere Runden wegen der Chance des Erkenntnisgewinns für Zuschauer und Beteiligte. Der Erkenntnisgewinn, den TV-Magazine selten leisten, gelang Maischberger gestern. Die unheilige Allianz von CSU und Die Linke beim Nadelöhr Asyl  machte sie dingfest. Scheuer sprach kontinuierlich von Wirtschaftsflüchtlingen, Maischberger und Tichy von Wirtschaftszuwanderern. Es gibt Worte, die irreführen und spalten, und Worte, die klären und aufhellen. Nachwort: Dass die großen Tageszeitungen die Polemik zwischen Til Schweiger und Andreas Scheuer mehr interessiert als alles andere, wäre ein eigenes Thema.
Fritz Goergen
Maischberger-Ergebnis: Die unheilige Allianz von CSU und Die Linke will es beim Nadelöhr Asyl für Flüchtlinge und Wirtschaftszuwanderer lassen.
meinungen
2015-08-19T10:13:57+00:00
2015-08-19T12:42:11+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/maischberger-csu-und-linke-gegen-geordnete-zuwanderung/
Die Volksverhexer
Denken Sie, lieber Herr Zuckerberg, an die berühmten Wandzeitungen des wohl effektivsten Völker-und Massenmörders aller Zeiten, Mao Tse Tung, dem Helden der Westlinken, der New Left, dem Vorläufer der 68er und der heutigen Grünen, die vor allem in Amerika und Deutschland entstand. Das Phänomen „Wandzeitung“ wurde das Essential der Kulturrevolution, die Mao Ende 1965 anschob. Und die Wandzeitungsunkultur, die ich hier kurz beschreiben möchte, war die Geburtsstunde, die Ur-Erfindung des interaktiven Netzwerkes mit Echtzeitkomponente. Damals noch, neudeutsch ausgedrückt, auf analoger Basis. Mao hatte seit seinem berüchtigten Langen Marsch von 1934/35 das große China sukzessive seiner eigenen Partei und seiner eigenen Person unterworfen. 1949 war er am Ziel, er hatte China vereinigt. Bis dahin war der Weg des Paranoikers blutig und grausam, wie man es sich nicht vorstellen mag. Um seine Macht zu festigen, führte er nun eine Säuberungswelle nach der anderen durch, erst gegen die Großbauern, dann gegen die Kleinbauern, gegen die bürgerlichen Schichten und alle die ihm einfielen. 1951 kolonialisierte er Tibet. Müßig zu sagen, dass die alte tibetische Kultur im Laufe dieser Kolonialisierung und der dann tobenden Kulturrevolution nahezu total zerstört wurde. In den ersten Jahren seiner Macht waren bereits ein paar Millionen Menschen ums Leben gekommen. Mit der berühmten Säuberungswelle gegen die Intellektuellen und kritischen Bürger des Landes mit dem Namen „Lasst tausend Blumen blühen“ forderte er schließlich 1957 die Intellektuellen auf, straffrei Kritik an ihm und an seiner Partei zu üben, was 400.000 Intellektuelle mit dem Leben bezahlten. Überhaupt: Säuberungswellen sind Mordwellen. Menschen, die irgendwelchen Funktionären nicht passen, werden ermordet. Dann verfiel Mao auf den Trichter vermittels sozialistischer Produktionsmethoden („Jedem Dorf sein Hochofen“) die Sowjetunion und gar den Westen in Sachen Industrieproduktion überholen zu wollen. Sein sozialistisches Modell „ Der große Sprung nach vorn“ ( 1958 – 1961) setzte Mao ohne Rücksicht auf Verluste an Mensch und Material durch. Das Ergebnis des großen Sprunges nach vorn – ich rede jetzt nicht von Merkels großem Einwanderungssprung nach vorn, aber ich bleibe hart beim Thema Merkel, möchte nur etwas ausholen – war eine derartige wirtschaftliche Not und Mangelversorgung, dass Millionen von Chinesen, die Zahlen schwanken zwischen 20 – 100 Millionen, elendig verreckten, verhungerten. Den Imageschaden, den Mao davon trug, kostete ihn immerhin die Macht in seiner eigenen Partei. Um diese Macht zurück zu erringen, ersann Mao seine grausame Kulturreform. Ende 1965 bis Mitte 66 ließ er Journalisten und Chefredakteure und Intellektuelle öffentliche Selbstkritik in Zeitungen üben. Das Ziel war definiert: Alle bürgerlichen Reste, die fast 3.000jährige chinesische Tradition, sollten aus der Gesellschaft entfernt werden. Nachdem die Zeitungen nicht genügend Menschen erreichten, setzte er durch, dass in allen Schulen, Universitäten und in den Betrieben nur noch dieser Kulturstreit gelehrt wurde. Schließlich erreichte die chinesische Gesellschaft das Phänomen Wandzeitung. Im Mai 1966 ließ Mao die erste Wandzeitung an der Universität in Peking aufhängen, die alle Studenten aufforderte sich ihres Rektors und des Lehrkörpers und aller Autoritäten zu entledigen. Von da an wurden alle Menschen im Land dazu aufgefordert, Wandzeitungen, eigentlich eher Wandbotschaften, mit Denunziationen von Autoritäten und allen, die „reaktionär“ oder „revisionistisch“ „kapitalistisch“ „imperialistisch“ oder „rechts“ wären, zu schreiben, handschriftlich zu unterschreiben und gut sichtbar an eine Wand zu hängen. Diese Wandzettel waren nicht nur dafür da, den Menschen die Botschaften des großen Führers Mao auf kostengünstigem Weg — schlechtes Papier, schlechte Druckerschwärze, mieser Tapetenkleister – zu vermitteln, sondern sie dienten dem Zweck öffentlich sichtbar zu kontrollieren, wer die Zeitung liest, wer sie ignoriert, wer sich in Echtzeit an den Denunziationen, die auch in Echtzeit wahrgenommen und verfolgt wurden, beteiligte. Und sie dienten dem Zweck gruppendynamische Prozesse auszulösen, durch welche sich die Menschen gezwungen fühlten, die Zeitungen – sprich die Botschaften – zu lesen. Es wurde überlebensnotwendig, die Wandzeitungen zu lesen, weil die Menschen nur dadurch erfuhren, wie die neueste Losung der örtlichen „Roten Garden“ oder später der brutalen „Revolutionären Rebellen“ lautete. Diese neueste Losung zu kennen, war deshalb so wichtig, weil das Gebot der Stunde lautete, dass jeder diese neueste Losung, (mit dem Risiko, dass sie am nächsten Tag schon als „reaktionär“ oder „revisionistisch“ gebrandmarkt werden konnte), selber inbrünstig und mit eigenen Worten formuliert verbreiten sollte, sprich selber Wandzeitungen schreiben und aufhängen sollte. Einige Wandbotschaften wurden auch im Radio verbreitet oder als Broschüren verkauft und lösten dann noch mehr Wandbotschaften aus als am jeweiligen Vortag, die dann noch eifriger gelesen wurden. Der Wandzeitungswahn führte dazu, dass an allen Universitäten, Schulen, aber auch in jedem Geschäft und in den Büros Wandbotschaften hingen. Wegen der Fülle der Botschaften hingen überall Wäscheleinen mit diesen Botschaften in den Büros. Eine Firma, eine Institution, die sich sichtbar daran nicht beteiligte, wäre sofort denunziert und verfolgt worden, ebenso wurde auch jeder einzelne Bürger, der nicht mitgeschrieben, mitdenunziert hätte oder sich nur halbherzig beteiligte, verfolgt und an den Gruppenpranger gestellt.
Ein Ungeist von Maos Wandzeitungen wird im Westen in Massenmedien und auf Facebook weitergeführt und nennt sich heute politische Korrektheit: Volksverhexer.
kolumnen
2015-10-06T13:18:10+00:00
2015-10-06T13:51:08+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/bettina-roehl-direkt/die-volksverhexer
Die Groko und ihre Beziehung zu Israel
Im Zuge der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD hat die Arbeitsgemeinschaft Außenpolitik folgende Formulierung bezüglich Israel gewählt: „Das Existenzrecht Israels ist für uns unumstößlich und ein Pfeiler deutscher Politik. Unser Ziel ist ein Leben aller Menschen im Nahen und Mittleren Osten ohne Angst und in Würde. Deutschland wird sich weiter für eine Lösung des Nahostkonflikts auf Basis einer Zweistaatenlösung einsetzen. Der Status von Jerusalem wird genauso wie andere and Status Themen erst im Zuge von Verhandlungen geklärt werden, um dauerhaft akzeptiert und haltbar zu sein. Die aktuelle Siedlungspolitik Israels widerspricht geltendem Völkerrecht und findet nicht unsere Unterstützung. Wir werden in der EU eine Initiative zur ausreichenden und nachhaltigen Finanzierung des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) ergreifen und ihre Reformbemühungen unterstützen.“ Es ist nicht wirklich beruhigend, wenn sich Deutschland ständig für das Existenzrecht Israels ausspricht, denn jemand, der erklärt, sich für die Existenz eines Landes auszusprechen, stellt mit dieser Formulierung ebenfalls die Möglichkeit in Aussicht, dass sich seine Meinung auch ändern kann. Es ist beunruhigend, wenn Selbstverständlichkeiten ausgesprochen werden. Es ist so, als würde eine Frau mit einem Mann ausgehen, der bei jedem Date betont, er spreche sich für die körperliche Unversehrtheit der Frau aus und dagegen, dass sie ermordet wird. Auf wieviele Dates würde eine vernünftige Frau mit so einem Mann gehen? Ich würde mit einem solchen Mann nicht einmal eine „besondere Freundschaft“ pflegen. Das Papier aber spricht sich gleich im ersten Satz dafür aus, dass Israel ein Recht hat, nicht vernichtet zu werden – nochmal Glück gehabt. Leider wird in dem Papier nicht erwähnt, warum das Existenzrecht Israels gefährdet ist. Das Papier verurteilt nicht die Gründungscharta der Hamas, wo die Zerstörung Israels (Artikel 13) und die Vernichtung des ganzen jüdischen Volkes weltweit (Artikel 7) gefordert wird. Es wird auch nicht die Fatah verurteilt, die Renten an Terroristen und Judenmörder ausschüttet und Predigten feiert, in denen erklärt wird, ein Friede könne erst kommen wenn „jeder Jude“ vernichtet sei. Nun kann man als deutscher Politiker natürlich durchaus darüber schweigen, dass politische Parteien und Führer im Nahen Osten einen Völkermord an Juden erklären, finanzieren, planen und Raketen auf Israel abwerfen, wenn man aber dieses Schweigen unterbricht, um zu erklären, Juden seien ein Problem, weil sie Häuser bauen und an einem Ort siedeln, den die Judenhasser lieber „judenrein“ haben wollen, dann wird es grotesk. Da hilft auch kein Verweis auf das sogenannte Völkerrecht mehr. Ich habe mich langsam daran gewöhnt, dass jene Siedlungen, die mich nicht verfolgen und mich so leben lassen, wie ich möchte, gegen das sogenannte Völkerrecht verstoßen. Ein großer Teil der Menschen, die für die Zwei-Staaten-Lösung sind, leben selber lieber in Israel als in einem möglichen Palästina. Sie kämpfen für die Schaffung einer Nation, in der sie selber nicht leben möchten. Sie würden sogar in diesem neuen Staat verfolgt werden, aber irren ist menschlich. Kann sich die ganze Welt irren, fragen Sie jetzt? Ja, sie kann! Wenn es um Juden geht, hat sich die ganze Welt schon einmal geirrt! Wer fest davon überzeugt ist, dass die jüdischen Siedler das Hauptproblem für einen Frieden im Nahen Osten sind, während er über die Verbrechen der Gegenseite schweigt, sollte einfach mal das Wort „jüdisch“ streichen und durch „muslimisch“, „christlich“ oder „arabisch“ ersetzen, um sich dann zu fragen, warum unter all den Siedlern in Judäa und Samaria nur die jüdischen Siedler das Problem sein sollen. In den Gebieten Judäa und Samaria siedelten Juden bereits, bevor es Christen und Muslime überhaupt gab. Der Name Judäa ist eindeutig. Daher sprechen jene, die Juden dort für illegal halten, lieber von der Westbank. Wie immer das Gebiet jedoch bezeichnet wird, zur Zeit gehört es zu keinem Nationalstaat. Einst gehörte das Gebiet zu Jordanien, dem Land, das sich zu über 80 Prozent auf palästinensischem Boden befindet und wo im Gegensatz zu Israel Palästinenser nicht die volle Staatsbürgerschaft besitzen. Davor wurde das Gebiet vom Völkerbund verwaltet. Davor gehörte das Gebiet zum Osmanischen Reich, davor zum Römischen Reich und davor, wie das Wort „Judäa“ zeigt, zu einem Jüdischen Reich. Das jüdische Volk ist das älteste noch heute existierende Volk im Nahen Osten. Obwohl die Gebiete Judäa und Samaria heute zu keinem Staat gehören, siedeln dort Menschen. Manche siedeln in Häusern, andere in Zelten. Es gibt dort arabische, jüdische, staatenlose und viele andere Siedler. Sie siedeln alle in einem Gebiet, das bis heute umstritten ist, weil kein Staatsgebilde dort regiert. Als „illegal“ werden nur die Siedler bezeichnet, die Juden sind! Das Problem, das diese Menschen mit diesen Siedlern haben, ist somit ihr Jüdischsein! Wer fordert, dass Juden verschwinden müssen, kann niemals Frieden mit Juden schließen. Wer brüllt “Juden raus aus meinem Land, meiner Stadt, meiner Nachbarschaft“, will keinen Frieden mit Juden, sondern einen Frieden von Juden. Es gibt nämlich zwei Formen des Friedens im Nahen Osten: Der eine Friede ist ein Friede mit Juden. Der andere Frieden ist ein Frieden von Juden. Für jene, die einen Frieden mit Juden schließen wollen, ist eine jüdische Siedlung kein Problem, sondern die Lösung des Problems. Nur in der Akzeptanz von jüdischen Siedlungen wohnt die Möglichkeit der schlichten Erkenntnis, dass Juden einfach nur Nachbarn und Mitbürger sein können. Leider, so höre ich es überall, soll diese Erkenntnis gegen das Völkerrecht verstoßen. Unter jüdischen Siedlern gibt es ebensoviele gute und schlechte Menschen wie unter allen anderen Siedlungsgruppen auch. Jüdische Siedler nicht besser oder schlechter als muslimische oder arabische Siedler. Die arabischen Regierungen im Nahen Osten sollten daher Juden als Bürger des Landes mit allen Rechten und Pflichten achten, die Häuser und Siedlungen bauen dürfen, wie jeder andere Bürger auch, oder sie werden niemals Frieden mit Juden schließen können. Es kann von der arabischen Seite erwartet werden, seine jüdischen Bürgerinnen und Bürger so zu behandeln, wie Israel seine muslimischen Bürgerinnen und Bürger behandelt. Es leben über 8 Millionen Bürgerinnen und Bürger in Israel. 1,6 Millionen von ihnen sind muslimische Araber und laut einer aktuellen Studie wollen 77 Prozent dieser Araber nirgendwo lieber leben als in Israel! Israel ist für sie das beste Land, sogar besser als Deutschland. Wer Israel kritisiert, sollte sich mal anschauen, wie Muslime in Deutschland leben. Wenn irgendwo eine Moschee gebaut wird, gehen tausende Deutsche auf die Straße und demonstrieren dagegen. In Deutschland leben viele Muslime in Vierteln, die alles andere als lebenswert bezeichnet werden können. Muslime sind in Deutschland ständiger Diskriminierung ausgesetzt. Regelmäßig finden in deutschen Städten wie Dresden und Leipzig Demonstrationen gegen Muslime statt, bei denen mehrere zehntausend Deutsche gegen Muslime hetzen. Im deutschen Parlament sind Muslime gnadenlos unterrepräsentiert. In Israel jedoch machen Muslime 20 Prozent der Bevölkerung aus. Die Muezzine singen wie selbstverständlich von den Minaretten. Moscheen stehen an jeder Ecke. Es gibt reiche, belebte, lebenswerte muslimische Viertel. Muslime sind wie selbstverständlich im israelischen Parlament vertreten. Sogar im höchsten Gericht Israels finden sich Muslime. Ich halte jede Wette, nach einem Jahr Deutschland und einem Jahr Israel würde sich die deutliche Mehrheit aller Muslime für Israel entscheiden. Ich behaupte sogar, die Mehrheit der jüdischen Siedler hegen bessere Gedanken für Muslime als die Mehrheit der Deutschen! In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es viele jüdische Siedlungen in Europa. Sie wurden Schtetl genannt. Für die Nazis waren diese Schtetl jedoch illegale jüdische Siedlungen. Als die Nazis ein eigenes, ein sogenanntes Drittes Reich ausrufen konnten, setzten sie ihre Vernichtungsphantasie in die Tat um. Sie erklärten, Juden wären auf deutschen Boden illegal, so wie heute viele Menschen erklären, Juden wären auf Palästinensischen Boden illegal, obwohl sie auf diesen Boden länger siedeln als alle anderen Völker der Erde. Das Koalitionspapier der Arbeitsgruppe Außenpolitik jedenfalls atmet den Geist der Doppelmoral und Ausgrenzung. Dieser Umgang mit Juden und Israel ist jedoch schon wieder so alltäglich geworden, dass die Grausamkeit dieser Haltung kaum noch jemandem auffällt. Das ist das eigentlich Traurige, wenn nicht gar Gefährliche an der ganzen Angelegenheit. Stellen Sie sich eine Geiselnahme vor, bei der einige Geiseln bereits erschossen wurden, weil sie Juden waren. Stellen Sie sich weiterhin vor, unter den vielen Geiseln wären auch ein Mann, der einen Strafzettel nicht bezahlt hat, eine Frau, die Steuern hinterzogen hat und noch ein anderer Mensch, der eine Straftat begangen hat. Was würden Sie denken, wenn die gerufene Polizei erklären würde, auf beiden Seiten der Geiselnahme seien Verbrecher? Was würden Sie sagen, wenn deutsche Politiker beide Seiten dazu aufrufen würden, besonnen zu handeln und alles dafür zu tun, dass die Situation nicht eskaliert? Was würden Sie davon halten, wenn ein Versuch der Geiseln, sich zu befreien, von Teilen der Medien als ein „Öl ins Feuer“ gießen und ein „Drehen an der Gewaltspirale“ kritisiert werden würde? Was würden Sie denken, wenn eine Arbeitsgruppe zu den Geiselnehmern schweigen, aber lautstark erklären würde, die Existenz von Juden sei das Problem? Sie wären empört? Nun, genau das hat die Arbeitsgruppe Außenpolitik in ihrem Koalitionspapier getan! Der Beitrag ist zuerst bei Tapfer im Nirgendwo erschienen.
Sofia Taxidis
Das Koalitionspapier der Arbeitsgruppe Außenpolitik atmet den Geist der Doppelmoral und Ausgrenzung. Dieser Umgang mit Juden und Israel scheint alltäglich.
meinungen
2018-02-02T14:53:12+00:00
2018-02-02T15:06:58+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/die-groko-und-ihre-beziehung-zu-israel/
Blutige Tage seit Solingen
23.08. Solingen – Die Messerkriminalität in Deutschland steigt ins Unermessliche und Terror ist nichts Neues. Am späten Abend des 23.08.2024 werden in Solingen auf dem „Festival der Vielfalt“ drei Menschen brutal ermordet und acht schwer verletzt. Es sollte ein Stadtfest zum 650. Geburtstag Solingens werden, doch direkt vor der Bühne auf dem Marktplatz entsteht ein Blutbad. Der islamische Terrorist sticht mit einem Messer, mit einer 15 Zentimeter langen Klinge, auf den Hals und in den Oberkörper der Opfer ein. Der Täter ist ein 26-jähriger Syrer, dessen Asylgesuch abgelehnt worden war. Die Abschiebung nach Bulgarien scheiterte, weil er bei dem Termin zur Abholung nicht anwesend war. Nach dem Anschlag bekennt sich der Islamische Staat über seinen Propaganda-Kanal Amak zu der Mord- und Gewalttat. Der Anschlag sei aus „Rache für Muslime in Palästina und anderswo“ verübt worden. 28.08. Chemnitz – Drei Tage nach dem Anschlag in Solingen kommt es zu einem tragischen Fall in Chemnitz. Zwei Mädchen im Alter von 17 und 18 sind in der Straßenbahn unterwegs und werden an der Haltestelle Südring von einem Mann verfolgt und in arabischer Sprache beleidigt. Die 17-Jährige ruft darauf ihren 16-jährigen Bruder Abdul an, welcher ihnen zur Hilfe kam. Der Täter und Abdul geraten in einen Streit, bis der Täter ein Messer zieht und auf ihn einsticht. Der 16-jährige Abdul erlag den Stichen in Arm, Bein und Niere im Krankenhaus. Der Täter ist auf der Flucht. 26.08. Plauen/Waltershausen – Am Montagmorgen eskaliert ein Streit zwischen zwei Kunden vor einem Zeitungs- und Lottoladen in Plauen. Ein 64-Jähriger wollte den 23-jähriger Somalier am Betreten des Ladens hindern und traf ihn dabei am Bein. Der ältere Mann wird handgreiflich, worauf der Somalier Drohungen äußert, aber sich entfernte. Der Somalier kam kurz darauf mit einem Messer zurück, findet aber den 64-Jährigen nicht mehr vor. Er greift daher einen 77-jährigen Mitarbeiter des Ladens an und verletzt ihn am Oberkörper. Der Mitarbeiter konnte nach einem Tierabwehrspray greifen, worauf der Täter die Flucht ergriff. Wenige Minuten später konnte der Täter von der Polizei auf einem Parkplatz festgenommen werden. 26.08. Waltershausen – Kurze Zeit später kommt es zu einer Eskalation vor einem Netto-Supermarkt in Waltershausen. Ein vorbestrafter 27-jähriger Somalier löste einen Großeinsatz mit 30 Beamten aus. Der alkoholisierte Mann soll wahllos Menschen angehustet und belästigt haben. Ein 46-jähriger Mann soll ihn darauf aufgefordert haben, dies zu unterlassen. Der Somalier droht ihm darauf mit dem Tod und ruft „Ich töte euch und eure Familien“. Er versucht mit einem Messer dem 46-jährigen Mann gezielt in den Hals zu stechen. Der Mann konnte ausweichen, zog sich aber dennoch Verletzungen am Rücken zu. Die Polizei konnte den Täter schließlich widerstandslos festnehmen. 26.08. Radeberg – In einem Neubauviertel in Radeberg in Sachsen löst am Montagabend ein überwachter Straftäter aufgrund seiner Fußfessel einen Alarm bei der Polizei aus. Heiko R. wurde 2014 vom Landgericht Dresden wegen mehrerer Gewaltdelikte, wie Körperverletzung, Bedrohung und Nötigung inhaftiert. Seit seiner Freilassung muss er eine Fußfessel tragen, da er als gefährlich eingestuft wird. Als die Polizei zur Kontrolle vorbeikommt, greift der stark alkoholisierte Mann einen Polizisten mit zwei Küchenmessern an. Die Polizei feuerte mehrere Schüsse auf den Täter ab, wovon ihn eine in den Oberschenkel traf. So konnte der Mann überwältigt werden und ein Haftbefehl beantragt werden. 27.08. Moers – In einer Spielstraße in Moers kommt es am nächsten Mittag zu einem weiteren Angriff. Der psychisch kranke Nils M. soll einen Radfahrer bedroht haben. Die Nachbarn rufen darauf die Polizei, die ihn auf seiner Flucht in einem nahegelegenen Wohngebiet stellt. Der 26-jährige Mann soll schließlich mit zwei Messern, mit Klingenlängen von 20 Zentimetern, auf die Polizei losgegangen sein. Die Polizisten mussten auch bei diesem Angriff Schüsse auf den Täter abfeuern, welche ihn tödlich verletzten. 27.08. Leipzig – Auf der Eisenbahnstraße in Leipzig streiten sich zwei Männer am Dienstagabend. Der Rabet-Park und die Eisenbahnstraße sind bekannt für ihre Kriminalität. Oft sind Revierstreitigkeiten zwischen verfeindeten Clans der Grund. Auch der Streit der Männer findet dort statt. Ein 24-jähriger Libyer, welcher bereits der Polizei bekannt ist, zieht schließlich ein Messer und verletzt den anderen 31-jähren Mann an der Hand. Die Polizei konnte den Libanesen im Rabet-Park festnehmen und das Opfer musste ins Krankenhaus gebracht werden. Wobei es sich bei dem Streit handelte, ist bis jetzt unklar. 27.08. Köln-Chorweiler – Am gleichen Abend wird in Köln-Chorweiler ein 28-Jähriger auf dem Weichselring in Köln-Chorweiler schwer verletzt. Mit einem Baseballschläger und einem Messer wird er von zwei Männern attackiert. Sie waren in einen Streit verwickelt, wobei dem 28-Jährigen von einem der Täter ins Gesicht geschlagen wurde. Anschließend gingen die beiden Täter mit dem Messer und dem Baseballschläger auf ihn los. Das Opfer wurde dabei schwer verletzt und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Die beiden Angreifer flohen auf einem Schwarzen Motorrad und sind noch nicht gefasst worden. 28.08. Dorsten – Am nächsten Abend kommt es in Dorsten im Ruhrgebiet zu einer Messerattacke. Zwei Männer streiten in einer Wohnung, wobei einer ein Messer gezogen haben soll. Der 21-Jährige wird mit Stichverletzungen auf der Straße im Stadtteil Altstadt gefunden. Der Täter ist auf der Flucht und noch nicht gefasst. Ein aktueller Polizeibericht bestätigt, dass der Täter bereits namentlich bekannt ist. 28.08. Recklinghausen (NRW) – Zur gleichen Zeit löst ein Streit zwischen einem Sohn und seinem Vater in Recklinghausen-Suderwich einen Großeinsatz der Polizei aus. In einem Mehrfamilienhaus randaliert der 33-jährige Sohn, weshalb die Mutter den Notruf wählt. In dem Streit mit seinem Vater zieht der Mann ein Messer und verletzt den Vater an der Hand. Nachdem die Polizei eingetroffen ist, soll der 33-Jährige mit dem Messer bewaffnet gewesen sein, weshalb eine Bedrohungssituation für die Einsatzkräfte entstanden sei. Diese setzten daher Schusswaffen ein und verletzen den Täter tödlich. 28.08. Berlin – In Zehlendorf wird ebenso am Mittwochabend eine Mutter von vier Kindern erstochen. Der Täter soll der 50-jährige Ex-Ehemann der 36-jährigen Frau sein, welcher dem Opfer vor der Haustür auflauerte, und auf sie einstach. Das Motiv soll wieder einmal Femizid sein. Opfer wie Täter sind Libanesen und haben vier minderjährige Kinder. Die 36-jährige Mutter erlag ihren schweren Verletzungen nach einer Notoperation. Der Täter sei schon in der Vergangenheit aufgrund von häuslicher Gewalt auffällig gewesen und hatte ein Annäherungsverbot gegenüber seiner Frau. Während der Tat soll der Täter, laut Augenzeugen, immer wieder „es ist mein Recht“ gerufen haben. Der Täter wurde von der Polizei festgenommen. 29.08. Berlin-Friedrichshain – In der Nacht auf Donnerstag wird ein 24-jähriger Mann am Warschauer Platz mit einem Messer niedergestochen. In der Nacht hätten sich auf dem Platz mehrere Obdachlose aufgehalten, darunter auch der alkoholisierte 24-Jährige. Dieser sei plötzlich zusammengebrochen und darauf von den Rettungskräften behandelt worden. Das Opfer hatte eine Stichverletzung am Rücken und wurde laut eigenen Aussagen von einer Frau angegriffen. Die Angreiferin konnte noch nicht gefasst werden, allerdings wurde ein Taschenmesser mit Blutspuren sichergestellt. Innerhalb von sechs Tagen wurden mindestens 11 Messerattacken verübt – die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Eine neue Realität für Deutschland. Die Politik spricht von harten Bestrafungen, von einem strengeren Waffenrecht, schnelleren Abschiebungen oder gar Grenzkontrollen. Lösungen die sie die letzten Jahre oder Monate immer wieder versprochen haben. Die neuen Konsequenzen, die Innenministerin Faeser und Justizminister Buschmann nach Solingen ziehen, sind nun Leistungskürzungen für bestimmte Asylbewerber oder Streichungen von Leistungen für Asylbewerber, die nach dem Dublin-Verfahren eingereist sind. Natürlich sollen auch die Waffenverbotszonen das Problem lösen. Vielversprechend und ganz einfach – nicht wahr?
