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2008-01-05 18:38:37
2025-06-12 11:57:15
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EuGH: Die Migranten reisten illegal ein, aber macht nix
Mit dem Entschluss, die Grenzen für unzählige pauschal „Flüchtlinge“ genannten illegalen Einwanderer zu öffnen, die sich 2015 von Budapest aus in Richtung Westen aufgemacht hatten, haben die Regierungschefs von Deutschland und Österreich die Dublin-Regeln außer Kraft gesetzt. Der EuGH entschied nun, das geschah zu Unrecht, aber Regierungen dürfen Unrecht tun:
Fritz Goergen
Der EuGH erklärt das Handeln der deutschen und österreichischen Bundeskanzler von 2015 für rechtswidrig - aber zulässig: oh Justitia.
daili-es-sentials
2017-07-26T16:42:22+00:00
2017-07-26T20:25:44+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/eugh-die-migranten-reisten-illegal-ein-aber-macht-nix/
Ursula von der Leyen: die Schwadroniererin
Wer hätte bei der Jubelstimmung anlässlich der Wahl von Martin Schulz zum SPD-Vorsitzenden gedacht, dass seine Präsidentschaft nicht mehr als eine triste Episode werden sollte, die die stolze und traditionsbewusste deutsche Sozialdemokratie gar in existentielle Nöte bringen würde und Martin Schulz nach seinen vielen Abseitsmanövern endgültig einen Spielfeldverweis? Die Entsorgungsdynamik der deutschen Politik scheint auch an dem selbst ernannten Moderator der auswärtigen Angelegenheiten, Sigmar Gabriel, nicht vorübergehen zu wollen. Gerade hat er sich an die internationale Bühne mit sonorer Stimme angepasst und trägt ein weltmännisches Gehabe zur Schau, da legen ihm seine eigenen politischen Freunde den Rückzug vom Amt des Außenministers nahe. Norbert Röttgen, einstmals als Muttis Liebling gehandelt und immer noch nicht über die bittere Erfahrung seines von der Kanzlerin erzwungenen Rücktritts als Umweltminister hinweg, bemüht sich, die Personalie Merkel auch als ein Entsorgungsproblem – wenn auch unter dem Vorwand der Inhaltsleere – zu beschreiben. Dies alles scheint Frau von der Leyen wenig zu interessieren. Sie glaubte bisher, mit dem Neuanstrich von Kasernen und der sozialpolitischen Besserstellung von Soldaten, ihre politischen Ambitionen zu erreichen. Gleichzeitig hält sie Schaufensterreden bei internationalen Foren und predigt – so bei der Münchener Sicherheitskonferenz – von der Notwendigkeit einer „europäischen Verteidigungskultur“. Gleichzeitig werden Werbebroschüren vom Verteidigungsministerium herausgegeben, in denen sich Deutschland zu mehr Übernahme von Verantwortung bereit erklärt und junge Menschen für die Streitkräfte interessiert werden sollen. Mag sein, dass Frau von der Leyen kalkuliert, sich aufs Schwadronieren zu verlegen, um schnell aus der operativen Verantwortung im Bundesverteidigungsministerium in Richtung NATO entlassen zu werden. Für die Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte sind die viereinhalb Jahre von der Leyen ein herber Verlust und für die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland als Partner friedenserzwingender Sicherheitspolitik ist die Amtszeit von der Leyens eine Katastrophe. Markus C. Kerber ist Dr. iur., Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, Gastprofessor an der Warsaw School of Economics und an der Universität Paris II (Panthéon-Assas), Gründer des Thinktanks Europolis, www.europolis-online.org. Empfohlen von Tichys Einblick. Erhältlich im Tichys Einblick Shop >>>  
Sofia Taxidis
Für die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland als Partner friedenserzwingender Sicherheitspolitik ist die Amtszeit von der Leyen eine Katastrophe.
meinungen
2018-02-20T11:57:36+00:00
2019-06-14T15:14:35+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/ursula-von-der-leyen-die-schwadroniererin/
Zeit der Wirren
Die Ergebnisse der Landtagswahlen sprechen eine deutliche Sprache, auch wenn sie von den ergrünten Medienschaffenden und den Allerweltserklärern in den Parteizentralen überhört wird. Soviel ist sicher: die Bundesrepublik segelt in unruhige Gewässer. Am Horizont droht eine Euro-Krise mit der Kraft eines Währungstsunamis und die Rezession ist kein Schreckgespenst, das von bösen Angstmachern an die Wand gemalt wird, sondern Ökonomen vermögen ihre Vorboten bereits zu messen. In der Finanzindustrie, in den Banken, in den Fonds, in den Versicherungen wissen die Klügeren längst, dass die drohende Euro-Krise keine Erfindung von Verschwörungstheoretikern oder politisch interessierten Panikmachern ist, sondern das Zeug hat, eine Weltfinanzkrise auszulösen. Mag es hierzulande an der Oberfläche noch ruhig aussehen, so toben bereits seismische Stürme. Ein genauer Blick auf die Landtagswahlen in Brandenburg und in Sachsen spiegelt diese Situation wieder. Die etablierten Parteien delirieren über die Wirklichkeit hinweg und wirken seltsam alt, abgelebt, wirklichkeitsfern, während die einzigen, im wirklichen Sinne Oppositionsparteien, die FDP und die AfD, sich entweder an der Symptombehandlung abarbeiten oder politischen Gewinn aus ihr ziehen. Die wirkliche Dimension der Umbrüche verdrängt die Politik aus unterschiedlichen Gründen. Genau das aber zeigen die Wahlergebnisse, eine Unentschlossenheit zwischen Verdrängung, Beharrung, Trotz, Protest und dem Gespür, dass diejenigen, die das Landesschiff steuern wollen, womöglich über keine nautische Ausbildung verfügen. In Brandenburg schleppt sich eine verbrauchte SPD noch einmal als erste über die Ziellinie. Diesen Sieg verdanken die Sozialdemokraten den Christdemokraten. Vielleicht lässt Dietmar Woidke seinen besten Wahlhelfer dafür zum Dank mitregieren. Öffentlich liebäugelte Senftleben mit einer Koalition mit den Linken, sein Wahlprogramm, das zu recht Bildung in den Mittelpunkt stellen wollte, missverstand Bildung allerdings als schulpolitische Beglückung. Den Grünen diente sich Senftleben an, als er Fridays for future hinterherhechelte – und das in einem Land, in dem die Braunkohleförderung- und verstromung wirtschaftlich relevant ist. Gerade im Süden und im Osten Brandenburgs holte die AfD einen Wahlkreis nach dem anderen. Dass der Mann, der Ministerpräsident von Brandenburg werden wollte, nicht nach Jänschwalde gegangen ist und sich an die Seite der Arbeitnehmer gestellt hat, die dank der Aktivitäten der von den Grünen unterstützten DUH von Arbeitslosigkeit bedroht werden, bleibt sein Rätsel. Der Spitzenkandidat der CDU hat im Wahlkampf nicht den Eindruck vermittelt, dass es ihm um Brandenburg geht, sondern allein um sich. Der große Verlierer der Landtagswahl in Brandenburg ist folglich die CDU. Aus dieser Niederlage könnte jedoch für die CDU noch ein Sieg erwachsen, wenn sie eine schonungslose innerparteiliche Debatte führt, einen konsequenten Kurs der Erneuerung startet, eine neue Parteiführung wählt und als echte Opposition im Landtag die Arbeit aufnimmt. Danach sieht es jedoch nicht aus. Sicher werden die Ergebnisse diskutiert werden, ohne dass man sich in der Partei zu Änderungen durchringt. So bleiben für die CDU nur eine schlimme und eine schlimmere Perspektive. Schlimm wird es für die Landespartei, wenn sie weiter in der Opposition vor sich hin treibt, ohne Akzente zu setzen, ohne die Regierung in Bedrängnis zu bringen und sich als einzige Opposition die AfD im Landtag profiliert, schlimmer jedoch, wenn sie in die Regierung eintritt, sich für zwei, drei Ministerposten zum Erfüllungsgehilfen der Sozialdemokraten und der Grünen macht. Wie in Brandenburg wollen die Grünen auch in Sachsen den sofortigen Kohleausstieg durchsetzen. Obwohl Michael Kretzschmer trotz erheblicher Verluste ein Wahlsieg gelang, sieht es momentan danach aus, dass dieser Wahlsieg zu einer Regierungsniederlage werden könnte. Eine Koalition mit der AfD, die wie in Brandenburg auch in Sachsen zweitstärkster Kraft geworden ist, in beiden Ländern weit über 20 %, hat Kretzschmer ausgeschlossen, eine Minderheitsregierung lehnt er ab. So hat er sich ohne Not im Vorfeld auf einen Koalition mit der SPD und den Grünen festgelegt. Die Grünen haben umgehend reagiert. Ihr Parteivorsitzender Robert Habeck erklärte im Fernsehen unmittelbar nach den ersten Hochrechnungen, dass sich die sächsische CDU ändern müsse, sollen die Grünen sich bereit finden, in die Regierung einzutreten. Heißt im Klartext, dass die Grünen einen aberwitzig hohen politischen Preis verlangen. Die 8%-Partei wird der mit 30 % die Bedingungen der Zusammenarbeit diktieren. Kretzschmer hat sich jeder Möglichkeit beraubt, das Ultimatum der Grünen abzulehnen. Ob die sächsische CDU ihm hierin folgen wird, ob die Christdemokraten im Freistaat sich nach den Habeckschen Vorgaben „ändern“ wollen, wird man sehen. Geht die CDU in eine Kenia-Koalition, werden sich nicht wenige CDU-Wähler betrogen sehen. Dabei ist nicht einmal gesagt, dass diese Koalition hält. Sollte sich die AfD auf juristischem Weg durchsetzen, dass wegen der Verzerrung des Wählerwillens Neuwahlen angesetzt werden müssen, bekommt die CDU die Rechnung für diese Koalition eher präsentiert – und der Wahlsieg vom Sonntag würde zu einem flüchtigen Traum, der schnell vergeht. Zumindest kann ein Verfassungsgericht in dem Fakt, dass durch die willkürliche Begrenzung der Wahlliste der AfD durch den Landeswahlausschuss die Partei einen Abgeordneten weniger in den Landtag schicken darf, eine Verzerrung des Wählerwillens sehen. Es gilt, wer mit den Grünen auf Regierungsebene zusammenarbeitet, wer ihnen ideologisch hinterher läuft, kräftigt die Grünen und die AfD und wird selbst schwach. Ein Blick auf die Entwicklung der SPD belegt das. Für Sachsen wäre es am besten, wenn die CDU eine Minderheitsregierung bilden würde. Kretzschmers politisches Temperament befähigt ihn sogar, diesen Kurs zu steuern. Es ist der einzige, der zum Erfolg führt. Die Ausgrenzungspolitik gegenüber der AfD wird man unter demokratischen Bedingungen nicht durchhalten können, denn die Partei ist in Ostdeutschland in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sie ist eben nicht nur Protestpartei, sondern ihre Aufgabe besteht darin, die bürgerlichen Positionen, die von der CDU aufgegeben worden sind, zu vertreten. Ob ihr das freilich gelingt, ob sie das will, wird man sehen. An ihrem Wahlerfolg kann man auch ablesen, wie sehr der Einfluss der sogenannten Leitmedien und vor allem der Öffentlich-Rechtlichen sinkt. Die Runde der Generalsekretäre in der ARD wirkte gespenstisch. Eine sichtlich überforderte Moderatorin agierte als Stichwortgeber für Generalsekretäre, die weit weg von der Wirklichkeit ein wenig lustlos, als würden sie sich selbst zitieren, routiniert ihre Sprechzettel abarbeiteten. Um eine Berührung mit der Wirklichkeit bemühten sich lediglich die Vertreter der AfD und der FDP. Vielleicht unterscheidet sich der Osten vom Westen darin, dass man hier ein feineres, ein genaueres Gespür dafür besitzt, wenn die Politik die Wirklichkeit aus dem Blick verliert.
Sofia Taxidis
Für Sachsen wäre es am besten, die CDU bildete eine Minderheitsregierung. Aber sie traut sich wohl nicht.
daili-es-sentials
2019-09-02T09:29:53+00:00
2019-09-02T09:29:54+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/zeit-der-wirren/
Hamas-Propaganda in den Öffentlich-Rechtlichen: Unfähigkeit oder Absicht?
Ehrlich gesagt kann ich mich über Medienberichterstattung über Israel nicht mehr richtig aufregen. Ich muss zugeben, dass ich in den Jahren, in denen ich mich intensiver mit dem Thema beschäftige, zunehmend abgestumpft bin. Mich wundert es einfach nicht mehr, wenn Journalisten ohne Hebräisch- oder Arabisch-Kenntnisse beziehungsweise vertieftes Wissen über die Region für die öffentlich-rechtlichen Anstalten aus Tel Aviv berichten. Wenn Berichterstatter die ausgelatschte Leerformel von der „Gewaltspirale“ immer wieder aufwärmen, erklären, Israel greife im Gazastreifen an, obwohl es nur auf Raketenbeschuss reagiert, oder schlicht völlig irrsinnige Sachfehler machen. Wenn dann mal wieder eine Welle der Aufregung durch meine israelfreundliche Twitter/X-Blase rollt, weil Medien einen weiteren Bock geschossen haben, zieht das nur noch an mir vorbei. Ich sitze da, zucke mit den Schultern und denke oft: Was wollt ihr denn? Ist doch alles bekannt; nichts Neues unter der Sonne. Mir ist klar, dass das nicht die richtige Einstellung ist. Der Skandal der Berichterstattung muss immer wieder benannt werden. Weil Berichterstattung wirkmächtig ist, weil sie das Denken eines ganzen Volkes beeinflussen kann, vor allem und gerade der großen Masse, die nur schnell durch die Überschriften scrollt und sich dadurch ihre Meinung prägen lässt. Was also gibt es gerade an Aufregung über Israel-Berichterstattung? Seit dem 7. Oktober, dem Tag des Hamas-Terrorgroßangriffs auf die israelische Zivilbevölkerung, haben wir bereits einigen Irrsinn durch: Besonders hängen geblieben ist die unselige Leichtfertigkeit, mit der sich zahlreiche Medien zum Büttel der Hamas-Propaganda machten, als es Mitte Oktober nahe dem Ahli-Krankenhaus zu einer Explosion kam und vielerorts umgehend von einem israelischen Raketenangriff mit angeblich hunderten Toten berichtet wurde. Mittlerweile erklärt selbst die hochgradig israel-kritische Organisation „Human Rights Watch“, dass es sich hier sehr wahrscheinlich um ein palästinensisches Geschoss gehandelt haben dürfte. Aktuell steht vor allem ein Wort in der Kritik, das in der Berichterstattung immer wieder auftaucht: „Geiselaustausch“. Von einem solchen „Geiselaustausch“ sprach etwa die Tagesthemen-Moderatorin Aline Abboud, als Anne Will am Sonntagabend zu ihr übergab. Dasselbe Wort, etwas abgewandelt, las man in einem Tweet des Ersten, in dem ein Weltspiegel-Bericht zur Frage angekündigt wurde: „Ist der Austausch der Geiseln zwischen Israel und der Hamas ein erster Schritt zum Frieden?“ Aktuell findet man das Wort „Geiselaustausch“ auch auf der Website des MDR in einer Überschrift zu einem TV-Beitrag zur aktuellen Lage: „Längere Feuerpause und weiterer Geiselaustausch in Nahost“. Auch zuvor war es immer wieder in diversen Medien, darunter beim ZDF, kolportiert worden. Was ist nun das Problem an diesem Begriff? Es ist völlig klar, dass es einen Geiselaustausch zwischen Israel und der Hamas nicht gibt. Richtig ist, dass sich Israel und die Terroristen auf einen Deal geeinigt haben, demzufolge die Hamas israelische Geiseln vom 7. Oktober – bisher ausschließlich Frauen, Kinder und Kleinkinder – freilässt, während Israel verurteilte Straftäter – Frauen und Personen unter 19 Jahren – aus Gefängnissen entlässt. Darunter sind Palästinenser, die wegen versuchten Mordes einsitzen. Wer von einem Geiselaustausch spricht, der behauptet de facto, dass es sich bei diesen Palästinensern um Geiseln Israels gehandelt habe. Das Wort signalisiert also eine Äquivalenz zwischen Israel und der Hamas, die es nicht gibt, weder in diesem konkreten Fall, noch insgesamt. Die Frage, die sich bei diesen Vorfällen immer stellt: Ist es Unfähigkeit oder Absicht, die zu solchen Formulierungen führt. Einige X-Nutzer haben dazu eine klare Meinung. So schreibt Thomas Jäger, Politik-Professor, der selbst immer wieder im öffentlich-rechtlichen Sender Phoenix auftritt: „‘Geiselaustausch‘ ist antisemitische Propaganda, so als halte Israel seit Jahren Palästinenser als Geiseln. Das ist inzwischen häufig angemahnt worden, dass wer es sagt, es genau in dieser Absicht sagt. Es gibt Medien, bei denen es offenkundig die offizielle Sprache ist.“ Ähnlich sieht es Key Pousttchi, Professor für Digitalisierung: „Das ist also nicht unbedacht formuliert, sondern eine Tagesthemen-Moderatorin verbreitet bewusst das Narrativ der Hamas-Terroristen. Wow.“ Selbst der Leiter der Henri-Nannen-Journalisten-Schule zweifelt an seinen Kollegen: „Über diese Formulierung (‚Austausch der Geiseln‘) wird seit Tagen diskutiert. Lebt ihr unter einem Stein oder habt ihr euch bewusst für sie entschieden?“ — Thomas Jäger (@jaegerthomas2) November 26, 2023
Sofia Taxidis
Wenn Journalisten ohne Hebräisch- oder Arabisch-Kenntnisse beziehungsweise vertieftes Wissen über die Region für die öffentlich-rechtlichen Anstalten aus Tel Aviv berichten und noch dazu anti-israelisch und/oder antisemtisch geprägt sind.
feuilleton
2023-11-28T12:05:30+00:00
2023-11-28T13:57:29+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/oeffentlich-rechtliche-hamas-propaganda/
Wahlanalyse: Merkel als Mühlstein am Hals der CDU
Wenn es Merkel ernst damit wäre, die AfD zu bekämpfen, sollte sie möglicherweise persönliche Konsequenzen ziehen. Denn einer der zentralen Gründe dafür, die AfD zu wählen, ist sie selbst. Das gilt zumindest für die jüngste Landtagswahl in Thüringen, wie eine   Nachwahlbefragung durch das Meinungsforschungsinstitut INSA-Consulere  zeigt. Jeder Zweite (49 Prozent), der nicht CDU gewählt hat, gibt als Grund dafür Kritik an der Bundespolitik, beziehungsweise der Berliner GroKo an. Jeweils zwei Drittel der AfD-Wähler benennen als Grund für ihre Stimmabgabe zugunsten der AfD die Kritik an Angela Merkel (64 Prozent) beziehungsweise die Kritik an der Bundespolitik (67 Prozent). Und selbst unter CDU-Wählern ist die Zustimmung zu Bundeskanzlerin Merkel (22 Prozent) geringer als die Zustimmung zum thüringischen CDU-Spitzenkandidaten Mike Mohring (32 Prozent). Jahrelang war selbst unter eigentlich kritisch eingestellten Unionsabgeordneten das stärkste Motiv für Merkel-Treue der pure Machterhalt. Fragte man CDU-Granden, warum sie sich Merkel gefallen ließen, antworteten sie sinngemäß: Sie erhält uns die Macht (also mir einen schönen Posten), und einige, die wenigstens nebenbei auch ans Land dachten, ergänzten: Das verhindert immerhin, dass Deutschland von Rot-Grün-Links regiert wird. Das sorgte bei einer großen Mehrheit innerhalb der Fraktion dafür, sie jahrelang – auch während der so genannten Flüchtlingskrise – weitgehend widerspruchslos regieren lassen. Doch auf den Zuspruch der Wähler selbst können sich die braven CDU-Berufspolitiker mittlerweile kaum noch berufen, wie die jüngsten Ergebnisse offenbaren. In Wahlkämpfen sind Merkel und ihr innerster Machtzirkel in Berlin längst zu einer schweren Belastung geworden.  Dass das merkelsche Machtkartell innerhalb der CDU dennoch weiterhin standfest ist, kann letztlich nur durch die Konstruktion der innerparteilichen Demokratie erklärt werden, die nämlich keine wirkliche ist. Berufspolitikerkarrieren werden in allen Parteien, das ist ein fataler Konstruktionsfehler des real existierenden bundesrepublikanischen Parteienstaates, nicht in erster Linie durch Zuspruch der Wähler und noch nicht einmal durch den Zuspruch der Parteibasis gemacht. Sondern in der Mehrheit der Fälle durch geschicktes Taktieren und wohltemperiert Loyalität zu den Machtzentren. Von oben nach unten wird in allzu vielen Fällen über Aufstiege entschieden.  In dem stand der mittlerweile berühmt gewordene Satz: „Die Partei muß also laufen lernen, muß sich zutrauen, in Zukunft auch ohne ihr altes Schlachtroß, wie Helmut Kohl sich oft selbst gerne genannt hat, den Kampf mit dem politischen Gegner aufnehmen.“ Doch einmal selbst an der Macht, hat Merkel der Partei das Laufen gründlich abtrainiert. Und den „Kampf mit dem politischen Gegner“ hat sie ad absurdum geführt, indem sie sich ihm programmatisch bis zur Ununterscheidbarkeit anglich.  Die AfD ist ein bleibendes Vermächtnis dieser merkelschen Unpolitik. Thüringens Wahlergebnis könnte, ja, müsste Die Partei als Menetekel erkennen, als Indiz für das noch steigerbare Ausmaß der angerichteten Katastrophe. Doch selbst das zu erkennen und die konsequenten Schlüsse für das eigene Überleben als Partei zu ziehen, nämlich die Ära Merkel ein für alle Mal zu beenden, scheint der müden CDU immer noch zu viel der Mühe zu sein.
Redaktion Tichys Einblick
Nicht wegen, sondern trotz Björn Höcke haben so viele Thüringer AfD gewählt. Den meisten von ihnen ging es vor allem darum, der Bundeskanzlerin den größtmöglichen Widerspruch zu präsentieren. Der Erfolg der AfD und der eigene Niedergang sind das Ergebnis der Feigheit der CDU vor ihrer Führung.
daili-es-sentials
2019-11-13T11:57:56+00:00
2019-11-14T06:04:23+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/wahlanalyse-merkel-als-muehlstein-am-hals-der-cdu/
Regierung will Gründe für die Übersterblichkeit lieber nicht wissen
1,06 Millionen Menschen sind in Deutschland 2022 gestorben. Das hat das Statistische Bundesamt mitgeteilt. Damit sei die Zahl der Sterbefälle im Vergleich zu 2021 um 3,4 Prozent gestiegen – bei den Frauen (4,3 Prozent) stärker als bei den Männern (2,5). Aus der Statistik sticht der Dezember 2022 heraus. In dem sind 19 Prozent mehr Menschen gestorben als im Schnitt in den vier Jahren zuvor im gleichen Monat. In den Corona-Jahren 2020 bis 2022 seien in Deutschland 180.000 Menschen mehr gestorben, als es zu erwarten gewesen sei. Das hat das Ifo-Institut jüngst berechnet. Überraschend für das Institut war, dass diese „Übersterblichkeit“ vor allem im vergangenen Jahr stattfand. Demnach habe es 2020 rund 39.000 Todesfälle mehr gegeben, als statistisch erwartbar waren. 2022 seien es aber 74.000 Todesfälle mehr gewesen – also fast doppelt so viele. Das Erstaunliche daran: 2020 gab es in Deutschland noch keine Impfungen. Die schützen vor Infektionen – hieß es anfangs. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) behauptet das zwischendrin immer mal wieder, zumindest wenn er sich unbeobachtet fühlt. Impfungen schützen aber vor schweren Covid-Verläufen – heißt es immer noch. Doch trotzdem verdoppelte sich im Jahre drei der Pandemie die Zahl der „Übersterblichkeit“ nahezu im Vergleich zum impfstofflosen Jahr eins der Pandemie. In seiner Suche macht das Statistische Bundesamt mit Erzählungen weiter, die sich mit den Erzählungen der Ampelkoalition decken: Die Sterbefallzahlen seien zwischen März und Mai hoch gewesen, da habe es ja noch eine Coronawelle gegeben. Auch in den Sommermonaten sei die Übersterblichkeit sehr hoch gewesen. Die waren sehr heiß. Das Amt sagt nicht Klimawandel – doch die Erklärung für alles steht unausgesprochen im Raum. Blieben die hohen Sterbefallzahlen im Herbst. Vor allem im Dezember. Da greifen die beiden Lieblings-Erklärungen der Ampel nicht. Weder Corona. Noch der Klimawandel. Dieses mal tippt das Statistische Bundesamt auf die gemeine Hausgrippe: „Laut dem aktuellen Influenza-Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) wurde ab November ein Niveau bei Atemwegserkrankungen im Allgemeinen erreicht, das über dem Höhepunkt schwerer Grippewellen der Vorjahre lag.“ Auch die Zahl der Gestorbenen im Dezember 2022 mit mehr als 110 000 Fällen reiche über das von Grippewellen bekannte Ausmaß hinaus. Der Dezember war kalt. Was wir also bisher wissen ist, dass die Menschen sterben, wenn es kalt oder heiß ist. Bis heute unterscheidet Deutschland nicht zwischen Menschen, die tatsächlich an Corona gestorben sind oder an etwas anderem – zum Beispiel einem Autounfall – aber dabei mit dem Virus infiziert waren. Lauterbach argumentierte sogar, eine solche Statistik würde die Gefährlichkeit des Virus verharmlosen. Wenn Menschen Monate oder Jahre nach der Infektion an einem Herzinfarkt versterben, sei es wahrscheinlich, dass diese letztlich auch durch Corona gewesen seien – argumentiert der Prophet der Kirche zur Absoluten Killervariante. 95 Prozent der Deutschen seien mittlerweile gegen das Corona-Virus immunisiert, hieß es in einer Studie des Bildungsministeriums, über die TE zuerst berichtete. Hätte Lauterbach recht, würden demnach 95 Prozent aller Todesfälle durch Krebs, Herzinfarkte oder Autounfälle auf Corona zurückgehen – was für eine bösartige Seuche. Die endgültigen Ergebnisse des Bildungsministeriums sollten bis Ende 2022 da sein – und stehen immer noch aus. Gleichzeitig erklärt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Davos, die Pandemie sei noch nicht beendet. Das lässt zwei Schlüsse zu: Entweder ist diese Regierung unfähig, solides Zahlenmaterial zusammenzutragen, um anhand dessen fundierte Entscheidungen zu treffen. Oder diese Regierung ist an solidem Zahlenmaterial nicht interessiert und will mit dem Stichwort Corona eine Politik nach Gusto betreiben. Wobei nur die Zahlen gesammelt werden, die der jeweiligen Politik den Anschein von Wissenschaftlichkeit verleihen.
Sofia Taxidis
Die Zahl der Todesfälle lag in Deutschland seit 2020 um 180.000 Verstorbene höher als erwartet. Ein Politikum. Offizielle Stellen suchen nun nach Gründen und finden am liebsten die Pandemie oder den Klimawandel.
daili-es-sentials
2023-01-21T16:35:04+00:00
2023-01-22T09:59:39+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/regierung-gruende-uebersterblichkeit/
Sahra Wagenknecht tritt an gegen die „schlechteste Regierung aller Zeiten“
Sahra Wagenknecht stellt mit Mitstreitern den Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) in der Bundespressekonferenz vor. Dieser Verein bereitet die Gründung einer Partei vor, die laut Geschäftsführer Lukas Schön zum Jahreswechsel folgen soll. Vier der ersten fünf Fragen der Journalisten beschäftigen sich mit der Frage, warum Wagenknecht oder Amira Mohamed Ali zwar eine neue Partei gründen, aber im Bundestag bleiben. Zweimal hat Wagenknecht die Frage schon beantwortet, dann stellt ein „Journalist“ des Deutschlandfunks sie wieder. Ihm geht es scheinbar weniger um die Antwort. Er ist auch kaum nach Berlin gekommen, um Fragen zu stellen oder zu berichten. Er gehört zu der Art Journalisten, die nach Berlin gekommen, sind, weil sie eine Haltung haben und die unter die weniger Erwählten bringen wollen. Es ist ein merkwürdiges Demokratieverständnis des DLF-Aktivisten. Zumindest gilt das Verständnis außerhalb der Berliner Käseglocke als merkwürdig. Außerhalb dieser Glocke wählt der Bürger den Abgeordneten und dieser ist daher dem Bürger verpflichtet. Für Berliner Journalisten wählt die jeweilige Partei den Abgeordneten – und ihr ist er verpflichtet. Wer aus der Partei austritt, hat demnach auch im Bundestag nichts mehr zu suchen. Dieser Berliner Logik widerspricht Wagenknecht. Viermal. Wie impertinent. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Hauptstadtjournalisten mit der neuen Partei einen ähnlichen Umgang vorhaben wie zuletzt mit AfD, Bündnis Deutschland oder Freien Wählern. Kurzum jedem, der angetreten ist, eine Alternative den Bürger zu bieten, die sich im bisherigen Parteiensystem nicht mehr vertreten sehen – vor allem nicht mehr, seitdem Angela Merkel die CDU ins grün-linke Lager geführt hat. Wagenknecht richtet einen Appell an die Journalisten. Schon vor der Fragerunde. Sie führt als einen von fünf Kernpunkten des BSW an, dass dieses die gesellschaftliche Spaltung überwinden will. Wer Meinungen vertrete, die „von der dominanten Meinungsblase abweichen“, werde stigmatisiert. Das führe dazu, dass eine Mehrheit sich nicht mehr traue, frei ihre Meinung zu äußern. Wenn es um dieses Phänomen geht, sind die Journalisten in der Bundespressekonferenz keine neutralen Berichterstatter. Sie sind Handelnde. Sie sind Täter. Wagenknecht richtet einen Appell an sie. Sie sollten alle „fair miteinander umgehen“. Das sei wichtig für das gesellschaftliche Klima. Das gelte mehr allgemein als für sie. Sie selbst habe gelernt damit umzugehen. Das ist, auch wenn es die wenigsten verstehen, eine Kampfansage. Denn Wagenknecht zieht ein Resümee über die politische Landschaft. Sie trifft deutliche Aussagen: Die Bundesregierung erlebe „die schlechteste Regierung in ihrer Geschichte“. In Teilen sei sie sogar inkompetent: Die Politik müsse sich deutlich verändern, „sonst werden wir unser Land in zehn Jahren nicht wiedererkennen“. Wagenknecht zieht daraufhin ein Fazit durch viele Politikfelder. Auch hier sind die anwesenden Journalisten keine Unbeteiligte. So deutlich, wie Wagenknecht die Probleme benennt, so deutlich hätten es eben diese Journalisten in den vergangenen Jahren tun müssen. Doch ihnen stand ihre Attitüde im Weg, Haltungen zu verbreiten, statt Tatsachen zu berichten. Ebenso wie ihre Nähe zuerst zu Merkel und dann zur Ampel, besonders zu den Grünen. Probleme haben diese Journalisten immer erst benannt, wenn sie nicht mehr zu leugnen waren – und auch dann waren sie mehr damit beschäftigt, nach Gründen zu suchen, die nicht die eigentlichen sind. Wagenknecht benennt nun diese Probleme: eine Außenpolitik des erhobenen Zeigefingers, die uns in der Welt isoliert. Die Beteiligung an einer neuen Blockbildung, die Arbeitsmärkte gefährde. Ein Bildungssystem, dass immer öfters Menschen ins Berufsleben entlasse, für das es diese nicht vorbereitet habe. Eine blamabel schlechte Infrastruktur mit maroden Brücken, einer Bahn, die fast nie ihren Zielbahnhof pünktlich erreicht, oder schwache digitale Netze. Eine Regierung, die Milliarden ausgebe, um die negativen Folgen ihrer eigenen Politik auszugleichen. Ein blinder Ökoaktionismus, der kaum hilft, aber viel kostet. Genau hier ist das BSW zu verorten und wird die spätere Wagenknecht-Partei zu verorten sein: Sie richtet sich an Menschen, die gegen grüne Politik und von den Parteien frustriert sind, die immer mehr grüne Politik übernommen haben: Linke, SPD, FDP, CDU und CSU. Die neue Partei will nicht mit der AfD zusammenarbeiten, aber eine „seriöse Adresse“ für deren Wähler sein. Warum es allerdings seriös sein soll, wenn sich Wagenknecht gegen illegale Einwanderung ausspricht, aber nicht, wenn die AfD das Gleiche tut, das lässt sie offen. Konkrete Inhalte hat Wagenknecht ebenfalls noch keine vorgestellt. Sie spricht sich zwar für wirtschaftliche Vernunft aus, aber aus ihren Ausführungen wird deutlich, dass sie eher für einen interventionistischen als für einen schlanken Staat ist: So fordert sie etwa eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns und Steuergeld, um das schlechte deutsche Rentenniveau anzuheben. Ein gutes halbes Dutzend Linker ist mit Wagenknecht aus der Partei ausgetreten. In der Fraktion im Bundestag wollen sie vorerst bleiben, wie Amira Mohamed Ali sagt. Sie ist die erste Vorsitzende des BSW, mit Wagenknecht aus der Linken ausgetreten – und immer noch Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag. Würden die BSW-Gründer aus der Fraktion austreten, verlöre diese ihren Status. Damit hätte sie weniger Rechte im Parlament und vor allem weniger Geld. Das bedeutet weniger „wissenschaftliche Mitarbeiter“. Wie Ali sagt, seien die BSWler bereit, in der Fraktion zu bleiben, um eine geregelte Lösung zu ermöglichen. Also ihnen noch ein paar Monate ein Gehalt zu sichern.
Natalie Furjan
Sahra Wagenknecht und ein halbes Dutzend Mitstreiter sind aus der Linken ausgetreten und gründen eine eigene Partei. Sie sagen der Ampel den Kampf an – deren journalistischen Anhang haben sie schon gegen sich.
daili-es-sentials
2023-10-23T10:08:35+00:00
2023-10-23T11:26:04+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/sahra-wagenknecht-partei-gruendung-bundespressekonferenz/
Rätselraten um Mimoun Azizi: False-Flag-Operation, Widerruf oder Zwang?
Er gilt als einer der profiliertesten Muslime Deutschlands. Mimoun Azizi, Autor auch bei TE, in Hagen geborener Deutscher mit marokkanischen Wurzeln, Politikwissenschaftler, Humanmediziner und Psychiater, hatte sich einen Namen dadurch gemacht, dass er bundesweit aktiv als Kritiker des orthodoxen Islam auftrat. Gemeinsam mit anderen, säkularen Personen, die sich zu den Lehren Muhameds bekennen, kämpfte er dafür, einen Islam mit menschlichem Angesicht zu schaffen – weg von den Welteroberungsgeboten des Koran, weg von dem Hass auf „Ungläubige“, weg von der Unterdrückung der Frau im Namen Gottes. Noch vor wenigen Tagen war Azizi an der Seite von Seyran Ates Gründungsmitglied der Ibn Rushd-Goethe Moschee GmbH in Berlin – einem islamischen Projekt, mit dem europäisch orientierte Muslime die Tür öffnen wollten für einen zeitgemäßen Islam. Männer und Frauen beim gemeinsamen Gebet, weibliche Imame – ein Gräuel für die übergroße Mehrheit jener Muslime, die getreu dem angeblichen Gotteswort ihres Chefdenkers Muhamed folgen. Und so folgte umgehend eine Fatwa, eine Glaubensurteil, das diese Moschee und alle an ihr Teilhabenden zu Abtrünnigen vom „wahren Glauben“ erklärt. Ausgesprochen von der Al Azhar in Kairo, der höchsten Instanz sunnitischer Glaubenslehre, die sich seit Jahren weigert, gleiches mit den Mörderbanden des Islamischen Staats zu tun. In privaten Gesprächen klagte Azizi schon vorher immer häufiger darüber, dass die Bedrohungen durch fundamentalistische Muslime für ihn und seine Familie unerträglich würden. Nach der Gründung der Berliner Moschee – bundesweit als Muster für die angebliche Integrationsfähigkeit von Muslimen gefeiert – schien der Druck seitens der islamischen Orthodoxie nicht mehr auszuhalten gewesen zu sein. Hilfe seitens der Staatsmacht? Keine. Wie vor den Anschlägen fundamentalistischer Muslime auf Unbeteiligte auf dem Berliner Weihnachtsmarkt und anderswo hatten die Sicherheitskräfte unter der gebetsmühlenartigen Selbsthypnose eines integrationsfähigen, angeblich friedlichen Islam beide Augen verschlossen. Am 17. Juni dann die plötzlich Wende. Mit einer bei Facebook verbreiteten „Erklärung“ gab er seinen Freunden und Anhängern erste Rätsel auf: „Aus persönlichen Gründen möchte ich mich aus dem politischen Diskurs zurückziehen. Ich möchte mich weder für die Liberalen noch für die Konservativen engagieren. Ich werde das Projekt Ibn Rushd-Goethe Mosche mit sofortiger Wirkung für mich beenden. Ab diesem Moment bin ich nur für meine Familie da. Ich bitte sie das zu respektieren. Die Entwicklungen sind nicht in meinem Sinne und sind mit meinen Vorstellungen nicht vereinbar.“ Welche Entwicklungen waren nicht in seinem Sinne? Was war nicht mit seinen Vorstellungen vereinbar? Warum die plötzliche Abkehr von seinem Projekt einer liberalen Moscheegemeinde? Zwei Tage später – in London hatte ein Brite das Vorgehen des islamischen Terrors kopiert und war in eine Menge friedlicher Muslime gefahren – dann ein Aufschrei, immer noch geprägt von den als Humanismus bekannten Vorstellungen christlicher Nächstenliebe und europäischer Aufklärung: „Es fehlen einem die Worte. Mein Mitgefühl gilt den Betroffenen und Ihren Angehörigen des schrecklichen Terroranschlages in London vor einer Moschee! Diesmal sind die Anschläge gezielt gegen die dort lebenden Muslime gerichtet. Die Spirale der Gewalt muss unterbrochen werden. Der Diskurs muss sachlicher werden. Wir müssen diesen Teufelskreis unterbrechen. Das geht nur dann, wenn wir uns wieder auf das besinnen, was uns Menschen ausmacht – Menschlichkeit – Vernunft – Nächstenliebe, aber auch Weitsicht! Wir müssen uns alle darüber im Klaren sein, wohin solch eine Entwicklung führen kann.“ Ging es da tatsächlich nur um das Attentat von London? Sprach Azizi nur über einen Vorgang, weit entfernt von seiner eigenen Lebenswirklichkeit? Oder beschrieb er seine eigene Situation? Sehen wir den Hilferuf eines Verzweifelten, der schon in der ersten Juniwoche Freunde gefragt hatte, wie er sich gegen die ständig aggressiveren Drohungen aus muslimischem Umfeld zur Wehr setzen könne? Schon am 6. März hatte Azizi einen umfangreichen Text veröffentlicht, der die Pädophilie in islamischen Gemeinden thematisierte. Das hatte offenbar das fundamentalislamische Fass zum Überlaufen gebracht. Tags darauf folgten Morddrohungen von nicht rückverfolgbaren Email-Adressen. „Letzte Mahnungen“, zu widerrufen und nie wieder etwas zum Islam zu schreiben. Azizi wurde beschimpft als „Feind Allahs“ – und gewarnt: Man wisse, wo er wohnt, kenne alle Gewohnheiten seiner Familie. Wer weiß, dass „Feinden Allahs“, die als Zwangsmuslime geboren wurden, als Verrätern die Todesstrafe im Namen Gottes droht; wer wie Azizi weiß, wie unerbittlich die herrschenden Muslim-Fundamentalisten des Koran agieren, der musste solche Drohungen ernst nehmen. Der Psychologe hielt sich ab sofort spürbar zurück. Am 13. Juni versuchte er es mit einem letzten Appell an die Menschlichkeit: „Mut zu mehr Menschlichkeit! Es ist merkwürdig, wenn ich auf der einen Seite höre, dass der Mensch eine weitere Stufe in der Evolution erklommen habe – aber andrerseits merke ich, dass der Hass untereinander zugenommen hat. Der Mensch hat Angst vor dem Menschen. Wir alle haben Angst vor Kriegen, vor dem Tod und vor Armut und Vertreibung. Aber diese Form der Angst, die ich meine, ist völlig unbegründet- sie ruht auf eine absolute Irrationalität. Viele Menschen suchen das Rationale in dieser Irrationalität und bewegen sich jenseits von Gut und Böse. Das Ergebnis einer solchen „Rationalität“ sind Kriege. Brauchen wir Menschen Kriege, um uns zu erkennen? Müssen Menschen sterben, weil sie anders sind? Wohin bewegen wir uns hin? Was ist das Ziel dieser Irrationalität? Braucht der Mensch immer ein Feindbild, um zu sein? Viele reden von Demokratie und Menschenrechte- aber dann muss man auch das, was man tut und sagt auf ihre Demokratie-Tauglichkeit hin einer Analyse unterziehen bzw. unterziehen lassen. Es ist sehr einfach bösartig zu sein – es ist sehr einfach andere zu stigmatisieren – es ist einfach sich dem Mainstream anzuschliessen … Das war schon immer einfach!“ Am 21. Juni, dem längsten Tag des Jahres, platzte dann eine Bombe. Wieder über Facebook veröffentlichte Azizi nun eine „Erklärung“, die sich schlimmer liest als der Widerruf jenes mit dem Feuertod bedrohten Galileo Galilei – jenem klugen Mann, der wider besseres Wissen sich den wissenschaftlich falschen Dogmen der Heiligen Inquisition unterwarf, um nicht wie Giordano Bruno auf dem Scheiterhaufen zu enden. Jenseits all jener wissenschaftlich-gebildeten Sprache, der sich Azizi sonst bediente, prägte nun die Diktion der auf Weltherrschaft orientierten Muslimbruderschaft und jener Islamisierer wie Mazyek und Co. seine Zeilen: „Erklärung von Mimoun Azizi Der neue Faschismus: Islamkritik, Islamhass und Islamophobie Seit Jahren befasse ich mich im Rahmen einer politikwissenschaftlichen Untersuchung mit den Formen des politischen Extremismus in Form der Islamophobie in der Bundesrepublik Deutschland. Die Rezeption politischer Theoretiker ist in den deutschsprachigen Politikwissenschaften eine Mangelerscheinung. Auch sind wissenschaftliche Erhebungen zu dieser neuen Art des Faschismus rar. Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen und es für die erfolgversprechendste Methode gehalten, sich unter die selbsterklärten „Reformmuslime“ zu mischen, um Motivation, Absicht und Strukturen der Islamophoben zu analysieren. Hierzu bedurfte es insbesondere des Beziehungs- und Vertrauensaufbaus zu den Führern dieser neuen faschistischen Ideologie. Nach zwei Jahren Bestandsaufnahme, Analyse und Evaluation genügen die erhobenen Daten um meine Ergebnisse zu publizieren. Die Solidarisierung mit der Ideologie und ihren Bannerträgern war für die Erlangung von wissenschaftlich analysetauglichen Aussagen zwingend erforderlich und entsprach zu keiner Zeit meinem Religionsverständnis. Die Quantität an Gesprächsmitschnitten, Memos, Niederschriften, Nachrichten und Schriftverkehr haben meine Erwartungen dramatisch übertroffen, gleichwohl erleichtern mir diese den neuen antimuslimischen Faschismus zu enttarnen und in seiner Dimension detailliert darzulegen. Ich bedanke mich für die wenn auch unvorsätzliche Mitwirkung der politischen Akteure des antimuslimischen Faschismus und freue mich, alsbald den zugeneigten Leser meine Ergebnisse präsentieren zu dürfen. In diesem Sinne Asalamu alaykum – Friede sei mit Euch!“ Angeblich, so nun Azizi, habe er seit Jahren als Chamäleon gearbeitet. Angeblich habe er seine Thesen eines „liberalen Islam“ nur vertreten, um eine „politikwissenschaftliche Untersuchung“ zur „Islamophobie“ in Deutschland vorzubereiten. Angeblich sei es ihm all die Jahre nur darum gegangen, „den neuen antimuslimischen Faschismus zu enttarnen und in seiner Dimension detailliert dazulegen“. Ist das so? War die hochgeachtete Persönlichkeit Azizi nichts anderes als eine False-Flag-Operation jener Weltbeherrschungslehre, die ihre Kritiker ständig diffamiert, Islamkritik als Straftat ausweisen möchte, Häretiker am liebsten tot sieht? Wenige Stunden vor seiner „Erklärung“ hatte Azizi einen Text geliefert, der genau diese Annahme bestätigen könnte. Kurz nach Mitternacht des 21. Juni hatte er den folgenden Text gepostet: „Der große Betrug – Teil 1 – Es ist inflationär- wie mit dem Wort Reformer umgegangen wird. Heute ist jeder ein Reformer, der einen klugen Satz von sich gibt. Schauen wir etwas genauer hin! Viele muslimische ‚Islamwissenschaftler‘ in Deutschland sprechen davon, dass man den Islam reformieren müsse. Das ist aber grundlegend falsch, denn die Suren können weder verändert noch umgeschrieben werden. Das Wissen diese ‚Reformer‘ sehr genau. Warum also reden diese von Reformen? Ich persönlich will auch nicht, dass jemand sich an den Koran ranmacht. Was allerdings richtig ist, dass ist die Anwendung einer anderen Leseart. Das ist im Islam aber nicht neu. Nicht nur Ibn Rushd und Al Jabri haben das bereits beschrieben. Im Islam gibt es bereits verschiedene Lesearten.Wir müssen uns konsekutiv um die Leseart kümmern. Wer von Reformen spricht, der belügt die Menschen. Aber das Wort „Reformer“ ist spektakulär und verspricht Ruhm und Macht. Manch einer vergleicht sich mit Martin Luther. Hat Martin Luther die Bibel reformiert oder eher die katholische Kirche bekämpft? War es nicht Martin Luther, der die Rückkehr zur reinen Lehre forderte? Ich bin etwas irritiert, wenn hier von einer Reformierung des Islam gesprochen wird. Was hat Luther wirklich gemacht? War Luther liberal? Wenn ja- woran macht man das fest? Man verlangt von Muslimen, dass sie die eigene Religion reformieren sollen, aber an Ostern sind alle Geschäfte zu. Weihnachten ist heilig. Die aktuelle Regierungspartei ist die CDU. Was passiert hier gerade? Ist das richtig so- oder will man einfach nur einen Konflikt? Ich habe mir diese Entwicklung sehr genau angeschaut- ich meine, dass man hier unehrlich ist und der Diskurs sehr unfair ist. Diese Vorgehensweise ist unklug und wird ausschliesslich von Opportunismus, Heuchelei, Unwissen und teilweise von Bösartigkeiten getragen. Dieser Weg führt in eine Sackgasse! Ich komme noch einmal auf Luther zurück. Hat Luther die Hölle abgeschafft? Nein, aber Herr Khourchide schon! Hat Luther die Bibel umgeschrieben? Seine letzten Worte lauteten: ‚Die Hirtengedichte Vergils kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Hirte gewesen. Die Vergilschen Dichtungen über die Landwirtschaft kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Ackermann gewesen. Die Briefe Ciceros kann niemand verstehen, er habe denn 25 Jahre in einem großen Gemeinwesen sich bewegt. Die Heilige Schrift meine niemand genügsam geschmeckt zu haben, er habe denn hundert Jahre lang mit Propheten wie Elias und Elisa, Johannes dem Täufer, Christus und den Aposteln die Gemeinden regiert. Versuche nicht diese göttliche Aeneis, sondern neige dich tief anbetend vor ihren Spuren! Wir sind Bettler, das ist wahr‘ Betrachten sie diese Zeilen als Beginn eines wirklich sachlichen und kritischen Diskurses.“ Mit diesen Worten bestätigte er das, was Islamkritiker, die sich sachgerecht mit dieser Ideologie beschäftigen, schon immer gesagt haben – und wofür sie bis dahin auch von Azizi abgelehnt wurden: Der Islam ist nicht reformierbar, weil jede Reform des Islam bedeuten müsste, den Koran umzuschreiben. Das aber ist durch den angeblichen Propheten im vorgeblichen Gotteswort des Koran jedem Muslim absolut verboten. Nur das dort geschriebene Wort zählt – ohne jedes Wenn und Aber, ohne jede Interpretation. So sind die Worte Azizis eine Selbstbezichtigung, ein Widerruf all dessen, was er bislang geglaubt, gesagt und geschrieben hat: „Wer von Reformen spricht, der belügt die Menschen!“ Nichts anderes hat der Humanmediziner über Jahre getan. Er hat daran geglaubt, sich selbst vorgemacht, dass der Islam tatsächlich reformierbar sei. Oder hat er tatsächlich nur so getan? Ist Azizis jüngste „Erklärung“ also tatsächlich die Offenbarung eines Mannes, der unter falscher Flagge Freundschaft heuchelte? Oder ist sie ein Widerruf unter dem immensen, dem existenzbedrohenden Druck der islamischen Orthodoxie? Wie aus dem scheinbaren Nichts übernimmt er, der westlich gebildete Wissenschaftler, die absurden Positionen jener, die mit dem Islam die europäische Zivilisation überwinden wollen; verwendet als Psychologe das abstruse Wort der „Islamophobie“, einst von Islamfundamentalisten erfunden um jedwede Kritik an ihrem klerikalen Herrschaftsmodell zur Geisteskrankheit zu erklären. Und er rettet sich, ein letztes Aufbäumen seines Ichs, trotz der Erkenntnis, dass das geschriebene Wort des Koran nicht veränderbar, nicht interpretierbar ist, in die Legende der „verschiedenen Lesarten“ des Islam. Azizi bezichtigt sich selbst, über Jahre alle Freunde und Weggefährten belogen und betrogen zu haben – und rettet sich in die Legende, eine „politikwissenschaftliche Untersuchung“ durchgeführt zu haben. Er spricht von den „politischen Akteuren des antimuslimischen Faschismus“ – wohl wissend, dass die Inhalte des Koran in nichts der Brutalität und dem Allmachtanspruch der politischen Faschisten nachstehen. Denn es war genau diese Erkenntnis, derentwegen der in Deutschland aufgewachsene Geburtsmuslim von einem „liberalen Islam“, einem „Islam mit menschlichen Antlitz“, träumte. Er unternimmt einen letzten Versuch, seine gequälte Seele als Wissenschaftler in einen „sachlichen und kritischen Diskurs“ zu führen. Doch kaum einen halben Tag später dann die durch und durch unsachliche Abkehr von allem, was ihm bislang wichtig, vielleicht heilig war. Die totale Unterwerfung unter den Allmachtsanspruch des Islam, garniert mit der Ankündigung, ein großes Werk über den gegen die unreformierbare Lehre des Islam gerichteten Faschismus zu veröffentlichen. All das hat tatsächlich viel von Galileo – und es hat Azizi in die eigene Hölle geschickt. Denn wenn es tatsächlich so ist, dass sein Gesicht eines aufgeklärten Muslims nichts anderes war als Mimikri im Auftrag Muhameds, dann hat er seinen Ruf als Wissenschaftler und Mensch für alle Ewigkeit vernichtet. Dann wird sein „Werk“ nichts anderes sein als eine mit unlauteren Methoden geschaffene Hetzschrift gegen alle, die sich dem Islam nicht bedingungslos unterwerfen – gefeiert nur in den Kreisen jener Muslime, denen jede Wissenschaftlichkeit fremd ist. Wenn es aber so ist, dass diese Umkehr der Werte eines Humanisten ausschließlich den massiven Drohungen gegen ihn und seine Familie geschuldet sind, auch dann wird ihm die bedingungslose Unterwerfung unter die Faschisten eines totalitären Islam nichts nützen. Mehr noch als in der europäischen Kultur gilt in der Archaik des Islam das alte Wort davon, dass alle den Verrat, niemand aber den Verräter liebt. Im Islam gilt: Einmal Murtad, immer Murtad. Einmal Abtrünniger, immer Abtrünniger. Azizi wusste, dass er und seine Mitstreiter in den Augen der korantreuen Muslime Häretiker, Abtrünnige sind. Wer am Wort des Koran zu deuteln versucht, vergeht sich am gottgleich angebeteten Muhamed ebenso wie an Allah selbst. Da hilft es Azizi auch nicht, sollte er nun mit dem Widerruf den Versuch unternommen haben, die mit der Ausweisung als Murtad zwingend verbundene Todesstrafe von sich abzuwenden. Abtrünniger bleibt Abtrünniger. Und so wird Azizi nun bereits in seiner eigenen Hölle leben – entweder als Verräter an seinen Freunden oder als Verräter an sich selbst oder als Verräter am „wahren“ Islam.
Sofia Taxidis
Mimoun Azizi wusste, dass er und seine Mitstreiter in den Augen der korantreuen Muslime Häretiker, Abtrünnige sind. Ein Widerruf würde nicht helfen.
kolumnen
2017-06-22T10:08:22+00:00
2017-06-22T10:08:24+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/spahns-spitzwege/raetselraten-um-mimoun-azizi-false-flag-operation-widerruf-oder-zwang/
Die Optionen des Friedrich Merz – Will er oder nicht?
Die „Fortschrittskoalition“ ist fort. Sie war von Anbeginn an eine Fehlkonstruktion, ja eine Gurkentruppe. Mit ihr wurde Deutschland wirtschaftlich in den Abgrund und kriminalstatistisch zu immer neuen Spitzenwerten gehetzt. Es wurden Leute in Ministersessel, Ministerlimousinen und Regierungsflieger gespült, die inkl. Wirecard-/Cum-Ex-skandalverstrickt-vergesslichem Kanzler selbst nach Laissez-faire-Maßstäben nicht ministrabel waren. Das Einzige, was diese „Ampel“ zustande brachte, waren „woke“ Projekte wie das Selbstbestimmungsgesetz, die Cannabis-Freigabe, dazu immer neue irrsinnige Gender-, Klimaschutz- und Coronaschutz-Projekte, um sich greifende Gängelungen, Gouvernanten- und Zensurmaßnahmen, eine Aufblähung des Regierungsapparates durch die Einstellung von Tausenden von Gefolgsleuten usw. „Deutscher Michel, selber schuld“, könnte man sagen, „du hast am 26. September 2021 so gewählt.“ Man könnte aber auch sagen: Was blieb dem deutschen Michel nach 16 Jahren Merkel und beim damaligen Unionsspitzenkandidaten Armin Laschet anderes übrig? Es war ja nicht die Strahlkraft eines Olaf Scholz (SPD), der die SPD knapp vor der Union siegen ließ. Nun ist aus dieser „Fortschrittskoalition“ mit dem 7. November 2024 ein museumsreifer Torso geworden, den ein tricksender Kanzler und ein hypermoralisierend aufblühender Vizekanzler wenigstens noch für drei Monate über den dritten Geburtstag vom 8. Dezember 2024 retten möchte. Die zwei, Scholz und Habeck, sowie ihre Lakaien tun so, als müssten sie noch mehrere Gesetze über die Bühne bringen. Der wahre Grund für die Verschleppung könnte indes sein, dass man noch ein paar Monate Zeit braucht für eine „Aktion Abendsonne“. Das heißt: Es müssen schnell noch ein paar hundert grüne und rote Schleppenträger fest installiert und/oder befördert werden. Scholz selbst wird damit aber – eine zweite Amtszeit ist wohl ausgeschlossen – nicht dem Schicksal entgehen, zu einem der drei Bundeskanzler mit der kürzesten Amtszeit zu werden. Im Moment hat er 1.065 Tage Kanzlerschaft hinter sich: In den Jahren 1963 bis 1969 waren es bei Erhard 1.142, bei Kiesinger (beide CDU) 1.055 Tage. Zum Vergleich: Bei Adenauer waren es 5.144, bei Kohl 5.870, bei Merkel (alle CDU) 5.860 Tage; bei Brandt 1.659, bei Schmidt 3.060 und bei Schröder (alle SPD) 2.583 Tage. Nun also wird Deutschland seit dem 7. November von einer rot-grünen Minderheitsregierung „regiert“. Statistisch stellen SPD und „Grüne“ (Ex-Mann Volker Wissing hinzugerechnet) derzeit 324 von 733 Bundestagsabgeordneten. Das sind 44,2 Prozent aller MdBs. Wenn man die Ergebnisse der aktuellen „Sonntagsfragen“ als Basis nimmt, dann repräsentieren SPD und „Grüne“ im Moment in der Summe aber nur noch 26 bis 27 Prozent der Wählerschaft: SPD 15,5 Prozent, „Grüne“ 10,9 Prozent. Hier werden die auch von den „Öffentlich-Rechtlichen“ häufig vermischten Begriffe „Minderheitsregierung“ und „Minderheitenregierung“ tatsächlich eins. Vizekanzler Habeck kann das nicht akzeptieren, deshalb macht er – parallel zu „Abendsonne“ – auf Morgenröte. „Back for good“ (endgültig zurück), schrieb Habeck am 7. November. Und: „Orte wie diesen den Schreihälsen und Populisten zu überlassen ist leicht … Aber es sich leicht zu machen kann nicht die Lösung sein. Nicht heute. Nicht in dieser Woche. Nicht in dieser Zeit. Deshalb bin ich wieder auf X.“ Habeck hatte Twitter und Facebook Anfang 2019 verlassen. Es wird jedenfalls erwartet, dass Habeck am Freitag, 8. November, sich zum Kanzlerkandidaten der „Grünen“ kürt. Annalena Baerbock will das nicht mehr so wie 2021 sein; sie will sich auf die Lösung der weltweit schwelenden oder schon ausgebrochenen Konflikte konzentrieren. Ach ja: Habeck hat auch einen Video-Clip hinaus in die Welt gegeben. Dort trägt er ein Freundschafts-Armband, wie es auch Millionen Taylor-Swift-Fans tun. Bei Habeck steht darauf: „Kanzler Era“, auf Deutsch „Kanzler-Ära“! Typisch Kinderbuchautor! Eigentlich ist eine so formidable Regierungskrise wie die aktuelle – und im Übrigen seit drei Jahren währende – die Stunde der Opposition bzw. des Oppositionsführers. Letzterer ist Friedrich Merz. Über letzteren wird hier auf TE regelmäßig geschrieben. Zuletzt über seine „Beißhemmungen“ im TE-Heft Nr. 9/2024 vom August 2024. TE hatte sich damals gewundert, warum die Union nach der historischen Schlappe bei der Bundestagswahl 2021 so genügsam geworden ist und sich in Umfragewerten um die 30 Prozent sonnt, statt angesichts des (H)Ampel-Desasters 40 Prozent anzupeilen und auf Angriff zu spielen. Option 1: Erst Vertrauensfrage und baldiger Neuwahltermin, dann – vielleicht – Mitwirkung an Gesetzen! Scholz möchte bis zum 20. Dezember 2024 noch eine Reihe von Gesetzesvorhaben durch den Bundestag bringen. Dann will er am 15. Januar 2025 die Vertrauensfrage stellen. Für seine Gesetzesvorhaben rechnet er auf die Zustimmung der CDU/CSU. Im Detail sind das – laut SPD-„Vorwärts“ – folgende Vorhaben: der Ausgleich bei der kalten Progression als Teil des Steuerfortentwicklungsgesetzes, die Stabilisierung der gesetzlichen Rente, die Umsetzung der Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und Sofortmaßnahmen für die Industrie. Dass der Richtlinien-Kanzler und vormalige Bundesfinanzminister Scholz bislang weder einen Nachtragshaushalt 2024 noch einen Haushalt für 2025 zustandebrachte, hat er schon mal beiseitegeschoben. Merz muss die Gunst der Stunde nutzen: CDU/CSU stehen derzeit in der Sonntagsfrage bei 34 Prozent. Geht eine Neuwahl dann mit 34 Prozent für die CDU/CSU und mit 15/16 Prozent für die SPD aus, dann kann (und wird es ohne “Grüne“ und ohne FDP) eine Neuauflage einer einst – zumeist damals schon ungerechterweise sogenannten – „großen“ Koalition kommen. Ohne einen Scholz, der Pistorius als Vizekanzler weichen muss, ohne ein Sicherheitsrisiko Faeser und ohne einen „Gesundheits“-Minister Lauterbach. Und ohnehin ohne einen Vetternwirtschaftsminister Habeck und ohne eine weltweit peinlich auftretende Vielfliegerin Baerbock. Auf die Reihenfolge (Vertrauensfrage und baldige Neuwahl vor legislativen Entscheidungen) kommt es an. Auch um des internationalen Ansehens Deutschlands wegen. Wenn SPD-Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil am Abend des 7. November erklärt, Rot-Grün sei außen- und sicherheitspolitisch „handlungsfähig“, dann bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Nein, wenn Donald Trump am 20. Januar 2025 als US-Präsident offiziell im Amt sein wird, muss Deutschland sofort oder wenige Tage danach neu aufgestellt sein. Merz darf sich hinsichtlich des Zeitplans von Scholz nicht fesseln lassen, und er kann sich nicht – Ukraine hin oder her – auch nicht auf eine Zustimmung zu neuen 15 Milliarden Schulden und einen Bruch der Schuldenbremse einlassen. Option 2: Oder doch ein konstruktives Misstrauensvotum? Rechnerisch könnte Merz kommende Woche Bundeskanzler sein. Wie? Wenn er ein konstruktives Misstrauensvotum anstrengte und sich mit den Stimmen von CDU/CSU (197), der FDP (91) und AfD (76) sowie mit ein paar Stimmen „Sonstiger“ mit Kanzlermehrheit (derzeit 367 Stimmen) wählen ließe. Damit wäre er Kanzler bis zu einer baldigen Neuwahl, er könnte Minister entlassen oder neue ernennen. Eine Koalition bräuchte er nicht. Eine solche müsste erst nach einer Neuwahl formiert werden. Nun freilich hat Merz soeben gesagt: „Ein konstruktives Misstrauensvotum ist im Moment keine Option.“ Was heißt „im Moment“? Wann dann? Klar, Merz fürchtet, dass ihm einige eigene Leute, einige FDP-Leute die Stimme verweigern, wenn er AfD-Stimmen akzeptierte. Das wiederum wäre das Ende der Merz’schen Kanzlerambitionen. Denn dann steht ein Markus Söder (CSU) Gewehr bei Fuß. Nun gut, so ganz ohne Risikobereitschaft geht es nicht. Das aber scheint Merz über die Jahre hinweg ausgetrieben worden zu sein.