Sofia Taxidis
Angst vor Terror und Gewalt werden zum Alltag in Deutschland. Seit Solingen sind sechs Tage vergangen und die Messerangriffe nehmen nicht ab. Deutschland lebt in einer neuen Normalität von Gewalt in Supermärkten, Bahnhöfen, öffentlichen Verkehrsmitteln, auf Festen oder direkt vor der eigenen Haustür.
daili-es-sentials
2024-08-30T14:48:32+00:00
2024-08-30T16:27:53+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/messerangriffe-seit-solingen/
Und sie kommt doch, die Inflation
Nun wird sie also wohl doch bald steigen, die Inflation. Das erwarten zumindest die Volkswirte der Sparkassen, wie die FAZ berichtet. Deren Erwartungen gehen zwar sehr weit auseinander, was dafür spricht, dass die Prognosen eher auf wackligem Boden stehen. Aber dass es bei den derzeit sehr niedrigen Teuerungsraten – im Juli war die Rate laut statistischem Bundesamt sogar um 0,1 Prozent negativ – bleibt, glaubt keiner. Gertrud Traud, eine der erfolgreichsten Inflationsprognostikerinnen hierzulande und Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), rechnet mit einer Inflationsrate von bis zu 3 Prozent für 2021. Klingt nicht viel. Aber wenn man bedenkt, dass schon jetzt sehr viele Verbraucher das Gefühl haben, dass die Euros in ihren Taschen tatsächlich sehr viel schneller an Kaufkraft verlieren, als die offiziellen Statistiken es weismachen, und die EZB jahrelang vor Deflation warnte und ihr Inflationsziel von nahe zwei Prozent verfolgte, dann dürften drei Prozent schon spürbar werden. Entscheidend ist: Welche Preise misst die offizielle Inflationsrate überhaupt? Es sind die für bestimmte Konsumgüter, die in einem „Warenkorb“ zusammengefasst sind. Und die Zusammensetzung dieses Warenkorbs ist schon lange fragwürdig. Ökonomen aus Hohenheim zum Beispiel monieren, dass die Zusammensetzung nicht dem aktuellen Kaufverhalten entspricht. Und sie stellen offen in Frage, „ob die Entwicklung des Geldwertes tatsächlich einen so großen Spielraum für eine Erhöhung der Geldmenge zulässt, wie man bei der EZB glaubt“. Viele Ökonomen argumentieren aus naheliegenden Gründen auch, dass zumindest die enorm gestiegenen Wohnkosten darin berücksichtigt werden müssten. Das was offiziell Inflation heißt, misst eben nur einen Teil der Kaufkraft des Geldes. „Mehr Geld heißt nur dann mehr Inflation, wenn die Konsumenten mehr kaufen“, sagt Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Mehr von dem, was überhaupt im Warenkorb des Statistischen Bundesamtes ist, müsste man genauer sagen. Und da fehlen nicht nur die Wohnkosten, sondern alle Vermögenspreise. Da die Konsumlust gerade in diesen Corona-Zeiten gebremst ist, wandert das Geld aber gerade jetzt eher an die Börse als in die Läden. Und dort steigen die Preise unverhältnismäßig (also inflationär). An den Finanzmärkten und den Immobilienmärkten zeigt sich die anziehende Inflation also schon längst. Das Geld, das aus politischen Gründen neu aus dem Nichts geschaffen wird, bleibt in den Märkten für Aktien, Anleihen oder Immobilien hängen und treibt dort weiter die Preise. Bis in die Supermärkte sickert es kaum durch – noch nicht. Die sozialen Verwerfungen, die die Vermögenspreise anrichten, sind aber auch ohne gleicherweise steigende Konsumgüterpreise schon brisant genug. Denn sie sorgen für eine wachsende Spaltung des Wohlstandsniveaus zwischen Vermögenden und Nicht-Vermögenden.
Redaktion Tichys Einblick
Sparkassen-Ökonomen erwarten, dass bald die Inflation steigt. Alles andere wäre auch ein Wunder angesichts des galoppierenden Geldmengenwachstums. Die Frage ist nur, wann genau die Preise deutlich steigen - und vor allem für welche Güter.
wirtschaft
2020-09-30T16:50:03+00:00
2020-09-30T16:50:04+00:00
https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/geldanlage/und-sie-kommt-doch-die-inflation/
„Frauen*Kampftag“ in Berlin: Die Feministinnen-Bewegung spaltet sich
Ein schriller Gesang leitet den Weg von der U-Bahn-Station bis zur „feministisch-solidarisch-gewerkschaftlichen“ Demonstration in Berlin-Kreuzberg am gestrigen Weltfrauentag. Unterwegs spuckt ein betrunkener Mann mit südländischem Aussehen der TE-Reporterin vor die Füße, runzelt die Stirn und flucht auf einer fremden Sprache. Die Situation ist unangenehm, der Körper der TE-Reporterin verkrampft. Daher: Lieber schnell zu den Feministinnen. Den richtigen Weg zu finden, ist einfach: Die Liedtexterin Suli Pushban singt sich gerade warm und ist kaum zu überhören: „Ein Hase in einem Cabrio“, ertönt es vom Oranienburger Platz, der ersten Station für TE. Auf dem Oranienburger Platz startet eine Demonstration zum „Frauen*Kampftag“. Eigentlich soll es um 11:30 Uhr losgehen, aber zu dieser Zeit ist der Platz noch ziemlich leer. Letztes Jahr sollen mehrere Tausend bei dieser Demonstration mitgelaufen sein. Diese Zahl ist noch nicht erreicht. Fast nur Senioren sowie Familien mit kleinen Kindern sind pünktlich da und singen gemeinsam mit Pushban: „Ich habe die Schnauze voll von rosa, von lieb, von brav, von still – ich mach‘ jetzt, was ich will!“ Links ist die Demonstration in jedem Fall: Die Feministen halten rote Fahnen und Plakate hoch und verteilen lächelnd Flugblätter sowie Zeitungen. Oder verkaufen diese: Ein Mann verlangt für eine Zeitung der Taz 3,90 Euro. Ganz nach dem Motto: Der Kapitalismus ist doof – es sei denn, man verdient daran. Neben der Taz geben einem die Feministen beispielsweise Flugblätter zu Diskussionsveranstaltungen für „das Recht auf kostenlose, sichere Abtreibung auf Verlangen“ und zu der Frage, warum wir „sozialistischen Feminismus“ statt „Girlboss-Power“ brauchen: Denn laut der „Jugend für Sozialismus“ muss „der Kampf gegen die Geschlechtsunterdrückung immer mit dem Kampf gegen das kapitalistische und für ein sozialistisches System verbunden sein“. Außerdem macht „one-solution-revolution“ Werbung für einen Kickbox-Kurs mit dem Titel „Sexisten aus der Schule kicken“. Auch Mitglieder der „Ökologischen Linken“ verteilen fleißig ihre gelb-roten Flyer, in der sie auf eine „Klimakatastrophe“ und das Versagen der Ampel in Umwelt- und Klimafragen hinweisen. Nicht mal mehr die Links-Grünen scheinen noch mit der Ampel-Politik zufrieden zu sein: Während die Linke und andere linksorientierte Kleinparteien ihre Fahnen hissen, lassen sich keine Logos der Ampel-Parteien finden. Und das, obwohl es Annalena Baerbock (Grüne) so wichtig ist, eine „feministische Außenpolitik“ zu führen. Viele Feministen auf der Demonstration halten nicht von dieser Außenpolitik: Sie sei eine „Verwirrung des bürgerlichen Feminismus“ informieren sie auf einem weiteren Flugblatt. Vor allem kritisieren sie, dass die Bundesregierung Gelder gegen Gewalt an Frauen kürze, während sie zunehmend mehr Geld für Kriege ausgebe. Die Feministinnen sprechen düstere Themen an, aber Pushban hält die Menge mit ihrer Show auf der rot-lila-verkleideten Bühne bei Laune: Sie bringt ihren Zuschauern beispielsweise den „Supergirl“-Tanz bei. Langsam füllt sich der Platz. Ein paar Meter neben der Bühne stellen sich zwei Frauen hinter Gitterstäbe und zwei Dutzend Männer und Frauen stehen um sie herum und halten Plakate hoch: Sie fordern Solidarität mit Frauen, die in der Türkei zu Unrecht im Gefängnis sind. Was sie konkret von Deutschland fordern? Zwei Abiturientinnen gucken sich verzweifelt an und besprechen sich kurz auf türkisch. Eine von ihnen sagt dann mit brüchigem Deutsch: „Deutschland soll mehr Druck auf die Türkei ausüben, damit Frauen dort aus dem Gefängnis freikommen.“ Vor allem aber möchten sie mit ihren lilafarbenen Schildern, Flugblättern und Warnwesten darauf hinweisen, dass die Türkei in vielen Dingen das Menschenrecht verletzte. Diese Gruppe ist eine der wenigen, die auf dem Oranienburger Platz die Farbe Lila nutzt. Dabei ist das eigentlich die typische Farbe der Frauenbewegung und für den Weltfrauentag, der in diesem Jahr zum 113. Mal stattfindet. Aber auf der gewerkschaftlichen Veranstaltung kommt die Farbe des Frauenrechts und der Gleichberechtigung kaum vor. Stattdessen fallen die zahlreichen roten Fahnen der Linken und einiger Gewerkschaften auf: zum Beispiel von Verdi. Gegen 12:30 Uhr startet die Menschenmenge ihren Marsch Richtung Brandenburger Tor. Es seien 10.000 dabei, verkünden die Veranstalter: Das sind die „Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft“ und der „Deutsche Gewerkschaftsbund Bezirk Berlin-Brandenburg“ (DGB). Für eine Rednerin ist diese Menge ein „echt super Zeichen“. Immerhin machten sich Frauen an ihrem Tag für ihre Rechte stark. Beispielsweise wollen sie, dass „Femizide“ aufhören: In den vergangenen drei Monaten seien bereits 20 Frauen in Deutschland getötet worden, merkt eine andere Sprecherin an. Weiter kritisiert sie, dass Frauen lange Zeit auf einen Platz in einem Frauenhaus warten und dann rund 25 Euro die Nacht dafür zahlen müssten. „Herren“ würden an ihrem „Herrentag“ hingehen und nur eines tun: saufen. Am Frauentag machen sie sich offenbar nützlicher, denn sie halten Schilder und Banner hoch. Beispielsweise eines mit der Aufschrift: „Ewwww Männer!“ An Polizisten mangelt es derweil nicht: Rund zwanzig Busse, zehn Kleinwagen und ein Dutzend Motorräder von der Polizei begleiten die Demonstration. Wie viele Polizisten im Einsatz sind, weiß ein junger Polizist nicht genau: Er sei aus Mecklenburg-Vorpommern angerückt, um bei dieser Demonstration zu unterstützen. Das ist überraschend: Nicht aus Brandenburg, nicht aus Sachsen, sondern aus genau dem Bundesland, in dem der internationale Frauentag wie in Berlin als gesetzlicher Feiertag gilt, kommen die externen Einsatzkräfte. Der Polizist aus Mecklenburg-Vorpommern sagt gegenüber TE, die Berliner Beamten seien vor allem in Berlin-Mitte im Einsatz. In der links-grünen Hochburg Berlins gibt es nicht nur eine, sondern zahlreiche Demonstrationen an diesem 8. März. Und bei der Demonstration der „Alliance of international feminists“, die in Berlin-Mitte stattfindet, besteht offenbar eine größere Gefahr: Da könne es eine Nähe zum Antisemitismus geben, meint der Polizist. Und so ist es auch: Die Veranstalter spielen direkt zu Anfang ein antisemitisches Lied, obwohl dieses im Vorfeld verboten wurde. Dagegen ermittelt die Berliner Polizei nun, wie sie auf Twitter schreibt. Die Demonstranten schwingen munter palästinensische Flaggen und halten Plakate mit der Aufschrift „Free Palestine“ in die Luft. Sie fordern das Ende des Patriarchats und des Imperialismus. Sie meinen, dass eine „feministische und queere Befreiung“ nicht möglich sei ohne ein freies Palästina. Zu dieser Veranstaltung kamen laut Berliner Polizei „mehrere tausend Teilnehmer“. Die Farbe Lila ist hier auch kaum zu sehen. Stattdessen die Farben der palästinensischen Flagge: rot, grün, weiß und schwarz. Zurück in Kreuzberg – diesmal auf dem Mariannenplatz – versammeln sich weitere Feministinnen für den sogenannten „Purple Ride“, den es seit 2019 jährlich gibt. Bei dieser Fahrraddemonstration sind keine Männer erlaubt, sondern nur „Flinta*“-Personen. Dazu zählen Frauen, Lesben, inter-, non-, trans- und agender Personen. Im vergangenen Jahr haben laut einer Veranstalterin 2.500 Frauen teilgenommen – also weit weniger als bei den anderen beiden Demonstrationen. Die vorherrschende Farbe ist hier: Lila. Viele der anwesenden Frauen tragen lilafarbene Schuhe, Pullover oder haben sich sogar ihre Haare lila gefärbt. Außerdem haben die Veranstalterinnen vom „Purple Ride“ den Platz lila dekoriert. Wie bei der Demonstration der Gewerkschaften werden auch hier Zeitungen verteilt: Die Zeitung der Taz kostet allerdings nicht 3,90 Euro wie am Oranienburger Platz, sondern gar nichts – sie gibt es gratis, als Geschenk. Während sich die Feministinnen lachend und mit freundlichen Gesichtern auf ihre Fahrradtour vorbereiten, singt ein Chor aus Frauen mittleren Alters. Insgesamt waren an diesem Frauentag viele Tausend auf der Straße – allerdings verteilt auf unterschiedlichen Veranstaltungen mit verschiedensten Motiven.
Sofia Taxidis
Die Feministinnen-Szene scheint sich zu spalten: Eine Demonstration am Weltfrauentag ist für die Linke und Gewerkschaften. Bei einer anderen geht es um die Freiheit von Palästina, statt um Frauenrechte. Eine Dritte wirkt ursprünglich, ist aber klein. TE war dort.
daili-es-sentials
2024-03-09T09:31:08+00:00
2024-03-09T14:41:18+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/frauentag-berlin/
Vom langen Abschied der Volksparteien
Ob es bei der Bundestagswahl 2017 bleibt oder zu vorgezogenen Wahlen kommt, kann für die letzte deutsche Volkspartei entscheiden, wie lange sie ihren Abstieg zur Größe der SPD noch hinauszögern kann. So oder so spricht alles dafür, dass es in Deutschland kommt wie in Österreich: Rot und Schwarz finden sich unauflöslich aneinander gekettet, weil sie sich mit denen links und rechts von sich nicht einlassen dürfen, wollen sie nicht noch mehr Wähler verlieren. Die Chancen der Union, nicht auch unter 30 Prozent zu fallen wie die SPD, sinken mit jeder Woche des Andauerns der großen Zuwanderung: Nicht wegen der Zuwanderung, sondern weil die Regierung Merkel und das politische Berlin damit nicht umgehen können, ja, seit Jahren ängstlich und naiv die Augen vor den Entwicklungen im Nahen Osten und in Afrika verschlossen haben, für die Deutschland aktiv oder passiv selbst mitverantwortlich ist. 1998 besiegten Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine nach 16 Amtsjahren Helmut Kohl mit 40,9 Prozent SPD gegen 35,1 Union. Aus diesen 20 Millionen Stimmen der SPD sind seitdem 10 Millionen geworden. Der Union schreiben die Umfragen aller Institute also im Moment etwa das zu, was Merkel von Kohl erbte. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass die Union sich der SPD-Marke annähert, nicht umgekehrt. Auch wenn es beim nächsten Urnengang noch nicht so weit sein sollte, mittelfristig nähern wir uns der österreichischen Konstellation: beide einstigen roten und schwarzen Volksparteien um die 25 Prozent. Wenn’s geht, regiert man weiter zu zweit. Notfalls nimmt man einen Dritten dazu, der nicht wirklich stört. Dafür bieten sich in Wien wie Berlin die Grünen an oder auch die FDP hier und die NEOS dort. In einer Hinsicht ist die Lage in den beiden Ländern anders. Die AfD ist keine FPÖ, weil es die FPÖ seit 1949 gibt. Das Milieu der FPÖ, auf das sie auch in Zeiten schwacher Wahlergebnisse zählen konnte, lag dann zwischen 5 und 10 Prozent. Bis sich eine neue Partei strukturell verankern kann, dauert lang, meistens reicht die Lebensdauer neuer Parteien dafür nicht. Die einzige Ausnahme sind die Grünen, aber wer tiefer hineinschaut, fragt sich, ob ihr Zenit nicht erreicht ist. Die Analogien zur FDP sind unübersehbar. Vor allem deuten die Anzeichen in den meisten europäischen Ländern auf eine Zersplitterung der Parteienlandschaft und auf das Erstarken gesellschaftlicher Organisationsformen, die sich festen Parteienstrukturen bewusst entziehen. Neben dem Parteienstaat und an ihm vorbei ordnet sich der politische Raum neu. In den Gemeinden und Regionen bilden sich Aktionsformen von Bürgern heraus, die ihre Kraft lieber in das selber Machen und Erreichen konkreter Projekte stecken – fern der Parteienwelt. Was ich da sehe, wird deutlich im Umgang dieser Leute mit der Internetwelt. In ihr sind sie so souverän zuhause, dass sie sich für ihnen wirklich wichtige Dinge leibhaftig um einen Tisch versammeln. Nur verabredet haben sie sich online. Diese lokalen Welten haben das Potential zur regionalen und grenzübergreifenden, ja globalen Vernetzung. Aber das dauert noch. Wir gehen auf eine mehrfache Teilung des öffentlichen Raumes, der res publica zu. „Oben“ machen „sie“ Symbolpolitik, wenn’s ernst wird, experimentieren mit Maßnahmen, denen wegen Nichtfunktionierens permanent neue hinzugefügt werden. In den großen Dingen müssen die Verwaltungen und die Bürger irgendwie selbst entlang kommen. In die kleinen Dinge mischen „sie“ sich in alles ein, sind andauernd als Volkserzieher unterwegs von der „richtigen“ Ernährung bis zur Vorsorgeuntersuchung, die öfter krank macht als vorbeugt. „Unten“ kümmert sich die Mehrheit immer weniger um „die da oben“. Was richtig und falsch ist, entscheiden immer mehr in ihrem sozialen Umfeld selbst, kümmern sich um „die da oben“ nicht. Werden soziale und Lebensstil-Parallelgesellschaften jenseits der Problemgebiete der Integration von Migranten, die schon da waren, bevor die neue, große Zuwanderung begann, zum gesellschaftlichen Strukturmuster? Oder hat sich dieses Muster schleichend längst etabliert? Albrecht von Lucke, Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik, hat seinem Buch über den Niedergang der Sozialdemokraten den Titel gegeben: Die schwarze Republik und das Versagen der deutschen Linken (Besprechung demnächst hier). Er konstatiert „einen tiefen Sturz nicht nur der deutschen, sondern fast der gesamten europäischen Linken. In Großbritannien ist Labour unter Ed Miliband kläglich gescheitert und in Frankreich, um nur die beiden bedeutendsten europäischen Länder zu nennen, ist der einstige linke Hoffnungsträger François Hollande nur noch ein Präsident auf Abruf, derweil Marine Le Pen und der alte und neue UMP-Chef Nicolas Sarkozy die nächste Wahl unter sich ausmachen könnten.“ Angesichts der Verwandlung der Union unter Merkel, der Grünen nach Fischer und Trittin und der FDP mit Westerwelle, bietet sich als nächster Buchtitel an: Die graue Republik und das Versagen der deutschen Parteien. Ein Autor wird sich finden.
Fritz Goergen
Die Chancen der Union, nicht auch unter 30 Prozent zu fallen wie die SPD, sinken. Die Zeit der Volksparteien geht zu Ende.
kolumnen
2015-11-13T15:03:39+00:00
2015-11-14T01:10:18+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/goergens-feder/vom-langen-abschied-der-volksparteien/
Wahlwiederholung in Berlin? Der Schwindel geht weiter
Der Eiertanz um die Wahl in Berlin geht weiter. Nun will die Ampelkoalition im Bundestag auf eine Wiederholung der Bundestagswahl in der Stadt hinwirken (TE berichtete) – allerdings nur in ca. 400 Wahllokalen, das sind weniger als 20 Prozent der Wahllokale der Hauptstadt. Doch auch das scheint nur halb zu stimmen. Denn Abgeordnete von Grünen und FDP gehen jetzt schon wieder auf Distanz zu dem Plan, nachdem die SPD die Sache an die Presse gegeben hatte. „Das war nicht abgemacht“, so zitiert die BZ einen Koalitionär. Die 400 Wahllokale, in denen nach den Ampel-Plänen wiederholt werden soll, seien lediglich das Maximum. Eine Wiederholung in nicht mal einem Fünftel der Wahllokale der Stadt – das ist also überhaupt nur das maximal Mögliche. De facto soll die Zahl offenbar noch niedriger werden. Das Spiel um den Umgang mit den Wahlpannen in Berlin bleibt eine Farce: Denn die Wahlpannen – und hier sind sich mittlerweile alle bis hin zum Expertenrat des Berliner Senats einig – waren strukturell bedingt. Strukturell falsche Wahlzettelverteilung, strukturell zu wenige Wahlkabinen, strukturelles Chaos durch Berlin-Marathon & Co. Es sind Pannen, die berlinweit vom Senat verursacht wurden; Pannen also, die sich nicht auf bestimmte Wahllokale begrenzen. Die Pannen traten in allen Bezirken auf – in vielen konnte TE das über die uns exklusiv vorliegenden Protokolle des Wahltages nachweisen. In vielen Wahlkreisen allerdings fehlt die genaue Protokollierung – und das führt den Ampel-Plan endgültig ad absurdum. TE-Recherchen zeigen, dass im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf jedes zweite Protokoll fehlerhaft ist – ausgerechnet in dem Bezirk, in dem mit die meisten Unregelmäßigkeiten entstanden sind. Ausgerechnet hier fehlen an entscheidenden Stellen Zahlen. Aus den Protokollen wird nach TE-Recherchen klar, dass die Wahllokale im Bezirk mindestens 20 Stunden lang geschlossen wurden, dass rund zwei Drittel der Wahllokale verspätet schlossen. Mindestens 1.000 Stimmen wurden ungültig, weil falsche Wahlzettel ausgegeben wurden. Potenziell sind es aber eben viel mehr – denn mehrheitlich wurde lediglich vermerkt, dass falsche Wahlzettel ausgegeben wurden, aber nicht, wie viele Wähler das betraf. In vielen Wahlprotokollen fehlen Anlagen und zwar jene, die genau über besondere Vorkommnisse aufklären sollen. Wie kommt die Koalition unter diesen Bedingungen auf den Vorschlag, lediglich (maximal) 400 Wahlkreise zu wiederholen? Insbesondere auf dem Bezirk Lichtenberg, in dem die Linke ihr entscheidendes Direktmandat gewann, soll kein Fokus der Wahlwiederholung liegen. Merkwürdig: Denn TE konnte darstellen, dass es auch hier zu massiven Unregelmäßigkeiten kam. Woher kommt diese Beschränkung – wenn man in zahlreichen Wahlkreisen doch gar nicht weiß, ob und wie viele Pannen es gab? So detailliert ist der Wahltag nicht mehr aufzuarbeiten, als dass man so messerscharf trennen könnte – denn was nicht protokolliert ist, wird sich kaum rekonstruieren lassen. Bei der Zahl an Pannen würde das eigentlich nur einen Schluss zulassen: eine flächendeckende Wiederholung. Doch die Politik tickt anders. Zwar sieht man sich durch die anhaltende und eindeutige mediale Berichterstattung der letzten Wochen genötigt, etwas zu tun, will aber so wenig wie nur irgendwie möglich unternehmen. Schließlich hängen gerade bei der SPD viele Mandate so am seidenen Faden. Aber auch die anderen Parteien wollen nicht für zu viel Veränderung sorgen – große Verschiebungen könnten Politiker aller Fraktionen das Mandat kosten. Beim Vorschlag der Ampel wären in den Berliner Bezirken immer nur ein kleiner Teil der Wahllokale von einer Wiederholung betroffen – so kann von vornherein kaum eine Änderung des Direktmandates entstehen. Vielen Politikern scheint das Mandat näher als die Wahrheit. Eine Aufarbeitung im Sinne einer tatsächlichen Lösung, die eine sichere Wahl garantiert, ist nicht geplant. Lediglich eine Show-Aktion, die nach Taten aussehen soll, im Ergebnis aber von vornherein auf keine Veränderungen hinausläuft. Das ist ein roter Faden, der sich durch nahezu alle Institutionen zieht, die mit der Frage befasst sind. Für den Bundestag wie für das amtierende Berliner Abgeordnetenhaus, für den Berliner Senat wie für den Berliner Landesverfassungsgerichtshof ist die Sache vor allem eines: nervig. Man tut nur so viel, wie man muss – und das Muss definiert sich durch den öffentlichen Druck, der auf die Institutionen wirkt. 
Das ist eine höchst gefährliche Untergrabung aller rechtsstaatlichen Prinzipien. Denn es zählt nicht mehr, ob etwas stimmt, sondern nur, wie laut etwas vorgebracht werden kann.
Max Mannhart
Der Bundestag will eine Wiederholung der Wahl in Berlin - in Teilen. Es ist das gleiche Muster, das den Umgang mit der Pannenwahl seit einem Jahr prägt: Man tut nur soviel wie man unbedingt muss und wozu man medial gedrängt wird. Viele Abgeordnete interessieren sich in erster Linie für den Erhalt des eigenen Mandates.
meinungen
2022-07-11T07:43:32+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/wahlwiederholung-in-berlin-der-schwindel-geht-weiter/
Börsenhoroskope und viel Stoff zum Nachdenken
Viele Anleger übernehmen lieber unausgereifte Prognosen anderer, statt sich selbst Gedanken über die Börse zu machen, besonders in der Zeit vor der Jahreswende. Es geht auch anders, vor allem erfolgreicher. Die meisten Prognosen für 2015 sind veröffentlicht. Viele Anleger lieben sie, weil sie ihnen das eigene Denken ersparen. So war es vor jeder Jahreswende, so ist es auch jetzt. Immer wieder im Fokus: der Dax. Um genau zu sein: der Performance-Dax, der uns im Gegensatz zum Kurs-Dax glauben macht, wir seien reicher als wir sind. Denn er enthält Dividenden, der Kurs-Dax nicht. Dieser hat es im bisherigen Jahresverlauf gerade mal auf ein Ergebnis von plus/minus null gebracht und damit nach der Hitliste des Börsenspezialdienstes wellenreiter-invest.de weltweit nur auf Platz Nummer 34. Die Index-Verliebtheit der Anleger entspricht ihrer Horoskop-Gläubigkeit: Die einen lassen sich mithilfe sogenannter Charts, also Grafiken, Kurse interpretieren, an denen es nichts zu interpretieren gibt, weil sie im Fall Dax einen gewichteten Durchschnitt von 30 Aktien wiedergeben. Die anderen nehmen nichtssagende Floskeln für bare Münze – es könnte ja etwas dran sein, wenn das Horoskop Glück in der Liebe oder an der Börse verheißt. Was als Interpretation der Chartisten daherkommt, ist in der Regel ein Spiel mit der Denkfaulheit der Anleger. Das lässt sich am Dax besonders gut nachweisen. Er startete am 1. Juli 1988 zum Teil mit anderen Aktien, als heute in ihm enthalten sind, wie Kaufhof und Karstadt, Nixdorf und Mannesmann, Schering und Deutsche Babcock. Letztere wurde sogar zum Pleitefall. Im Lauf der Jahre kamen und gingen weitere Pleitefälle wie Metallgesellschaft und Hypo Real Estate, außerdem kurzfristige Dax-Besucher wie MLP und Salzgitter. Der Dax von heute ist also nicht der Dax von gestern, und schon deshalb taugen die Regeln von vorgestern nicht für morgen. Macht nichts, behaupten die Chartinterpreten und dichten jeder erdenklichen Dax-Bewegung eine Widerstandslinie, Bullenfalle oder Schulter-Kopf-Schulter Bewegung an. Das gemeine Anlegervolk will es ja so haben, am liebsten noch garniert mit der Zugabe von Dollar- und Goldprognosen. Der Psychologe Gerd Gigerenzer hat sich mal den Spaß erlaubt, Dax- und Dollarprognosen führender Banken wie JP Morgan und UBS, Morgan Stanley und Credit Suisse ein Jahr später auf ihren Gehalt zu überprüfen. Sein wesentliches Ergebnis gipfelte im Urteil: „erschreckend schlecht“. Wenn schon vermeintliche Profis derart daneben liegen, wie sollen dann erst recht Anlagelaien mit der Börse zurechtkommen? Ganz einfach: Indem sie selbst über die Kursentwicklung nachzudenken beginnen, statt dies den Scharlatanen zu überlassen. Und zwar weniger über die Dax-Bewegungen (siehe oben) als über das Hin und Her der Kurse einzelner Aktien. Anleger brauchen dazu am Anfang nur den kostenlosen Service irgendeiner Direktbank in Gestalt von Charts in Anspruch zu nehmen, um sich über den Stand der Dinge zu informieren. Dazu gehören neben den Kursen auch die Börsenumsätze, fein abgetragen in Zeitabschnitten von einem Tag bis zu fünf und mehr Jahren – geradezu eine Fundgrube für alle Anleger, sei es für kurzfristige Trader, sei es für Langfristsparer. Charts bilden die Vergangenheit bis zur Gegenwart ab. Mehr nicht, aber immerhin: Man bekommt die Information serviert, dass aktuell die Kurse der Internetaktien oben und die der Ölaktien unten stehen. Das regt schon mal ordentlich zum Nachdenken über die Ursachen an. Ob zum Beispiel die Samwer-Aktien Rocket Internet und Zalando das Zeug haben, es ihren Vorbildern aus dem Silicon Valley mit Kursgewinnen nachzumachen, oder ob es an der Zeit ist, den Kursverfall von Royal Dutch und Exxon Mobil zum Kaufen der beiden Aktien zu nutzen.
Viele Anleger übernehmen lieber unausgereifte Prognosen anderer, statt sich selbst Gedanken über die Börse zu machen, besonders in der Zeit vor der Jahreswende. Es geht auch anders, vor allem erfolgreicher.
kolumnen
2014-12-21T18:26:39+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/gbureks-geldwoche/boersenhoroskope-und-viel-stoff-zum-nachdenken/
Das Volk, sein Selbstbestimmungsrecht – und die deutschen Politiker
Wer in diesen Tagen die Statements der führenden Politiker unseres Landes zum Krieg in der Ukraine verfolgt, wird immer wieder auf die Betonung des Selbstbestimmungsrechts oder der von Putins Armee verursachten Leiden des ukrainischen Volkes hingewiesen. Dies irritiert insofern, als man im öffentlichen Sprachgebrauch der Bundesrepublik die Selbstkennzeichnung „Deutsches Volk“ oder „Volk der Deutschen“ möglichst meidet. Bei Großdemonstrationen der linken Szene, kann man des Öfteren den Slogan von der „Einen Welt, in der alle Bewohner gleich sind“ auf den Plakaten und Spruchbändern lesen. Ein Grund dafür mag der gemeinsame Sprachstamm von „Volk“ und „völkisch“ sein. Schließlich war das Völkische der Deutschen als wesentliches und über allen qualitativ und über allen anderen stehendes Merkmal fester Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie, die im Holocaust mit der Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden, seinen grausamsten Ausdruck fand. Nur, kann es wirklich sein, dass ein Volk auf Grund seiner Geschichte jede Art von besonderer Eigenheit verliert?  Natürlich ist die Unterscheidung der AfD zwischen „Deutschen“ und „Pass-Deutschen“ willkürlich und diskriminierend. Es kann keine zwei Klassen-Zugehörigkeit zu einem Volk geben. Wer den deutschen Pass besitzt, ist Deutscher. Alles andere hätte auf die Dauer auch jeweils unterschiedliche Rechte und Pflichten für die einen und die anderen zur Folge, womit wir unweigerlich das Rad der Geschichte in finstere Zeiten zurückdrehen würden.  Die massenhafte Begehung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Frau, so geschehen in der Neujahrsnacht 2016 auf dem Kölner Domplatz, gehört zweifelsfrei nicht zum allgemeinen Verhalten der Deutschen. Immerhin finden aktuell in der Bundesrepublik Woche für Woche jeweils zwei Gruppenvergewaltigungen statt. Die Täter sind ausschließlich Personen mit Migrationshintergrund, wobei nicht fest steht, wer davon lediglich einen Aufenthaltstitel besitzt oder bereits deutscher Staatsangehöriger ist. Auch die nach wie vor übliche, von den gesetzlichen Normen der Bundesrepublik abweichende Verhaltensweisen, wie die Zwangsverheiratung auch noch minderjähriger Frauen, oder das immer wieder praktizierte Ritual der Blutrache oder des Ehrenmordes müssten eine deutsche Staatsbürgerschaft ausschließen. Hintergrund für all das ist nämlich ein gänzlich anderes Frauenbild, das bis hin zum Züchtigungsrecht des Mannes geht. Eine ähnliche von deutschen allgemeinen Regeln abweichende Praxis ist das Verweigern des Schulbesuches der eigenen Kinder, die stattdessen in Koranschulen unterrichtet werden. Ganz zu schweigen von einer eigenen Gerichtsbarkeit, die durch Imane nach den Regeln der Scharia und fernab der deutschen Rechtspflege in den bereits bestehenden Parallelgesellschaften in Großstädten praktiziert wird. All dies ist den Behörden seit langem bekannt. Doch scheint man längst resigniert zu haben und lässt die Dinge einfach laufen.  Wenn Deutschland ein Einwanderungsland geworden ist, und daran kann es keinen Zweifel geben, muss sowohl das Aufenthaltsrecht und schon gar die Staatsbürgerschaft an die Akzeptanz gewisser Grundregeln des Zusammenlebens, die in der Entwicklung von der Antike über die christliche Religion bis hin zur Aufklärung gewachsen sind, gebunden sein. Wer diese nicht akzeptieren kann oder will, muss sanktioniert werden oder im Zweifel Deutschland verlassen. Dies hat weder etwas mit Ausländerfeindlichkeit oder Rassismus zu tun, sondern mit der Bewahrung des Rechtsfriedens einer Gesellschaft.  All dies allerdings darf einer geregelten Zuwanderung nicht im Wege stehen. Jeder, der diese kritisiert, muss sich heute beispielsweise die Frage stellen, wer ihm im Alter bei Pflegebedürftigkeit das Kopfkissen aufschüttelt und eine Tasse Tee bringt. Seit 1971 ist in der Bundesrepublik die Geburtenrate unter die zur Erhaltung der Bevölkerungsgröße notwendige Rate gesunken. Ein gravierender Fachkräftemangel bei gleichzeitiger sprunghaften Überalterung der Gesellschaft ist die Folge. Wer den Hedonismus und die sogenannte Selbstverwirklichung, bei gleichzeitiger Ablehnung von Verantwortung für Kinder, zum Lebensinhalt erklärt, muss dann auch die Konsequenzen tragen. Im Klartext: Ohne Zuwanderung ist weder das soziale Netz dieses Landes, noch sein Wohlstand zu halten. Auch die volle Ausschöpfung des weiblichen Teiles der Bevölkerung für den Arbeitsprozess, verbunden mit einer permanenten Diffamierung der „nur“ Mutter- und Hausfrauentätigkeit – Stichwort „Herdprämie“ – setzt die seit mittlerweile ein halbes Jahrhundert andauernde Veränderung der demographischen Fakten fort. Da das so gewollt ist, und die gesellschaftlichen Leitbilder darauf ausgerichtet sind, sind auch die Folgen zu akzeptieren. Ganz davon abgesehen entspricht Zuwanderung auch den Gegebenheiten unserer heutigen globalen Arbeitswelt. Dies trägt löblicherweise zu mehr Toleranz und Verständnis auf unserem Planeten bei. Besonders die neuen Bundesländer haben sich über Jahrzehnte der SED-Diktatur der Öffnung nach außen verschlossen. Die Enge der Kleinstädte und des spießbürgerlichen Wohnzimmer-Milieus im SED-Staat ließen eine mentale Trägheit und eine Ablehnung jeder Veränderung, zu der auch Toleranz gehört, zum Teil der eigenen Wohnzimmer-Identität werden. Dies gilt natürlich auch für gewisse Bereiche der alt-bundesdeutschen Gesellschaft. Nur in der DDR war dies eben viel manifester. Die aus gutem Grunde gewachsenen und auch erkämpften Standards der aufgeklärten Welt des Westens müssen im Kern der Maßstab sein. Dies hat nichts mit Arroganz oder gar „neu-kolonialer Überheblichkeit“ zu tun, sondern mit der erwiesenen Funktionalität und Liberalität unserer Gesellschaften.  Ein Beispiel für die Durchsetzung gewisser Regeln der gegenseitigen Achtung lieferte vor einigen Jahren die damalige Bezirksbürgermeisterin des Problembezirks Berlin-Neukölln, Franziska Giffey, – heute bekleidet die SPD-Politikerin das Amt der Regierenden Bürgermeisterin Berlins. Als sie erfuhr, dass bei einer feierlichen Veranstaltung zur Übergabe der deutschen Pässe an Personen mit Migrationshintergrund, die Männer sich weigern würden, ihr als Frau die Hand zu geben, sagte sie die Veranstaltung ab. Vor die Alternative gestellt, auf die vielen Rechte und Privilegien, die mit dem deutschen Pass verbunden sind, zu verzichten, oder es „einmal im Leben“ übers Herz zu bringen, einer Frau die Hand zu geben, entschlossen sich die meisten, die in unseren Breitengraden übliche Form der Begrüßung zwischen Mann und Frau mitzuvollziehen. Ein konsequentes und couragiertes Verhalten dieser Politikerin, das man sich öfter wünschen würde. Ein häufig gehörtes Argument gegen diese Forderung ist der Verweis auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Dort lebten ja auch die unterschiedlichsten Ethnien zusammen oder sogar nebeneinander und dabei vielfach auch noch nach eigenen kulturellen Regeln. Was dabei oft übersehen wird, ist das allen gemeinsame Bekenntnis dazu, Amerikaner zu sein. Die amerikanische Fahne weht heute in den gesamten USA an nahezu jedem Haus, völlig unabhängig, ob es sich um eine weiße, schwarze, latino oder asiatische Neighborhood handelt. Damit verbunden ist auch das Bekenntnis zu den sogenannten amerikanischen Werten. An erster Stelle ist hier die Wertschätzung der Rechte jedes einzelnen Individuums gegenüber jeder Form des Kollektivismus, sowie der Stolz auf die Amerikanische Revolution des 18. Jahrhunderts zu nennen. Dies gilt für die Anhänger aller politischen Überzeugungen und Parteien. Ein Umstand, der die europäische Linke bei ersten Besuchen jenseits des Atlantiks jedes Mal einem Schock-Erlebnis aussetzt. Die Voraussetzung für ein solches Selbstverständnis ist allerdings das Wissen über die eigenen ideellen Grundlagen und die Bereitschaft zur Verteidigung derselben.  In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an einen Disput mit einem ranghohen saudi-arabischen Diplomaten. Ich kritisierte die Einreiseverweigerung von, falls bekannt, homosexuellen Personen in das Königreich. Dabei verwies ich auf die regelmäßig zu beobachtende ungehinderte Einreise männlicher saudischer Staatsbürger mit ihren jeweils bis zu 4 Frauen. Immerhin ist die Viel-Ehe in Deutschland untersagt und kann nicht praktiziert werden. Ich wollte wissen, ob nicht unser Verhalten viel toleranter sei. Der Mann lächelte mich verständnislos an und sagte: „Das Verhalten Ihres Landes ist Zeichen einer erbärmlichen Schwäche. So wie wir Homosexualität, welche bei uns als schwere Krankheit gilt, verdammen, sollten Sie auch konsequent an Ihren Grenzen gegen die Einreise von mehr als einer Ehefrau vorgehen. Eine Gesellschaft, die nicht konsequent für ihre Überzeugungen eintritt, wird auf Dauer nicht überleben, sondern von einer stärkeren übernommen.“ Ein erklärter Missionsdrang, der uns nachdenklich stimmen sollte.  Offensichtlich ist selbst dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler bewusst, dass die Vorstellung vom Weltbürger mit gleicher Identität nicht mit der Realität auf unserer Erde übereinstimmt. Warum sonst würden sie so selbstverständlich vom ukrainischen Volk und seinen Rechten sprechen?
Ferdinand Knauß
Das Grundgesetz kennt keinen Unterschied zwischen Herkunftsdeutschen und Eingebürgerten. Doch wie sieht der Alltag aus? Nicht auf die Staatsbürgerschaft kommt es an – entscheidend ist ein Wertekonsens.
meinungen
2022-03-22T17:45:45+00:00
2022-03-22T17:45:46+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/deutschsein-wertekonsens-staatsbuergerschaft/
Der Weg in den Abnutzungskrieg
Es muss nicht wiederholt werden: Putins ursprünglich geplanter schneller und großer Wurf bei der Übernahme der Ukraine ist gescheitert. Nach unerwartet hohen Verlusten bei Mensch und Material kam es aufgrund der Nachschubproblematik zum Rückzug aus den zentralen Regionen bei Kiew. Die Gebiete um die zweitgrößte Stadt Charkiv konnten von der Ukraine mühsam befreit und der Vormarsch auf die Hafenstadt Odessa gestoppt werden. Vorerst. Denn dass der russische Aggressor von seinem imperialistischen Ziel der Vernichtung eines unabhängigen Staates Ukraine absieht, erscheint unwahrscheinlich. Das taktische Vorgehen hat sich geändert – nichts jedoch am strategischen Ziel. Mit den so verstärkten Einheiten wollte Militärchef Gerassimow in der Ostukraine einen großen Kessel bilden, in dem ein wesentlicher Teil der ukrainischen Armee von der Hauptmacht abgetrennt und so vernichtet werden sollte. Doch auch das scheiterte am Widerstand der Ukrainer, weshalb der zu bildende Kessel kontinuierlich schrumpfte. Nichtsdestotrotz deutet sich an, dass die verstärkten russischen Einheiten in der Lage sein werden, zumindest einen abgespeckten Kessel zu schaffen und die dort eingegrabenen Einheiten auszuschalten. Damit hätte Putin zumindest ein Etappenziel erreicht und die weitestgehende Kontrolle über die Provinzen Luhansk und Donezk errungen. Einiges deutet darauf hin, dass es an der dortigen Demarkationslinie zu einem Stellungskrieg kommen wird, während Russland Teile seiner Einheiten nach Süden verlegt, um den bislang gescheiterten Vorstoß auf Odessa zu forcieren. Gleichzeitig baut Russland nach Erkenntnissen europäischer Militärbeobachter westlich des besetzten Cherson seine Stellung aus – auch dort die Voraussetzung eines langwierigen Stellungskrieges. Sollte die Übernahme Odessas misslingen, so entsteht auf breiter Front eine Situation, die mit jener des Jahres 1916 am deutsch-französischen Frontverlauf zu vergleichen ist. Möglich, dass Putin dann sogar bereit wäre, über eine „Waffenruhe“ zu verhandeln, denn seine Invasionsarmee steht vor drei Problemen: Der Materialeinsatz hat tiefe Lücken in das Waffenarsenal Russlands gerissen, die Nachschubproblematik ist nach wie vor ungelöst und die Moral der eingesetzten Mannschaften gering. Putin könnte eine Atempause nutzen, um hier nachzurüsten für die nächste heiße Phase des Überfalls. Gleiches gilt jedoch auch für die Ukraine. Die militärischen Elite-Einheiten werden durch den Abnutzungskrieg verschlissen – und auch wenn in der Ukraine ein Volkskrieg gegen einen Aggressor geführt wird, bedarf die Ukraine vor allem auch für den Einsatz der modernen Waffen aus dem Westen qualifizierter Kämpfer. Eine Waffenruhe kann insofern Russland dienen – aber auch der Ukraine die Atemluft geben, hochmodernes Kriegsgerät in Stellung zu bringen. Hinzu kommt, dass Selenskyj einer Waffenruhe eigentlich nicht zustimmen kann, will er an seinem Ziel festhalten, alle ukrainischen Gebiete nebst der Krim zurückzuholen. Insofern wäre bereits der Einstieg in entsprechende Gespräche das Eingeständnis beider Seiten, dass ihnen die Luft ausgeht. Gut vorstellbar insofern auch, dass Putin zur Erholung auf kleiner Flamme weiterkocht. Die Stellungen in den bislang besetzten Gebieten ausbaut, um Befreiungserfolge der Ukraine zu verhindern oder zu teuer zu machen. Dabei aber gleichzeitig die Bombardierung der ukrainischen Logistik und Zivilbevölkerung fortzusetzen, um die Waffen aus dem Westen vor ihrem Kriegseinsatz zu zerstören und die Ukrainer zu zermürben. Russland hätte es in einer solchen Situation in der Hand, über den Zeitpunkt des aktiven Vorstoßes zu entscheiden. Das Risiko eines solchen Vorgehens wiederum liegt vor allem in der Situation Russlands selbst. Der Unmut im eigenen Land wird zwar weitgehend erfolgreich unterdrückt, doch es mehren sich die Signale, dass er an Breite zunimmt. Zudem ist nicht absehbar, ob und wann die westlichen Sanktionen ihre Wirkung entfalten. Je länger der Überfall dauert, desto größer wird für die Kremlführung das Risiko, sich gegen interne Widerstände behaupten zu müssen. So lässt sich auch hinsichtlich der Gesamtsituation kaum eine verlässliche Prognose treffen. Die Kampfhandlungen können sich theoretisch noch über Monate und Jahre hinziehen – oder abrupt enden, wenn einer Seite die Luft ausgeht. Bis es so weit ist, werden nicht nur in den battlegrounds weiterhin Tausende sinnlos sterben – es wird auch die Zerstörung der Lebensgrundlagen der Ukraine ungebremst fortgesetzt werden. Denn das Kernproblem der Überfallenen ist und bleibt die faktische Lufthoheit der Russen über ihr Land. Die könnte nur eine schlagkräftige Luftwaffe beenden, wie die der USA. Den direkten Kriegseintritt aber will nach wie vor niemand – und auch weiterhin wirken die Anstrengungen des Westens eher unkoordiniert und unabgestimmt. Ein bisschen hiervon, ein wenig davon. Einen Teil können die Ukrainer sofort einsetzen, für einen anderen bedarf es langwieriger Schulung. Und ein Teil wird von den luftüberlegenen Russen während Transport und Lagerung am Boden zerstört. Es ist offensichtlich: Keiner der mittelbar und unmittelbar Beteiligten hat bislang ein reales Ausstiegsszenario. Selbst bei der feinen Differenzierung zwischen „Russland darf den Krieg nicht gewinnen“ und „Russland muss den Krieg verlieren“ gibt es keine klare Linie. Theoretisch kann das gegenseitige Morden noch über Jahre fortgesetzt werden. Oder aber, es fällt dann doch eine Seite in sich zusammen. Wer und wann das sein wird, steht gegenwärtig in den Sternen. Die Vorstellungen beispielsweise der EU-Kommission, umgehend in den „Wiederaufbau“ der Ukraine einzusteigen, scheinen insofern absurd. Was soll aufgebaut werden, wenn es bereits morgen wieder zerbombt wird? Und wozu?
Tomas Spahn
Die Elite-Einheiten der Ukraine werden durch den Abnutzungskrieg verschlissen. Eine Waffenruhe könnte der Ukraine die Atemluft geben, hochmodernes Kriegsgerät in Stellung zu bringen. Doch Selenskyj kann einer Waffenruhe eigentlich nicht zustimmen, will er an seinem Ziel festhalten, alle ukrainischen Gebiete nebst der Krim zurückzuholen.
kolumnen
2022-05-25T09:53:51+00:00
2022-05-25T09:54:05+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/spahns-spitzwege/ukraine-krieg-der-weg-in-die-abnutzung/
Tichys Einblick 01-2021: Wer schützt unsere Demokratie vor Corona?
Die neue Ausgabe 01-2021 von ‚Tichys Einblick‘ jetzt im Handel oder direkt als PDF erhältlich. Themen der aktuellen Ausgabe: Nie waren sie so besorgt wie heute: Die Deutschen hadern mit den unkoordinierten Maßnahmen der Regierung, ihr Vertrauen erodiert. Viele haben Angst vor der ökonomischen Zukunft. Was bleibt von Deutschlands Stärke nach Corona? Sie können das aktuelle Heft hier bestellen, hier als PDF, ein Probe-Abo über drei Ausgaben abschließen oder ein Jahres-Abonnement (12 Ausgaben). Wo Sie das Heft im Handel in Ihrer Nähe finden, verrät Ihnen ein Klick auf mykiosk.com.    
Sofia Taxidis
Die neue Ausgabe 01-2020 von Tichys Einblick jetzt im gut sortierten Handel, direkt als PDF oder per Abo erhältlich. Hier ein kurzer Überblick.
daili-es-sentials
2020-12-11T16:48:51+00:00
2020-12-12T13:33:01+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/tichys-einblick-magazin-01-2021/
Lange Kolonnen von Traktoren und LKW blockieren Deutschland – TE-Wecker am 12. Januar 2024
Proteste: lange Kolonnen von Traktoren und Lastwagen blockieren Deutschland ++ Umfrage: 81 Prozent haben Verständnis für Bauern ++ Kanzler in Cottbus: Jubeltermin mit kleinem Schönheitsfehler ++ neue VIP-Hubschrauber für Ampel-Koalition ++ Autovermieter Hertz gibt Elektroautos zurück und vermietet Verbrenner ++ TE-Energiewende-Wetterbericht: Habeck CO2-Weltmeister ++
Sofia Taxidis
Der TE-Wecker erscheint montags bis freitags – und bietet Ihnen einen gut informierten Start in den Tag. Ideal für den Frühstückstisch – wir freuen uns, wenn Sie regelmäßig einschalten.
podcast
2024-01-12T02:00:02+00:00
2024-01-12T05:52:10+00:00
https://www.tichyseinblick.de/podcast/te-wecker-am-12-januar-2024/
Polen beginnt mit Bau des Stahlzauns an der Grenze zu Weißrussland
Der polnische Grenzschutz hat den beteiligten Baufirmen erste Grenzabschnitte zur Errichtung der geplanten Barriere im Osten des Landes überlassen. Die genauen Orte werden „aus Sicherheitsgründen“ geheimgehalten, wie eine Sprecherin der französischen Nachrichtenagentur AFP sagte: „Darauf warten die weißrussischen Beamten nur, um Migranten dorthin zu schicken.“ Der gleichzeitige Bau an vier Sektionen soll garantieren, dass die Arbeiten schnell fertiggestellt werden. Schon im Juni sollen die Arbeiten beendet sein. Insgesamt soll der verstärkte Grenzzaun auf einer Länge von 186 Kilometern errichtet werden und zusätzlich mit Kameras und Bewegungsmeldern ausgestattet werden. Laut Xinhua wurden zwei polnische Firmen beauftragt, den Zaun aus fünf Meter hohen Stahlpfosten zu errichten, die Betonplatten tragen werden. Die Grenzanlage wird laut der polnischen Regierung 353 Millionen Euro kosten und knapp die Hälfte der polnisch-weißrussischen Grenze sichern, die insgesamt etwa 400 Kilometer lang ist. 50.000 Tonnen Stahl werden angeblich für den Bau benötigt, der weder aus Russland noch aus Weißrussland importiert werden soll. Die stellvertretende Direktorin des Grenzschutzes, Wioleta Gorzkowska, sagte Anfang Januar: „Die anhaltende Destabilisierung an der polnisch-weißrussischen Grenze bestätigt, dass die Errichtung eines permanenten Walls eine absolute notwendige und dringende Investition ist.“ Der Stahlzaun wird die bestehenden Stacheldrahtzäune ersetzen, die den Grenzschützern „Zeit kauften“. In der Zeit, in der Migranten sich an diesem provisorischen Zaun zu schaffen machten, konnten die Polen ihre Kräfte mobilisieren. Tausende Migranten belagerten im vergangenen Herbst den polnisch-weißrussischen Grenzübergang von Brusgi–Kuznica. Doch auch nachdem der Ansturm auf den ordentlichen Grenzübergang vorüber war, setzten sich die Nadelstiche gegen den polnischen Grenzschutz fort. Weißrussland stellte den Migranten eine Lagerhalle zur Verfügung. Immer wieder wurde deutlich, dass ihr eigentliches Ziel Deutschland war. Bis heute herrscht kein Mangel an Versuchen zum illegalen Grenzübertritt. Allein im Januar berichten die Grenzschützer von mehr als 800 Versuchen. Am Dienstag vor einer Woche gab es 33 davon, am gestrigen Dienstag 17 Versuche, bei denen 14 Personen den Stacheldraht durchtrennten und auf polnisches Gebiet vorstoßen konnten. In diesem Fall waren es elf Iraner, zwei Libanesen und ein Syrer. Daneben wurden in den letzten Tagen Migranten aus Ägypten, Eritrea, der Türkei, dem Jemen, Irak, Guinea, Pakistan, Indien, Sri Lanka, Kamerun und Ghana aufgegriffen und in Lagern untergebracht. Und immer wieder Iraker, Türken, Syrer und Jemeniten. Mit dem Bau reiht sich Polen in die Gruppe der Länder ein, die bereits Barrieren an ihren Grenzen errichtet haben. So gibt es österreichische Zäune an der Grenze zu Slowenien, das sich seinerseits von Kroatien durch einen Zaun abschirmt. Ungarn hat an der Grenze zu Serbien und Kroatien Zäune errichtet, Griechenland seit letztem Jahr an der Grenze zur Türkei. Außerdem sind die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla seit Langem durch hohe Zäune gesichert. Auch aus ökologischen Gründen wird der Zaunbau kritisiert. Laut der Sprecherin der polnischen Grenzschützer, Anna Michalska, will man möglichst wenige Bäume für den Bau fällen. Die Barriere selbst werde entlang der bestehenden Grenzstraße gebaut. Die polnischen Grenzschützer nehmen die ökologischen Bedenken aber auch mit Humor. In einem Tweet informieren sie, dass man die Grenze für Wisente natürlich öffnen würde, ohne zu kontrollieren, ob es sich um polnische oder weißrussische Wisente handelt. Laut EU Observer hat Polen beim EU-Rat eigene Vorschläge dazu vorgelegt, wie der Migrationskrise an der Grenze zu Weißrussland begegnet werden sollte. So wollen die Polen, dass Asylanträge nur noch an ordentlichen Grenzübergängen gestellt werden können. Illegal einreisende Migranten dürften nach dem polnischen Vorschlag nur noch dann Asylanträge stellen, wenn sie direkt aus dem Land einreisen, in dem sie verfolgt werden. Und natürlich hat Polen jede Menge Erfahrung mit Flüchtlingen, die direkt aus dem Land ihrer Verfolgung fliehen, zum Beispiel aus Weißrussland. Die Vorschläge beziehen sich zwar nur auf Notfallsituationen, dürften aber auch als solche durchaus Sprengpotenzial in der EU haben. Ungarn ging noch weiter bei den Beratungen des Rates: Zeitweilige Beschränkungen beim Zugang zu Asyl müssten möglich sein. Sonst sei man dem Missbrauch des Asylrechts schutzlos ausgeliefert, auch angesichts der Schwierigkeit von Rückführungen. Aus der Sicht Österreichs fehlen im EU-Plan Maßnahmen zur Verhinderung von irregulärer Sekundärmigration, vor allem Gewahrsam für die aufgegriffenen illegalen Migranten. Die genannten drei Länder bilden sozusagen den Sturm beim Kampf um ein neues Asylsystem in der EU. Im Tor standen Deutschland, Portugal und Schweden. Der deutsche Vertreter betonte eigentlich nur, dass das herrschende Asylsystem beibehalten werden soll: Betroffenen Mitgliedsstaaten solle dabei geholfen werden, „mit von Weißrussland instrumentalisierten Drittstaatenangehörigen in einer menschlichen und ordentlichen Weise“ umzugehen, wobei Grundrechte und das EU-Asylrecht berücksichtigt werden sollen. Portugal und Schweden kleideten ihren Standpunkt in die Forderung nach dem Schutz „verletzlicher Personen“. Am Freitag trafen sich die zuständigen Minister aus EU- und Nicht-EU-Staaten (wie der Schweiz und Norwegen) in Vilnius zu einer Konferenz über Grenzmanagement. Frontex-Chef Fabrice Leggeri sagte: „Wir sind uns bewusst, dass es ein Recht auf internationalen Schutz gibt. Aber auf der anderen Seite gibt es auch illegale Verhaltensweisen und Grenzüberquerungen, die EU-Regeln widersprechen.“ Der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis ergänzte: „Migration sollte auf legalen Wegen stattfinden, nicht durch illegale Einreisen und Schleusernetzwerke.“ Am Ende unterzeichneten 15 EU-Mitglieder eine gemeinsame Erklärung zum Thema der Tagung. Organisiert hatten das Treffen Polen, Litauen, Österreich und Griechenland. Daneben gehörten Bulgarien, Kroatien, Zypern, Dänemark, Estland, Ungarn, Irland, Lettland, Malta, Rumänien, die Slowakei und Slowenien zu den Unterzeichnern. Sie alle sind dafür, dass die Schengen-Zone sichere Außengrenzen erhält und die EU-Partner bei Notfällen wie jetzt in Polen „schnell, effektiv und entschieden“ reagieren, durch diplomatische Aktionen, aber auch mit effektiven Grenzschutzmaßnahmen und „horizontalen Sanktionen“. Ein besonderer Akzent soll in Zukunft, geht es nach den Fünfzehn, darauf liegen, die illegale Migration und den Menschenschmuggel an den EU-Außengrenzen zu bekämpfen. Daneben wird auch ein Phänomen wie „asylum shopping“ erwähnt, bei dem Migranten sich nacheinander in mehreren Ländern um Schutz bemühen – also eventuell von Anfang an nicht auf der Suche nach Schutz, sondern nach bestmöglicher Versorgung waren.