Josef Kraus
Wenn eine rot-grüne Minderheitsregierung eine Minderheitenregierung ist: Eigentlich ist eine so formidable Regierungskrise wie die aktuelle die Stunde der Opposition beziehungsweise des Oppositionsführers. Letzterer ist Friedrich Merz. Er hat zwei Optionen.
meinungen
2024-11-08T08:39:30+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/die-optionen-des-friedrich-merz-will-er-oder-nicht/
Gewerkschaften legen Deutschland lahm – TE-Wecker am 27. März 2023
Gewerkschaften legen Deutschland lahm ++ Berlin: Volksabstimmung „klimaneutrale“ Stadt krachend gescheitert ++ OB-Wahl Frankfurt: SPD-Kandidat gewinnt Stichwahl ++ Klimakleber in Hamburg: Polizei leitet Ermittlung gegen Lkw-Fahrer ein ++ Meloni-Regierung: keine Insekten in Pizza und Pasta-Mehl ++ TE-Energiewende-Wetterbericht ++
Natalie Furjan
Der TE-Wecker erscheint montags bis freitags – und bietet Ihnen einen gut informierten Start in den Tag. Ideal für den Frühstückstisch – wir freuen uns, wenn Sie regelmäßig einschalten.
podcast
2023-03-27T01:00:53+00:00
2023-03-27T05:04:03+00:00
https://www.tichyseinblick.de/podcast/te-wecker-am-27-maerz-2023/
Der Mörder kam über Lampedusa
Die investigativen Untersuchungen zur islamistischen Terrorattacke in Nizza in der Kathedrale laufen auf Hochtouren. Und es wird klar, dass auch Italien bei der kompletten Aufklärung behilflich sein wird und auch werden muss. Die Meldungen überschlagen sich seit gestern Vormittag, als italienische Nachrichtenagenturen und Tageszeitungs-Portale – so auch Il Messagero – übereinstimmend berichteten, der islamistische Attentäter sei über Italien, zuerst über Lampedusa und dann von Bari aus nach Frankreich gelangt. Der Tunesier, so viel konnte man bisher rekonstruieren, kam zuerst in Quarantäne, danach in die Hafenstadt Bari in ein „Flüchtlingszentrum”. Am 9. Oktober wurde er in Bari im dortigen Identifikationszentrum von der Polizei fotografiert und als illegaler Migrant registriert. Mehreren Zeitungen und Nachrichtenportalen zufolge wurde in der Tasche des Mannes ein vom italienischen Roten Kreuz ausgestelltes Papier gefunden, mit dem die französischen Ermittler ihn letztendlich identifiziert hätten. Nun arbeiten die Ermittler und Diplomaten beider Länder Hand in Hand, um vielleicht auch auf etwaige Hintermänner und Planer oder Tippgeber solcher Attacken zu stoßen. Frankreich werde sich als liberales Land nicht beugen, darin waren sich viele Politiker verbal schnell einig, der Abgeordnete der Region Nizza, Eric Ciotti, twitterte, er habe Emmanuel Macron gerade bei einem Treffen am Tatort gebeten, „jegliche Migrationsströme und Asylverfahren, insbesondere an der italienischen Grenze, auszusetzen.“ Die Frage, die sicher auch noch geklärt wird, ist, ob der islamistisch motivierte Täter mit einem NGO-Schiff nach Lampedusa kam – und wenn ja mit welchem. Italien hatte ja schon einmal einen ähnlichen Fall: Auch der Täter des LKW-Attentats im Dezember 2016 auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, Anis Amri, war im Jahr 2011 aus Tunesien in Italien angekommen. Damals regierte noch Silvio Berlusconi als Premierminister und Roberto Maroni war Innenminister. Die Reaktionen in Italien aus der Politik zum aktuellen Geschehen in Nizza ließen nicht lange auf sich warten. Auf Twitter ließ Matteo Salvini wissen, er habe der französischen Botschaft in Italien seine ganze Solidarität und die der Lega zum Ausdruck gebracht. Die Anführerin der Fratelli d‘ Italia, Giorgia Meloni, hatte gleich auf die Brisanz verwiesen, würde die Nachricht bestätigt, wäre sie von beispielloser „Schwere“, und würde die Nation dem Risiko einer Isolation aussetzen, schrieb Meloni auf Facebook.
Fritz Goergen
Der Mörder Brahim Aoussaoui kam wie Anis Ben Othman Amri als illegaler Migrant aus Tunesien und übers Mittelmeer und Italien nach Europa.
daili-es-sentials
2020-10-30T08:50:01+00:00
2020-10-30T09:50:42+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/der-moerder-kam-ueber-lampedusa/
Afghanistan: Nehammer fordert »Abschiebezentren« vor Ort, Johansson mehr direkte Übersiedlungen
Dies wäre eigentlich die Stunde der Innenminister. In den Verwaltungen und Behörden, die ihnen unterstehen, sollten Kenntnisse und Kompetenzen zu den vielfältigen unerwünschten Auswirkungen von Migration gesammelt sein. Diesen Erfahrungsschatz gälte es jetzt zu reaktivieren. Doch die Sonderratssitzung der EU-Innenminister vom Mittwoch vermittelte ein gemischtes Bild. Eigentlich hätte es um Unterstützung für Litauen im Kampf gegen illegale Immigration gehen sollen. Aber vor allem die Worte der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson zur Lage Afghanistans werden in Erinnerung bleiben – und bei vielen für Entsetzen sorgen. Johansson, die allseits für ihren abwiegelnden Kurs beim Thema illegale Migration in die EU bekannt ist, forderte allen Ernstes »mehr Engagement bei der Umsiedlung« von Afghanen in die EU. Die Mitgliedsstaaten müssten ihre »Resettlement-Quoten« erhöhen. Das Ziel der Kommission sei die Schaffung »legaler, sicherer und organisierter Wege in die EU« für Afghanen und – so muss man annehmen – weitere Migranten aus aller Welt: »Wir müssen verhindern, dass Menschen gefährliche Reisen antreten. Wir sollten nicht warten, bis die Menschen vor unserer Außengrenze stehen. Wir müssen ihnen vorher helfen. Gefährliche Routen, auf denen Schmuggler ihr Unwesen treiben, müssen wir bekämpfen. Stattdessen sollten wir uns für legale Wege einsetzen, damit Menschen, die internationalen Schutz benötigen, in die Europäische Union kommen können.« Insbesondere sieht Nehammer derzeit keinen Grund für einen formal asylsuchenden Afghanen, nach Österreich zu kommen. Das Land leiste »bereits weit mehr als der Großteil der europäischen Länder«. Schutz und Hilfe müssten in der Region, in und von den direkten Nachbarländern »sichergestellt« werden. Zu diesem Zweck spricht sich der Innenminister für »Abschiebezentren« in der Nähe Afghanistans aus: »Abschiebezentren in der Region rund um Afghanistan wären eine Möglichkeit. Dafür braucht es die Kraft und die Unterstützung der Europäischen Kommission. Ich werde das beim Rat der Innenminister vorschlagen und mit der Kommission und meinen Kollegen besprechen.« Die Anwendung der Scharia in einem Land ist ein sicheres Argument gegen jede Abschiebung, wie der EGMR vor zehn Jahren am Beispiel Somalia vorexerzierte. Vor kurzem erst hat ein EGMR-Schnellurteil eine österreichische Abschiebung nach Afghanistan verhindert. In diesen Tagen sind alle diese Bemühungen wirklich zu Makulatur geworden, denn der Westen hat sich durch seinen erratischen Abschied aus dem Land aller Ansprechpartner beraubt. Doch Nehammer bleibt dabei, dass weitere Aufnahmen in Österreich nicht akzeptabel sind. Er will auch weiterhin Afghanen, die kein Asyl erhalten haben, anscheinend vor allem straffällig gewordene, abschieben. In den letzten fünf Jahren hat Österreich knapp 35.000 Afghanen aufgenommen, so der Minister, »der Großteil davon sind junge Männer, die oftmals mit geringem Bildungsniveau oder als Analphabeten eine große Herausforderung für das Integrations- und Sozialsystem darstellen«. Die erhöhten Kriminalitätsraten unter Asylsuchenden waren erst kürzlich Thema bei TE. Tatsächlich sind neu zugewanderte Afghanen in Deutschland noch einmal deutlich krimineller als etwa Syrer oder Iraker, mit denen sie auch 2020 die drei größten Gruppen im deutschen Asylsystem ausmachten. Laut BKA-Statistik waren im letzten Jahr 7,3 Prozent aller Tatverdächtigen Asylbewerber – bei einem Gesamtanteil an der Bevölkerung von um die zwei Prozent, also eine Überrepräsentation von mehr als 300 Prozent. Asylbewerber sind demnach drei bis vier Mal so oft tatverdächtig wie der Rest der Bevölkerung. Und es ist leider kaum anzunehmen, dass diese Tendenz mit dem Abschluss des Asylverfahrens auf Null sinkt. Noch deutlich krimineller als Syrer, Iraker und Afghanen sind übrigens (in aufsteigender Reihenfolge gelistet) die Asylsuchenden aus: Claudia Roth hatte genau dieses Argument in seltener Offenheit schon 2015 gebracht, dass man die angeblichen Flüchtlinge nämlich als Fach- und Arbeitskräfte ganz gut brauchen könne, auch wenn das eigentlich gar nicht zum grünen Geflüchteten-Narrativ passte. Dann fiel ihr wieder in einer Talkshow ein, dass nicht alle ankommenden Menschen »unmittelbar verwertbar« sein würden. Der griechische Minister für Asyl und Migration, Notis Mitarakis, der an der Innenministerkonferenz zum Thema Migrationsströme teilnahm, hielt fest, dass Griechenland nicht das Einfallstor für eine neue »Flüchtlingswelle« sein werde. Er erwarte, dass nur »eine sehr kleine Zahl« Migranten auf griechischem Territorium ankommen werde. Um das sicherzustellen sei man nicht nur auf der rechtlichen und der europäischen Ebene handlungsbereit, sondern auch auf der Ebene des Grenzschutzes, um jeden (äußeren) Druck auf das Land zu vermeiden. Es wird vermutlich bitter nötig sein, denn die Berichte von Afghanen, die aus dem Landesinneren an die Westküste der Türkei gebracht werden, häufen sich. Im übrigen bezog sich auch Mitarakis – sicher nicht unabhängig von Nehammer – auf die Genfer Konvention, die Flüchtlingen das Aufsuchen des nächsten schutzbietenden Landes vorschreibt, nicht das Durchreisen ganzer Kontinente. In Europa kündigt sich eine Front gegen die irreguläre Migration an, die von Griechenland bis zum Baltikum reicht und Österreich, die Visegrad-Staaten und die südslawischen Länder umfasst. Daneben sind als assoziierte Mitglieder – weil durch Brexit und EU-Sonderregeln freier – Dänemark und Großbritannien im Club dabei. Die angesprochene Front ist nicht nur geschlossen, sondern weiß auch die besseren Argumente auf ihrer Seite: die innere Sicherheit, das bis dahin normale gesellschaftliche Leben, der stabile Aufbau der Gesellschaft, die langfristige Belastung der Sozial- und Steuerkassen, die staatliche Souveränität (wie im Fall Griechenlands oder Litauens) und das Völkerrecht in Gestalt der Genfer Konvention – all dies erfordert, dass es keine massenhafte irreguläre Zuwanderung aus fernen Ländern ohne Chance auf Rückführungen gibt.
Matthias Nikolaidis
Die Sondersitzung der EU-Innenminister war sicher alles andere als eine entscheidungsfreudige Runde. Zu sehr widersprachen sich die Vorhaben der Versammelten. Wo der österreichische Innenminister Karl Nehammer und andere Hilfe vor Ort forderten, schob EU-Kommissarin Ylva Johansson direkte Übersiedlungen nach Europa an.
kolumnen
2021-08-21T09:35:40+00:00
2021-08-21T09:39:05+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/afghanistan-nehammer-johansson-mitarakis/
Wozu verpflichtet der UN-Migrationspakt?
Zusätzlich verlangt der Pakt, dass die Staaten „Aufklärungskampagnen fördern, die […] den Zweck haben, auf der Grundlage von Beweisen und Fakten die öffentliche Wahrnehmung des positiven Beitrags einer sicheren, geordneten und regulären Migration zu gestalten“ (Nr. 33 lit. f, auch bereits Nr. 10). Mit Staatspropaganda soll also dafür gesorgt werden, dass die Wähler Migration als positiv wahrnehmen und dass „irreführende Narrative, die zu einer negativen Wahrnehmung von Migranten führen“, ausgeräumt werden (Nr. 10) – wiederum Willensbildung von oben nach unten, genau umgekehrt wie in der Demokratie. Dass die Migration nur positive Wirkungen hat und den Wohlstand fördert, steht schon im Pakt und kann durch „Beweise und Fakten“ nicht infrage gestellt werden. Nur solche „Beweise und Fakten“, die diese These stützen, sind in den Aufklärungskampagnen zu verwenden. Das alles widerspricht der Offenheit des politischen Willensbildungsprozesses, der die Demokratie kennzeichnet. Staatlich gelenkte Willensbildung mit hoheitlichen Mitteln und unter Einsatz von Steuergeldern darf es auch bezüglich der Migrationspolitik nicht geben. Versuchen wir, ein Resümee zu ziehen: Wie dem auch sei: Wenn der Pakt die Wirkung hätte, dass alle Aufenthalts- und Transitstaaten in der Dritten Welt ihre Sozialstandards auch nur annähernd auf europäisches oder gar deutsches Niveau anheben, käme dies einem Wunder gleich. Wie sollten sie das können? Es erstaunt schon, mit welcher Prognosesicherheit die Befürworter dem Pakt diese wundersame Wirkung zusprechen und mit welcher Selbstgewissheit sie denen, die nicht an ein solches Wunder glauben, Hetze, Lügen oder Hass schüren vorwerfen. In seiner Rede zum UN-Migrationspakt sprach der Abgeordnete Harbarth denn auch von „Mindeststandards“. Das ist richtig. Aber Harbarth fordert zugleich die weitweite Angleichung der Standards und sagt, wir müssten sicherstellen, dass die in Deutschland längst umgesetzten Mindeststandards auch in anderen Teilen der Welt umgesetzt werden. Es ist klar, dass das unrealistisch ist. Wer die weltweite Angleichung der Standards fordert, kann das nur erreichen, wenn Deutschland seine Sozialstandards auf das Niveau absenkt, das Entwicklungsländer sich leisten können. Wenn es hingegen bei dem bleibt, was der Text des Migrationspakts nahelegt, dass nämlich jeder Staat seine Sozialstandards selbst nach eigenem ökonomischen Vermögen und eigener politischer Prioritätensetzung festlegt – soweit nur das menschenwürdegemäße Existenzminimum gewahrt ist –, dann bleibt es auch in Zukunft bei riesigen Unterschieden im sozialstaatlichen Leistungsniveau. Die Behauptung, der Pakt werde den Migrationsdruck vermindern, lässt sich somit nicht darauf stützen, dass er die weltweite Angleichung der Sozialleistungen bewirke, die an Migranten erbracht werden. Wenn alle Staaten das erfüllen, was Nr. 31 des Paktes von ihnen verlangt, mag dies diejenigen, die sonst aus absolutem Elend nach Europa ausgewandert wären, von der Migration abhalten. Das immense Gefälle in den Sozialstandards bleibt als starker Pull-Faktor für die Migration jedenfalls erhalten. Dietrich Murswiek ist emeritierter Professor für Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht an der Universität Freiburg im Breisgau. Mehr zum Thema: Roland Tichy (Herausgeber), Der UN-Migrationspakt und seine Auswirkungen. Tichys Einblick, 112 Seiten, 12,00 €. Soeben erschienen und EXKLUSIV im Tichys Einblick Shop >>>
Redaktion
Dass die am UN-Migrationspakt beteiligten Staaten sich ausdrücklich verpflichten, diese verzerrende Sicht innerstaatlich mit Staatspropaganda durchzusetzen, ist nicht nur außergewöhnlich – es ist antidemokratisch.
meinungen
2018-12-03T12:33:48+00:00
2018-12-05T16:05:58+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/wozu-verpflichtet-der-un-migrationspakt/3/
Habecks großer Heizungs-Schwindel – und die ganze Koalition macht mit
Robert Habeck will den Tod der Gasheizung durch die Hintertür. So viel steht fest, seitdem klar ist, dass bis 2035 zwar noch Gasheizungen betrieben werden dürfen, aber nur, wenn die Netzbetreiber sich dazu verpflichten, Wasserstoff durch das Netz zu schicken. Wenn die Heizung keinen Wasserstoff verträgt, ist der Heizungsbesitzer genötigt, die Heizung zu ersetzen. So simpel, so dreist. Der Rückbau des Gasnetzes war schon lange ein Plan der Agora Energiewende, deren einstiger Direktor heute Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium ist. Mit dem Ukraine-Krieg oder anderen aktuellen Ereignissen hat dieses Vorhaben also wenig zu tun. Die Wärmepumpe galt schon damals als Zugpferd. So gab die Agora im Juni 2021 – vor der Regierungsübernahme und als Graichen noch Direktor des Think-Tanks war – vor: „Wärmepumpen gewinnen beim Einbau neuer Heizungen bis Mitte der 2020er Jahre große Marktanteile, insbesondere im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser. Im Jahr 2030 werden sechs Millionen Wärmepumpen eingesetzt. Grüne Fernwärme gewinnt in urbanen Räumen eine stärkere Bedeutung. Nach 2025 werden nur noch in wenigen Ausnahmefällen neue Heizungen auf Basis von Heizöl und Erdgas in Betrieb genommen.“ Habeck fügt hinzu: Eine solche Umstellung sei nur eine Ausnahme, er ließe sich aber gerne eines Besseren belehren. „Die Produktion von Wasserstoff alleine ist im Moment noch sehr viel teurer und das heißt, selbst wenn er verfügbar wäre, glaube ich nicht, dass das ein Modell für alle, für die breite Masse wäre.“ Heißt: Es ist egal, was der Bürger tut. Wenn er sich jetzt keine teure Wärmepumpe anschafft, wird er spätestens in zehn Jahren dazu gezwungen, weil entweder die eigene Heizung nicht mit Wasserstoff auskommt und ersetzt werden muss; oder, weil die Netzbetreiber den Sinn nicht sehen und deswegen lieber gleich die Sache sein lassen; und dass, selbst wenn beides doch klappt, der Wasserstoff so teuer ist, dass der Bürger an den Kosten für den Betrieb der Heizung zugrunde geht. Das Ergebnis bleibt immer gleich: Alle, die nicht zu den Profiteuren der Umstellung gehören, werden ärmer. Habeck spielt mit gezinkten Karten, und die Ampel spielt mit. Warum die versprochene technologieoffene Lösung in Wahrheit keine ist, schreibt uns ein ranghoher Beamter:
Marco Gallina
Robert Habeck versucht, den Anschein der Technologieoffenheit zu wahren. Doch diese Idee scheitert an den Widersprüchen, die der Grüne nicht auflösen kann. Fazit: Es ist egal, was der Bürger tut. Wenn er sich jetzt keine Wärmepumpe anschafft, wird er spätestens in zehn Jahren dazu gezwungen.
daili-es-sentials
2023-04-08T13:27:25+00:00
2023-04-09T07:24:24+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/robert-habeck-wasserstoff/
Sollte die Regierung wirklich Moscheegemeinden fördern?
Einmal wurde der Meister zum König gerufen. Der Meister schien verwechselt zu haben, mit wem er da sprach, denn er sagte: »Es ist mir eine Ehre, einen so angesehenen Kaufmann zu treffen!« Die Beamten des Königs zischten und wollten den Meister schnell korrigieren, vielleicht sogar für seine Unhöflichkeit bestrafen. Der König aber war nicht so lange König geblieben, weil er dumm gewesen wäre, und selbstverständlich war dem Meister sein Ruf vorausgeeilt, sonst wäre er ja nicht an den Hof berufen worden. Der König fragte: »Du sagst, dass ich ein Kaufmann bin – was macht mich denn zum Kaufmann?« Der Meister fragte den König: »Nehmt ihr das Geld der Menschen?« »Ja«, antwortete der König, »doch man nennt es Steuern.« Der Meister fragte: »Bietet ihr den Menschen nicht Straßen und Ordnung, Schutz vor Feinden und Schutz vor Unrecht?« »Selbstverständlich biete ich Schutz«, sagte der König stolz. Der Meister fragte weiter: »Und was würden die Menschen tun, wenn ihr zwar Geld nähmet, aber die Straßen verkommen ließet und die Bürger nicht mehr vor Feinden und Unrecht schützen würdet?« Der König dachte nach und antwortete nicht gleich auf die Frage. Er entließ den Meister mit einem großzügigen Geschenk, und er sagte dazu: »Ein ehrbarer Kaufmann liefert, wofür er Geld fordert, und er zahlt auch stets seine Rechnungen.« Ein Schüler, der vom Auftritt des Meisters beim König gehört hatte, bat um eine Erklärung. Der Meister sagte: »Was ist denn der Unterschied zwischen einem Kaufmann und einem König? Der Kaufmann muss die Menschen verführen und überzeugen, ihm Geld zu geben. Der König kann und muss es geradeheraus befehlen. Doch beide, König wie Kaufmann, müssen sich vor dem, der ihnen das Geld gab, dafür rechtfertigen, was sie dafür leisteten, was jene dafür bekamen. Beide, Kaufmann wie König, haben Macht, und diese Macht müssen sie täglich sichern und ausbauen, um sie nicht zu verlieren. Was geschieht denn mit einem König, der seine Macht nicht festigen kann, dem die Beherrschten den Gehorsam aufkündigen?« Der Schüler zögerte, darüber zu sprechen. Der Meister nickte, womit er dem Zögern zustimmte, und dann erklärte er: »Ein Kaufmann, den seine Kunden nicht mehr unterstützen und ihn also nicht mehr bezahlen, dem dann die Angestellten davonlaufen, weil er ihren Lohn nicht mehr zahlen kann, so ein Kaufmann kann, wenn er sich nicht allzu sehr verschuldet hat, noch immer davonkommen und selbst als Arbeiter zu Lohn und neuem Ansehen kommen. Ein König aber, dem die Untertanen den Gehorsam aufkündigen, ist der noch ein König zu nennen? Ein kluger Kaufmann ist freier als ein König.« Es gibt Spaß-Fahrräder, die biegen nach links ab, wenn man nach rechts lenkt – eine spezielle Zahnrad-Konstruktion im Lenker macht es möglich. Ein Motivations-Trainer ist dafür bekannt, einem Zuschauer aus dem Publikum auf der Stelle 100 Dollar zu zahlen, wenn der Zuschauer mit dem Trick-Fahrrad einmal über die Bühne fährt, ohne hinzufallen – der Trainer wird den Geldschein einfach nicht los… (auf YouTube gibt es einige Aufnahmen dazu sowie den Bericht eines Menschen, der beschloss, es zu lernen). In der deutschen Politik gibt es einen jungen Herren, der bekannt dafür ist, rechts zu blinken und dann doch irgendwie zufällig abzubiegen, was zusammen jenem Fahrrad nicht ganz unähnlich ist. Herr Seehofer, ein Mann der starken Töne und sanften Taten, hat angekündigt, 7 Millionen Euro zur Förderung für Moscheegemeinden auszugeben – sogar der Staatsfunk berichtete stolz davon: tagesschau.de, 15.11.2019. Die »Moscheen sollen offener für Nicht-Muslimische werden«, so hören wir (faz.net, 15.11.2019). Man will die Ausbildung von Imamen in Deutschland fördern. Es soll irgendwie zur »Integration« beitragen, und »Integration« ist einer jener »Totschlag-Begriffe«, mit dem heute Geld und Verstand locker gemacht werden. Wie auch andere Projekte der Regierung Merkel weist diese Idee eine Reihe logischer und inhaltlicher Probleme auf – ja, ich will gern der »Miesmacher« sein, der auf den Eisberg hinweist, auch wenn die Kapitänsbrücke die Gefahr nicht wahrhaben will – was sonst soll ich tun? Der Staat darf eigentlich nicht religiöse Arbeit finanzieren, also wird man hier »andere Projekte« finanzieren (siehe etwa stuttgarter-zeitung.de, 15.11.2019) – oder, anders formuliert: Man will Moscheegemeinden fördern, ohne die Religion zu fördern – häh? Nun, wir leben in Zeiten des »heiligen Widerspruchs« (siehe »Talking Points«) und wir holzen ja auch Bäume ab (1, 2, 3) und töten Tiere (1, 2, 3), um die Umwelt zu schützen, warum sollten wir nicht auch die Projekte von Moscheegemeinden fördern, um, ääh… womit wir beim nächsten inhaltlichen Problem wären. Im Bullshit-Bingo politischer Korrektheit sind Ausdrücke wie »Integration«, »Toleranz« oder »Zivilgesellschaft« sichere Treffer in jeder politisch korrekten Spielrunde. Wenn ein politisches Hülsenwort wie »Integration« verwendet wird, sollte der mündige Bürger aufhorchen. Die erste Frage muss nicht unbedingt sein, was konkret gemeint ist, sondern ob überhaupt etwas kohärent gemeint sein kann. Man will mehr »Integration«, sagt man, indem man die »Projekte« religiöser Vereine fördert. Was bedeutet das? Wie ernst ist das Anliegen, zu beeinflussen, was in den Moscheen gelehrt wird – sprich einen »neuen« Islam zu erfinden? (Vergleiche auch »Wenn Politiker sich aufmachen, Religionen zu reformieren«.) Man fördert eine Religion, welche die Welt in »Gläubige« und »Ungläubige« teilt – und das soll gut für die Integration sein? Hofft man gar, ein zentrales Element dieser Religion ganz zu streichen? Der Sinn erschließt sich mir nicht unmittelbar. (Heute wird ja selbst der Bau eines Segregations-Schwimmbades nur für Muslime als »Integration« verkauft, siehe faz.net, 15.11.2017, hinter Paywall.) Selbst wenn es gelingen könnte, bliebe die Frage: Ist es die Aufgabe des deutschen Staates, eine Religion »reformieren« zu wollen? Zahlt die sprichwörtliche Krankenschwester wirklich Geld, um »den Islam« zu reformieren – oder irgendeine andere Religion? Werden nach dem Prinzip der Gleichbehandlung auch buddhistische Tempel oder die Projekte von Scientology gefördert? Aus Perspektive des Islam aber gefragt: Man muss kein Muslim sein, um sehr skeptisch zu werden, wenn sich der Staat anmaßt, einen Glauben umbauen zu wollen, direkt oder indirekt. Wie werden die ausgewählten Gemeinden denn »nach innen hin« die Annahme des Geldes erklären? Werden sie wirklich sagen, dass sie nach Anleitung der »Kuffar« den eigenen Glauben »reparieren« wollen?! War der denn »defekt«?! Oder werden sie eher sagen, dass sie zwar das Geld der Ungläubigen annehmen werden, und dann doch machen werden, was ihnen ihre eigentliche Religion vorschreibt? Die WELT-Politikredakteurin Ricarda Breyton kommentiert Seehofers Anliegen mit einer als Hoffnung verkleideten Befürchtung: »Hoffentlich spielt er nicht den konservativen muslimischen Verbänden in die Hände.« (welt.de, 15.11.2019) Wir haben in den letzten Jahren gewisse Erfahrungswerte sammeln dürfen, besonders im Hinblick auf die »hoffentlich nicht« eintretenden Folgen gutmenschlicher Ansinnen. Dass es eine gute Idee ist, Geld zu verteilen an Institutionen, welche die Menschen qua Glaubenssätzen in »Gläubige« und »Ungläubige« teilen, deren explizites Ziel die Missionierung sein muss, sprich die Islamisierung ihrer Umgebung, so eine Idee ist fürwahr »gutmenschlich« zu nennen. »Gutmenschliche« Projekte und Entscheidungen sind Maßnahmen, bei denen der Misserfolg abzusehen ist, die aber dennoch umgesetzt werden, »weil es sich gut anfühlt« und »aus moralischen Gründen«. Frühe Mahner und Kritiker werden ausgegrenzt und diffamiert (»Hetzer«, »Hass ist keine Meinung«, etc.) – und später kann es passieren, dass das absehbare Scheitern eben den frühen Mahnern und Kritikern angelastet wird. Geld an Moscheevereine ist nicht das erste deutsch-gutmenschliche Projekt, und es wird wohl nicht das letzte sein, solange Staatsfunk und Haltungsjournalisten eine ausreichende Zahl von Deutschen überzeugen, gegen ihre eigenen grundlegenden Interessen »Haltung zu zeigen«. Doch, allein dass eine Idee der Merkel-Regierung »gutmenschlich« ist und damit aller Wahrscheinlichkeit nach das Gegenteil ihres behaupteten Zieles erreicht, das allein ist heute keine bemerkenswerte Meldung mehr – schlussfolgern Sie daraus, was Sie mögen. Gutmenschliche Projekte sind kontraproduktiv und sie verschwenden das Geld hart arbeitender Bürger, doch dieses konkrete Vorhaben unterscheidet sich etwa von den Vogelhäckslern im Wald dadurch, dass hier moralische und finanzielle Macht umverteilt wird. Macht ist die Möglichkeit, andere Menschen seinem Willen unterzuordnen und mindestens ihre Handlungen zu bestimmen, oft aber auch ihr Denken und Wollen. In Deutschland sind die größten Machtblöcke verteilt auf einen demokratisch legitimierten Teil, und dazu auf die sogenannte »vierte Macht«, die als eigener Machtblock fungierenden Medien, hier insbesondere der von Zwangsgebühren finanzierte »Öffentlich-rechtliche Rundfunk«. Weniger greifbar sind Machtblöcke wie Ideen und Ideologien, und ihre Machtfülle wird noch immer sträflich ignoriert, vor allem von Konservativen und Liberalen, trotz aller geschichtlichen Erfahrung. Auf Ideen fußende Religionsgemeinschaften können ihre Macht auf mehrere Arten ausüben, traditionell durch den Einfluss auf Gewissen und Gemüt – und ebenso traditionell mit Geld. Früher konnten die Könige und Fürsten ihren Untertanen befehlen, für sie zu arbeiten. Wer aber qualifizierte und zur Sorgfalt motivierte Arbeiter will, der kann nicht einfach befehlen, der muss einen Gegenwert anbieten – sei es Bier wie wohl beim Bau der Pyramiden (und als Bonus bei manch anderem Bau noch viele Jahrtausende später), oder eben Geld. Es existiert manche Deutung dazu, was Geld auf philosophischer Ebene eigentlich darstellt, und meine Deutung lautet: Geld ist codierte Arbeitszeit. Der eigentliche »Wert« von Geld ist die Arbeitszeit, die man dafür erhält. Wenn Macht darin besteht, die Handlungen und Gedanken anderer Menschen zu bestimmen, dann ist Geld natürlich eine Form von Macht – nicht die einzige, aber sicher eine der robustesten. (Nebenbei: Was wird den Wert von Geld ausmachen, wenn alle Arbeit von Robotern erledigt wird? Ein unwahrscheinliches Szenario, nicht nur weil Roboter noch von Menschen gebaut werden, aber doch bedenkenswert.) Die Macht, den Bürger zu zwingen, seine Arbeitszeit den Herrschenden zur Verfügung zu stellen, wird heute durch Steuern indirekt realisiert. Der Bürger wird gezwungen, Steuern und Zwangsgebühren zu zahlen, damit der Staat die Straßen und Krankenhäuser bauen kann, damit er sein Heer von Beratern in Ministerien finanzieren kann, in den letzten Jahren zunehmend natürlich, damit er die Bürger anderer Staaten gratis mit Wohnungen und Einkommen versorgen kann – und natürlich zur Finanzierung der Propaganda und der politiknahen Medien, die den Bürger davon abhalten, zu rebellieren und mehr Rechte (im doppelten Sinn, klar) einzufordern. Wenn einer Religionsgemeinschaft das Geld der »Ungläubigen« gegeben wird, damit sie ihre Projekte umsetzen kann, wenn zugleich Kritik an dieser Religionsgemeinschaft bekämpft und verfolgt wird (oder zumindest die Verfolgung immer im Raum steht), dann lässt sich sagen, dass die Regierung dieser Religion etwas von ihrer Macht abgibt. Im Text »Erdoğans Kaserne« (zur Einweihung der großen Moschee in Köln) habe ich das Gleichnis vom Kamel und dem Reisenden im Sandsturm nacherzählt. Erst bittet das Kamel nur darum, seine Nase ins Zelt stecken zu dürfen, denn die Augen – und schließlich schläft das Kamel im Zelt und der Reisende draußen. Deutschland überträgt dem Islam konkrete Macht. Muslimische Profi-Empörte und ihre Vertreter in Parteien und Medien versuchen zu bestimmen, was nicht gesagt werden darf, wenn man seine Existenz nicht vernichtet sehen will. Seehofer spricht von der Ausbildung von Imamen in Deutschland – was ist denn die Aufgabe eines Predigers (prinzipiell zunächst unabhängig von der Religion!), wenn nicht eben jene, Einfluss zu nehmen auf die Denkweisen und Handlungen seiner Gläubigen? Als Staat eine Religion zu fördern, direkt oder über »Projekte« oder »Anti-Hate-Speech«, bedeutet, dieser Religion mehr Macht in die Hand zu geben. Im Text »Islamisierung« von Mitte 2018 untersuche ich, ob man sagen kann, dass Deutschland »islamisiert« wird – und dagegen spricht wenig mehr als Sprechverbote, wonach es »böse« und »tabu« sei, das so zu sagen. Das Problem ist: Viele der Menschen, die nach Deutschland migrieren, kommen aus Ländern, die bereits islamisiert sind. Nehmen wir an, das »Experiment« misslingt und die Geistesgrößen in der Regierung (und die Vereine, die sich darauf verstehen, deren Geld abzugreifen) sind nicht in der Lage, die Weltreligion zu »reformieren« – was ist der »Plan B«? Anders als Herr Yücel schreibt (taz.de, 4.8.2011), findet sich nicht allemal »etwas besseres als Deutschland«, zumindest nichts mit so offenen Grenzen und suizidaler Toleranz. Gutmenschliche Politik geht mit Deutschland um, als hätte sie ein zweites Land im Kofferraum – oder in eigener Sache eine »Anschlussverwendung« in der Schublade. Die Politik nimmt den Bürgern viel Geld weg, doch hält der regierende Kaufmann auch seinen Teil des Geschäfts ein? Nicht nur wie die Regierung Merkel ihre Macht ausübt ist problematisch, auch die zunehmende Menge an abgegebener Macht und Verantwortung ist ein Problem, sei es die Macht, die explizit oder implizit an die EU abgegeben wird oder rechtsstaatliche Aufgaben, die via NetzDG an private Firmen »outgesourct« werden (zeit.de, 30.6.2017: »Mal eben den Rechtsstaat outsourcen«) – dass de facto Macht an den Islam abgegeben wird, etwa durch Förderung von »Projekten«, um nicht explizit eine Religion zu fördern (nennen Juristen etwas ähnliches nicht »Gesetzesumgehung«?), solche aus demokratischer Sicht problematischen Macht-Verluste sind bereits ein Muster dieser Regierung. »Ein ehrbarer Kaufmann liefert, wofür er Geld fordert«, so sagt der König in unserer heutigen Meister-Geschichte. Die Regierung nimmt uns Macht ab und auch sehr viel Geld – und dann reicht sie das Geld und die Macht an Institutionen weiter, die wir ganz und gar nicht gewählt haben. Liefert die Politik denn, wofür sie Macht und Geld fordert? Wenn ja, dann ist alles gut. Wenn wir aber zur Erkenntnis kommen, dass die Politik nicht liefert, wofür sie Macht und Geld fordert, dass sie vielleicht sogar stattdessen dem Land, seinen Bürgern und letztendlich der freiheitlichen Gesellschaft nachhaltigen Schaden zufügt, dann müssen wir die Frage stellen: Wie konnte es dazu kommen? Die heutige Meistergeschichte schließt: »Ein kluger Kaufmann ist freier als ein König«. In dummen Zeiten gilt es, klug zu sein, um sich seine Freiheit zu bewahren, klug wie ein kluger Kaufmann. Zur Klugheit gehört, seine eigenen Rechnungen zu bezahlen und zu liefern, was versprochen wurde – zur Klugheit und zum blanken Überlebenswillen gehört auch, von anderen zu fordern, dass sie ihre Rechnungen bezahlen, und dass sie liefern, was versprochen und vereinbart wurde. Wenn ein Geschäftspartner nicht liefert, was er liefern sollte, wechseln wir eben den Geschäftspartner – die Demokratie ist dafür da, dass wir es mit der Regierung ebenso halten! Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.
Sofia Taxidis
Der Staat darf eigentlich nicht religiöse Arbeit finanzieren, also wird man hier »andere Projekte« finanzieren – oder, anders formuliert: Man will Moscheegemeinden fördern, ohne die Religion zu fördern – häh?
meinungen
2019-11-18T13:28:59+00:00
2019-11-18T13:43:38+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/sollte-die-regierung-wirklich-moscheegemeinden-foerdern/
Das Spiel der Spiele ist angepfiffen.
Die CSU kämpft um Revanche. Sie will ihren größten, ihren historischen Fehler korrigieren. Sie ist 2015 Merkel gefolgt. Sie hat sie noch einmal zur Kanzlerin gemacht. Deshalb geht es nur vordergründig um ein strengeres Grenzregime. Es geht um Merkel. Um ihr Regime, um ihre pervertierte Vorstellung von Demokratie als Diktatur vermeintlicher Moral. Um die dreifache Spaltung, die sie zu verantworten hat: Europa, Deutschland, Union. „Noch nie hat sich nach einer Regierungserklärung … eine solche Atmosphäre geistiger Öde verbreitet“ schrieb ein Parteifreund des Kanzlers. Und auch der wichtigste Koalitionspartner sah die Bundesrepublik am „Scheideweg“. Hört sich alles sehr heutig an, ist es aber nicht. Wir schreiben das Jahr 1982. Die geistige Öde beklagte Erhard Eppler, das „Wendepapier“ verfasste Graf Lambsdorff, in dem er den Reformstau kritisierte. Kanzler Schmidt verlor den Rückhalt der eigenen Partei wie des Koalitionspartners FDP. Und dann? Veranstaltete er Krisensitzungen? Schlug er Kompromisse vor, die keine waren? Bat er Willy Brandt um Vermittlung? Er stellte fest, dass die FDP die Grundlagen der Koalition verlassen hat und entließ die FDP-Minister aus seinem Kabinett. Er feuerte sie, kam ihrem Rücktritt zuvor – auch wenn es das Ende seiner Kanzlerschaft bedeutete. Aber Schmidt hatte Statur, hatte Ehre im Leib. Eine Eigenschaft, die nur noch in alten Romanen zu finden ist, wie es scheint. Und heute? Dass die CSU die Revision von Merkels Flüchtlingspolitik fordert, ist weitaus gravierender als das, was damals SPD und FDP entzweite. Gegen die „Achse der Willigen“ war das Wendepapier einst ein versöhnliches Angebot. Merkel hätte Seehofer auf der Stelle entlassen müssen. Aber es geschah nicht. Anders als Schmidt verliert sie lieber ihr Gesicht als ihr Amt. Wer nimmt Merkel noch die Notlüge ab, sie kämpfe um eine EU-konforme Lösung? Die regierungstreuen Medien nehmen es ihr immer noch ab. Abgesehen davon, dass es nicht gelingen kann: Niemand hat den europäischen Konsens schamloser ignoriert als Merkel. Irgendwann wird es hoffentlich ein europäisches Asylrecht geben. Schon, weil es die einzige Möglichkeit ist, die Willkommen-im-besten-Sozialstaat-der-Welt-Kultur auf ein vernünftiges Maß zu begrenzen. Bis es soweit ist, muss Deutschland allein handeln, so recht und schlecht es eben geht. Auch mit der Korrektur der verhängnisvollen Grenzöffnung. Spieltheoretisch handelt es sich um das klassische Chickengame. Zwei fahren aufeinander zu. Wer ausweicht, hat verloren. Weicht keiner aus, sind beide hin. Den größten Nutzen hat der Spieler, der kaltblütig weiterfährt, während sein Mitspieler Angst bekommt und ausweicht. Der Ausweichende hat zwar die Mutprobe nicht bestanden, jedoch sein Leben (sein Amt) behalten. Weichen beide aus, haben sie beide verloren und überleben dennoch. Das ist es, was wir gegenwärtig beobachten. Auch Seehofers Mitgliedschaft in jener Vereinigung, die Merkel anführt, ist nur noch spieltheoretisch zu verstehen. Wenn er glaubt, Merkel halte stur Kurs, müssen die CSU-Minister zurücktreten. Sie hat aber das Lenkrad schon eingeschlagen. Wir wissen nur noch nicht, ob es eine Finte ist. Rechts antäuschen und links Kurs halten. Seehofers Ausharren im Amt ist nur zu verstehen, wen man annimmt, dass er Merkels Regime aus der Regierung heraus beenden will. Dann muss er es jetzt tun. Jetzt sofort. Eine bessere Gelegenheit kommt nicht mehr. Dann gibt es keinen Kompromiss mehr. Es geht nicht um eine Krise der deutschen Demokratie. Noch nicht einmal um ein Ende der CDU/CSU-Union. Das Ende von Merkel ist keine historische Katastrophe. Die Einheit der Union ist nicht in Gefahr. Im Gegenteil. Diese Einheit kann es nur noch ohne Merkel geben. Ist sie erst einmal gestürzt, wird sich die Union schnell wieder zusammen fügen. Merkels Macht ist schon heute verschlissen. Die CDU würde ihr niemals gestatten, eine Regierung ohne die CSU (aber mit den Grünen) zu bilden. Das können sich ihre Bewunderer aus dem Kopf schlagen. Weil Seehofer das weiß, kann er Kurs halten. Betrachten wir also die Lage emotionslos. Merkel benutzt zwar Gefühle, hat aber keine. Sie will die Sache in die Länge ziehen. Vielleicht setzt sie auf die WM und hofft, dass nun jener Wahnsinn alles in den Schatten stellen wird, den wir Fußball nennen. Es könnte eine Fehlkalkulation sein. Denn selbst der Fußball ist infiziert von Merkels Politik. Nicht die Dummheit zweier Kicker mit türkischen Namen versaut die Stimmung in und außerhalb der „Mannschaft“. Vielmehr ist es ein Resultat von Merkels irrationaler Politik, wenn die Dummheit zweier Nationalspieler dafür herhalten muss, dass Integration gar nicht möglich sei. Merkel hat das Klima geschaffen, in dem diese Affäre zur Staatsaffäre werden musste. Niemand anderes als Merkel hat das zu verantworten. Sie bewirkte das Gegenteil des Beabsichtigten. Jetzt versaut sie den Deutschen auch noch den Spaß am einzigen, das sie eint. Ein zweites Sommermärchen muss schon deshalb ausfallen, weil Deutschland heute ein von Merkel gründlich verändertes Land ist. Mit dem Deutschland vor vier Jahren hat es nicht mehr viel zu tun.
Sofia Taxidis
Ein zweites Sommermärchen muss schon deshalb ausfallen, weil Deutschland heute ein von Merkel gründlich verändertes Land ist. Mit dem Deutschland vor vier Jahren hat es nicht mehr viel zu tun.
kolumnen
2018-06-16T05:44:35+00:00
2018-06-16T05:44:36+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/herles-faellt-auf/das-spiel-der-spiele-ist-angepfiffen/
Wenn kranke Beamte ein Parlament lahmlegen
Schon wieder die Irren in Berlin, werden Sie vielleicht denken, lieber Leser, und Sie haben ja auch Recht. Doch wir alle kommen nicht um die Tatsache herum, dass in der Bundeshauptstadt vieles schon früh besichtigt werden kann, was irgendwann später dann in der ganzen Republik ganz normal wird. Berlin war früh pleite, in Berlin waren früh die Grünen eine vor allem kulturell dominierende Kraft, in Berlin gab es früh ein Bündnis von SPD und der ehemaligen SED, Berlin hatte früh einen offen schwulen Regierungschef. In jüngerer Zeit hat Berlin früh nachgewiesen, dass unser Staat keine großen Bauprojekte mehr bewältigen kann (Flughafen) und sogar mit der Durchführung von ganz normalen Wahlen überfordert ist. Und jetzt zeigt Berlin, wie kranke Beamte ein Parlament lahmlegen. Das kommt so: Die Stadt hat zwölf Verwaltungsbezirke. Die haben jeweils um die 300.000 Einwohner, sind also selbst jeweils eine ordentliche Großstadt für sich. Deshalb haben sie auch eigene Regionalparlamente. Die heißen in der Hauptstadt „Bezirksverordnetenversammlung“, kurz BVV. Im gutbürgerlichen und wohlhabenden Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ist nun die für Donnerstag anberaumte Sitzung der BVV abgesagt worden. Der Grund: Alle drei Mitarbeiter im BVV-Büro, also in der Geschäftsstelle des Parlaments, haben sich krankgemeldet. Das passiert nun schon zum zweiten Mal innerhalb von nur zehn Monaten. Im März 2024 musste eine BVV-Sitzung aus exakt demselben Grund ausfallen. Das BVV-Büro ist für die Vorbereitung der Tagesordnung, für die Protokollführung, für Auszählungen bei Abstimmungen und für die Nachbereitung von Beschlüssen zuständig. Auf der Tagesordnung standen diesmal durchaus drängende Probleme. Unter anderem wollten die Lokalpolitiker darüber beraten, wie trotz der Sparzwänge die Sozialstation einer Grundschule gerettet werden könnte. Auch über die Abwendung eines befürchteten Verkehrschaos wegen Bauarbeiten an einem vielbefahrenen Autobahndreieck wollte man sprechen. Der Berliner würde sagen: Fällt jetzt aus wegen is’ nich’. In der Hauptstadt hängt die Demokratie also vom Krankenstand in der Verwaltung ab. Das ist, um unseren Satz vom Anfang aufzugreifen, in der Tat irre. Aber es ist noch nicht einmal die finale Pointe. Denn jeder Berliner Stadtbezirk hat nicht nur ein eigenes Regionalparlament, sondern auch eine eigene Regionalregierung. Deren Mitglieder heißen Bezirksstadträte, der Chef ist der Bezirksbürgermeister. Die haben natürlich in ihrer Bezirksverwaltung – dem sogenannten Bezirksamt – auch Mitarbeiter. Und zwar viele. Doch die grüne Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch, qua Amt oberste Personalchefin der Bezirksverwaltung, will der BVV ausdrücklich nicht helfen. Sie lehnt es ab, auch nur zeitweise ein paar Mitarbeiter als Aushilfen zu schicken, damit das Regionalparlament tagen kann. Berlin, wir haben es angemerkt, ist bei allen negativen Entwicklungen immer ein bisschen früher dran als der Rest des Landes. Es ist also eher wahrscheinlich, dass irgendwann auch Sitzungen des Bundestages ausfallen, weil in der Bundestagsverwaltung zu viele Beamte Grippe oder Rücken haben. So sieht es inzwischen aus: das Land, in dem wir gut und gerne leben.
Anna Diouf
Stell’ dir vor, es ist Demokratie, und keiner geht hin: In der Bundeshauptstadt kann ein Bezirksparlament nicht tagen, weil zu viele Mitarbeiter im Parlamentsbüro krank sind. Die Bezirksregierung schickt keine Beamten als Aushilfe. Ein Lehrstück über Bürgerverachtung.
meinungen
2025-01-23T09:40:38+00:00
2025-01-23T09:40:39+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/wenn-kranke-beamte-ein-parlament-lahmlegen/
Die Schweizer "Weltwoche" will den Faktencheck - Seite 3 von 4
Der Teufel steckt bekanntlich im Detail, und deswegen bahnt sich mit den unkonkreten Einlassungen vieler Behörden zu den Hooligandemonstrationen und den daraus abgeleiteten vagen Begründungen für deren Untersagung eine unheilvolle neue Praxis an. Es ist ausgeschlossen, dass alle Welt schreit, dass die Demonstrationsfreiheit ein hohes Rechtsgut sei, um dann gleichzeitig nach einem Verbot zu rufen, wenn es beispielsweise um Hooligans geht. Ein Grundrecht darf nicht nach Belieben weg administriert werden. Grundrechte schützen ja gerade vor solcherart hoheitliche Willkür. Deshalb geht es nicht um die Verharmlosung rechter Gewalt und auch nicht um die gegenseitige Aufrechnung von Gewalttaten. Es geht um den Schutz des Grundrechts auf Demonstration, das die Linke jetzt für sich monopolisieren will. Die gesellschaftliche Schizophrenie in Sachen politischer Justiz wird durch den aktuellen Hooliganfall in besonders krasser Form deutlich. Noch auf jeder linksradikalen Gewaltveranstaltung war das Ergebnis am Ende immer: Die Polizei war der eigentliche Täter, der eigentliche Provokateur, die Polizisten hatten selber Schuld usw. usf. Die Leier ist bekannt. Bei einer Hooligandemo führen diejenigen, die die Polizisten notorisch Bullenschweine nennen und ihre Hasskappen gegen die Polizei immer dabei haben, jeden verletzten Polizisten in Köln als Beweis für die Gewalttätigkeit der Hooligans.  Hier werden Opfer instrumentalisiert. Besonders bedenklich ist es, wenn die Polizei selber diese Schizophrenie auch noch beflügelt. Hooligangewalt  ist zu verurteilen, ohne wenn und aber. Rechtsradikalen oder Neonazis, die sich unter eine Hooligandemonstration mischen, muß mit den gebotenen staatlichen Mitteln entgegengetreten werden. Aber hoheitliche und öffentliche, höchst willkürliche Unterscheidung von Gewaltkriminalität in linke, rechte, islamistische oder sonstige Gewalt, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die unterschiedliche Ausschöpfung des hoheitlichen Reaktions-oder Sanktionsrahmens je nach Gusto oder gerade herrschendem Zeitgeist ist mit dem Grundgesetz nicht zu machen. Der Rechtsstaat beweist sich gerade dort, wo die Meute versagt. Und der Rechtsstaat ist eben systematisch hoheitlich beschädigt, wenn eine Küstenbarbie das linksradikale Milieu ganz offensichtlich zu einer hochdotierten Privatsheriffveranstaltung umfunktioniert um auf eine sehr diffuse Weise Rechtsradikalismus mit autonomen Guerilleros bekämpfen zu lassen. Dann stinkt der Rechtsstaat. Man muss, wenn man die Rechtswirklichkeit, die entscheidende Bedeutung bei der Rechtsfindung hat, beurteilen will, sehr viel tiefer und präziser in die Demonstrationsgeschichte der Bundesrepublik einsteigen, als es bei den jetzt angedachten Schnellverfahren gegen Hooligans geschieht. Bei der exzessiven, radikal linken Gewalt ist die Demonstrationsfreiheit des Grundgesetzes seit Jahrzehnten überdehnt worden.  In der Tat ist angesichts dieser überdehnten Rechtspraxis das jetzt angedachte Kappen der grundgesetzlich geschützten Demonstrationsfreiheit auf Verwaltungsebene zwar verständlich – aber trotzdem eine verfassungsrechtlich bedenkliche Aushebelung des Grundrechtes der Versammlungs-und Demonstrationsfreiheit. Im Gesetzgebungsbereich würde man das ein Maßnahmegesetz nennen. Maßnahmegesetze sind verfassungswidrig.
Das Schweizer Magazin "Die Weltwoche" gab dem Hamburger AdF-Gründungsmitglied und Beobachterin der Kölner Hooligan-Demo, Tatjana Festerling, letzte Woche die Möglichkeit, ihre Wahrnehmung der Demonstration zu schildern. Jetzt erklärte der Chefredakteur Roger Köppel warum er dies tat.
daili-es-sentials
2014-11-10T12:50:16+00:00
2014-11-26T10:50:48+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/die-schweizer-weltwoche-will-den-faktencheck/3/
Brexit: Das Endspiel endet im Chaos, aber nicht nur für London
Großbritannien, dieser Eindruck ist überwältigend stark in diesen Tagen, versinkt im Chaos. Eine Regierung, die im Parlament eine klare Mehrheit gegen sich hat, versucht dennoch das Land ohne ein Abkommen aus der EU zu führen, nachdem das von May ausgehandelte ursprüngliche Austrittsabkommen auch an eben jenen Abgeordneten gescheitert war, die jetzt den Kern der Regierung bilden. Boris Johnson, der britische Premierminister, hatte offenbar darauf gesetzt, die Opposition durch eine Vertagung des Parlaments für mehrere Wochen und durch anschließende Neuwahlen ausmanövrieren zu können. Dieses Manöver ist fürs Erste gescheitert. Corbyn mag ein linker Träumer sein, dessen Ziel es ist, Großbritannien in einen sozialistischen Idealstaat – womöglich „zionistenfrei“ – zu verwandeln, aber wie viele nur begrenzt zurechnungsfähige Politiker beherrscht er dennoch das Handwerk der Tagespolitik und wird von vollständig skrupellosen, aber hochintelligenten Marxisten wie dem früheren Journalisten Seumas Milne beraten. Unter Corbyns Führung hat das Parlament beschlossen, der Regierung den Auftrag zu erteilen, eine weitere Verlängerung der Austrittsfrist für Großbritannien zu beantragen. Ob das Parlament wirklich das Recht hat, in einer Frage, die auch im 21. Jahrhundert noch in den Bereich der faktisch von der Regierung ausgeübten königlichen Prärogative gehört, so detaillierte Weisungen zu erteilen, ist keineswegs ganz klar, und müsste eventuell durch ein Gerichtsurteil geklärt werden. Kommt Johnson freilich der Aufforderung des Parlamentes buchstabengetreu nach, hat er kaum eine Chance, eine spätestens Ende November dann doch unvermeidliche Neuwahl zu gewinnen, denn aus der Sicht des harten Kerns der Brexiteers, deren Sprecher Nigel Farage ist, hätte er dann gezeigt, dass er genauso schwach und unentschlossen wie Theresa May ist. Eigentlich hätte es für die Opposition nahegelegen, die Regierung sofort durch eine Misstrauensvotum zu stürzen; dies hätte allerdings voraussichtlich noch rascher zu Neuwahlen geführt – eine ausreichende Mehrheit für eine Regierung Corbyn gibt es im Parlament vermutlich nicht –, die Johnson dann nach vollzogenem Brexit durchaus hätte gewinnen können. Jetzt hingegen verlassen immer mehr moderate konservative Politiker die Partei, da ihnen ein harter Brexit, der überdies gegen den expliziten Willen des Parlamentes vollzogen würde, als die schlimmste Option erscheint, schlimmer noch als eine verlorene Neuwahl oder der Untergang der Tories. Wie konnte es soweit kommen? Ein Schlüssel zum Verständnis der jetzigen Lage ist, dass in England viele verfassungsrechtliche Fragen faktisch nicht eindeutig geklärt sind, weil das Land nun einmal keine geschriebene Verfassung besitzt. Im Zweifelsfall gelten ungeschriebene Konventionen, deren Anwendung freilich einen stillschweigenden Konsens voraussetzt, den es in der gegenwärtigen Lage, in der selbst der Sprecher des Unterhauses als parteiisch gilt, nicht mehr gibt. Unklar ist damit auch, in welchem Umfang die Parlamentsmehrheit der Regierung Weisungen erteilen kann oder wann eine Regierung genötigt ist, wirklich zurückzutreten – statt z. B. auf Neuwahlen zu setzen. Die Lage wird zusätzlich dadurch kompliziert, dass es zwar für Volksabstimmungen anders als z. B. in der Schweiz keine klaren Regelungen gibt, diese aber seit den 1970er Jahren dennoch punktuell eingesetzt werden, um Fragen zu entscheiden, die eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung haben, in anderen Ländern also durch ein verfassungsänderndes Gesetz, das eine qualifizierte Mehrheit im Parlament benötigen würde, geregelt würden. Diese Möglichkeit gibt es in Großbritannien nicht. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts hat eine Regierung, die die Verfassung ändern wollte (wie es z. B. durch die Entmachtung des House of Lords 1911 geschah) in der Regel Neuwahlen angesetzt, um sich dafür von den Wählern ein Mandat erteilen zu lassen. Nach 1945 ist das eher unüblich geworden. Das erste große nationale Referendum fand 1975 statt, auch damals ging es um die Mitgliedschaft in der EU respektive der EG. Ein Austritt (Großbritannien war erst seit 1973 Mitglied der Europäischen Gemeinschaft) wurde damals mit großer Mehrheit abgelehnt. Es folgte, allerdings erst Jahrzehnte später, 2011 ein Referendum über eine mögliche Wahlrechtsänderung – wie von Cameron gewünscht, scheiterte der Versuch ein Verhältniswahlrecht einzuführen. In Schottland fanden hingegen zwischen 1979 und 2014 insgesamt drei Volksabstimmungen über regionale Autonomie respektive eine vollständige Unabhängigkeit statt. Ähnlich verhält es sich in Wales, nur dass dort nie eine komplette Loslösung von England zur Debatte stand. Man kann also kaum behaupten, dass die Idee, die Beziehungen Großbritanniens zur EU über ein Referendum neu zu regeln, der neueren britischen Verfassungstradition grundsätzlich widerspricht. In diesem besonderen Fall war es freilich von Anfang an ein Problem, dass es für einen Austritt aus der EU nur eine sehr knappe Mehrheit gab, während umgekehrt eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten des Parlamentes die Idee eines radikalen Bruchs mit Brüssel eigentlich ablehnte. Konflikte waren von daher vorprogrammiert. Verschärft wurde die Lage durch zwei Umstände: Zum einen war in der ganzen Debatte über einen möglichen Brexit vor dem Referendum die besondere Lage in Nordirland nicht wirklich bedacht worden. Die Wiederherstellung einer echten Grenze zwischen der Republik und dem britischen Ulster könnte in der Tat relativ leicht zum Wiederaufflammen eines Bürgerkrieges in Nordirland führen, abgesehen davon, dass die wirtschaftlichen Nachteile für das ohnehin arme Ulster sehr erheblich wären. Zum anderen muss man aber – viel stärker als das in den meisten deutschen Kommentaren geschieht – auf die Haltung der Labour-Party blicken. Corbyns Haltung zum Brexit war nie eindeutig. Ein großer Freund der EU, die er als Hochburg des Kapitalismus ansieht, ist er mit Sicherheit nicht. Offiziell traten er und seine Partei aber immer für einen möglichst weichen Brexit ein. Dieses Ziel wäre nach Verabschiedung des May-Deal zwischen Brüssel und der EU durchaus noch erreichbar gewesen, da das Abkommen ja nur die Grundlagen für einen späteren endgültigen Vertrag legen sollte und faktisch die Weichen in Richtung dauerhafte Zollunion stellte. Dass Labour das Abkommen dennoch ablehnte, war fast ausschließlich taktisch begründet. Man wollte die Premierministerin stürzen – was gelang – und die Tory-Party spalten, wenn nicht sogar vollständig zerstören. Auch diesem Ziel ist Corbyn deutlich näher gekommen. In der jetzigen Lage zeigt sich, dass ein politisches System, das anders als das deutsche oder niederländische nicht auf Kompromisse ausgerichtet ist (was freilich andere Nachteile mit sich bringen kann), sondern auf den ständigen antagonistischen Kampf zwischen Regierung und Opposition in Ausnahmesituationen zu einer dramatischen Verschärfung einer Krise beitragen kann. Manches hätte dafür gesprochen, dass Großbritannien nach dem Brexit-Referendum eine Regierung der nationalen Einheit benötigt hätte – ähnlich wie im Krieg. Für eine solche Regierung sind aber weder die Tory-Hardliner um Johnson und Rees-Mogg noch die Retro-Kommunisten, die hinter Corbyn stehen und die Labour-Party aus dem Verborgenen lenken, die richtigen Leute. Die außerordentlich ungünstige Lage, in der sich Großbritannien jetzt befindet, hat freilich noch andere Ursachen. Britischen Politikern hätte von Anfang an klar sein müssen, dass es sich mit dem Artikel 50 des Vertrages von Lissabon (Möglichkeit des Austritts aus der EU) von 2009 ähnlich verhält wie mit den Klauseln des Maastricht-Vertrages von 1992, die eine gemeinsame Haftung für Schulden innerhalb der Eurozone ausschließen sollten. In beiden Fällen handelte es sich um rhetorische Floskeln, mit denen die Wähler beruhigt werden sollten – im Fall des Artikels 50 sollte der Eindruck vermieden werden, die EU sei eine Art Zwangsgemeinschaft. An die wirkliche Anwendung des entsprechenden Vertragsrechtes war nie ernsthaft gedacht worden, jedenfalls nicht in Brüssel und bei den pro-europäischen Eliten, die die Politik der EU bestimmen. Ahnlich verhielt es sich natürlich auch von Anfang an mit der no bail out-Klausel von Maastricht, die eigentlich nie mehr war als ein Täuschungsmanöver. Es war naiv, dass manche in Großbritannien glaubten, ein echter Austritt aus der EU sei wirklich möglich. Der „Erfolg“ der EU beruht darauf, Sachzwänge zu schaffen, Sachzwänge, die eine ständig fortschreitende Zentralisierung fast unvermeidlich machen und zugleich eine explizite demokratische Legitimation für diesen Zentralisierungsprozess überflüssig werden lassen, denn diese Legitimation gibt es schlechterdings nicht. Die Bürger in Europa sind nie wirklich gefragt worden, ob sie die schleichende Reduktion der Nationalstaaten auf den Status von bloßen Provinzen eines Einheitsstaates wirklich wollen oder nicht. Genau dies war auch ein entscheidender Grund für den britischen Aufstand gegen die EU an sich, auch wenn deutsche Medien es oft vermeiden, das zu thematisieren, da dies ein Zeichen mangelnder Loyalität gegenüber Brüssel und der eigenen Regierung wäre. In einem Land wie Deutschland würde man die Wähler ohnehin nie offen in einem Referendum zu Fragen der Europapolitik befragen, das ist unvorstellbar, heute mehr denn je, denn die Angst vor einem Aufstand der Wähler ist einfach zu groß. Dort, wo man es in der Vergangenheit wie in Frankreich oder in den Niederlanden 2005 mit Blick auf die geplante europäische Verfassung getan hat, fand man anschließend in Brüssel immer Wege, um EU-kritische Abstimmungsergebnisse zu umgehen (in diesem Fall wurden die wichtigsten Bestimmungen der gescheiterten europäischen Verfassung einfach in den Lissabon-Vertrag eingebaut) oder zu ignorieren. Schlimmstenfalls ließ man solange abstimmen, bis sich das richtige Ergebnis einstellte, wie in Irland 2008/09 beim Vertrag von Lissabon (in Frankreich und den Niederlanden hielt man damals sicherheitshalber keine Referenden über den Vertrag mehr ab, sondern begnügte sich mit einer parlamentarischen Ratifikation). Aber auch unabhängig von solchen Tricks beruht das Vorgehen der EU, wie der bisherige Kommissionspräsident Juncker das auch einmal offen zugegeben hat, darauf, dass man hinter dem Rücken der Bürger, oder doch zumindest ohne sie wirklich über die Konsequenzen relevanter Entscheidungen zutreffend zu informieren, Mechanismen schafft, die eine weitere Integration fast unvermeidlich machen. Der Euro, den Großbritannien freilich nie übernommen hat, ist das beste Beispiel dafür, da er eigentlich eine weitgehende Entmachtung der nationalen Finanzministerien und Parlamente und auf jeden Fall eine Schuldenvergemeinschaftung erfordern würde, die heute freilich einstweilen nur über die Bilanz der EZB wirksam hergestellt werden kann. Aber auch die Grundrechtscharta der EU, die es dem EuGH erlaubt, fast beliebig weitere Kompetenzen an sich zu ziehen und nationales Recht oder nationale Gerichtsurteile zu revidieren, gehört dazu. Schon die bloße Existenz eines einheitlichen Binnenmarktes schafft eigene Sachzwänge. Die Prinzipien, die ihm zu Grunde liegen, können so ausgelegt werden, dass daraus einheitliche Regeln für das Arbeitsrecht (u. U. bis hin zum Zwang flächendeckend Stechuhren einzuführen, um ein eher triviales Beispiel zu nehmen) oder für die Gesetzgebung gegen die wirkliche oder vermeintliche Diskriminierung von Minderheiten abgeleitet werden können. Gehört ein Land einmal dem Binnenmarkt an, ist es sehr schwer, ja nahezu unmöglich, ihn zu verlassen, weil dies, wie man in Großbritannien jetzt sieht, das Risiko großer wirtschaftlicher Verwerfungen nach sich zieht. Von daher läuft ein Widerstand gegen die Machtansprüche der EU, jedenfalls dann, wenn er offen artikuliert wird, und sich nicht auf stille Sabotage beschränkt, oft ins Leere oder erweist sich als aussichtslos. Hinzu kommt, dass die Institutionen, die in der EU faktisch so etwas wie eine Regierungsgewalt ausüben – Kommission und Rat – mit einem sehr geringen Maß demokratischer Legitimation auskommen, das auf nationaler Ebene als vollständig unzureichend betrachtet werden würde. Die Kommission, obwohl sie mittlerweile wie eine Regierung agiert, wird keineswegs so gewählt wie Regierungen in echten Demokratien; das konnte man ja vor kurzem noch einmal sehen. Der Rat der nationalen Regierungen hingegen trifft seine Entscheidungen in geheimen Verhandlungen nach den Prinzipien des politischen Tauschhandels; konkrete Personen ober Parteien kann man für diese Entscheidungen kaum je verantwortlich machen und entsprechend bei Wahlen „bestrafen“, dazu sind die Vorgänge zu intransparent. Nationale Regierungschefs können sich immer damit verteidigen, von den Vertretern anderer Regierungen überstimmt worden zu sein. Will ein Wähler die EU-Politik stärker beeinflussen – etwa im Sinne einer eher anti-zentralistischen Politik – ist er weitgehend machtlos, zumal das EU-Parlament nicht nach wirklich demokratischen Prinzipien (z. B. „one person one vote“) gewählt wird. Gerade dies ist aber auch die Stärke der EU, sie ist nicht wirklich auf Wählermehrheiten angewiesen, Wahlen sind für sie eher bloße Rituale mit symbolischer Bedeutung, während z. B. eine Regierung in Großbritannien eine Mehrheit im Parlament verlieren oder durch eine Wahl aus dem Amt gejagt werden kann, wie es sich jetzt möglicherweise abzeichnet, und überdies weniger leicht als die EU Volksabstimmungen einfach ignorieren oder beliebig wiederholen lassen kann. Auch dies erklärt die Schwäche Londons im Kampf mit Brüssel. Das weitgehend postdemokratische System Brüssel ist der noch auf das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert (und zum Teil in Verfahren und Stil noch weit ältere Epochen) zurückgehenden parlamentarischen Demokratie englischer Prägung einfach überlegen. Der Sieg Brüssels über die britischen Rebellen, der sich jetzt wohl doch abzeichnet, zeigt vielleicht wirklich, dass in Europa das Zeitalter der klassischen Demokratie, das in manchen Ländern wie auch in Deutschland so richtig erst nach 1945 oder gar, man denke an Spanien, Portugal oder Osteuropa, noch später begonnen hat, seinem Ende zugeht, denn die EU der Zukunft wird postdemokratisch sein, oder sie wird gar nicht sein, das kann man jetzt schon konstatieren. Dass die Legitimationsdefizite dieses Systems auch Nachteile mit sich bringen, steht auf einem anderen Blatt. So wird Brüssel wohl kaum je dazu in der Lage sein, Länder wie Italien oder Frankreich zu den eigentlichen innerhalb der Währungsunion notwendigen wirtschaftlichen und sozialen Reformen zu zwingen, dazu brauchte man dann eben doch echte demokratische Legitimation. Aber ist das wirklich ein Problem? Am Ende wird die EZB immer genug Geld drucken, um diese Länder über Wasser zu halten und wenn das doch nicht mehr geht, wird Deutschland eben einen Teil der Schulden dieser Länder übernehmen, wozu die SPD und die Grünen sicherlich jederzeit ihr Plazet erteilen werden; von daher besteht kein wirklicher Anlass zur Sorge, jedenfalls nicht in Brüssel. Aber wie wird das alles für Großbritannien ausgehen? Darüber jetzt zu spekulieren, ist gefährlich, weil man den Verlauf der Dinge kaum noch vorhersagen kann. Klar ist, dass Johnson durchaus versuchen könnte, formal der Anordnung des Parlamentes, eine Verlängerung der Austrittsfrist zu beantragen, zu folgen, durch ein entsprechend provozierendes Begleitschreiben die EU aber zugleich veranlassen könnte, sein Gesuch als bloße „Scherzerklärung“ zu verwerfen. Namentlich in Frankreich wäre man wohl in jedem Fall froh, die englische Mitgliedschaft in der EU so rasch wie möglich zu beenden, und ohne Macron wird es keine Verlängerung der Fristen geben. Denkbar wäre freilich auch, dass die Regierung Johnson innerhalb der nächsten Wochen vollständig zerfällt und noch vor dem möglichen Brexit Ende Oktober das Handtuch werfen muss, das weiß am Ende keiner so genau, auch wenn die seit 9. September greifende Vertagung des Parlamentes bis Mitte Oktober das unwahrscheinlicher gemacht hat. Es könnte auch angesichts des Chaos in London ein zweites Referendum über die Mitgliedschaft in der EU geben, falls Labour vor dem effektiven Vollzug des Brexit an die Macht käme. Sollte dies nicht – recht überraschend – zu einer Wiederbelebung des May-Deals führen, oder doch zu einer Mehrheit für einen ungeregelten Austritt, dann würde das auf die Rücknahme des Brexit hinauslaufen. Die Mehrheit der Wähler wird vermutlich einsehen, dass man die EU eben einfach nicht verlassen kann, dass es diese Möglichkeit realistisch gesehen schlechterdings nicht gibt, oder nur zu einem Preis, der zu hoch ist. Allerdings könnte das für Brüssel ein recht bitterer Triumph werden. Die Radikalisierung und Polarisierung der Politik, die sich in Großbritannien seit 2016 mit erstaunlicher Geschwindigkeit vollzogen hat – wesentlich, wenn auch nicht nur eine Folge des Streites um den Brexit – wird sich nach einer Annullierung des Referendums von 2016 nicht so rasch wieder rückgängig machen lassen. Überdies werden mindestens 30 bis 40 % der Briten die Mitgliedschaft in der EU nach einer Rücknahme des Austritts erst recht als reine Zwangsmitgliedschaft empfinden. Es wird für die Politik schwierig sein, die Stimmen dieser Wähler auf Dauer vollständig zu ignorieren. Großbritannien war für Brüssel immer ein schwieriger Partner, das wäre dann in der Zukunft noch viel stärker der Fall. Die Beziehungen zwischen Brüssel und London werden denen eines alten Ehepaares ähneln, das sich auseinandergelebt hat, sich aber aus finanziellen Gründen eine Scheidung nicht leisten kann, und sich nun täglich beim Frühstück beharkt oder sich über die Erziehung der Kinder streitet. In Großbritannien selbst könnte die von Farage geführte Brexit-Party die heillos zerstrittenen Tories sogar ganz oder teilweise aus dem Parlament verdrängen. Farage würde seinen Kampf gegen Brüssel fortsetzen und außenpolitisch ganz auf eine Partnerschaft mit Trumps Amerika setzen (falls Trump wiedergewählt wird); nicht zuletzt in militärischen und diplomatischen Fragen würde er die Zusammenarbeit mit Frankreich und Deutschland auf EU-Ebene wohl beenden, sollte seine Partei je an die Macht kommen, was freilich auch für einen Premierminister Johnson, sollte dieser doch im Amt überleben, gelten könnte, wenn die EU ihm nicht entgegenkommt. Ähnlich würde aber auch ein Premierminister Corbyn (oder ein nach radikalerer Nachfolger aus der Labour-Party) verfahren, der ganz auf eine Allianz mit Russland, dem Iran, der Hamas und der Hisbollah setzen würde. Schon jetzt hat der Streit um den Brexit die EU massiv geschwächt; dieser Prozess würde sich auch nach einer Rücknahme des Austritts in den nächsten Jahren eher fortsetzen. Sicher, ein großer Teil der Schuld daran ist bei politischen Spielern wie Boris Johnson zu suchen, das ist nicht zu leugnen, denn die Annahme des May-Deals hätte die schlimmsten politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen vermieden. Aber sind nicht diejenigen Politiker, die seit 1989/90 versucht haben, ohne ausreichende demokratische Legitimation (ein Punkt auf den 2009 sogar unser eigenes Verfassungsgericht, als es noch mehr Mut hatte als heute, hingewiesen hat) und ohne echte öffentliche Debatte über die damit verbundenen Risiken aus einem Staatenverbund einen echten Bundesstaat zu schaffen, genauso Spieler und das in noch viel größerem Maßstab? Zukünftige Historiker werden möglicherweise über die Arroganz und Selbstüberschätzung von Männern wie Johnson, Rees-Mogg und Michael Gove sehr kritisch urteilen, aber wird ihr Urteil über Mitterand, Delors und Kohl, die Politiker, die die EU aus persönlich allerdings extrem unterschiedlichen Motiven mit ihren viel zu ehrgeizigen Plänen in die jetzige Krise geführt haben, viel günstiger ausfallen? Das könnte man bezweifeln. Aufgabe der EU hätte es sein sollen, Europa in der Konkurrenz zu China und den USA zu stärken, sie hat es in den letzten 20 Jahren aber eher gespalten und geschwächt, und seinen Niedergang beschleunigt und es lässt sich in keiner Weise absehen, wie sich dieser Prozess revidieren ließe. Vielleicht erlebt die EU unter französischer Hegemonie mit Ursula von der Leyen als stets lächelnder Galionsfigur in den nächsten vier oder fünf Jahren sogar noch einmal eine illusionäre Scheinblüte, großzügig finanziert durch Lagardes EZB, aber die Zerstörung der Wirtschaftskraft Deutschland, die die notwendige strukturelle Folge der Politik Macrons ist, wird auch Europa insgesamt massiv schwächen. Überdies, eine EU, die verdächtig so aussieht wie das Europa das Jahres 1810 mit einem neuen Napoleon an der Spitze, wird selbst für eher liberale oder linke Briten auf Dauer wenig attraktiv sein, dazu ist die habituelle Arroganz der französischen Eliten gegenüber dem Nachbarn auf der anderen Seite des Kanals auch einfach zu groß. Deutsche, über die man in Pariser Salons und Ministerien sicher auch gerne lächelt, können mit dieser Arroganz leben, tun es vielleicht sogar gern, Briten eher nicht.
Fritz Goergen
Es war naiv, dass manche in Großbritannien glaubten, ein echter Austritt wie der Brexit aus der EU sei wirklich möglich.
kolumnen
2019-09-10T12:44:03+00:00
2019-09-10T12:44:04+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/brexit-das-endspiel-endet-im-chaos-aber-nicht-nur-fuer-london/
Out Of Control – wie Hamburg die parlamentarische Demokratie abschafft
Unabhängig davon, ob man das nun persönlich begrüßt oder nicht – aber eigentlich läuft das politische Geschäft in unserer Republik nach klar definierten Regeln. Diese Regeln sind recht einfach und in sich logisch aufgebaut und lauten: Dieses in groben Zügen skizzierte Modell soll sicherstellen, dass die Regierung keine wichtigen Entscheidungen trifft, ohne die gewählten Bürgervertreter daran zu beteiligen. Und es soll sicherstellen, dass der Mehrheitswille des Volkes das Maß aller Regierungspolitik ist (was zwar demokratietheoretisch dann angezweifelt werden kann, wenn mangels entsprechender Wahlbeteiligung die Regierungen noch Parlamentsmehrheiten vertreten, nicht aber Bürgermehrheiten – das aber steht auf einem anderen Blatt und bedürfte einer gesonderten Diskussion). So will es das Demokratieprinzip als Herrschaft des Volkes und der republikanische Ansatz der öffentlichen Angelegenheit, an der die Bevölkerung – in diesem Falle über Repräsentation – zu beteiligen ist. Dieses in unseren Verfassungen festgeschriebene Verfahren kann überaus lästig werden, beispielsweise dann, wenn unerwartet parlamentarische Mehrheiten dem Regierungswunsch nicht mehr zu folgen bereit sind. Denn dann kann eine Vertrauensfrage nebst Neuwahl die Folge sein und die amtierende Regierung abgelöst werden. Das allerdings ist ein fest im parlamentarischen Prozedere verankertes Vorgehen und repräsentiert in jedem Falle den Mehrheitswillen der gewählten Abgeordneten und deren Wähler. Überaus unangenehm für die Regierenden werden kann es, wenn in der Bevölkerung Gruppenbildungen entstehen, die öffentlichkeitswirksam sogenannte „Single Issues“ (Einzelziele) propagieren und dafür scheinbar oder tatsächlich eine breite Zustimmung in der Bevölkerung erhalten. Nicht nur Hamburgs Politiker können ein Lied davon singen. So war beispielsweise der Rücktritt des zweiten und bislang einzigen wiedergewählten CDU-Bürgermeisters Ole von Beust nebst anschließender Selbstversenkung der Union unmittelbare Folge der Niederlage einer Bürgerabstimmung gegen seine Schulpolitik. Ursache dieses Uniondesasters war die unüberwindbare Diskrepanz zwischen dem schulpolitischen Wollen der Parlamentsmehrheit und dem Wollen einer Bürgerinitiative. Letztere sammelte genug Unterstützer, um ihr gegen das Regierungsziel gerichtetes Ansinnen zur Volksabstimmung zu stellen. An diesem Volksentscheid beteiligten sich 39,3 Prozent der stimmberechtigten Bürger – und von denen wiederum stimmten 54,5 Prozent gegen die Senatspläne, womit die absurde Situation eintrat, dass 21,42 Prozent aller Wahlberechtigten das politische Wollen der von 34,98 Prozent der Wahlberechtigten gewählten Regierungsabgeordneten überstimmten und deren Bürgermeister auf diesem Wege in die Frührente schickten. Ursächlich für diesen fundamentalen Angriff auf die Grundzüge des institutionalisierten Parlamentarismus war ein mit heißer Nadel gestricktes Gesetz zur Bürgerbeteiligung, dessen Quorenregelung eben jene Situation zuließ, dass eine Minderheit der Bürger die Entscheidungen eines mehrheitlich gewählten Parlaments aushebeln konnte. Womit – sachlich betrachtet – das klassische Prinzip der repräsentativen Demokratie zumindest erheblich beschädigt wurde. Das Damoklesschwert einer solchen Demontage der Exekutive nebst Parlamentsmehrheit durch eine Bürgerminderheit schwebt seitdem ständig nicht nur über dem Hamburger Senat. Es wurde über entsprechende Bürgerbeteiligungsgesetze auch in anderen Bundesländern etabliert – die Bundesregierung nebst Bundestag allerdings wehrt sich bislang erfolgreich dagegen, denn zumindest dort hat man erkannt, dass eine solche Gesetzgebung nicht nur in der Lage ist, parlamentarische Mehrheitsentscheide zu begraben, sondern in seiner Konsequenz die politische Idee des repräsentativen Parlamentarismus unterminiert. Nun sind Bürger, denen das eine oder andere an der Regierungspolitik nicht gefällt, nicht unbedingt dumm. Sie haben erkannt, dass allein die Drohung mit einer Bürgerabstimmung so viel Druck erzeugen kann, dass die als Gegner erkannte Regierung zum Einlenken im eigenen Sinne zu bewegen ist. Letztere wiederum hat erkannt, dass eine erfolgreiche, gegen ihr Handeln gerichtete Abstimmung  selbst dann ihr Ende bedeuten kann, wenn dort nur eine qualifizierte Minderheit ihren Unmut kundtut. Das von-Beust-Schicksal mag zwar den in seiner Nachfolge gewählten Grünen und Sozialdemokraten zur Regierung verholfen haben – vergessen aber ist es nicht. So sannen nun die Regierungsfraktionschefs Andreas Dressel (SPD) und Anjes  Tjarks (Grüne) heftig darüber nach, wie diesen Fährnissen fehlkonstruierter unmittelbarer Bürgerdemokratie zu begegnen sei. Und kamen dabei auf eine Idee, die das Parlament nun abschließend überflüssig macht. Voller Stolz präsentierten die parlamentarischen Mehrheitsführer dieser Tage ihr Parlaments-Beerdigungsmodell Erster Klasse der Öffentlichkeit – bejubelt von Mainstream-Medienvertretern, denen offenbar die Tragweite dieses Tuns ebenso wenig bewusst ist wie den politischen Initiatoren  selbst. Der Sarg des Parlamentarismus, den die beiden Landespolitiker ersannen, trägt einen wohlklingenden Namen: „Bürgervertrag“. In diesen sogenannten Bürgerverträgen, Mitte Juni geschlossen mit Initiativen, welche auf so programmatische Bezeichnungen wie „Guter Ganztag“ und „Nein! zur Politik – Ja zur Hilfe!“ hören, einigten sich die jeweiligen Initiativenvertreter mit dem Bürgermeister durch die ausdrücklich hervorgehobene „Vermittlung“ der mitunterzeichnenden Mehrheitsführer auf vielen, engbeschriebenen Seiten auf vorgebliche Kompromisse. Und selbstverständlich darauf, von dem Initiativ-Bestreben eines Volksentscheids abzusehen. Nun mag man es durchaus begrüßen, wenn „die Politik“ auf die Wünsche der Bürger zugeht und deren offenbar berechtigte Forderungen vertraglich absichert. Das Problem dabei aber ist: Weder sind die Initiativenvertreter demokratisch legitimiert, solange sie sich nicht in einer Wählerbefragung der Mehrheit der Bürger versichert haben, noch können sich Bürgermeister und Mehrheitsführer auf die Legitimation ihres Handelns berufen, solange solche Verträge an den gewählten Abgeordneten vorbei verhandelt und abgeschlossen werden. Es geht hier also – das sei unterstrichen – nicht um die Frage, ob die Ansinnen der Initiativen (die eine wollte die landesweite Ganztagsschule optimieren, die andere zu viele Zuwandererunterkünfte an ihrem Wohnort verhindern)  in der Sache gerechtfertigt sein mögen oder nicht. Es geht schlicht um die Frage, wem in einer repräsentativen Demokratie das Recht zusteht, solche Verträge abzuschließen. Denn auch die Bürgerinitiativen können sich – wenn überhaupt und als nicht rechtsfähiger Verein ohnehin nicht – auf keinerlei demokratische Legitimation berufen.  Diejenigen, die dort nun „Bürgerverträge“ abschließen, sind politisch nichts anderes als eben jene „Single-Issue“-Vertreter. Sie haben sich als kleine, überschaubare Gruppen zusammengeschlossen, ohne sich jemals dem Bürger als oberstem Souverän auch nur ansatzweise gestellt und dessen Zustimmung eingeholt zu haben. Die parlamentarischen Mehrheitsführer verraten darüber hinaus faktisch das Parlament, in das sie von den Wahlberechtigten als deren Repräsentanten gewählt wurden, indem sie dessen Mitbestimmungsrecht schlicht ignorieren. Mit Demokratie und repräsentativem Parlamentarismus hat ein solches Vorgehen nicht mehr das Geringste zu tun. Es ist nichts anderes als ein Rückfall in die dunkelsten Zeiten der Gutherrengerichtsbarkeit, deren Überbleibsel 1848 weitgehend abgeräumt worden war. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die um ihre Macht bangenden Politiker offenbar die Getriebenen sind und mit kleinen Zugeständnissen und derart verklausulierten Verträgen, dass die Absicht den politisch und juristisch unerfahrenen Vertragspartner letztlich auszuspielen, kaum zu übersehen ist, die von ihrer unausgegorenen Politik geschaffenen Probleme vom Tisch räumen möchten . Wer als gewählter Parlamentarier nicht nur jeglicher demokratischen Legitimation entbehrenden Bürgervertretern einen faktischen Staatsvertragsabschluss aufdrängt, sondern auch die eigenen Parlamentarier ebenso wie die der Opposition ausschaltet, der muss sich fragen lassen, ob er eigentlich noch auf dem Boden unserer Verfassung steht. Denn dort sind legislative und exekutive Rechte und Aufgaben aus gutem Grunde fein säuberlich definiert und getrennt. Denjenigen, die mit lautstarkem Auftreten wie beispielsweise jene acht (!) unterzeichnenden Bürger der „Nein! zur Politik“-Gruppe den Bürgermeister zur Unterschrift gebracht haben, ist allerdings vorbehaltlos zu gratulieren. Sie können sich als Bezwinger „des Staats“ nicht nur auf die Schultern klopfen – sie haben auch das realpolitische Muster dafür geliefert, wie die ungeliebte parlamentarische Demokratie abschließend aus den Angeln zu hebeln ist. Ihr Beispiel wird Schule machen. Denn wozu braucht es noch Parteien, wozu Parlamente, wozu allgemeine Wahlen, wenn die Exekutive unter Ausschaltung aller dafür vorgesehen Gremien und institutionalisierten Abläufe durch kleine, durch nichts legitimierte Grüppchen in die Knie gezwungen werden kann? Dressel und Tjarks, die, wie zu hören ist, den immer noch von Bedenken gegen dieses Vorgehen erfüllten Bürgermeister zum Jagen tragen mussten,  hingegen müssen sich sagen lassen, dass sie mit ihrem unlegitimierten Vorgehen einen kräftigen Nagel in den Sarg unseres derzeit noch bestehenden parlamentarischen Systems geschlagen haben. Wobei – das soll hier nicht unterschlagen werden – das Muster zu dieser Beerdigung vom Bürgermeister selbst erdacht wurde. Denn der hatte bereits recht früh nach seiner Wahl mit dem Propagandaprojekt „Vertrag für Hamburg“ publikumswirksam zwischen seinem Senat und den ihm in der Einheitsgemeinde Hamburg unterstehenden Bezirksämtern eben jene „Verträge für Hamburg“ geschlossen, in denen sich die Unterbehörden zur Erfüllung im Vertrag festgeschriebener Wohnungsbaugenehmigungen verpflichteten. Die schlichte Senatsanweisung an die Bezirke hätte es auch getan. Aber das wäre natürlich lange nicht so wunderbar öffentlichkeitswirksam zu verkaufen gewesen. Und so darf sich nun auch Olaf Scholz den Schuh seiner Mehrheitsführer anziehen und muss sich sagen lassen, dass sein Populismus der Demokratie einen Bärendienst erwiesen hat. Wären er, Dressel und Tjarks konsequent, dann sollten  sie so ehrlich sein und die Abschaffung des Parlaments zur Volksabstimmung stellen. Denn das Regieren mit „Bürgerverträgen“ und „Verträgen“ für oder gegen Hamburg ist tatsächlich wesentlich leichter und effektiver als der Weg durch die parlamentarischen Institutionen. Wozu also noch angesichts knapper Haushaltsmittel die Abgeordneten mit Diäten und Arbeitsmitteln füttern, wenn sie ohnehin ausgeschaltet werden. Und sich nach Stand der Erkenntnis widerstandslos in dieses Schicksal ergeben und ohne jedes Murren ausschalten lassen.
Unabhängig davon, ob man das nun persönlich begrüßt oder nicht – aber eigentlich läuft das politische Geschäft in unserer Republik nach klar definierten Regeln. Diese Regeln sind recht einfach und in sich logisch aufgebaut und lauten: Die Bürger wählen in freien und geheimen Wahlen ihre Vertreter in die Parlamente. Die Parlamente finden Mehrheiten, mit denen
meinungen
2016-06-16T07:06:07+00:00
2016-06-19T12:57:42+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/out-of-control-wie-hamburg-die-parlamentarische-demokratie-abschafft/
340 Euro Bußgeld: Altenpflegerin fährt zehn Minuten zu früh zur Arbeit
In Baden-Württemberg herrscht bereits das, was großen Teilen des restlichen Deutschlands gerade nochmal erspart blieb: Nächtliche Ausgangssperren. Jeden Tag zwischen 20 und 5 Uhr darf man das Haus nicht mehr verlassen. Für Ausnahmen wie z.B. den Weg zur oder von der Arbeit, darf man gnädiger weise noch auf die Straße. Alles andere wäre in Schwabenland natürlich nicht durchsetzbar gewesen. Eine Bescheinigung dafür, dass man auf dem Arbeitsweg ist, ist allerdings nicht notwendig, weswegen es relativ einfach ist, die Ausgangssperre zu umgehen – die Behauptung reicht in der Regel. Einfach ist es also für Schlitzohren und Gelegenheitslügner – und umso schwerer für ehrliche Häute. Wie die Stuttgarter Zeitung berichtet, wurde in der baden-württembergischen Landeshauptstadt eine Altenpflegerin von der Polizei angehalten, die einige Minuten vor fünf mit ihrem Auto auf den Straßen unterwegs war. Laut eigener Aussage war die Frau gerade auf dem Weg zur Arbeit. Aber: Sie war einige Minuten früher losgefahren, um vor dem Schichtwechsel noch einen Kaffee zu trinken und einige Patientenakten zu lesen. Eine fleißige Pflegerin, die ihren Job anscheinend sehr ernst nimmt, die es aktuell vermutlich sowieso schon schwer genug hat, eine erkorene Corona-Heldin. Naja oder eben eine Gefahr für die Allgemeinheit, schließlich wäre der Ausbruch aus der Ausgangssperre ja vermeidbar gewesen, es war ja erst 04:50. Die Polizisten sahen hier jedenfalls keine pflichtbewusste Altenpflegerin, für sie war die Frau nur eine Kriminelle, die während der Ausgangssperre zur Arbeit gefahren ist (was auch immer das im Bezug auf Corona für einen Unterschied macht). Sie hätte schließlich auch bis nach 5 warten können, was viele ja nicht wissen ist, dass die Corona-Ansteckungsgefahr bereits um 05:01 drastisch sinkt. Also: Zack! Bußgeld 340 Euro! Gratulation zum Fahndungserfolg. Gesetze und Regelungen sollten eigentlich immer einen Zweck haben und ein konkretes Problem lösen. Der Zweck der Ausgangssperre, wie man sie auch finden mag, ist es zumindest in der Theorie, nächtliche Feiern zu unterbinden und somit große Menschenansammlungen und potenzielle Ansteckungsherde zu vermeiden. Die Frau ist alleine zur Arbeit gefahren. In ihrem Auto. Als Altenpflegerin. Von Manuel Freund.  Nachtrag 29.01.2021: Am Donnerstag meldete sich die Stuttgarter Polizeipressestelle auf Twitter zu Wort: „Unsere Recherchen haben ergeben, dass dieser Sachverhalt bei uns in Stuttgart nicht aktenkundig ist. Auch wir kennen diesen Fall nur aus der Zeitung.“ Auf  Nachfrage bestätigte die Polizei in Stuttgart dies noch einmal offiziell: Man habe den Fall überprüft, ihn aber „nicht gefunden“.
Max Mannhart
Ein unglaublicher Vorgang. Weil eine Altenpflegerin etwas früher zur Arbeit gefahren ist - nämlich um 04:50 - wertete die Polizei das als unnötigen verstoß gegen die Ausgangssperre. Und verhängte ein saftiges Bußgeld.
daili-es-sentials
2021-01-27T08:46:46+00:00
2021-01-29T12:01:57+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/altenpflegerin-faehrt-10-min-zu-frueh-zur-arbeit-340e-bussgeld/
Berlin kann aufatmen! Nie wieder 1.Mai-Krawalle!
Berlins Innensenator hat gesprochen! Der am 1. März 1966 im damals kommunistisch verwalteten Teil Berlins geborene Andreas Geisel, seit 2016 Senator für Inneres und Sport und zuvor bereits vier Jahre Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, hat endlich verstanden, wie man Demonstrationen verhindern kann, von denen er bereits im Vorfeld weiß, dass der von den Veranstaltern angekündigte Demonstrationszweck ausschließlich ein Vorwand ist, um unter dem Deckmantel des Rechts auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung kriminelle Handlungen zu begehen. Doch mit Naseherumführungen und Regelbruch ist es nun endgültig vorbei. „Versammlungsfreiheit bedeutet nicht, sich über geltendes Recht hinwegsetzen zu können!“, befindet der Senatskämpfer für Recht und Gesetz. Welcher anständige Bürger, welcher um sein Eigentum besorgte Kreuzberger Gewerbetreibende, würde bei solchen Sätzen nicht jubeln? Endlich ein Mann mit Rückgrat, der mit dem Dauerversagen früherer Berliner Senate im Umgang mit Molotow-Cocktail- und Steine-werfenden Kriminellen Schluss machen will! Der Staat – in diesem Falle das Land Berlin – hat es also satt. Nicht länger will sich der Volksfrontsenat aus Linkssozialisten, Altkommunisten und Ökomarxisten von irgendwelchen militanten Gruppen auf der Nase herumtanzen lassen. Das gefällt. Schließlich hatten sich doch die schwarzen und schwarzroten Senate in der Vergangenheit immer wieder als gänzlich hilflos jenen gegenüber erwiesen, die mindestens einmal im Jahr unter dem Deckmantel einer angemeldeten Demonstration losmarschierten, um ganze Stadtteile in Schutt und Asche zu legen. Geisel, der im zarten Alter von 18 Jahren karrierebewusst der damaligen Herrschaftsclique der SED beitrat, um, nicht minder karrierebewusst, nach der sogenannten Wiedervereinigung 1990 schnell bei der SPD unterzuschlüpfen – sozusagen von Staatssozialisten zu Staatssozialisten -, will nun endlich als der starke Mann auf sich aufmerksam machen, als der er sich als für Recht und Ordnung zuständiger Landesminister selbst begreift. Also Schluss mit angeblichen Demonstrationen, die nach seinen Erkenntnissen ausschließlich dem Ziel dienen, den angemeldeten Demonstrationszweck ausschließlich als Vorwand für radikales Vorgehen gegen Staat und Gesellschaft zu missbrauchen. „Guter Mann!“, hätte der frühere linke Rechtsausleger der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Kahrs, umgehend getwittert, hätte er sich nicht zwischenzeitlich aus der Politik zurückziehen müssen. „Ich erwarte eine klare Abgrenzung aller Demokratinnen und Demokraten gegenüber denjenigen, die unter dem Deckmantel der Versammlungs- und Meinungsfreiheit unser System verächtlich machen!“, fordert Geisel. Recht so! Wer die Freiheitlich Demokratische Grundordnung infrage stellt, wer vielleicht sogar die Prinzipien und Gebote des Grundgesetzes der Lächerlichkeit Preis gibt, gegen den müssen wahre Demokraten geschlossen auftreten! Also Schluss mit lustig, Ihr Berlin-Chaoten! Eure permanenten Attacken gegen den besten Staat aller Zeiten wird Euch der Innensenator nicht mehr durchgehen lassen. Da könnt Ihr Euch noch so sehr auf Meinungsfreiheit und Versammlungsrecht berufen – wenn der Innensenator erkennt, dass ihr unser System verächtlich machen wollt, könnt Ihr Euch Eure Grundrechte an den Hut stecken! Schließlich gelten Grundrechte nur so lange, wie deren Wahrnehmung nicht in Kritik am Staat dessen Systemvertretern ausartet. Insofern, Ihr Chaoten, seht zu, dass ihr um das neue Berlin des Rechts und der uneingeschränkten Ordnung künftig einen großen Bogen macht. Sucht Euch vorsorglich schon einmal eine neue Bleibe außerhalb der Bundeshauptstadt. Denn Geisel, der Ritter für Recht und Ordnung, wird ohne jeden Zweifel umgehend auch damit beginnen, die von Euch besetzten Häuser wie das „Köpi“ zu räumen. Auch da gibt es folglich kein Vertun: Geisel, der unerschrockene Kämpfer für Recht und Ordnung und Verteidiger des Grundgesetzes von Amts wegen, hat hierzu eine klare Position: „„Wir dürfen nicht zulassen, dass Berlin zu einem großen Campingplatz für vermeintliche Querdenker und Verschwörungsideologen gemacht wird.“ Recht hat er! Also hört die Signale, Ihr sozialistisch verdrehten Querdenker und Ideologen der Weltverschwörungstheorien von kapitalistischen Raubtieren, Finanzjudentum und menschenverzehrendem Imperialismus! Berlin ist für Euch kein Campingplatz! Auch dann nicht, wenn Ihr Eure Luftmatratze in besetzten Steinzelten aufgepustet habt. Geht nach Cottbus oder in die Dresdener Neustadt, bevor Euch der Geisel mit der Macht seines Amtes vor die Tür setzt! Berlin ist kein Platz mehr für all das Pack (Zitat Gauck), das eine andere politische oder ideologische Auffassung vertritt als der Senator des Inneren. Das hat er gesagt, das wird er nun auch durchsetzen! Oder vielleicht doch nicht? Habe ich die markigen Sprüche eines Mannes, der sogar einmal rund ein Jahr für eines der erzkapitalistischen, US-imperialistischen Monster mit dem Namen PricewaterhouseCoopers als freier Berater tätig war, etwa missverstanden? Leichte Zweifel könnten aufkommen, nennt Geisel neben seinen zwangsläufig allgemeingültigen Grundfeststellungen aktuell gezielt „Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten“ – also Leute, die vorgeblich die Existenz eines Virus als Lüge bezeichnen, die den finalen Zusammenbruch und Untergang des Deutschen Reichs als ungeschehen betrachten (worin sie sich in gewisser Weise einig sind mit dem Bundesverfassungsgericht, das ebenfalls nicht davon ausgeht, dass das Deutsche Reich 1945 von den Siegermächten aufgelöst wurde, sondern in der Bundesrepublik fortbesteht), oder die in einer nicht näher verifizierten Weise einfach nur extrem „rechts“ sind. Auch hier kann es keinen Widerspruch geben: Wenn marodierende Horden durch die Stadt marschieren, mit Mollis, Zwillen und sonstwas auf Ordnungskräfte zielen und dabei vorsätzlich nicht nur Sachschäden, sondern auch verletzte Unbeteiligte in Kauf nehmen, dann muss sich der oberste Hüter von Recht und Gesetz zwangsläufig für das Leben entscheiden. Alles andere wäre nicht nur zutiefst unmoralisch – es wäre auch ein eklatanter Verstoß gegen den von Geisel geleisteten Amtseid. So können die von Geisel – oder vermutlich doch eher von seinem Verfassungsschutz – erkannten marodierenden Horden aus Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten eben nur ein aktuell drohendes Szenario beschreiben, was an der Grundsätzlichkeit der innenministeriellen Aussagen selbstverständlich nichts ändert und welches ebenso erkannt wird, wenn demnächst mal wieder andere Staatsfeinde unter voraussehbarem Regelverstoß zur Demo blasen. Das aber kann nicht sein. Weder kann Meuthen recht haben, noch kann ein Innenminister keinerlei Ahnung vom deutschen Grundgesetz haben. Und insofern kann es nur so sein, dass das Gesagte für nun und ewig gilt, sollte nicht ein Gericht dem Aufrechten auf dem Ministersessel einen unverzeihlichen Strich durch die Rechnung machen. Schluss mit Chaos-Demonstrationen in Berlin! Mit allen Chaos-Demonstrationen! Der Innensenator wird es konsequent richten. Das hat er gesagt – das wird er konsequent durchziehen. Auch dann, wenn der gewalttätige Angriff auf den Staat und dessen System wie im aktuell befürchteten Fall ausschließlich darin zu erkennen ist, dass Demonstranten sich möglicherweise nicht an eine staatlich und als Auflage verordnete Maskenpflicht halten könnten. Schließlich gilt in unserem Staat immer noch gleiches Recht für alle. Da spielt es keine Rolle, ob der Staat mit einem Molotow-Cocktail oder einem nicht getragenen Mund-Nase-Schutz angegriffen wird. Wehret den Anfängen! Wer seine Staatsverachtung mit abgenommenem Mundschutz unter Beweis stellt, ist keinen Deut besser als jener, der einen Molotow-Cocktail auf Polizisten wirft!
Fritz Goergen
Berlins Innensenator hat gesprochen! Der am 1. März 1966 im damals kommunistisch verwalteten Teil Berlins geborene Andreas Geisel, seit 2016 Senator für Inneres und Sport und zuvor bereits vier Jahre Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, hat endlich verstanden, wie man Demonstrationen verhindern kann, von denen er bereits im Vorfeld weiß, dass der von den Veranstaltern
kolumnen
2020-09-04T10:45:04+00:00
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Wie erwartet: „Olympiasiegerin“ ist gesichert männlich
Klarer könnte der gemeinsame Bericht der Pariser Kremlin-Bicêtre-Klinik und des Mohamed-Lamine-Debaghine-Krankenhauses in Algiers nicht sein: Die renommierten Endokrinologen Soumaya Fedala und Jacques Young diagnostizieren eindeutig und unzweifelhaft einen sogenannten „5-Alpha-Reduktase-Mangel“ bei Imane Khelif. Diese Krankheit kommt ausschließlich bei biologischen Männern vor. Das ist nun recht peinlich für das Internationale Olympische Komitee (IOC) und vor allem für seinen Präsidenten Thomas Bach. Denn der Algerier Khelif behauptet nicht nur, eine Frau zu sein: Er betreibt auch ausgerechnet Boxen als Leistungssport und will in Wettkämpfen bei den Frauen starten. Der internationale Box-Verband (International Boxing Association, IBA) hatte das verboten – und nebenbei gleich noch erklärt, dass man grundsätzlich niemanden mit unklarem Geschlecht in Frauenwettbewerben starten lassen wird: Das sei eine unverantwortliche Gesundheitsgefährdung für die Sportlerinnen. Doch der als maximal geschmeidige Opportunist bekannte Bach hatte sich – auf Druck des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der ja schon länger auf dem Wokeness-Trip ist – für die Olympischen Sommerspiele in Paris in diesem Jahr ausdrücklich über das Votum der IBA hinweggesetzt. Unvergessen bleibt der Eiertanz, den Bach dazu öffentlich aufführte: Es kam, wie es kommen musste: Khelif verprügelte im olympischen Frauenboxturnier fünf Gegnerinnen, einer brach er dabei die Nase. So gewann der Algerier am Ende trotz weltweiter Proteste die Goldmedaille. Der 5-Alpha-Reduktase-Mangel ist eine genetisch bedingte Störung der geschlechtlichen Entwicklung von Männern (und nur von Männern). Betroffene Säuglinge werden bei der Geburt zwar öfters fälschlicherweise als Mädchen identifiziert, weil ihre deformierten Genitalien mitunter einer deformierten Vagina ähneln. Doch spätestens mit der Pubertät klart sich das Bild auf: Die betroffenen Jungen haben ein typisch männliches Muskelwachstum, typisch männliche Intimbehaarung und Bartwuchs, keinerlei Brustgewebe und natürlich auch keine Menstruation. Khelif war schon bei der im März 2023 bei der von der IBA durchgeführten Box-WM der Frauen wegen erheblicher Zweifel an seinem Geschlecht disqualifiziert worden. Dagegen hatte er Einspruch vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS eingelegt. Den zog der Algerier dann allerdings wieder zurück. Die weitergehende und jetzt bekannt gewordene Untersuchung fand kurz danach statt. Die Ergebnisse sind so niederschmetternd eindeutig, dass Thomas Bach vor Scham im Boden versinken müsste. Im Arztbericht ist zu lesen, dass bei einer Magnetresonanztomographie (MRT) kein Uterus gefunden wurde – dafür aber zwei nach innen gewachsene Hoden und ein sogenannter „Mikropenis“. Khelif hat nicht nur einen typisch männlichen Hormonspiegel: Ein Gentest ergab, dass er auch, wie jeder Mann, ein X- und ein Y-Chromosom hat. Frauen haben dagegen bekanntlich zwei X-Chromosomen. Darauf baut auch eine inzwischen große internationale Protestbewegung gegen die Zulassung von biologischen Männern im Frauensport auf: All das steht also seit Juni 2023 fest – und war sogar dem IOC bekannt: Das hat Alan Abrahamson bestätigt. Er ist Professor für Kommunikation und Journalismus an der Universität von South Carolina und Mitglied im Pressekomitee des IOC. Abrahamson sagt, dass er die Ergebnisse von Khelifs Chromosomen-Tests einsehen konnte, die bestätigen, dass es sich um einen Mann mit X- und Y-Chromosom handelt. Warum ließ Bach den Algerier trotzdem Frauen verprügeln? Der Unabhängige Rat für Frauen-Sport (Independent Council on Women’s Sport, ICONS) erhebt nun schwere Vorwürfe: Das IOC und das Algerische Olympische Komitee hätten Khelif den Weg zur Goldmedaille geebnet – in vollem Bewusstsein, dass hier ein Mann in einem Frauenwettbewerb startet. “Das IOC und das Algerische Olympische Komitee haben als Komplizen männliche Gewalt gegen Frauen gefördert – verkleidet als Unterhaltung auf der größten Bühne des Weltsports“, schimpft ICONS-Gründerin Marshi Smith. „Sie standen untätig daneben, als Frauen zur allgemeinen Belustigung Opfer körperlicher Gewalt wurden und man sie ihrer Sicherheit, Fairness und ihrer sportlichen Lebensleistung beraubt hat.“ Wie beschrieben: Das alles hätte man längst wissen können. Doch statt selbst ausgiebig zu recherchieren, haben vor allem die sogenannten Leitmedien in Deutschland Kritik am IOC wegen Khelif als „transfeindliche Desinformation“ gebrandmarkt: Dass unsere „Faktenchecker“ sich nachträglich korrigieren, ist wohl genauso unwahrscheinlich wie eine Aberkennung von Khelifs Goldmedaille durch das IOC. Trotzdem stößt die Wirklichkeitsverdrehung durch die Gender-Lobby erkennbar an Grenzen. Zum Glück gibt es Menschen, die unbeeindruckt vom wütenden Lobby-Mob nicht zurückweichen – wie zum Beispiel Harry-Potter-Schöpferin J. K. Rowling: Man ist doch sehr gespannt, ob es sich die Woken auf der Insel wirklich trauen, die erfolgreichste lebende britische Autorin hinter Gitter zu bringen, weil sie einfach nur die Wahrheit sagt.
Anna Diouf
Das Internationale Olympische Komitee unter seinem geschmeidigen Präsidenten Thomas Bach hat bei den Sommerspielen in Paris einem Algerier erlaubt, Frauen zu verprügeln. Dafür bekam er dann eine Goldmedaille. Ein medizinisches Dossier dokumentiert jetzt, was alle wussten: Imane Khelif ist ein Mann.
meinungen
2024-11-05T13:56:08+00:00
2024-11-05T13:56:47+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/olympiasiegerin-imane-khelif-gesichert-maennlich/
Maybrit Illner - Das Revolutiönchen
Gut, dass wenigstens Peter Altmaier da war. Eigentlich hätte Angela Merkel am Tisch von Maybrit Illner sitzen müssen, denn schließlich geht es bei der Präsidentschafts-Wahl in Frankreich am kommenden Sonntag um sie, Madame Märkäll. Oder wie Marine Le Pen es formulierte: „Auf jeden Fall gewinnt eine Frau die französischen Wahlen.“ Macron gilt in Frankreich als Merkel-Mann. Ein waschechter Franzose in der Runde, der auf den schönen Namen „Bürgermeister“ hört, Bruno Le Maire von der Sarkozy-Partei, findet denn auch Merkels demonstrative Unterstützung für den hübschen Herrn Macron „eher gefährlich“, schließlich wird La Märkäll von vielen Franzosen als Ursache aller Probleme Europas und Frankreichs gesehen. Nein, nein, sagt Peter Altmaier, der treue Knappe, er kenne Umfragen, nach denen ist seine Chefin Merkel sehr populär en France, nix „Märkäll muss wesch!“ Ach, das will ja auch keiner in der Runde. Alle wollen Emmanuel Macron, den Wunderknaben aus Amiens, halb Sozialist, halb Bankier, halb dies und halb das. Doch halt! Alle? Nicht alle. Katja Kipping von der einzigen „Extremistenpartei“ im deutschen Bundestag, Die Linke, will Macron eigentlich nicht, beziehungsweise nur unter Protest. In Frankreich, wo die Revolution einst als Exportprodukt erfunden wurde, bahnt sich gerade eine neue, alles verändernde Entwicklung an – das Ende der Volksparteien, die gerade uns Deutschen doch so ans Herz gewachsen waren. Bei der Präsidentschaftswahl ist keine einzige Volkspartei mehr dabei. Ein Revolutiönchen, das ein pfiffiger Blogger spaßig so beschrieb: Als stünden bei uns nur Petry und Lindner zur Wahl. Natürlich wurden die Themen „So gefährlich sind Rechtspopulisten“ und „Wie konnten die nur so erfolgreich werden“ gewohnt streberhaft und lehrbuchgemäß wie erkenntisschwach abgearbeitet. Ulrike Guérot, Politikwissenschaftlerin, lieferte wenigstens ein paar interessante Zahlen: Die unter 25-Jährigen hätten mehrheitlich für den linken Mélenchon gestimmt, die 25- bis 35-Jährigen für Marine Le Pen. Aber eigentlich wollte die Politologin, die so schnell spricht, dass man an seiner Muttersprache schwindlig wird, über ein „neues Europa“ dozieren. Sie will die „Eurozone komplett neu gründen, weil sie nicht funktioniert“. Neues Europa? Schulz! Sagen Sie mal was! Der Widerspruch war erstaunlich mau und eher pflichtgemäß. Nicht ausgeschlossen, dass das Europa von Schulz und Juncker nicht mit einem Big Bang auseinanderfliegt, sondern mit einem ganz leisen „pfffft“. Eigentlich wollten wir Stefan Petzner gar nicht erwähnen, der, seit er mal Berater von Jörg Haider war, mit seinen Kenntnissen aus dem Zentrum des Bösen durch die Talkshows tingelt, aber da er der Einzige zu sein schien, der das Parteiprogramm von Le Pen gelesen hatte, muss es sein: „Eigentlich müssten Sie Le Pen gut finden, Frau Kipping, deren Programm ist so ähnlich wie das von Die Linke.“ Herrlich! Aber ihre Partei wolle „Gerechtigkeit für alle Menschen“, schnaubte die rote Katja. Und während Altmaier grinste, kam der Einspieler vom linksextremen Mélenchon (Katjas französisches Pendant) mit dem Slogan „Frankreich zuerst“. Warum haben die, die für alle alles wollen, nur um Himmels Willen eine Mauer gebaut, damals, als sie schon mal konnten, wie sie wollten? Ob nun Merkel gewinnt am Sonntag, oder Marine Le Pen, teuer wird’s für den armen Michel allemal. Eurobonds? Noch will Peter nicht. „Wir müssen Frankreich ein Angebot machen, damit Macron sich halten kann“, flehte ZDF–Koll. Der arme Macron habe schließlich keine Partei hinter sich, wie solle er da Reformen finanzieren? Monsieur Le Maire drückte das charmanter aus. Er wünsche sich „ein besseres deutsch-französisches Verhältnis“. Und selbst wenn Macron eine Partei hinter sich hätte, heißt das noch lange nicht, dass er notwendige wie ungeliebte Reformen durchbringen kann. Theo Koll wagte am Ende einen Blick in die Geschichte: „Was passiert denn mit Menschen, die Reformen machen? – Ich erinnere an Gerhard Schröder.“ Die gehen dann zu Gazprom. Oder machen Karriere bei der Bank.