Matthias Nikolaidis
Der Bau des Grenzzauns wurde im vergangenen Herbst vom polnischen Parlament beschlossen, er soll die Destabilisierung an der EU-Außengrenze beenden. Daneben fordert Polen von der EU erweiterte Möglichkeiten bei der Zurückweisung von Asylanträgen.
kolumnen
2022-01-26T11:27:21+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/polen-baut-stahlzaun-grenze-weissrussland/
Fahrtüchtigkeit: Grüne fordern regelmäßige Tests von Senioren
Die Bundestagsfraktion der Grünen hat regelmäßige Tests gefordert, um die Fahrtüchtigkeit von Senioren zu prüfen. „Nach Fahranfängern verursachen alte Menschen – pro gefahrenem Kilometer – am häufigsten Unfälle – und das trotz ihrer langjährigen Fahrerfahrung“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Stefan Gelbhaar gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Viele seien zwar jahrzehntelang unfallfrei gefahren, doch mit dem Alter bauten Sehkraft, Hörvermögen und Reaktionsfähigkeit langsam ab, so Gelbhaar weiter. „Regelmäßige Tests dazu sind deshalb sinnvoll.“ SPD und FDP haben sich bisher zurückhaltend zum grünen Vorstoß verhalten. Der SPD-Verkehrsexperte Mathias Stein sprach sich gegenüber dem RND dafür aus, dass alle Verkehrsteilnehmer in regelmäßigen Abständen freiwillige Rückmeldefahrten absolvierten. Fehlverhalten im Straßenverkehr sei keine Frage des Alters. Gesetzesänderungen hielt Stein für unnötig. Schon jetzt könnten Personen, die nicht vollständig fahrtauglich seien, Beschränkungen auferlegt werden. „Altersbedingte Extrapflichten lehnen wir deshalb ab“, so Stein. Die Verkehrsministerin Sachsen-Anhalts, Lydia Hüskens (FDP), setzte auf mehr freiwillige Tests, die nicht am Preis scheitern dürften. „Sie müssen für alle erschwinglich sein. Darauf sollten wir hinwirken.“ Regina Görner, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) sagte: „Sinnvoller als pauschale Verbote wären standardisierte Rückmeldefahrten mit geschulten Fahrbeobachtern und Trainings, um die Fahrkompetenz zu erhalten.“ Anlass für die von den Grünen initiierte Debatte ist ein Verkehrsunfall am Samstag. In Berlin hatte ein 83-jähriger Autofahrer eine Mutter und ihren vierjährigen Sohn erfasst und tödlich verletzt.
Marco Gallina
Der Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar (Grüne) hat eine Debatte angestoßen, dass ältere Menschen sich regelmäßig stattfindenden Fahrtests unterziehen sollen. Sie verursachten nach Fahranfängern am häufigsten Unfälle.
daili-es-sentials
2024-03-12T11:56:35+00:00
2024-03-12T11:56:36+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/fahrtuechtigkeit-gruene-fordern-regelmaessige-tests-von-senioren/
Eucken: Sein Erbe verblasst
Die Kanzlerin verständigt sich mit dem französischen Präsidenten über eine Industriepolitik der EU. Der Wirtschaftsminister sinniert über eine „Nationale Industriepolitik 2030“. Der Staatssekretär im Finanzministerium fädelt im Verborgenen die Fusion zwischen Deutscher Bank und Commerzbank ein. Und selbst der Bundesverband der Industrie fordert, in bester Erinnerung an die korporatistischen Zeiten der Weimarer Republik,  eine Industriestrategie EU gegen die vermeintliche Übermacht aus China und den USA. Wenn all das zusammenkommt, dann ist es spätestens Zeit, einmal die derzeitige Verfassung unserer Wirtschaftsordnung zu betrachten. Sind wir auf dem richtigen Weg oder längst auf Abwegen? Wenn man diese Frage beantworten will, dann reicht es nicht, nur auf die aktuellen Wirtschaftszahlen zu schauen. Denn Wirtschaftspolitik beeinflusst nicht die Gegenwart, sondern die Zukunft. Walter Eucken hat dazu bereits in den späten 40er Jahren sechs konstituierende Prinzipien einer marktwirtschaftlichen Ordnung aufgestellt, die heute noch herangezogen werden können, um die Situation der Wirtschaftspolitik in Deutschland und in der EU zu beurteilen. Erstens: Der Primat der Währungspolitik im Sinne einer Geldwertstabilität. Die Geldwertstabilität ist nur auf der ersten Blick gewahrt. Die Nullzinspolitik der EZB hat fatale Nebenwirkungen. Zwar sind die offiziellen Konsumentenpreise einigermaßen stabil, jedoch fließt das billige Geld in die Vermögensgüter und sorgt dort für Inflation. Die Aktien- und Immobilienmärkte boomen seit 2009. Durch die verzerrende Wirkung der Nullzinspolitik verlieren die Akteure im Wirtschaftsprozess die Orientierung. Der Zins als Lenkungsinstrument fehlt. Unrentable Investitionen rentieren sich plötzlich, Unternehmen, die unter normalen Zinsbedingungen längst vom Markt verschwunden wären, überleben und hängen am Tropf des billigen Geldes. Zweitens: Offene Märkte: Nicht nur Donald Trump schottet sich ab, sondern Deutschland und die EU auch. Die EU hält ein umfangreiches Zollregime aufrecht, die deutsche Regierung will nationale Champions fördern und Technologieunternehmen von einer ausländischen Übernahme „schützen“. Alles das widerspricht offenen Märkten. Wer eine Wirtschaftspolitik der offenen Märkte vertritt, baut Schranken ab. Wer für Freihandel ist, orientiert sich am Konsumenten, der souverän entscheiden kann, was und von wem er etwas erwirbt. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Ware oder Dienstleistung von einem chinesischen, amerikanischen oder schwäbischen Unternehmen stammt. Einzig und alleine der Konsument entscheidet nach seinen Präferenzen. Drittens: Privateigentum: Die enteignende Wirkung der Energiewende nach dem Ausstieg aus der Kernkraft und jetzt auch aus der Braunkohlenutzung lässt Vertrauen in private Investitionen schwinden. Zustimmungsvorbehalte der Regierung für Beteiligungen ausländischer Unternehmen an heimischen Unternehmen verunsichern Investoren. Die Diskussion über die Enteignung von privaten Wohnungsunternehmen in Berlin, und die Beschränkung des Nutzungsrechtes durch Milieuschutz und Mietpreisbremse sind ebenfalls tiefe Eingriffe in die Eigentumsordnung. Viertens: Vertragsfreiheit: Die Verschärfung der Entsenderichtlinie in der EU zerstört den gemeinsamen Markt für Dienstleistungen in Europa. Wenn Unternehmen für grenzüberschreitende Dienstleistungen den am Erbringungsort zu zahlenden Tariflohn zugrunde legen müssen, dann führt das nicht nur zu einer überbordenden Bürokratie und zu einer Einschränkung der Vertragsfreiheit von beiden Seiten durch Dritte, sondern es ist auch eine subtile Form des Protektionismus innerhalb der EU. Das Antidiskriminierungsgesetz führt dazu, dass Arbeitgeber nicht mehr die Personen einstellen können, die sie präferieren. Die Vertragsfreiheit wird vergesellschaftet. Fünftens: Haftung: Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen, so Eucken. Weder in der Euro-Schuldenkrise seit 2010 ist dies der Fall gewesen, noch ist es sehr wahrscheinlich, dass dieses Prinzip künftig stärker durchgesetzt wird. Die mögliche europäische Einlagensicherung oder die von Olaf Scholz präferierte europäische Arbeitslosenversicherung sind das glatte Gegenteil des Haftungsprinzips. Aber auch der 2015 geschaffene EU-Fonds für Strategische Investitionen (EFSI), der unter dem Stichwort „Juncker-Fonds“ das Wirtschaftswachstum in der EU ankurbeln sollte, ist ein tiefer Verstoß gegen Euckens Prinzip. Für rund 21 Milliarden Euro und seit 2018 mit 33,5 Milliarden Euro versucht die EU private Investitionen in der Größenordnung von 315 bzw. 500 Milliarden Euro anzuregen, indem die öffentliche Hand Haftungsrisiken für private Investoren übernimmt. Der Europäische Rechnungshof hat gerade ein verheerendes Urteil über die Wirkung gefällt. Sechstens: Konstanz der Wirtschaftspolitik: Hier ist wohl das größte Sündenregister angesiedelt. Wer aus wichtigen Technologien, wie der Kernkraft oder der Braunkohle, von heute auf morgen aussteigt; wer die Übernahme von Unternehmen verhindert; wer mit Zöllen auf Zölle reagiert, der kann nicht auf Vertrauen in die Wirtschaftspolitik setzen. Gerade große Investitionen brauchen Planungssicherheit. Die „Konstanz der Daten“ wie es Eucken bezeichnet, ist entscheidend für das Vertrauen in die Zukunft. Dies gilt für die Währungs-, Handels-, Steuer- und Lohnpolitik. Wer daran Hand anlegt, legt die Hand an unser Wirtschaftssystem. Wenn die Kanzlerin davon spricht, dass die traditionelle Rolle des Staates, der Leitplanken setze, sich sonst aber aus der Wirtschaft heraushalte, so nicht mehr funktioniere, und daher eine engere Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft verlange, dann maßt sie sich ein Wissen an, das sie nicht hat. Aber nicht nur sie, auch ihr Wirtschafts- oder Finanzminister haben dieses Wissen nicht. Dieses Wissen hat niemand. Wer mit großen Augen dennoch nach Asien schaut, den mag man an die 1980er Jahre erinnern, als schon einmal so eine Diskussion in Deutschland geführt wurde. Die übermächtige japanische Auto- und Technologieindustrie war äußerst erfolgreich. Damals schauten alle nach Japan. Das Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (MITI) und die Japan AG waren das große Vorbild deutscher Industriepolitiker. Heute ist Japan immer noch erfolgreich, aber die jahrzehntelange Marktabschottung, die Nullzinspolitik und die überbordende Verschuldung haben ihre Strahlkraft selbst bei den Ingenieuren der Wirtschaftspolitik verloren.
Fritz Goergen
Die „Konstanz der Daten“ wie es Eucken bezeichnet, ist entscheidend für das Vertrauen in die Zukunft. Dies gilt für die Währungs-, Handels-, Steuer- und Lohnpolitik. Wer daran Hand anlegt, legt die Hand an unser Wirtschaftssystem.
kolumnen
2019-02-28T15:43:04+00:00
2019-02-28T15:43:05+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/schaefflers-freisinn/eucken-sein-erbe-verblasst/
Obama und die Hooligans
Ebola-Virus, die Ukrainekrise und der Isis-Terror seien die drei schlimmsten Geißeln der Menschheit. Dies erklärte Obama vor wenigen Wochen der Weltöffentlichkeit. In der deutschen Öffentlichkeit gibt es eine noch größere, die Welt bedrohende Gefahr: Hooligans. Die Debatte um eine Demonstration in Köln zeigt: Integration ist ein Spiel, an dem zwei Seiten beteiligt sind.  Auffällig ist, dass Obama die deutschen Hooligans, die in Köln gegen Isis und Isis-Sympathisanten demonstriert haben, nicht erwähnt. Obama erweckt sogar den Eindruck, dass er die deutschen Hooligans nicht einmal kennt. Da sind doch die deutschen Medien und die politische Nomenklatura und natürlich auch die deutschen Behörden und die unendlich vielen deutschen Experten weiter. In einem anschwellenden Bocksgesang belehren sie die deutsche Öffentlichkeit darüber, dass die Hooligans genauso schlimm seien wie die sogenannten Isis-Terroristen oder die Salafisten oder jede Form von gewalttätigem Islamismus sonst. Am Ende der vergangenen Woche war man sich in Deutschland einig, dass die Hooligans noch schlimmer als Isis-Terroristen und alles Schlimme zusammen sind. Sogar eines der größten Heiligtümer geriet ins Visier der veröffentlichenden Hoheitsträger, nämlich die im Grundgesetz geschützte Demonstrationsfreiheit. Während seit den Demonstrationen des rot-grünen Mainstreams von Mutlangen bis Gorleben die Rechte der Demonstranten ständig ausgedehnt und die Möglichkeiten der Polizei eingeschränkt wurden, soll jetzt durch eine Verfassungsänderung auf einmal das Demonstrationsrecht beschnitten werden. Wohl gemerkt es gab Demonstrationen, auf denen Schüsse fielen und zwei Menschen starben, wie im Herbst 87 gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens, Startbahn West. Alles mitten unter uns in Deutschland. Und in München starben 1968 während einer  linksradikalen Protestdemonstration zwei Menschen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch Wurfgeschosse der Demonstranten. Die herrschende Klasse, die gern ex kathedra irgendwelchen bedeutungslosen Minderheiten mit dem Wort „Verschwörungstheoretiker“ nachstellt, leidet höchst selber unter eben solchen Verschwörungstheorien. Die Hooligans seien nur die Sichtbare Spitze des Eisberges von Rechtsextremisten, Rechtspopulisten, Rechtsradikalen und Neonazis in der Bundesrepublik und daher weltweit auch die eigentlicher Gefahr für die Menschheit. Und deshalb haben die Hooligans die Gefahren des Islamismus oder des Salafismus nur als willkommenen Vorwand missbraucht: für ihren Kölner Aufmarsch, für ihre Demonstration von martialischer, archaischer und brutaler Gewaltbereitschaft und ihr Neo-Nazitum.
Die Kölner Hooligan-Demonstration dazu zu missbrauchen, Fehler der Integrationspolitik zu perpetuieren, ist schändlich. Denn grundsätzlich gilt: Reaktionen der hier lebenden Menschen auf Integrationsfehler oder auch auf Fehler, die Migranten machen, sind in höchstem Maße legitim, wie de Maizere zu Recht ausführte. Integration ist ein Spiel, an dem zwei Seiten beteiligt sind.
kolumnen
2014-11-04T10:07:08+00:00
2014-12-05T18:38:31+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/bettina-roehl-direkt/obama-und-die-hooligans/
Das Neun-Euro-Ticket hat bei der Bahn zu deutlich mehr Verspätungen geführt
21 Millionen verkaufte Tickets. Mit dieser Zahl machten die Ampelkoalition und die mit ihr befreundeten Journalisten das Neun-Euro-Ticket zum medialen Erfolg. Doch noch während das Ticket galt, stellten sich Zweifel ein: Auf 21 Millionen verkaufte Tickets im Juni folgten 14 Millionen verkaufte Tickets im August. Noch während der Preis von 9 Euro galt, brach das Interesse am bundesweiten Bahnfahren also um ein Drittel ein. Nun kommt das 49-Euro-Ticket. „Schnellstmöglichst“, wie Volker Wissings (FDP) Verkehrsministerium verspricht. Was auf Deutsch heißt: Wir haben es nicht pünktlich geschafft. Dass Bund und Länder es nicht geschafft haben, einen Nachfolger für den vermeintlichen Erfolg zu präsentieren, liegt vor allem am Geld. Denn selbst die 49 Euro decken die Kosten des Schienenverkehrs nicht. Die 9 Euro haben das erst recht nicht getan – und trotzdem brach das Interesse an dem Ticket schon in zwei Monaten um ein Drittel ein. Zwar will die rot-grün-gelbe Regierung, dass mehr Menschen auf Busse und Bahn umsteigen. Doch die Strutkur der Bahn und ihrer wirklich privaten Wettbewerber ist dem Ansturm offensichtlich nicht gewachsen. Nicht in der Personalstärke und nicht im Schienennetz. Das zeigte sich in den Monaten Juni bis August, als der nicht kostendeckende Preis von 9 Euro galt. Die Bahn fuhr in der Zeit dramatische Verspätungen ein. Vor allem im Fernverkehr. Teilweise kam nicht mal jeder zweite Zug pünktlich. Das geht aus einer Antwort des Verkehrsministeriums auf eine Anfrage von CDU und CSU hervor. Im Juni waren im Bahn-Bezirk West nur 47,3 Prozent der Fernzüge pünktlich. Zum Vergleich: Im Juni 2020 waren es noch 73,3 Prozent gewesen. Im Bezirk Mitte ist die Pünktlichkeit im Vergleichszeitraum von 79,2 auf 50,8 Prozent zurückgegangen. Zwar waren die totalen Zahlen in anderen Bezirken etwas besser, aber die Zunahme an Verspätungen war vergleichbar. So ging von Juni 2020 auf 2022 die Pünktlichkeit im Bahn-Bezirk Ost von 86,7 auf 67.6 Prozent zurück. Ähnliches gilt für den Nahverkehr, wobei bei diesem die gesamten Zahlen deutlich besser sind und auch die Zunahme an Verspätungen geringer ausgefallen ist. Die Union hat sich in ihrer Anfrage auf Verspätungen konzentriert, die durch Personalausfall entstanden sind. Doch laut der Antwort des Ministeriums sind in diesem Bereich die Zahlen weniger dramatisch: Demnach hätte fehlendes Personal zwar zwischen 1. Januar und 31. Oktober zu 375.000 Verspätungsminuten geführt. Das entspreche aber nur 0,3 Prozent aller Verspätungsminuten in diesem Zeitraum. Insgesamt haben die Bahn und ihre wirklich privaten Mitbewerber in neun Monaten rund 125 Millionen Minuten an Verspätung eingefahren. Diese Zahl stammt nicht vom Verkehrsministerium – ergibt sich aber aus den anderen Angaben des Hauses. Wonach die Union nicht gefragt hat: Welche Rolle das Schienennetz und die Qualität der Technik an und auf den Schienen für die Verspätungen spielt? Dieses Desinteresse von CDU und CSU lässt sich leicht erklären: In 16 Jahren Amtszeit hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zwar „Klimaziele“ und den Umstieg auf die Bahn propagiert, aber für deren Netz nur wenig getan. Neue Schienenstrecken waren die Ausnahme, selbst in den Erhalt investierten die meist von der CSU gestellten Verkehrsminister zu wenig. Wäre interessant zu wissen, wie viele der 125 Millionen Verspätungsminuten auf diese Versäumnisse zurückgehen. Doch die Union will das lieber nicht wissen. TE schon. Eine entsprechende Anfrage ans Verkehrsministerium ist gestellt.
Sofia Taxidis
In der Zeit des Neun-Euro-Tickets haben die Verspätungen der Bahn und privater Anbieter deutlich zugenommen. Netz und Personal scheinen dem Ansturm nicht gewachsen gewesen zu sein. Nun kommt das 49-Euro-Ticket.
daili-es-sentials
2023-01-04T15:13:30+00:00
2023-04-04T14:12:31+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/bahn-verspaetungen-neun-euro-ticket/
Grexit: Griechenland ist überall
„Was wirtschaftlich verkehrt ist, kann politisch nicht richtig sein“; mit diesem Satz stemmte sich der damalige FAZ-Kommentator Hans D. Barbier in den 90ern gegen die Währungsunion. Bekanntlich vergeblich. Seither hat sich Europa verändert – was politisch wünschbar ist, wird gemacht, die Wirtschaft hat zu folgen wie der Dackel dem Herrn. Und Wirtschaft – damit werden seither einseitig Konzerne und Unternehmer verstanden. Das Leben der Menschen dagegen ist Politik, die per Gesetz gestaltet wird. Es ist ja auch alles gut gegangen. Jedenfalls bis zu diesem Wochenende; bis zum Scheitern der Verhandlungen über noch ein griechisches Rettungspaket. Eine wahre Orgie der „nationalpopulistischen Ekstase“ (so der frühere griechische Kurzzeit-Finanzminister Evangelos Venizelos) erschüttert das griechische Parlament; da ist viel von „Demütigung“ und „heldenhaftem Kampf“ die Rede, von Volk und Ehre – und dabei geht es doch bloß darum, ob die EZB per ELA die Geldautomaten auffüllt oder dafür frecherweise Gegenleistungen verlangt. Rhetorisch herrscht der spanische Bürgerkrieg, marschieren die Faschisten, und dazu passt, dass der rechtsradikale griechische Verteidigungsminister davon sprach, den „Kougi zu machen“ – auf diesem Hügel sprengten sich Widerstandskämpfer lieber in die Luft, statt zu kapitulieren. Und all das Getöse wegen 1,6 Mrd. IWF-Schulden? Nirgendwo wird die infantile Haltung deutlicher als in dieser Debatte, in der Phantasien gepflegt wurden und Rationalität strikt vermieden. Politik eben statt Rechnen, wie man mit möglichst wenig Ressourcen ein Maximum an Ergebnis erzeugt – Wirtschaft eben. Aber die braucht ja keiner mehr, wenn die Politik sie außer Kraft setzt. Alle schimpfen jetzt auf Alexis Tsipras und seinen Finanzminister Yanis Varoufakis; dabei wurde er noch im Januar von der Wirtschaftswoche als „sexy“ und beispielgebend für Europa auf dem Titel gefeiert. Wer jetzt diese Griechen tadelt, tadelt Europa. Denn Griechenlands neue Regierung ist eigentlich der Höhepunkt dieser Entwicklung, in der die Politik triumphiert und Wirtschaft nicht mehr zählt. Sie argumentiert immer „politisch“, und das ist ein neues Synonym für Wunschdenken. Nicht mit den Zahlenknechten, den Finanzministern, wollte man verhandeln – sondern auf Ebene der Regierungschefs; denn die sind wie Gott, ihr Wort ist Gesetz der Wunscherfüllung. Die Wirtschaft ist nur noch da, dieses Wunschdenken zu realisieren. Höhere Renten? Das ist nur gerecht. Höhere Löhne? Jede Arbeit muß nicht nur bezahlt, sondern mit einem höheren Lohn auch noch „wertgeschätzt“ werden. Mindestlöhne? Im Zweifelsfall zu niedrig; die Unternehmer verweigern höhere Löhne nur aus Hartherzigkeit. Geld? Kann gedruckt werden, dazu haben wir Mario Draghi in seinem Glaspalast. Schulden? Dehnbar, verschiebbar, verhandelbar. Europa – und übrigens auch Deutschland – hat sich in einen Rausch der politischen Möglichkeiten gesteigert, in dem Wirtschaft nur noch die Dienstmagd ist, der Knecht, der den Politikern an ihren übervollen Tisch die nächste Flasche aus dem Keller zu bringen hat. Mit den Wörtern haben sich die Werte verschoben: Alles ist irgendwie Demokratie, alles verhandelbar, alles per Mehrheitsentscheidung herstellbar. Warum sollen die Griechen nicht darüber abstimmen, wieviel Geld ihnen aus Europa zufließen soll oder dass sie die Rückzahlung alter Schulden verweigern? Demokratie ist, wenn für höhere Renten gestimmt wird, ohne zu überlegen, wer sie finanziert. (Dass Griechenland ähnlich überaltert ist wie Deutschland und in den kommenden Jahrzehnten zu einem verarmenden Altersheim wird – ach ja? Fakten werden gerne weggestimmt.) Die Vorherrschaft des Politischen feiert ihre Triumphe. Übrigens ja nicht nur in Griechenland. „Macht uns der Kapitalismus kaputt“, wollte die süddeutsche Zeitung am Montag danach wissen und lieferte 13 Zahlen von Burn-Out bis Gini-Koeffizienten, mit dem die skandalöse Ungleichverteilung nachgewiesen werden soll, die sich in der Lebenswirklichkeit einfach nicht einstellen will. Irgendeine Alternative? Geschwurbelte Fehlanzeige. Aber irgendwie hängt alles mit allem zusammen, nur nicht mit Logik, was die vorherrschende linke Verschwörungstheorie über Kapitalisten, die noch keiner je gesehen hat, ja ohnehin auszeichnet: dumpfes Ahnen, gieriges Wollen, tumbes Nicht-Verstehen als Welterklärung. Und deshalb führt Deutschland die Rente mit 63 wieder ein – Andrea Nahles würde eine gute Figur machen in der Syriza. Richtiger wird es nicht, wenn man dieselben Fehler macht wie die Griechen, nur weil die politische Logik der Koalitionsverhandlung erzwingt, dass man gegen jede Realitätsnotwendigkeit Mütterrenten und Frühverrentung gleichzeitig verabschiedet. Die Wirtschaft, also das, was die Menschen erschaffen, hat zu erbringen, was Berliner Phantasien sich so herbeifabulieren. Vielleicht sollte man sich wieder auf die Grundgedanken des Nobelpreisträgers James Buchanan zurückfinden. Er hat dem lautstark bejammerten „Marktversagen“ den Begriff des „Politikversagens“ entgegen gestellt. Politik ist danach kein Wahrheitsbetrieb, hat nichts mit dem Gemeinwohl zu tun, wie Deutsche so gerne glauben wollen, sondern ist ein Interessenkampf; und Politiker, man glaubt es kaum, sind keine Engel, sondern Menschen wie Du und ich, also Egoisten. Ihr Handeln ist eher auf ihre Wiederwahl oder ein möglichst hohes Steueraufkommen ausgerichtet, als auf das Gemeinwohl. (James M. Buchanan, Gordon Tullock: The Calculus of Consent – Logical Foundations of Constitutional Democracy. Ann Arbor, 1962, 1989.) Und deshalb muss der Einfluß der Politik begrenzt werden – wobei das Primat der Politik im Verhältnis zur Wirtschaft sowohl das Dritte Reich wie der DDR kennzeichnete. Aber diese Begrenzung des politischen wird zunehmend aufgehoben – und das beste Beispiel ist der Euro und der Umgang mit den dazu gefundenen Regeln: Vermutlich gibt es keine Regel im Maastricht-Vertrag, die nicht gebrochen wurde, wenn es der Politik notwendig erschien, um ihr „Projekt“ gegen die Realität zu verteidigen. Deutsche „Ordnungspolitik“, die die unterschiedlichen Sphären abgrenzte und damit begrenzte, ist altmodisch in Europa. Die Folge: Ein grandioseres Politikversagen als die Einführung des Euros kann man sich kaum vorstellen: Er funktioniert halt nicht, so lange Wirtschaft, Soziales, Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht, Wirtschaftskraft und Wirtschaftsverständnis, Finanzpolitik und Finanzverstand nicht wenigstens halbwegs harmonisiert sind in Europa: Was wirtschaftlich falsch ist, kann politisch eben nicht zurechtgebogen werden. Deshalb werden die Deutschen eben zahlen für die Fehler einer wirtschaftsfernen Politik; mit 80 Milliarden für Griechenland und mit 250 Milliarden in Form von Zinsverlusten für Lebens-, Riester- und Bausparverträgen; kurz: mit ihrer Altersversorgung. Da wird ja dann sicherlich die Süddeutsche wieder den „Kapitalismus“ bemühen, wenn der Wohlstand der Gesellschaft in Altersarmut umschlägt – nur nicht mit Fakten wird es erklärt werden, denn die stammen aus dem politischen Raum. Der arbeitet weiter mit seinem Primat. Die Kosten steigen. Ob Europa diese Lehre aus dem Griechenland-Desaster zieht? Wohl kaum. Während die Wähler dem obskuren Projekt eines europäischen Zentralstaats davon laufen, basteln seine Profiteure genau daran.  Politik ist eben zu schön für die, die sie betreiben. Nicht nur in Griechenland.