Marine Le Pen: „Auf jeden Fall gewinnt eine Frau die französischen Wahlen.“ Macron gilt in Frankreich als Merkel-Mann. Und so was bei Illner.
feuilleton
2017-05-05T05:18:27+00:00
2017-05-05T08:12:38+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/maybrit-illner-das-revolutioenchen/
Merz’ demütiger Besuch bei Trump
Viel zu sagen hatte er nicht, Bundeskanzler Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch im Weißen Haus in Washington. Waren es zwei oder drei Minuten? Ansonsten saß er auf dem Sessel und konnte lauschen, wie US-Präsident Donald Trump über sich, von sich und seiner erfolgreichen Politik redete. „Ich habe ein großartiges Mandat und die Mehrheit gewonnen“. Eine leichte Spitze an Merz, der nur mit Mühe eine Regierungskoalition bilden konnte. Merz hatte als Gastgeschenk eine Kopie der Geburtsurkunde von Trumps Großvater mitgebracht, der aus Kallstadt in der Pfalz kam. Das Auswärtige Amt habe das besonders hübsch angefertigt, am liebsten wolle er das selbst behalten, so Merz begeistert im Regierungsflieger. Höflich freute sich Trump und schaute nach oben, wo denn noch Platz für die Urkunde sein könnte. Die deutschen Presseleute lobten überschwänglich diese geniale Idee der Urkunde, was auch sonst. Die allerdings hatte Trump schonmal bekommen: Der ehemalige Bild-Chef Kai Diekmann hatte sie 2017 zu Beginn der ersten Amtszeit von Trump mitgebracht – als Gastgeschenk bei seinem Interview mit Trump. Dann gleich weiter im Text. Die amerikanischen Journalisten interessierte mehr das Verhältnis von Trump zu Elon Musk, der zuletzt mit unschönen Sätzen und Schimpfkanonaden für Schlagzeilen gesorgt hatte. Außerdem wollten sie wissen, was bei den wirklich wichtigen Gesprächen unter anderem mit Putin gesagt wurde. Trump lobte vor allem sich und seine erfolgreiche Politik, gemessen unter anderem am stark gesunkenen Benzinpreis und der drastisch reduzierten illegalen Grenzüberschreitung. Er kritisierte heftig Vorgänger im Amt Joe Biden, der zuließ, dass viele „schlimme Menschen“ über die Grenzen gekommen seien. Trump: „Wir sorgen dafür, sie wieder rauszubringen!“ Zu Merz gewandt bekundete er, dass Deutschland jetzt vor massiven Schwierigkeiten aufgrund der Migrationspolitik des letzten Jahrzehnts steht. Trump hatte die damalige Kanzlerin Merkel deswegen deutlich kritisiert und Deutschland wegen der ausufernden Migrationspolitik attackiert. „Ihr habt eure Schwierigkeiten, aber das ist nicht Ihre Schuld“, sagt er an Merz gewandt. „Aber ihr hatte ich das gesagt“, so Trump auf Merkel gerichtet. Deutlich wurde, wer hier der Boss ist. Merz ist es nicht. Der mittlerweile mit wirklich allen Wassern gewaschene Trump kann auf verschiedene Arten meucheln: Laut und brutal wie bei dem Präsidenten der Ukraine, Selenskyi, oder freundlich und charmant durch Nichtbeachtung wie bei Friedrich Merz. Der saß wie ein braver Schulbub daneben, konnte sich mal an die Nase fassen und lediglich seine Freude darüber bekunden, auch mal hier im Weißen Haus sitzen zu dürfen. Trump mußte das Pressecorps des Weißen Hauses daran erinnern, auch mal eine Frage an Merz zu stellen. Der erinnerte an den 6. Juni, den Jahrestag des D-Days. „Das war ja nicht besonders schön der Tag für Sie!“ So Trumps derber Scherz. „Nein, es war der Tag der Befreiung“, entgegnete Merz artig und sprach seinen Dank an die Amerikaner aus, dass sie Deutschland von einer Diktatur befreit hatten. Nichts demonstrierte besser die politische Bedeutungslosigkeit des Auftrittes von Merz im Weißen Haus als die Ausführungen von Trump, dass er zuvor mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping telefoniert hatte. Beide luden sich zu Staatsbesuchen ein; er, Trump, werde mit der First Lady nach China fliegen und hoffe, dass umgekehrt Xi ebenso nach Amerika reisen werde. Trump: Er habe gerade den Telefonhörer aufgelegt, da stand dann Merz vor der Tür. Merz landete mit seinen Leuten im Dunkeln um Mitternacht herum und wurde von ein paar Beamten und Flughafenbediensteten begrüßt. Geburtsurkunde hin oder her.
Sofia Taxidis
Beim Antrittsbesuch in Washington gerät Friedrich Merz zum Statisten auf der Weltbühne. Während Donald Trump den Ton setzt und über China, Russland und Ukraine, Migration und Macht spricht, bleibt dem deutschen Kanzler nur höfliches Nicken und das Geschenk einer Geburtsurkunde als letzter Rest symbolischer Bedeutung.
kolumnen
2025-06-05T17:53:30+00:00
2025-06-05T19:47:36+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/usa-besuch-friedrich-merz-donald-trump/
Hillary Rodham Clinton hätte nie Kandidatin sein dürfen
Douglas Wead ist intimer Kenner des Weißen Hauses. Er war Berater von Präsidenten und Special Assistant bei Bush Senior. Der gefragte Kommentator hat über 30 Bestseller geschrieben. Sein Buch „Game of Thorns“ ist ein erschreckender Einblick in den politisch-medialen Komplex der USA. 1978 war Bill Clinton (nachfolgend BC) Gouverneur von Arkansas. Hillary Clinton (HC) arbeitete als Anwältin in der Rose Law Firm. Binnen zehn Monaten machte HC aus einem Investment von 1000 Dollar in Viehmarkt-Termingeschäften stolze 100.000 Dollar (inflationsbereinigt in heutiger Kaufkraft 331.000 Dollar). Experten mit Verbindungen zur Tyson Food Company hatten sie gespickt. Ins Gefängnis ging niemand. 15 Personen wurden für 40 Verbrechen verurteilt. Vier von ihnen begnadigte BC in den letzten Stunden seiner Präsidentschaft. „Whitewater“ wurde 1979 ein Immobilienprojekt der Clintons und ihrer guten Freunde Jim und Susan McDougal getauft. Die Grundidee vom leichten Geldmachen funktionierte nicht. Hohe Zinsen und der Kollaps der Spar- und Darlehensbranche ruinierten den scheinbar perfekt geplanten Betrug. 1992 erschien der Fall in der „New York Times“. Aber er war fürchterlich kompliziert. Nach zwei Jahren musste das Weiße Haus einen Sonderermittler bestellen. Dokumente über die Rolle von HC verschwanden. Rose Law Firm hatte sie ans Weiße Haus geschickt. Dieses dementierte entschieden. HC musste als erste First Lady vor einem Großen Geschworenengericht aussagen. Gouverneur Clinton hatte Anwalt Webster Hubell von der Rose Law Firm an die Spitze des Obersten Gerichts von Arkansas gesetzt. Der enge Freund der Clintons wurde Verbindungsmann des Weißen Hauses zum Justizministerium. An dieser Mauer scheiterten alle Nachforschungen. Hubell ging für Unkorrektheiten bei Rose Law Firm ins Gefängnis. Einem Kollegen von Jim McDougal zufolge versprach BC ihm und seiner Frau Begnadigung für ihr Schweigen. Zu spät. McDougal sagte über die Rolle der Clintons in Whitewater aus. Vor dem Geschworenengericht verweigerte Susan McDougal die Aussage. Sie wurde zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. BC begnadigte sie in seinen letzten Stunden als Präsident. Jim McDougal starb 1998 in einem Bundesgefängnis 57-jährig an einer Herzattacke. HC gab ihrem alten Freund Vince Foster aus der Rose Law Firm den Auftrag, als neuer Vize-Rechtsberater des neuen Präsidenten die Reisestelle des Weißen Hauses von langjährigen Mitarbeitern frei zu räumen. Clinton-Compañeros sollten diese unter der Führung einer entfernten Clinton-Cousine ersetzen. Das Reisebüro des Weißen Hauses managt lukrative Charter-Airline-Kontrakte. Sie sollten nun an „some Friends of Bill (FOBs)“ gehen. In Arkansas hatten die Clintons die State Troopers weit über ihre Aufgaben in der Residenz des Gouverneurs hinaus für private Dienste eingespannt. Das erwarteten die Clin- tons nun auch vom FBI. Der alte Freund der Clintons und deshalb Vize-Rechtsberater wurde am 20. Juli 1993 tot aufgefunden. Den Befund „Selbstmord“ begleiteten unzählige Verschwörungstheorien. In der Todesnacht kommandierte HC die Verbringung von Kisten mit seinen Unterlagen in die private Residenz. Ein Abschiedsbrief wurde in Fosters Aktenkoffer sechs Tage später gefunden – ohne Unterschrift. Der Brief war in 27 Stücke zerrissen, und eines fehlte. Erst Tage später ließ BC das FBI bei den Ermittlungen zu. Auf einem der Briefstücke hinterließ Foster eine Botschaft. Für HC sei das Ruinieren von Menschen ein Sport. Die Clintons schufen ein neues Sicherheitsbüro des Weißen Hauses mit zwei früheren Compañeros an der Spitze. Ein Untersuchungsausschuss des Kongresses stellte die Qualifikation von Craig Livingstone und Anthony Marceca infrage. Sie wurden des unlauteren Zugangs zu FBI-Akten beschuldigt. HC ließ die beiden das Feuern der Reisebüroleute nachträglich rechtfertigen. Dabei erlangten sie Zugang zu Hunderten von Unterlagen mit persönlichen Informationen über alle möglichen Leute (400 bis 800) wie die führenden Republikaner Brent Scowcraft und Marlin Fitzwater. Am Tag nach Watkins’ Memo tauchten die verlorenen Akten aus der Rose Law Firm auf. Clinton-Freundin und Mitarbeiterin Carolyne Huber fand 115 Rechnungsseiten im privaten dritten Stock der Residenz. Sie dokumentierten die führende Rolle von HC im Whitewater-Projekt. Das FBI fand ihre Fingerprints auf praktisch allen Seiten. Craig Livingstone wurde der Prügelknabe. Niemand schien ihn eingestellt zu haben. Mitarbeiter erzählten plötzlich viel und wenig Schmeichelhaftes über ihn. Seine Anheuerung durch HC wurde geleugnet. Er hatte sich wohl selbst zum Sicherheitschef des Weißen Hauses ernannt. Stabschef Leon Panetta entschuldigte sich bei den prominenten Republikanern für die „gänzlich unentschuldbaren“ Vorfälle. Marceca verweigerte die Aussage vor dem Justizausschuss des Senats. Da rettete ironischerweise „Monica-Gate“ die First Lady. Vom 13. Januar 1998 an beherrschten die aufgezeichneten Telefongespräche von Monica Lewinsky und Linda Tripp die Medien. „Filegate“ ging in der Großwelle von Monica-Gate unter. Auf dem Weg der Clintons zur Macht war Bill die öffentliche Figur und Hillary die Geldbeschafferin. Sein Image war der superbe Politiker. Sie gab das Bild der gierigen, aber nicht erfolgreichen Geldrafferin. Dann verließen sie das Weiße Haus und tauschten die Rollen. Sie wurde die öffentliche Figur als Senatorin und Außenministerin. Und er sorgte äußerst erfolgreich fürs Geld. Zu Beginn der Präsidentschaftskampagne 2016 hatten die Clintons ein Reinvermögen von ca. 111 Millionen Dollar. Ihre Stiftung hatte zwei Milliarden gesammelt. 2014 sagte HC zu Diane Sawyer von ABC: „Nach dem Weißen Haus waren wir gebrochen und hoch verschuldet.“ Die neue Reise begann bescheiden. Der Satz des ausgefuchsten alten Demokraten in Kalifornien Jesse Unruh war den Clintons bekannt: „Geld ist die Muttermilch der Politik.“ Die Clintons hatten zweierlei gelernt. Es brauchte Millionen zum Generalstaatsanwalt, Gouverneur, Präsidenten. Aber dann verdiente man nur in den Tausenden. Nach dem Amt brauchte es wieder viel Geld. Sonst ist es mit dem öffentlichen Leben vorbei. Bei Beginn des Whitewater-Skandals warben die Clintons öffentlich Geld für ihre Verteidigung ein. Das hatte es noch nie gegeben. War das nicht eine andere Form von Bestechung? Jedenfalls wurde er im Juni 1994 etabliert: The Presidential Legal Expense Trust Fund. Aufgabe: den Präsidenten und die First Lady vor drohenden Steuern zu „schützen“. Bis 1999 sammelten die Clintons 4,5 Millionen. Robert De Niro und viele andere Hollywoodstars spendeten. Aber das führte nur zum nächsten Clinton-Skandal. Denn Geld kam auch aus dem Ausland. Vor allem floss es aus der Volksrepublik China in die Präsidentschaftskampagne und ins National Democratic Committee (NDC). Die Clintons wurden bei ihren vielen Besuchen Freunde des Kochs und Miteigentümers Charles Yah Lin Trie im Fu Lin Chinese Restaurant. Mit dem Aufstieg der Clintons stieg auch er auf und wurde eine wichtige öffentliche Person und prominenter Financier der Clintons. Im Oktober 1991 kündigte BC seine Präsidentschaftskandidatur an. Trie begann mit der Daihatsu International Trading Company ein neues Geschäft. BC gewann das Rennen, und Trie eröffnete ein Büro in Washington, D. C. Das FBI entdeckte später die Einkommensstränge. Eine Million Dollar kam von Bankkonten eines Ng Lap Seng aus Hongkong und Macau (er unterhielt einen Prostitutionsring in Macau). Charlie Trie verhalf zu 220.000 Dollar. Er zahlte 100.000 Dollar für die Teilnahme an der Präsidentengala mit Ng Lap Seng als Gast. Beim dankbaren BC avancierte Trie zum White House Frequent Visitor. Er lieferte zahlreiche Zahlungsorder in Umschlägen ab. Sie lauteten auf verschiedene Namen. Aber die Handschrift war stets dieselbe und die Anweisungen waren fortlaufend nummeriert. Die Summen variierten von 400.000 bis 640.000 Dollar. Nach der Übergabe schrieb Charlie Trie dem Präsidenten einen ernsten Brief. Er verlangte eine andere China-Politik und warnte vor einem Krieg. Hier sprach die chinesische Regierung. BC antwortete höflich und brav. Anfang 1996 brachte Trie einen besonderen Gast zum Kaffee im White House des wiedergewählten Präsidenten mit: Wang Jun, den Chef von Chinas staatseigenem Investment Conglomerate. Im September desselben Jahres berichtete die „LA Times“ von der Rückgabe einer Spende über rund 250.000 Dollar einer koreanischen Elektronikfirma für das NDC. Bald danach servierten Bob Woodward und Brian Duffy in der „Washington Post“ Entlarvendes: BC hatte das Treffen mit Wang Jun öffentlich als Fehler eingestanden. Nun folgte eine ausgewachsene Untersuchungswelle. Stammten Tries Spendengelder direkt von der chinesischen Regierung? Die Quelle waren vom FBI abgehörte Gespräche in der chinesischen Botschaft: China versuchte die Präsidentschaftswahlen zu beeinflussen. Eine Untersuchung des Kongresses zielte auf Charlie Trie. Der floh, ebenso wie Ng Lap Seng, prompt aus Amerika. Ende der Untersuchung. 1998 kehrte Charlie Trie lautlos zurück. Er kooperierte mit den Behörden und wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Eine besondere Figur ist der kalifornische Geschäftsmann und chinesische Amerikaner Johnny Chung. Seit 1994 spendete er an das NDC insgesamt 366.000 Dollar. Innerhalb von zwei Jahren war er als Freund von Bill und Hillary 49-mal Gast im Weißen Haus. Ermittler richteten ihr Augenmerk auf Chung und andere chinesische Spender. Fast alle flohen aus Amerika. Chung kooperierte und bekannte sich schuldig. Er bestätigte die Verbindung zur Volksrepublik China. Chung verdanken die Ermittler wertvolle Einsichten in den Umgang der Clinton-Leute mit Geldgeschenken. Der Stabschefin von HC, Margaret A. Williams, übergab er im Weißen Haus einen Scheck über 50.000 Dollar. Die nahm ihn, unbeeindruckt vom Gesetzesverstoß, und reichte ihn an das NDC weiter. Chung wörtlich: Das Weiße Haus ist wie eine U-Bahn. Münzen einwerfen und du bist drin. Seine Anhörung im Untersuchungsausschuss des Kongresses sah die Nation live im Fernsehen. Dort berichtete er von Drohungen der amerikanischen und chinesischen Regierung. Über sein Verhältnis zu den Clintons: Sie haben mich benutzt und ich sie. Jahre später besuchte ein pensionierter FBI-Mann Chung und zeichnete dessen umfangreiches Wissen auf Video auf. Kopien wurden Chungs Familie und Freunden zugeleitet. Sie sollten das Dokument im Bedarfsfall an die Medien weiterleiten können. 1984 wurde John Huang, Einwanderer aus Taiwan, Vice President der Worthen Bank in Little Rock. 1994 zog er ins obere Management im Handelsministerium ein. Dort war er der perfekte Verbindungsmann ins NDC. Das machte ihn zum Vice Chairman of Finance. Er sammelte 1,6 Millionen Dollar. Das FBI fahndete zunächst erfolglos nach den Herkünften des Huang-Geldes. Dann geriet ein buddhistischer Tempel in Taiwan ins Visier von Journalisten und TV-Kanälen. Jetzt fand das Justizministerium einen Weg. Huang musste weder sich noch die Clintons belasten. Für die Aufklärung des Tempelrätsels wurde Huang Immunität angeboten. Nach der Wahl zahlte das NDC Huangs 1,6 Millionen Dollar zurück. Sie stammten von Firmen aus Indonesien und anderswo. Am 12. August 1999 bekannte sich Huang schuldig und kam mit einem Jahr auf Bewährung davon. Das war die Belohnung für die Auslieferung der Tempel-Chefin. Maria Hsia hatte Mönchen und Nonnen im Hsi-Lai-Tempel im kalifornischen Hacienda Heights den Weg zur Umgehung der Gesetze bei Spenden für die Wiederwahl von BC gewiesen. Die Gesetze beschränken die Summe pro Kopf des Spenders. Sie verbieten Firmenspenden, Geld aus dem Ausland, von Kirchen und religiösen Non-Profit- Organisationen. Fortsetzung folgt in Tichys Einblick Ausgabe 08/2017 Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 07/2017 von „Tichys Einblick“ erschienen:
Sofia Taxidis
Im ersten von drei Teilen über das Buch "Game of Thorns" geht es um die Machenschaften im Hause Clinton, welche die Medien im Wahlkampf verschwiegen.
feuilleton
2017-06-16T13:32:19+00:00
2017-06-16T13:53:16+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/buecher/hillary-rodham-clinton-ha%cc%88tte-nie-kandidatin-sein-du%cc%88rfen/
Trump muss heute in Washington vor Gericht erscheinen – TE-Wecker am 3. August 2023
In Washington muss Donald Trump heute vor dem Berufungsgericht erscheinen – ein Gespräch mit TE-Korrespondentin Suse Heger darüber, was ihm vorgeworfen wird und wie Trump reagiert ++ Nigeria schaltet Niger den Strom ab ++ offenbar kein Kuscheltier: Wolf beißt Achtjährigen im Zoo bei Celle bei einer „privaten Tieraudienz“ ++ Matsch-Festival versinkt vollends ++ TE-Energiewende-Wetterbericht ++
Sofia Taxidis
Der TE-Wecker erscheint montags bis freitags – und bietet Ihnen einen gut informierten Start in den Tag. Ideal für den Frühstückstisch – wir freuen uns, wenn Sie regelmäßig einschalten.
podcast
2023-08-03T01:00:26+00:00
2023-08-03T04:46:48+00:00
https://www.tichyseinblick.de/podcast/te-wecker-am-3-august-2023/
EU-Asylpolitik: Anstand und Bestand
Am Anfang ist das Wort. In Spaniens und Großbritanniens Fernsehen sind die vielen, die nach Europa wollen,  illegale Immigranten. So nennt das französische Fernsehen Zuwanderer ab und zu, meist und ziemlich gleich oft Flüchtlinge und Migranten. In deutschen Fernsehnachrichten dominiert der Begriff Flüchtlinge, nur manchmal ist von Einwanderern und Asylbewerbern die Rede. Das verschiedene Bild spiegelt die unterschiedliche Haltung der Regierungen der Mitgliedsländer der EU. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán ist heute bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel, es geht um die über die Balkanroute, auf der die Masse der Migranten nach Österreich, Deutschland und Schweden will. Mit konkreten Ergebnissen rechnet niemand. Orbán wird Juncker erklären, was der heute in einem Gastbeitrag der FAZ sagt: „Wer überrannt wird, kann niemanden aufnehmen.“ Morgen treffen sich die Regierungschefs der „Visegrad-Gruppe (V4)“ von Tschechien, der Slowakei, Polen und Ungarn in Prag mit dem Ziel einer gemeinsamen Erklärung zur „Lösung der Immigrations-Krise in Europa“. Die V4 wollen laut tschechischen Medien eine verstärkte Bewachung der Außengrenze des Schengen-Raums, die Sicherstellung der Rücknahme von Flüchtlingen, eine schnelle Inbetriebnahme von Aufnahmezentren und lehnen verpflichtende Flüchtlingsquoten der EU-Länder ab. Die baltischen Staaten, Finnland und Polen vertreten eine ähnliche Position. Polen will vor allem keine Muslime in seine katholische Welt aufnehmen und rechnet mit wachsender Zuwanderung aus der Ukraine. Orbán verweist darauf, „dass internationale Schmugglerbanden seit dem Jahr 2000 knapp 16 Milliarden Euro aus der Beförderung von illegalen Migranten eingenommen haben, während als Folge ihrer Geschäftemacherei fast 30.000 Menschen gestorben sind.“  Und er sagt: „Es muss ausgesprochen werden, dass für die entstandene Situation die verfehlte Einwanderungspolitik der Europäischen Union verantwortlich ist.“ Dass der ungarische Premier als autoritärer bis undemokratischer Politiker gilt, ändert nichts daran, dass seine Diagnose vom Fehlen einer EU-Einwanderungspolitik zutrifft und eine Therapie verlangt. Sein Entweder-Oder ist hingegen weder zwingend noch realistisch. Erst nachdem an den EU-Grenzen „die Flut aufgehalten worden ist … können Fragen gestellt werden nach der Anzahl der Menschen, die wir aufnehmen wollen, oder ob es Quoten geben soll“ ist Orbáns Position. Die EU-Kommission wird zusammen mit den nationalen Regierungen alles zusammen parallel tun müssen. Und zwar ab sofort. Was Angela Merkel Verwaltungsdeutsch in einem Standardabweichungsgesetz verspricht, müssen alle Beteiligten aus ihren gewohnten, unglaublich zeitraubenden Prozeduren ausbrechen. Sonst eskaliert im Herbst und Winter die Immigrations-Krise zu noch beängstigerenden Zuständen. Die EU kann vor allem keinen Prozess brauchen, die das normale Zustimmungsverfahren der 28 Mitgliedsländer voraussetzt. Der einzige Weg wird wohl sein müssen, dass die Kernländer der Union erst einmal ein paar entscheidende Schritte alleine tun müssen. Während viele auf Viktor Orbán mit den Fingern zeigen, fällt der Blick auf David Cameron nur sporadisch. Auch angesichts der innenpolitischen Forderungen, die das aufrüttelnde Bild des ertrunkenen Kindes an der türkischen Mittelmeerküste auslöste, bleibt er bei seiner Ablehnung einer Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Länder. Der Fokus auf östliches Mittelmeer und Balkanroute hat den Wanderungsweg über Calais auf die Insel in den Hintergrund treten lassen. Das gilt auch für die Verlegungspläne von deutlich mehr Marineeinheiten ins Mittelmeer. Andererseits schauen wenige auf die Schweiz, wo sich die Lage derzeit ganz anders darstellt. Der Blick der NZZ auf das Geschehen von Belgrad über Budapest und Wien nach Berlin lohnt zu lesen: „In Berlin meldeten die Statistiker … Deutschland habe im August 100.000 Asylbewerber aufgenommen. Am vergangenen Dienstag kamen am Bahnhof München über 2.000 Flüchtlinge an. Warum sind sie nicht nach Buchs, St. Gallen oder Zürich gereist? Die Migrationsexperten … nennen mehrere Gründe, weshalb die Flüchtlinge die sogenannte ‚Balkanroute‘ relativ selten verlassen. Flüchtlinge gehen vorzugsweise dorthin, wo es bereits eine große Diaspora gibt. So zieht es … in Budapest gestrandete Afghanen und Syrer eher nach Deutschland als in die Schweiz. Die Schlepper-Ketten sind zudem auf der Balkan-Route gut eingespielt und offenbar weniger auf die Schweiz ausgerichtet. Schließlich behandelt der Bund die Länder des Westbalkans, wo rund 40 Prozent der Flüchtlinge auf der Balkanroute herkommen, als sichere Herkunftsstaaten. Die Chancen, Asyl zu erhalten, ist praktisch gleich null, was sich herumspricht.“ Gunnar Heinsohn illustriert die Großwetterlage der Migration mit einem Vergleich von Schweiz und Afrika südlich der Sahara: „Auf 100 Einwohner zwischen 55 und 59 Jahren kommen 80 15- bis 19-Jährige. Das ergibt – wie ich das Verhältnis nenne – einen Kriegsindex von nur 0,8. Die Schweizer Jugend hat die besten Lebenschancen daheim. Aufgrund ihrer Qualifikationen rollen ihr aber auch viele Länder den roten Teppich aus, weil diese ebenfalls zu wenige Kinder haben und Talente suchen. Der Schweizer Nachwuchs kann die Weltkarte wie eine Speisekarte studieren. Wo er bleibt oder hingeht, reibt man sich die Hände. Das subsaharische Afrika kämpft dagegen mit einem Kriegsindex von 5. Das heißt: Um 100 Positionen, die Ältere frei machen, konkurrieren 500 jüngere Menschen, die ins Leben eintreten. Eine Geburtenquote von einst 7 bis 8 und heute immer noch 4 bis 5 Kindern pro Frau ließ die Zahl der Menschen dort zwischen 1950 und 2015 von 180 auf 962 Millionen steigen. Die Schweiz wäre bei gleichen Raten von 4,7 auf 25 und nicht nur auf 8,3 Millionen Einwohner gewachsen.“ Heinsohns Kiegsindex: Seit die Familie in Algerien kaum noch auf zwei Söhne kommt (Kriegsindex 2,2), geht es dort relativ friedlich zu. Im Jemen gibt es drei bis vier Söhne je Familie (Kriegsindex 5,65) – noch höher liegen nur Afghanistan und Gaza (Deutschlands Kriegsindex: 0,7). Heinsohn vergleicht unsere Wanderungsbewegungen nicht mit der Völkerwanderung des vierten bis sechsten Jahrhunderts, sondern „der Auswanderungswelle, die zu Zeiten des Kolonialismus von Europa ausging, das damals Geburtenquoten hatte wie heute Afrika … Zur Zeit der europäischen Welteroberung zwischen 1500 und 1800 machten sich 10 Millionen Menschen auf die gefährliche Seereise.“ Damals seien Auswanderer „zumeist überzählige Bauernsöhne“ gewesen, die „Ackerland suchten und dafür riesige Flächen benötigten. Sie eroberten sie und ermordeten die ansässige Bevölkerung. Und während sich damals die Europäer die Erde aufteilten, tobten bei ihnen zu Hause stets Kriege. Asyl oder Rechtsschutz für die Bevölkerung gab es nirgends, nur Sieg oder Niederlage.“ Wenn aus Afrika „tatsächlich 38 Prozent der Menschen wegwollen, wie das Umfrageinstitut Gallup 2009 ermittelt hat, stehen im subsaharischen Raum derzeit 370 Millionen Wanderungswillige bereit. Aus dem arabischen Raum werden zusätzlich 85 Millionen erwartet. Und das sind optimistische Raten, da sie vor dem Ölpreisverfall und den arabischen Kriegen erhoben wurden. Nie zuvor wollten so viele in so kurzer Zeit über fremde Grenzen.“ Heinsohn weiter: „Erst 1946 begründete die Uno das internationale moderne Asylrecht, wie wir es kennen. Niemand bedachte damals, bei 2,4 Milliarden Erdenbürgern, was solche Regeln heute, bei 7,4 Milliarden Menschen auf der Welt, bewirken würden. Wenn in Ländern mit einem Kriegsindex ab 3 – ab da wird es kritisch – 10.000 zornige Jünglinge im Namen irgendeiner gerechten Sache mit Waffen um Positionen kämpfen, verwandeln sie ihre 10 oder auch 100 Millionen Mitbürger dort automatisch in Bewohner von Kriegsgebieten, in die diese nach ihrer Flucht nicht zurückgeschickt werden dürfen. Jede Revolte transformiert illegale Wirtschaftsflüchtlinge in Bedrängte, deren Zurückweisung widerrechtlich ist.“ Ich weiß, solche Betrachtungen wollen viele nicht hören, sondern denen einfach nur helfen, die uns die Medien in Mazedonien und Ungarn in bedrückenden Umständen zeigen. Ich weiß auch, dass die anderen Blicke wie die von Gunnar Heinsohn einfach nur als Bestätigung ihrer Forderung einordnen, macht die Grenzen dicht. Vor allem aber weiß ich, dass niemand die Wanderungswelle an den Grenzen der EU aufhalten kann und wird. Solange die Dinge sich in den Herkunftsländern nicht ändern, bleibt es bei der Wanderung. Und wie wir sehen, gleiten die Dinge ab einer kritischen Masse von Migranten den Institutionen schlicht aus den Händen. Die politischen Folgen treten nicht auf der Stelle ein, später aber ebenfalls unkalkulierbar. Das Risiko sollten Regierungen und Parlamente nicht eingehen. Gunnar Heinsohns Perspektive wird vielen nicht gefallen. Schauen wir auf das innenpolitische Geschehen in der Mehrzahl der europäischen Staaten, ist sie nichtsdestoweniger wahrscheinlich: „Die Kolonisten von heute sind weitgehend friedlich, sie suchen kein Ackerland, sondern träumen von den Millionenstädten der Ersten Welt. Aber können die 500 Millionen EU-Bürger mit ihren riesigen Schulden und unbezahlbaren Rentenversprechen wirklich noch einmal so viele Menschen als Migranten absorbieren? Immer mehr Staaten gehen andere Wege, sichern ihre Grenzen militärisch und lassen nur noch die Kompetenten auf ihr Territorium. Vergleichsweise offene Länder schultern dadurch zusätzliche Lasten, weshalb ihre besten Talente wiederum in die Kompetenzfestungen umziehen. Schon jetzt liegen acht der zehn lebenswertesten Metropolen in Australien, Kanada und Neuseeland. Großbritannien macht seine Grenzen inzwischen ebenfalls dicht, weil bereits 2,3 Millionen seiner Könner irgendwo zwischen Vancouver und Auckland wohnen. Andere Regierungen – in Stockholm, Paris oder Berlin – bewerten den Einsatz für flüchtende Menschen höher als ökonomische Zukunft und sozialen Frieden. Die größte Migration der Geschichte könnte für ganz neue Grenzziehungen sorgen.“ In einem bin ich ganz sicher: Die Uhr für die EU, als Union zu handeln, läuft nicht mehr lang. Der Zeitpunkt, zu einer EU-Asylpolitik und einer Asyl-Praxis zu finden, ist jetzt.
Fritz Goergen
Der Zeitpunkt, zu EINER EU-Asylpolitik und EINER Asyl-Praxis zu finden, ist jetzt. Kerneuropa muss vorausgehen.
kolumnen
2015-09-03T13:32:07+00:00
2015-09-03T15:17:37+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/goergens-feder/eu-asylpolitik-anstand-und-bestand/
Fridays for Future als Festival – mit Antifa und Enteignungsforderung
Fridays for Future rief am Freitag zum großen Klimastreik auf. Greta Thunberg höchstpersönlich sprach in Berlin vor dem Reichstag. Für die junge Schwedin ist Deutschland einer der größten „Klima-Schurken“. Es kommen in der Spitze laut Polizei etwas über 30.000 Menschen – Luisa Neubauer phantasiert von 100.000 Menschen: Als Querdenken vor kurzem ähnliche Zahlenspiele anstellte, reagierte die Medienöffentlichkeit noch höhnisch – hier nicht. Ist ja auch für die gute Sache. Doch das ist nicht die einzige Parallele: Über die ganze Zeit bittet man die „Demonstranten“ Abstände einzuhalten, was die meiste Zeit über nicht geschehen ist. Doch anders als bei den Querdenken-Demonstrationen in Berlin greift die Polizei nicht mit voller Härte durch, sondern lässt die Party einfach laufen. Party passt als Begriff auch besser, denn die Musik und das Tanzen nehmen für die meisten hier die Hauptrolle ein – für junge Menschen eine Möglichkeit, die verbotene Freude der letzten Monate nachzuholen. Im Windschatten der politisch genehmen Demonstration. Auch sehr junge, teils 10-Jährige Kinder sind dabei. Ein Acht-Klässler erzählt, er sei mit seiner Lehrerin gekommen – also forcierter „Schulstreik“. Viele Stars und Musiker sind da, um die gute Stimmung zu halten. Doch es sind nicht nur junge Menschen da, die freudig tanzen, auch politische Verbände sind vor Ort und versuchen, die Demo zu vereinnahmen. Linke und Grüne sind mit Bannern und Plakaten vor Ort, der Campact-Chef hält eine Rede mit klarem Fokus: Armin Laschet sei ein „klimapolitisches Totalversagen“. Am Sonntag werde er abgewählt. „Alle sagen, die Grünen werden das schon machen. Aber wir müssen ihnen helfen!“ Am Ende wird von der Bühne aus sogar Werbung für den „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“-Volksentscheid in Berlin gemacht. Bilder im Netz zeigen indes die ideologische Verengung der Bewegung: Als eine Aktivistin ein Plakat „Kernkraft gegen Klimawandel“ hochhält, wird es ihr gewaltsam abgenommen unter dem Jubel der Umherstehenden. Eine Frau schreit hysterisch: „Du bist so scheiße“.
Max Mannhart
Über die ganze Zeit bittet man die "Demonstranten" Abstände einzuhalten, was die meiste Zeit über nicht geschehen ist. Doch anders als bei den Querdenken-Demonstrationen in Berlin greift die Polizei nicht mit voller Härte durch, sondern lässt die Party von Fridays for Future einfach laufen.
daili-es-sentials
2021-09-24T17:26:51+00:00
2021-09-25T08:31:56+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/fridays-for-future-berlin/
Musk schreibt mit SpaceX Raumfahrtgeschichte - TE-Wecker am 14. Oktober 2024
Musks SpaceX schreibt Raumfahrtgeschichte ++ SPD will „Aufholjagd“: Mindestlohn 15 Euro, Kaufanreize für E-Autos und E-Auto-Quoten für Leasinganbieter ++ Söder will Koalition mit den Grünen in Bayern und auf Bundesebene ausschließen – jetzt zumindest ++ Faeser will neues EU-Asylsystem „zügig“ in nationales Recht umsetzen ++ Islamisten feiern Solingen-Anschlag ++ US-Präsident Biden will doch nach Deutschland kommen ++ TE-Energiewendewetterbericht ++
Sofia Taxidis
Der TE-Wecker erscheint montags bis freitags – und bietet Ihnen einen gut informierten Start in den Tag. Ideal für den Frühstückstisch – wir freuen uns, wenn Sie regelmäßig einschalten.
podcast
2024-10-14T01:00:41+00:00
2024-10-14T02:09:52+00:00
https://www.tichyseinblick.de/podcast/te-wecker-am-14-oktober-2024/
Alles rutscht und fließt
Wahlkampf ist wie Schlittenfahren: Rasant wird’s auf den letzten Metern. Und der kommende Sonntag könnte überraschend enden. Angela Merkel bleibt Bundeskanzlerin. Laut Umfragen wünscht sich das eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Deutschen. Aber wird sie es auch? Die Zweifel wachsen, und der bisher so langweilige Wahlkampf wird zur spannenden Schussfahrt. Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist die größte Gefahr für Angela Merkel. Es ist eine Partei wie ein Eisberg: Nur die Spitze ist für Meinungsforscher und Wahlbeobachter sichtbar. Wie viele Wähler tatsächlich dann ihr Kreuz bei ihr machen, wenn die Vorhänge der Wahlkabine zugezogen sind, wie viele Nachbarn und Stammtischfreunde die hoch motivierten Anhänger mitziehen, und ob diese Stimmen hauptsächlich der FDP, der CDU oder auch der SPD fehlen, ist ungewiss. Gefährdet ist die FDP. Ihr könnte die AfD jene paar Stimmen entziehen, die zum Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde nötig wären. Der neue Bundestag würde mit einem Einzug der AfD bunter – oder aber graumäusiger, wenn beide, AfD und FDP, an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Dies offenbart den größten innenpolitischen Fehler Merkels: Egal, ob Gesellschafts- und Familienpolitik, Energiewende und Euro – ihre CDU hat den Schulterschluss mit dem bei SPD und Grünen vermuteten Zeitgeist gesucht – und anderes als alternativlos dargestellt. Die AfD macht die Alternative zum Programm und wird so zum Sammelbecken für alle, die die Energiewende für vermurkst halten, denen die Euro-Politik zu leichtfertig erscheint und denen generell die ganze neu-linke Linie nicht passt. Früher hat es die CDU verstanden, auch wertkonservative Wähler an sich zu binden. Legendär die Maxime von Franz Josef Strauß, rechts von der CSU dürfe es keine demokratische Kraft geben. Jetzt ist sie da – vielleicht zu klein zum Leben, aber groß genug, um Merkel aus dem Amt zu jagen. Denn nach allem, was man derzeit weiß, hat das bürgerliche Lager aus FDP und Union nur einen hauchdünnen Vorsprung gegenüber SPD, Grünen und der Linken. Nun schließt die SPD eine Koalition aus, weil die Linke auf bundespolitischer Ebene unzuverlässig sei. Ich nenne das Rosstäuscherei; schließlich hat mithilfe der Linken die SPD ja auch den Regierungswechsel im Bundesland Nordrhein-Westfalen erzwungen, und immer wieder galt dieses große Land als Modell für den Bund. In Hessen, wo am Sonntag ebenfalls gewählt wird, eiert SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel herum; zuverlässig ausschließen will er die rot-rote Zwangsehe nicht. Wie eine verhuschte Maus, deren Auftauchen im Sterne-Restaurant den Appetit verdirbt, taucht diese Wahrheit in einem Wahlkampf auf, der alles schönredet. Dazu kommt: In diesen Tagen stürzen die Grünen in der Wählergunst ab. Zu selbstgerecht und rechthaberisch tritt die Partei auf, zu weinerlich macht sie jetzt Journalisten für ihr Absacken verantwortlich – ausgerechnet jene Partei, die wie keine andere bisher Liebling der Medien war. Es ist die ganz große Show, wenn ausgerechnet Gregor Gysi mit seiner gewendeten Mauerpartei den Grünen vorwerfen kann, so viele kleinliche Gebote und muffige Verbote wie mit den Grünen werde es mit den Linken nie geben. Auf die Idee, dass etwas falsch läuft, wenn lebensfrohes Grün zum tristen Spießergrau verwelkt, ist diese Partei ebenso wenig gekommen wie zu einer Entschuldigung bei den Opfern ihrer „Arbeitsgemeinschaft Schwule und Päderasten“: So wenig Selbstkritik war nie. Damit verschiebt sich die Macht im linken Lager – die Linke gewinnt auf Kosten von SPD und Grünen und wird nicht mehr zu ignorieren sein. In den entscheidenden Tagen, an denen sich die Bürger ihre Wahlabsicht bilden, werden nun sogar Wahlumfragen als Wahlkampfmittel instrumentalisiert. Denn alles ist möglich: Weiter wie bisher, ein Kanzler von links; oder aber Merkel rettet sich in eine Koalition mit der SPD, die dann nur noch irreführend „große“ heißt. Passen Sie bloß auf, dass dieses Land nicht unter den Schlitten kommt. (Erschienen auf Wiwo.de am 14.09.2014)
Roland Tichy
Wahlkampf ist wie Schlittenfahren: Rasant wird’s auf den letzten Metern. Und der kommende Sonntag könnte überraschend enden. Angela Merkel bleibt Bundeskanzlerin. Laut Umfragen wünscht sich das eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Deutschen. Aber wird sie es auch? Die Zweifel wachsen, und der bisher so langweilige Wahlkampf wird zur spannenden Schussfahrt. Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist die
tichys-einblick
2013-09-14T14:00:05+00:00
2014-07-25T14:01:36+00:00
https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/alles-rutscht-und-fliesst/
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Liebe Leser, aktuell stellen wir die bisherige Kommentarfunktion um. Ihre bisher abgegebenen Kommentare werden nach Abschluss der Umstellung wieder wie gewohnt unter den jeweiligen Beiträgen angezeigt. Das Eingeben von Captchas, was sehr viele Leser als hinderlich empfunden haben, entfällt damit vollständig. Auf Kommentare können Sie zukünftig besser antworten, in mehreren Ebenen auf einzelne Antworten besser darauf reagieren. Die Umstellung kann am heutigen Donnerstag noch ein paar Stunden in Anspruch nehmen. Wir bedanken uns für Ihre Geduld. Tichys Einblick    
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daili-es-sentials
2016-10-13T09:00:20+00:00
2016-10-13T10:24:04+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/kommentarumstellung/
Polizeiliche Kriminalitätsstatistiken (PKS) 2019: Straftaten von Zugewanderten besorgniserregend hoch
„Das müssen sie dann schon die Bayern fragen, warum die das so ausführlich machen“, erklärt ein Pressesprecher des Brandenburgischen Innenministeriums auf die Frage, warum die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS) des alten Bundeslandes um ein zehnfaches (fast 60 Seiten gegenüber einem halben dutzend) umfangreicher ist als die Brandenburgs, die dann auch nur als „Hand-Out“ bzw. Pressemitteilung daher kommt. Wir fragen unseren Gesprächspartner aus Brandenburg weiter, warum wir aus seinem Hause nur die Interpretation von nicht veröffentlichten Daten und Statistiken bekommen und nicht die Daten und Statistiken selbst. Das wäre keine Interpretation, sondern eine „Bewertung“ werden wird aufgeklärt. Und die Bundesländer würden eben keine Statistik im Umfange der PKS für die gesamte Bundesrepublik herausgeben. Das ist nun allerdings gemessen an dem ebenfalls verfügbarem umfangreichen Papier aus Bayern nicht korrekt erzählt. Wir fragen also im Bayrischen Staatsministerium des Inneren, warum sie denn so viel ausführlicher arbeiten als die rot-schwarz-grünen Kollegen aus Brandenburg. Und während wir auf den geneigten Rückruf aus München warten, schweift der Blick zurück ins vergangene Jahr, als die PKS 2018 für die Bundesrepublik veröffentlicht wurde und es damals zunächst begeistert hieß und von den Medien so verbreitet wurde: Das Land sei so sicher wie seit 1992 nicht mehr. Als mediale Spielverderber hatten wir uns allerdings nicht an die wenige Seiten starken euphorischen Pressemeldungen und Handreichungen gehalten und Statistik um Statistik durchgeschaut, denn so eine PKS besteht ja aus vielen einzelnen Statistiken. Und siehe da: Der Teufel steckte im Detail, als sich mit zunehmender Informationstiefe herausstellte, dass zwar der blasse Wohlstandsdeutsche tatsächlich ein immer friedlicheres, rechtstreues Wesen geworden ist. Aber die wesentlichen Delikte wie einfache und schwere Körperverletzung, Sexualstraftaten und viele weitere Delikte  – gemessen an ihrer Gesamtzahl – überproportional von Nichtdeutschen begangen. Im März 2020 und bezogen auf die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2019 für Brandenburg und Bayern also der Eindruck, als befände man sich beim Blick auf die Schlagzeilen der Medien in einem Hamsterrad, wenn beispielsweise die Märkische Allgemeine titelt: „Niedrigste Kriminalität in Brandenburg seit 1990 – aber das Land hat ein Drogenproblem.“ Ja, das wohl auch, aber das ist bei Weitem noch nicht das einzige, wenn Übergiffe auf Polizisten drastisch zugenommen haben ebenso, wie es jeden Tag mindestens eine Vergewaltigung geben soll, die zur Anzeige kommt. Da wollte die Bild in Bayern wohl nicht hintenanstehen und titelte auf eine Weise, dass das Hamsterrad zu dampfen beginnt: „So wenige Verbrechen wie noch nie!“, kleinlaut angefügt: „Probleme bleiben jugendliche Täter“. Geht es noch genauer bitte? Der bayrische Wermutstropfen seien Straftaten von Jugendlichen, die um 7,5 Prozent angestiegen seien auf 1.531 Straftaten nur für Nürnberg. Die Großstadt hat sogar ein eigenes Jugendkommissariat, dass sich um 71 jugendliche Intensivtäter kümmert, so die Bild-Zeitung. Alleine diese 71 Täter zusammengenommen hätten von Diebstahl über Raub und Drogendelikte bis zu Körperverletzung und Vergewaltigung 2.814 aktenkundige Straftaten begangen. „Innenminister Hermann ist sehr zufrieden, Bayern hatte die niedrigste Kriminalitätsbelastung seit 40 Jahren.“ berichtet der Bayrische Rundfunk stolz. Zunahmen gab es allerdings bei Straftaten beispielsweise gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Und der Bürger wird sich zu Recht fragen, wie das alles zusammenpasst, wenn die täglichen Nachrichten aus der Region eben auch das sind: ein Zustandsbericht einer insbesondere seit 2015 durch junge muslime Zuwanderer exorbitant angestiegenen Bedrohungslage. Und die bayrische PKS (Polizeiliche Kriminalitätsstatistik) weist es dann auch ausführlich aus: Die Anzahl nichtdeutscher Tatverdächtiger ist von 2010 auf 2020 von 65.395 auf 92.246 angestiegen. Der noch einmal erhebliche Anstieg ab 2015 ist bis heute fast konstant hoch geblieben. An der Stelle wäre also die Behauptung niedrigster Kriminalitätsbelastung geradezu absurd. Und eine bayrische Zahl macht es dann noch einmal auf drastische Weise deutlich, wie sehr doch diese Beschönigungsversuche aus dem Hamsterrad ins Leere laufen müssen, wenn sich Medien über die politisch erwünschte Lesart einmal hinwegsetzen und über die Statistik beugen würden. Da heißt es nämlich schwarz auf weiß: „Von den insgesamt 259.884 registrierten Tatverdächtigen (…) waren 167.638 Deutsche und 92.246 Nichtdeutsche.“ Dabei sind die so gerne als mildernder Umstand angeführten ausländerechtlichen Verstöße bereits abgezogen. Wir stellen also fest: Ein überproportional hoher Anteil der Straftaten in Bayern wird von Ausländern begangen. Das heißt, über 35 Prozent der Straftäter in Bayern sind Ausländer (keine Deutschen mit Migrationshintergrund mitgezählt). Zum Vergleich: 2010 lag dieser Anteil gerade einmal bei etwas mehr als 22 Prozent. Nehmen wir die Statistik der Straftaten gegen das Leben, stehen hier 214 nichtdeutsche Tatverdächtige 383 Deutschen gegenüber (einschließlich solcher mit Migrationshintergrund). Von den 214 Nichtdeutschen (35,8 Prozent) sind 78 Zuwanderer. Bei Körperverletzungen sind es 36,7 Prozent nichtdeutsche Täter. Bei Gewaltkriminalität 44,4 Prozent nichtdeutsche Täter. Bei Rauschgiftkriminalität 31,7 Prozent nichtdeutsche Täter. Bei Diebstahl 42,4 Prozent nichtdeutsche Täter. Bei Wohungseinbruchdiebstahl 47,7 Prozent nichtdeutsche Täter. Bei Raub/räuberische Erpressung 46,2 Prozent nichtdeutsche Täter. Und bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind 30,6 Prozent nichtdeutsche Täter. Bei Straßenkriminalität sind 36,7 Prozent nichtdeutsche Täter. Wer sich die explizit nur durch Zuwanderer (wird in der bayrischen PKS in der Gruppe der Ausländer extra ausgewiesen) begangene Straftaten von 2010 bis 2019 anschaut, der erkennt einen Anstieg von 5.635 auf 40.397 Straftäter. Wobei es hier eine leichte Verbesserung gegeben hat von 2018 auf 2019, deren Ursache der 56-seitigen PKS im Wesentlichen leider nicht zu entnehmen war. Es bleibt eine ganz erhebliche Steigerung, eine Verachtfachung der Straftäter aus der Gruppe der Zuwanderer innerhalb der noch viel größeren Gruppe der straffälligen Ausländer. Nachtrag: Der Pressesprecher aus dem Bayrischen Staatsministerium des Inneren rief dann tatsächlich noch zurück, konnte oder wollte allerdings nichts dazu sagen, warum Bayern so fleißig war und Brandenburg keinen rechten Bock hatte. Für die „Gourmets unter den Statistikfans“ verwies er auf das für Bayern im Internet verfügbare umfangreiche komplette Tabellenwerk. Danke also Bayern und Dank an den bayrischen Innenminister (und seine Polizeikräfte), dem wir nachsehen wollen, dass er sich hinter die Arbeit seiner vielgescholtenen Polizisten stellt – für die zugewanderte Kriminalität können die Beamten ja nichts. Nachtrag 2: Der Pressesprecher aus dem brandenburgischen Innenministerium schickt uns einen Link. Unter dem finden sich allerdings nur die Statistiken bis 2018. Auf Nachfrage sagt er, er wisse nicht, wann die von 2019 zugänglich sei.
Redaktion Tichys Einblick
„Das müssen sie dann schon die Bayern fragen, warum die das so ausführlich machen“, erklärt ein Pressesprecher des Brandenburgischen Innenministeriums auf die Frage, warum die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS) des alten Bundeslandes um ein zehnfaches (fast 60 Seiten gegenüber einem halben dutzend) umfangreicher ist als die Brandenburgs, die dann auch nur als „Hand-Out“ bzw. Pressemitteilung daher
kolumnen
2020-03-12T13:15:11+00:00
2020-03-12T15:33:46+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/alexander-wallasch-heute/polizeiliche-kriminalitaetsstatistiken-pks-2019-straftaten-von-zugewanderten-besorgniserregend-hoch/
Über das politische Instrument der Skandalisierung
Auch der jüngste Skandal um die Unions-Abgeordneten belegt, dass nicht das Ausmaß des Versagens oder die Tiefe des moralischen Abgrunds entscheidend sind. Denn während Medien, die Opposition und auch die eigenen Parteifreunde ihren Abscheu vor den angeblich raffgierigen, möglicherweise korrupten Volksvertretern ausführlich zelebrieren, blicken sie schon seit vielen Monaten mit Verständnis, Mitgefühl und nur zaghafter Kritik auf die Frau, die maßgeblich für den größten und folgenreichsten Skandal der letzten Jahre verantwortlich ist. Historisch betrachtet ist das Versagen von Angela Merkel beim Managen der Corona-Krise ein Skandal erster Ordnung – wobei dies möglicherweise in diesen Tagen doch noch öffentlich bewusst wird. Fast ein Jahr lang ging es bei der Beurteilung der Pandemie-Politik Merkels mehr um eine vielleicht in manchen Aspekten zu kritisierende Politik; letztendlich wurde eher auf eine Verkettung unglücklicher Umstände und misslicher Fehlgriffe hingewiesen, vor allem in Brüssel. „Ist nicht optimal gelaufen“, hieß es zuweilen, aber jetzt gelte es, „den Blick nach vorne zu richten“, so auch dann die Kommentare in vielen Medien. Das Mittel der Skandalisierung ist seit jeher ein wichtiges Instrument in der politischen Auseinandersetzung. Gestellt wird in der Regel die Charakterfrage: wer um seinen eigenen Vorteil willen Politik und Geschäfte verknüpft, oder wer sich moralisch niederträchtig benimmt, dem droht der Verlust seiner Reputation und das politische Ende. Dieser Mechanismus des öffentlichen Vertrauensverlusts trifft oft auch die Partei des Politikers. Die notwendige Bedingung für einen Skandal ist in erster Linie die breite öffentliche Wahrnehmung, für die in der Regel die Oppositionsparteien und/oder die Medien sorgen – in manchen Fällen stecken, wie Historiker wissen, auch Geheimdienste anderer Länder dahinter. Die Nachsicht der meisten Medien mit SPD und Grünen verhindert, dass die enge Verbandelung linker und grüner Mandatsträger mit Gewerkschaften, Sozialverbänden, Interessengruppen und Unternehmen mit grünem oder sozialem Anstrich Thema werden. Die groteske Nähe des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann (SPD) und seiner Ehefrau Zübeyde Feldmann beispielsweise zu der von skandalösen Korruptionsfällen erschütterten Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Frankfurt und Wiesbaden ist zwar Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen, viel mehr aber auch nicht. Zu einem echten Skandal aber gehören Empörung und Abscheu. Dabei können auch absurde Vorwürfe oder sogar unbewiesene Behauptungen ausreichen, um jemanden an den Skandal-Pranger zu stellen. Beim rheinland-pfälzischen FDP-Politiker Rainer Brüderle genügte 2012 eine flapsige Bemerkung an der Hotelbar, um wochenlang für Schlagzeilen zu sorgen. Der „Sexskandal“ beruhte auf der Bemerkung des Liberalen am Abend des FDP-Dreikönigstreffen in Stuttgart zu einer Stern-Journalistin, sie könne „auch ein Dirndl ausfüllen.“ Nachdem der Stern ein Jahr später (!) die Geschichte als Beleg für Brüderles „Dauererotisierung“ und seine ständigen Schlüpfrigkeiten nutzte, begann für den FDP-Mann ein öffentliches Spießrutenlaufen. Der Skandal um die Unionsabgeordneten hat ihren Parteien laut Umfragen schon erheblichen Schaden zugefügt. Kanzlerin Merkel dagegen sonnte sich noch bis vor kurzem in blendenden Werten bei den Umfragen, die Bundesbürger sehen in ihr – zumindest noch bis letzte Woche – eine zuverlässige und kompetente Regierungschefin. Für CDU/CSU – ab Herbst ohne Merkel? – ist es ein Alptraum, dass ihnen die Menschen in Deutschland angesichts der Verfehlungen einiger Abgeordneter das Vertrauen dauerhaft entziehen und sie das Schicksal von Parteien wie den italienischen Christdemokraten ereilen könnte. Immer neue Skandale hatten der über Jahrzehnte mächtigsten Partei Italiens ebenso den Garaus gemacht wie der gleichfalls lange sehr einflussreichen Sozialistischen Partei Italiens. Skandale können politisch mörderisch sein.
Sofia Taxidis
Was als „Skandal“ von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, ist meist Ergebnis von politischen Kampagnen. Darauf verwies Professor Hans Kepplinger schon vor zwei Jahrzehnten in seinem Buch „Die Kunst der Skandalisierung und die Illusion der Wahrheit“.
daili-es-sentials
2021-03-25T13:23:20+00:00
2021-03-25T15:39:57+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/ueber-das-politische-instrument-der-skandalisierung/
Glosse: Zombies lieben Aachen und Gelsenkirchen
Zugegeben. So eine Zombie-Apokalypse ist nichts Schönes: Die Untoten steigen aus ihren Gräbern, tanzen zur Musik von Michael Jackson und fallen junge Männer in roten Lederjacken an. Da will man nicht unbedingt dabei sein. Die Mietplattform Rentola.de hat vor diesem Hintergrund zweierlei herausgefunden. Die gute Nachricht: Es gibt Orte, an denen man sich vor Zombies sicher verstecken kann. Die schlechte Nachricht: Sie liegen meistens in der Eifel. Oder an der Mosel. Bitburg-Prüm und der Eifelkreis landen auf Platz eins und drei des Rankings. Dann folgen auf Platz vier Cochem-Zell und Bernkastel-Wittlich. Dazwischen belegt nur das bayerische Freyung-Grafenau den zweiten Platz. Das stellt Menschen, die von Untoten verfolgt werden, vor eine schwierige Wahl: In der Eifel leben oder nicht doch lieber sabbernd, geifernd und pöbelnd durchs Land ziehen? Am wenigsten geschützt sind die Menschen vor Untoten laut Rentola in Gelsenkirchen und Aachen. Dabei wäre dort eine Zombie-Apokalypse eine willkommene Abwechslung. Zumal die Menschen dort ohnehin Schlimmes gewohnt sind: Die Gelsenkirchener müssen sich alle zwei Jahre mit einem Abstieg von Schalke abfinden und die Aachener erleben jedes Jahr die Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst. Keine andere Veranstaltung in Deutschland kommt einer Zombie-Apokalypse so nahe. Rentola hat nach eigenen Angaben untersucht, wie viele Verstecke und Krankenhäuser es in den Städten und Kreisen gibt. Außerdem nahmen sie in den Blick, wie die Versorgung mit Wasser und Vieh vor Ort ist. Wo sich Veganer am besten vor einer Zombie-Apokalypse verstecken, ist letztlich egal – die würden den Unterschied eh kaum merken. Dann untersuchte Rentola noch das Vorhandensein von Waffen – in der Hoffnung, die Untoten ermorden zu können. Das ist nicht der einzige systematische Fehler in der Rentola-Auswertung. Ihr Ranking beruht auf der Auswertung statistischer Daten. Aber was ist mit der Praxis? In der halten sich mit Abstand die meisten Zombies in der Berliner Invalidenstraße auf. Nur: Vor denen gibt es kein Entkommen. Egal, wie sehr die Menschen um ihre Heizung heulen und graichen mögen.