Roland Tichy
Wir alle sind ein wenig Griechenland - Politik verdrängt Vernunft und Wirtschaft
tichys-einblick
2015-06-29T10:34:21+00:00
2015-06-30T21:55:59+00:00
https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/grexit-griechenland-ist-ueberall/
Psychisch kranke Kinder leiden besonders unter dem Lockdown
Seit Monaten werden die deutschen Bürger gemahnt: Haltet euch ja artig an die Corona-Beschränkungen, sonst wird unser Gesundheitssystem kollabieren. Wenn das passiert, sterben Menschen – und ihr seid schuld. Obwohl die Auslastung der Intensivbetten seit April letzten Jahres nie ernsthaft Anlass zur Sorge gab, wurden die Ängste der Bevölkerung von Politik und Medien immer weiter geschürt. Vor allem durch das Horrorszenario schlechthin: Eine Triage in Krankenhäusern. Der Begriff beschreibt ein Auswahlverfahren in Notfall- oder Katastrophen-Situationen. Wenn sämtliche Kapazitäten aufgebraucht sind, muss das medizinische Personal unter Zeitdruck entscheiden, wer eine lebensrettende Behandlung erhält und wer leer ausgeht – und damit unter Umständen sterben muss. Während bei uns noch die erste, und von der Klinik nicht bestätigte Meldung eines solchen Falles in Zittau diskutiert wird, ist die Triage in Österreich schon längst an der Tagesordnung – allerdings werden keine Beatmungsgeräte knapp, sondern Behandlungskapazitäten für psychisch kranke Kinder- und Jugendliche. Paul Plener, der Abteilungsleiter der psychiatrischen Station, berichtete der kleinezeitung.at außerdem, dass sich der drastische Anstieg solcher Symptomatiken eindeutig auf die Schulschließungen und die soziale Isolation zurückführen lasse. Seiner Ansicht nach rutschen die Kinder durch diesen Verlust in eine Abwärtsspirale. Die ersten Folgen sind Depressionen, Antriebslosigkeit, Erschöpfung und ein gestörtes Essverhalten. Schon im ersten Lockdown sollen viele der betroffenen Kinder zum Beispiel aktiv versucht haben abzunehmen, um daheim nicht dick zu werden. Selbst ganz junge Kinder, im Alter von 8-12 seien betroffen. Ihnen und allen anderen fehlen strukturierte Abläufe, Bewegung und zum Teil auch Sonnenlicht. Der Mediziner fordert deshalb, die Schulen möglichst schnell wieder zu öffnen. Schon im Juli wurden erste Studien veröffentlicht, die eine ähnliche Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes andeuten. Die COPSY-Studie kam laut RKI zu dem Ergebnis, dass etwa 40 Prozent der 11-17 Jährigen eine geminderte Lebensqualität angeben, bei 31 Prozent aller 7-17 Jährigen konnten deutliche psychische Auffälligkeiten festgestellt werden (ein Plus von 13 Prozent in Bezug auf die Referenzdaten). Ängste, emotionale Probleme und psychosomatische Beschwerden, wie ungeklärte Kopf- und Bauchschmerzen, nahmen ebenfalls zu. Eine Befragung von 150 Kinderärzten der Pronova BKK stützt die Ergebnisse dieser Studie. 89 Prozent von ihnen berichteten über einen Anstieg von psychischen Problemen, 37 Prozent diagnostizierten eine Zunahme körperlicher Beschwerden und 4 von 5 Ärzten beobachten Entwicklungsverzögerungen. Die Ursachen schätzten die Pädiater ähnlich wie ihr Wiener Kollege Plener ein: fehlende Tagesstruktur, Isolation, Konflikte in den Familien und mangelnde Freizeitmöglichkeiten neben Handy- und Computerkonsum. Das alles ist jetzt ein halbes Jahr her. Seitdem sitzen wir alle – groß und klein – im zweiten Lockdown, sehen der nächsten Verlängerung entgegen und müssen darum zittern, ob wir im Sommer vielleicht mal wieder einigermaßen normal vor die Tür gehen dürfen. Diese Ungewissheit macht schon vielen Erwachsenen genauso zu schaffen, wie die Kontaktverbote und die Stilllegung jedes noch so kleinen Fünkchens normalen Lebens. Das gilt für Kinder und Jugendliche erst recht. Nachrichten über die medizinische Situation jenseits von Covid-Infektionen dringen derzeit jedoch nur schwer an die Öffentlichkeit und machen daher auch regierenden Politikern nur geringe Sorgen. So ging zum Beispiel die Nachricht fast völlig unter, dass im ersten Lockdown sämtliche Patienten der geschlossenen psychiatrischen Stationen in Berlin rein provisorisch und quasi über Nacht entlassen wurden. Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie unbedingt die Telefonseelsorge. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 bekommen Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Hilfe bei den nächsten Schritten anbieten können. Hilfsangebote gibt es außerdem bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Im Netz gibt es – Beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – auch ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen können.
Max Mannhart
Während die Lage auf den Intensivstationen nie die Dramatik erreicht hat, die immer prognostiziert wurde, kollabiert die Hilfe für Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen. Doch diese Überlastung des Gesundheitssystem scheint kaum einen zu interessieren.
meinungen
2021-02-01T16:19:42+00:00
2021-02-01T16:19:43+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/ueberlastung-der-kinder-und-jugendpsychiatrie/
Was tun elektrifizierte deutsche Soldaten, wenn der Akku leer ist?
Die Ausrüstung der Bundeswehr soll nun endlich erneuert werden. Nach der Einigung der Ampelregierung mit der Unionsfraktion über die Aufnahme des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens in das Grundgesetz können nun entsprechende Projekte in Angriff genommen werden. Und das ohne Anrechnung auf die Schuldenbremse im Grundgesetz, was den Prozess erheblich erleichtert, die finanziellen Lasten allerdings in die Zukunft verschiebt. Dabei darf es jedoch nicht nur um schlagzeilenträchtige Großprojekte gehen. Unserer Armee mangelt es an zahlreichen vermeintlichen Kleinigkeiten, die aber am Ende mit über den Einsatzwert einer Armee entscheiden. Ein Beispiel für die derzeit im deutschen Heer aufeinander stoßenden Technikwelten: In einer Panzerbrigade wird der digitalisierte Schützenpanzer Puma zusammen mit dem Kampfpanzer Leopard eingesetzt, der lediglich über eine analoge Funkgeräteausstattung verfügt. Konsequenterweise wurde in die Projektliste Führungsfähigkeit die Digitalisierung landbasierter Operationen (DLBO) in der sogenannten Basis-Ausbaustufe aufgenommen. Darunter ist die Beschaffung digitalisierter Funkgeräte zu verstehen. Der Ausbau von Gefechtsständen mit Führungssystemen und Funkgeräten ist Teil davon, damit künftig die Vorteile eines digitalisierten Funkverkehrs zwischen allen Beteiligten möglich werden ( siehe hier). Beteiligte im Einsatz sind beispielsweise auch die Panzergrenadiere als Besatzung des Schützenpanzers Puma. Diese Soldaten sind bzw. werden mit dem sogenannten “Infanterist der Zukunft – erweitertes System – (IdZ-ES)“ ausgerüstet. Diese modulare Kampfausstattung ermöglicht es, abgesessen operierende Soldaten in die vernetzte Operationsführung einzubinden. Aufgabe ist das Entdecken, Erkennen und Identifizieren von Zielen und deren Bekämpfung mit entweder eigenen Kampfmitteln oder durch andere Effektoren, die im Verbund mit anderen Kräften eingesetzt werden. Die Bestandteile dieses Systems setzen sich modular aus verschiedenen Ausbaustufen je nach  Einsatzsituation zusammen. Zum Basissystem gehören neben der Bekleidung eine Grundausstattung sowie das Gewehr G36. Hinzu kommen bei Bedarf weitere Waffen wie ein Maschinengewehr oder Zusatzausstattungen wie Schutzwesten, Funkgeräte, Bildverstärker- und Laserlichtmodule bis zu sogar einer Ladestation für die Batterien. Diese je nach Kampfauftrag flexibel zusammengestellten Hilfsmittel können sich für den einzelnen Soldaten auf mehrere Dutzend Kilogramm summieren. In früheren Zeiten hätte man den Infanteristen Maulesel beigestellt, damit sie nicht wie Tragtiere bepackt im Feld operieren müssen. Die Versorgung der kämpfenden Truppe mit ausreichenden Mengen an Munition, sowie an Betriebs- und Kraftstoffen war noch immer ausschlaggebend für Sieg oder Niederlage. Auch im Ukraine-Krieg erweist sich auf Seiten der russischen Angreifer wie auch der ukrainischen Verteidiger die Logistik als Schlüsselelement. Kann die kämpfende Truppe nicht ordentlich versorgt werden, droht die Handlungsunfähigkeit. Keine ganz neue Erkenntnis. Und die benötigten Mengen sind gewaltig, die russische Armee dürfte bei ihrem großflächigen Artillerieeinsatz allein Güterzüge voller Artilleriemunition benötigen.  Beschränken wir uns hier auf die Frage, wie die zunehmende Zahl an Kleingeräten auf dem Gefechtsfeld mit Energie versorgt werden kann. Die modernste Geräteausstattung ist wertlos, wenn der Saft ausgeht. Hierzu zählen eine ganze Reihe von Energieverbrauchern wie Generatoren für Kommando- und Kommunikationsposten, Feldlagerbetriebssysteme und Feldlazarette, diverse abgesetzte Systeme und Geräte wie auch die oben erwähnte Versorgung der einzelnen Soldaten mit Akkupacks für deren elektronischen Rücken. Dass selbst dies keine Kleinigkeit darstellt, wird daran deutlich, dass die Akkupacks der Soldaten alle zwei bis drei Stunden erneuert werden müssen. Soll die Erzeugung der erforderlichen Energie auch künftig herkömmlich geschehen, mit lauten dieselbetriebenen Generatoren, die Emissionen erzeugen und vergleichsweise leicht entdeckbar sind? Moderne Alternativen hierzu sind emissionsfreie Wasserstoff- und Direktmethanol-Brennstoffzellen. Diese sind marktverfügbar als tragbare, stationäre und mobile Hybridstromversorgungslösungen. In Frage kommende Geräte sind nicht nur leise und umweltfreundlich, erfordern einen nur geringen Wartungsaufwand und sind nicht zuletzt leicht verlegbar. Sofern diese Brennstoffzellensysteme mit Akkus kombiniert werden, ermöglichen sie eine Dauerlast mit hohem Wirkungsgrad.  Es ist eine diffizile Aufgabe, die sich aus dem Sondervermögen zur Beschaffung ergebenden Chancen für die Bundeswehr so zu nutzen, dass auch die weniger prestigeträchtigen Bereiche davon profitieren können. Ein Beispiel ist der Ersatz vorhandener Dieselaggregate durch effiziente und auch noch umweltfreundliche Brennstoffzellenlösungen. In der Öffentlichkeit finden diese Themen kaum statt, sie haben für die Medien wenig Neuigkeitswert und bleiben unter dem Radar der Politik. Auch die Generalität sonnt sich lieber in Großprojekten, statt sich mit Kleinzeugs zu befassen. Der Einsatzwert einer Armee ergibt sich neben gut ausgerüsteten, ausgebildeten und motivierten Soldaten aber aus einem möglichst friktionsfreien Zusammenwirken einer kaum überschaubaren Vielzahl technischer Hilfsmittel. Kampfflugzeuge, schwere Transporthubschrauber oder milliardenteure Fregatten sind nur die sichtbare Spitze eines riesigen Eisbergs. Es ist höchste Zeit, sich um die vermeintliche Peripherie zu kümmern, bevor die Großprojekte das Sondervermögen aufsaugen. 
Richard Drexl
Digitalisierung und Energieversorgung der Bundeswehr: Handlungsbedarf besteht nicht nur bei Großwaffensystemen. Wie unausgegoren die Modernisierungspläne sind, zeigt sich etwa an der elektronischen Ausrüstung für den „Infanteristen der Zukunft“.  
meinungen
2022-07-22T09:58:40+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/sondervermoegen-bundeswehr-infanterist-der-zukunft/
Die SPD als Partei reicher Funktionäre
Das Problem des Fortschritts besteht darin, dass er immer schon da war, nur seine konkrete Gestalt in einer Art romantischer Amnesie stets vergessen wurde. Dass Saskia Esken heftig vom Sozialismus träumt, der allerdings immer im Stalinismus oder in einer Gutmenschenhochmoraldiktatur endet, ist bekannt. Insofern überraschen die Positionen, die sie im Interview bezieht, nicht. Dennoch ist es mit Blick auf die Wahlen wichtig zu wissen, was die bekennende Vegetariern als gesellschaftliches Ziel vorgibt: die Verknappung von Fleisch, des Fliegens und des Autofahrens. Natürlich will Saskia Esken nichts verbieten, sie ist ja keine Grüne, aber sie strebt an, „dass die Politik der Zivilgesellschaft eine Chance und den Marktkräften eine Richtung geben muss.“ Frau Esken möchte also den Bürgern befehlen, wie sie leben sollen, und der Wirtschaft, wie sie was zu produzieren hat, denn sie lehnt die Idee ab, nachdem „Innovation alleine durch den Markt“ entsteht. Nun weiß jeder, dass BionTech ein volkseigener Betrieb ist und dass die quasi sozialistische Bildungspolitik der Linksliberalen unter tatkräftiger Unterstützung der GEW zu einer einzigartigen Bildungsexplosion in der Bundesrepublik geführt hat. Allerdings erreicht Deutschland im Pisa Test nur noch eine führende Position in der Rubrik Teamarbeit. Wir wissen zwar nichts mehr, aber darüber können wir diskriminierungsfrei miteinander reden. Die Explosion war wohl eher eine Implosion. Der Kampf gegen rechts, der Kampf gegen den Klimawandel, was so ungefähr dasselbe ist, ersetzt vollständig das Ringen um wissenschaftliche und technische Höchstleistungen. Es wird deutlich, dass die SPD gegen die Interessen der Arbeitnehmer eine Vielenbürokratie aus Gleichstellungs-, Diversitäts-, Antidiskriminierungsbeauftragten, Beiräte für jedwede Iinke Idiosynkrasie in jeder Regierungsstelle und NGOs zu schaffen gedenkt. Man kann Esken nicht unterstellen, dass ihre Politik kein Wachstum generieren würde, sie wird im Gegenteil sogar ein traumhaftes Wachstum freisetzen – und zwar in der Bürokratie und in der Ernährungs- und Energieunsicherheit, in der Verschuldung, in der Inflationsrate. Verbieten muss Esken nichts, weil die Verknappung jedes Verbot überflüssig macht. Was nicht mehr da ist, was man sich nicht mehr leisten kann, muss einem nicht mehr verboten werden. Schließlich muss das ominöse „Wir“ darüber nachdenken, und nicht nur darüber nachdenken, „wie wir von manchem weniger haben können … Das gilt fürs Fahren, fürs Fliegen und auch fürs Fleisch.“ Einst war die SPD die Partei der Arbeiter, das wurde dann modernisiert in die Partei der Arbeitnehmer. In Eskens Interview – und das ist der eigentliche Skandal der Dekadenz dieser einst großen Partei – kommt nicht einmal der Begriff Arbeitnehmer vor. Erinnert man sich im Funktionärsapparat noch daran, dass irgendwo da draußen Arbeitnehmer existieren? Für wen also macht die SPD Politik? Sie kennt weder (ökonomisch) Arbeitnehmer, noch (politisch) Bürger, sondern nur Menschen, sozial Schwache, Migranten und Diverse, die abstrakte, amorphe Masse der „Vielen“. Es ist eine alte historische Erfahrung, dass, wenn Funktionäre Gemeinwohl sagen, sie das Eigenwohl der Funktionäre meinen, derjenigen, die regulieren, die bestimmen, derjenigen, die in ihrem Gemeinwohl gleicher als die anderen sind. Und das geht am besten über eine zeitgemäße Subventionspolitik. Die Vorsitzende der SPD der Vielen will „für eine gute und lebenswerte Zukunft“, die Weichen stellen, nur ist Eskens Zukunft der Ostdeutschen Vergangenheit. Es klingt wie eine Drohung, wenn sie am Ende des Interviews formuliert: „Wenn Sozialdemokraten das angehen, dann werden am Ende nicht die mit dem kleinen Geldbeutel dafür bezahlen.“ Aber eben genau jene. Der Sozialismus war schon immer der Klassenkompromiss auf der Basis des Eintopfes. Eintopf macht satt, der Gemeinwohlfeind ist dann nur der, der ein Schnitzel wünscht. Die Funktionäre in der DDR vermochten zumindest den Eintopf zu sichern, ich fürchte, dass den Genossen Esken und Scholz nicht einmal das gelingen wird, in dieser Beziehung wohnt dem Vergleich mit der DDR noch eine gewisse Hoffnung inne, dass die Funktionäre Esken und Scholz wenigstens DDR-Niveau erreichen. In Deutschland existiert ein riesiges Reservoir sinnvoller Kürzungsmöglichkeiten, das, ginge man es an, nicht nur die zusätzliche Neuverschuldung, sondern auch die „normale“ Neuverschuldung obsolet machen würde. Natürlich entspräche es nicht der Wahrheit, wollte man behaupten, dass Olaf Scholz nicht über Einsparungen nachdenkt. So verlangt nach einem Bericht der WELT der Finanzminister Scholz, die Abschlagszahlungen für die Überbrückungshilfe III ab dem Zeitpunkt zu stoppen, „ab dem die regulären Antragsprüfungen beziehungsweise Auszahlungen der Bundesländer an die Unternehmen beginnen.“ Gegen die Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen oder erhalten, will Scholz die Bedingungen für die Überbrückungshilfe III ändern, schließlich braucht Scholz das Geld ja woanders, nicht in der Realwirtschaft, sondern in der NGO-Wirtschaft, in der EEG-Wirtschaft, in der Subventionswirtschaft, für den Ausbau der Bürokratie und im Kampf gegen rechts. Auch der kürzlich beschlossene Härtefallfonds für Unternehmen wird nun von Scholzens Ministerium angezweifelt. Fehlen für die Vergabe der Notfallhilfe für Firmen etwa noch der Diversitätsbeauftragte oder andere bürokratische Regelungen? Verständlich, Olaf Scholz und Saskia Esken kennen keine Härten, sie haben die Firmen nicht aufgebaut, von denen sie leben und die nun durch ihre Politik zerstört werden – doch ganz gleich, was Scholz und Esken tun, sie betrifft das nicht, sie haben ausgesorgt. Frau Esken wird sich immer Fleisch leisten können, ganz gleich, ob sie Fleisch konsumieren will oder nicht, sie hat die Möglichkeit dazu. Das nennt man Freiheit, eine Freiheit übrigens, die ihre Politik denen mit dem „kleinen Geldbeutel“ nehmen wird.
Fritz Goergen
Die Vorsitzende der SPD der Vielen will „für eine gute und lebenswerte Zukunft“, die Weichen stellen, nur ist Eskens Zukunft der Ostdeutschen Vergangenheit.
meinungen
2021-02-27T12:59:14+00:00
2021-02-27T12:59:15+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/die-spd-als-partei-reicher-funktionaere/
Angela Merkel tritt der CDU vors Schienbein – mal wieder
Die Altkanzlerin weiß es, ihre alte Regierungsstütze zu demütigen. Wohl kaum ein ehemaliger Bundeskanzler mit CDU-Parteibuch hat die eigene Partei nach der Amtszeit so düpiert. Etwa, als sie Ende 2023 die Konrad-Adenauer-Stiftung verließ. Sie sei „aus dieser Rolle einfach rausgewachsen“, sagte sie dem Spiegel. Man mag sich fragen, ob etwas rauswachsen kann, was jemals Wurzeln geschlagen hat. Sie wolle ihr „neues Leben frei gestalten“, hieß es damals. Merkel macht damit im Grunde deutlich: Ohne Kanzlerschaft kann sie ihr wahres Gesicht zeigen. Das betrifft insbesondere die Parteiloyalität. Den Ehrenvorsitz wollte sie schon 2022 nicht übernehmen. Was bei Konrad Adenauer und Helmut Kohl selbstverständlich war, wird nun zum Ballast. In dem Zuge ließ sie Friedrich Merz sogar abblitzen, als es um ein gemeinsames Abendessen ging. Neuerlich hat die CDU einen Affront hinnehmen müssen. Merkel hat ihre Abwesenheit beim kommenden CDU-Parteitag verkündet. Eine Teilnahme sei nicht vorgesehen, so eine Sprecherin gegenüber dem Tagesspiegel. Das Konrad-Adenauer-Haus hatte sie dazu offiziell eingeladen. Man muss einen gewissen Masochismus mitbringen, um diese Kanzlerin a.D. immer noch aufs Podium zu heben und die Nibelungentreue zu halten, indes sie ihrer (Ex?)-Partei immer wieder vors Schienbein tritt. Einen besonders unangenehmen Beigeschmack bekommt die heutige Absage allerdings vor dem Hintergrund einer gestrigen Entscheidung. Denn Angela Merkel wird beim Abschied von Jürgen Trittin (Grüne) am 13. Mai dabei sein. Eine Woche vor dem CDU-Parteitag. Ist das etwa kein politisches Ereignis? Dass Merkel schon zu Amtszeiten die Grünen näher als die Schwarzen waren, ist keine Neuigkeit. Am Anfang ihrer politischen Karriere sagte sie, dass sie zuerst bei der SPD reingeschnuppert hatte, bevor sie zu den Christdemokraten ging. Am Ende ihrer Amtszeit hat man den Eindruck, dass sie nun endlich zur Tuchfühlung mit ihrer eigentlichen Partei gehen kann. Dass Problem mit Roten und Grünen war ja lediglich, dass sie mit denen nie Kanzlerin hätte werden können. Jedenfalls nicht als Vollmitglied. Nur die CDU hängt noch an Muttis Rockzipfel. Während sie sich längst emanzipiert hat, bleiben ihre Jünger eifrig, um das Andenken an ein Idol zu bewahren, das offenbar mit der CDU so wenig anfangen kann wie Robert Habeck mit dem Vaterland.
Marco Gallina
Für die Konrad-Adenauer-Stiftung und den CDU-Parteitag hat die Ex-Bundeskanzlerin keine Zeit. Für den Abscheid von Jürgen Trittin schon. Grüne hui, CDU pfui. Merkel demütigt die eigene Partei weiter, während die noch wie ein kleines Kind am Rockzipfel hängt.
meinungen
2024-04-11T06:58:54+00:00
2024-04-11T07:01:50+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/merkel-cdu-gruene-parteitag/
49-Euro-Ticket wird teurer oder stirbt
Derzeit mühen sich viele zu betonen, welch ein Erfolg das „Deutschlandticket“ ist: Im ersten Halbjahr ist das Fahrgastaufkommen um zehn Prozent gestiegen, meldet das Statistische Bundesamt und folgert daraus: Das 49-Euro-Ticket habe zu diesem Anstieg beigetragen. Die meisten Medien übernehmen diese Sprachregelung. Tusch. Die Verkehrswende ist geglückt. Fanfare. Eine Pressemitteilung und viele, viele Medienberichte lang ist die grüne Welt in Ordnung. Doch eigentlich nur eine halbe Pressemitteilung lang. Denn am Ende steht der entscheidende Satz: „Trotz des Anstiegs der Fahrgastzahlen im ersten Halbjahr 2023 waren im Linienverkehr mit Bussen und Bahnen allerdings noch immer 13 Prozent weniger Fahrgäste unterwegs als vor der Corona-Pandemie im ersten Halbjahr 2019.“ Die Pandemiepolitik hat den Menschen ihr soziales Leben genommen – nur allmählich holen sie sich es zurück. Deswegen steigen die Fahrgastzahlen wieder und eben nicht wegen des Deutschlandtickets. Immer noch ist mehr als jeder zehnte Fahrgast nach der Pandemiepolitik nicht in die Busse und Bahnen zurückgekehrt. Doch so sehr sich viele bemühen, das Deutschlandticket als Erfolg aussehen zu lassen. In der kommenden Woche fällt eine Entscheidung. Beide Optionen, die zur Wahl stehen, sind aus Sicht der Fans des Tickets wenig attraktiv. Entweder muss die Monatskarte deutlich teurer als 49 Euro werden – oder sie stirbt ganz. Denn es bewahrheitet sich das, was die Kritiker von Anfang an gesagt haben. 49 Euro genügen nicht, um die Kosten des öffentlichen Verkehrs zu finanzieren. Es mehren sich Meldungen von Verkehrsbetrieben, die vor der Pleite stehen. Etwa in Dresden, wo laut Sächsischer Zeitung seit dem 49-Euro-Ticket Millionen fehlen. Die Verteilung des eingenommenen Geldes klappt nicht. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat zwar mit der Einführung die „Ticket-Revolution“ verkündet – doch die zuständige Verwaltung ist genauso sehr bräsig und wenig funktional wie vor der Revolution. Der Dachverband der Verkehrsbetriebe, der VDV, mahnt eine Entscheidung noch im September an: „Wir brauchen eigentlich bis zum 1. Oktober eine klare Zusage von Bund und Ländern, wie die gesamten Kosten der Branche im Zuge des Deutschland-Tickets auch im kommenden Jahr finanziert werden sollen“, sagt VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. Die Art, wie die Politik über das Ticket diskutiert, irritiert den Verband. Es werde regelrecht so getan, als ob es unanständig sei, dass für etwas so viel gezahlt werde, wie es kostet. Einsparungen habe das Ticket noch keine gebracht, kritisiert der VDV. Stattdessen höhere Kosten: für den Vertrieb des 49-Euro-Ticket oder für die Information der Kunden zum Beispiel. Doch selbst, wenn sich Bund und Länder in der kommenden Woche einigen. Dann steht dem System nur so viel Geld bereit, wie es braucht, um den laufenden Betrieb zu finanzieren. Investitionen in mehr Angebot und folglich in mehr Kunden – als vor der Pandemie – sind dann immer noch nicht finanziert. Verkehrswende lässt sich das kaum nennen. Tusch und Fanfare sind nur dann angebracht, wenn Medien bereit sind, die entscheidende Hälfte von Pressemitteilungen wegzulassen.
Natalie Furjan
Die Zukunft des 49-Euro-Ticket entscheidet sich in der kommenden Woche. Entweder wird es teurer – oder stirbt ganz. Doch selbst wenn Bund und Länder es noch retten: Von Verkehrswende kann kaum die Rede sein.
daili-es-sentials
2023-09-21T11:29:44+00:00
2023-09-21T11:29:45+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/49-euro-ticket-verkehrswende/
Der sicherste Weg zur Abwahl von Merkel ist eine starke Linke
Kleiner Test bei Google. Gibt man den Schlachtruf „Merkel muss weg“ ein, bekommt man 1,9 Millionen Ergebnisse – in 0,52 Sekunden. Googelt man weiter, findet man eine „Merkel muss weg“-Facebook-Seite mit 21.000 Abonnenten oder Hinweise auf Autoaufkleber und Schlüsselanhänger mit diesem Slogan. In der alten Bundesrepublik gab es politische Wutausbrüche und Hasskampagnen dieser Art nur gegen Willy Brandt und Franz Josef Strauß. Über Helmut Kohl wurden zwar Witze gemacht, aber so viel Wut, Zorn und Enttäuschung wie heute seinem einstigen „Mädchen“ schlugen dem Langzeitkanzler nicht entgegen. Die Merkel-Gegner führen viele Gründe für ihren Kampf gegen ihre Hassfigur an. Der angebliche Ausverkauf Deutschlands zugunsten europäischer Pleitestaaten, die vermeintliche Herrschaft des Unrechts sowie eine Flüchtlingspolitik, die in den entsprechenden Untergangsszenarien zu einer „Zwangsislamisierung“ Deutschland führen wird, sind wohl die wichtigsten. Aber eines verraten die Anti-Merkel-Kämpfer, allen voran die AfD, nicht: wer anstelle von Merkel ins Kanzleramt einziehen und mit welcher Koalition er oder sie regieren soll. Die teilweise sehr aggressiven „Merkel muss weg“-Kampagnen werden von vielen Gruppierungen am rechten Rand betrieben – von der AfD bis hin zu Pegida; letztlich ist sie jedoch Wasser auf die Mühlen der AfD. Wer Merkel weg haben will, weil sie nicht konservativ oder rechts genug ist, der wird wohl nicht SPD, Grüne oder Die Linke wählen. Der wird als Wutwähler sein Kreuz bei der AfD machen. Und dann? Dann könnte Merkel sogar erst recht im Amt bleiben, wenn wir den Fall, dass die AfD bei der Bundestagswahl die absolute Mehrheit bekommt, als völlig unrealistisch ausschließen. Gehen wir stattdessen davon aus, dass die „Merkel muss weg“-Wähler die AfD richtig stark machen, ihr also 15 Prozent und mehr geben. Und dann? Dann gibt es drei mögliche Szenarien: Es bleibt bei der Großen Koalition, es kommt zu Schwarz-Grün-Gelb oder Rot-Rot-Grün stellt den Kanzler. Im letzteren Fall wäre Merkel wirklich weg, und die alternativen Wutwähler könnten sich freuen – fragt sich nur wie lange. Denn was Rot-Rot-Grün in Thüringen und seit kurzem in Berlin praktizieren, ist zweifellos nicht gerade nach dem Geschmack der sich unter anderem aus National-Konservativen, Völkischen, Europagegnern und Antisemiten zusammensetzenden AfD-Wähler. Nach thüringischem und Berliner Muster erwarteten uns im Bund eine Neuauflage des „Willkommensrauschs“, der Verzicht auf Abschiebungen, Unisex-WCs und – last noch least – die Erhebung des „Gendersterns“ zum Fixpunkt deutscher Innenpolitik. Es kommt eben immer darauf an, was man politisch erreichen will: Soll eine Partei oder eine Kanzlerin abgestraft werden, ohne Rücksicht auf die Folgen? Nach diesem Verständnis wäre aus der Sicht der alternativen Wutwähler eine rot-rot-grüne Bundesregierung ein akzeptabler Preis. Aber selbst ein AfD-Ergebnis von „15 Prozent plus“ würde eine erneute Kanzlerschafts Merkels keineswegs zwingend verhindern: an der Spitze einer neuen CDU/Grüne/FDP-Koalition oder – weniger wahrscheinlich – mit Hilfe einer Neuauflage der GroKo. Dann hätten die AfD-Wähler Dampf abgelassen – und Merkel doch nicht „weg“ geschafft. Man darf getrost unterstellen, dass es einem Teil der AfD-Wutwähler völlig gleichgültig ist, was sie mit ihrer Stimme bewirken – Hauptsache Merkel und die CDU haben den Schaden. Wer der AfD zuneigt, Merkel strikt ablehnt und sich dennoch nicht von blinder Wut leiten lässt, der müsste konsequenter Weise Die Linke wählen. Denn die mehrfach gewendete SED ist die einzige Partei, die nach der Wahl in keinem Bündnis mitmachen wird, das Merkel zur Kanzlerin wählt. Die Vorstellung hat etwas Groteskes: Parteigänger der AfD geben im September ihre Stimme in Scharen der Linkspartei, also Sahra Wagenknecht und Katja Kipping, weil der Wunsch, die Kanzlerin abzulösen, alles andere überstrahlt. Und weil Die Linke bei ihrem Nein zu Merkel glaubwürdiger ist, als es SPD und Grüne sind. Ganz rechts denken und ganz links wählen? Nein, das werden die AfD-Anhänger nicht tun. Sie werden vielmehr, wie schon bei den vergangenen Landtagswahlen, CDU und SPD zu schwächen versuchen – und damit indirekt die vereinte Linke stärken. Politik ist eben komplizierter, als man auf einem Aufkleber oder Schlüsselanhänger darstellen kann.
Wer der AfD zuneigt, Merkel strikt ablehnt und sich dennoch nicht von blinder Wut leiten lässt, der müsste konsequenter Weise Die Linke wählen.
kolumnen
2017-01-04T08:49:49+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/mueller-vogg-gegen-den-strom/der-sicherste-weg-zur-abwahl-von-merkel-ist-eine-starke-linke/
WahlWette Thüringen und Brandenburg
Gratulation an die Teilnehmer für ihre Ergebnisse. Denn: ARD-Prognose um 18.00 – bestätigt unsere Wahlwette. SPD verliert in Thüringen, wo sie hinter der Linken herrennt; CDU legt zu, in beiden Ländern. AfD erstaunlich stark. Linke verliert in Brandenburg ihren Mythos als Retter des Ostens, FDP raus, Grüne schwach. Rot-Grün geht also gar nicht; das konservative Lager gewinnt. Ich danke allen Teilnehmern.  Fazit kurz vor 18.00: AfD schafft es in Thüringen und Brandenburg, in den Landtag einzuziehen, und zwar mit rund 10 %, das erwarten unsere Wettteilnehmer hier. FDP unter „Sonstige“. CDU legt in Brandenburg zu, aber bleibt bei 22 Prozent; SPD hält ihre über 30 Prozent. Linke verliert, fällt auf 20 Prozent. In Thüringen legt die CDU zu, SPD verliert und fällt auf 15 Prozent. Das ist bitter. Denn die Linke bleibt bei rund 25 %. Grüne bleiben in beiden Ländern bei 6 Prozent; also sehr schwach. Damit gibt es zwei Wahlsieger zunächst hier: AfD und in begrenztem Maß die CDU. Aussagen über Koalitionen und Koalitionsmöglichkeiten waren ja nicht gefragt. Jetzt kommt es darauf an, ob die CDU bereit ist, mit der AfD zu koalieren – das würde in Thüringen reichen. In Brandenburg wird rot-rot siegen. So. Und jetzt warten wir noch 5 Minuten ab. Nach Angaben des Landeswahlleiters Brandenburg, gaben bis 14 Uhr erst 22,4 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Das waren 13,9 Prozentpunkte weniger als 2009. Damals war die Landtagswahl parallel zur Bundestagswahl abgehalten worden. Auch in Thüringen: • Landeswahlleiter: Stand der #Wahlbeteiligung um 14 Uhr: 40,8 % (ohne Briefwähler) • Zum Vergleich 2009: 45,4 %. Also droht die Partei der Nichtwähler die Mehrheit zu gewinnen.  mein Tipp für BB: SPD: 32,6; CDU 23,8; Linke 19,7, AfD 9,5, Grüne 5,5. TH CDU 34,7; Linke 27,4; SPD 15,8; AfD 7,9; Grüne 5,3 B SPD 33,2 LI 25,6 CDU 22,3 Grüne 5,4 AFD 10,5 TH CDU 35,2 LI 27,8 SPD 14,7 Grüne 5,2 AFD 9,4 Mein Tip BB: SPD-25,Linke-18,9,CDU-22,AfD-9,8,Grüne-4,7 TH:SPD-14,7,Linke-28,CDU-33,3,AfD-10,1,Grüne-5,1 Scheint mir etwas viel AfD zu sein.   Brandenburg SPD 33, CDU 23, LINKE 18 AfD 10 Grüne 6 Thüringen SPD 15 CDU 27, Linke 24 AfD 9, Grüne 6. Brandenburg SPD 33, CDU 20, Linke 22, Grüne 6 AfD 11, FDP 2,5 Thüringen CDU 35, SPD 13; Linke 28,  Grüne 6, AfD 7, FDP 3,5 Begründung: Union in Thüringen sehr stark, SPD verliert wegen Koalitonswahrscheinlichkeit mit Linke, die gewinnt: Das Original wird gewählt. Frust in den Krisengebieten Brandenburgs außerhalb des Berliner Speckgürtels zahlt auf AfD ein. Das schadet der Linken dort als Protestpartei der Ewiggestrigen. CDU: 36,2 SPD: 16,5 Grüne: 5,4 FDP: 5,2 LINKE: 25,8 AFD; 6,8 Sonstige: 4,1 BB SPD 29,5 CDU 23,1 Li 18,9 AfD 10,7 Gr 5,1 TH SPD 14,1 CDU 33,2 Li 24,9 AfD 10,1 Gr 4,9  
Roland Tichy
Wahlwette Thüringen und Brandenburg - Landtagswahlen 14.09.2014
daili-es-sentials
2014-09-14T13:53:50+00:00
2014-09-14T18:04:58+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentiels/wahlwette-thueringen-und-brandenburg/
Fall Leonie: Linksradikale wollen trauernde Polizisten canceln
Mehrere Beamte der niederösterreichischen Polizei haben am Sonntag an einer öffentlichen Gedenkveranstaltung für die vergewaltigte und ermordete 13-jährige Leonie teilgenommen. Im Vorfeld hatten sie, wie die österreichische Website Express.at berichtet, mit den Veranstaltern, die der rechten Szene zugeordnet werden, ein gemeinsames Foto gemacht. Sie hielten Tafeln hoch mit Bildern des Mädchens, die auch von Vertretern die als rechtsextrem eingestufte Bewegung identitäre Bewegung verwendet worden sein sollen. Der Standard hatte darüber berichtet, nachdem linke Aktivisten dies für eine Bestätigung politischer Nähe ansahen.
Ferdinand Knauß
In Österreich sind Polizisten diffamiert worden, weil sie um die von vier Afghanen vergewaltigte und getötete 13-jährige Schülerin mit Bildern trauerten, die auch von extrem Rechten genutzt worden sind. Nach Vorwürfen linksradikaler Aktivisten wird nun gegen sie ermittelt.
kolumnen
2021-07-14T06:25:30+00:00
2021-07-14T08:27:05+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/oesterreich-fall-leonie-trauernde-polizisten/
Neues Gewaltopfer in Bad Oeynhausen: 20-Jähriger erliegt schweren Kopfverletzungen
Es schwante einem nach ähnlich lautenden Berichten aus dem In- und Ausland schon allmählich, dass die Sicherheit der Bürger vor willkürlicher Gewalt, schweren Verletzungen und – ja – Tod in deutschen Parkanlagen nicht mehr gegeben ist. Im Kurpark von Bad Oeynhausen wurde dieser Verdacht erneut zur Gewissheit. Ein 20-Jähriger wurde dort zum Opfer einer rund zehnköpfigen Männergruppe. Es geschah nach dem Abitur-Ball seiner Schwester, auf den auch der 20-jährige Philippos gegangen war, dessen Bild nun in sozialen Medien zirkuliert. Er und ein 19-jähriger Freund waren laut Berichten mit der Gruppe von zehn jungen Männern „in Streit geraten“. Man kann sich vorstellen, wie schnell, wie leicht, wie unverschuldet und unvermittelt das passieren kann. Gegen 1.30 Uhr kam es erst zum Streit, dann trat und schlug die größere Gruppe von Unbekannten auf die beiden Freunde ein. Zuletzt soll einer der Angreifer Philippos von der Gruppe weggezerrt und ihn sich einzeln vorgenommen – laut Polizeimeldung: „weiter körperlich auf ihn eingewirkt“ – haben. Auch der 19-jährige Begleiter erlitt schwere Verletzungen. Am Montagabend berichtete die Neue Westfälische unter Berufung auf die Familie, dass der 20-jährige Philippos hirntot sei. Die lebenserhaltenden Maßnahmen seien zum Zweck des Abschiednehmens und von Organspenden aufrecht erhalten worden. Die Gruppe der Täter wird laut der Polizeimeldung so beschrieben: „ca. 10 Personen, männlich, südländisch, etwa 19-20 Jahre alt, teilweise mit Trainingsanzügen der Marke Adidas bekleidet.“ Gesucht wird zudem ein einzelner Tatverdächtiger von „südländischem“ Aussehen mit Oberlippen- und Kinnbart, der eine neonorangene Jacke getragen habe. Die Mordkommission „Palais“ ermittelt. Fußnote zum Sprachlichen: Seinem griechischen Namen nach war Philippos ein Südländer. Die Täter dürften eher mit der Bezeichnung „Orientalen“ korrekt beschrieben sein. Für Philippos, seine Familie und seinen schwer verletzten Freund wurden aufgrund eines Spendenaufrufs bereits mehr als 60.000 Euro gesammelt. https://www.gofundme.com/f/spendenaufruf-fur-die-familie-von-philippos Ein örtlicher Unternehmer hat eine Belohnung von 1.000 Euro für Hinweise ausgelobt, die zur Ergreifung von einem oder mehreren Tätern führen. Der Bad Oeynhausener Bürgermeister Lars Bökenkröger (CDU) und der Landrat von Minden-Lübbecke, Ali Dogan (SPD), haben Zeugen dazu aufgerufen, sich bei den Ermittlern zu melden. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel äußerte sich per X unter dem Stichwort „Migrantengewalt“ zu der Tat: „Der 20-Jährige, der am Wochenende von einer Gruppe ‚südländisch aussehender Männer‘ verprügelt wurde, wird die Attacke nicht überleben – Ärzte erklärten ihn für hirntot. Sobald die Täter gefunden sind: Abschieben!“ Von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist – anders als im Fall der Sylter Sänger – noch nichts zu hören. Innenministerin Nancy Faeser (auch SPD) betrauert in einem Tweet den bei einem Unfall ums Leben gekommenen Polizisten aus der Eskorte des ungarischen Premierministers, hat aber von der Oeynhausener Gewalttat anscheinend noch keine Kenntnis genommen. Die ARD verbannt den Fall (noch?) in ihr Lokalangebot beim WDR, veröffentlicht daneben eine Meldung, die aber nicht auf der Webseite zu sehen ist. Bei ZDF heute gibt es bisher noch keine Spur von dem Verbrechen. Es ist nicht anders als in so vielen anderen Fällen, die durch das Raster der größeren und öffentlich-rechtlichen Medien ebenso fallen, wie sie – scheinbar – unter der Aufmerksamkeitsschwelle der etablierten Parteien bleiben. Mit „Worms“ ist in dem untenstehenden Tweet der Tochtermord eines afghanischen Ehepaars gemeint. In Gera wurde das jüngste „Prügelvideo“ von Migranten gedreht, die es einem einzelnen 14-Jährigen darin so recht zeigen. Nun reiht sich der Name Bad Oeynhausen in diese Chronik der willkürlichen, ausartenden, gesetz- und schrankenlosen Gewalt ein, die erstaunlich oft von jungen Männern mit außereuropäischem Migrationshintergrund ausgeht. Immer mehr Bürger weisen die Verantwortung für Gewalttaten wie diese mit oft tödlichem Ausgang direkt der Innenministerin zu, die sich – wie die Ampel-Koalition insgesamt – stets für eine Fortsetzung der ungeordneten Asylzuwanderung nach Deutschland eingesetzt hat. Die SPD tat das ohnehin schon im Verein mit der Merkel-CDU. Heute schweigen beide Parteien zu den Ergebnissen ihrer Politik. Dass damit Zustände wie im Kurpark von Bad Oeynhausen mittel- bis langfristig noch deutlich verstärkt werden, müsste allerdings jedem Politiker (oder Wahlbürger) mit Restverstand einleuchten.
Matthias Nikolaidis
Ein neuer Fall entgrenzter Migrantengewalt hat sich mitten in Deutschland ereignet. Die große Politik reagiert mit Nichtbeachtung auf das vermeintlich „kleine“ Phänomen. Sie unterschätzt, wie sich die Stimmung an der Basis drehen kann, wenn sich diese Realität als die bestimmende im Lande festsetzt.
daili-es-sentials
2024-06-25T13:00:15+00:00
2024-06-25T13:00:16+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/bad-oeynhausen-gewaltopfer-2o-jaehriger-schwere-kopfverletzungen/
Offenbarungseid bei Illner: Medien sollten nicht die Gegenmeinung hören
Es ist gerade sehr viel los in Deutschland und es gäbe viel zu diskutieren. Baerbocks Affären, das Attentat in Würzburg – aber Illner redet stumpf weiter über Corona. Muss man jetzt offenbar wirklich jede einzelne Woche darüber sprechen, dass es noch nicht vorbei ist und dass wir uns vorbereiten müssen, nur um dann schon wieder zu dem Schluss zu kommen, dass wir nach anderthalb Jahren jetzt endlich mal Luftfilter in den Schulen brauchen? Mein Mitleid gilt den Illner-Fans, die rituell jeden Donnerstag den Fernseher anschalten, so wie andere Menschen das Sandmännchen geschaut haben, um dann die gleiche Sülze nochmal zu sehen, ohne sie zu hinterfragen. Es geht nur noch um Angst. Wenn es einem darum ginge, sich zu informieren, dann hätte man den Fernseher gestern Abend aus gelassen. Denn es kommen keine Informationen mehr, die man nicht schon fünf Mal gehört hat, vier Mal allein von Karl Lauterbach. Die Inhalte waren noch ernüchternder. Über Lauterbach kann man sich gar nicht mehr ausreden, den drücken wir jetzt mal in den Skat. Es wird Sie genauso wenig überraschen wie mich, dass er gegen Lockerungen ist. Breaking News, Karl Lauterbach ist sogar für Verschärfungen. Was würden wir bloß ohne Karl Lauterbach tun, der als unser Herr und Retter fordert, dass man in Shisha-Bars ein Impf-Angebot bekommen kann? Denn ohne, dass man uns die volle Ladung Astra bis vor die Disco hinterherträgt, wüssten wir nicht, ob wir uns impfen lassen können und wie man sich darum kümmert. Und außerdem könnten wir ja noch vergessen, dass uns jeden Moment wieder sämtliche Grundrechte genommen werden können, wenn wir nicht brav sind. Aber von Diskurs hat Frau Berndt offenbar noch nichts gehört. Und deshalb wirft sie Streeck auch vor, dass er sich gegen einen neuerlichen Lockdown ausgesprochen hat – nicht etwa, weil es falsch wäre und sie im folgenden begründet warum. Nein: weil das den Diskurs spaltet. Dass Diskurs gespalten sein muss, um Diskurs zu sein, muss ihr noch jemand erklären. Hendrick Streeck, NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und Anna Schneider von der Welt waren auch noch da. An sich die richtigen Gäste, aber nicht in dieser Runde. Streeck streitet mit Lauterbach über dessen vergangene Beleidigungen gegen ihn, Lauterbach windet sich in der „tüpichen“ Art und Weise. Schneider beklagt: „Die Verachtung der Freiheit wurde mit Corona salonfähig!“ Und Laumann verteidigt die neuen Öffnungsschritte in NRW. Ein wenig Hoffnung bleibt also.
Max Mannhart
Bei Illner fetzen sich Lauterbach und Streeck. Aber Lauterbach wird an diesem Abend von einer Journalistin der Süddeutschen bei weitem übertroffen. Sie erklärt uns, warum es völlig falsch ist, wissenschaftliche Mindermeinungen groß zu beachten.
feuilleton
2021-07-09T06:31:47+00:00
2021-07-09T07:20:26+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/illner-9-juli-lauterbach-streeck-gegenmeinung/
Bei Illner: „Wir haben eine schlechte Regierung“
Wer auch immer diese generischen Titel für Maybrit Illner immer dichtet, ist diese Woche auf Krawall gebürstet. „Ampel in der Krise – Kein Plan, kein Geld, kein Vertrauen?“ war die Frage, mit der sich die Gäste der Sendung am Donnerstagabend konfrontiert sahen. Es war die perfekte Voraussetzung für Illner, mal mit harten Bandagen in den Ring zu steigen. Allgemein hatte die Sendung allein von ihren Voraussetzungen her das Potenzial, explosiv zu werden. Verena Bentele, die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, war in der Runde, sowie Eva Quadbeck, die Chefredakteurin vom „Redaktionsnetzwerk Deutschland“, doch die beiden waren Randerscheinungen im Vergleich zu den strahlenden Eliten der Politik, die uns hier beehrten. Christian Lindner (FDP), Ricarda Lang (Grüne) und Carsten Linnemann (CDU) hat es gleichzeitig ins Studio verschlagen. Nun sind wir auch zur Explosionsgefahr gekommen. Jeder von den Dreien hat ein sehr großes Interesse daran, jede Schuld von sich zu schieben. Nun ist die Dreiecksbeziehung der drei allerdings komplizierter als ein Schnulzenroman. Derweil ist Deutschland aktuell eine Planwirtschaft ohne Plan, die reichste Nation Europas ohne Geld, regiert von einer volksnahen Regierung ohne Vertrauen. Jeder von den Dreien will nicht mit den aktuellen Problemen in Verbindung gebracht werden und hat damit Grund, um die wichtigsten Themen herumzureden. Gleichzeitig sind sie alle in einer ähnlich aussichtslosen Position, denn ihre tatsächliche Verantwortung an der aktuellen Lage ließe sich nur mit einer ausgiebigen Portion Feenstaub wegzaubern, weshalb sie alle Grund haben, sich verzweifelt gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Und so ist da dieses stetige Knistern zwischen ihnen, aus Überlebenstrieb und Existenzangst. Grund zur Existenzangst haben Lindner und Lang auf jeden Fall, lernen wir im Vorspann. Laut ARD Deutschlandtrend ist die Zufriedenheit mit der Ampel auf 19 Prozent gesunken und laut ZDF Politbarometer glauben nur 14 Prozent, dass die Ampel tatsächlich Probleme löst. Beide wählen ihre eigenen Strategien, um damit umzugehen. Lindner bekommt zuerst das Wort. Sein Redebeitrag klingt eher wie etwas, was der Streber aus der ersten Reihe sagen würde, der dem Lehrer beim Handheben fast den Finger in die Nase steckt, während er ihm eigentlich ganz woanders hinkriechen will. „Jetzt handeln wir. Wir haben eine andere Migrationspolitik, wir haben zum Beispiel mit dem – von mir erarbeiteten – Wachstumschancengesetz Impulse für die Wirtschaft, wir beschleunigen die Genehmigungsverfahren für die erneuerbaren Energien. Und ich schlage vor, einfach stärker über die Probleme als über Umfragen zu sprechen“, referiert Lindner – in einer Sprache, die er selbst wohl sehr souverän findet. Während er nach vorne drängt, was er selbst schon alles geschafft hat, dachte er wohl, er klingt dynamisch, wenn er die Sache mit den Umfragen noch dranhängt. Tatsächlich merkt man ihm aber gerade hier an, dass er an einem wunden Punkt getroffen wurde. Sie sagt das auf eine Art, die wohl mitfühlend und sympathisch wirken soll. Sie wippt hin und her wie ein Seemann, der leicht einen sitzen hat, während sie ihre Augenbrauen zu einem Dackelblick zusammenzieht – während sie inhaltlich im Grunde sagt: „Ich weiß nicht, wie der Pöbel auf so einen Stuss gekommen ist, aber wir machen unseren Job super.“ Dann lenkt sie ein, denn sie hat nicht mal irgendetwas total Selbstverständliches, mit dem sie trotzdem schamlos angeben kann, so wie Lindner es getan hat, sie ist ausschließlich auf ihre sympathische Art angewiesen und somit unbewaffnet. Also setzt sie obendrauf: „Ich glaube, für die Zukunft muss noch mehr gelten: Wenn ich mit den Bürgerinnen und Bürgern im Land rede, wollen die nicht wissen, ist das ein grüner Erfolg, ist das ein gelber Erfolg oder ist das ein roter Erfolg.“ Sie hat recht. Tatsächlich wollte in den letzten Monaten niemand wissen, wessen Erfolg die Ampel-Politik ist, sie wollten vielmehr wissen, wer das Land vor die Wand gefahren hat. Vielleicht hat Ricarda selbst gemerkt, in welche Sackgasse sie sich manövriert, als Illner sie fragt, ob man die Wähler beschimpfen wolle. Als Illner nach Langs CDU-Manöver immer noch nicht von ihr ablässt und sie trotzdem weiter mit Fragen quält, verschwindet plötzlich die gemütliche Seemann-Dackel-Fusion aus Ricardas Gesicht und wir sehen den typischen Blick, den alle Grünen perfektioniert haben. Wie ein zickiges Kleinkind schaut Lang nun zu Illner hoch und macht unmissverständlich klar, dass die nun Linnemann zu befragen hat, indem sie ihn und seine Partei direkt angreift. Dieses Mal tut Illner ihr den Gefallen und stellt Carsten Linnemann vor. Ricardas bockiger aber selbstzufriedener Blick richtet sich nun auf ihn. Wie erwartet, steht Linnemann Lindner näher als dem Rest des Plenums, er lobt ihn sogar ausdrücklich: „Das einzige, was man jetzt geschafft hat, ist an einem Gesetz zu arbeiten für die Legalisierung von Drogen. Christian Lindner hat die wirtschaftliche Situation erkannt, mit seinem Wachstumschancengesetz, da diskutieren wir auch drüber, wie wir damit umgehen, da sind viele gute Punkte drin.“ Langsam beginnt die Bombe zu detonieren. Linnemann hat sich ein spezielles Feindbild zurechtgelegt – Olaf Scholz. Es scheint, als würde er vor allem Lindner dazu antreiben wollen, sich auf seine Seite zu stellen. So bringt er den Rest der Ampel regelrecht gegen Scholz auf, als er über den gedachten Deutschland-Pakt sagt: „Eigentlich ist es ein Misstrauensvotum gegenüber der Ampel, gegenüber den eigenen Leuten. Es ist ein Hilferuf.“ Lindner reagiert, indem er einen gekünstelt kritischen Gesichtsausdruck annimmt. Währenddessen redet Linnemann sich weiter in Rage: „Wir haben jetzt 80 Prozent mehr Asylanträge in Deutschland als im letzten Jahr und das Jahr ist noch nicht vorbei. Er hat einen großen Flüchtlingsgipfel gemacht im letzten Mai, hat heilig was versprochen – nichts passiert.“ Linnemann nutzt die Ampel perfekt aus, um die CDU wieder auf den Weg in die Regierung zu befördern. Er hat ja auch perfekte Voraussetzungen – anders als Söder oder Merz, verbindet man mit ihm nicht die Merkel-CDU, weil man sich gar nicht erinnern kann, ihn überhaupt vorher schon mal gesehen zu haben. Es wäre eigentlich einfach, der CDU ihre Jahrzehnte lange Vorarbeit für die Katastrophe, die nun in Deutschland herrscht, immer wieder unter die Nase zu reiben, so wie Lang es anfangs noch versucht hatte. Weder sie noch Lindner schaffen das aber, weil Linnemann schon längst auf 180 geschaltet hat. Er setzt die Grünen-Vorsitzende auf den Topf wie ein kleines Kind. Die kämpft zwar tapfer, doch sie reagiert nicht auf Augenhöhe, sondern beleidigt. Lindner ist zu schwach, um sich gegen Linnemann zu stellen, und zu feige, sich auf seine Seite zu schlagen. „Wir haben keine schlechte Wirtschaft, wir haben eine schlechte Regierung“, wirft er während einer Wirtschaftskrise in ein Plenum ein, in dem zwei Regierungsparteien vertreten sind, doch beide wissen sich kaum zu helfen. Sie zerschellen an dem Paderborner CDU-Mann mit Brille und Buchhalterlook, der einfach durch die Sendung durchspaziert, während sie ihre Schlagfertigkeit opfern, um einen Mann zu schützen, der nicht geradeaus laufen kann.
Natalie Furjan
Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP) zerschellen bei Illner an dem Paderborner CDU-Mann mit Brille und Buchhalterlook, Carsten Linnemann, der einfach durch die Sendung durchspaziert, während sie ihre Schlagfertigkeit opfern, um einen Mann zu schützen, der nicht geradeaus laufen kann.
feuilleton
2023-09-08T05:58:10+00:00
2023-09-08T07:04:21+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/illner-lindner-lang-linnemann-heizungsgesetz/
Rede abgesagt: geplanter Anschlag auf AfD-Vorsitzende Alice Weidel? - TE-Wecker am 4. Oktober 2023
Rede abgesagt: geplanter Anschlag auf AfD-Vorsitzende Alice Weidel? ++ Politbeben in den USA: Speaker des Repräsentantenhauses Kevin Mc Carthy abgewählt ++ Energiekonferenz: 20 Staaten wollen Kernkraft nutzen – Deutschland nicht dabei ++ WDR-Mann schimpft in Tagesthemen auf Flugreisen und Autofahren – und schickt Urlaubsbilder aus fernen Ländern ++ Tagung Kernenergie: Wann steigt Deutschland wieder ein? – akademie-bergstrasse.de ++ TE-Energiewendewetter ++
Sofia Taxidis
Der TE-Wecker erscheint montags bis freitags – und bietet Ihnen einen gut informierten Start in den Tag. Ideal für den Frühstückstisch – wir freuen uns, wenn Sie regelmäßig einschalten.
podcast
2023-10-04T01:00:52+00:00
2023-10-04T04:22:52+00:00
https://www.tichyseinblick.de/podcast/te-wecker-am-4-oktober-2023/
Glosse: Die „Letzte Generation“ und die Milliarden Opfer von Palau
Können Sie sich noch an Palau erinnern? Die putzige ehemalige deutsche Kolonie in Mikronesien war einstmals Teil von Deutsch-Neuguinea. Die Kolonie hatte einen gewissen Ruf, vor allem, weil sie für die Verlotterung deutscher Moral bekannt war. Palau wurde im Ersten Weltkrieg kampflos an die Japaner übergeben, offenbar, weil sich die deutschen Soldaten recht gut an den Lebensstil der Südsee gewöhnt hatten – so geht die Mär. Grüne und Klimabewegte haben bekanntlich nicht nur die Presse, sondern auch die Fakten auf ihrer Seite. Und wie immer muss in die dicke Schüssel Moralin noch ein Schuss persönlicher Dramatik hinein. Die Kreation sah in Vollendung so aus: „Was mich dann wirklich zum Umdenken gebracht hat, war ein Zitat vom Präsidenten des Inselstaates Palau. Er hat gesagt: ‚Es gibt keine Würde in einem qualvollen und langsamen Tod. Ihr könntet unsere Insel genauso gut bombardieren.‘ Und das ist eine Insel, die einfach untergehen wird, Milliarden Menschen [Lanz unterbricht: „im Südpazifik“] sind schon gestorben dort … sind so viele Leben in Gefahr. Und wir sitzen hier und tun so, als würde uns das nicht betreffen.“ Team „alle Wissenschaftler” hat gesprochen. Hier sofort die Einschränkung: man kann durchaus zugunsten Rochels „sind so viele Leben in Gefahr“ als Einschub und Korrektur zu den „Milliarden Menschen“ interpretieren, die demnach nicht gestorben, sondern nur betroffen sind. Doch das macht es nicht besser. Palau kommt auf 19.000 Einwohner und auch der Rest Ozeaniens ist nicht als dicht besiedeltes Gebiet bekannt. Auf einer Fläche von rund 400.000 Quadratkilometern leben dort etwa 10 Millionen Menschen – weniger als in Baden-Württemberg. Außer China und Indien existieren auch keine Milliardenstaaten auf dem Planeten. Zudem spricht Rochel explizit von „dort“ und wendet das Szenario nicht auf die gesamte Südhalbkugel an. Angstszenarien sind immer dann gut, wenn sie von der „richtigen” Seite kommen. Zudem verleihen solche Anekdoten den Nimbus persönlicher biografischer Einschnitte. Heiko Maas ist wegen des Holocausts in die Politik gegangen, Carla Rochel wegen der Milliarden Klimabedrohten in Mikronesien. Wer nichts hat, für das es sich zu leben lohnt, opfert sich eben moralisch auf und verkauft Phrasen als Lebensleistung. Die Selbstbeweihräucherung benebelt auch Glaubensgenossen. Für die Außenstehenden bleibt wenigstens eine amüsante Geschichte jener Weltretter übrig, die es nicht so ganz mit Statistiken, Wissenschaft und Erdkunde haben. Und das sind nur die bekanntesten weißen Flecken, die man nicht mit Ideologie zukleistern kann. Da hilft auch der beste Kleber wenig.