Fritz Goergen
(Glosse) Die Mietplattform Rentola hat untersucht, wo sich am besten eine Zombie-Apokalypse überleben lässt. Das Ergebnis: in der Eifel. Allerdings gibt es einen Fehler in der Berechnung.
feuilleton
2023-06-03T16:58:42+00:00
2023-06-03T17:01:37+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/glosse/zombies-lieben-aachen-und-gelsenkirchen/
Verdrehte Welt: Lanz und das Panoptikum der Polit-Erklärer
An diesem Abend geht es im ZDF Schlag auf Schlag. Gerade eben noch hat Harald Lesch in alter Tradition die Kernenergie verteufelt, dem Zuschauer den aktuellen Forschungsstand vorenthalten (die neue Reaktorgeneration kann den Abfall alter Reaktoren verwerten), da übernimmt Markus Lanz und holt die ultimative Keule raus. Denn er fährt gleich eine ganze Armada an ZDF-Auslandskorrespondenten auf. Es ist ein Bad im eigenen Sud. All die überbezahlten Gesichter, die uns sonst allabendlich jeder für sich die Welt (v)erklären. Jetzt haben wir sie alle mal in konzentrierter Form, und dieser Aufguss hat es wirklich in sich. Nur zwei sind im Studio, der Rest wird nacheinander zugeschaltet. Die Dosis ist aber auch so schon hart an der Grenze. Wir müssen eigentlich nur einen einzigen Namen nennen: Elmar Theveßen. Wie der Washington-Korrespondent uns seit mittlerweile fünf Jahren die Politik der USA erklärt, ist wirklich einmalig. Joe Biden fand er noch lange „fit“, als der längst von Flugzeugtreppe zu Podium zu G7-Gipfel stolperte. Und das katastrophale Interview der Demokraten-Kandidatin Kamala Harris beim Sender Fox News vor wenigen Tagen kommentierte er damit, sie habe „Punkte gesammelt“ und stehe für „was Neues“. Theveßen regt sich auf: „Faschismus! Das sind faschistische Tendenzen. Dass die größten Lügen die sind, die am Ende noch geglaubt werden. Weil niemand es für möglich hält, dass jemand so große Lügen rauszieht. Deshalb glaubt man nicht, dass es gelogen sein könnte.“ Der geneigte Rechts-Nazi-Querdenk-Regierungsdelegitimierer fühlt sich in diesem Moment sofort in die Coronazeit zurückgebeamt. Lügen, Lügen, Lügen, immer wieder Lügen. Bis es (fast) jeder glaubt. Die Zeit, als der R-Wert alle Nachrichten dominierte, auf zwei absurde Nachkommastellen genau, nur weil Gesundheitsminister Jens Spahn es so wollte und es irgendwie wissenschaftlich klingen sollte. An die Zeit, als die angeblich nebenwirkungsfreie Impfung als Heilsbringer verkauft wurde. Und am Ende viele Menschen ins Verderben riss. Oder in den Tod. Auch damals: Alles. Leider. Lügen. Das haben die RKI-Files längst bewiesen. Was ZDF-Zuschauer allerdings nicht wissen können. Es geht noch weiter. Theveßen kritisiert US-Bürger, die er auf seinem Trip durch 18 Bundesstaaten getroffen hat (am heutigen Mittwoch um 22.15 Uhr) und die glauben würden, der Sturm aufs Capitol vom 6. Januar 2021 sei „doch nur eine Demonstration“ gewesen. Was er verschweigt: Die Wahrheit ist viel schlimmer. Wie Bilder der Überwachungskameras längst bewiesen haben, war der ganze „Sturm“ eine inszenierte Aktion. Das Sicherheitspersonal führte die Demonstranten seelenruhig durchs ganze Gebäude und zu den besten Foto-Locations. Für Theveßen sind das alles offenbar Fake News. Mit welcher Chuzpe er selbst Fake News verbreitet und wiederum die Realität als Fake News abtut, das sind Pirouetten, auf die selbst Eisprinzessin Kati Witt neidisch wäre. „Bei Donald Trump geht es nicht darum, dass man Fakten bespielt, da geht es um Emotionen“, sagt Ulf Röller. Das ist, nüchtern betrachtet, eine entlarvend korrekte Aussage, doch er meint es selbstverständlich anders. Der Brüssel-Korrespondent sitzt im Studio mit verwaschener Jeans und zu enger Wolljacke und sieht aus, als habe ihn die Lanz-Einladung nach Feierabend beim Autowaschen überrascht. Immerhin konstatiert er, dass Kamala Harris „keinen inhaltlichen Wahlkampf führt, sondern einen reinen Kulturwahlkampf. Ich weiß nicht, ob das reicht. Wenn das einzige Argument ist: Wir sind nicht Trump.“ Der Wahlkampf der Demokraten wirke blutleer. „Ich glaube, dass der Eindruck falsch ist“, wirft Theveßen ein. Versteht sich. Dass Trump neuer US-Präsident wird, möchte auch Moskau-Korrespondent Armin Coerper nicht. Russland wolle „Verachtung zeigen für diese Wahl, für dieses westliche demokratische System und Verachtung für die USA als Weltmacht, der man sich hier überlegen fühlt“, sagt er. Dass die Friedenskonferenz in Ramstein abgesagt wurde, nur weil der US-Präsident wegen der Hurrikan-Schäden verhindert war, empfindet Röller als „Wahnsinn“. Es sei eine „Schicksals-Sitzung“ gewesen. „Ich will nicht zynisch klingen, aber weil in Florida der Wind ein bisschen scharf weht, hält die Welt den Atem an.“ Interessant ist, dass den gesamten Abend über das Schlagwort BRICS überhaupt keine Rolle spielt. Obwohl es das wichtigste Militär- und Zahlungs-Bündnis in Konkurrenz zu G7, NATO, Swift, UNO und allen anderen westlichen Institutionen darstellt. Und noch dazu am selben Tag das Gipfeltreffen in Kasan begonnen hat. Lediglich Moskau-Korrespondent Armin Coerper nennt BRICS ein einziges Mal in einem Nebensatz. Weder Miriam Steimer (China) noch Susann von Lojewski (Afrika) oder Johannes Hano (Asien) erwähnen es auch nur mit einer Silbe. Wie dicht können diese Korrespondenten dran sein an den Kontinenten, über die sie berichten? Ob die anstehende US-Wahl „der Beginn einer neuen Weltordnung“ sei, will Lanz vom Kollegen aus Brüssel wissen. Der spricht von einer „Weltunordnung“ und diagnostiziert: „Die Wahrheiten, die wir gehabt haben, die gelten nicht mehr.“ Die transatlantische Partnerschaft werde leiden, und Europa werde auf sich allein gestellt sein. Sie müssten selbst für ihre Sicherheit sorgen. Dass die „europäischen Eliten sich darauf nicht vorbereitet haben“, sei eine „wahnsinnige Arroganz“. „Und Ignoranz“, sagt Lanz. Alle einig. Schöner Abend. Röller fordert mehr Waffen für Europa. Der Kontinent sei „militärisch nicht stark genug“, sagt er. „Es gibt ja den Flugzeugträger Ursula von der Leyen nicht.“ Was er verschweigt: So ein Schiff hätte – eingedenk der politischen Bilanz der EU-Kommissionspräsidentin und ehemaligen deutschen Verteidigungsministerin – vermutlich ein trauriges Schicksal: in See gestochen als stolzes Kriegsschiff. Und heimgekehrt als Krabbenkutter.
Natalie Furjan
Es ist der Lanz-Talk Nummer 2000. Das Jubiläum wird in der Sendung zwar nicht thematisiert – es gibt auch keine Blumen –, aber könnte der Grund für eine ungewöhnliche Konstellation sein. Acht ZDF-Auslandskorrespondenten auf einen Schlag. Eine Elefantenrunde überbezahlter Weltenbummler. Von Michael Plog
feuilleton
2024-10-23T06:07:32+00:00
2024-10-23T06:42:14+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/verdrehte-welt-lanz-acht-ausland-korrespondenten/
Greta Challenge accepted: Ohne Flugzeug im Spätherbst zurück in die Alte Welt Europa
Länger nichts gehört von Greta Thunberg. Außer einer von ProSieben veröffentlichten Umfrage, der zufolge für »Greta ist ein Vorbild« 5,7 Prozent der Befragten, für »nervt total« 87,5 Prozent stimmten. Jetzt kamen allerdings Lebenszeichen von Greta. Sie befindet sich offenkundig an der Westküste Amerikas und führt dort – neben Radtouren mit Arnold Schwarzenegger und Treffen mit Leonardo DiCaprio – auch »politische Gespräche«. Ursprüngliches Ziel war Santiago de Chile. Dort sollte wieder einer jener Klimagipfel stattfinden, zu denen 20.000 bis 30.000 Klimaretter aus aller Welt heranfliegen und über das Wetter reden. Darunter auch Greta Thunberg. Die wollte allerdings »klimaneutral« kommen, was immer das heißen soll. Sie wurde in 14 Tagen mit einer Rennsegelyacht über den Atlantik geschippert und wollte dann weiter auf dem Landweg nach Südamerika. Der Klimagipfel von Santiago de Chile ist bekanntlich abgesagt worden. Heftige Demonstrationen, vor allem gegen die Klimapolitik, zeigten eindringlich, wohin der Klimawahn führen kann. Den Chilenen gingen die drastischen CO2-Sparmaßnahmen entschieden gegen den Strich, sie demonstrierten und lieferten sich heftige Straßenschlachten. Die Bilder der Straßenschlachten sehen nicht gerade einladend aus. Nachgerade schlecht wirkt es, wenn die Bevölkerung für das Klima immer weiter ausgeplündert wird, neben hungernden Chilenen tausende von Staatsgästen prunkvoll empfangen und schließlich noch Heerscharen von Klima-NGO-Angehörigen verköstigt werden müssten. Der UN-Klimagipfel wurde also nach Spanien verlegt. Normal wäre es, sich einfach in ein Flugzeug zu setzen und rüber zu düsen. Misslich, wenn die eigene Propaganda das Märchen vom klimaschädlichen CO2 so aufgeblasen hat, dass ein harmloser Flug kontraproduktiv und Legenden zerstörend wirken würde. Auch heimlich rüberfliegen geht wohl schlecht. »Es stellt sich heraus, dass ich um die halbe Welt gereist bin, in die falsche Richtung«, twitterte Greta. Kolumbus hatte immerhin bei einer ähnlichen Irrfahrt Amerika entdeckt, Odysseus … na, lassen wir das. »Ich muss jetzt eine Möglichkeit finden, den Atlantik im November zu überqueren.« Der zeigt sich in dieser Jahreszeit in der Regel von seiner rauesten Seite. Der Weltmeisterskipper von der Hinfahrt winkte bereits ab. Der rast gerade neuen Rekorden über den Atlantik nach Südamerika entgegen, ließ aber wissen, dass er gern mit Rat zu Seite stehe. Greta ratlos: »Wenn mir irgendjemand helfen könnte, ein Verkehrsmittel zu finden, wäre ich dankbar.« Die Fluglinie Eurowings unterbreitete ein Angebot, das man normalerweise nicht ablehnen kann. New York – Düsseldorf, und zwar gratis: »Greta, wir können helfen!« twittert Eurowings freudig. »Klimafreundlich kompensiert von myclimate.« 0,9 Tonnen CO2 würden auf Gretas Umweltsündenkonto für diesen Flug zu Buche schlagen. In Sachen Weltuntergang natürlich schrecklich. Aber auch das würde Eurowings auf seine Kappe nehmen und für die nötigen Ausgleichsmaßnahmen aufkommen und vielleicht einen kleinen Wald pflanzen. Gretas Absage erfolgte recht prompt. Das leitmediale (flugverbotsaffine) Echo à la „Eurowings – How dare you“ auf das unterbreitete Angebot der Fluggesellschaft lautete fast unisono: Eurowings blamiert sich. Offenbar sorgte das Angebot und die Schelte aber auch für viel Aufmerksamkeit – und demzufolge auch für sehr viel kostenlose PR für Eurowings.
Sofia Taxidis
Angebot, Schelte und Absage sorgten für viel Aufmerksamkeit - und demzufolge auch für sehr viel kostenlose PR für Eurowings - und Greta.
feuilleton
2019-11-08T10:42:36+00:00
2019-11-08T10:47:45+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/glosse/greta-challenge-accepted-ohne-flugzeug-im-spaetherbst-zurueck-in-die-alte-welt-europa/
Signalwahl in Sonneberg
Weder ist auf Sizilien der Ätna, noch über Neapel der Vesuv ausgebrochen, auch legte der isländische Vulkan Eyjafjallajökull nicht den Flugverkehr lahm, der Gardasee ist nicht ausgetrocknet und über Europa zog kein Sturmtief mit Böen und Windhosen, schlimmeres geschah, im Landkreis Sonneberg gewann der Kandidat der AfD die Stichwahl und wird nun Landrat. Der Rechtsanwalt Robert Sesselmann entschied die Stichwahl nach dem vorläufigen Wahlergebnis mit 52,8 Prozent, während sein Konkurrent von der CDU Jürgen Köpper auf 47,2 % der Stimmen kam. Robert Sesselmann hatte viele Wahlhelfer, die meisten davon unfreiwillig. Die beste und erste Helferin, die schon sehr früh für die AfD in Thüringen Wahlkampf machte, war, man höre und staune, die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Sturz des FDP-Ministerpräsidenten Kemmerich per ordre de mufti aus dem fernen Südafrika mit einer kurzen TV-Ansage, die inzwischen sogar vom Bundesverfassungsgericht allerdings mithilfe würdeloser Trickserei verschleppt und zu spät gerügt wurde, war ein Schlag ins Gesicht der Demokratie. Allerdings erstaunt das nicht, denn Merkel fremdelte immer mit der Demokratie. Wer davon spricht, demokratische Wahlen rückgängig zu machen, dem ist eher nach sozialistischer, statt nach pluralistischer Demokratie zumute. Dass die geforderten und versprochen Neuwahlen bis heute nicht stattgefunden haben, entzieht nicht nur der Regierung Ramelow die demokratische Legitimität, sondern erinnert doch besonders im Osten eher an eine informelle Nationale Front, die man in SED-Tradition gern demokratisch nennt. Damit wären wir beim zweiten Wahlhelfer von Robert Sesselman, dem Ministerpräsidenten Thüringens, Bodo Ramelow. Ein Ministerpräsident, der einfach im Amt bleibt und dem es nichts ausmacht, dass ihm jegliche demokratische Legitimation fehlt, was allerdings der DNA und der Tradition seiner Partei entspricht, weckt ungute Erinnerungen an die Nationale Front zur demokratischen Erneuerung Deutschlands. Das dann auch noch Grüne, Linke, SPD und CDU einen gemeinsamen Block bilden, erschwerte es jedem, der wirklich demokratisch dachte, sein Kreuz bei Jürgen Köpper zu machen. Gerade im Osten hat man noch genaue Erinnerungen daran, wie es war, als man das Wählen „Zettelfalten“ nannte und man sich nur gegen oder für den gemeinsamen Kandidaten der Nationalen Front entscheiden konnte. Wer sich dagegen entschied, fiel unter die Kategorie „Staatsfeind“ oder „Querulant“, was aufs gleiche herauskam. Man sollte sich also mit Wählerbeschimpfungen zurückhalten. Zum dritten Wahlhelfer: Wenn die CDU das Feld der Opposition der AfD überlässt, muss sie sich über dieses Wahlergebnis und über die Umfragewerte nicht wundern. Wenn die CDU diesen Weckruf, der schon ein ohrenbetäubendes Wecksignal ist, überhört, dann fördert sie die AfD. Sollte sie einen Mann wie Hendrik Wüst, der Meldestellen für Denunziationen und zur Registrierung für Äußerungen und Vorfälle schafft, die der Queer-Lobby nicht passen, wenn jemand beispielsweise wagt zu behaupten, dass es biologisch zwei Geschlechter gibt, zum Kanzlerkandidaten küren, wird sie im wahrsten Sinne des Wortes ihr blaues Wunder erleben. Dort, wo die CDU mit den Grünen zusammen regiert, wird die CDU zur Blockflöte, auch wenn sie nominell den Ministerpräsidenten stellt. Wenn sie unbedingt Brandmauern errichten will, was unpolitisch ist, dann nicht nur zur AfD, sondern auch zu den Grünen, die ja eher ein Weltanschauungsverein mit volkserzieherischen und totalitären Ambitionen sind als eine politische Partei. Für Robert Sesselmann und für Sonneberg wird es nun nicht leicht. Er hat den Kreistag zumindest, wenn man sich die Mandatsverteilung anschaut, gegen sich, und man wird auf allen Verwaltungsebenen gegen ihn arbeiten, um zu beweisen, dass die AfD es nicht kann.
Klaus-Rüdiger Mai
Robert Sesselmann hatte viele Wahlhelfer, die meisten davon unfreiwillig. Die beste und erste Helferin, die schon sehr früh für die AfD in Thüringen Wahlkampf machte, war, man höre und staune, die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel.
meinungen
2023-06-26T08:56:43+00:00
2023-06-26T08:56:44+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/signalwahl-in-sonneberg/
Teil 2: Achtung, gefährlicher Professor – Der ewig Verdächtige
TE fragt nach dem Zustand der akademischen Freiheit in Deutschland, und zwar anhand von drei Fallstudien. Dreimal geht es um die staatliche Maßregelung von Professoren wegen ihrer Meinungsäußerung, wohlgemerkt noch nicht einmal im Hörsaal, sondern außerhalb. Keinem der Vorgänge widmeten Spiegel, Zeit, ARD und ähnliche Medien bisher eine kritische Betrachtung. So viel vorab: Kein einziger der verdächtigten und gemaßregelten Hochschullehrer, um die es geht, zeigte irgendeine Nähe zu extremistischen Ideen, tolerierte oder verharmloste Gewalt oder vernachlässigt seine Lehrpflichten. Sie vertreten nur Ansichten, mit denen sie sich zwar völlig im Spektrum der Meinungsfreiheit bewegen, aber gegen ungeschriebene politische Festlegungen verstoßen. In zwei der drei Fälle spielte eine Behörde eine Schlüsselrolle, die im Wissenschaftsbetrieb höchstens als Forschungsgegenstand auftauchen sollte: der Inlandsgeheimdienst. Im Fall eins ging es um Professor Martin Wagener: Fall zwei betrifft einen Professor der gleichen Hochschule, der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Stephan Maninger darf dort lehren, und zwar in dem für die Ausbildung von Bundespolizisten zuständigen Bereich, Standort Lübeck. Darin sehen viele einflussreiche Leute allerdings einen Dauerskandal, den sie lieber heute als morgen beenden wollen. Genauer gesagt: Maninger lehrt seit Januar 2025 wieder dort. Im Jahr 2016 begann der gebürtige Südafrikaner seine Arbeit in Lübeck, 2020 übernahm er die Professur für Sicherheitspolitik. Maninger promovierte (noch in Johannesburg) im Fach Entwicklungswissenschaften, außerdem in Politikwissenschaften. Vielleicht deshalb, weil Maninger erst spät nach Deutschland kam, sagt er im Gespräch einen Satz, den sonst sehr viele vermeiden: Er sei konservativ. Aber eben klar innerhalb des Verfassungsbogens: „Wäre ich so rechts, wie meine Gegner links sind, hätte ich für meine Lage Verständnis.“ Mit diesem Bekenntnis schafft man sich Probleme in einem Berufsumfeld, in dem für viele der Rechtsradikalismus spätestens jenseits von Friedrich Merz beginnt. Offenbar trugen aufmerksame Beobachter schon seit längerem Material gegen ihn zusammen. Schließlich ergab sich für einen von ihnen auch ein handfestes Motiv: Matthias Lemke, der heute als Dozent an der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin lehrt und früher ebenfalls im Fachbereich Bundespolizei der Hochschule des Bundes lehrte, bewarb sich 2020 für die gleiche Professur wie Maninger, zog aber den Kürzeren. Außerdem flog Lemke ein Jahr später wegen Fehlverhaltens aus dem Dienst. Offenbar wollte er wenigstens publizistisch zurückschlagen. Zusammen mit einem Mitautor, der aus Maningers Fachbereich stammt, verfasste er für das „Jahrbuch Öffentliche Sicherheit“ 2023 einen Text, versehen mit dünner akademischer Tünche, der den Professor zum gefährlichen Neurechten stempelte. Und das mit Argumenten, die noch bizarrer anmuten als in der Kampagne gegen Wagener. Bei der Veröffentlichung in dem Jahrbuch für ein kleines Fachpublikum blieb es nicht. Die interessierten Kreise alarmierten Journalisten; taz und BuzzFeed brachten aufgeregte Artikel über die rechte Gefahr an der Polizeiausbildungsstätte, im November 2023 richtete schließlich die Linkspartei-Abgeordnete Martina Renner eine Anfrage an die Bundesregierung, was sie zu dem rechten Treiben im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums meinte. Mancher erinnert sich vielleicht: Renner machte sich 2019 einen gewissen Namen, als sie mit Antifa-Sticker am Revers ans Rednerpult des Bundestages trat. Zu dem Zeitpunkt, als Renner fragte, lief schon ein bundespolizeiinternes Verwaltungsverfahren gegen den Professor. Außerdem schaltete sich noch eine Organisation ein, von der man eigentlich den Schutz von Mitarbeitern gegen den Druck des Arbeitgebers erwarten müsste: die Gewerkschaft der Polizei, kurz GdP, konkret ihr für die Bundespolizei zuständiger Organisationsteil. Sie veröffentlichte etwa zeitgleich mit Renners Vorstoß eine Erklärung, in der sie „rechtspopulistische Äußerungen“ des Wissenschaftlers verurteilte, ohne genau zu erklären, welche Äußerungen sie damit meinte. Die Gewerkschaftsspitze machte keinen Hehl aus dem, was sie wünschte: die Entfernung Maningers aus dem Wissenschaftsbetrieb. Eine besondere Rolle spielte hier offenbar ein Mann mit einer bemerkenswerten, in der späten Bundesrepublik aber nicht karriereschädlichen Vergangenheit: Sven Hüber, Vizevorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, Bezirk Bundespolizei und Vorsitzender des Hauptpersonalrats der Bundespolizei beim Bundesinnenministerium. Er gilt als einer der besonderen Vertrauten von Ministerin Nancy Faeser. Hüber, Jahrgang 1964, diente als Politoffizier der DDR-Grenztruppen, später auch als stellvertretender Kompaniechef und Stabsoffizier im Grenzregiment 33, zuständig für den Abschnitt Berlin-Treptow. Hier starb am 5. Februar 1989 der letzte Mauertote, der damals 20-jährige Chris Gueffroy. Hübers Aufgabe bestand nicht darin, selbst den Abzug durchzuziehen, sondern es den Grenztruppenangehörigen einzuschärfen. Seine Laufbahn setzte er 1990 nahtlos beim Bundesgrenzschutz fort; dem schloss sich ein steiler Aufstieg an, der ihn bis in Faesers Nähe führte. Und eben auch auf die Schlüsselposition der GdP, Bezirk Bundespolizei. Den Kampf gegen „Rechte“ scheint Hüber als Lebensaufgabe zu begreifen. Er beteiligte sich auch an der Diffamierungskampagne gegen den Historiker und damaligen Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen Hubertus Knabe. Den verortete der Politoffizier a.D. in der „deutschnationalen Ecke“. Unter dem Druck dieser Front von Gewerkschaftern der ganz besonderen Sorte, Linkspartei, taz und einem Kollegen mit dringendem Revanchebedürfnis begann eine bundespolizeiinterne Untersuchung gegen den Professor, die in insgesamt 71 Befragungen von Kollegen und Schülern Maningers bestand. Während dieser Zeit wurde er vom Unterricht entbunden. Außerdem bat die Bundespolizei die beiden renommierten Politikwissenschaftler Thomas Jäger und Joachim Krause, den Text im „Jahrbuch Öffentliche Sicherheit“ zu bewerten, mit dem das Kesseltreiben begonnen hatte. Beide kamen zu einem ziemlich klaren Urteil: Der Text sei „kein wissenschaftlicher Aufsatz, sondern ein wissenschaftlich verbrämtes Pamphlet“, und drückten ihre Verwunderung darüber aus, „dass das Jahrbuch Öffentliche Sicherheit, welches immerhin einen wissenschaftlichen Anspruch erhebt, so ein Papier ungeprüft veröffentlicht. Wäre dieser Aufsatz einer strengen Begutachtung unterworfen worden, hätte er nicht veröffentlicht werden dürfen.“ Und zwar schon deshalb, weil die persönlichen Motive von einem der Autoren auf der Hand lägen. Am 19. November 2021 entlastete ein Abschlussbericht der Bundespolizei Maninger vollumfänglich von allen Anschuldigungen. Der gesamte Vorwurfsberg schrumpelte auf einen einzigen faktischen Punkt zusammen: In einer Diskussion mit Studenten sagte Maninger tatsächlich einmal auf die Frage, was er von der gleichgeschlechtlichen Ehe halte, Normen unterlägen nun einmal einem gesellschaftlichen Wandel und vielleicht könne er eines Tages sein Hausschwein heiraten. Darüber beschwerte sich damals ein Student. Im Gespräch sagt Maninger: „Das war keine kluge Bemerkung. Ich wollte auch niemanden beleidigen.“ Er habe angeboten, der Student könne zu ihm kommen und er werde sich bei ihm entschuldigen. „Der kam allerdings nie.“ Gegen Schwule, so Maninger, hege er keine Vorbehalte. Diese eine von Maninger selbst bedauerte Bemerkung, entschieden die Untersuchungsführer, rechtfertigten keine disziplinarischen Maßnahmen. Auch im Bundesinnenministerium herrschte in der Sache kein Elan mehr. Auf die Frage von TE, wie Faeser Medienberichte bewerte, dass Lehrkräfte an der Hochschule des Bundes sich angeblich nicht verfassungskonform äußerten, ließ die Ministerin mitteilen: „Dem BMI liegen keine entsprechenden Anhaltspunkte vor.“ TE fragte auch zur Rolle des Ex-Politoffiziers Hüber in der Kampagne. Hier lautete die knappe Antwort: Bundesinnenministerin Faeser steht mit Herrn Hüber in seiner Funktion als Vorsitzender des „Bundespolizei-Hauptpersonalrats im regelmäßigen Austausch. Zu Inhalten dieser Gespräche äußern wir uns nicht.“ Inquisitionsverfahren zeichnen sich allerdings dadurch aus, dass sie keinen Freispruch kennen. Im Mai 2023 schrieb die taz: „Maninger ist kein Einzelfall.“ Der Zirkelschluss nicht nur bei dem linken Organ lautete: Der Professor belege schon durch seine Anwesenheit an der Hochschule die Existenz eines rechten Netzwerks bei der Polizei. Folglich müssten ihm jetzt nur noch rechte Umtriebe nachgewiesen werden. TE fragte bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bezirk Bundespolizei nach, welchen Schluss die Organisation aus dem Ausgang des Untersuchungsverfahrens gegen Maninger zieht. Die Antwort: „Der Bundeskongress der GdP hat alle Gliederungen der GdP beauftragt, sich mit dem politischen Populismus aus dem linken und rechten Spektrum intensiv auseinanderzusetzen. Die GdP lehnt bereits kraft Satzung undemokratische Bestrebungen jeder Art ab. Der Vorstand des Bezirks Bundespolizei lehnt deshalb ganz in diesem Auftrag die Propagierung des rechtspopulistischen Ethnopluralismus, zumal innerhalb der Laufbahnausbildung des gehobenen Polizeivollzugsdienstes, ab und hat dies in seinem Beschluss gegen die aus unserer Sicht diffamierenden Publikationen des Herrn Maninger klar zum Ausdruck gebracht. Gleiches gilt für die Verbreitung von queerfeindlichen, verächtlichmachenden Positionen im Unterricht. Insoweit hat unsere veröffentlichte Positionierung weiterhin Gültigkeit.“ Zusammengefasst: Selbst wenn die Untersuchung den Wissenschaftler vollständig entlastet – weg muss er irgendwie trotzdem. Er empfiehlt darin der„sehr geehrte[n] Frau Bundesinnenministerin“ praktischerweise gleich einen Gutachter, nämlich den Rechtsextremismusforscher Fabian Virchow, Universität Düsseldorf, der offenbar jetzt endlich das richtige Papier liefern soll, um Maninger doch noch zu Fall zu bringen. Mit Virchow wählte die GdP einen zuverlässigen Experten aus: Der Professor gehört zu den Vertrauensdozenten der Linkspartei-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung. Wirklich rechte Netzwerke in der deutschen Wissenschaftslandschaft lassen sich nur mit sehr weiter Begriffsdefinition aufspüren. Linke universitär-politische Vernetzungen dagegen geraten schon wegen ihrer schieren Größe leicht aus dem Blick. Außerdem, so Kopelke, habe es bei der Berufung von Maninger 2019 Formfehler gegeben. Er rege deshalb die Prüfung an, „ob die Berufung in das Professorenverhältnis auf Probe für Herrn Maninger und andere beteiligte Personen überhaupt Bestand haben kann und eine Berufung in ein Professorenverhältnis auf Lebenszeit rechtmäßig wäre“. Diese Berufung stünde nämlich im August dieses Jahres an. Offenbar besteht das Ziel der Hochschulsäuberer, genau das zu verhindern – mit einer Mixtur aus erledigten, aber wieder aufgebrühten Vorwürfen und Verfahrensfragen. Dass sich eine Berufung nicht sechs Jahre später einfach für ungültig erklären lässt, selbst wenn es seinerzeit Formfehler gab, müsste eigentlich auch ein Polizeigewerkschaftler wissen. Andererseits zeigen gerade Fälle wie die von Martin Wagener und Stephan Maninger, wie wenig früher selbstverständliche Regeln heute im Dauerkampf gegen Rechts noch gelten. Ob Maninger am Ende bleiben kann, bleibt genauso wie bei seinem Kollegen Wagener vorerst offen.
Sofia Taxidis
Deutschlands Politiker und Medien sorgen sich um die akademische Freiheit – aber in den USA, nicht vor ihrer Haustür. Hierzulande kann wissenschaftliche Freiheit sehr abrupt enden, wenn Hochschullehrer legale, aber unwillkommene Ansichten vertreten. Eine Sonderrolle spielt dabei der Verfassungsschutz. TE dokumentiert drei Fälle
meinungen
2025-04-26T15:13:04+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/achtung-gefaehrlicher-professor-der-ewig-verdaechtige/
Linke verlangt politische Unterstützung für Hausbesetzer
Die Linken-Politikerin Katina Schubert verlangt in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel, Leerstand zu besetzen dürfe keine Straftat sein, wer sich gegen Wohnungsnot wehre, dürfe nicht kriminalisiert werden. Kriminell ist, wer gegen geltendes Recht handelt. Die „gute Tat“ entkriminalisiert nicht, auch nicht wenn selbsternannte Gut-und-Böse-Richter der Politik Hausbesetzer heilig sprechen. Schubert scheibt: «Die Berlinerinnen und Berliner wollen ihre Stadt zurück, sie wollen hier leben und wohnen, ohne Angst vor dem Verlust der Wohnung, vor Vertreibung und Gentrifizierung. Sie wollen, dass die Spekulation mit Wohnungen und vor allem mit Grund und Boden aufhört, sie wollen die „Berliner Mischung“ in den Kiezen erhalten, in der jung und alt, arm und reich, Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte zusammenleben. Die große Mietendemo im April hat es schon angekündigt: Die Mietpreisexplosion in Berlin wird nicht mehr hingenommen. Die Menschen wehren sich. Es geht nicht darum, dass irgendwie gebaut wird. Es geht darum, mehr bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum zu schaffen.» „Die Berlinerinnen und Berliner wollen ihre Stadt zurück“? Wer hat Frau Schubert legitimiert, für „die Berlinerinnen und Berliner“ zu sprechen? Für die Berlinerinnen und Berliner kann der Senat von Berlin sprechen. Sind Änderungen im Mietrecht nötig, gibt es die dafür Zuständige. Recht spricht die Justiz. Hausbesetzer sind keine Hilfsorgane der Justiz, auch nicht, wenn Die Linke, Katinke Schubert und Co. sie dazu ernennen wollen. Oder soll der Rechtsstaat noch weiter außer Kraft gesetzt werden, nach politischen Verlautbarungen in der Presse so schleichend faktisch? Demonstration genehmigt in Zukunft die Antifa und Hausbesetzungen das Hausbesetzer-Kollektiv? Räterepublik informell?
Fritz Goergen
Recht spricht die Justiz. Hausbesetzer sind keine Hilfsorgane der Justiz, auch nicht, wenn Schubert und Co. sie dazu ernennen wollen.
daili-es-sentials
2018-06-28T14:54:50+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/linke-verlangt-politische-unterstuetzung-fuer-hausbesetzer/
USA: Das Ende ist nah!
Nein, kein Sorge. Nicht das Ende der Welt und nicht einmal zwingend das Ende der stabilen, nach oben strebenden Börsen. Einfach nur das Ende dieses enervierenden US-Wahlkampfes zwischen zwei Kandidaten, bei denen man sich nur immer wieder fragen muss, wen man denn nun schlimmer findet. Mit dem bevor stehenden Ende in der kommenden Nacht von Dienstag auf Mittwoch, stellt sich für alle Anleger dann natürlich die Frage, was das für die Börsen und damit ihre Depots bedeutet. Auch dazu ist schon vieles geschrieben worden, man mag es eigentlich gar nicht mehr lesen. Aber trotzdem, es muss sein, auch ich muss mich damit beschäftigen, denn diese Wahl hat für Anleger erhebliche Implikationen. Statt aber meinerseits einen Beitrag zur ansteckenden Krankheit der Prognosiritis zu liefern, will ich daher damit anfangen, Ihnen zu schreiben, wozu ich eben *keinen* qualifizierten Beitrag liefern kann. Denn diese Prognosen, besonders die Crash-Prognosen, sind reine mediale Unterhaltung und funktionieren nur wegen der Vergesslichkeit der Leser. Erinnert sich noch jemand an den im Frühjahr gepushten Oktober-Crash und den „Prognostiker“ Martin Armstrong? Natürlich wie immer verbunden mit dem raunenden Hinweis: „hat dieses und jenes vorher gesehen“. 😉 Natürlich nicht, aber so funktioniert eben die „Prognosiritis“. Sie verschafft in der Gegenwart mediale Aufmerksamkeit und ist damit im Zeitalter der Klicks bares Geld wert. Wenn die Prognose dann nicht eintrifft – wie fast alle – haben es die Leser schon wieder vergessen, ein Schaden für den Prognostiker, tritt also nicht ein. Trifft die Prognose aber zufällig ein, denn auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn, dann kann man sich medial feiern und zum „Professor“ und „Crash-Guru“ erklären lassen. Eigentlich also ein perfektes, mediales Geschäftsmodell, gefährlich wird es nur, wenn man dann messbar wird, weil man zum Beispiel einen Fonds auflegt. Aber das ist eine andere Geschichte. 😉 Wir bei Mr-Market, verweigern uns dieser Prognosiritis aber und deshalb habe ich zum Ausgang der US-Wahl selber auch keinen additiven Beitrag zu bieten. Ich sehe die Umfragen und Prognosen wie Sie und denke mir meinen Teil dazu, wie Sie. Es wurde alles schon gesagt und der Markt hat den aktuellen Stand der Umfragen vollständig verarbeitet. Eine der wichtigsten Fähigkeiten, die man braucht, um an der Börse erfolgreich zu sein, ist eben, dem Drang des Egos zu widerstehen, das immer wieder meint, sich durch apodiktische Prognosen von den anderen abzuheben und sich vermeintlich über diese zu erheben. Auch in den Kommentarsektionen der Medien findet man diese Egoschlachten immer wieder. Dabei kennt keiner von uns die Zukunft und niemand hat eine Glaskugel und wenn überhaupt steckt Wahrheit darin, dass das, was die Mehrheit erwartet, in selbstreferentiellen, sozialen Systemen, eher selten eintreffen wird. Also, zum Ausgang der Wahl müssen Sie andere befragen, die eine Glaskugel besitzen. Ich habe diese nicht und lebe gut damit. Aber auch zu der Frage, was der Ausgang der Wahl langfristig für die Börsen bedeutet, muss ich seriös schweigen. Denn definitive Aussagen dazu, sind ebenso pure „Prognosiritis“ und ohne Fundament. Das gilt ganz besonders für den Fall eines Sieges von Trump, denn der Kandidat kennt seine Politik nach einem Sieg selber nicht, wie soll sie denn dann die Börse kennen? Trump ist aktuell vor allem damit beschäftigt, eine Mehrheit der Amerikaner davon zu überzeugen, wie „grossartig“ er ist und was er für ein „natürlicher Anführer“ ist. Was er dann mit der Macht macht, wenn der Coup gelingen sollte – pah … schaun mer mal! Ob Trump eher ein isolationistischer „Goldwater-Trump“ wird, der „mit der Atombombe prima den vietnamesischen Dschungel entlaubt“ oder ob er ein der Welt zugewandter, prinzipienfester „Reagan-Trump“ wird, das ist noch völlig offen und Trump weiss es wohl selber noch nicht. Für die Börsen, liegen aber zwischen dem „Goldwater-Trump“ und dem „Reagan-Trump“ Welten und weil das völlig offen ist, sind alle Spekulationen, was ein Trump für die Börsen bedeutet, eher Unfug. Im Fall Clinton, mit ihren 30 Jahren im politischen Betrieb, kann man etwas mehr sagen, aber letztlich steht auch hier erst einmal der Machtgewinn im Vordergrund und in der Vergangenheit war auch Clinton wendig genug, ihre Schaufenster-Politik den machtpolitischen Notwendigkeiten anzupassen. Bei einem Sieg Clintons, wird es vor allem darauf ankommen, *wie* dieser ausfällt. Denn wenn er knapp ausfällt, wird Clinton ihre ganze Präsidentschaft unter einem Legitimationsproblem leiden und der Druck der Republikaner wird dann immens sein. Damit braucht Clinton dann die Loyalität des linken Sanders-Lager wie die Luft zum Atmen und weil das so ist, wird der politische Preis, den das Lager fordert, hoch sein. Mit den dirigistischen Staatsbeglückungs-Ansichten von Sanders kann die Börse aber am Allerwenigsten anfangen, weswegen die Börse in einem solchen Fall eher verschnupft reagieren wird. Und wenn der Sieg Clintons zu hoch ausfällt und auch das Repräsentantenhaus an die Demokraten fallen sollte, gibt es das gleiche Problem, weil die Demokraten dann „durchregieren“ können. In Summe hängt bei einem Sieg Clintons also alles vom *wie* ab und insofern sind auch hier vorherige Prognosen, was das für die Börsen bedeutet, eher mediale Unterhaltung, denn ernst zu nehmen. Nun werden Sie sich fragen, warum ich hier überhaupt schreibe, wenn ich erstens den Ausgang der Wahl nicht prognostiziere und zweitens die langfristigen Auswirkungen von Trump oder Clinton auch nicht benenne, weil diese eben vom konkreten Ausgang der Wahl abhängen? Der Grund ist, dass wir nicht völlig blind sind, wenn wir dem Markt folgen. Denn in der letzten Woche, hat uns der Markt den Gefallen getan zu zeigen, wie er auf die wieder steigenden Chancen von Trump reagiert. Die Reaktion lautete: Aktien runter, Dollar runter, Gold rauf. Dabei ist diese Reaktion genau genommen gar keine Reaktion auf Trump, es ist einfach eine generische Reaktion auf gestiegene Unsicherheit, die mit einem potentiellen Sieg Trumps erst einmal einhergeht. Und nichts hasst der Markt so sehr wie Unsicherheit. Der Markt hat nichts gegen Trump und wenn Trump ein „Reagan-Trump“ wird, schon gar nicht, dann wird er ihn lieben. Aber in Unsicherheit, werden eben Gewinne gesichert und mitgenommen und deshalb fallen die Kurse erst einmal. Und das mit Trump kurzfristig höhere Unsicherheit verbunden wird, daran ist er mit seinem sprunghaften Gefasel alleine selber schuld. Auch fällt der Dollar mit Unsicherheit über die Zukunft der USA und mit dem fallenden Dollar steigt dann Gold. Das ist die recht simple Geschichte dessen, was letzte Woche passiert ist. Genau das sagt uns aber eine Menge über die Reaktionen nach der Wahl und dass der Markt nun so deutlich korrigiert hat, schafft nun Raum für eine Erleichterungsreaktion nach der Wahl. Damit können wir uns nun mal vier mögliche Szenarien des Ausgangs der US Wahl vor Augen führen und die Frage beleuchten, wie der US Aktienmarkt darauf unmittelbar reagieren wird. Ich betone erneut, ich spreche hier nur über die unmittelbare Reaktion nach der Wahl, wie es dann mittel- und langfristig weiter geht, hängt eben von den Details und der realen, politischen Aufstellung der Kandidaten nach einem Sieg ab. Von „Goldwater-Trump“ vs „Reagen-Trump“ eben und da diese Zukunft noch nicht geschrieben ist, sind Prognosen dazu eher sinnlos. Schauen wir uns doch mal 4 mögliche Szenarien an: Clinton gewinnt recht deutlich, so dass es keine Zweifel gibt und das Repräsentantenhaus bleibt trotzdem bei den Republikanern, so dass Clinton um Kompromisse ringen muss und nicht durchregieren kann. Clinton gewinnt sehr deutlich und alle Häuser fallen an die Demokraten, die nun „durchregieren“ können. Trump gewinnt trotz all seiner charakterlichen Mängel, weil er für die weiße Mittelschicht die „Brechstange“ ist, um das Haus der verhassten „Eliten“ zum Einsturz zu bringen. Clinton siegt, aber nur so marginal, dass sie von Betrugsvorwürfen überzogen wird und Trump mit wilden Anschuldigungen um sich wirft. Wahlen werden angefochten, es wird teilweise neu ausgezählt, Gerichte sind befasst, Bürgerwehren gehen auf die Straße. Das Land ist blockiert und droht in einen Bürgerkrieg zu geraten. Ich betone, erneute prozentuale Wahrscheinlichkeiten, dürfen Sie an die 4 Varianten selber drankleben, da lese ich wie Sie nur die Umfragen und denke mir meinen Teil. Aber wie wird wohl der S&P500 kurzfristig reagieren? Schauen Sie mal auf das Chart: (1) Goldilock ist wohl das Idealszenario für den Markt, denn der Markt liebt es, wenn die Politik sich möglichst wenig einmischt und berechenbar agiert und man in Ruhe seinen Geschäften nachgehen kann. Ein V-förmiger Rebound ist dann recht wahrscheinlich, weil der Markt die Sorgen der abgelaufenen Woche, dann erst einmal rückgängig machen dürfte. (2) Beim demokratischen Durchmarsch, dürfte die Erleichterung nur kurz währen, bevor sich langsam aber stetig Unsicherheit einfrisst, wie stark der Dirigismus in den verschiedenen Branchen nun werden wird. Wie hart es dann abwärts geht, hängt eben von der Höhe des Preises ab, der von Sanders & Co. eingefordert wird. (3) Beim Sieg der Wut, kommt wohl erst einmal eine recht starke Reaktion des Erschreckens ala „Brexit“, die einen Retest der 2.000er Marke recht wahrscheinlich macht. Der Markt hat zwar die höheren Chancen von Trump nun erkannt, ein Sieg Trumps dürfte aber immer noch nicht eingepreist sein. Nach dieser Schreckreaktion sind aber auch hier die Chancen auf einen Rebound gut, wenn sich mehr und mehr zeigen sollte, was Trump nun bedeutet und was nicht. Denn mit größerer Klarheit, kommt auch Sicherheit. Wenn Trump diese Klarheit aber nicht liefert, fällt der Rebound eben aus – auch hier kommt es auf die Details an. (4) Der Stalemate, ohne legitimierten Präsidenten, ist das Horrorszenario, in dem die Märkte massiv abstürzen und wie tief das dann geht, hängt davon ab, wie tief und lange die Hängepartie in Washington geht und ob es zu Unruhen kommt. Für Gold, ist das das Idealszenario, dann sind wir schnell bei 1.400 und darüber. So sehe ich prinzipiell die Varianten, natürlich gibt es davon diverse Abarten und Abwandlungen. Sie dürfen die Kursverläufe auch nicht „wortwörtlich“ nehmen, es hängt wie oben erklärt, sehr viel von den „Details“ ab, also wie ein Sieg der einen oder anderen Partei dann konkret aussieht. Aber ich denke, die Tendenzen sind recht klar und im Positiven kann man daher festhalten, dass bei einem „normalen“ Sieg von Clinton wie Trump, die Chance auf einen Rebound nach einer Schreckreaktion, gar nicht so schlecht sind. Es gibt auch eine Reihe markttechnischer Parameter, die hier zu erklären den Artikel aus dem Ruder laufen lassen würde, die zeigen, dass sich das „große Geld“ – auch „Smart Money“ genannt – aktuell eher für einen Rebound nach der Wahl in Stellung bringt. Nur eine Sache darf nicht passieren: das Fehlen eines klaren Ausgangs. Ein „Florida-Szenario“ wie weiland bei Bush vs Gore und das dann auf das ganze Land übertragen, das wäre verheerend und ein Börsenabsturz dann recht wahrscheinlich. Denn erneut, für den Markt ist der beste Politiker *kein Politiker*. Die Börse läuft immer dann am stabilsten, wenn sich die Politik so ineinander verhakt hat, dass eine Gesetzgebungsstarre eintritt und es keine Änderungen gibt. Unklarheit, Unsicherheit oder hartes Durchregieren sind aber immer riskant. Und wenn etwas riskant ist, nimmt man Geld vom Tisch und dann fallen eben die Kurse. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gutes Händchen am Mittwoch Morgen. Wir haben hier in Europa gegenüber den normalen US-Anlegern einen großen Vorteil, weil wir schon um 2 Uhr Nacht ET (Eastern Time) auf die Wahl reagieren können, während die US Anleger noch 6 Stunden warten müssen. Machen wir was daraus! Ihr Hari
Ein „Florida-Szenario“ wie weiland bei Bush vs Gore und das dann auf das ganze Land übertragen, wäre verheerend für Börsen und USA.
kolumnen
2016-11-06T14:58:40+00:00
2016-11-06T17:54:27+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/mr-market/usa-das-ende-ist-nah/
Den Wolf ansiedeln, den Hund abschaffen – grüne Steinzeit-Ideologie
Vor tausenden Jahren saßen unsere Urahnen in Höhlen und Wölfe näherten sich ihnen. Mensch und Tier gewöhnten sich aneinander und profitierten von einander: Der Zweibeiner bot dem Vierbeiner sicheres Essen, der Vierbeiner setzte seine Körperkraft zum Schutz des Zweibeiners ein. Im Team arbeiteten sie sich an die Spitze der Nahrungskette. Allerdings galt das nur für zahme Wölfe, später Hunde genannt. Wilde, gefährliche Tiere blieben Wölfe und wurden über die Jahrtausende ausgerottet. Der Satz, dort gibt es noch Wölfe, galt als Zeichen für Rückständigkeit. Seit gut 20 Jahren gilt Rückständigkeit als neue Moderne. Und wie immer, wenn es darum geht, vorsteinzeitliches Verhalten zu preisen, sind die Grünen ganz vorne dabei, dieses Mal dabei, den Wolf wieder anzusiedeln. Den wilden. Den gefährlichen. Den tödlichen. Wie schon ein Blick über aktuelle Schlagzeilen zeigt: – „Wolf reißt bei Mühlberg sieben Schafe – ein weiterer Fundort ist ein Rätsel“ – „Bei Ziesar: Wolfsrudel reißt tragende Eselstute“ – „Wölfe reißen über 340 Nutztiere in MV“ – „Wölfe reißen zunehmend Weidetiere in der Region“ (nördliches Rheinland-Pfalz) Die Seite Landtiere.de ist aktuell mit der Schlagzeile draußen: „Wölfe, die Hunde reißen: Wie Hundebesitzer vorbeugen können“. Das Servicestück bezieht sich auf einen Fall in Weißwasser, Sachsen. Dort riss ein Wolf eine Collie-Hündin. Der Kadaver war verstümmelt. Die Gedärme lagen offen da. Ein grausamer Anblick. Die Union wollte daher die Rechtslage ändern. Die AfD auch. Beide Fraktionen brachten unabhängig voneinander Gesetzesänderungen in den Bundestag ein. Deren Ziel war es, das Jagdrecht zu ändern, um das Schießen von Wölfen zu erleichtern. Zumindest das Schießen von Wölfen, die sich Wohnlagen nähern und Nutztiere reißen. Doch SPD, Grüne und FDP lehnten diese Anträge im Parlament ab. Der Wolf bleibt damit in einer ewig währenden Schonzeit – egal, wie viel Schaden er an anderen Tieren anrichtet. Etwa an Hunden, wie das Beispiel in Sachsen zeigt. Die Haustier-Haltung ist den Grünen schon länger ein Dorn im Auge. Intern wurden die Debatten bereits vor zehn Jahren geführt. In der Außendarstellung ist selbst der Partei um Sympathieträger wie Jürgen Trittin, Katrin Göring-Eckardt und Renate Künast klar, dass ein Verbot der Haltung auf massiven Widerstand stoßen würde. Doch die Grünen nähern sich dem Verbot auf leisen Pfoten. Auch „die Wissenschaft“ liefert schon Argumente gegen die Hundehaltung. So hat die Technische Universität 2020 im bis dato rot-grün-rot regierten Berlin sich nicht mit den durch Wölfe verursachten Schäden auseinandergesetzt, sondern mit dem Klima-Schädling Hund. Demnach verursache ein 15 Kilo schwerer Hund in 13 Jahren 8,2 Tonnen Kohlenstoffdioxid – das entspräche 26 Flügen von Berlin nach Barcelona. Anlass für die Studie war laut RND die steigende Zahl von Hunden in der Europäischen Union. Ein Vorschlag zur Güte: den Wolf endlich auch in Kreuzberg, Friedrichshain und Schöneberg ansiedeln. So ließe sich schneller der Zustand vor der Steinzeit wieder erreichen. Als es noch keinen Klimawandel gab. Zumindest keinen menschengemachten.
Natalie Furjan
Wölfe dürfen nicht gejagt werden. Selbst, wenn sie zur Gefahr für Mensch und Tier werden. Das haben SPD, Grüne und FDP im Bundestag beschlossen. Hunde sind indes in dieser Koalition nicht ganz so unumstritten.
meinungen
2023-05-02T10:42:09+00:00
2023-05-02T10:42:10+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/den-wolf-ansiedeln-den-hund-abschaffen-gruene-steinzeit-ideologie/
Eine Woche, die Deutschland verändert hat
Wer eine Woche lang nicht in Deutschland war, findet ein verändertes Land vor. Da wurde ordnungsgemäß ein Ministerpräsident eines Landes gewählt und zum Rücktritt gezwungen – gezwungen vom eigenen Parteivorsitzenden. Thomas Kemmerich hätte in Thüringen ein Kabinett von Experten führen können. Vielleicht wäre es zum Wohle Thüringens ausgegangen – wenn nicht, hätten er und eine Minister abgewählt werden können. Hätte, hätte Fahrradkette. Heute sitzt Thüringen in der Falle: Für Neuwahlen gibt es keine Mehrheit; einem nur noch „geschäftsführenden Ministerpräsidenten“ kann man nicht das Mißtrauen aussprechen. So bleibt Kemmerich ein Ministerpräsident ohne Land, so wie Thüringen ohne Regierung. Vorerst auf unbestimmte Zeit ist das Land faktisch ohne Regierung. Aber das ist nicht das Schlimmste. Es ist ja nicht so, dass wir zu wenig Gesetze haben. Vielleicht blüht und gedeiht Thüringen so wie ganz Deutschland während jener sechs Monate, die die GroKo zu ihrer unheilvollen Zusammenfindung brauchte.  Das Schlimmste ist die Absetzung eines Ministerpräsidenten durch den Bund. Schaut man auf die Gründe, wird es noch schlimmer. Alle Quellen deuten darauf hin, dass Lindner von Kanzlerin und Koalitionsausschuss unter Druck gesetzt wurde: Die FDP würde, falls er sich dem widersetzte, aus allen Landesregierungen fliegen, in denen sie vertreten ist. Derzeit regiert die FDP mit der Union in Nordrhein-Westfalen, mit der CDU und Grünen in Schleswig-Holstein und in Rheinland-Pfalz. (Welt am Sonntag [9. Februar 2020, Seite 3)Es sind Landesregierung nach Willen der dortigen Parlamente – und doch nur auf Abruf durch die Bundeskanzlerin? Das bedeutet also, Thüringen ist kein Einzelfall: Nicht die jeweilig gewählten Landesparlamente entscheiden, sondern der Koalitionsausschuss in Berlin, ein Gremien der Parteien, das im Grundgesetz nicht vorgesehen ist, das weder der Exekutive noch der Legislative angehört und für die Angelegenheiten eines Bundeslandes schon gar nicht zuständig ist. Der Koalitionsausschuss operiert ohne jegliche Legitimation außer der, dass es ihn gibt. Und, wie wir mittlerweile wissen: Bodo Ramelow. Der Möchte-so-gerne-wieder -Ministerpräsident der Linken war telefonisch zugeschaltet über das Handy des CSU-Landesgruppenchefs Dobrindt. Es ist ein Stück aus dem Tollhaus oder mit anderen Worten: Die Parteien hebeln die Verfassung auf Landesebene nach Belieben aus. Der grundgesetzlich verbriefte Föderalismus ist nur noch ein Wurmfortsatz der Berliner Koalition? Es ist wohl so, wenn die Abgeordneten nicht so wollen, wie es sich die Kanzlerin vorstellt. Oder Landes-Regierungen werden aufgelöst, wenn der starke Arm der Kanzlerin es will. Deutschland nach einer Woche im Februar ist also ein Land, in dem die verfassungsmäßige Ordnung kurzerhand außer Kraft gesetzt werden kann. Man wusste das seit der Flüchtlingskrise 2015, in der das deutsche wie utopische Grenzreglement außer Kraft gesetzt wurde. Damals wurde wenigstens noch das Wort einer angeblichen „humanitären Notlage“ bemüht, um die mittlerweile millionenhafte Asyleinwanderung zur rechtfertigen. Dass in Thüringen irgendeine Notlage herrschte, ist nicht bekannt. Die schweizerische Zeitschrift „Finanz und Wirtschaft“ nannte das in ihrer Ausgabe vom 12. Februar 2020 Merkels Breschnew-Doktrin auf Deutsch: Breschnew, der Sowjet-Fürst mit den buschigen Augenbrauen rechtfertigte damit den Einmarsch der sowjetischen Truppen 1968 in der Tschechoslowakei und das Niederwalzen der Demokratiebewegung unter den Ketten der sowjetischen Panzer, aber auch mit Hilfe der  7. und  11. motorisierte Schützendivision der Nationalen Volksarmee der DDR (auch wenn die dann aus psychotaktischen Gründen doch nicht über die CSSR-Grenze durfte) wie folgt: „Die Souveränität der einzelnen Staaten finde ihre Grenze an den Interessen der sozialistischen Gemeinschaft“. Merkel habe Breschnews Doktrin nun imitiert und gleichwohl angewandt; allerdings ganz ohne Panzer: FDP-Chef Christian Lindner und andere demokratische Helden der deutschen Parteien gehorchen bekanntlich schon auf einen Anruf per Handy. Nun erscheint dieser Blick aus der Schweiz vielleicht etwas übertrieben. Aber die nächste Parallele naht. Im Parteiblatt Pravda stand damals zur Begründung: „…wenn eine Gefahr für den Sozialismus in diesem Land…entsteht, ist das nicht nur ein Problem des betreffenden Landes.“ Brav wie Pravda wiederholten fast alle deutsche Medien diese alte Melodie: Dass AfD-Abgeordnete den FDP-Kandidaten wählten, wurde zur allgemeinen Gefahr für alle Länder und die Bundesrepublik Deutschland erklärt. Die Macht des Bundes marschierte also symbolisch in Thüringen ein. Seither geht der Verfall der politischen Kultur im Sauseschritt voran: Der politische Gegner ist wahlweise ein „Krebsgeschwür“ (so der langjährige CDU-EU-Abgeordnete und Bertelsmann-Lobbyist Elma Brok), „giftiger Abschaum“ (der für seine Nibelungentreue zum Ostbeauftragten ernannte CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz) oder schlicht „Gesindel“ (so der ewige Anwärter auf den CDU-Partei-Vorsitz Friedrich Merz). Dass sich alle drei im Nachhinein für ihre emotionalen Ausbrüche entschuldigt haben – sei`s drum; Merz hat allenfalls seine Nichtbefähigung für ein Regierungsamt bestätigt. Aber Hass und Hetze sind gewissermaßen mehrheitsfähig geworden. Was haben wir alles für berechtige Klage anhören müssen über den Verfall von Anstand und Sitte, über die mörderische Folge von radikalisierter Rede und die Notwendigkeit, deshalb Soziale Medien zu kontrollieren, abzuschalten, stillzulegen. Für den derzeit höchstmöglichen Grad von Hass und Hetze auf der nach oben offenen Wanderwitz-Skala braucht es kein Twitter oder Facebook; es reicht, ihnen zuzuhören, ihre Reden anzuhören und mit den folgenden Dementis zu vergleichen. Auch das ist das neue Normal nach nur einer Woche, in der die Wahl eines Ministerpräsidenten zum Klimax der Erregung führte: „Faschismus“ ist in aller Munde. Es ist die Formel, mit der die neue Volksfront unter Führung der glorreichen Partei des scheinbar demokratischen Sozialismus organisiert wird – und beflissen plappern die kleinen Geister der Koalition von Alexander Lambsdorff bis zum CDU-troll Polenz Agitprop-Losungen von Bodo Ramelow nach. Der Raum des Sagbaren wird eng gefasst, dass die FDP die neue AfD in dieser Front ist – geschenkt. Es reicht nicht bis zur totalen Machtübernahme. Und so trifft es auch die CDU: Beim Wahlkampf in Hamburg werden die kreuzbraven CDUlerchen am Tapeziertisch im gutbürgerlichen Eppendorf als Nazis beschimpft. Sie sind es nicht. Aber die CDU hat ja auch mitgerollt, solange es gegen andere ging – jetzt guckt sie erstaunt, und es geht weiter. „Demokratie gibt es nur links der Mitte“, dekretiert Raed Saleh, Vorsitzender der Berliner SPD,  in der lokalen Berliner Zeitung, die sich bemerkenswerter Weise ein Ex-Stasi-Spitzel gekauft und sich untertan gemacht hat. „Uneingeschränkt zur Demokratie und zum Grundgesetzt stehen nur die Parteien der linken Mitte – nämlich SPD, Grüne und Linke.“ Bezeichnend, dass er die LINKE in der ungebrochenen Traditionslinie von SED und KPD neuerdings zur „linken Mitte“ zählt – und CDU sowie FDP unter den Bann des Verfassungsfeindlichkeit gestellt werden. Es ist, also ob LINKE, SPD und Grüne den von ihnen selbst ausgelösten und von den Medien bereitwillig übernommen Furor des imaginierten Faschismus ausnutzen wollten, um jegliche politische Konkurrenz auszuschalten – ganz und gar reinen Tisch zu machen. „Die Parteienlandschaft soll fundamental verschoben werden, indem man über die bürgerlichen Parteien ein ‚Thüringer Tabu‘ verhängt“, schreibt Gerd Held. Dass und wie sich die FDP windet und um Entschuldigung fleht, ist jämmerlich. Aber verheerend wird das Signal, das von der Begründung ausgeht: Die „demokratischen Parteien“ mögen doch zusammen und zur braven FDP halten, die doch so gerne Links anhimmelt. Der Schutz des Rechts gilt aber für alle zugelassenen Parteien, nicht nur für die, die informell als zugehörig bezeichnet werden. Die FDP ist jetzt Opfer ihrer eigenen Ausschließeritis aus dem demokratischen Raum, und die CDU ist dabei zu folgen. Politische und mediale Kräfte haben sich zu einem „informellen“ Machtkomplex formiert, der den Rechtsstaat aushebelt und bestimmt, wer zur Demokratie gehört und das Recht auf Meinungsfreiheit und Parteienbildung für sich in Anspruch nehmen darf und wer nicht. Es bleibt nicht bei rhetorischen Purzelbäumen und aggressiven Tweets. Folgt man Thomas Kemmerich, so ist er nur deswegen zurückgetreten, weil seine Familie bedroht wurde. Tatsache, sagt auch Sarah Wagenknecht, und lobt den “unglaublichen Druck der Straße“. „Wenn es nicht diesen unglaublichen Druck gegeben hätte, wenn nicht so viele Leute direkt auf die Straße gegangen wären vor die FDP-Zentrale auch in Berlin, wenn es diesen Druck nicht gegeben hätte, dann wäre wahrscheinlich dieser Test von Thüringen auch nicht so schnell beendet worden, das muss man klar sagen.“ Das ist ihr O-Ton bei Anne Will, diese unglaubliche Aussage wird beklatscht und von der Moderatorin ebenso umkommentiert hingenommen wie von den übrigen Studiogästen: Es regiert der Straßen-Mob, von ihm hängt es ab, wer in Deutschland noch regieren darf. Auch Annlena Baerbock, die Vielrednerin der Grünen, lobt den Druck der „Zivilgesellschaft“, wie neuerdings Gewalt gegen Sachen und Menschen beschönigend genannt wird. Deutschland hat sich geändert. In nur einer Woche. Es ist das Neue Deutschland der Angela Merkel. Gegen Ende dieser Woche allerdings beginnt der Stern von Angela Merkel zu sinken. Nach dem Rücktritt ihrer Parteisekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer flammt die Nachfolgediskussion auf; die CDU befindet sich in einer Zerreissprobe. Hat sie die Spaltung Deutschlands in Gute und Böse, den Missbrauch von Amt und Verstöße gegen die Verfassung überdreht? Beginnt die Bürgergesellschaft sich gegen die Zumutungen der  „Zivilgesellschaft“ zu wehren? In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob sie Deutschland auf Dauer zum Negativen verändern konnte.
Roland Tichy
Deutschland hat sich geändert. In nur einer Woche. Es ist das Neue Deutschland der Angela Merkel. Gegen Ende dieser Woche allerdings beginnt der Stern von Angela Merkel zu sinken.
tichys-einblick
2020-02-17T09:58:32+00:00
2020-02-20T19:21:18+00:00
https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/eine-woche-die-deutschland-veraendert-hat/
TE-Mediensafari: Schreiben und Meinen nach dem Attentat in Halle
Ein Text schaffte es in der vergangenen Medienwoche vor allen anderen, einen heftigen öffentlichen Streit auszulösen: Der Artikel des Springer-Vorstandschefs und Journalisten Mathias Döpfner zu dem versuchten Attentat auf die Synagoge in Halle (und dem Tod zweier Zufallsopfer). „Nie wieder nie wieder’ hatte Döpfner sein Stück überschrieben, und darin die selektive Wahrnehmung des Antisemitismus in Deutschland in Medien und in der Politik und Bequemformeln wie „Nie wieder“ gegeißelt. Antisemitismus, stellte Döpfner fest, beginnt nicht erst dann, wenn in Deutschland ein schwer Bewaffneter loszieht, um Juden zu töten. Und Judenfeindlichkeit kommt nicht nur von rechtsextremer Seite. Sondern gerade in der letzten Zeit von Muslimen, militanten Palästinensern, außerdem in toxischem Vokabular und Gleichgültigkeit auch von etablierten Politikern und Medien. Mit ihrer politischen Korrektheit, das ist die zentrale These des Springer-Chefs, machen sich viele Medien und andere Tonangeber willentlich blind gegenüber einem erheblichen Teil des Judenhasses in Deutschland. „Ein Zeichen war es vielleicht, dass wenige Tage zuvor, am 4. Oktober in Berlin, ein Syrer die Absperrung einer Synagoge überwindet, ‚Fuck Israel’ und ‚Allahu Akbar’ ruft und daraufhin ein Kampfmesser zieht“, schrieb Döpfner. „Er wird festgenommen und am Tag darauf wieder freigelassen. Neben Hausfriedensbruch bestehe kein weiterer Tatverdacht. Solche Zeichen werden verstanden. Als Einladung. (…) Deutschlands Politik- und Medieneliten schlafen den Schlaf der Selbstgerechten und träumen den Wunschtraum der Political Correctness. Möchten sie nicht, dass diese Ruhe gestört wird?“ Döpfner nennt in seinem Text den Auftritt der beiden israelfeindlichen Rapper Shadi Al-Bourini und Shadi Al-Najjar am Brandenburger Tor in Berlin, die dazu aufrufen, Tel Aviv und Juden zu „zertreten“ (Beide bekamen übrigens, obwohl ihre Ansichten bekannt sind, problemlos Einreisevisa von der deutschen konsularischen Vertretung in Ramallah). Er hätte auch weitere Fälle nennen können: den eines jüdischen Schülers, der in einer Schule in Berlin-Friedenau so lange von überwiegend muslimischen Mitschülern gemobbt und gedemütigt wurde, bis ihn seine Eltern von der Schule nahmen. Oder den eines amerikanisch-jüdischen Gastprofessors in Bonn, dem ein, wie es dann im Polizeibericht hieß, Deutscher mit palästinensischen Wurzeln tagsüber im Hofgarten die Kippa vom Kopf schlug mit den Worten: „Kein Jude in Deutschland“. Oder den vom Berliner Gastronom Yorai Feinberg. Oder oder oder. Schon damals warf der Herausgeber der „Jüdischen Rundschau“ Rafael Korenzecher der politisch-medialen Elite vor, „mit linksäugiger Erblindung den Feind der Juden gegen jede Evidenz auch heute noch ausschließlich rechts zu suchen“. Der versuchte Messerangriff auf die Synagoge in der Oranienburger Straße kurz vor dem Attentat in Halle schlug sich übrigens nur als kurze Nachricht in Berliner Zeitungen nieder. Tichys Einblick Online gehörte zu den wenigen überregionalen Medien, die davon berichteten. Der WELT- und ehemalige taz-Journalist Deniz Yücel warf Döpfner darauf vor, vom eigentlichen Thema abzulenken. Das Thema, meinte er, heiße Rechtsterrorismus, und dürfte auch nur so heißen. Nein, Döpfners Thema hieß eben Antisemitismus. Allerdings war die WELT so frei, Yücel Platz freizuräumen, damit er gegen den Springer-Vorstandschef schreiben konnte. Es gab in der vergangenen Woche noch andere Reaktionen auf Döpfners Text. Der Deutsche Journalistenverband überlegte in einem Tweet laut, ob Mathias Döpfner nach seinem „Hasstirade auf Journalisten“ als Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) noch „tragbar“ wäre. Nun ist der DJV eine ganz eigene Kategorie. Als Billy Six, Journalist für die „Junge Freiheit“, im sozialistischen Venezuela wegen seiner Reportertätigkeit vom Geheimdienst verhaftet und inhaftiert wurde, verkündete DJV-Sprecher Hendrik Zörner auf Anfrage fast schon stolz, sein Verband werde „nichts“ für die Freilassung von Six tun. Begründung: Six sei eben „rechts“. Damit unterschied sich der DJV beispielsweise von „Reporter ohne Grenzen“ – die Organisation forderte unbeschadet aller politischen Differenzen die Freilassung des Journalisten. Genau so wie übrigens Deniz Yücel, der damals twitterte, journalistische Freiheit sei unteilbar. Die Frage stellt sich also eher so herum: warum sollte ein Journalist mit Restselbstwertgefühl noch Mitglied im DJV sein? Dass dem DJV keine Argumente gegen Döpfner einfallen, sondern nur die Forderung, er müsse aus seinem BDZV-Amt entfernt werden, zeigt noch einmal und eigentlich überflüssigerweise, das in dem so genannten Journalistenverband die Verweser ihres Berufsstandes hocken. Wer wäre eigentlich besser als Verlegerpräsident geeignet als Döpfner, jemand, der mit seinem Text offenbar einen Nerv trifft? In zehn Jahren werden vermutlich nur noch Medien existieren, die es heute schaffen, echte Debatten zu entfachen. Trübe ist eher ein Beitrag auf dem Portal „Übermedien“ von Stefan Niggemeier, auf den der DJV sich beruft. Niggemeier, Gründer von „Übemedien“, behauptet dort, Döpfner spreche mit seinem Text über den toten Winkel vieler Medien beim Thema Antisemitismus „der AfD aus der Seele“. Ich schätze Stefan Niggemeier, obwohl ich die Schlussfolgerung in vielen seiner Texte nicht teile. Meinungsähnlichkeit ist und war mir allerdings für eine Wertschätzung nie wichtig. Meine eigene Meinung kenne ich sowieso schon, und ich bin dankbar für jeden Text, der sich interessant liest. Sein Text über Döpfner als angeblichen Seelenredner der AfD zählt allerdings zu den deprimierenden, weil weit unter seinem sonstigen Niveau argumentierenden Wortmeldungen. Auch deshalb übrigens, weil die „Seele der AfD“ gerade nach Halle ein weites Feld ist. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner, Vorsitzende des Rechtsausschusses im Parlament, retweetete eine Textbotschaft, in der es hieß, die Opfer von Halle seien „eine Deutsche“ und „ein Bio-Deutscher“ gewesen: „Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?“ Abgesehen davon, dass es wohl eher nur Synagogen waren: Der Urheber des Tweets meinte also, Deutsche beziehungsweise „Bio-Deutsche“ und Besucher von Synagogen gehörten nicht zur gleichen Kategorie, ein Deutscher könne also kein Jude sein und umgekehrt. Was ziemlich genau den Nürnberger Rassegesetzen der Nationalsozialisten entspricht. Gegenüber TE rechtfertigte sich Brandner, er habe den Tweet ja nur kommentarlos retweetet, das bedeute bei ihm keine Zustimmung. Und dass ein kategorialer Unterschied zwischen Deutschen und Juden behauptet würde – auf diese Interpretation sei er gar nicht gekommen. Die liege ihm natürlich fern. Jetzt, da er dafür sensibilisiert sei, würde er diesen Tweet natürlich nicht mehr weiter versenden. (Mehr dazu in einem weiteren Beitrag auf TE). Brandner war nicht der einzige Politiker, der nach dem Anschlag von Halle auf Twitter offenlegte, wie es in ihm denkt. Der vor kurzem aus der CDU ausgetretene, aber von Ex-Generalsekretär Ruprecht Polenz hoch geschätzte Christian Säfken schaffte es, die Gewalttat nicht nur mit der AfD in Verbindung zu bringen, sondern irgendwie auch mit den Ostdeutschen. Wer wissen möchte, warum die CDU heute im Wählerzuspruch ungefähr dort steht, wo die SPD bei der letzten Bundestagswahl landete (sechs bis sieben Prozent CSU muss man ja beim Unions-Wert immer abziehen), der muss sich eigentlich nur die Twitter-Chronik dieses patenten Unionschristen durchlesen. Hoffen wir einmal, dass er nicht der Partei in toto aus der Seele schreibt.
Sofia Taxidis
Ein Text schaffte es in der vergangenen Medienwoche vor allen anderen, einen heftigen öffentlichen Streit auszulösen: Der Artikel des Springer-Vorstandschefs und Journalisten Mathias Döpfner zu dem versuchten Attentat auf die Synagoge in Halle (und dem Tod zweier Zufallsopfer).
feuilleton
2019-10-15T12:32:23+00:00
2019-10-15T14:08:20+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/te-mediensafari-schreiben-und-meinen-nach-dem-attentat-in-halle/
Wahlkampf um was? Um Platz 3!
Wahlkämpfe waren auch schon mal spannender. In den aktuellen Umfragen der sieben führenden Institute liegt die CDU/CSU gleich drei Mal bei 40 Prozent (Forsa, Forschungsgruppe Wahlen, Infratest dimap), zweimal knapp darunter (Allensbach: 39,5 %; GMS: 39 %.) Den schlechtesten Unionswert hat INSA mit 37,5 % gemessen. Mit Blick auf die SPD herrscht unter den Demoskopen Konsens darüber, dass die Partei zwischen 25 % (Allensbach, Emnid, INSA) und 22 % (Forsa) dümpelt. Spannend scheint allein die Frage, wer den dritten Platz belegt. Da liegt die Linke mit 9 – 10,5 % leicht vorn, gefolgt von FDP (8 – 9 %), AfD (7 – 9 %) und den Grünen (6,5 – 9 %). Wenn das Wahlergebnis in etwa so ausfällt, reicht es weder für Rot-Rot-Grün noch für eine „Ampel“ (SPD, Grüne, FDP). Für Schwarz-Gelb könnte es sehr knapp werden. Zwei Konstellationen dagegen wären sicher: „Jamaika“ mit CDU/CSU, FDP und Grüne sowie eine Neuauflage von Schwarz-Rot. Vor Letzterem möge uns der Wähler bewahren. (www.wahlrecht.de) +++ Auch wenn die Chancen für Martin Schulz nicht gerade rosig sind: Auf den Berliner Tagesspiegel kann sich der SPD-Kandidat verlassen. Chefredakteur Casdorff schwärmt in seiner Online-„Morgenlage – Für Politik-Entscheider“ am 28.Juli 2017: „Der Wahlkampf kommt auf Touren – und der SPD-Spitzenkandidat auch. Er will es wieder spannend machen. Darum ist Martin Schulz jetzt in Europa unterwegs, und das bekommt ihm gut. Da kennt er sich aus, als ehemaliger EU-Parlamentspräsident ist er in vielen Hauptstädten zuhause (gewesen). Und immer noch gern gesehen. So auch in Italien bei Paolo Gentiloni, dem Premier. Das hat mit der Wiederkehr der Flüchtlingsfrage zu tun, die nicht zuletzt Schulz gerade in den Blickpunkt zurückgeholt hat. Man kann sagen: Er will’s wissen, in jeder Hinsicht.“ +++ Irgendwie scheint die FDP fast zu erschrecken, wie stark sie in den Umfragen dasteht, dass der Wiedereinzug in den Bundestag fast gesichert scheint, dass sogar eine Regierungsbeteiligung im Bereich des Möglichen liegt. Der sonst um keine kecke Forderung verlegene FDP-Vize Wolfgang Kubicki hält es jedenfalls für nahezu ausgeschlossen, dass die FDP den Finanzminister stellen könnte. Er habe seine Zweifel, „dass der größere Koalitionspartner das zulassen wird.“ Dabei sollte Kubicki sich doch daran erinnern können, was der Anfang vom Untergang der FDP in der schwarz-gelben Zeit (2009 bis 2013) war: der Verzicht aufs Bundesfinanzministerium. Kubicki sollte bei Henry Ford mal nachschlagen: „Es gibt mehr Leute die kapitulieren, als solche die scheitern.“ +++ Wahlkampfweisheit zum Tage: Fehler können ein ebenso guter Lehrmeister sein wie Erfolge. (Jack Welch)
Fritz Goergen
Auch wenn die Chancen für Martin Schulz im Wahlkampf nicht gerade rosig sind: Auf den Berliner Tagesspiegel kann sich der SPD-Kandidat verlassen.
daili-es-sentials
2017-07-28T13:23:30+00:00
2017-07-28T13:23:31+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/wahlkampf-um-was-um-platz-3/
Klimaextremisten eskalieren: falsche Notrufe – TE-Wecker am 23. Dezember 2022
Klimaextremisten eskalieren: falsche Notrufe ++ Brüsseler Gericht: EU-Vizepräsidentin weitere vier Wochen in U-Haft ++ Grüner fordert: Twitter unter Aufsicht der EU ++ China will Quarantäne für Auslandsreisende im Januar abschaffen ++ Afghanistan: Universitäten für Frauen geschlossen – falsche Kleidung ++ Baerbock sagt 200 Millionen Euro für Afghanistan zu ++ USA: Neue Meinungsumfrage, wer soll Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden? ++ Peter Hahne schaut aus Adventskalender heraus ++
Natalie Furjan
Der TE-Wecker erscheint montags bis freitags – und bietet Ihnen einen gut informierten Start in den Tag. Ideal für den Frühstückstisch – wir freuen uns, wenn Sie regelmäßig einschalten.
podcast
2022-12-23T02:00:45+00:00
2022-12-23T05:50:43+00:00
https://www.tichyseinblick.de/podcast/te-wecker-am-23-dezember-2022/
Trump geht es weder um NATO noch EU
Aber zum eigentlichen Kern der Sache stoßen die Akteure der Massenmedien-Demokratie allesamt chronisch nicht vor. Trump spricht überhaupt nicht zu Macron, Merkel und den anderen EU-Mandarinen, auch nicht zu Xi in Ostasien oder Erdogan in Vorderasien oder Putin in Eurasien, wenn er seinen Kommunikationskanal Twitter bedient. Er spricht zu seinen Wählern und Anhängern daheim in den Vereinigten Staaten von Amerika: seit Beginn seiner Präsidentschaftskampagne, die er so und nur so gewann, ununterbrochen. Trump ist der konsequenteste Kommunikator der Massenmedien-Demokratie im Internet-Zeitalter. Xi, Putin und die anderen wissen das. Sie sprechen mit Trump, während dessen und ihr eigener Tweet-Generator schweigt. Von Helmut Markwort stammt der Klassiker: „Fakten. Fakten. Fakten. Und immer an die Leser denken.“ Donald Trump handelt nach der Methode: Tweet. Tweet. Tweet. Und immer an die Wähler denken. Seine Anhänger finden es toll, wenn er und WIE er die Anführer anderer Länder in den Senkel stellt, die nicht so wollen, wie er es für America first will. Mit seiner Art der Frontalkommunikation oder Volkssprache oder Rüpelei trifft er exakt die Wellenlänge seiner Leute im mittleren Westen, in den alten Arbeiterregionen, der Rednecks und so weiter: beileibe nicht nur Weiße. Ein Schlüssel zu Sprache und Verhalten von The Donald ist diese Anekdote: Eine politisch nicht weiter bewanderte Lady fragte ihn, was ist „white trash”? Seine Antwort: People like me but without money. Nicht auszudenken, würde eine moderne Opposition so gnadenlos von Twitter und Co. Gebrauch machen – an Facebook mit seinen Oldies des Internets vorbei – wie Trump. Das Mimimi der alten Medien über sinkende Auflagen, Reichweiten und so weiter würde in Panik übergehen und die Zahlen der alten Parteien bei Wahlen und Umfragen noch steiler in den Keller. Die einfache Formel ist, Trump kommuniziert im schnellen Twitterzeitalter, die EU-Mandarine im Zeitalter des langsamen Staatsfernsehens. Schon in der alten Massenmedien-Demokratie war immer Wahlkampf, die so genannten Zeiten nur verstärkt. Dafür sorgten schon Journalisten, die mit jeder neuen Generation zunehmend sich nicht mehr für Inhalte interessieren, sondern nur für Konflikte und Streit zwischen Personen, für Skandale und Skandälchen. Berufspolitiker müssen sowieso nur eines können, sich für Ämter, Posten und Mandate gegen die Konkurrenz in der eigenen Partei durchsetzen. Und selbst das geht nur noch über die Medien wirklich gut. Donald Trump spricht zu seinen Wählern – seine Wiederwahl fest im Blick. Ob er diese schafft oder nicht, spielt keine Rolle für seine permanente Twitter-Kampagne. Was Macron, Trudeau und Merkel ihm bei der NATO oder sonstwo antworten, kann ihnen in ihrem eigenen Dauerwahlkampf helfen. Für Trumps Wähler und Anhänger zählt nur, was er sagt, je lauter, je schriller, desto mehr. Journalisten und Medien, die informieren und aufklären, sollten nicht zuletzt auch diese Wirkungsweisen und Zusammenhänge zeigen. Aber wie sollten sie? Wenn sie wie die EU-Mandarine noch gar nicht gemerkt haben, dass sie nur Teil des großen Kommunikationsspiels sind, ohne es selbst zu durchschauen oder gar zu gestalten. Fußnote zur NATO: Die U.S. können sich alleine verteidigen, die NATO kann es nicht. Ihre Standorte in Europa sichern die U.S. sowieso bilateral.
Fritz Goergen
Nein, die NATO ist ebenso ein auslaufendes Modell wie eine EU, die auf dem alten Weg von immer größer und immer tiefer, also zentralistischer fortschreiten wollte.
kolumnen
2018-07-13T10:30:24+00:00
2018-07-13T10:36:29+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/goergens-feder/trump-geht-es-weder-um-nato-noch-eu/
Hysterisches Gejaule
In diesen Tagen werden die großen Reformen der SPD-dominierten Bundesregierung Gesetz – und im Herbst kommt die nächste Runde. Eine große Koalition kann halt flott Gesetze machen; keine lästigen Debatten, keine Sorge um Mehrheiten; die Herde ist groß genug, um sogar das eine oder andere schwarze Schaf aus dem Wirtschaftsflügel zu ertragen – da darf der eine oder andere sogar frech dagegen stimmen und wird doch wieder großmütig im wohlig warmen Pferch der Mehrheit aufgenommen. Praktisch auch, dass die Opposition aus Linken und Grünen nicht nur argumentativ schwach ist, sondern auch brav auf GroKo-Linie liegt: Sie werfen artig mit Wattebällchen, weil sie ja doch nichts anderes wollen als die große sozialdemokratische Koalition, nur etwas mehr von dem angerührten Brei sozialer Wohltaten wäre nett. Und so geht es im 7. Regierungsmonat der großen Koalition widerspruchsfrei und schnell voran mit ihren Verschlimmbesserungen: Aktuell ist das Mindestlohngesetz dran; die Rente mit 63 und die Mütterrente sind schon durch. Jetzt darf Wolfgang Schäuble seinen Bundeshaushalt durchwinken; auch daran wird sich keine hitzige Debatte entzünden. Seine Zahlen sind ja auch sehr schön: Kaum neue Schulden – es ist der Höhepunkt und gleichzeitig krönende Abschluss seiner glanzvollen Karriere. Zukünftige Finanzminister werden an Schäubles schwarzer Null gemessen. So sichert man sich einen Platz im Geschichtsbuch. Seine Erben werden es schwer haben. Irgendwann werden die Zinsen für die insgesamt 1100 Milliarden Euro angehäufte Bundesschuld wieder steigen; dann rutscht der Haushalt ganz von alleine ins Rote, sogar ins Tiefrote. Das Rentenpaket mit einer Kostenbelastung von mindestens 160 Milliarden Euro wird spätestens ab 2017 auch in den Bundeshaushalt durchschlagen, ahnt Schäubles Vorgänger Peer Steinbrück: Das Rentenpaket „kann an der normativen Kraft des Faktischen scheitern“, formuliert Steinbrück kompliziert, um die Härte der Kritik durch flauschig-unverständliche Schonsprache zu kaschieren – Klartext war früher und wird nur noch angewandt auf jene außerhalb der eigenen Reihen: Nur „hysterisches Gejaule“ kann die große Sozialministerin Andrea Nahles von den Kritikern (und das sind praktisch alle Fachleute) ihrer Reformen vernehmen: So viel Abwertung und Arroganz war wohl noch nie im politisch-parlamentarischen Betrieb. Aber große, unkontrollierte Gestaltungsspielräume verführen dazu, auch die Sprache zu gestalten, um die Hirne zu erreichen: Das Mindestlohngesetz geht nicht als das, was es ist, nämlich ein staatliches Lohnfestsetzungsverfahren, in das Gesetzgebungsverfahren. Es wird vielmehr „Tarifautonomie-Stärkungsgesetz“ genannt: eine Art Neusprech der großen Koalition. Während andere Länder ihre Wirtschaft entlasten, will diese Bundesregierung also mal wieder die Belastungsfähigkeit der Wirtschaft testen. Dazu wird im Herbst die nächste Woge von Wirtschaftsgesetzen über uns hinwegschwappen, die derzeit die zweite Reihe der SPD-Minister vorbereitet: etwa die Frauenquote in Aufsichtsräten von Familienministerin Manuela Schwesig; ein tiefer Eingriff in die Organisationsfreiheit der Unternehmen. Und Bundesjustizminister Heiko Maas will sich an die Spitze der SPD-geführten Landesregierungen stellen, die via Bundesrat ein eigenes „Unternehmensstrafrecht“ als neue Rechtsnorm einbringen wollen: Danach sollen nicht mehr einzelne Manager für Verstöße haftbar gemacht und bestraft werden, sondern das jeweilige Unternehmen in seiner Gesamtheit. Damit werden auch die Belegschaften in Sippenhaft genommen und verlieren möglicherweise sogar ihre Jobs, denn das Gesetz will ausdrücklich komplette Unternehmen liquidieren, wenn sie auffällig im Sinne des Gesetzes werden. Der Gesetzesentwurf aus der Feder des nordrhein-westfälischen Justizministers Thomas Kutschaty nimmt Familienunternehmer ins Visier, die zweifach bestraft werden können: in ihrer Doppelrolle als Manager und als Eigentümer der Personengesellschaften. Aber Debatten im Bundestag darüber sind natürlich nicht zu erwarten – nur hysterisches Gejaule. (Erschienen auf Wiwo.de am 06.06.2014)
Roland Tichy
In diesen Tagen werden die großen Reformen der SPD-dominierten Bundesregierung Gesetz – und im Herbst kommt die nächste Runde. Eine große Koalition kann halt flott Gesetze machen; keine lästigen Debatten, keine Sorge um Mehrheiten; die Herde ist groß genug, um sogar das eine oder andere schwarze Schaf aus dem Wirtschaftsflügel zu ertragen – da darf
tichys-einblick
2014-06-06T15:09:55+00:00
2014-08-03T14:18:03+00:00
https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/hysterisches-gejaule-2/
Die Parallelwelt der Haltungslinken
Die sogenannte Müll-Kolumne eines Autoren der taz, der sich weder als männlich noch als weiblich definiert und deshalb gendergerecht als „das Autor“ zu bezeichnen ist, gab Anstoß zu einer öffentlich geführten Debatte über das Zusammenprallen von schriftlich niedergelegter Herabwürdigung und verfassungsrechtlich verbriefter Meinungsfreiheit. Das eigentlich Neue an dieser Debatte: Während bislang Angriffe gegen vorgeblich unzulässige Formulierungen ausschließlich von „links“ gegen nicht-links gerichtet waren, gab es hier erstmals eine Art Aufstand von Normalos gegen die Haltungslinke. Hierbei offenbarte sich, dass die breite Mehrheit der Bürger offensichtlich in einer gänzlich anderen Welt lebt als jene Autoren, die via taz und anderen sogenannten Mainstream-Medien ihre Weltsicht zum besten geben. Schauen wir genauer hin, so müssen wir feststellen, dass sich im medialen Betrieb tatsächlich eine Weltsicht formiert hat, die von dem Denken, Fühlen und Handeln „normaler“ Menschen derart weit entfernt ist, dass eine gemeinsame, konstruktive Kommunikation nicht mehr möglich ist. Was wir aktuell erleben auch dann, wenn wir es noch nicht wahrnehmen oder wahrnehmen wollen, ist der „Clash of Civilizations“, den Samuel P. Huntington bereits 1993 vorausgesehen hat. Dieser „Clash“ ist mittlerweile Realität – er erklärt, weshalb „Normalos“ und „Linke“ an einer unüberwindbaren Sprach- und Verständnisbarriere scheitern müssen. Und: Er findet mitten in unserer Gesellschaft statt – wir alle sind Teil desselben. Um diese Barriere vielleicht nicht zu verstehen, sie jedoch zumindest zu beschreiben, ist der Blick auf einige Veröffentlichungen eben jener taz hilfreich, die gegenwärtig zumindest innerhalb ihrer eigenen Community den Versuch unternimmt, das Phänomen sich selbst irgendwie zu erklären – und bei diesen Erklärungen sich einer Sprache bedient, mit der Otto Normalverbraucher nicht das Geringste anfangen kann. Vielleicht auch deshalb agiert die Haltungslinke In der geschriebenen Sprache hier noch nicht einheitlich. Sie verwendet wahlweise den sogenannten Genderstern (Mensch*innen), das sogenannte Binnen-I (MenschInnen), einen Doppelpunkt (Mensch:innen) oder einen Unterstrich (Mensch_innen). Weitere Schreibweisen sind vorstellbar. Unabhängig davon bedient sich die Sprache der Haltungslinken einer Vielzahl von Begriffen und Wortneuschöpfungen, Synonymen und Akronymen mit zumeist angelsächsischen Hindergrund, die dem „Normalo“ gänzlich fremd sind. Beispielhaft seien hier genannt „Fascho-Mindset“, „Queerness“, „BIPoC“ oder „PoC“, „Ally“, „Degrowth“, „Token“ undsoweiter. Doch beginnen wir mit dem Mimimi-Artikel (für Nicht-Eingeweihte: Mimimi steht für überzogen vorgetragenes Selbstmitleid) einer PoC (People of Color = farbige Menschen = Nichtweiße), die sich in ihrem Erstlingswerk für die taz darüber echauffiert, dass sie als PoC trotz Klima-Aktivismus im wahrsten Sinne des Wortes geschnitten werde. Da, wie aus internen Kontakten bekannt, bei der taz manch einer unter Pseudonym auftreten kann, übernehmen wir die Eigenbezeichnung der Autorin als „Tonny Nowshin“ ungeprüft und kürzen sie mit T.N. ab. Das mag der Echtname der aus Bengalen stammenden „Degrowth“-Expertin sein – es mag aber auch, da vor allem new-aged Unangepasste Gefallen an Anagrammen finden, für die die Formel „Now Thyn No Sin“ stehen, was, aus New-Urban-Speak übersetzt, bedeutet „Jetzt Wiedergeburt – keine Sünde“ und vermitteln soll, dass die Menschheit ihre Ursünde nur durch das absolute Zurücklassen alles Gegenwärtigen mittels Wiederauferstehung in einer schönen, neuen Welt überwinden kann. Das passt inhaltlich zum „degrowth“, welches für eine Weltanschauung steht, die davon ausgeht, dass das kollektive Glück der Menschheit ausschließlich über die radikale Abkehr vom Wachstumsgedanken zu erreichen sein wird. „Degrowth“ ist eine aktuelle Variante des Anti-Kapitalismus, steht folglich in der Tradition eines Neo-Kommunismus, der den noch von Lenin bis Mao propagierten Vorstellungen des Sieges über den Kapitalismus als Inkarnation menschlicher Sündhaftigkeit durch effektivere, auf Wachstum basierende, kommunistische Kollektivwirtschaft eine Absage erteilt. Verschärfend käme hinzu: Das seien nicht einmal die üblichen Verdächtigen (also die Vertreter der Agenturen rassistischer, weißer Männer) gewesen, sondern „Menschen, die ich Kolleg:innen und Freund:innen nenne“. Für T.N. ist dieses Vorgehen Beweis für eine rassistische Grundhaltung, die tief in Klimabewegung und Greenpeace greift, denn einer „rationalen Denkweise“, zu der sie sich selbst befähigt sieht, müsste einer solchen „rassistischen Unterdrückung“ doch abhold sein. Die Tatsache, dass „Fridays for Future“ (3F) mehr als eine Woche benötigt habe, um sich mit den „Black Lives Matter“-Protesten solidarisch zu erklären und dann sogar noch den Instagram-Kommentar der Darmstädter Ortsgruppe kritisiert habe, in dem diese sich „gegen Polizeigewalt und strukturellen Rassismus“ aussprach, sei dann gleichsam die Krönung des 3F-Rassismus gewesen. „Und jetzt wurde schon wieder die einzige nichtweiße Aktivistin unsichtbar gemacht“, krönt T.N. ihr als Anklage erhobenes Mimimi und schlussfolgert: „Es ist nicht so, dass die Klimabewegung nicht um ihre Probleme wüsste. In der Bewegung gibt es vielmehr einen Status quo, dem ich mich anpassen soll: Ich werde in der Klimaszene geduldet, solange ich sie mir nicht so zu eigen mache wie die weißen Aktivist:innen. Als BIPoC – also Schwarze, Indigene und People of Color – sind wir nur willkommen, wenn wir die Vorzeige-Betroffenen spielen.“ Obwohl an diesem Vorwurf durchaus etwas Zutreffendes sein könnte, lautet also der Vorwurf: BiPocs sollen in den weiß-rassistischen Bewegungen zu „Token“ werden – PoCs, die sich von NonPocs instrumentalisieren lassen, freiwillig-gezwungen die Massa-Servant-Rolle früherer Zeiten akzeptieren. Dabei allerdings erschließt sich der T.N. die rationale Feststellung nicht, dass ein logischer Bruch der Argumentation vorliegt, wenn PoCs als „Vorzeige-Betroffene“ willkommen sind, sie gleichzeitig aber aus Fotos mit weißen Akteuren verschwinden und also nicht „vorgezeigt“ werden. Das wäre nur dann erklärlich, wenn das Vorzeige-Ziel ausschließliche NGO-Binnenwirkung entfalten soll. Selbstverständlich begegnet T.N. nicht nur bei 3F, sondern auch auf Deutschlands Straßen ständig waschechten Rassisten: „Ich bin es gewohnt, dass mir auf den Straßen in Deutschland Rassismus von Menschen mit rasierten Köpfen und schwarzer Kleidung entgegenschlägt.“ Schade, dass sie auch hier nicht Ross, Reiter und vor allem Ort nennt. So nun wirkt es bei T.N. eher wie das Herunterleiern einer Pflichtformel: Echter PoC in Nazi-Deutschland ist eben nur, wer regelmäßig einer schwarz-gekleideten „Glatze“ begegnet und deren Rassismus spürt. Nun – ich zumindest treffe im üblichen Straßengeschehen überaus selten auf „Glatzen“. Allerdings bewege ich mich auch nicht in Kreisen von Aktivisten und Gegen-Aktivisten – vielleicht hängt der Mangel an alltäglicher Nazibegegnung damit zusammen. NotaBene: „Fremde“ gleich „Menschen“ gleich „Kolleg:innen“. Sie verhalten sich rassistisch, ohne es zu merken. Was selbstverständlich in besonderem Maße von Übel ist, denn eigentlich ist ja jemand, der etwas tut, ohne sich des diesem Tun innewohnenden Bösen bewusst sein zu können, ohne tatsächliche Schuld. Nicht so jedoch beim Rassisten, der immer zu wissen hat, was PoCs als Rassismus empfinden selbst dann, wenn es noch so unrassistisch gemeint ist. Die Konsequenz dieses Dilemmas müsste heißen: Jeglichen Kontakt zwischen PoCs und NonPoCs absolut einstellen. Wollen wir die 33 Jahre alte Dame, die sich selbst als „Ökonomin, Wissenschaftlerin, Klimagerechtigkeits- und Postwachstumsaktivistin“ vorstellt; die das ohne Zweifel ehrenwerte Ziel verfolgt, die Sundabar-Mangrovenwälder vor der Zerstörung zu bewahren, und die zum Abschluss ihrer Kurzvita unterstreicht, „unnachgiebige Genossin“ zu sein, in einer multikulturellen, globalen Welt vor der Wirklichkeit des allgegenwärtigen Bösen schützen, dann bleibt nur der Weg in eine radikale Rassentrennung, in der jede Ethnie über ein fest eingezäuntes Territorium verfügt, dessen Betreten ethnienfremden Personen bei Todesstrafe verboten ist. Nur in einem System der uneingeschränkten Apartheid sind entsprechende Erfahrungen der PoCs mit den NonPoCs – umgekehrt aber auch negative Erfahrungen der NonPoCs mit den PoCs – zu verhindern, weil PoC und NonPoC eben absolut separiert voneinander existieren. Abgesehen davon, dass eine solche Vorstellung absurd und völlig unnötig ist, wenn sich Menschen als Menschen und nicht als PoCs oder NonPoCs definieren, sehen die BIPoCs hierfür allerdings einen anderen Lösungsweg vor – wir werden darauf im zweiten Teil zurückkommen. Vor allem aber die selbstverliebte Grüne aus den Hamburger Elbvororten ist es, die T.N. in Sachen Rassismus und vermutlich auch Medienpräsenz quer (mit einem „e“) zu liegen scheint, wenn sie schreibt: „Der einzige Grund dafür, dass ich meine unangenehme Erfahrung teile, ist dieser: Was Vanessa Nakate, ich und viele andere erleben, passiert regelmäßig – innerhalb der angeblich progressivsten Bewegung unserer Zeit. Warum? Weil sie immer noch von Menschen dominiert wird, die ihre weißen Privilegien nicht sehen, in denen sie es sich gemütlich eingerichtet haben. … Eine rassistische Klimabewegung kann niemals eine gerechte Zukunft schaffen.“ Blenden wir hier den Verdacht der Stutenbissigkeit gänzlich aus, so folgt nun die unverhohlene Drohung gegen Greta, Luisa und White-Co: „In einem Jahr wird die Bewegung anders aussehen als heute, denn wir bleiben. Und wir schweigen nicht mehr über die rassistischen Strukturen in der Klimabewegung.“ Es fehlt hier nur noch der Hinweis eines anderen, schreibenden PoC, der im Disput mit einem von ihm gefühlten Nazi die zusätzliche, drohende und zutreffende Feststellung traf: „… und wir werden immer mehr!“ Nachdem sich die Dame, die laut taz für die NGO „urgewald“ arbeitet, derart einführen durfte, ersetzt sie in ihrem zweiten taz-Text am 25. Juni das persönliche Mimimi durch eine Art rudimentäre Grundsatzerklärung. T.N. wäscht nun den Dummies aus dem eigenen Lager den Kopf, die den Zusammenhang von Rassismus und Klima nicht verstehen wollen: „Die Entwicklungsgeschichte der frühen Industrienationen, die heute von allen anderen Ländern als Vorbild verwendet wird, basiert auf der kolonialen Ausbeutung von Märkten, Arbeitskräften und Ressourcen. … Und diese Entwicklungsgeschichte baut auf Rassismus auf. Die koloniale Ausbeutung und frühe Kapitalakkumulation wurden im Namen verschiedener Formen der Überlegenheit, einschließlich einer racial superiority gerechtfertigt. Auch wenn die alte Erzählung dieser Letzteren so nicht mehr existiert, ist sie in unseren Normen und Vorurteilen noch präsent. Und Rassismus kann auch unsichtbar sein. … Rassistische Einstellungen sind Überreste eines Erbes, das tief durch unsere Struktur geht. Dieselbe Struktur und Machtdynamik dominiert die Klimapolitik.“ Sie schließt mit dem Credo des globalen Kollektivismus – kurz, sie unterstreicht ihren Anspruch als „unnachgiebige Genossin“: „Wir müssen unsere Lebensweise ändern, unsere Wirtschaft drastisch umorganisieren. Diese Veränderung muss Menschen und Gerechtigkeit ins Zentrum stellen. Produktion und Vertrieb müssen sich am kollektiven Wohlergehen ausrichten, keine Form der Ausbeutung ist gerechtfertigt.“ Was sie uns nicht erklärt: Wie soll dieses „kollektive Wohlergehen“ aussehen, wie ökonomisch, ökologisch und soziologisch funktionieren, wenn demnächst zehn Milliarden Menschen diesen Planeten überbevölkern? Dieses von einer „Wissenschaftlerin und Postwachstumsaktivistin“ zu erfahren, wäre ohne jeden Zweifel hilfreich. Aber gut – vielleicht beim nächsten taz-Gastauftritt. Lesen wir zwischen den Zeilen der beiden bislang veröffentlichten taz-Texte, dann steht dort: Wir als BIPoCS müssen die Weißen abschaffen, weil die auch dann, wenn sie es nicht wollen, Rassisten sind. Als solche vertreten die Weißen ein Weltbild, das kolonial und ausbeuterisch ist und immer so bleiben wird – kurz: Die Weißen sind der Ursprung der menschlichen Ursünde und der Untergang der Welt. Apropos Weltbild: Das der T.N. ist dasselbe, das auch die „Kolumne“ des sich als „nichtbinär“, also weder als männlich noch als weiblich identifizierenden „Hengameh Yaghoobifarah“ – künftig ohne Versuch eines Anagramms nur H.Y. – kennzeichnet, wenn es stellvertretend für die NonPoCs deren mit „Fascho-Mindset“ ausgestatteten Polizist*innen auf der Müllhalde entsorgen will, weil sie sich dort, in dem Abfall, unter „ihresgleichen am wohlsten fühlen“. Auch H.Y. versteht sich als PoC – was nach klassisch-arischem Rasseverständnis falsch ist. Denn da dessen Eltern aus dem Iran nach Deutschland gekommen waren, sind diese Perser klassische weiße Arier auch dann, wenn ihre Hautfarbe einen minimalen Tick dunkler als die der germanischen NonPoCs sein sollte. Doch als NonPoC hätte H.Y. nicht die Freiheit, Müll- und Hasskampagnen solcher Art zu verfassen und zu verbreiten, wie dieses mit der rassistischen Diskriminierung der deutschen Polizisten (generisches maskulinum) pauschal geschehen ist. Bei einem NonPoC, womöglich noch rassistischer Nazi, hätte der sich als Bundesinnenheimatundsonstwasminister versuchende Horst Seehofer auch sich seinen wenig verbliebenen Verbalschneid nicht einmal mehr von Angela Merkel abkaufen lassen, sondern den Oberstaatsanwalt umgehend auf den Weg geschickt, um die Verunglimpfung der Polizei zu ahnden. So hätte beispielsweise über § 90a StGB nachgedacht werden können, da die böswillige Verächtlichmachung der Polizei durchaus als Verächtlichmachung der verfassungsgemäßen Ordnung interpretiert werden kann. Warum nun der Status als PoC identisch ist mit Unantastbarkeit – was auch in dem die Arbeit der Polizei untergrabenden „Antidiskriminierungsgesetz“ des im kontinuierlichen Niedergang befindlichen Berlin seinen Niederschlag findet – und weshalb diese Immunität noch lange nicht das Ende der White-Discrimination ist, wird in einem zweiten Teil beschrieben werden. Dort wird uns der Blick in die Parallelwelt der Haltungslinken die Möglichkeit geben zu verstehen, wie und warum nicht nur diese deutsche Gesellschaft nebst Politik längst bewusst von innen zermürbt und in Geiselhaft genommen wurde, warum eine Kommunikation zwischen Normalos und Haltungslinken nicht mehr möglich ist, und wie der Marsch in die schöne neue Welt aussehen und von wem bei diesem die Führung beansprucht werden wird.
Fritz Goergen
Die breite Mehrheit der Bürger lebt offensichtlich in einer gänzlich anderen Welt als jene Autoren, die via taz und anderen sogenannten Mainstream-Medien ihre Weltsicht zum besten geben.
kolumnen
2020-07-12T09:33:59+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/spahns-spitzwege/die-parallelwelt-der-haltungslinken/
Ethikrat-Mitglied fordert: Einreiseverbot für Ungeimpfte
Den folgenden Beitrag korrigieren wir wie folgt: Die Rheinische Post, auf die wir uns beziehen, hat den Humangenetiker Wolfram Henn falsch zitiert. Henn sprach von „Einreiseverboten“, nicht von „Ausreiseverboten“. Die Rheinische Post hat sich bei Henn entschuldigt; wir bedauern ausdrücklich, dass wir die fehlerhafte Meldung übernommen haben. Wolfram Henn teilt uns weiter mit: „Tatsächlich befürworte ich 2G-Ein(!)reisekontrollen an EU-Binnengrenzen im Rahmen einer EU-weiten Vereinbarung. So wie es die USA für Einreisewillige aus Europa jetzt schon mit Erfolg machen. Wir sollten in Europa gemeinsam alles tun, um nicht weitere Ischgl-Ereignisse zuzulassen.“ Die Rheinische Post hat den Medizinethiker und Humangenetiker Wolfram Henn zu einem Interview geladen. Mit der Redaktion unterhielt sich das Mitglied des Ethikrates über die neuesten Coronapläne der Ampel-Koalition. Seine Einschätzung: Noch lange nicht hart genug. Mit martialischer Rhetorik schildert er seinen Blick auf die aktuelle Lage. „Wir müssen jetzt aus allen Rohren schießen“, meint der Professor: und das möglichst hart und einheitlich. Neben Impfen, Testen und Kontaktbeschränkungen bringt Henn noch einen Vorschlag ins Spiel: Die EU sollte doch ihre Binnengrenzen für Ungeimpfte schließen. Das, also die flächendeckende 2G-Regel an den Grenzen aller EU-Mitgliedsstaaten, wäre „epidemiologisch sinnvoll und ethisch gerechtfertigt“, eröffnet der Ethiker der RP-Redaktion. Das permanente Ende der Reisefreiheit für Ungeimpfte wird nicht gefordert, weil es Infektionen vermeidet – dafür wäre Testen nach wie vor die sinnvollere Maßnahme – , sondern es wird gefordert, weil es bestraft. Oder wie man auf Corona-Deutsch sagt: weil es „Anreize setzt“. „Anreize“ will der Mediziner aus Homburg auch für die bereits Geimpften, jedoch noch Ungeboosterten setzen. Henn fordert, es Frankreich gleichzutun und den „rechtlichen Impfschutz“ auf acht Monate zu begrenzen. „Die Ministerpräsidentenkonferenz sollte den Vorschlag aufgreifen“, meint der Professor: Das wäre ein „großer Anreiz zur Drittimpfung“. Fast so anreizend ist Henns Idee zum zusätzlichen Beschleunigen der Impfquote. „Ein wirksames Mittel könnten aktuelle Videos aus Intensivstationen sein.“ Schock-Bilder hätten sich immerhin auch beim Rauchen bewährt. Ob Henn seine Clips von Intensivpatienten im Überlebenskampf lieber als Anzeigen vor Youtube-Videos oder als 30-Sekunden-Spot vor der Tagesschau schalten möchte, spezifiziert er nicht – vielleicht denkt er ja auch an riesige Leinwände im Stadtzentrum, die den Coronatod live und in Farbe übertragen. Auf der Website des Ethikrates steht übrigens, dass der Ethikrat die Öffentlichkeit informieren, ein plurales Meinungsspektrum vertreten und eine gesellschaftliche Diskussion fördern will – das sei sein Auftrag qua Gesetz. Das passt allerdings nicht zum Auftreten der Ethikrats-Mitglieder in der Corona-Pandemie. Nicht nur Wolfram Henn, sondern auch seine Kollegen fallen nicht durch pluralistische Debatten auf, sondern durch behauptete Alternativlosigkeit. Erst vor Kurzem forderte das Gremium die Impfpflicht für Pflegekräfte. Dass das bei der überdurchschnittlich impfkritischen Berufsgruppe nur zu einer Verschärfung des Pflegenotstandes führt, blenden die Ethiker ebenso aus wie Fragen der individuellen Entscheidungsfreiheit eines mündigen Bürgers ohnehin.
Max Mannhart
Der Medizinethiker Wolfram Henn hat eine Idee, wie man noch mehr Menschen vom Impfen überzeugen kann: Kein Durchgang für Ungeimpfte an den deutschen Grenzen. Ethisch sieht er keine Probleme.
daili-es-sentials
2021-11-16T05:59:16+00:00
2021-11-21T13:54:34+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/ethikrat-ausreiseverbot-ungeimpfte/
Eon-Chef warnt vor Stromabschaltung in ganzen Städten
Eon-Chef Leonhard Birnbaum hatte gerade erst ein riesiges Investitionsprogramm von 27 Milliarden Euro angekündigt, wovon der Großteil (80 Prozent) ins eigene Verteilnetz gehen soll, das größte in Deutschland. Nun begründet er diese Investitionen im Interview mit dem Handelsblatt und wirbt auch für staatliche Unterstützung dabei – in Form von schnelleren Genehmigungsverfahren: „Die Dauer von Genehmigungen muss mindestens halbiert werden.“ „Es gibt praktisch keine Reserven mehr im Netz“, sagt Birnbaum. Der Grund dafür ist – das sagt Birnbaum allerdings nicht explizit – die Energiewende. In den vergangenen zehn Jahren habe das Netz den Zuwachs von Erneuerbaren noch verkraften können. „Aber jetzt sind wir einfach an der Leistungsgrenze“, sagt er. Dazu komme eine stark wachsende Nachfrage aus der Industrie, zum Beispiel durch Batterie- oder Chipfabriken (also letztlich auch Folgen der Energie- und Verkehrswendepolitik) und Rechenzentren. Eine frontale Kritik an der Energiewendepolitik verkneift sich Birnbaum – „Wir werden die Energiewende hinbekommen“. Als Chef eines großen Konzerns ist es nie ratsam, in direkte Konfrontation gegen die Regierung zu gehen (zumindest, wenn nicht andere mächtige Unternehmen mitmachen). Aber indirekt kritisiert er sie eben doch, wenn er anfügt: „Die Frage ist nur, zu welchen Preis. Es ist existenziell für die deutsche Wirtschaft, dass Energie auch künftig noch zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar ist. Wir dürfen die Industrie nicht mit hohen Energiepreisen aus dem Land jagen.“ Keine Hoffnung mach Birnbaum auf ein baldiges Sinken der Energiepreise. Eher im Gegenteil: „Höhere Volatilität heißt höheres Risiko, und das heißt: höhere Preise. Und je mehr Erneuerbare wir bauen, desto mehr wird das der Fall sein.“
Ferdinand Knauß
Eon-Chef Leonhard Birnbaum hatte gerade erst ein riesiges Investitionsprogramm von 27 Milliarden Euro angekündigt, wovon der Großteil (80 Prozent) ins eigene Verteilnetz gehen soll, das größte in Deutschland. Nun begründet er diese Investitionen im Interview mit dem Handelsblatt und wirbt auch für staatliche Unterstützung dabei – in Form von schnelleren Genehmigungsverfahren: „Die Dauer von Genehmigungen muss
daili-es-sentials
2021-11-23T16:18:32+00:00
2021-11-23T17:17:38+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/eon-birnbaum-stromabschaltung/
Frankfurt: Achtjähriges Kind vor einfahrenden Zug gestoßen
Auf der neuen städtischen Flaniermeile Frankfurts entlang des Mains wurden vor wenigen Wochen neue Beton-Poller aufgestellt. Fußgänger, Fahrradfahrer und neuerdings E-Roller schlängeln sich zwischen den meterhohen Sperranlagen durch. Man hielt sie für überflüssig. Liegt nicht die Todesfahrt auf dem Berliner Breitscheit-Platz nicht schon über zwei Jahre zurück – damals, als 12 Menschen auf dem Berliner Weihnachtsmarkt starben, als ein den Behörden als Gefährder längst bekannter „Flüchtling“ erst einen LKW-Fahrer tötete und dann dessen Fahrzeug in die Menge steuerte? Was ist seither Brutales geschehen? Jetzt weiß man: Die Frankfurter Polizei fürchtete nicht zu Unrecht eine neue Tat. Heute ist sie geschehen. Ein achtjähriger Junge wurde vor einen einfahrenden Zug auf das Gleis von Bahnsteig 7 gestoßen. Auf diesem Gleis halten die ICEs, die von oder nach München fahren, von oder nach Köln, Düsseldorf, Amsterdam. Es ist eine der Lebensadern Deutschlands. Jetzt wurde sie zur Todesfalle. Das war nicht vorherzusehen. Dann nämlich hätte sich diese Mutter möglicherweise nicht mit ihrem Achtjährigen zu einer Zugreise entschlossen bzw. hätte schon gar nicht auf dem Gleis auf den einfahrenden Zug gewartet. Nun ist ihr Junge tot. Und nicht etwa, weil diese Mutter ein herumtobendes, besonders lebhaftes Kind nicht genügend im Auge hatte, also ihre Aufsichtspflicht verletzt hätte. Ihr Junge wurde von einem „Mann“, wie es zunächst hieß, vor einen in den Bahnhof einfahrenden Zug gestoßen. Die ebenfalls vor den Zug gestoßene Mutter konnte sich nach Polizeiangaben noch retten, nicht aber ihren Jungen. Bei dieser Meldung stockt das Herz. Wie häufig steht man an der Bahnsteigkante, in der U-Bahn, in der S-Bahn, oder eben an Gleis 7. Dort fahren die ICEs zügig ein. Geschwindigkeit zählt. Notbremsungen stoppen nicht sofort. Lokführer in dieser Situation sind ihrerseits Opfer. Sie sehen den Tod und können ihn nicht stoppen. Modernste Technik und menschliche Anstrengung können nichts ausrichten gegen archaische Verbrechen und mörderische Absichten. Der Mörder soll laut Zeugenaussagen auch noch versucht haben, eine weitere Person auf die Gleise zu stoßen, was ihm aber nicht gelang. Erste Ermittlungen sagen, dass sich Täter und Opfer nicht kannten. Eine Beziehungstat etwa kann daher nach aktuellem Wissenstand ausgeschlossen werden. Couragierte Augenzeugen des Mordes und der beiden Mordversuche rannten dem flüchtenden Mann aus Eritrea hinterher und konnten ihn vor dem Bahnhof stellen, so eine Polizeisprecherin gegenüber BILD; der Verdächtige wurde festgenommen. Er wird jetzt als Afrikaner beschrieben. Damit wird eine schlimme Ahnung bestätigt, die man nicht wahrhaben will. Dass der Mord zu uns geflüchtet ist; dass das Opfer leben könnte, wenn Politiker anders entschieden hätten, wenn die Willkommenskultur sich mit Vorsicht verbunden hätte. Vielleicht hätte das alles nichts genützt. Menschliche Gemeinheit ist nicht an Hautfarbe und Herkunft geknüpft. Aber wenn sich Einzelfälle addieren, sucht der Verstand nach Antworten. Denn erst vor wenigen Wochen wurde über einen grausamen Mord nach selbem Muster berichtet, als in Voerde eine Frau von einem Serben mit kosovarischer Herkunft vor den einfahrenden Zug gestoßen wurde und ihren schweren Verletzungen erlag. Andere Fälle sind aus Berlin bekannt geworden. Sind es Einzelfälle, oder bilden sie ein Muster? Polizeiliche Arbeit versucht solche Muster zu erkennen. Deswegen werden Beton-Poller aufgestellt und andere Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Die wichtigste Frage also zuerst: Ab wann muss die Polizei, müssen die Staatsanwaltschaften bei solchen Fällen notwendigerweise von einem Muster ausgehen und tätig werden, um eine zu einfache Wiederholung auszuschließen? Wann kann eine Mordserie festgestellt werden, die eben von unterschiedlichen Tätern ausgehen muss und wann beginnt die Analyse, was diese Täter eigentlich eint und wie man zukünftig solchen Taten zuvorkommen will? Reicht hier die m These einer Mordlust wirklich aus – oder ist das nicht ein inhaltsleerer Begriff, der ablenkt vom eigentlichen Geschehen.? Nach den Pollern auf Weihnachtsmärkten zukünftig Gatter auf Bahnsteigen, die erst dann geräuschvoll herunterklappen, wenn der Zug steht? Schöner wird das Land, werden Städte und Bahnhöfe nicht. Aber sicherer? Wenn Zeitungen heute erst einmal von einer „Tragödie“ sprechen dann ist das falsch. Die Tragödie ist eine Verwicklung, aus der der Mensch sich nicht befreien kann, die ihn gewissermaßen zum Täter macht obwohl er auch Opfer ist. Hier handelt es sich nicht um eine Tragödie; sondern um ein Verbrechen. Gleis 7 ist keine Theaterbühne. Gleis 7 ist unser Alltag, in Frankfurt und anderswo. Eine Tragödie ist, wenn sich Medien zieren, die mutmaßliche Herkunft des Täters beim Namen zu nennen. Weil sich dann die Medien in einem Netz selbstauferlegter Zwänge verfangen haben, die zu einer Wiederholung der Tat führen können. Es ist eine Tragödie, weil die Bevölkerung eben nicht hinreichend darüber aufgeklärt wird, auf welche Warnsignale in ihrem unmittelbarem und mittelbarem Umfeld im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr zukünftig zu achten ist. Und sich ärgern über Betonpoller, die den Sonntagsspaziergang behindern. Und es ist eine Tragödie, weil das Misstrauen nicht nur auf Bahnhöfen gegenüber afrikanisch oder arabisch aussehenden Menschen noch einmal ansteigen wird. Der Mensch lernt ja schnell. Und er hat einen Überlebensinstinkt, der nicht auf scheinbar beruhigende Statistiken oder Wahrscheinlichkeit hört, wenn das zunächst Unwahrscheinliche öfter passiert. Also wird jetzt entweder weniger Zug gefahren bzw. am Gleis schneller zurückgetreten. Besagter achtjähriger Junge wurde gegen 9:50 Uhr im Gleisbett des Bahnhofs vom aus Düsseldorf kommenden Zug überrollt und starb. Wenn die Schule wieder beginnt, wird ein Stuhl in der dritten Klasse leer stehen und eine Lehrerin wird versuchen müssen, mit den ehemaligen Mitschülern des Ermordeten eine Trauerarbeit zu leisten. Wie werden sich diese Kinder im Erwachsenenalter an diesen Mord an ihrem Schulkameraden erinnern? Die Mutter konnte nur noch sich selbst auf einen Pfad zwischen Gleis 7 und 8 retten, der dem Service der schnellen Züge dient während ihr Kind vom einfahrenden ICE erfasst und tödlich verletzt wurde. Ihr Leben wird nie mehr so sein, wie früher. Die Polizei wertet aktuell noch Videoaufnahmen aus. Es wäre im Unglück Erleichterung, wenn sich die Tat erklären ließe. Obwohl zum Motiv noch nichts bekannt ist, schließen Sicherheitskreise einen terroristischen Hintergrund bereits aus. Zu Recht? Wie war das eigentlich damals mit den Türmen des World Trade Centers, als beim ersten Flugzeugeinschlag noch viele an einen Unfall dachten, wo der zweite Einschlag den Terror zur schrecklichen Gewissheit werden ließ? Warum stehen die Betonpoller am Main, dort wo übrigens Goethe seinen Frühlingsspaziergang durchgeführt hat: „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick“. Nichts mehr wird den Jungen zurückbringen. Befragte Psychologen können sich noch keinen Reim darauf machen, was die Bahnhofstäter bewog, Menschen vor Züge zu stoßen. Es soll Mordlust gewesen sein? Natürlich wäre auch das möglich, wir können es zu dem Zeitpunkt für die beiden jüngsten Fälle schlicht nicht sagen. Aber ein düsterer Verdacht keimt auf, bricht sich Bahn, hart wie Beton. Er lässt nicht zu, dass billige Wörter wieder Sachlagen beschönigen, um sie dann hinterrücks mit Sicherheitsmaßnahmen doch zu bestätigen. Solange die polizeilichen Untersuchungen nicht abgeschlossen sind sollte man nicht über Motiv, Täter und mögliche Serien von Taten spekulieren. Aber die Puzzleteile drohen sich zu einem Bild zu formen, das dieses Land gefährdet. Noch kann man hoffen, dass die Öffnung der äußeren Grenzen nicht noch mehr Poller im Inneren erfordern.