Marco Gallina
Carla Rochel spricht bei „Markus Lanz“ über ihre Berufung. Der drohende Untergang Palaus und die „Milliarden Menschen“, die davon betroffen seien, hätten sie dazu bewegt.
feuilleton
2022-11-12T15:11:43+00:00
2022-11-12T15:11:44+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/glosse/letzte-generation-palau/
Auf der Buchmesse nach links geblättert
NZZ, ZEIT, Leipziger Volkszeitung sind hinreichend bekannt und meist solide, was nicht heißen soll, dass man sich nicht an manchem Inhalt reiben kann und widersprechen möchte. Interessanter sind die auch standörtlich konzentrierten Erzeugnisse der vereinigten aber uneinigen links-Blätter mit marxistischer, stalinistischer oder anarchistischer Ausrichtung, zu denen sich auch die taz gesellt. Im grünen Zentralorgan lässt sich ein Redakteur aus dem Ressort taz2 („Gesellschaft und Medien und schreibt über alles, was ihm einfällt oder was anfällt“) über politische Korrektheit aus. Mit der Aussage, die AfD sei eine Nachfolgeorganisation der NSDAP, klittert er Geschichte und verniedlicht, was die Nationalgenossen der dreißiger und vierziger Jahre angerichtet haben. Für den Fall Tellkamp lädt man an anderer Stelle größere Kaliber. Mit der Subline, er sei „politisch verhaltensauffällig“ gesteht man im Grunde ein, dass er aus dem links-Mainstream ausscherte und die Toleranzprediger selbst am wenigsten tolerant sind. Sicher waren die Tellkampschen 95 Prozent Nichtflüchtlinge nicht verifizierbar. Es können auch 83, 72 oder 64 Prozent sein, das Problem ist doch: Wir wissen es nicht und werden es nie erfahren angesichts vieler Alias-Namen und verschleierter Herkünfte. Dann kommt scharf gerührtes aus Bosheit und Galle: „Jahrzehntelang durfte der vom Rotwein gebläht wirkende Ossi namens Uwe (vgl. Böhnhardt, Mundlos) seine unlesbaren Romanungetüme ins Suhrkamp-Programm wuchten …“. Nun, ich empfand den „Turm“ (samt Verfilmung) als ein durchaus gelungenes Stück Wendeliteratur, wenn auch nicht als „den“ Wenderoman. Dass den Westlinken das Verständnis für Wendeliteratur verschlossen bleiben muss, ist auch Folge ihrer jahrzehntelangen untergründigen Hoffnung, die DDR möge als das bessere Deutschland irgendwann Sieger der Geschichte sein. Der gewaltfreie Umsturz durch die Ossis ist den Westlinken heute noch suspekt, schon durch die Abwesenheit von Molotowcocktails, Pflastersteinen und Katapulten im Herbst 89. Unsere Zeit, das Zentralorgan der DKP, hat seinen festen Klassenstandpunkt über viele Jahrzehnte bewahrt, was nicht an interessanten Einsichten hindert. „Afrin reicht Erdogan noch lange nicht“, heißt es. Auch die Aussage, dass RWE und Eon nach der Neusortierung ihre Monopolstellungen festigen, ist nicht falsch. Weiterhin ist die DKP auf der Suche nach der Arbeiterklasse, in der sie die Verankerung stärken will. Eines muss man den Altkommunisten lassen. Sie interessieren sich für die Geschichte, im Fall der aktuellen Ausgabe mit dem vor 80 Jahren in der Sowjetunion stattgefundenen roten Terror der stalinschen „Säuberungen“. Obwohl an manchen Stellen sehr gesellschaftstheoretisch und mit einem Hauch an Verständnis umweht, kommen sogar schauerliche Opferzahlen, sortiert nach gesellschaftlichen Schichten, zur Sprache. Gruselig konkret. Im Gegensatz dazu geht den Grünen jede historische Selbstkritik ab. Grüner Mythos erscheint stets unreflektiert trotz Gewalttoleranz, Pädophilie, Kriegs- und Hartz-IV-Politik in der Parteigeschichte. Le Monde diplomatique, verbündet und geistesverwandt mit der taz, bewirbt ein Buch des verhinderten Berliner Staatssekretärs, praktizierenden Stadtsoziologen und Gentrifizierungsgegners, ehemaligen Hausbesetzers und Terrorverdächtigen Andrej Holm, der sich seinen DDR-sozialisierten festen Klassenstandpunkt über die Wende gerettet hat. Einfacher gestrickt, aber unbeirrbar revolutionär kommt die Junge Welt daher. Im Visier der neue Finanzminister Scholz, der „als Juso angeblich den Kapitalismus überwinden wollte“. Politische Lernfähigkeit wird im Kampfblatt nicht honoriert. „Eine Bewerbung der Stadt (Hamburg) für die Olympischen Sommerspiele wurde 2015 per Volksentscheid abgeschmettert. Zur Strafe holte Scholz die „G20“-Polizeifestspiele an die Elbe – mit den Disziplinen Knüppeln, Einkesseln und Wasserwurf.“ So einfach kann man die Welt erklären. Was bleibt als Erkenntnis? Die dauerprogressiven linkspopulistischen Elemente unserer Gesellschaft stagnieren weiter so vor sich hin. Der Tag geht zur Neige, draußen wächst die Schneedecke. Höchste Zeit für den Rückweg. Aus der Halle der Manga-Comic-Con kommt ein Yedi-Ritter samt Lichtschwert und kreuzt unseren Weg. Die Realität hat uns wieder.
Fritz Goergen
Wer denkt, weiter links geht nicht, sieht bei graswurzelrevolution, dass es doch geht. Aus dem Blätterwald der Buchmesse.
feuilleton
2018-03-20T12:14:19+00:00
2018-03-20T12:22:15+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/auf-der-buchmesse-nach-links-geblaettert/
Merz auf Abruf, Parteien im Abstieg - Trump setzt Schritt für Schritt
Sagt man in den ÖRR wie Anja Kohl bei Wirtschaft vor acht „Große Koalition“ (GroKo), ist das Propaganda. Union 28,5 und SPD 16,4 ist eine Kleine Koalition (KleiKo). Merz‘ Fünf-Punkte-Plan war vor der Wahl. Per Anweisung am ersten Tag als Kanzler ein „faktisches Einreiseverbot“ für Personen ohne Papiere ebenfalls. Am Tag nach der Wahl sagt Merz April, April: „Niemand von uns spricht über Grenzschließungen.“
Fritz Goergen
Merz' Fünf-Punkte-Plan war vor der Wahl. Per Anweisung am ersten Tag als Kanzler ein „faktisches Einreiseverbot“ für Personen ohne Papiere ebenfalls. Am Tag nach der Wahl sagt Merz April, April: "Niemand von uns spricht über Grenzschließungen."
daili-es-sentials
2025-02-25T05:30:56+00:00
2025-02-25T06:55:04+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/merz-klingbeil-habeck-trump/
Wie die SPD ihre Wähler zu Rechtsradikalen erklärt und überall "Nazis" entdeckt
Bevölkerungsumfragen, wie sie die SPD alle zwei Jahre von ihrer Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) unter dem Stichwort „Mitte-Studie“ erheben lässt, sagen wegen ihrer methodischen Schwächen viel über die Wunschvorstellungen und Geistesverfassung ihrer Autoren aus und wenig über den Geisteszustand der Bevölkerung. Die interessiert die Studienautoren auch nicht, sie muss es nur aus ihren Steuergeldern finanzieren. Denn Parteistiftungen sind Staatsstiftungen. Aber die jüngste macht den Frosch zum König. Bei der FES ist Demokratie dann gegeben, wenn „die Würde und Gleichheit aller an erster Stelle stehen.“ Man staunt. Keine Regierung des Volkes, sondern Gleichheit? Welche Gleichheit? Der Haarfarbe? Des Einkommens? Der Intelligenz? Welche „Gleichheit“ gemeint ist, wird deutlich: Diversität darf nach FES nicht sein, alle Unterschiede sind abzulehnen, und werden sie vom Befragten nicht abgelehnt, ja dann ist seine rechtsradikale Einstellung bewiesen. Jeder Verstoß gegen eine imaginierte Gleichheitsvorstellung gibt „Nazi-Punkte“. Das klingt nach einem seltsamen Demokratieverständnis in der SPD, wenn die Akzeptanz irgendeiner Form der „Ungleichheit“ durch Befragte als Rechtsradikalismus gewertet wird. So wie Frösche Menschen für lebensuntauglich halten, weil sie nicht im Wasser leben können. Aber wollen Menschen im Wasser leben und welche Gleichheit ist denn das erhabene Staatsziel? Die Antwort der FES-Studie findet sich in einer bemerkenswerter Sprachregelungen, mit der der Gleichheitsgrundsatz operationalisiert, also umfragegerecht gemacht wird: Die verbreitete Form der Ungleichheit ist, wenn „Neuhinzukommende“  anders behandelt werden als „Alteingesesse“. „Neuhinzukommende“ müssen beispielsweise, so beklagt die Studie über Seiten, viele Behördengänge absolvieren, sogar persönlich, und das Deutsche ist ja auch eine furchtbar gemein schwierige Sprache. Ihre berufliche Qualifikation werde geprüft, und ihr Zugang zu Studium und Beruf erst nach diese Prüfung genehmigt – etwas, was „Alteingesessene“ mit Alteingessessenen-Diplom nicht über sich ergehen lassen. Die Studie nennt so etwas „Etabliertenvorrechte“. Überhaupt die Sprache. Wer den neuesten rot-grünen verordneten Sprachcode nicht beherrscht, ist sofort nicht nur rechts, sondern „rechtsextrem“, also schon kriminell eigentlich: Die Normalisierung „extrem rechter Positionen“ beginne bereits, wenn man „diversitätssensible Sprache“ als „Woke-Wahn“ diffamiere. Das liest sich dann so: Bedrohlich sei der „Rassismus“, „wie er sich in der Abwertung schwarzer, muslimischer und asylsuchender Menschen, Sinti:zze und Rom:nja manifestiert wie auch in der Forderung nach Etabliertenvorrechten; ebenso in Antisemitismus, Sexismus und der Abwertung von LSBTIQ*-Personen; zudem drückt sich GMF in Klassismus aus.“ „Klassismus“ ist ein so ziemlich für die Studie erfundener Begriff für Abwertung von Langzeitarbeitslosen und Bürgergeldempfängern. So sehr hat sich die Studie in ihrer durch kreative Sprache aufgebauten Kunstwelt verheddert, dass sie sich entschuldigen muss: Im Fragebogen wird nicht gegendert, kommt der Begirffskauderwelsch nicht vor. Weil die Befragten die Fragen nicht verstehen würden, wenn sie politisch korrekt gegendert werden, entschuldigen sie die Froschbefrager.  Hier zeigt sich das Kernproblem der neuen rot-grünen Ideologen: Sie haben sich so weit von der Bevölkerung entfernt, dass sie erst ein Übersetzungsprogramm ihrer Klischeesprache brauchen, um überhaupt noch kommunizieren zu können. Wobei, andererseits: Wer diesen Ideolgiesprech nicht nutzt, kriegt „Nazi-Punkte“. Mit Entsetzen wird konstatiert: „41 % der Befragten sind „eher“ oder sogar „voll und ganz“ der Ansicht, der „deutsche Staat“ kümmere sich „mehr um Flüchtlinge als um hilfsbedürftige Deutsche“. Dies sind im Vergleich zu 2016 noch etwas mehr Befragte, die zustimmen; damals waren es gut 35 % der Befragten.“ Der Beweis ist erbracht: Die braunen Horden rüsten schon zum Fackelzug durch das mit oranger Farbe durch Umweltextremisten malträtierte Brandenburger Tor. Dass die verurteilte Ungleichheit und Abwertung spezieller Gruppen, die so beklagt wird, staatlicherseits vielleicht tatsächlich schon gegen „Alteingesessene“ richten könnte – dieser Gedanke kommt den SPD-Wissenschaftlern nicht. Zu sehr verhaftet sind sie in ihrer Glaubenswelt, dass Gleichbehandlung faktisch nur die Privilegierung einer Gruppe bedeutet, die sie selbst als förderungswürdig erachten – außer sich selbst natürlich. Und so ist auch der Blick auf die Massen-Zuwanderung ein ganz eingeschränkter. Im Weltbild der Studien-Frösche ist Deutschland ein großer Tümpel, in dem jeder hineinspringende Frosch wie selbstverständlich und ungefragt dieselben Rechte, Ressourcen und Lebensbedingungen vorzufinden hat wie schon länger Hierseiende. Die Vorstellung, dass ein Staat zunächst die Aufgabe hat, das Wohl seiner Bürger zu bewahren und nach Möglichkeit zu fördern und schon allein deshalb eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein könnte, ist für die Studie geradezu absurd. Jeder, der die Staatsgrenzen übertritt, hat vielmehr als „Neuhinzukommender“ freie Verfügung über den Tümpel und seine Fliegen, Mücken und Algen. Erstaunt stellt die Studie allerdings fest, dass es zu Verteilungskämpfen kommt: „Dabei geht es vor allem um den Vorrang von Alteingesessenen gegenüber Neuhinzukommenden, die als »fremd« wahrgenommen werden, sei es in einem Land, einem Dorf oder einem Haus. Etablierte … haben aufgrund ihrer gefestigten Position die Macht, über die Normen des Zusammenlebens zu bestimmen und auch darüber, wer am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben und zu Etablierten aufsteigen darf.“  Das klingt super analytisch, ist aber ideologisch „geframed“: Wer also erwartet, dass es zu „Integration“ kommen sollte, dass Zuwanderer Werte und Kultur oder Rechtsvorstellungen übernehmen sollten, zwingt diesen nur seine Normen auf, will über „Normen des Zusammenlebens bestimmen“. Genau das gilt als, na was? Rechtsradikal. Oder rechtsextrem, da wird kein Unterschied mehr gemacht. Es hagelt wieder „Nazi-Punkte“ für den, der verlangt, dass Frauen nicht geprügelt, Schwule nicht gejagt, Juden nicht misshandelt werden dürfen, denn das sind ja alles Normen, die die Kultur der „Neuhinzukommenden“ nur abwertet. An dieser Stelle allerdings liegt der vermutlich einzige Gewinn, den man aus der wirren Studie über das Weltbild der Fröscheforscher ziehen kann: solche Forderungen lassen sich schon stellen aus der gesicherten Position verbeamteter „Forscher“ mit garantierter lebenszeitlanger Alimentation durch den Staat auf Nettosteuerzahlers Kosten. Nun leben allerdings wenig Leute im Zustand wohliger Gleichheit eines ideell gedachten Universtitätsseminars. Mit Entsetzen konstatiert die Studie: Fremdenfeindlichen Einstellungen „wird mit 23 % dann am meisten zugestimmt, wenn die Befragten selbst angeben, in der Gesellschaft eher unten zu stehen, während in der Mitte rund 17 % und oben 11 % der Ablehnung von »Ausländern« zustimmen. Einkommensschwächere stimmen allen Dimensionen rechtsextremer Einstellungen deutlich häufiger zu. Arbeiter stimmen den Aussagen zum Rechtsextremismus deutlich und durchweg häufiger zu. 17 % von ihnen teilen ein manifest rechtsextremes Weltbild. Dabei würden 15 % zum Beispiel im »nationalen Interesse« eine Diktatur befürworten und damit um einige Prozentpunkte mehr als befragte Angestellte (5 %), Beamte (3 %) oder Selbstständige (5,5 %).“ Na, wer hätte das gedacht? Und es kommt noch schlimmer, wenn man über den Rand des Tümpels guckt: Nicht einmal Gewerkschaft schützt vor Rechtsradikalismus: „Mit Blick auf die gewerkschaftliche Organisation fallen Mitglieder von Gewerkschaften im Vergleich zu Nichtmitgliedern durch eine überzufällig häufigere Verharmlosung des Nationalsozialismus sowie mehr Zustimmung zum Antisemitismus und Sozialdarwinismus auf.“ Rund 13 % der Gewerkschaftsmitglieder weisen ein manifest rechtsradikales Weltbild auf. Die Gewerkschaften also als „Nazi-Nest“? Nun ist eine Verherrlichung des Nationalsozialmus alarmierend; dass in der Gewerkschaftsbewegung ein „starker Führer“ gefordert wird und Juden die Schuld zugeschoben wird: Nicht akzeptabel, bedrückend. Aber auch hier werden Begrifflichkeiten verwischt: Aus dem Fragenkatalog ergibt sich, dass Forderungen aufstiegsorientierter Arbeitnehmer wie „Leistung muss sich wieder lohnen“ oder nach geringerer Abgabenlast als „sozialdarwinistisch“ diskreditiert und nationalsozialistischem Denken gleichgestellt werden.  Mit Begriffsakrobatik gelingt es der Studie, überall Rechtsradikale zu finden und wenn ihr Vergehen darin besteht, niedrigere Steuern zu fordern. Klar, dass rechtes Bewusstsein insbesondere auch bei leistungsorientierten Freiberuflern und Selbstständigen gefunden wird, diesen libertären »gekränkten Selbstunternehmer:innen«, denen jetzt in der Krise die Felle davonschwimmen, wie die Autoren genüßlich feststellen. Sollen sie sich doch verbeamten lassen! Oder Bürgergeld kassieren! Es geht um die  Konflikte einer Abstiegsgesellschaft, deren Kuchen immer kleiner wird, während die Zahl der Kuchenesser so nebenbei gerade um 5 oder 6 Millionen zugenommen hat. Dass die Folgen der Massenmigration auf die „Alteingesessenen“ nicht ausgeleuchtet werden, versteht sich von selbst und zeigt sich exemplarisch in folgender sensationellen Trivialisierung: einer angeblich „rassistisch unterfütterter Berichterstattung über vermeintlich gewalttätige und sexuell übergriffige junge Männer aus nordafrikanischen Ländern nach der berüchtigten Kölner Silvesternacht zum Jahreswechsel 2015/16.“ 700 angezeigte Übergriffe auf Frauen in jener Nachthttps://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/dokumentation-silvesternacht-koeln/ waren also nur „vermeintlich gewalttätig“? Da haben die alteingesessenen Frauen nur die neue Kultur missverstanden oder sind zu rechtsradikal, als dass sie sich der Kultur der „Neuhinzukommenden“ angepasst hätten. Anders ist es mit den angeblich „patrouillierenden »Bürgerwehren« oder auch die mit dem üblichen Zynismus der rechtsextremen Szene als »Spaziergänge« bezeichneten Aufläufe, die ganz bewusst ein mulmiges Gefühl der Bedrohung bei einem bestimmten Teil der Bürger:innen erzeugen sollen (etwa Migrant:in- nen, People of Colour, Demokratieengagierte).“ Man merkt der Studie das geradezu peinliche Bemühen an, die aktuelle Transformationspolitik der Ampel zur neuen Norm, zur Demokratie an und für sich zu erklären und jede Kritik daran als „rechtsradikal“ oder „Neurechts“ oder „rechtsextrem“ abzuwerten – fließend und undifferenziert werden solche Begriffe benutzt und verschoben, ganz nach Belieben der Autoren. Aus dem Begriffs-Goulasch wird dann ein schillernder, giftiger Bewertungs-Tümpel abgeleitet, in dem derart phantasievoll erfragte Abweichungen von der Ampel-Denk-Norm immer wieder neu sortiert und zusammensetzt werden, weil es ja nicht um „einzelne Antworten geht, sondern auf den Zusammenhängen und einem daraus resultierenden Muster der Antworten. So können wir zeigen, dass menschenfeindliche, rechtsextreme und antidemokratische Einstellungen nicht unabhängig voneinander bestehen, sondern miteinander verbunden sind. Wer also bereit ist, in einem Bereich abwertenden und diskriminierenden Aussagen zuzustimmen, tut dies wahrscheinlich auch in anderen Bereichen.“ Für jedes falsche Wort, jedes unerlaubte Denken – „Nazi-Punkte“, die sich schnell addieren und nicht mehr wegzukriegen sind. Einmal „Nazi“, immer „Nazi“, so schafft man viele: Wer für niedrigere Abgaben plädiert, ist eben auch für die Unterdrückung der Frau, der Benachteiligung von „Neuhinzukommenden“ und lacht möglicherweise über demonstrativ zur Schau gestellte Transvestiten. Man könnte über die Studie lachen, würde sie nicht so häufig zitiert und in allen Nachrichtensendungen und Mainstreammedien gefeiert. Letztlich wird damit ein Abbau demokratischer Rechte vorbereitet, könnte man im Duktus der „Studie“ raunen. Denn beim Studieren soll es ja nicht bleiben. Angriffe auf die enttarnten „Nazis“ werden vorbereitet. „In vollendeter Staatsfrömmigkeit liefert sie der Bundesregierung und deren «Kampf gegen rechts» wissenschaftlichen Geleitschutz. Die Mitte wird an den Pranger gestellt, wo sie die Segnungen linker Bewusstseinspolitik bezweifelt.“ Der Bürger darf schon meckern, aber nicht zu laut. Wohlgefällig zitiert die Studie den schwammigen Begriff des „Delegitimierers“, wie ihn neuerdings der Bundesverfssungsschutz einsetzt, um Kritikern staatlichen Handelns habhaft zu werden. Dabei werden Ursache und Wirkung verkehrt: Nicht das erkennbare Staatsversagen ist demokratiegefährdend, sondern die Kritik daran. Nicht die Einschränkung der Grundrechte in der Corona-Politik schadet der Demokratie, sondern das Meckern darüber. Nicht die Fake-news und Propaganda bei ARD und ZDF sind zu kritisieren, sondern derjenige, der sich darüber aufregt, wird zum Staats-Delegitimierer. Ruhe und Gehorsam ist wieder erste Bürgerpflicht. Die Studie liefert die Begründung für das „Unterhaken“, wie es Olaf Scholz fordert, und das klaglose Mitmarschieren auf dem „steinigen“ Weg, den eine weise und allwissende Koalitionsregierung vorgibt, auch wenn es wehtut. Verunsicherung lauert überall. „Selbst der Klimaschutz kann mit Ängsten und mindestens Unwillen einhergehen,“ wird gewarnt, denn „Menschen müssen ihre tradierten Gewohnheiten aufgeben (u. a. Fleisch essen, Fliegen, Verbrennerautos fahren, mit Öl heizen etc.)“ Wehe, wer da meckert. Der strenge Geruch der DDR, einer autoritären Gesellschaft, die von oben gelenkt wird und die garstig auf jeden Widerspruch reagiert, müffelt durch die SPD-Friedrich-Ebert-Stiftung. Kein Aufbruch, kein Wind der Freiheit oder der Veränderung, sondern düsteres Hinnehmen wird eingefordert und genaue Befolgung der gerade angesagten Sprechformeln. Überall also lauern Gefahren und „Rechte“. Da muss doch was zu machen sein? Leider ist das die Studie pessimistisch. „ Jüngere Personen zwischen 18 und 34 Jahren zeigen ebenfalls eine auffällige Verbreitung rechtsextremer Einstellungen“, wird konstatiert und schlimmer noch: „obgleich sie doch Zielgruppe zahlreicher Programme politischer Bildung sind.“ Vielleicht reicht es ja, noch ein paar Programme aufzulegen, wie die Studie fordert. Noch mehr Staatsknete für Umerziehung wäre zumindest Futter für die Frösche.
Roland Tichy
Bevölkerungsumfragen, wie sie die SPD alle zwei Jahre von ihrer Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) unter dem Stichwort „Mitte-Studie“ erheben lässt, sagen wegen ihrer methodischen Schwächen viel über die Wunschvorstellungen und Geistesverfassung ihrer Autoren aus und wenig über den Geisteszustand der Bevölkerung. Die interessiert die Studienautoren auch nicht, sie muss es nur aus ihren Steuergeldern finanzieren. Denn Parteistiftungen
tichys-einblick
2023-09-24T07:58:09+00:00
2023-09-24T09:03:06+00:00
https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/mitte-studie-spd-waehler-alles-rechts/
Flüchtlingskrise: Was die Schwarze Null mit dem Job der Kanzlerin zu tun hat
Was ist eine schwarze Null wert? Sie steht dafür, dass heuer zum erstmal seit 1969 der Bundesfinanzminister keine neuen Schulden aufnimmt, und dabei soll es bleiben.  Eine großartige Leistung. Damit  hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sich einen Platz in den Geschichtsbüchern erobert. Jetzt sucht er sich aber schon eine neue Herausforderung: Das Amt des Kanzlers. Warum schaut der dann immer so grimmig?   Wenn der Finanzminister nur ein grimmiges Gesicht aufsetzt, sagt er über sich selbst, dann hat er schon 80 Prozent seines Geschäfts erledigt, nämlich  Minister abgeschreckt, die immer mehr Geld wollen. Man kann also auch mit Grimassen regieren. Allerdings braucht man auch Glück dazu. Denn Schäuble kassiert Steuern wie nie zuvor. 672 Milliarden werden es in diesem Jahr sein. 2009, im Jahr der Finanzkrise waren es gerade 542. Die Welt geht unter – die Deutschen zahlen Steuern. Das ist wohl das erstaunlichste Phänomen: Rund ein Fünftel höhere Einnahmen, als wäre nichts passiert. Dass  Schäuble  den Lohnsteuerzahlern ein paar Euro für die rein inflationsbedingten Mehreinnahmen zurückgeben mußte – nur eine Delle in der Steuerschätzung im Mai, sonst nichts. Daran wird deutlich: es wäre mehr drin gewesen, die Bürger zu entlasten; viel mehr. Aber ein Bundestag ohne Opposition und wenn, nur mit einer linken, bedeutet eben die Übermacht der Regierung. Und Schäuble spart bei den Ausgaben, ohne dass wir es merken. Wegen der Null-Zinsen zahlt er immer weniger für die Schulden seiner Vorgänger. Er kriegt  sogar gelegentlich Geld dafür, wenn er sich welches leiht. Viele Banken sind froh, wenn sie den Schotter irgendwo sicher abladen können. Also verleihen sie ihn an Deutschland und zahlen dafür eine Parkgebühr. Schätzungsweise 50, 60 Milliarden spart Schäuble durch Nullzinsen, ohne dass er wirklich etwas tun muss. Nun könnte man sagen: Er spart an uns. Denn Sparguthaben und Lebensversicherungen werfen nichts mehr ab. Klar. Das ist der Trick, die Absicht hinter den Null-Zinsen der Europäischen Zentralbank: Die Finanzierung der Staaten zu erleichtern und die Bürger auch. Selbst die Flüchtlingskrise kann dem fiskalischen Erfolg Schäubles wenig anhaben – noch sprudeln die Steuern. Trotzdem baut Schäuble vor. Er ist neuerdings verdächtig guter Laune und bring dabei selbst die schwarze Null zum Wackeln. Wegen der Flüchtlinge. Man könne ja einem Menschen, der im Mittelmeer ertrinkt nicht zurufen: „Tut uns leid, wir haben gerade kein Geld.“ Wer Schäuble kennt, der weiß: Er öffnet schon die Hintertür, falls die schwarze Null doch schneller fällt, als wir rechnen können. Ist die Erfolgsstory schon im kommenden Jahr zu Ende? Dann wird die Integration von Flüchtlingen so richtig teuer: Wohnungen, Lehrer, Sprachkurse. Es wird Jahre dauern, eher 15 als fünf, bis eine nennenswerte Zahl halbwegs gut bezahlte Jobs hat und selbst Steuern zahlt. Merkels Zuwanderung in die Sozialkassen wird teuer. Schäuble weiß auch, dass er an den Ausgaben für Rente und diverser Wohltaten für Einheimische nicht herumschnibbeln darf – das würde dann zu einer wirklichen Ausländerfeindlichkeit führen. Auch die deutsche Konjunktur schwächelt und könnte seine schwarze Null blitzschnell in tiefrote, zweistellige Milliardenschulden verwandeln – kein Eintrag im Geschichtsbuch. Dann würde er das Schicksal von Hans Eichel (SPD) erleiden, der vom Sparschwein sprach und zum politischen Schlachtschwein Schröders wurde, als die Zahlen sich röteten. Allerdings denkt Schäuble schon weiter, und das erklärt seine gute Laune: Das Torkeln der Kanzlerin, und ihre Unfähigkeit, die selbst verschärfte Flüchtlingskrise zu bewältigen, ruft nach einem Retter. Das kann derzeit nur Schäuble sein; niemand sonst in der Union hat das Zeug dazu. Und die Flüchtlingskrise verschärft sich jeden Tag; zwar sind es nicht mehr nur Merkels Flüchtlinge – neuerdings sind es die der SPD, die sich heute jeder Kontrolle entgegenstellt wie früher mal Grenzbeamte dem Schmuggel. Es hat ja was, dass der hochgelobte Asylkompromiss von vergangener Woche nur 1.700 Fälle betrifft, denen der Familiennachzug verwehrt wird; auch die Transitzonen, die nicht so heißen dürfen, sollen nur 2 Prozent betreffen. So viel demonstratives Nichtstun einer Regierung war selten. Es ist geradezu eine Verachtung der Wähler, die aus solchen entschiedenen Maßnahmen der Handlungsverweigerung spricht. Aber auch das dient Schäuble – die Not in den Städten und Gemeinden wird jeden Tag größer, das „Wir schaffen das“ klingt jeden Tag hohler. Als Kanzler wird Schäuble dann andere Prioritäten setzen – auch im Haushalt. Dann werden die Kosten der Integration offengelegt und die schwarze Null ist Makulatur. Mittlerweile erhöht er den Druck auf die Kanzlerin. Er stellt sich im Bericht aus Berlin- wie auch Seehofer – demonstrativ auf die Seite deMaizières, der eine Begrenzung des Familiennachzugs für Syrer und eine maximale Dauer des Aufenthalts für 1 Jahr fordert. Das ist ein Affront, den Merkels Paladin Altmaier versucht noch die Front mit der SPD zu halten: Keinerlei wirksame Maßnahme zur Begrenzung. Aber natürlich seien die Belastungsgrenzen erreicht, sagt Schäuble jetzt. Damit verlässt er sein Kassenhäuschen; so weit hat er sich noch nie von der Kanzlerinnen-Linie entfernt. Die schwarze Null interessiert ihn nicht mehr so sehr. Wenn sie zwangsweise fällt, will er sie selbst zum Fallen bringen. Allerdings: Ohne schwarze Null in Deutschland werden auch sofort andere europäische Länder noch mehr Schulden machen und damit erneut den Euro, die gemeinsame Währung zum Wackeldackel machen. Schon wollen sich die Franzosen wegen der Flüchtlinge höhere Schulden genehmigen lassen – obwohl sie gar keine Flüchtlinge aufnehmen. Und Ungarn will sich die Kosten für den Zaun anrechnen lassen. Damit ist die Schwarze Null kein Zahl – sondern ein Symbol: Für langfristige Solidität und Stabilität. Sie muß stehen. Und Schäuble? Wirkt gut gelaunt. Er empfindet es als Gnade, dass er nach all` den Qualen nach dem Attentat jetzt so sichtbar ausgezeichnet werden soll.