Sofia Taxidis
Die ebenfalls vor den Zug gestoßene Mutter konnte sich nach Polizeiangaben noch retten, nicht aber ihr Kind. Bei dieser Meldung stockt das Herz.
daili-es-sentials
2019-07-29T15:48:46+00:00
2019-07-29T16:14:12+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/frankfurt-achtjaehriges-kind-vor-einfahrenden-zug-gestossen/
Regierungsbildung: Falscher Jubel und Fehler im System
Petra Gerster, die Moderatorin des heute journals, zeigte sich wieder so staatstragend, wie ihr Sender sich gerne gibt: „Jetzt ist es amtlich“, bejubelte sie anlässlich der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags die Regierungsbildung. Wie falsch das ist, ist der Altmeisterin der Nachrichten gar nicht mehr bewusst: Zu eng verbandelt sind ihre Nachrichten mit der geschönten Regierungsselbstdarstellung. Es war eine Jubelveranstaltung – die als solche von fast allen Medien gefeiert wurde, ein Staatsakt, der keiner ist. Es zeigt, wie wenig Deutschlands Politikredakteure noch vom Grundgesetz halten: Der Koalitionsvertrag ist weder ein Vertrag, noch bindet er irgendwen. Er ist eine Absichtserklärung einiger Parteifunktionäre. Kein Abgeordneter ist daran gebunden, auch wenn er durch vielerlei schikanöse Maßnahmen dazu gezwungen wird, jeden Unsinn abzusegnen, wenn er nur dort vorformuliert ist. Die Abgeordneten sind nur ihrem Gewissen verantwortlich. Abgesehen davon, dass die Wirklichkeit sich nicht an die Spiegelstriche der Parteibürokraten hält: Beispiel Trumps Handelspolitik – sie kann ein massiver Angriff auf deutsche Arbeitsplätze und Wohlstand sein. Jetzt wäre ein Bundeswirtschaftsminister mit Kompetenzen gefragt. Aber die Bundesregierung ist gespalten: Zwischen CDU- und SPD-Ministerien sind die jeweiligen Kompetenzen kleinteiligst aufgespalten. Auch das ist nicht im Sinne des Grundgesetzes, da bestimmt der Kanzler die Richtlinien der Politik. In der Regierung Merkel bestimmt der SPD-Parteivorstand die wesentlichen Felder der Außen-, Finanz, Sozial- und Europapolitik. Auch das ist nicht „amtlich“, sondern eine Perversion des Grundgesetzes. So wird die neue Koalition Spiegelstriche abarbeiten, statt tatsächliche Probleme ihrer Lösung zuzuführen. Regierungsbildung? Wohl weder Regierung noch Bildung. Beispiel Europa-Politik: Deutschland kann mit Trump über die Handelsfragen gar nicht mehr verhandeln; diese Fragen werden ausschließlich von der EU behandelt. Im Wesentlichen hat nur Deutschland Handelsüberschüsse mit den USA und kompensiert damit die Defizite der schwächeren EU-Partner. Die wären also von Zöllen auf deutsche Autos nicht betroffen. In wessen Interesse verhandelt die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström? Und ist es wirklich überraschend, dass Deutschland auf die Anklagebank kommt, denn nicht nur die USA, auch europäische Partner ärgern sich über die deutsche Exportmaschine, die die Industrien in ihren Ländern niederwalzt. Beispiel Einwanderung: Da bekämpfte die SPD mit Kanzlerinnen-Hilfe jede Formulierung einer Obergrenze – was die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig nicht daran hindert, am Tag der Vertragsunterzeichnung Abschiebungen einzufordern und Rücksicht auf die einheimische Bevölkerung zu nehmen: Mehr Schizophrenie geht kaum. Aber es nicht der Populismus, der verärgert – es ist die erkennbare Absicht, mit rhetorischen Kunstgriffen die eigentliche Absicht zu verdecken. Und die besteht darin, dass SPD und die der Kanzlerin hörigen Teile der CDU weiterhin deren Katastrophe der Politik der massenhaften Zuwanderung fortsetzen wollen. Daran wird auch Horst Seehofer scheitern, und zwar gerne: Er hat in der Zuwanderungspolitik schon immer versprochen, und nicht gehalten. Beispiel Steuer- und Sozialpolitik: Die Deutschen kommen nur als Betreuungsfälle vor, die ohne Sozialarbeiter und staatliche Stütze keinen Schritt eigenständig gehen können. Der Reflex ist die über allem liegende Staatsgläubigkeit. Die noch nie so hoch dagewesene Staatsquote soll noch weiter erhöht, die Freiheit der Bürger noch weiter eingeschränkt werden. Mit 100 Milliarden zusätzlichen Einnahmen rechnet der Finanzminister in seinem Glück – 10 Milliarden sollen über die Senkung des längst überflüssigen Solis zurückgegeben werden. Das nennt man dann „Steuersenkung“. Beispiel Zukunft: Hier fehlt jede Vorstellung. Der Ökonom Daniel Stelter formuliert pointiert: „Wie man ein Land ruiniert, kann man bekanntlich an Deutschland studieren„: Es gibt also wenig Grund, den Koalitionsvertrag zu feiern, dokumentiert er doch nur die eigentliche Uneinigkeit der Parteien und ihre Unfähigkeit, sich den wirklichen Problemen zu stellen. Die Feier des Koalitionsvertrags hat nur ein Ziel: Genau diese Gängelung „amtlich“ aussehen zu lassen, den Bundestag und seine Debatte und Entscheidung vorweg zu nehmen. Das ZDF macht sich zum Erfüllungsgehilfen dieser parteipolitischen Absicht. Ein Beitrag zu einer „guten Debattenkultur“, die ausgerechnet Angela Merkel einforderte, ist es auch nicht. Wenn Abgeordnete an die Kette ihrer Parteien gelegt werden, ihre Meinungsäußerung durch die Parteispitze vorgegeben wird, dann entwertet sich der Bundestag weiter. Die Abgeordneten nicken ab, was von oben verlangt wird. Regierungsbildung statt Meinungsbildung. So schreibt Klaus-Rüdiger Mai: „Es ist die Aufgabe einer Oppositionspartei, die Regierung zu kontrollieren, nicht, die Opposition anzugreifen. Man gerät dabei in der öffentlichen Wahrnehmung nur allzu schnell in die Rolle des Wadenbeißers für die Regierenden. Doch einem Wadenbeißer nimmt man kein inhaltliches Engagement mehr ab.“ Die Ausgangslage für die AfD ist geradezu traumhaft: Sie braucht nur alte Forderungen der CDU als Gesetzesantrag einzubringen – und schon stimmt die CDU gegen sich selbst. Die Glaubwürdigkeit steigt nicht gerade durch derartige Kindereien. „Jahrelang haben CDU und CSU, allen voran der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), dafür geworben, die deutsche Sprache als Sprache der Bundesrepublik im Grundgesetz zu verankern. Es gab sogar entsprechende Parteitagsbeschlüsse der CDU. Weil die AfD dies nun auch möchte, wollen es CDU/CSU nicht mehr; plötzlich ist das für CDU/CSU „Deutschtümelei“, spottet Josef Kraus. Die CDU verliert so den Rest ihrer Glaubwürdigkeit. Regierungsbildung und CDU-Demontierung. Von den Grünen war wenig zu hören; die Leier von der fortgesetzten Zerstörung der Energieversorgung spielt ja auch schon die Bundesregierung. Und die Linke hat zwei Flügel: Jene, die bedingungslos die Einwanderungspolitik der Bundesregierung unterstützen – und jene wenigen um Sarah Wagenknecht, die die sozialen Folgen benennen. Aber zu einer parlamentarischen Aktion kann sich die Partei nicht aufraffen – sie beklagt in ihrer Mehrheit die soziale Lage der „kleinen Leute“ und verschärft sie durch die Förderung wachsender Konkurrenz an Schulen, Wohnungsmarkt und im Kampf um einfache Arbeitsplätze. Wenn etwas „amtlich“ ist, dann ist es die erschütternde Schwäche des politischen Systems: Eine farblose Regierung, die an den Rezepten von gestern festhält, und ein Parlament das sich bereitwillig von der Regierung gängeln lässt und lieber mit sich selber befasst als mit der Kontrolle der Regierung. Das Beste an dieser Regierungsbildung ist: Sie hat ein halbes Jahr gedauert. Sechs Monate sind schon geschafft. In spätestens dreieinhalb Jahren wird gewählt. Allerspätestens, denn Merkels Abschied vom Amt und die Ausblendung der Realität werden so lange nicht währen können.
Roland Tichy
Das Beste an dieser Regierungsbildung ist: Sie hat ein halbes Jahr gedauert. Sechs Monate sind schon geschafft.
tichys-einblick
2018-03-13T10:00:12+00:00
2018-03-13T10:00:15+00:00
https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/regierungsbildung-falscher-jubel-und-fehler-im-system/
Laokoon-Weimer in den Schlingen der Zivilgesellschaft
Der Weg in die Demokratiesimulation, das heißt die Ersetzung des demokratischen Systems durch „unsere Demokratie“, die von einer selbsternannten aufgeklärten und privilegierten moralischen Elite (die „Wohlgesinnten“ nach Alexander Wendt) gesteuert wird, wird immer abschüssiger. Die Zeichen (der Hysterie) folgen immer schneller aufeinander, so dass kaum noch Zeit bleibt, besonnen darauf zu reagieren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft, will aber das Gutachten, auf dem diese Einschätzung beruhen soll, nicht veröffentlichen. Josef K. von der AfD erfährt also nichts von seiner Anklage, trotzdem werden die Rufe nach einem Verbot der in den aktuellen Umfragen stärksten Partei wieder lauter. Und wer weiß, was als nächstes kommt? Athene-Faeser sendet noch in ihren letzten Tagen Schlangen aus, in denen Laokoon-Merz bis zur Bewegungslosigkeit gefangen sein wird. Blicken wir trotz der Ereignisflut noch einmal zurück auf die Ernennung von Wolfram Weimer zum künftigen Kulturstaatsminister. Denn an ihr lässt sich besonders gut ablesen, wie gut geölt „unsere Demokratie“ mittlerweile funktioniert. Kaum war die Nachricht von Weimers Nominierung durchgesickert, setzte auch schon das mediale Trommelfeuer ein, allen voran das Schlachtschiff FAZ – vertreten durch den Herausgeber Jürgen Kaube –, dicht gefolgt von der Süddeutschen Zeitung und vielen anderen. Weimer gehört zwar nicht zu den „unantastbaren“ Journalisten, denen der Weg in die Talkshows des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wohl für immer versperrt ist, aber mit seinem Büchlein „Das Konservative Manifest, Zehn Gebote der Neuen Bürgerlichkeit“ hat er es sich mit den Wohlgesinnten gründlich verscherzt. Wichtige Positionen, die sich daraus ergeben, sind für Weimer beispielsweise das Festhalten am Konzept der Zweigeschlechtlichkeit, die Betonung der Eigenverantwortung des Individuums und der Familie (im Gegensatz zu einer immer stärkeren Bevormundung durch den Staat) sowie die Ablehnung der Gender-Ideologie. Maximilian Krah hat übrigens im Jahr 2023 ein bemerkenswertes Buch (Politik von rechts) vorgelegt, in dem er teilweise sehr ähnliche, oft sogar differenziertere und realistischere Ansichten vertritt. So beschwört Weimer im letzten Kapitel eine Rückbesinnung auf Gott, da „eine menschenwürdige Gesellschaft den Maßstab des Überindividuellen braucht“ – etwa zur Beurteilung der Frage der Sterbehilfe und des Klonens. Während Weimer eine Renaissance des christlichen Glaubens im Abendland für möglich hält, ist Krah hier deutlich pessimistischer (und wohl auch realistischer). Er stellt nüchtern fest, dass der Glaube weitgehend verschwunden sei und die Politik ihn nicht wiederbeleben könne. Interessant ist, dass beide in diesem Zusammenhang ausgerechnet Jürgen Habermas zitieren. Weimer führt an, dass Habermas sich nach der „Einhegung (des Machbarkeitswahns der Moderne) durch Glaubengrundsätze sehne“, während Krah aus einem Brief von Habermas an Joseph Ratzinger zitiert, in dem dieser von einem „Bewusstsein, dass etwas fehlt“ (nämlich der Glaube) spricht. Auf diesem Bewusstsein müsse, so Krah, eine konservative Politik aufbauen. Die Beschäftigung mit einem konservativen Wertekonzept setzt immer die Bereitschaft voraus, eine gewisse Unschärfe zu akzeptieren. Die Wohlgesinnten finden immer einen Einwand gegen irgendeine Kategorie oder ein Prinzip, das nicht in ihr ach so aufgeklärtes Wertesystem passt, und sei er auch noch so abwegig oder unbedeutend. Hat man erst einmal Merkmale mit beckmesserischen Einwänden „erledigt“, bleibt am Ende nur eine Art steriler Rechtsstaatspatriotismus übrig. Konservative Werte lassen sich aber nicht logisch ableiten. Das passende Zitat stammt aus dem Faust: „Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen.“ Den großen Treffer landet Kaube mit einem Begriff, der auch die Überschrift seines Artikels ziert, aus der Passage: „Während Generation um Generation in einer Jahrtausende währenden Selbstverständlichkeit die Fortdauer der eigenen Familie, des eigenen Blutes, der Sippe (…) begriffen hat, so bricht dieses Bewusstsein plötzlich in Scherben.“ In diesem Absatz geht es um die Problematik des Geburtenrückgangs, und Weimer verwendet in historisierender Form einen problematischen Ausdruck, den er bei der nächsten Auflage streichen sollte. Jedenfalls reicht das – zusammen mit den diversen Zitaten von Oswald Spengler – für Kaube aus, um Weimers Buch bequem zu verwerfen: „Sein Begriff von Kultur und sein Geschichtsverständnis weisen darauf hin, dass er der falsche Mann am falschen Platz ist. Um es gelinde zu sagen.“ Es ist einer der eher seltenen Fälle, in denen Kaube selbst für die FAZ zur Feder greift, und man hätte sich gewünscht, dass er und die FAZ sich mit ähnlichem Eifer auch anderswo exponiert hätten, etwa gegenüber Weimers Vorgängerin, Claudia Roth, die ganz offensichtlich keine Kompetenz für das Amt mitbrachte, oder gegenüber Annalena Baerbock und Robert Habeck, von denen man dasselbe in ihren Ressorts sagen kann. Letzterem verlieh Kaube stattdessen als Alleinentscheider den Ludwig-Börne-Preis 2023, und auch bei Judith Butler drückte er ein Auge zu, als sie 2012 den Adorno-Preis erhielt (laut Presseberichten saß Kaube damals im Kuratorium). Vielleicht hat Kaube nie etwas von Habeck gelesen. Hätte er das getan, wäre er wohl nicht zu folgender Einschätzung gekommen: „Wir leben in der steten Gefahr, dass im politischen Gespräch Argumente nichts mehr zählen, sondern ‚Narrative‘. Habeck ragt unter denen heraus, die sich dem als Politiker und politischer Publizist widersetzen. Gesellschaftswissenschaftlich informierte und lebensweltlich grundierte Reflexion prägen seine Äußerungen. In den Zwängen der Politik erkämpft er sich auf beeindruckende Weise Freiräume durch Nachdenklichkeit. Das lässt ihn in der Tradition des politischen Publizisten Ludwig Börne stehen“ (Robert Habeck erhält den Börne-Preis 2023 – Ludwig Börne Stiftung). Alexander Wendt las Habecks Schriften dafür umso gründlicher (Der Gefluchtete: zur gattungspraktischen Begründung des Phänomens Robert Habeck). Wir zitieren seine in seinem unnachahmlichen Stil vorgetragene Schlussnote ausführlich: „Dass es Robert Habeck erst zum Doktortitel, dann zum Vizekanzler der drittgrößten Wirtschaftsnation der Welt und zwischendurch noch zum Börne-Preisträger brachte, müsste einem fast Respekt abnötigen. Aber eben nur fast. Sein Aufstieg erzählt mehr über die katastrophale Elitenrekrutierung in dieser Gesellschaft als über ihn selbst. Seine Karriere verdankt er weniger seinen Texten, sondern hauptsächlich seinem Schaumschlag vor allem bei weiblichen Wählern, die gar nicht erst vom Öllicht lesen müssen, um seinem wollpulloverigen Charme zu erliegen. Selbst bei der Zeit zählt man nicht seine Derrida-Zitate, sondern lieber die Löcher in seinen Socken.“ Hier zeigt sich ein deutliches Muster, wie die FAZ bei Themen, bei denen man den Wohlgesinnten auf die Füße treten würde, sehr zurückhaltend ist – um auch dies gelinde zu sagen. Über einen besonders schäbigen Fall haben wir ausführlich in „Im Labyrinth des Kulturkampfes“ berichtet. Statt ein enorm wichtiges Buch von Prof. Susanne Schröter („Der neue Kulturkampf. Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht”) selbst zu rezensieren, erschien eine polemische Rezension einer offensichtlich überforderten Gastautorin (Ronya Othmann). Damit wurde nicht nur einer wichtigen Wissenschaftlerin die Unterstützung entzogen, die sich als eine der wenigen in ihrem von Wokeness geprägten akademischen Feld ihre kritische Denkfähigkeit bewahrt hat, sondern es wurde und wird auch der Ton für die weiteren Instanzen des rot-grün gefärbten vorpolitischen Milieus – von unbedeutenderen Publikationen bis hin zur Antifa – gesetzt. Angesichts des medialen Störfeuers machte Weimer sofort einen Kotau gegenüber den Wohlgesinnten und beging damit den Standardfehler bürgerlicher Politiker, sich gegen perfide und ungerechtfertigte Vorwürfe zu verteidigen: „Ich bin Kulturverfechter, nicht Kulturkämpfer. Gegen die AfD und die üblen Umtriebe des Rechtspopulismus schreibe ich seit Jahren an.“ Er wird freilich erkennen müssen, dass ihm das wenig nützen wird, weil seine Gegner darin eine Bestätigung ihrer Kampagne sehen und sie mit jedem noch so kleinen Schritt aus dem Meinungskorridor der Wohlgesinnten heraus verschärfen werden. Von Friedrich Merz, in dem manche den Weltmeister im Rückwärtsrudern zu erkennen glauben, hat er bei alledem wenig Unterstützung zu erwarten. Die Einschüchterungsmechanismen und die darauf folgenden peinlichen Rückzieher der Union sind inzwischen hinlänglich bekannt – selbst die Beschwichtigungsformeln sind in diesem Demokratie simulierenden Schauspiel festgelegt wie die Rollen in der Commedia del Arte. Als sich Ende 2023 in Hessen die Koalition aus CDU und SPD bildete, wurde im Koalitionsvertrag ein weitreichender Passus zum Ende der Gendersprache im amtlichen Sprachgebrauch festgeschrieben (Hessen: Wie der ÖRR und die Universitäten sich als Opfer im „Kulturkampf“ darstellen) und damit dem vom Autor initiierten Volksbegehren in Hessen der Wind aus den Segeln genommen. Nach massiven Protesten der Wohlgesinnten gebar der Berg schließlich nur ein Mäuschen, indem er unter anderem die Universitäten und den Hessischen Rundfunk fast völlig außen vor ließ. Man kann nur immer wieder teils bewundernd, teils entsetzt feststellen, dass es den Wohlgesinnten den letzten Jahren mit beeindruckender Konsequenz gelungen ist, ihr Weltbild in allen wichtigen politischen und vorpolitischen Institutionen zu verankern, angefangen bei den Schulen und Universitäten über den ÖRR, einen Großteil der Medien, Kulturinstitute, sogenannte Faktenchecker etc. Sie haben ihre Gramscis und Alinskys und deren Methoden, politische Veränderungen herbeizuführen, sorgfältig studiert und ihren Marsch durch die Institutionen konsequent zu Ende geführt. Ihre Grundüberzeugungen sind eine krude Mischung aus sehr unterschiedlichen, und manchmal völlig widersprüchlichen Ansichten, darunter der Glaube an unbegrenzte Masseneinwanderung, Identitätstheorien und Genderismus, Postkolonialismus und Ähnliches. Teil dieses radikalen Glaubens ist jedoch auch die stillschweigende Akzeptanz von Widersprüchen und das Verschweigen negativer Konsequenzen, die sich aus der Umsetzung dieser Prinzipien ergeben. So werden beispielsweise Hinweise auf eine zunehmende Islamisierung als Folge von Masseneinwanderung oder auf Widersprüche zwischen sexueller Selbstverwirklichung und radikalem Islam in der Regel mit beispielloser Härte und Intoleranz bekämpft. Daraus hat sich eine Form des Doppeldenkens entwickelt, die sich wie eine Krankheit in der Bevölkerung ausgebreitet hat. Im Fall von Kaube und der FAZ zeigt sich dies unter anderem darin, dass bei der Beurteilung von politisch nahestehenden und politisch fernen Personen völlig unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden. Daran wird auch ein Regierungswechsel nichts Wesentliches ändern, denn die bürgerliche Mehrheitsgesellschaft ist in den Fesseln der Wohlgesinnten gefangen, die jede substantielle Veränderung unterwandern oder sabotieren können. Das wissen natürlich auch Leute wie Kaube. Insofern braucht es keinen Mut, jetzt billig gegen Weimer anzuschreiben.
Natalie Furjan
An der Ernennung von Wolfram Weimer zum künftigen Kulturstaatsminister lässt sich besonders gut ablesen, wie gut geölt „unsere Demokratie“ mittlerweile funktioniert. Kaum war die Nachricht von Weimers Nominierung durchgesickert, setzte auch schon das mediale Trommelfeuer ein.
feuilleton
2025-05-11T13:47:19+00:00
2025-05-13T06:44:36+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/wolfram-weimer-kulturstaatsminister-zivilgesellschaft/
Lesbos - Anklagen gegen NGO-Mitglieder wegen Beihilfe zum Schlepperwesen
Die griechischen Sicherheitsbehörden haben einen Schlepperring aufgedeckt, der auf der griechischen Ägäis-Insel Lesbos agierte. An dem Ring waren vier NGOs (non-governmental organisations) beteiligt. 33 NGO-Mitglieder und ihre Helfer wurden inzwischen angeklagt, darunter 19 Deutsche, zwei Schweizer, eine Französin, eine Bulgarin und ein Spanier; eine Österreicherin und eine Norwegerin dienten als Kontaktpersonen in der Türkei und sind auch unter den Festgenommenen. Sieben der Angeklagten gehören der Leitungsebene der vier NGOs an. Zwei der NGOs haben den gleichen Hauptsitz an einer Berliner Adresse, scheinen also eng miteinander verwoben zu sein. Daneben waren ein Iraner und ein Pakistani an den Operationen beteiligt. Laut Polizei soll der Ring seine Arbeit im Juni letzten Jahres begonnen und seitdem mindestens 32 illegale Überfahrten organisiert haben, wobei 3.000 Migranten nach Lesbos gelangten. Organisiert wurde das Ganze durch private Online-Gruppen und Internet-Apps. Die Überfahrten wurden dabei akribisch geplant: Informationen zu den Ab- und Anlegeorten der Boote, der genaue Zeitpunkt der Fahrt, schließlich Anzahl, Geschlecht und Alter der Bootsinsassen wurden geteilt, ebenso Details zum Aufnahmelager Moria. Außerdem wurde durch Telephonanrufe oder die übermäßige Verwendung einer Mobilfunk-Anwendung versucht, die Arbeit der griechischen Küstenwache zu behindern. Kurz bevor Moria brannte, hatte man sie endlich. Nach Monaten der Ermittlungen konnte die griechische Polizei auf das Schiff einer NGO zugreifen und so den Schlepperring aufdecken. Hinweise hatte sie zuvor von den griechischen Geheimdiensten und der eigenen Antiterroreinheit bekommen. Auf dem Schiff wurden das Operationsbuch der NGO, Landkarten und Notizen beschlagnahmt. Beeindruckend für die Beamten war das Ausmaß der mit anderen NGOs ausgetauschten Informationen. Was man auch fand: Pläne zu einer Schmuggelfahrt vom 1. März diesen Jahres, die dann doch nicht stattfand. Es war die Zeit der Grenzkrise am Evros. Seitdem ist die Athener Regierung bemüht, der illegalen Immigration an allen Fronten einen Riegel vorzuschieben. Bestätigt hat sich damit auch ein seit langem bestehender Verdacht, dass die NGOs den Bootsmigranten zwischen der Türkei und den griechischen Inseln mit Rat und Tat beiseite stehen könnten. Zum Thema Rat zirkulierten in Online-Foren Landkarten, auf denen die NGO-Standorte auf Lesbos mitsamt Anfahrtsrouten von der türkischen Küste verzeichnet waren. Das ging auch über ähnliche Nachrichten aus der Schlepperszene zwischen Afrika und Italien hinaus. Die Nähe von Inseln und Festland machten in der Ägäis eine noch engere Abstimmung von Schleppern und NGOs möglich. Das Ergebnis ist aber beide Male das Gleiche: Die irregulären Landungen von Migranten, die meistens ohne Asylanspruch sind, nehmen zu. Bis vor kurzem waren in Griechenland nur einzelne Verhaftungen wie die des dänischen Schleppers Salam Aldeen gelungen, der für die NGO »Forensic Architecture« tätig war. Außerdem scheint die Festnahme, wahlweise auch Ausweisung Aldeens eher eine On-Off-Geschichte gewesen zu sein. Anfang September diesen Jahres war er wohl bereits wieder in Moria, postete jedenfalls Bilder vom Brand des Lagers. Indes gehen die Ermittlungen gegen die vier verdächtigen NGOs weiter. Man will nun noch Licht in die Geldflüsse der NGOs bringen. Asyl- und Migrationsminister Notis Mitarakis stellte fest, dass man die illegalen Aktionen von NGOs nicht akzeptieren werde. Seit Anfang des Jahres bemüht sich die griechische Regierung um eine Erfassung aller im Land arbeitenden NGOs, deren Tätigkeit zudem besser kontrolliert werden soll. Denn zum Teil war schlicht unbekannt, worin die Aktivitäten der verschiedenen NGOs bestanden. Insgesamt sind mehr als 400 NGOs in Griechenland tätig und nehmen Millionen Euro für ihre Dienste ein.
Sofia Taxidis
Nach monatelangen Ermittlungen kann die griechische Polizei einen Fahndungserfolg melden. 33 NGO-Vertreter und ihre Helfer wurden angeklagt, allein 19 von ihnen aus Deutschland. Anscheinend machten sie sich mit Schleppern von der türkischen Küste gemein.
kolumnen
2020-09-29T07:45:55+00:00
2020-10-01T17:49:47+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/anklagen-gegen-ngo-mitglieder-wegen-beihilfe-zum-schlepperwesen/
US-Dienste: Putin nutzt Migranten gezielt zur EU-Destabilisierung
US-Diensten liegen Erkenntnisse vor, wonach gegenwärtig pro Woche 48 Chartermaschinen mit einem Fassungsvermögen zwischen 100 und 150 Personen eingesetzt werden, um sogenannte Flüchtlinge in die weißrussische Hauptstadt Minsk zu bringen. Das erfuhr TE aus regierungsnahen Kreisen in den USA. Diese wöchentlich bis zu rund 7.000 Menschen werden von dort mit staatlicher Logistik an die Grenzen der EU-Nachbarländer verbracht, wo sie ohne finanzielle oder sonstige Unterstützung und Hilfe ausgesetzt und Richtung Westen getrieben würden. Um genug Menschen für diesen „gezielten Angriff auf die EU“ zu haben, sollen nach US-Erkenntnissen mittlerweile sogar kubanische Migranten angeworben werden. Tatsächlich scheint dieses auch zu funktionieren, da sich die NATO-Staaten an den Grenzen zu Weißrussland von den EU-Partnern allein gelassen fühlen und vor allem der Bundesrepublik Deutschland vorwerfen, nichts für die innere und äußere Sicherheit der EU zu tun. Ein US-Insider: „Statt konkret etwas gegen diese in Moskau geplante und gesteuerte Attacke zu tun, machen die Deutschen wieder einmal Ringelpietz mit Anfassen! Den Kopf müssen die Balten und Polen hinhalten, die sich noch dazu von der politischen Mainstream-Agenda dafür beschimpfen lassen müssen, dass sie die Sicherung der EU-Außengrenzen ernst nehmen.“ In der US-Regierung sei durch diese Situation vor allem das Verhältnis zur Bundesrepublik erheblich belastet. Während der von Noch-Finanzminister Olaf Scholz als Kompensation zum Import von US-Gas zugesagte Terminal bei Bremen keinesfalls wie zugesagt rechtzeitig fertig werde, erhöhe die Bundesregierung mit Nord Stream 2 die Abhängigkeit von Putin auf ein unerträgliches Maß. Auch kann man in Washington nicht nachvollziehen, warum vor allem die Deutschen diesem „russischen Angriff“ so überaus gelassen gegenüberstünden.  Dabei ist es nach US-Erkenntnissen nicht nur Putin, der mit seinem weißrussischen Verbündeten gegen die EU agiert. Interne Besprechungen auf NATO-Ebene sollen vor allem bei NATO-Mitglied Bulgarien erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit der europäischen Verbündeten und EU-Partner offenbart haben. Demnach nutze auch der türkische Präsident Erdogan als vorgeblicher Verbündeter die Chance, ungeliebte Migranten illegal Richtung EU abzuschieben. Liefen dessen Routen bislang vorrangig über Griechenland, sei nun auch der Landweg nach Bulgarien eine gezielt genutzte Möglichkeit der Türkei, um Illegale unkontrolliert und unregistriert in die EU zu schleusen. In der neben der Energiesicherheit zweiten Kernfrage der Zukunft Deutschlands und der EU, nämlich der Migration, habe die US-Administration mittlerweile mit Blick auf die Bundesrepublik jede Hoffnung aufgegeben. Die von der BRD exekutierte „Willkommens-Kultur“ könne eher kurz- als mittelfristig dafür sorgen, die Spannungen innerhalb der EU derart zu überdehnen, dass es zur Implosion komme. Von einer sogenannten Ampel-Regierung erwarten die USA hier eher ein weiteres Aufweichen der Sicherung der EU-Außengrenze mit dem Ergebnis, dass sich Deutschland innerhalb der EU zunehmend isoliere und so das gesamte Konstrukt destabilisiere. Auch könne man den Feldzug der EU-Administration gegen Ungarn und Polen nicht nachvollziehen, die alles in ihrer Kraft Stehende täten, um die gezielte Unterwanderung der EU durch Massenmigration zu unterbinden.
Tomas Spahn
US-Diensten liegen Erkenntnisse vor, wonach gegenwärtig pro Woche 48 Chartermaschinen mit einem Fassungsvermögen zwischen 100 und 150 Personen eingesetzt werden, um sogenannte Flüchtlinge in die weißrussische Hauptstadt Minsk zu bringen. Das erfuhr TE aus regierungsnahen Kreisen in den USA.
daili-es-sentials
2021-11-02T15:01:37+00:00
2021-11-02T15:01:38+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/us-dienste-putin-nutzt-migranten-gezielt-zur-eu-destabilisierung/
Melnyk entlassen, weil er das Verhältnis der Ukraine zu Polen belastet hat
Die Aussagen des entlassenen ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk über den Partisanenführer Stepan Bandera haben in Polen gemischte Gefühle hervorgerufen. Die Verbrechen der UPA an polnischen Zivilisten sind zweifelsfrei belegt. Und dennoch müssen wir uns fragen, ob wir dies in einer Zeit diskutieren sollten, in der ein brutaler russischer Diktator einen präzedenzlosen Angriffskrieg in der Ukraine führt. Gedenk- und Jahrestage kommen bekanntlich selten ohne politische Sottisen aus, doch bieten sie auch die Möglichkeit, einige historische Tatsachen zurechtzurücken. Am 11. Juli 1943 griffen Verbände der Ukrainischen Aufständischen Armee UPA gleichzeitig 160 Ortschaften in dem mehrheitlich polnisch besiedelten Wolhynien an. Mehrere Tausend Polen wurden regelrecht hingerichtet. Dies war der Höhepunkt eines Massenmords, der bereits einige Jahre zuvor begann und noch bis 1944 andauerte. Insgesamt sollen in dieser Zeit mehr als 150.000 Polen vom militärischen Arm der OUN umgebracht worden sein, von einer mit den deutschen Nationalsozialisten kollaborierenden Organisation, die am Dnepr teilweise bis heute mit besonderer Verehrung bedacht wird. Auch viele ukrainische Zivilisten haben im Sommer 1943 in Wolhynien und Ostgalizien gebrandschatzt und gemordet. Mit Äxten und Feuerwaffen bewaffnet, griffen sie gar polnische Kinder und Säuglinge an. Noch in den letzten Kriegsmonaten steckten sie Gebäude in Brand, häufig am frühen Morgen, wenn die Familien schliefen. Zum Angriffsziel der Ukrainer wurden ebenfalls katholische Kirchen, zumeist an Sonntagen, wenn sich polnische Gläubige zum Gottesdienst trafen. Die sonntäglichen Massentötungen „erleichterten“ freilich die Arbeit der Täter, die an anderen Tagen von Haus zu Haus zogen. Die ukrainischen Partisanen wollten auf diese Weise ihren Anspruch auf Wolhynien untermauern. In Kiew werden diese ungeheuren Verbrechen eigentlich nicht mehr angezweifelt, obgleich dem einen oder anderen Abgeordneten der Werchowna Rada das Wort „Völkermord“ immer noch nicht über die Lippen kommt. In der historischen Betrachtung des Ukrainischen Instituts für Nationales Gedenken gilt das Massaker von Wolhynien als eine von vielen „gegenseitigen Gräueltaten“ während des Zweiten Weltkriegs. Tatsächlich gab es später einige Vergeltungsaktionen. Nur wurden diese Taten von der polnischen Exilregierung in London rasch verurteilt und die daran beteiligten Personen zur Verantwortung gezogen. Von einer „Heldenverehrung“ kann keine Rede sein. Die letzten Aussagen des kürzlich entlassenen ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk über den UPA-Anführer Stepan Bandera mussten daher in Warschau unweigerlich Entsetzen auslösen. Seine Worte als tendenziös zu bezeichnen, wäre eine arge Untertreibung. Schade, denn der aus Lwów stammende Diplomat hatte in Berlin unlängst vortreffliche Arbeit geleistet. Was Melnyk aber nicht sieht oder nicht sehen will: Einige der bedrückenden Seiten unserer polnisch-ukrainischen Beziehungsgeschichte wurden nach wie vor nicht aufgearbeitet. Wir halten fest: Der Partisanenführer Bandera ringt dem 46-jährigen Noch-Botschafter Bewunderung und Erstaunen ab. So weit, so schlecht. Weitaus beunruhigender ist die Tatsache, dass Melnyk die längst von zahlreichen Historikern erforschten Ereignisse und Zahlen offenbar überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt. Es ist im Übrigen keineswegs eine „gewagte“ Behauptung, dass Stepan Bandera für den Tod Tausender unschuldiger Polen verantwortlich ist. Belegbar ist jedoch ebenso die Annahme, dass sich nicht alle UPA-Verbände ausschließlich aus bestialischen Mördern zusammensetzten, die in der Zweiten Polnischen Republik eine Spur der Verwüstung hinterließen. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung hat die von den Nazis und Sowjets zermalmte Ukraine während des Zweiten Weltkrieges zahlreiche Politiker hervorgebracht, die einen ehrwürdigen Platz in der europäischen Geschichte einnehmen. Der ukrainische Widerstandskämpfer Taras Borowez hat sich den antipolnischen Tendenzen und Säuberungsplänen der Banderisten vehement widersetzt. Eine polnisch-ukrainische Annäherung schien bereits vorher möglich. Józef Piłsudski, einer der Gründungsväter der Druga Rzeczpospolita, der 1920 mit seinen Soldaten kurzzeitig Kiew eingenommen hat, wird zwar in einigen ukrainischen Geschichtsbüchern als Feindbild dargestellt. Aber es ist insbesondere seiner Kooperation mit Symon Petljura zu verdanken, dass beide Länder zumindest für einige Jahre den Bolschewisten die Stirn boten und der Traum von der Eigenstaatlichkeit der Ukraine fortlebte. Gerade in Zeiten, in denen ausgewiesene Diplomaten nicht ganz immun gegen Anflüge von Peinlichkeit sind, sollten wir auf diese historischen Grautöne hinweisen. Vor allem auch dann, wenn ältere deutsche Herren mit einer lupenreinen NS- oder SED-Vergangenheit darauf hinweisen, dass die Ukraine „provoziert“. Vielleicht lohnt es sich, historische Streitigkeiten für eine Weile einzustellen, wenn gerade ein russischer Diktator Europa auseinandernimmt? Russland führt einen Angriffskrieg in der Ukraine und nicht umgekehrt. Und es sind auch nicht Nato-Bedienstete, die in Moskau demokratische Bestrebungen unterbinden und Oppositionelle foltern. Wenn morgen russische Bomben auf Berlin fielen, würde Polen seinem westlichen Nachbarn sofort helfen und nicht erst monatelang die Zeitungsspalten mit Textblöcken über Schuldaufrechnung und Opferkonkurrenz füllen. Wojciech Osiński ist Deutschland-Korrespondent des Polnischen Rundfunks
Sofia Taxidis
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seinen Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk entlassen. Seine unbedachten Sprüche hatten insbesondere den Ukraine-Partner Polen verärgert. Das Verhältnis Polens zur Ukraine ist historisch belastet
kolumnen
2022-07-09T16:53:34+00:00
2022-07-09T17:01:46+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/polen-ukraine-das-massaker-von-wolhynien/
Meilenstein für den Wiederaufstieg des politischen Konservativismus
Unabhängig von der Frage, zu welchen gerichtlichen Ergebnissen die Klagen Donald Trumps gegen den knappen Wahlsieg von Joe Biden führen werden, zeigen erste Analysen der Wahlergebnisse, in welchem Ausmaß es der republikanischen Partei unter der Führung Trumps entgegen allen Umfragen gelungen ist, dem von den Demokraten organisierten Bündnis aus neo-liberalen Globalisierungs-Gewinnern und (linken) Progressisten ein Bündnis aus protektionistischen Globalisierungs-Verlierern und (rechten) Konservativen entgegenzusetzen. Die beiden Bündnisse haben sich spätestens mit dem Wahlkampf zu zwei Lagern formiert, deren Zusammensetzung jeweils von derjenigen der bisherigen Lager der Demokraten und der Republikaner deutlich abweicht. Beide rekrutieren als klassische Volksparteien ihre Wähler zwar weiterhin sowohl aus der Oberschicht, der Mittelschicht und der Unterschicht; während die Demokraten bislang jedoch vor allem die Wähler der Unterschicht und der unteren Mittelschicht repräsentierten, die Republikaner dafür mehr die Wähler der oberen Mittelschicht und der Oberschicht, hat sich dies inzwischen deutlich verändert. So berichtet etwa die Neue Züricher Zeitung (NZZ) am 7. November anhand erster sozio-demografischer Wahlanalysen: „Biden konnte im Vergleich zu Hillary Clinton vor allem in Counties mit hohem Akademikeranteil zulegen, Trump punktete eher bei Menschen ohne Hochschulbildung, die er schon vor der Wahl zu seiner Basis zählen konnte. Ab einem Akademikeranteil von ungefähr 25 Prozent konnte Biden tendenziell zulegen. Ähnliches zeigt sich beim Haushaltseinkommen: Je mehr die Menschen in einem County verdienen, desto grösser war tendenziell die Veränderung des Wahlverhaltens in Richtung Demokraten. Ab einem Median-Haushaltseinkommen von leicht über 50.000 Dollar wanderte ein County statistisch gesehen eher Richtung Biden. Ab einem mittleren Haushaltseinkommen von über 100.000 Dollar ist in den meisten Counties eine deutliche Tendenz in Richtung Biden zu erkennen, eine Ausnahme bildet aber etwa das Nassau County im Gliedstaat New York, das zu Trump tendiert.“ Neigen die „Anywheres“ in hohem Maße einer weiteren, teils militant-radikalen Überwindung und Auflösung traditioneller Werte und Normen der amerikanischen Gesellschaft zu, werden diese Werte und Normen von den „Somewheres“ weiter hochgehalten und teils ebenso militant-radikal verteidigt. Die Gräben zwischen den beiden Lagern verlaufen deswegen keineswegs nur entlang gegensätzlicher wirtschaftlicher Interessenlagen, sondern zunehmend auch entlang gegensätzlicher sozio-kultureller Einstellungen und Lebensweisen. Das verleiht dem Konflikt immer mehr Schärfe. Im Bereich der Kultur, der Medien und der (Hoch-)Schulen ist es dem links-progressiven Teil der „Anywheres“ in den letzten Jahrzenten gelungen, Schlüsselpositionen zu besetzen und über weite Strecken die ideologische Vorherrschaft zu erringen. Die Wirtschaft blieb davon lange Zeit weitgehend unberührt und störte sich deswegen an dem Vormarsch der links-progressiven Ideologie nicht weiter. Spätestens mit dem Aufkommen der New Economy und ihres Globalismus in Gestalt des WorldWideWeb änderte sich dies jedoch dergestalt, daß der linke Progressivismus nun auch in die Unternehmen Einzug hielt und dort zum Leitbild einer neuen Schicht von Unternehmern, Führungskräften und Angestellten wurde. Sie bildet zusammen mit den links-progressiven Kräften aus dem Kultur-, Medien- und (Hochschul-)Bereich gleichsam die Avantgarde der „Anywheres“, die so nicht mehr nur im kulturellen Überbau der Gesellschaft, sondern auch in deren wirtschaftlichen Unterbau stark präsent ist. Donald Trump hat einen anderen Weg beschritten, als er sich im Jahr 2015 entschloß, sich um die Kandidatur der Republikaner für die Präsidentschaft zu bewerben und sich nach einer gewonnenen Wahl in seiner Antrittsrede vom Januar 2016 mit folgenden Worten gleichsam zum Anführer einer konservativen Revolution im Interesse der „Somewheres“ zu küren. „Zu lange hat eine kleine Gruppe die Vorteile der Regierung genossen, während das Volk die Kosten zu tragen hatte. Washington florierte, aber das Volk hatte keinen Anteil an diesem Reichtum. Politikern ging es immer besser, aber die Arbeitsplätze verschwanden und die Fabriken schlossen. Das Establishment schützte sich selbst aber nicht die Bürger dieses Landes. Ihre Siege waren nicht eure Siege. Ihre Triumphe waren nicht eure Triumphe. Und während sie in der Hauptstadt der Nation feierten, hatten die bedrängten Familien überall in unserem Land wenig zu feiern. All das ändert sich von genau diesem Moment an und genau von diesem Ort aus, denn dieser Moment ist Ihr Moment.“ Mit dieser offenen Kriegserklärung an die „Anywheres“ hat Trump den Startschuss für all die Auseinandersetzungen nicht nur um seine Politik, sondern auch um seine Person gegeben, die die vier Jahre seiner Präsidentschaft prägten. Spätestens nach dieser Rede war seinen Gegnern klar, dass im Weißen Haus nun ein Konservativer residierte, der nicht nur ihr Gegner, sondern ihr Feind ist. Zum Wesen des politischen Feindes gehört es laut Carl Schmitt, „dass im extremen Fall Konflikte mit ihm möglich sind, die weder durch eine im voraus getroffene generelle Normierung, noch durch den Spruch eines ‚unbeteiligten‘ und daher ‚unparteiischen‘ Dritten entschieden werden können.“ Diese Wesensbeschreibung deckt sich weitgehend mit all dem, was sich während der Präsidentschaft von Trump zwischen der republikanischen und der demokratischen Partei zutrug. Trumps brachial begonnene konservative Revolution ist deswegen mit der Wahl Bidens keineswegs beendet, sondern in eine neue Phase getreten. In ihr wird sich zeigen, ob und wie es den Republikanern gelingt, ihr neues Bündnis aus Angehörigen der weißen Unterschicht sowie der traditionellen Mittel- und Oberschicht zu stabilisieren und weiter in Richtung farbiger Bevölkerungsgruppen auszubauen. Rund die Hälfte der Wählerschaft der USA votierte bei der diesjährigen Präsidentschaftswahl für eine Partei, die spätestens seit Trumps Wahlsieg im Jahr 2016 offen für eine neo-konservative Wende in ihrem Land kämpft. Ihr steht in Gestalt der Demokraten eine Partei gegenüber, die im Auftrag ihrer Wähler eine solche Wende im Land unter allen Umständen verhindern möchte. Die Zeichen der Zeit in den USA stehen von daher, jenseits aller Rufe nach einem parteipolitischen Appeasement, alles andere als auf Ausgleich oder gar Versöhnung, sondern auf Fortführung eines Machtkampfes zweier politischer und sozio-kultureller Lager, der mit der Abwahl Trumps nicht geendet, sondern wohl erst richtig begonnen hat. Je nachdem, wie er sich weiter entwickelt, kann sich die diesjährige Präsidentschaftswahl als ein Meilenstein für den Wiederaufstieg des Konservativismus nicht nur in den USA entpuppen.
Fritz Goergen
Die Zeichen stehen auf Fortführung eines Machtkampfes zweier politischer und sozio-kultureller Lager, der mit der Abwahl Trumps erst richtig begonnen hat. Die diesjährige Präsidentschaftswahl kann sich als Meilenstein für den Wiederaufstieg des Konservativismus nicht nur in den USA entpuppen.
meinungen
2020-11-10T11:57:06+00:00
2020-11-10T11:57:07+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/meilenstein-fuer-den-wiederaufstieg-des-politischen-konservativismus/
Zehn Punkte für die Corona-Politik bis zur Bundestagswahl
Gut sechs Monate vergehen noch bis zur Wahl im September. Bis dahin wird Angela Merkel voraussichtlich nicht zurücktreten. Sie wird auch Jens Spahn und Peter Altmaier nicht entlassen. Auch danach dürfte sich die spezifisch deutsche Politikmischung aus Globalgeneralplan und tausend Spiegelstrichen mit je zehn Fußnoten nicht ändern. Auch die Medienlandschaft dürfte das nicht. Karl Lauterbach erst recht nicht. Und es bleibt auch bei der aktuellen Lage, in der ein Teil der Bevölkerung so verängstigt ist, dass er jede noch so absurde Einschränkung hinnimmt, solange ihm Politiker nur suggerieren, das sei zur Virusbekämpfung nötig – und andere Covid-19 für eine Erfindung halten. Die Rhetorik der Regierungspolitiker und ihr erratisches Herumfuhrwerken seit einem Jahr Covid hat das Land erschöpft und ermüdet. Sie haben nicht viel erreicht, eins aber doch: kaum je in Friedenszeiten waren so viele Menschen in Deutschland verunsichert. Selten standen Gruppen in der Gesellschaft einander derart unversöhnlich gegenüber. Die folgenden zehn Punkte werden auf Kritik stoßen und niemand ganz und gar befriedigen. Das müssen sie auch nicht. Es handelt sich dabei um einen Minimalvorschlag für die kommenden Monate, bei dem es um eines geht: Pragmatismus in einer schwierigen Lage, die sich so schnell nicht auflösen wird. Die zehn Punkte werden auch nicht die Politik in Deutschland bestimmen. Als pragmatisches Minimum sollen sie trotzdem ein Angebot in der Debatte sein. 1. Das Gremium aus Kanzlerin und Ministerpräsidenten als Entscheidungsgremium für Corona-Maßnahmen tritt nicht mehr zusammen. Es besitzt keinerlei verfassungsrechtliche Legitimation. Nach dem angerichteten Chaos der ‚Osterruhe’ – einer gesetzestechnisch gar nicht durchführbaren und sachlich unsinnigen Maßnahme als Ergebnis einer fünfzehnstündigen Beratung – gibt es auch keine praktische Berechtigung für diese Runde. Spätestens nach Merkels Drohung in der Stichwortlieferantinnenrunde von Anne Will, die föderale Ordnung durch Maßnahmen des Bundes einzuschränken, müssen sich die Landesregierungen und –Parlamente gegen die Anmaßung Merkels wehren, wollen sie nicht noch mehr Ansehen verlieren. 2. Die Regierung jedes Bundeslandes verantwortet ihre Corona-Politik ab sofort wieder selbst. Fast alle möglichen Maßnahmen liegen ohnehin in der Kompetenz der Länder. Dabei sind Unterschiede zwischen den Ländern ausdrücklich erwünscht. Wenn etwa das Saarland den Lockdown nach Ostern aufhebt, Bayern erwartungsgemäß noch einige Zeit bei seinen Regeln bleibt und ein anderes Bundesland wieder einen anderen Weg einschlägt, dann lassen sich die Folgen jeweilige Praxis direkt miteinander vergleichen. Wie entwickeln sich dann Erkrankungen, Krankenhaus-Auslastung und Inzidenz? Das würde einen Aufschluss über die Wirkung von Lockdown-Maßnahmen geben, der sich nicht ignorieren lässt. Nur auf einem Gebiet müssen die Maßnahmen überall gleich bleiben: beim Schutz der besonders Gefährdeten in Alten- und Pflegeheimen. 3. Kommunen sollen die Freiheit erhalten, die bisher erfolgreichen Regeln von Tübingen und Rostock zu übernehmen, beziehungsweise, sie an ihre jeweilige Lage anzupassen. 4. Die Corona-Politik richtet sich nicht länger allein nach der so genannten 7-Tages-Inzidenz. Zum einen deshalb, weil der Wert, wie er bisher zusammengewürfelt wird, unbrauchbar und irreführend ist. Der Wert muss auf einen einheitlichen Wert von Getesteten im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung eines Landes, Landkreises oder einer Kommune berechnet werden, um überhaupt eine Vergleichbarkeit herzustellen. Vorschläge dazu gibt es. Außerdem braucht es die Unterscheidung zwischen positiv getesteten und tatsächlich infektiösen Personen. Sie sind eine Teilmenge der ersteren – und bilden die eigentlich relevante Gruppe. Die Zahl derjenigen, die andere mit Covid-19 infizieren könnten, kann in Zukunft aber nur eine von mehreren Größen sein, auf die sich die politisch Verantwortlichen stützen. Zum Gesamtbild gehören die Zahlen der tatsächlich Erkrankten, derjenigen, die Intensivbetten belegen – und in allen Gruppen die Betrachtung nach Altersgruppen. Um es praktisch zu machen: ein kurzfristiger Anstieg von Infizierten in den jungen Altersgruppen ist anders zu bewerten als eine Zunahme von Infizierten ab 60 Jahren. Entscheidend sollte die Frage sein: droht tatsächlich eine Situation, in der Intensivbetten und Beatmungskapazitäten knapp werden? Ganz am Anfang lautete das zentrale Argument für alle Anti-Corona-Maßnahmen: flatten the curve. Also: Infektionen zeitlich strecken, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Das ist nach wie vor richtig. Falsch ist und war immer die Maxime, Ansteckungen egal in welcher Altersgruppe unbedingt und zu jedem Kollateralschaden zu verhindern. 5. Die Parlamente müssen sich die ihr zustehende Entscheidungsmacht wieder nehmen – was praktisch bedeutet, die Macht der Bunderegierung auf das zurechtzustutzen, was das Grundgesetz vorsieht. Im Fall Merkels, die vermutlich nicht von sich aus zurücktreten wird, auch noch weiter. Sie hat mehrfach bewiesen, dass sie sich um die Verfassung nicht schert – zuletzt mit ihrer grundgesetzwidrigen Forderung, Auslandsreisen weitgehend zu verbieten. In den letzten Monaten ihrer Amtszeit sollte ihr deshalb jede Entscheidung aus der Hand genommen werden, wenn es irgend geht. Der nächste Vorschlag ist mit dem Mangel behaftet, dass er sich an einen Bundestag und an Länderparlamente richtet, die in dem vergangenen Jahr freiwillig auf ihre Kompetenz verzichtet hatten, und in denen schon vor Corona das Prinzip verloren gegangen war, dass sich ein Parlament eine Regierung hält, nicht umgekehrt. Trotzdem lautet die Minimalforderung: der Bundestag beruft umgehend ein Corona-Sachverständigenrat ein, in dem nicht nur Virologen und Datenmodellierer sitzen, sondern auch Mediziner mit einem anderen Erfahrungshorizont, Soziologen, Ökonomen, Verfassungsjuristen, Vertreter besonders betroffener Branchen und Berufsgruppen. Die Aufgabe des Rates lautet, Wirkungen und Nebenwirkungen der Covid-19-Bekämpfung zu untersuchen, Vorschläge zu unterbreiten und die Politik mit Empfehlungen zu begleiten. In den Rat gehören neben anderen der Mediziner Matthias Schrappe, ehemaliger Vize-Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung des Gesundheitswesens, der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit, der Vorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe Ulrich Hegerl, der Soziologe Wolfgang Streeck, der Ökonom Hans-Werner Sinn und der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier. Und künftig debattieren und entscheiden der Bundestag und die Landesparlamente. Die Exekutive führt, wie der Name sagt, Parlamentsbeschlüsse aus. Eine zweite Aufgabe der Beratungsrunde besteht darin, die Corona-Politik vergleichsweise erfolgreicher Staaten wie Südkorea, Singapur und Finnland zu beobachten, und zu überlegen, was sich von ihnen lernen lässt. 6. Mit Hilfe dieses Beratungsgremiums bringen die Verantwortlichen in Ländern und Kommunen endlich das auf den Weg, was in Deutschland bisher weitgehend fehlt: einfache, pragmatische Maßnahmen. Einkaufszeiten speziell für Senioren in den Vormittagsstunden beispielsweise würden das Infektionsrisiko für diese Gruppe reduzieren, der Einsatz von Luftfiltern in Klassenräumen das Ansteckungsrisiko für Kinder. Gegen die Öffnung der Außengastronomie mit passenden Hygienemaßnahmen spricht nichts. Tübingen praktiziert das – ohne dass bis jetzt Infektionszahlen und Krankenhaus-Auslastung steigen würden. Das gilt auch für Kulturveranstaltungen und Sport im Freien. Ebenso wenige Gründe gibt es, Urlaub im eigenen Ferienhaus oder im Campingwagen und Übernachtungen mit Negativtest in Hotels zu verbieten. Erst Recht gibt es keinen Grund, selbst geimpfte Senioren in Altenheimen daran zu hindern, gemeinsam im Speisesaal Mahlzeiten einzunehmen, oder die Zahl der Besucher auf eine Person zu beschränken, was bedeutet, dass beispielsweise nur die Tochter kommen darf, aber nicht das Enkelkind nicht mitbringen darf. Erwachsene sollen selbst entscheiden dürfen, welches Risiko sie eingehen möchten, solange sie niemand anderen gefährden. Wenn etwa eine geimpfte Seniorin im Heim ihren Enkel sehen möchte, dann steht es keiner Institution zu, mit dem Hinweis auf ein theoretisches „Restrisiko“ besser wissen zu wollen als sie selbst, was gut für sie ist. Zum Pragmatismus gehört es auch, die starre „Priorisierung“ beim Impfen zu beenden. Weil viele ihren Impftermin wegen der Verunsicherung gerade um AstraZeneca nicht wahrnehmen, bleiben bisher hunderttausende Impfdosen ungenutzt – während andere, die sich impfen lassen würden, keinen Termin bekommen. Was in den Impfzentren nicht verbraucht wird, sollte deshalb sofort an die Hausärzte abgegeben werden. Eine praktische statt überkomplizierte Lösung ist auch dringend nötig, um tausenden vom Lockdown betroffenen insolvenzbedrohten Unternehmern und Selbständigen zu helfen. Deshalb: Abschläge sollten über die Finanzämter ausgezahlt werden, die ohnehin über alle nötigen Daten verfügen. Diese Methode wäre auch viel weniger betrugsanfällig als die umständliche Beantragung von Hilfen durch Dritte, also Steuerberater. Und Abschlag bedeutet, dass die spitze Abrechnung später erfolgt. Die Verwaltung muss sich von ihrem Prinzip verabschieden, dass nur dann Geld fließt, wenn auch das letzte Formblatt ausgefüllt und die Hilfe bis auf die Nachkommastelle unter ständig wechselnden Vorschriften berechnet ist. Und viele Bürger müssten auch ihre urdeutsche Angst ablegen, dass ihr Nachbar unberechtigterweise drei Euro mehr erhalten könnte als sie selbst. 7. Die oben genannten Experten sollten auch so bald wie möglich eine Gesamtschau über die Kosten der bisherigen Lockdown-Maßnahmen zusammenstellen – von den Folgen verschobener und aufgefallener Operationen über die Verschlechterung der Lage psychisch Kranker bis zu den gesundheitlichen Konsequenzen von Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und Wohlstandsverlust. Ein möglichst vollständiges Bild von Wirkungen und Nebenwirkungen ist nötig, um in Zukunft die Schäden zu mildern und einen Tunnelblick der Politik zu verhindern. 8. Alle politisch Verantwortlichen sollten sich den Merkzettel schreiben (und bei jedem Auftritt und jeder Beratung mehrmals studieren): Nichts Unsinniges oder sogar Kontraproduktives fordern und beschließen. Klingt eigentlich selbstverständlich, ist es aber nicht. Es passiert, weil Politiker glauben, sie müssten irgendetwas tun oder fordern. Das sollen sie aber nicht. Jüngstes Beispiel: Karl Lauterbachs Idee einer Ausgangssperre ab 20 Uhr. Was wäre die Folge? Läden müssten dann schon gegen 19 Uhr schließen, folglich wäre das Gedränge in der letzten Stunde vor Schluss in den Supermärkten und anschließend in den öffentlichen Verkehrsmitteln noch größer als sonst. Die Gefahr, sich zu infizieren, liegt in geschlossenen Räumen etwa zwanzig- bis hundertmal höher als im Freien. Lauterbachs Forderung liefe also darauf hinaus, gerade jetzt, wenn es länger hell bleibt und wärmer wird, erst Menschenmengen draußen mutwillig zu verdichten, um die Leute anschließend mit Staatsgewalt dorthin zu schicken, wo das Infektionsrisiko nachweislich besonders hoch liegt. Falls der SPD-Politiker die jungen Leute im Blick hat, die draußen in Parks bei Getränken sitzen: vertreibt die Polizei sie dort um 20 Uhr, dann würden die meisten nicht allein nach Hause gehen, sondern – das sagt schon eine durchschnittliche Lebenserfahrung, über die aber nicht jeder Berufspolitiker verfügt – in Wohnungen weiterfeiern, mit geringerem Abstand und mehr Infektionen. Lauterbach mit seinen Warnungen und Forderungen des Tages wird sich nicht ändern. Aber es ist sinnvoll, ihm und ähnlichen Lautsprechern deutlich weniger Aufmerksamkeit zu schenken. Nach Aussage von Gerhard Scheuch, dem führenden Aerosolforscher in Deutschland, gibt es keine wissenschaftliche Begründung für das Tragen von Masken im Freien, so lange ausreichender Abstand möglich ist. Das gleiche gilt natürlich für viel absurdere Maßnahmen, etwa die (mittlerweile wieder gekippte) Pflicht zum Maskentragen beim Joggen in Hamburg oder die „Verweilverbotszone“ an der Düsseldorfer Rheinpromenade. Dieser alberne Politaktivismus nützt nicht nur nichts bei der Bekämpfung des Virus. Er schadet, weil er die ohnehin stark angeschlagene Autorität von Politikern und Exekutive noch weiter ruiniert. 9. Eine minimale Selbstverpflichtung von Medien und Politiker lautet in Zukunft: wenigstens nicht täglich auf die Panik-Kesselpauke dreschen. Das ständige Schlagzeilen über „die Mutante“, „Supermutante“ und „Horrorzahlen“ treibt einen Teil der Bevölkerung in eine dauerhafte Angstpsychose, und lässt einen anderen Teil abstumpfen. Das ständige Reden, Schreiben und Senden im dunkelroten Rhetorikbereich wirkt wie eine auf Dauer gestellte Sirene. Sollte irgendwann wirklich eine sehr viel gefährlichere Mutation auftauchen, dann lassen sich die Warnrufe nicht mehr steigern, um eine gestiegene Gefahr plausibel zu machen. Mutationen sind bei Viren normal; längst nicht jede Mutation muss automatisch gefährlicher sein als ihre Vorgänger. Schön wäre es auch, wenn Medien die Zahl der positiv Getesteten von Infizierten und Erkrankten unterscheiden würden. Und auch nicht die zwangläufig wegen der Meldepause während Feiertagen auf dem Papier steigende Totenzahl als „traurigen Rekord“ herauströten, wie es beispielsweise nach Weihnachten Spiegel Online praktizierte. Vielleicht klappt es ja zu Ostern, halbwegs sachlich zu berichten. Von drohender Überlastung des Gesundheitssystems sollten Politiker und Journalisten nur dann sprechen und schreiben, wenn sie tatsächlich konkret und flächendeckend bevorsteht. Selbst bei den bisherigen Höchstständen der Krankenhausbelegung war das nicht der Fall. Auch hier gilt: eine Dauerwarnung macht die Ängstlichen wahnsinnig, die restlichen taub. 10. Auf einem zweiten Merkzettelchen sollte stehen: Bei Covid-19 handelt es sich um eine Viruskrankheit, die ernst zu nehmen ist. Aber Covid-19 ist kein „Weckruf“ gegen den „Turbokapitalismus“ (Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller) keine Chance für eine Gesellschaftstransformation (Klaus Schwab, Lisa Neubauer et al.) und keine wunderbare Gelegenheit zur klimafreundlichen Entschleunigung (ZDF). Das Virus ist ein mikroskopisch kleines Gebilde ohne Plan, Willen und Nervensystem, folglich ist es nicht der „Gegner“ (Jens Spahn), der „noch nicht müde ist“ (Lothar Wieler), erst Recht ist es kein Fingerzeig „von Mutter Natur, die uns in Stubenarrest schickt“ (Prinz Harry). SARS-CoV-2 ist nicht das erste Virus, das viele Menschen befällt, auch nicht das zehnte oder fünfzigste, sondern eines von vielen in der langen Kette von Viruserkrankungen. Und es wird nicht das letzte sein. Bei weitem gehört Covid-19 nicht zu den gefährlichsten Infektionswellen in der Geschichte von Menschen und Krankheitserregern. Die Pandemie ähnelt nicht der „Pest“, die „durch alle Ritzen kriecht“ (Markus Söder). Nicht einmal annähernd. Also noch einmal: Covid-19 ist keine Strafe, keine Chance, kein Zeichen. Das Virus ist ein Virus ist ein Virus. Es fällt auf, dass sich in keinem der Länder, in denen die Bekämpfung von Covid-19 bisher mit sehr geringen Opfern und Kollateralschäden gelungen ist, dieser hysterische Überbau aus Endzeitstimmung, Mutter-Natur-Kitsch und Great-Reset-Manifesten findet. Staaten wie Südkorea und Singapur behandeln das Virus einfach als Virus, ganz ohne ideologischen Überbau. Der Versuch, Covid-19 in die Raster von Parteipolitik und Weltdeutung zu quetschen, um damit einen politischen Geländegewinn herauszuholen, verbrennt ungeheure gesellschaftliche Ressourcen, die zur Bekämpfung des Virus und seiner Folgen gebraucht werden. Offenbar entstehen ganz ohne diesen Überbau die pragmatischsten Lösungen. Zu diesem Pragmatismus gehört auch die Erkenntnis, dass sich kein Lebensrisiko auf Null drücken lässt. Eine menschenleere Erde ist wesentlich wahrscheinlicher als eine virenfreie Welt. Wer der Logik der Risikominimierung um jeden Preis folgt, der dürfte den Lockdown nie wieder aufheben.