Roland Tichy
Mit grimmigen Gesicht hat Bundesfinanzminister Schäuble die Schwarze Null erzwungen. Jetzt wird er wohl Bundeskanzler werden müssen. Das erzwingt andere Prioritäten.
daili-es-sentials
2015-11-08T08:48:24+00:00
2015-11-09T09:47:58+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/bundeshaushalt-warum-die-schwarze-null-wackelt/
EU zu Venezuela-Krise: Mit Chaos und Inkompetenz auf die Weltbühne
Präsident Maduro und der Chavismus, oder der sogenannte bolivarische Sozialismus des 21. Jahrhunderts, haben Venezuela ins Elend gewirtschaftet. Obwohl das Land auf dem grössten Ölsee der Welt sitzt, ist es bis über beide Ohren verschuldet, kann Kredite nicht mehr bedienen, hat kein Geld für Importe von Lebenswichtigem wie Nahrung oder Medikamente. Über Jahre hinweg bedienten sich Mitglieder der Führungsschicht um Maduro und in der Armee in einer Art, die selbst im korrupten Lateinamerika neue Rekorde aufstellte. Es geht um Milliarden Dollar, Multimilliarden, die in den Taschen korrupter Führer verschwanden. Im Mai letzten Jahres wurde Maduro erneut zum Präsidenten Venezuelas gewählt. Die zerstrittene Opposition forderte zum Wahlboykott auf. Die Legitimität dieser Wahl wird vor allem dadurch in Frage gestellt, dass bei den Parlamentswahlen von 2015 Maduro die Mehrheit im Senat verlor. Statt sich in einer Kohabitation, wie sie auch schon in Frankreich praktiziert wurde, zu arrangieren, liess Maduro durch das regierungshörig gemachte Verfassungsgericht schlichtweg alle Gesetzesbeschlüsse des Parlaments für ungültig erklären. Weil das ja auch kein Dauerzustand sein konnte, ersetzte Maduro daraufhin das Parlament durch eine «verfassungsgebende Versammlung». Per Dekret, und in offensichtlich manipulierten Wahlen besetzten Regierungsanhänger 538 Sitze von 545, die im Sozialismus üblichen 99 Prozent. Diese Versammlung entzog daraufhin dem gewählten Parlament faktisch alle Befugnisse, schmiss es aus dem Parlamentsgebäude und verlangte Unterwerfung, die nicht erfolgte. Seit August 2017 existiert dieser absurde Zustand, während das Land weiter in den Abgrund schlitterte; unmässige Bereicherung auf der anderen Seite, Hunger, unbehandelte Krankheiten und Massenflucht auf der anderen Seite. Allerdings, und das könnte sich als sein entscheidender Fehler erweisen, löste Maduro das Parlament nie auf und jagte auch die Parlamentarier nicht zum Teufel. Offensichtlich hatte Maduro nicht erwartet, dass kurz nach seiner offiziellen Amtseinführung als Dauerpräsident im Januar dieses Jahres eine überraschende Gegenreaktion erfolgte. Offensichtlich fühlte sich Maduro zu sicher, da viele Oppositionelle im Knast sitzen, die Möglichkeiten, sich Öffentlichkeit zu verschaffen, eher gering sind, ein kubanisch trainierter Überwachungsapparat herrscht und die Opposition traditionell zerstritten ist. Zudem befördert es nicht gerade aufmüpfige Aktionen, wenn die grosse Mehrheit der Bevölkerung in langen Schlangen anstehen, zu Hause darauf warten, dass alle drei Tage mal die Wasserversorgung in Caracas eingeschaltet wird oder die erratische Stromzufuhr ausnützen muss. Aber wie ein Phönix aus der Asche erschien da Juan Guaidó, der neu gewählte Parlamentspräsident. In einer eher kühnen Interpretation der venezolanischen Verfassung erklärte er Maduro zum illegalen Präsidenten, daher sei dieses Amt nicht besetzt, daher sehe die Verfassung für diesen Fall vor, dass der Parlamentspräsident einspringt, was er hiermit tue. Offensichtlich war diese Aktion zumindest mit den USA koordiniert; denn nur Minuten später twitterte Donald Trump bereits, dass er Guaidó als legitimen Präsidenten anerkenne. Dem folgten viele lateinamerikanische Staaten, mit der Ausnahme von Mexiko, Nikaragua, Bolivien und Kuba. Während Venezuelas wichtigste Verbündete, China und Russland, Maduro ihre Unterstützung zusagten. Während offensichtlich innerhalb und ausserhalb Venezuelas vom jugendlichen und mutigen Auftritt Guaidós beeindruckt sind, weiss man nicht viel über seine politischen Überzeugungen oder Prinzipien. Der 35-Jährige ist Mitglied der Partei Voluntad Popular, die erst 2009 als Oppositionsbewegung zu Chávez gegründet wurde. Ihr Parteichef, Lepoldo López, sitzt seit 2016 eine 13-jährige Gefängnisstrafe ab; wegen «Anstiftung zu Gewalt und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung». Voluntad Popular ist seit 2014 Mitglied der Sozialistischen Internationale. Alles in allem eine gefährliche Gemengelage. Inzwischen haben die USA Maduro an seinem empfindlichsten Körperteil gepackt: seinem Portemonnaie. Denn die USA – was alle Verschwörungstheorien, dass die Misere in Venezuela das Ergebnis einer imperialistischen Politik aus dem Norden sei, ins Reich der Fantasie verweist – sind der wichtigste Abnehmer für das einzige Exportprodukt Venezuelas, Erdöl. Das wollen sie auch weiterhin kaufen, aber die Bezahlung auf Sperrkonten umleiten, auf die Maduro nicht, Guaidó hingegen schon Zugriff hat. Die Frage ist, wie schnell das der Herrschaft Maduros den finanziellen Boden unter den Füssen wegzieht. Noch entscheidender ist, auf welche Seite sich das Militär schlägt. Guaidó umgarnt es geschickt mit einem umfassenden Amnestie-Angebot, Maduro zeigt sich markig an der Seite führender Militärs, die ihm ewige Treue schwören. Es ist in Lateinamerika geradezu Praxis, dass das Militär immer wieder putscht; nicht allzu selten von den USA unterstützt. Aber: Es putscht, um selber die Macht zu übernehmen. Noch niemals hat das Militär zwischen zwei Präsidenten die Fronten gewechselt. Angesichts dieser komplizierten Situation gibt es intelligente und dumme Reaktionen, und dann gibt es die EU. Zunächst preschen einzelne Staaten vor, darunter natürlich auch Deutschland. Und verlangen von Maduro die Ankündigung von Neuwahlen, innerhalb von acht Tagen. Sonst würde Guaidó als legitimer Interims-Präsident anerkannt. Eine zumindest befremdliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates. Begründet wurde es damit, dass Maduro nicht über eine demokratische Legitimation als Präsident verfüge. Interessant, man wartet gespannt, bis die gleichen Länder ein ähnliches Ultimatum an China oder Russland stellen. Oder an Saudi-Arabien. Aber es wäre nicht die EU, wenn sie das nicht noch schlimmer könnte. Das Europaparlament, also die Versammlung von Eunuchen, die nicht einmal Gesetze auf den Weg bringen können oder die Legislative wählen, will offensichtlich ein Zeichen setzen und anerkennt Guaidó bereits vor Ablauf des Ultimatums als Präsidenten Venezuelas. 439 Spesenritter, Pardon, Parlamentarier votierten dafür, 104 dagegen, und 88 konnten sich nicht entscheiden. Damit führt die EU mal wieder die übliche Kakophonie auf. Mehrere EU-Staaten wie Deutschland, Spanien, Frankreich stellen mal ein Ultimatum. Andere Saaten wie Griechenland, sozusagen ein gebranntes Kind, sind dagegen. Abgesehen davon, dass Maduro nun nicht nur behaupten kann, dass Guaidó ein bezahlter Büttel im Dienst des Yanqui-Imperialismus sei, sondern dass die USA-hörige Kern-EU eilfertig den Imperialisten zur Seite eilt, hat sich die EU damit jede Chance verstolpert, allenfalls vermittelnd eingreifen zu können. Mexiko hat das viel intelligenter gemacht. Es nimmt vorläufig keine Stellung, sondern bietet seine Dienste als Vermittler an. Denn die Situation in Venezuela kann jederzeit explodieren. Den USA wäre ein Blutbad eher egal, die EU hat sich ins Abseits manövriert. Bleibt also die Frage, ob Maduro und seine Entourage das in Kauf nehmen wollen und ob das Militär zu Diensten wäre. Und was China und Russland bereit sind, zu unternehmen, um ihre Milliardenkredite an Venezuela zu schützen. Also sind alle wichtigen Player der Welt im Spiel. Ausser der EU, die einmal mehr zeigt, dass sie nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch dysfunktional ist. Oder weniger höflich ausgedrückt: ein unfähiger Haufen, wankend und schwankend wie ihr oberster Repräsentant.
Sofia Taxidis
Die EU will auch in Südamerika mitmischen: Venezuela hat zurzeit zwei Präsidenten. Beide mit eher wackliger Legitimation. Blick auf das Chaos im sozialistisches Land - und was Brüssel anrichtet. (Und Super-Maas, klar)
kolumnen
2019-02-01T06:54:42+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/anerkennung-guiados-als-venezolanischer-praesident/
China: Ein bisschen Kalter Krieg
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beschreibt im Bundestag China: Dort gäbe es Probleme mit der Arbeitslosigkeit. Aber die Zahlen würden nicht transparent kommuniziert. Das Land pflege Kontakte zu den Taliban und Russland und bedrohe Taiwan. Kurzum: China sei ein Schurkenstaat. Nur dass Baerbock die alte Bush-Rhetorik in die Worte feministischer Außenpolitik gleiten lässt. Was sie nicht besser macht – nur weniger verständlich. Baerbock stellt ein strategisches Papier der Ampel vor. In dem ist China ein „Systemischer Rivale“. CDU und CSU teilen diese Position. Nur: Was bedeutet sie? Deutschland müsse künftig eine „aktive Wirtschafts-Sicherheitspolitik“ gegen China betreiben, fordert Baerbock im Bundestag. Das bedeutet zum einen, dass die Außenministerin chinesische Investitionen in Deutschland künftig lieber unterbunden sehen will. Und dass Deutschland Waren und Rohstoffe aus anderen Ländern als China bezieht – wenn dies denn möglich ist. Petr Bystron (AfD) sagt, Baerbock betreibe eine Kehrtwende in der Chinapolitik – „das sind übrigens 180 Grad“. Fünf Jahrzehnte habe Deutschland dran gearbeitet, die Beziehungen zu verbessern, Baerbock und die Ampel rissen das jetzt ein: „Ihr Papier ist keine Weiterentwicklung. Es ist die Grundlage einer neuen Abgrenzung. Sie bilden eine neue Chinesische Mauer.“ China sei „unser wichtigster Handelspartner“, sagt Bystron. Im Jahr würden Waren im Wert von rund 300 Milliarden Euro gehandelt. Das sichere in Deutschland eine Million Arbeitsplätze, rechnet der AfD-Abgeordnete vor. Nun lässt sich eine „Brandmauer“ gegen die AfD bauen – aber nicht gegen die Wirklichkeit. Die Zahlen geben Bystron recht: Deutschland lieferte laut Statista im Jahr 2022 Waren im Wert von 107 Milliarden Euro nach China und bezog selbst Waren im Wert von 192 Milliarden Euro aus China. So viel wie aus keinem anderen Land der Welt. Im Vergleich der Abnehmer deutscher Waren steht China auf Platz vier. Der gesamte Warenaustausch mit China hat laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr um 21 Prozent zugenommen. Er liegt um über 50 Milliarden Euro höher als der Warenaustausch mit den USA – unserem zweitgrößten wirtschaftlichen Partner. Gegenüber der Deutschen Welle sagt Max Zenglein, Chefvolkswirt des Mercator Institute for China Studies: „Das Land wird noch eine ganze Weile unser wichtigster Handelspartner bleiben.“ Auch wenn die Exporte nach China kaum noch wachsen könnten. Umgekehrt ist Deutschland aber abhängig von chinesischen Rohstoffen. Etwa bei den Seltenen Erden. Während die USA den eigenen Abbau früh forciert haben, hinken Deutschland und die EU da hinterher. Das will Baerbock mit dem China-Papier nun ändern. Die USA sind auch deshalb auf eine Auseinandersetzung mit China besser vorbereitet, weil diese von den USA ausgeht. Donald Trump hat sie als Präsident eingeleitet – und wenn deutsche Medien Joe Biden auch gerne als Anti-Trump sähen – dessen China-Politik setzt Biden nicht nur fort, sondern forciert sie. Bystron kritisiert Baerbock und die Bundesregierung daher: „Sie folgen blind der Umkehr der USA, der China zu mächtig geworden ist.“ AfD und Linke sind sich in dem Punkt einig: „Die China-Strategie hat vor allem einen Zweck – sie soll die USA beruhigen“, sagt Gesine Lötzsch (Linke). Das sei ein „Spiel mit dem Feuer“. Die US-Regierung sehe die deutsche Wirtschaft selbst als Konkurrenten an. Ein Bruch mit dem wichtigsten Handelspartner würde die entsprechend schwächen: „Die Risiken werden durch diese Strategien für unser Land größer.“ Die Union teilt im Wesentlichen die Politik der Ampel. Nur wünschen sich CDU und CSU, dass die Ampel mehr von dem tue, was sie tue – und es schneller mache. So weit so normal für die Union 2023. Doch einen wichtigen Punkt spricht Johann David Wadephul (CDU) an: Wenn Deutschland in die notwendige Rivalität zu China gehe, müsse es ein besseres Verhältnis zu anderen Wirtschaftspartnern pflegen. Doch Deutschland vernachlässige seine Partner, wie Wadephul analysiert. So drohe dem Land, Saudi-Arabien zu verlieren. Und selbst das Verhältnis zu Frankreich sei „notleidend“. Jens Spahn (CDU) ergänzt: Deutschland verzögere derzeit die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens „Mercosur“ mit Südamerika, weil es dieses Abkommen mit Auflagen überfrachte. Südamerika ist ein Beispiel dafür, was ein wirklicher Kalter Krieg mit China bedeuten könnte. Die Staaten zwischen Panamakanal und Feuerland waren früher ein sicherer Hinterhof der USA. Doch die haben diesen Hinterhof während ihres Engagements in der arabischen Welt vernachlässigt. China ist in diese Lücke gestoßen. Brasilien exportiert schon heute mehr nach China als in die EU und die USA zusammen, wie das Handelsblatt berichtet. Auch andere Staaten der Region hätten ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu China ausgebaut. In den zurückliegenden 20 Jahren wuchs der Handel mit Lateinamerika laut Handelsblatt um das 26-Fache. Das schlägt sich auch politisch nieder. In der Welt der feministischen Außenpolitik Baerbocks wachsen die Grenzstreitigkeiten zwischen China und Indien. In der anderen, der realen Welt schließen die beiden gerade ein Wirtschaftsbündnis mit Russland und Südafrika. Brasilien gehört zu diesen BRICS-Staaten genannten Bündnis. Wenn es zu einer Rivalität mit den USA und der EU kommt, steht China nicht alleine da. Das hat sich jüngst in den Vereinten Nationen gezeigt. Dort stand eine Resolution über den Umgang Chinas mit der Minderheit der Uiguren auf der Tagesordnung – keiner der afrikanischen Staaten hat sich getraut, dieser Resolution zuzustimmen. Wirtschaftlich hat China auf dem Kontinenten massiv Fuß gefasst – und militärisch hat Russland die Destabilität ausgenutzt, die in Nordafrika durch die von Obama unterstützten Revolutionen entstanden ist. Die Unterzeichnung des „Mercosur“-Freihandelsabkommens scheitert womöglich an der Frage des Klimaschutzes. Deutschland und die EU wollen Brasilien den Umgang mit dem Amazonas diktieren. In China verspricht Deutschland, dass die Systemische Rivalität nicht so schlimm ausfalle, wenn das Land aus der Kohlekraft aussteige und auf „entwaldungsfreie Lieferketten“ setze. Letztlich will Deutschland nur noch mit Ländern Geschäfte machen, die seine grüne Politik teilen. Bystron wirft der Ampel vor, sie habe es nötig, anderen Ländern moralisch zu kommen. Ein Land, das einen Kritiker der Pandemiepolitik wie Michael Ballweg ohne Verfahren weggesperrt habe und das Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt habe. Das Stichwort Widersprüche leitet zur FDP über. Freihandel und starke Wirtschaft. Das war die FDP 2021. Das haben die Liberalen überwunden. 2023 ist die FDP Teil des Bündnisses mit SPD und Grünen – und will auch ideell dazugehören. „Systemische Rivalität bedeutet nicht, das keine Zusammenarbeit möglich ist“, sagt Ulrich Lechte für die FDP. Aber: „Wir haben den Drachen gefüttert und mit groß gemacht.“ Das gelte es nun zu ändern. „Die Nato ist keine Einbahnstraße“ wirft Lechte zwischendrin mal ein und unterstützt damit die Theorie von AfD und Linke, es gehe in der deutschen China-Politik künftig darum, USA-Interessen umzusetzen. Im Wesentlichen begründet der FDP-Mann die neue Politik aber mit den moralischen Defiziten Chinas. Das Land habe den vielversprechenden Weg verlassen, den es unter Deng Xiaoping eingeschlagen habe … Deng Xiaoping. Nun gut. Deng Xiaoping war der Mann, der 1989 das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens befohlen hat. Dort ließ die chinesische Regierung Demonstranten beschießen. Nicht mit Wasserwerfern, sondern mit Gewehren. Aber das sind Fakten. Die FDP 2023 ist grün, ist woke – Fakten gilt es da zu überwinden. In diesem Sinn ist Ulrich Lechte ein echter feministischer Außenpolitiker. Die will nun das Verhältnis mit China neu justieren – was soll da schon schiefgehen? Der neue Kalte Krieg ist ja nur ein bisschen Kalter Krieg.
Marco Gallina
CDU und Ampel würden China gerne den Kalten Krieg erklären. Doch nur ein bisschen. Zwar wissen sie viel von der Niederträchtigkeit der Weltmacht zu erzählen - allerdings ist ihnen auch deren Stärke bewusst.
meinungen
2023-09-28T18:16:25+00:00
2023-09-28T18:16:26+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/china-kalter-krieg/
Grexit: Zahlen statt Wörter
48 Milliarden Euro zusätzliche Schulden hat Griechenland seit Beginn der Krise an Staatsschulden angehäuft. 105 Milliarden Euro wurden Griechenland in Form verringerter Zinsen, Schuldenschnitts zu Lasten privater Gläubiger (Versicherungen, Banken, Anleger) und Verlängerung von Tilgungsfristen erlassen. 240 Milliarden Euro umfassen die bisherigen zwei Hilfsprogramme. 40 Milliarden Euro haben die griechischen Bürger seit Beginn der Syriza-Regierung abgehoben und verschoben, pro Kopf der Bevölkerung also rund 4.000,- Euro. Wenn Griechenland Solidarität einfordert, sind zunächst die eigenen Bürger gefragt – nicht die anderer Länder. 88 Milliarden Euro hat die Europäische Zentralbank in Form von Notfallkrediten an Griechenlands Banken vergeben, damit an den Bankautomaten die griechische Bevölkerung weiter Geld abheben kann. Belastbare Sicherheit dafür gibt es nicht. Für 27% dieser Schulden haftet die Bundesrepublik Deutschland. 112 Millliarden Euro kosten deutsche Sparer bislang die Zinsverluste wegen der Null-Zins-Politik, die auch wegen der griechischen Verschuldung von der EZB als notwendig erachtet wird. 71 Milliarden Euro werden deutsche Sparer zusätzlich allein in diesem Jahr verlieren. von 11% auf 26% hat sich die Arbeitslosenquote in Griechenland erhöht. Griechenland im Euro ist für alle ein Desaster. Griechenlands Wirtschaft krepiert, Europas Bürger zahlen ohne Ende. Wer das vereinte Europa retten will, muß weitere Kredite stoppen und Griechenland zum Austritt aus der Euro-Zone veranlassen.  
Roland Tichy
Zahlen statt Wörter: Warum Griechenland den Euro verlassen sollte - zum eigenen Vorteil und zur Entlastung der europäischen Steuerzahler.
tichys-einblick
2015-06-24T13:44:58+00:00
2015-06-24T15:35:52+00:00
https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/grexit-zahlen-statt-woerter/
Deutschlands Geschäfte mit dem mörderischen Mullah-Regime
Ein junges Mädchen, sechzehn Jahre alt, brachte den Mut auf, ein freies, selbstbestimmtes Leben zu wagen. Ohne Kopftuch bestieg sie, wie Menschenrechtler berichten, am 1. Oktober 2023 die U-Bahn in Teheran, so wie andere Mädchen ihres Alters in Berlin, New York oder in Rom die Metro betreten. Dafür wurde sie aller Wahrscheinlichkeit nach von einer Bande perverser Schläger, die man im Iran der Mullahs Sittenpolizei nennt, misshandelt. Schwere Verletzungen erlitt sie am Kopf. Inzwischen erlag sie im Krankenhaus ihren Leiden. Die iranischen Staatsmedien behaupten in der Dreistigkeit von Staatsmedien, dass das junge Mädchen wegen niedrigen Blutdrucks in der Metro gestürzt und mit dem Kopf aufgeschlagen sei. Doch erinnert Armita Garavands Tod an den Tod der 22-jährigen iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini 2022, die angeblich wegen eines schlecht sitzenden Kopftuchs verhaftet wurde und im Polizeigewahrsam starb. Armita Garavand ist nicht die einzige junge Frau im Iran, die getötet oder verhaftet wurde, die Repressalien erleidet, weil sie kein Kopftuch tragen will. Das Kopftuch ist also kein Symbol für die Unterdrückung der Frau, kein Symbol für Unfreiheit, für Zwang und Unterdrückung, sondern ein Zeichen für Toleranz, Offenheit und Gleichberechtigung? Frauen, Männer, Kinder und Babys wurden am 7. Oktober 2023 ermordet, gefoltert, verschleppt. Darunter sind auch Deutsche wie die 22-jährige Shani Louk. Auch den Terror der Hamas unterstützt und ermöglicht das Mullah-Regime in Teheran. Das grausame, niederträchtige Vorgehen der Hamas ist im Sinne der Mullahs im Iran, vielleicht sogar von ihnen mitgeplant. Der Iran ist dazu wirtschaftlich in der Lage, weil ihm das Atomabkommen, das zu den vielen ganz großen Fehlern Obamas und eben auch Steinmeiers zählt, dafür die wirtschaftlichen Freiräume schuf. Der DLF reportierte damals: „Der Bundesaußenminister will nach eigenen Worten Brücken bauen …“. Diese Brücken führten schon damals erkennbar in den Abgrund. 2015 öffneten Merkel und Steinmeier die Grenzen und die deutschen Sozialsysteme für jeden, der das Wort Asyl über die Lippen brachte. Merkels und Steinmeiers Erfolg kann man auf deutschen Straßen, an den antisemitischen Kundgebungen und Ausschreitungen, an den Forderungen, Neukölln zu Gaza zu machen, bewundern. In diesem Zusammenhang ist es nicht unwichtig, darauf hinzuweisen, dass Deutschland blendende Geschäfte mit den Mördern in Teheran macht. Die Deutsch-Iranische Industrie- und Handelskammer schrieb kurz vor dem Jahreswechsel 2022/23: „Deutschland ist nach wie vor Irans wichtigster Handelspartner in Europa.“ Im Jahr 2022 sind die deutschen Exporte in den Iran gestiegen. Von Januar bis November 2022 wuchsen trotz der blutigen Niederschlagung von Protesten, trotz Verhaftungen, Folter und Mord an Regimegegnern im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr die deutschen Ausfuhren in den Iran um 12,7 Prozent auf rund 1,4 Milliarden Euro. Der Iran liefert auch Drohnen an Russland, die in der Ukraine eingesetzt werden. Damit haben die Embargo-Krieger wie Baerbock oder Habeck offensichtlich kein Problem oder sie wissen es nicht, so wie sie keine Belege vorlegen, an welche Organisationen, die in Gaza arbeiten, Gelder aus der deutschen Staatskasse geflossen sind und fließen sollen. Ricarda Lang mahnt auch schon: „Wir sollten uns davor hüten, alle Muslime unter Generalverdacht zu stellen. Viele Muslime in Deutschland verurteilen den Hamas-Terror ebenfalls.“ Und wahrscheinlich sollten wir uns auch davor hüten, das Mullah-Regime nicht weiter wirtschaftlich zu unterstützen, schließlich gilt es doch, wie Frank-Walter Steinmeier damals sagte: „wichtige Hürden zur Überwindung der langwierigen, langjährigen Konflikte mit dem Iran“ auszuräumen. Eine junge Iranerin ist tot, weil die Regierenden in Teheran den Leuten befehlen wollen, wie sie zu leben haben. Die Hamas hat nicht nur Israel angegriffen, sie will unsere Art zu leben, unser Verständnis von Freiheit, Demokratie und Laizismus auslöschen. Ihre Hintermänner sitzen in Teheran – und wir machen Geschäfte mit ihnen.
Klaus-Rüdiger Mai
Deutschland ist Irans wichtigster Handelspartner in Europa. Iran ist das Land, in dem Mädchen sterben müssen, weil sie ihr Kopftuch nicht tragen. Auch das grausame Vorgehen der Hamas in Israel ist im Sinne der Mullahs im Iran, die Hintermänner des Terrors sitzen in Teheran – und Deutschland macht Geschäfte mit ihnen.
kolumnen
2023-10-26T07:29:28+00:00
2023-10-26T07:34:09+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/deutschland-geschaefte-mullah-regime-iran-hamas/