Sofia Taxidis
Staaten wie Südkorea und Singapur behandeln das Corona-Virus einfach als Virus, ganz ohne ideologischen Überbau.
daili-es-sentials
2021-03-30T07:43:05+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/zehn-punkte-fuer-die-corona-politik-bis-zur-bundestagswahl/
Die Geldpolitik als Umverteilungspolitik am Ende des Wachstumszeitalters
Glücklich, wer in diesem Corona-Jahr ein umfangreiches Aktiendepot besitzt. Ein Blick in dieses dürfte die Stimmung der Corona-Krise zum Trotz deutlich heben.  Die Bundeskanzlerin sprach im Bundestag von der „größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg“. Das BIP wird im noch laufenden Jahr in jedem Fall deutlich schrumpfen (das ifo-Institut geht von Minus 5,1 Prozent aus, die OECD rechnet mit Minus 5,5 Prozent). Doch der Dax ist um mehr als zwei Prozent gestiegen. Nicht etwa seit dem Absturz vom März! Nein, im Vergleich zum letzten Index-Stand 2019. Am ersten Handelstag nach Weihnachten erreichte er ein neues Allzeithoch. Verrückt? Ja, wenn man diese Kursentwicklung mit bisher als vernünftig gehaltenen, realwirtschaftlichen Maßstäben betrachtet, ist das absurd. So stellt sich nicht nur die konkrete Frage, wie dieses vermeintlich widersprüchliche Phänomen möglich ist. Dahinter verbirgt sich womöglich ein struktureller Epochenwandel. Erklärbar ist die scheinbare Absurdität mit dem Begriff der „Liquiditätsfalle“, den John Maynard Keynes einst prägte, um zu erklären, warum eine stark wachsende Geldmenge in Krisenzeiten nicht unbedingt zu stark steigender Inflation führen muss. Der frühere Präsident des ifo-Instituts Hans Werner Sinn hat dies zuletzt in seiner Weihnachtsvorlesung unter der Überschrift „Corona und die wundersame Geldvermehrung“ sehr anschaulich verdeutlicht. Was die EZB (wie andere Notenbanken) schon seit der Finanzkrise tut, setzt sie nun in noch extrem verstärktem Maße fort: Sie bläht die Geldmenge auf. Die geplante Ausweitung der Zentralbankgeldmenge (M0) allein in der Coronakrise beträgt laut Sinn nach den jüngsten Beschlüssen mehr als 3.000 Milliarden Euro. Die gesamte Zentralbankgeldmenge des Eurosystems betrug 2008 vor dem Beginn der Finanzkrise nur 900 Milliarden Euro. Nach den nun beschlossenen Programmen der EZB wird sie im Juni 2021 mehr als sechs Billionen, also 6.000 Milliarden Euro betragen: fast eine Verdopplung in diesem Corona-Jahr und mehr als eine Versechsfachung innerhalb eines Jahrzehnts.  Screenprint via youtube /H.-W. Sinn Screenprint via youtube /H.-W. Sinn Und dieses neue, aus dem Nichts entstandene Geld landet (noch?) nicht an den Konsumgütermärkten, weswegen es (noch?) keine Inflation gibt, sondern bleibt weitgehend im Finanzsystem, wo es nach Anlagemöglichkeiten sucht. Oder, wie Sinn im TE-Interview sagt: „In der Krise sind die Menschen ängstlich, sie trauen sich nicht zu konsumieren, sie halten ihr Geld zusammen.“ Also kaufen die Wirtschaftsakteure nicht mehr Konsumgüter, sondern, sofern sie es können, Vermögenswerte: Edelmetall, Immobilien und Aktien. Hier, bei den Vermögenspreisen findet also bereits eine Inflation statt. Denn den auf diesen Märkten steigenden Preisen steht kein reales Wachstum an materiellem Wert gegenüber.  Hier offenbart sich ein Epochenwechsel: Die steigenden Zahlen in den Portfolios der Aktionäre sagen heutzutage nicht mehr unbedingt, dass die Firmen absolut wertvoller werden. Die Aktionäre besitzen trotz steigender Zahlen nicht absolut mehr materiellen Wohlstand – sondern nur noch relativ im Vergleich zu all jenen, die keine oder weniger Anteile am Produktivvermögen der Wirtschaft besitzen als sie.  Steigende Aktienkurse bei nicht mehr wachsender Wirtschaft bedeuten nicht mehr absolut wachsenden Wohlstand in der Gesellschaft, sondern dessen Umverteilung von denen, die kein Produktivvermögen besitzen, zu denen, die es haben. Die exzessive, expansive Geldpolitik ist also, ob beabsichtigt oder nicht, eine Umverteilungspolitik zu Gunsten der Besitzenden, zu Gunsten des Kapitals und zu Ungunsten der Arbeit, also der Gehaltsempfänger. Für die, die noch keines haben, wird es derweil immer schwieriger bis unmöglich, Vermögen aufzubauen, weil die Kaufkraft der kaum steigenden Löhne und Gehälter für Aktien und anderes Vermögen abnimmt. Die Coronakrise ist ein akuter Anlass für die extreme Verschärfung der schon seit mindestens einem Jahrzehnt betriebenen Geld- und Schuldenexpansion. Diese Expansion mit den oben genannten Umverteilungseffekten zugunsten der Vermögenden kann man als Antwort auf die große epochale Veränderung unserer Zeit betrachten: das Ende des Zeitalters des Wirtschaftswachstums.  Die eigentliche politische Aufgabe wäre es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die dafür sorgen, dass auch nach dem Ende des Wachstums der weiterhin erwirtschaftete Wohlstand auf eine Weise verteilt wird, die das Gefüge der westlichen, freiheitlich-demokratischen Wohlstandsgesellschaften nicht zerrüttet. Und damit langfristig der soziale Frieden, den die Wachstumswirtschaft (vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts) ermöglicht hat, auch nach dem Ende des Wachstums erhalten bleibt. Zentral dafür wäre eine Ordnungspolitik, die das Verantwortungsprinzip hochhält, so dass Besitzer von Unternehmen, die weniger erwirtschaften, nicht trotzdem relativ reicher werden.  Tatsächlich passiert das Gegenteil: Die real praktizierte Postwachstumspolitik der EZB ermöglicht durch extreme Vermehrung der Geldmenge, dass die Parole vom Beginn des Wachstumszeitalters vor rund 200 Jahren – „Enrichissez-vous!“ („Bereichert euch!“) – auch ohne realwirtschaftliche Expansion aufrecht erhalten werden kann, allerdings nur für diejenigen, die ohnehin schon reich sind.
Ferdinand Knauß
Die exzessive, expansive Geldpolitik ist also, ob beabsichtigt oder nicht, eine Umverteilungspolitik zugunsten der Besitzenden, zu Gunsten des Kapitals und zu Ungunsten der Arbeit, also der Gehaltsempfänger.
kolumnen
2020-12-29T07:31:21+00:00
2020-12-30T13:09:19+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/knauss-kontert/die-geldpolitik-als-umverteilungspolitik-am-ende-des-wachstumszeitalters/
Grexit: Europa zwischen Angst und Hochmut
Und wieder ein gescheiterter Gipfel. Und doch: Immer weiter, immer neue Krisengipfel: Man kann in der Griechenland-Affäre nach Tätern und Opfern suchen, doch verkennt diese Sichtweise, wie sehr Hauptakteure auf beiden Seiten miteinander verstrickt sind. Obwohl die Ergebnisse der griechischen Mitgliedschaft im Euro-System katastrophal sind, obwohl in Griechenland eine Regierung an die Macht gelangt ist, die alle Verträge für null und nichtig ansieht, ist man immer noch dabei, einen „Kompromiss“ zu suchen. Einen Kompromiss! Zwischen was denn? Hier sind nicht zu starke Akteure am Werk, sondern zu schwache. Nichts wird wirklich entschieden, nichts wird dauerhaft aufgestellt. Es ist ein großes Schlittern. Hans-Werner Sinn (IFO-Institut) hat vorgerechnet, dass in den letzten 5 Jahren die Schulden Griechenlands, trotz Schuldenschnitts seitens der privaten Gläubiger und trotz stark verringerter Zinsen, von 48 Mrd. auf 330 Mrd. gestiegen sind. Zugleich hat sich die Arbeitslosenrate von 11% auf 26% erhöht. Nun soll es weitergehen, sogar mit noch höheren Defiziten und noch höherer Fremdfinanzierung – da liegt der neue Korridor der Einigung, das wird nun „Kompromiss“ genannt. Wer glaubt im Ernst daran, dass auf dieser fortgesetzten Talfahrt auf einmal ein Wachstumspfad gefunden wird? Niemand. Keiner der Akteure teilt mit, wo er liegen könnte. Es wird auch gar nicht ernsthaft gesucht. Vielmehr findet eine ganz andere Wendung statt. Man spricht von Vertrauen und Vertrauensverlust, eine Psychologisierung politischer und wirtschaftlicher Fragen findet statt. Griechenland soll – mit Euros natürlich – motiviert werden. Und umgekehrt soll auch Europa durch kein „negatives Signal“ beunruhigt werden. Man macht Europa zum Sensibelchen, das um jeden Preis bei Stimmung gehalten werden müssen. Es ist ein Pfeifen im dunklen Walde. Auch wenn sich die sogenannten „überzeugten Europäer“ mächtig in die Brust werfen, ist etwas ganz Anderes deutlich hörbar – eine tiefe Angst. Man beschwört die „unabsehbaren Folgen“ eines Grexit. Gerade in diesen Tagen, wo so vieles für diesen Schritt spricht, wird deutlich, in welchem Maße der Umgang mit Griechenland im Schatten eines höheren Dogmas steht: dem Dogma, dass es „undenkbar“ sei, dass aus der Währungsunion ein Mitglied ausscheidet. Hier regiert eine Sprache der großen Metaphern. Da spricht der deutsche Vizekanzler vom „Stein, der aus dem europäischen Haus herausgebrochen würde“ und dadurch Europa „in einen anderen Aggregatzustand“ versetzt würde. Bei der Kanzlerin heißt es „Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa“. Ja, ja, und wenn solche Dogmen zur Macht gelangen, scheitert der demokratische Staat – weil es nichts mehr zu entscheiden gibt. Der Leitartikler der FAZ (Klaus-Dieter Frankenberger, 16.Juni) metaphert schon ahnungsvoll mit: „Wenn das europäische Gewebe ausfranst, wer weiß, was sich noch alles löst? Wer weiß, welche Kräfte sich diesen Erosionsprozess zunutze machen?“ Wer weiß, wer weiß… Überall lauern finstere Kräfte im wabernden Nebelwald. Und wer fällt uns da ein? Na klar, die Russen. „Diese Furcht“, schreibt Frankenberger über das Grexit-Gespenst, „ist heute vielleicht noch größer, da zur Schuldenkrise ein geopolitischer Großkonflikt in Europa hinzugekommen ist, die Ukraine/Russland-Krise“. Da steht es: Es geht um Furcht. Der europäische Zusammenhalt wird mit dem Hinweis auf Bedrohungen beschworen. Es ist eine gemeinschaftliche Angst, die die europäischen Akteure im Fall Griechenland umtreibt. Das „Immer-enger-vereint“ ist zu einem „In-Angst-vereint“ geworden. Nun könnte man einwenden, dass im Fall Griechenland tatsächlich eine besondere Notlage gegeben sei. Ein Ausnahmezustand sozusagen, der alle Sicherungen der normalen Vernunft außer Kraft setzt. Das ist hier nicht der Fall. Über Hellas ist keine Katastrophe hereingebrochen, kein Erdbeben, kein Krieg. Es geht um Versorgungsansprüche – und zwar auf einem beträchtlichen Niveau, wenn es man es mit den osteuropäischen Mitgliedern der EU vergleicht, oder – im Fall der IWF-Kredite – mit den Problemländern im Weltmaßstab. Die Rolle des IWF ist besonders delikat. Eigentlich hätte der IWF nur Kredite in Höhe von 600% der griechischen Anteile am Fonds vergeben dürfen. Aber nach Griechenland hat er viel mehr überwiesen. Von der Gesamtsumme der IWF-Kredite sind gegenwärtig zwei Drittel an drei Länder vergeben: an Griechenland, an Portugal und an die Ukraine. Die Risiken tragen dabei auch Einzahler-Länder wie Indien (vgl. Winand von Petersdorff in der FAZ vom 11.Juni). Das ist eine völlig unhaltbare, für Griechenland und Europa beschämende Schieflage. Es geht also nicht um Not, sondern um Ansprüche. Und zwar um ein gehobenes europäisches Anspruchsmaß an Einkommen, Versorgung und Sicherheit. Mit dieser Anspruchshöhe wird wiederum der Einfluss des „Modells Europa“ verbunden. Es geht also nicht um die Existenz Europas, sondern um eine mehr oder weniger große Einflusssphäre. Erst in diesem Zusammenhang bekommt das „kleine Griechenland“ auf einmal eine strategisch-große Bedeutung. Es verkörpert europäische Geltungsansprüche. Die europäische Angst ist nicht die Angst vor einer absoluten, existenzbedrohenden Not und Gefahr, sondern die Angst vor einem Geltungsverlust. Eine Angst auf hohem Niveau. Eine Angst im Streben nach Einfluss auf Andere, nach der Rolle eines weltpolitischen Attraktors, nach einer wirtschaftlichen Unumgehbarkeit. Es ist eine Angst, die auf ein beträchtliches Maß an Hochmut gebaut ist. Auch Griechenland spielt seine Rolle in diesem Angst-Hochmut-Syndrom. Es ist Trittbrettfahrer dieses Syndroms. Auf dieser Geschäftsgrundlage kann es über seine Verhältnisse leben. Sein politisches Kalkül setzt darauf, als eine Art „Grenzstein“ die Größe des europäischen Hauses zu markieren – und deshalb unverzichtbar zu sein. Fällt Griechenland aus dem Euro, ist Europa irgendwie kleiner und das hält es nicht aus – Tsipras und Co. haben ihren Hebelpunkt jener Mischung von Angst und Hochmut gefunden, die in Europa regiert. Ist es falsch und böse, dass Europa Geltungsansprüche hat? Gewiss nicht. Es ist nicht falsch, dass die Europäische Union sich erweitert (durch neue Mitglieder, durch Nachbarschafts-Partnerschaften). Es ist auch nicht falsch, dass sie für sich ein gehobenes politisches und wirtschaftliches Niveau festlegt, die über dem Weltdurchschnitt liegen (durch geforderte Normen und durch Förderungen bei ihrer Erfüllung). Aber alles ist eine Frage des Maßes. Hier gibt es ein klassisches Problem aller staatlichen Gebilde: die Überdehnung. Wird die Erweiterung zu weit getrieben oder wird das Anspruchsniveau zu stark erhöht, dann droht ein Zusammenbruch des ganzen Systems. Wenn einzelne Bruchstellen eine dieser Überdehnungen signalisieren, kommt es darauf an, dass man die Kraft hat, an einer solchen Stelle den Rückzug anzutreten (einen Rückbau zu veranlassen). Deshalb ist es auch so wichtig, schon in den Grundlagen staatlicher Gebilde (Verfassung oder zwischenstaatlicher Vertrag) überhaupt Rückbau-Möglichkeiten und Ausstiegs-Mechanismen vorzusehen. In militärischen Dingen gilt der Grundsatz, dass man keinen Krieg – und würde er aus noch so edlem Motiv geführt – eingehen soll, ohne die Tür zu kennen, durch die man wieder aus ihm herauskommt. Das gilt auch für jedes größere finanzielle Engagement, das den Haushalt eines Staates in Beschlag nimmt. Geschieht das nicht, muss man von Hochmut sprechen. Und es droht das Angst-Hochmut-Syndrom, von dem hier die Rede ist. Vieles, was wir gegenwärtig in Europa beobachten und erleben, erinnert an dies Szenario: nicht nur die endlose Griechenland-Affäre, sondern auch der sich immer noch steigernde Mitteleinsatz in der Schuldenkrise, insbesondere seitens der EZB; der Umgang mit den Krisen arabischer Länder und der Ukraine, bei dem sie forsche Töne und hohe Ansprüche („nation building“) mit erstaunlicher Hilflosigkeit mischen; die Festlegung eines Billionen-Jahrhundert-Programms für den ganzen Erdball im Klimaschutz und die Unfähigkeit, auch nur ein etwas vertieftes Handelsabkommen mit den USA hinzubekommen. Die höchsten moralischen Ansprachen angesichts der Migrationswelle und gleichzeitig die Angststarre angesichts des Bruchs des Schengen-Abkommens. Und wir müssen auch feststellen, dass in wesentlichen europäischen Verträgen keinerlei Mechanismen des Austritts, des Ausschlusses oder des Rückbaus festgelegt wurden. Europa ist institutionell gefangen in einer Einbahnstraße zu immer größeren Ausdehnung und zu immer höheren Niveauansprüchen. Es gibt keine Rückbauhebel. Europa schlittert ungebremst in die Überdehnung. Das Überdehnungsproblem ist ein altes Thema. Es ist auch ein deutsches Thema. Deutschland hat sich als mittlere Macht schwer getan, das richtige Maß zwischen Geltungsanspruch und Zurückhaltung zu finden. Das Bismarcksche Maß hat sich gegenüber der Wilhelminischen Maßlosigkeit nicht halten können – unser Land ist mit einem Hochmut-Angst-Syndrom ins 20. Jahrhundert eingetreten. Umso bedeutsamer ist, dass mit der Bundesrepublik die Wachsamkeit gegen Überdehnungen zur Staatsräson geworden ist. Aber jetzt scheinen neue, größere Proben für die Fähigkeit, im richtigen Moment „nein“ zu sagen, anzustehen. In Europa ist Deutschland eine Führungsmacht und muss dies nun durch eine Rückbau-Entscheidung zeigen – und eben nicht durch ein nibelungentreues Immer-Weiter. Das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Verbund hat seine Härten und Kosten, aber es handelt sich um eine überschaubare Korrektur. Es geht nicht um die geographische Ausdehnung der EU, sondern um einen restriktiveren Umgang mit dem Anspruchsniveau „Euro“. Bringt Europa diese Korrektur zustande, zeigt es Stärke. Diese Entscheidung wird sich nicht irgendwie aus Gesprächen ergeben. Es muss jetzt offen ausgesprochen werden, was zu tun ist. Die Fakten sind klar genug. Jedes Zögern lässt diese Klarheit wieder verblassen. Und ohne ein entschiedenes Wort aus Deutschland wird es nicht gehen. Wir müssen uns für so eine Entschiedenheit nicht schämen. Hier gelangen Sie zur Petition -> 
Euroopas Politiker handeln nicht mehr rational, sondern sind in einer Angst-Hochmut-Spirale verfangen.
gastbeitrag
2015-06-23T06:36:02+00:00
2015-06-30T21:47:50+00:00
https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/grexit-europa-zwischen-angst-und-hochmut/
Gbureks Geldwoche: Die Folgen der Negativzinsen
Wer Negativzinsen für Eintagsfliegen hält, unterliegt einem großen Irrtum. Die EZB beschäftigt sich bereits mit den kommenden Modalitäten. Sparer haben nur eine Chance: Sie müssen traditionelle Angebote ignorieren und zu Spekulanten werden. Es ist allerhöchste Zeit, sich mit Artikel 14 Grundgesetz näher zu beschäftigen. Denn er enthält drei zukunftsweisende Sätze, die schon bald für alle, die mit Geld umgehen, enorm an Bedeutung gewinnen werden: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“ Also alles drin, alles dran, um Enteignung zu legalisieren – allein schon deshalb, weil der Begriff vom Wohl der Allgemeinheit bei realistischer Betrachtung letzten Endes sogar vor dem kollektiven Diebstahl nicht Halt machen dürfte. An die Enteignung durch Inflation haben wir uns längst gewöhnt, nicht zuletzt wegen der seit Jahren rückläufigen Inflationsraten, wodurch die Entwertung des Geldes eher harmlos erscheint. Doch die von der Commerzbank am 20. November angestoßene, demnächst immer mehr Nachahmer findende sogenannte Guthabengebühr für Unternehmen, vulgo Negativzins, hat das Zeug, auch breite Anlegerschichten zu sensibilisieren. Denn es macht in der psychologischen Wahrnehmung einen großen Unterschied, ob – wie bisher – nur der Realzins (Nominalzins abzüglich Inflationsrate) schleichend ins Minus rutscht oder ob Anleger von heute auf morgen einen negativen Nominalzins vor die Nase gesetzt bekommen. Folglich haben wir es hier mit einem Novum im Zuge der bald ins achte Jahr gehenden Finanz-, Wirtschafts-, Banken- und Schuldenkrise zu tun: Enteignung, die durch das Minuszeichen für alle deutlich sichtbar wird, sozusagen Umverteilung nicht zum Wohl, sondern zum Schaden der Allgemeinheit. Und Artikel 14 Grundgesetz? Nebbich, die Väter des Grundgesetzes konnten ja nicht ahnen, dass die EZB und nun auch die von ihr geretteten systemrelevanten Banken das ganze Geldsystem in die Bredouille bringen würden, sodass Geld sparen statt – wie bisher – zur Tugend einfach mir nichts dir nichts zum Laster erklärt und mit negativen Zinsen bestraft wird. Mein Leser Franz Kern kommentierte das wie folgt: Früher hatte jeder ein Sparschwein, heute ist jeder ein Schwein, der spart … Mehr ist dazu nicht zu sagen. Jetzt also lieber Bargeld zu null Prozent Zinsen unter der Matratze verstecken, statt es bald auf Konten mit negativen Zinsen bestrafen zu lassen? Das große Geld hat längst die Konsequenzen gezogen; es ist in Anleihen, Immobilien und zum Teil auch Aktien investiert. Dagegen hat das kleine Geld, das der Masse der Sparer, unter tätiger Mithilfe sogenannter Bankberater, Versicherungsvertreter und Drückerkolonnen den Weg in nur mit hohen Verlusten vorzeitig kündbare langfristige Kapital- und Fondslebensversicherungen, Bau- und Fondssparverträge, Riester-Renten, darüber hinaus in Spar-, Tages- und Festgeldkonten gefunden – also überwiegend kollektive Anlagen, die entweder schon jetzt unter Renditeschwindsucht leiden oder deren Renditen, wie bei vielen Lebensversicherungen und Riester-Renten, sich erst im Lauf der kommenden Jahre oder Jahrzehnte als reale Nullnummern erweisen werden. Ist das große Geld mit Anleihen, Immobilien und Aktien gut bedient? Hier muss man unterscheiden. Gehen wir zunächst von Anleihen aus. Sie sind, sofern es sich um Staatsanleihen handelt, ein Metier für Zentralbanken wie die EZB und für Spezialisten unter den institutionellen Anlegern, die darüber hinaus gern auch mit Unternehmensanleihen und Währungen spekulieren, um etwas höhere Renditen zu erwirtschaften. Die Renditen der Bundesanleihen schwanken je nach Laufzeit überwiegend im Bereich zwischen 0 und 1 Prozent. Nehmen wir eine zehnjährige mit aktuell 0,77 Prozent Rendite brutto, nach Abzug von Abgeltungsteuer und Soli entsprechend 0,57 Prozent netto. Ihr Kurs am Ende der Laufzeit beträgt 100 Prozent. 100 dividiert durch 0,77 ergibt 130. Das ist eine Kennzahl, die mit dem Mietmultiplikator von Immobilien verglichen werden kann, der sogar in Bestlagen von München nicht über 50 hinausgehen dürfte, und mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis deutscher Aktien, das im Durchschnitt nur etwa ein Zehntel des Anleihenmultiplikators ausmacht. Das heißt, wir haben es bei Bundesanleihen (wie auch bei den meisten anderen Anleihen) mit einer Megablase zu tun. Geht es wie gehabt weiter, droht sie nicht einmal in absehbarer Zeit zu platzen. Stattdessen: Minus-“Renditen“. Wie könnte es weiter gehen? Dazu hat EZB-Vizepräsident Vitor Constâncio neulich in London zwei verräterische Anmerkungen gemacht: Anfang 2015 werde die EZB über den – auch intern umstrittenen – Aufkauf von Staatsanleihen entscheiden. Und falls der Aufkauf stattfinde, werde er anteilig nach dem Gewicht der Euro-Mitgliedsländer erfolgen. Das bedeutet: Weil der Anteil der Deutschen Bundesbank an der EZB mit 25,7 Prozent das höchste Gewicht hat, würde sich die EZB vor allem mit Bundesanleihen vollpumpen, deren extrem hohe Bewertung zum Himmel schreit. Wenn das kein eindeutiges Signal in Richtung Negativzinsen ist! Daraus folgt: Solange die Zinsen und damit die Renditen von Geldwerten allgemein niedrig bleiben, schreitet die kalte, erst in späteren Jahren offen zutage tretende Enteignung von Sparern in Geldwerten (Lebensversicherungen, Konten usw.) noch fort. Der Kauf von Immobilien mit dem Ziel, sie zu vermieten, kommt wegen der vielfach zu erwartenden Mietrestriktionen kaum mehr als Alternative in Betracht. Die Kursschwankungen von Aktien sind für die meisten Sparer ebenso gewöhnungsbedürftig wie schwankende Gold- und Silberpreise. Die Lösung des Problems: Lassen Sie Geldwerte bis auf einen Schuss an notwendiger, sofort verfügbarer Liquidität ebenso außen vor wie vermietete Immobilien (selbst genutzte ausgenommen) und lernen Sie sobald wie möglich, mit Aktien und Edelmetallen zu spekulieren. Insoweit bin ich mir mit anderen Kommentatoren einig.   Allerdings geht das nicht ohne eigene Anstrengung, Informationsarbeit und Erfahrung nicht ab. Vermögenserhalt und mehr noch Vermögensmehrung ist harte Arbeit. Aber die auf eigenen Beobachtungen und Erfahrungen beruhende Spekulation ist der beste Schutz vor Enteignung.
Wer Negativzinsen für Eintagsfliegen hält, unterliegt einem großen Irrtum. Die EZB beschäftigt sich bereits mit den kommenden Modalitäten. Sparer haben nur eine Chance: Sie müssen traditionelle Angebote ignorieren und zu Spekulanten werden.
kolumnen
2014-12-07T17:27:20+00:00
2014-12-07T17:42:32+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/gbureks-geldwoche/gbureks-geldwoche-die-folgen-der-negativzinsen/
Wahldesaster der CDU: Wahlanalyse voller Schuldzuweisungen
Ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die CDU nach der Beerdigung des Verbrennungsmotors mit wehenden weißen Haaren von der Anbetung des Elektroautos zu einem Kniefall vor dem Rollator überwechselt? Folgerichtig wäre es auf jeden Fall, wenn ersten EU-Wahl-Analysen zufolge die Nachfolger Adenauers und Kohls „nur noch bei den über 60-Jährigen klar die Nummer 1“ sind, und wenn sie sich „bei den 45- bis 59-Jährigen (…) ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Grünen“ liefern. Nun gibt es allerdings kaum Unangenehmeres als ein hektisch aufgescheuchter Haufen Enttäuschter, die neidisch zu den Gewinnern einer Wahl hinüber schielen, die dort Gründe für den Sieg entdeckt haben wollen und sich nach innen wendend hysterisch fragen: Warum haben wir das nicht selbst so gemacht? Gut veranschaulicht hat so ein Fehlverhalten einmal der ehemalige Chef von Volkswagen, als Martin Winterkorn 2011 auf der Automesse IAA seine Getreuen brüskierte, als er ausgerechnet in einem Hyundai sitzend über technische Vorteile gegenüber dem Golf jammerte: „Warum kann’s der? Da scheppert nix!“ Aber anstatt nun den Oberboss daran zu erinnern, dass man gerade gemeinsam in einer unansehnlichen Reisschüssel sitzt, dass es an dem Auto nun wirklich wenig gäbe, das nachahmenswert wäre, sorgte der Volkswagenboss stattdessen für einen unverdienten Prestigegewinn des Südkoreaners. Bei den Grünen scheppert gerade nichts. Warum können wir das nicht? So ähnlich hinterfragt gerade die Parteichefin der CDU, hinterfragt Annegret Kramp-Karrenbauer das noch hinter der sowieso schon mageren Erwartungshaltung zurückgebliebene Wahlergebnis der Christdemokraten. Nicht nur der Focus spricht hier von einem „Wahldebakel“, wenn die Partei Helmut Kohls, die Partei des größten Einpeitschers der europäischen Idee selbst noch mit einer CSU, die geringe Zuwachsraten verbuchen konnte, noch unter der 30-Prozentmarke zurückbleibt. Wir erinnern uns: 1989 lag die Union bei 37,8 Prozentpunkten, 1994 bei 38,8 Prozent und weitere fünf Jahre später sogar bei magischen 48,7 Prozent aller gültigen Wählerstimmen. Heute, zwanzig Jahre später sind die Grünen auf Armlänge herangekommen, die Distanz gerade noch einstellig, wo die Union und die Grünen 1999 aus heutiger Sicht fast obszön üppige 42,3 Prozentpunkte trennten. Diejenigen, die heute mehrheitlich die Grünen wählen, können sich daran freilich kaum erinnern. Aber eben bei diesen Jungwählern aus der Friday-for-Future-Generation möchte sich keine geringere als die Parteichefin der CDU anbiedern. Wir wollen Kramp-Karrenbauer bzw. ihren persönlichen Referenten zu Wort kommen lassen, um einmal die ganze Dimension dieses Wahlanalyse-Kurzschlusses deutlich zu machen: „In der letzten Zeit ist – auch durch eigene Fehler – der Eindruck eines Rechtsrucks entstanden. Wir müssen und werden diesen Eindruck gemeinsam korrigieren – mit allen unseren Vereinigungen. Wir sind und bleiben Volkspartei der Mitte.“ Nein, entlang der politischen Positionen der CDU von 2019 kann nicht mehr die Rede sein, von einer politischen Mitte, wie sie die CDU 1999 im Europawahlkampf nah an die absolute Mehrheit herangeführt hatte. Die Existenz der AfD ist heute zwingender Beweis für eine zunehmend breiter gewordene Leerstelle im Spielfeld der Union, die von der Alternative im Handstreich mit 92 Bundestagsabgeordneten besetzt wurde. Offensichtlich weiß in der CDU-Führung gerade niemand mehr, welchen Sinn und Nutzen eine im Laufe des Tages durchgesickerte Blitzanalyse eigentlich ursprünglich haben sollte (aus dem Konrad-Adenauer-Haus wurde diese eineinhalb Seiten lange Kurzanalyse an die Mitglieder des CDU-Bundesvorstands verschickt). Dabei können solche Analysen eigentlich nur zwei Aufgaben haben: Den Bürgern erklären, warum man unter den Erwartungen zurückblieb und Maßnahmen entwickeln, wie solche Desaster zukünftig vermieden werden können. So wird der massive Schwund von Jungwählern der Jungen Union angekreidet und die Werte Union bekommt ihr Fett weg als eine Art Brandbeschleuniger nach rechts. Geschadet hätte es auch, so die Analyse, dass Angela Merkel dem Wahlkampf komplett ferngeblieben sei. Nun war das kein Zufall, sondern eine klare Wahlkampfstrategie. Wer könnte mit Sicherheit sagen, dass das Ergebnis mit einer aktiveren Bundeskanzlerin an der Spitze wirklich besser ausgefallen wäre? Der Spitzenkandidat Manfred Weber fällt gleich ganz durch, wenn ihm laut Analyse bescheinigt wird: „Mit dem Spitzenkandidaten Manfred Weber verbindet sich kein entscheidender Wahlvorteil für die Unionsparteien“ – das ist natürlich Höchststrafe für einen, für den auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen alle Türen sperrangelweit geöffnet wurden. Und es ist ein Schlag ins Kontor der Schwesterpartie CSU, wenn die Partei von Weber (CSU) eben nicht so brutal abgeschmiert ist, sondern im Gegenteil bescheidene Zugewinne verbuchen konnte. Der Spiegel zitiert einen Satz aus der Analyse, der in seiner politischen Naivität und in seiner demonstrativen Erschütterung mitten aus diesem neuen Wesenskern der deutschen Christdemokratie heraus an Orientierungslosigkeit kaum noch übertroffen werden kann, wenn es da heißt: „Die Serie der Unentschlossenheit im Umgang mit Phänomenen wie ‚Fridays for Future‘ und plötzlich politisch aktivierten YouTubern sowie vor allem der vorhergehende tiefe Einschnitt in der Wahrnehmung der CDU bei jüngeren Zielgruppen durch die Debatten zu den ‚Uploadfiltern‘, einen vermeintlichen ‚Rechtsruck‘ bei der JU sowie die medial sehr präsente, sogenannte WerteUnion führten gleichzeitig zu einer deutlichen Abkehr unter 30-jähriger Wählerinnen und Wählern.“ Niemand, der nicht gerade völlig von der Rolle wäre, kann hier ernsthaft glauben, dass sich so ein Heranwanzen an die Jugend jemals in Wählerstimmen ummünzen lassen könnte. Vereinfacht kann man sagen, dass die Wahlerfolge der CDU unter Helmut Kohl eben gerade darauf zurückzuführen waren, dass der Oggersheimer für vieles stand, aber wohl selten für einen fleißigen Fischer junger Stimmen. Wer nun aber genau hingeschaut hat, wer sich den Auftritt der neuen Parteichefin der CDU und dieses noch so ungelenken jungen Generalsekretärs mit den JU-Eierschalen hinter den Ohren anschaut, der braucht für ein realistische Einschätzung der Lage sicher keine nachtschweißgetränkten Analyse-Papiere aus dem Konrad-Adenauer-Haus. Nein, der benötigt nur eine funktionierende Verbindung der Sinne hinauf zum Menschenverstand, um feststellen zu können: Wer die biederen Auftritte der Kramp-Karrenbauer und ihres fleißigen Sekretärs für eine veritable Wahlkampfbewaffnung hält, die Jugend für die CDU zu gewinnen, der kann nicht ganz bei Trost sein, der biedert sich bei einer Klientel auf eine Weise an, die nicht funktionieren kann – das wusste niemand besser, als der große Führer aus der Pfalz. Interessanterweise hat Christian Lindner von der FDP mit seiner Kritik an Fridays-for Future schnell die Schlachtordnung dieser CDU von früher eingenommen. Warum das der FDP nichts genutzt hat, wird interessant sein, zu analysieren. Aber ganz in Ruhe, nicht hingefuscht über Nacht, als ginge es darum, den Nachtzug noch zu erreichen, während nur hektisch der Zug nach Nirgendwo bestiegen wurde. Und zu guter letzt trudelt noch diese Meldung herein, die die CDU sicher nicht näher an die Generation Internet/Youtube bringen wird, geschweige denn, an irgendjemand anderen: — Oliver Luksic (@OlliLuksic) May 27, 2019
Sofia Taxidis
Wer die biederen Auftritte der Kramp-Karrenbauer und ihres fleißigen Sekretärs für eine veritable Wahlkampfbewaffnung hält, die Jugend für die CDU zu gewinnen, der kann nicht ganz bei Trost sein.
daili-es-sentials
2019-05-27T16:07:27+00:00
2019-05-27T16:52:51+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/wahldesaster-der-cdu-wahlanalyse-voller-schuldzuweisungen/
Zeit der Gesinnungsschnüffler
Es gibt verschiedene Arten einander zu grüßen: Man kann beim Kopf beginnen und mit Argumenten oder sich gegenseitig beschnüffeln, wie es unter unseren vierbeinigen Freunde die Regel ist, nämlich vom Schwanze her. Dann stellt man, noch bevor man überhaupt wissen will, was der andere zu sagen hat, erst einmal fest, ob er links sei oder rechts, ob religiös oder ungläubig, ob hetero oder homo, ob liberal oder autoritär. Hat man die Witterung aufgenommen, steht das Urteil schon fest. Man drückt seinen Beifall durch freudiges Wedeln aus oder lässt dem Beißreflex seinen Lauf, denn für den Linken ist der Rechte der geschworene Feind, dessen Worte von vornherein abwegig, skandalös oder einfach Makulatur sind, während umgekehrt bei einem Rechten alles, was ein Linker zu sagen hat, von vornherein den Abscheu hervorruft. Für den religiös Aufgeheizten ist alles, was der Ungläubige von sich gibt, im besten Fall leeres Geschwätz, im schlimmsten Fall teuflische Eingebung – und so in allen feindlichen Lagern: Für den Gesinnungsschnüffler werden menschliche Beziehungen nicht länger durch Kopf und Argument hergestellt, sondern durch einen unterhalb des Gehirns chemisch ausgelösten Reflex: Der da steht auf meiner Seite, also höre ich ihn an, der andere dort steht auf der Gegenseite, also hat er mir absolut nichts zu sagen. Den Prozess der Kommunikationszerstörung könnte man auch „Vergoogelung“ nennen, denn genau das ist es ja, was dieses Programm inzwischen ganz automatisch zustande bringt: Es macht uns nur noch mit Inhalten bekannt, die „auf unserer Linie liegen“. Gehen wir darauf ein, dann sehen wir nicht länger die Vielfalt der Welt, sondern lassen es zu, dass sie sich auf unseren jeweiligen „Standpunkt“ verengt. Unseren vierbeinigen Freunden brauchen wir die Schnüffelei nicht übel zu nehmen: Argumente sind ihnen fremd; von Natur aus sind sie auf die Chemie geprägt. Aber der Mensch? Vor allen anderen Lebewesen zeichnet er sich durch eine Denkfähigkeit aus, die es ihm grundsätzlich möglich macht, selbst noch auf das zu hören, was ihm Leute mit radikal abweichender Meinung zu sagen haben. Auf dieser einzigartigen Fähigkeit beruht eine Überlegenheit, die es ihm immer wieder erlaubt, sich aus Sackgassen zu befreien, ganz neue Wege zu beschreiten, petrifizierte Gedankengänge und Meinungen aufzusprengen und sich selbst neu zu erfinden: Auch die am besten verteidigten Überzeugungen sind ja immer nur so lange gut, wie sie den wohlbegründeten Meinungen anderer standzuhalten vermögen. Es ist wahr: Dieser ewig hin und her wogende Streit der Argumente und Überzeugungen ist weit weniger beruhigend als die Grabesstille von Diktaturen, wo jede abweichende Ansicht sofort erstickt wird und meist auch gleich noch derjenige dazu, der es wagte, sie allzu laut zu vertreten. Der fortwährende Kampf der Argumente und Werthaltungen bringt Verunsicherung mit sich; gerade funktionierende Demokratien befinden sich deshalb in einem Dauerzustand fortwährender Gärung, doch dieser Dialog ist der Humus, auf dem die besten, die kühnsten, die zukunftsträchtigsten Gedanken gedeihen. Das gilt zumindest so lange, wie die Gesinnungsschnüffelei sich noch nicht durchzusetzen vermag, denn sobald diese sich der Köpfe bemächtigt hat, ist es mit dem Dialog zwischen den streitenden Lagern vorbei. Jeder hat einen Gesinnungsausweis bei sich zu tragen, am besten trägt er ihn weit sichtbar auf der Brust wie eine Plakette – so wie ja schon jetzt mancher sein Lebensprogramm auf einem sloganbedruckten Hemd mit sich führt: Schaut, ich bin ein Rechter; schaut, ich bin links; schaut, ich bin braver Katholik; schaut, ich bin schwul – und so weiter. Gesinnungsplaketten sind wie die Duftmarken der Hunde: Damit werden Reviere markiert, zu denen nur noch Gleichgesinnte Zutritt erhalten. Aus dem Internet duftet und stinkt es einem von derartigen Reviermarkierungen entgegen. Es ist ein bedrohlicher Duft mit unterschwellig totalitärem Aroma. Es ist, als wäre es immer mehr Leuten ein dringliches Bedürfnis, das eigene Denken aufzugeben und dafür die Sicherheit eines ideologischen Maulkorbs einzutauschen, am besten von starker Hand auferlegt. Duftmarken sollte man, bitte schön, nicht mit Überzeugungen verwechseln, die diesen Namen verdienen. Echte Überzeugungen sind das Ergebnis weltoffener Erfahrung und einem Denken, das sich stets an der Auseinandersetzung mit anderen übt – selbst und gerade, wenn man diese anderen als Gegner betrachtet, denn von Gegnern ist in der Regel weit mehr zu lernen als von jenen, die sich im gegenseitigen Nach-dem-Mund-reden üben; Reviermarkierungen sind dagegen etwas ganz anderes als echte Überzeugungen. Sie entstehen aus der Abschottung gegen den Widerspruch, gegen den Zweifel und alle Anfechtung, welche jeder Dialog mit sich bringt. Überzeugungen haben ihren Ursprung in unserem Gehirn; ideologische Duftmarken in jenen biochemischen Prozessen, die wir von unseren tierischen Ahnen auf den niederen Stufen der Evolution mit uns tragen. Und sie sollten ein Warnzeichen sein: Wo immer die engstirnige Gesinnungsschnüffelei um sich greift, zeigt das soziale Barometer den roten Bereich: Der Zerfall einer Gesellschaft bereitet sich vor, die Menschen sind nicht länger willens und viele auch nicht mehr fähig, miteinander zu reden: Unvereinbare ideologische Reviere und Positionen stehen neben- und gegeneinander. Das ist dann der Zustand, in dem selbst vernünftige Leute mit unglaublicher Leichtfertigkeit davon schwätzen, dass nur noch eine Revolution, nur noch der gewaltsame Umsturz hilft. Das Argument weicht der Faszination durch die Gewalt – Gesinnungsschnüffelei hat den Sieg errungen, indem sie unversöhnbare Gegensätze erzeugt. Man hebt nicht länger den Kopf, man hebt das Bein.
Gesinnungsplaketten sind wie die Duftmarken der Hunde: Im Internet duften und stinken die Reviermarkierungen - auch für die Gesinnungsschnüffler. 
meinungen
2016-07-27T13:51:25+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/zeit-der-gesinnungsschnueffler/
Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann
Afrika ist ein faszinierender Kontinent, der von freundlichen, dem Leben zugewandten Menschen bewohnt wird. Afrika ist nicht nur der Kontinent der Kriege, Krankheiten und Katastrophen, sondern auch der Kontinent beeindruckender Landschaften, reicher Kulturen und gastfreundlicher Menschen. Für mich ist Afrika der Kontinent der improvisierten Problemlösungen und der Heiterkeit auch am Abgrund. Gerade in den wirklich armen Ländern des Sahel überrascht die meist positive Einstellung und die intensive Lebensfreude der Menschen. Es war großartig, dass ich Afrika in vielen Facetten erleben und zu einem kleinen Teil vielleicht auch verstehen lernen konnte. Ich habe 17 Jahre auf Posten in Afrika verbracht, in sieben Ländern, von denen ich vier – Guinea, Niger, Benin und Kamerun – sehr intensiv bereist habe. Dabei lernt man die kulturellen Unterschiede kennen und auch traditionell geprägte Ursachen für bestimmte Phänomene. Nach meinem Dienstantritt 2004 machte ich auf einer Reise in den Nordwesten Bekanntschaft mit dem traditionellen Kamerun. Viele Orte sind nur über holperige Pisten erreichbar, voller Schlaglöcher, Geröllhaufen und Rinnen. In Foumban erwartete mich nach einer solchen Fahrt der dortige Chef, der Sultan, im Sessel vor dem Eingang seines Hauses. Er rechnete offenbar damit, dass ein Deutscher pünktlich ist. Er zeigte mir sein Palastmuseum. Es war 1917 gebaut und 1984 von der UNESCO renoviert worden. Dort werden Thronsessel, Tanzmasken, Kostüme, Waffen, Kalebassen aus den Unterkiefern besiegter Feinde und Palmweingefäße aus den Schädeln getöteter Widersacher ausgestellt. Einer der Vorgänger des Sultans war besonders klein geraten. Deshalb wurden allen Notabeln, die größer waren als er, die Beine gebrochen. Das Museum verfügt über einen Koffer voller Fotos aus der deutschen Kolonialzeit (1884–1916). Die deutschen Kolonialoffiziere haben offensichtlich eifrig fotografiert. Magie ist in ganz Afrika verbreitet, insbesondere der Glaube an Amulette. Es gibt zwar keine verlässlichen Statistiken, aber es sterben fast so viele Afrikaner durch Autounfälle (und von Zeit zu Zeit durch Flugzeugabstürze) wie etwa durch Malaria. Viele Autofahrer verlassen sich auf die magische Kraft ihrer Amulette. Dementsprechend ist der Zustand der meist überladenen Wagen. Je mehr die Menschen auf die Macht des Übersinnlichen bauen, desto weniger kümmern sie sich um real existierende Probleme wie den Zustand von Bremsen, Reifen oder Motor. Es gibt keine Wartung, sondern nur improvisierte Pannenbeseitigung. In Kamerun besuchte ich auch den Parlamentspräsidenten. Er ist ebenfalls zugleich traditioneller Chef. Als solcher sitzt er nach altem Brauchtum einem örtlichen Gericht vor. Die häufigsten Fälle beträfen »Frauenraub«. Ich wisse doch, dass Frauen bei Palmwein leicht zu verführen seien. Und schon wechselten sie den Mann. Das Gericht müsse dann entscheiden, wo die Frau jetzt hingehöre. Es war ein nettes Gespräch, und am nächsten Tag berichtete die Regierungszeitung ›Cameroun Tribune‹: »Jaunde und Berlin stärken ihre Beziehungen.« Es ist eine andere Welt, eine Welt, in der der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten selten eine Gerade und Geduld eine lebensnotwendige Tugend ist. Afrikaner sind in der Regel verwundert, wenn jemand aus dem Westen sich über all die »Unannehmlichkeiten« aufregt. Sie betrachten Ungeduld und sparsamen Umgang mit Zeit als typische Eigenschaften von Europäern und Amerikanern. Sie selbst sehen keinen Grund zur Eile. Die bei uns übliche Höflichkeit, jemanden, mit dem man verabredet ist, nicht warten zu lassen, ist in Afrika nicht verbreitet – im Gegenteil, oft ist es umgekehrt: Erscheint man pünktlich, bringt man den Gastgeber in Verlegenheit. Afrikaner haben keine Eile, aber oft ein überraschend gutes Gedächtnis. Das geht wohl auf die afrikanische Tradition der »Griot«, der Geschichtenerzähler, zurück. Insbesondere auf dem Land sind die Griots das »Gedächtnis des Volkes«. In ihnen leben die Menschen und Ereignisse weiter und das oft über Jahrzehnte. Im westafrikanischen Benin sagt man, wenn ein weiser Mann stirbt, »brennt eine Bibliothek ab«. Meine Erfahrungen und Erlebnisse haben zu meiner Einschätzung der Entwicklungsmöglichkeiten Afrikas und der oft unseligen Rolle von Entwicklungshilfe geführt. Entwicklungshilfe wird reichlich gegeben und als gute Tat für die Armen nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil, bei einer Umfrage im Auftrag der Hilfsorganisation OXFAM sagten 71 Prozent der Befragten, sie befürworteten eine Verdopplung der Entwicklungshilfe. Wenn man vor Ort ist, sieht man die Dinge nach kurzer Zeit etwas anders. Schon 1992, nach drei Jahren im Niger, schrieb ich in mein Tagebuch: »Nur aus der Distanz sind Antworten einfach. Schön wäre es, wenn mit mehr Kapital die Probleme der ökonomischen Unterentwicklung Nigers gelöst werden könnten. Oberstes Ziel darf nicht länger ein Mehr an Entwicklungshilfe sein, das die Kräfte der Selbsthilfe lähmt, sondern so wenig Geld wie irgend möglich, nur so viel wie dringend nötig. Entwicklung, daran habe ich keinen Zweifel, kann nur über die tatkräftige und überzeugte Mitwirkung und Eigeninitiative eines jeden Einzelnen stattfinden.« Meine Einschätzung wird von vielen Afrikanern geteilt. »Natürlich mögen Helfer hie und da humanitäre Erfolge erzielen, indem sie ein hungerndes Dorf retten oder an anderer Stelle sauberes Trinkwasser zur Verfügung stellen, gleichzeitig zerstören sie jedoch den wichtigsten Mechanismus, der langfristig die Armut beseitigen könnte. Die Hilfe untergräbt die Entwicklung eines kompetenten, unbestechlichen und den Interessen der Bevölkerung dienenden Staatsapparates.« Dies sagt der ugandische Journalist Andrew Mwenda. Er saß wegen seiner Kritik an afrikanischen Regierungen und ihrer Abhängigkeit von Hilfsgeldern schon oft im Gefängnis. James Shikwati, Gründer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft »Inter Region Economic Network« in Kenia, der unter anderem für deutsche Medien wie den ›Spiegel‹ oder die ›FAZ‹ schreibt, übt ebenfalls massive Kritik an der klassischen Entwicklungshilfepolitik: »In den Industriestaaten wird immer der Eindruck erweckt, ohne Entwicklungshilfe würde Afrika untergehen … Dem verheerenden europäischen Drang, Gutes zu tun, lässt sich bisweilen leider nicht mit Vernunft begegnen … Wenn die Entwicklungshilfe eingestellt würde, wären die politischen Eliten das erste Opfer, weil ihre Machtstrukturen dadurch gesprengt werden. Die Frage nach einer eigenständigen afrikanischen Lösung wäre dann auf dem Tisch … Eine Einstellung der Hilfe wird an den Tag bringen, dass die meisten internationalen Agenturen die afrikanische Misere dazu genutzt haben, um Spenden zu sammeln, um sich einen humanitären Anstrich zu geben.« Doch von wenigen Ausnahmen abgesehen haben Entwicklungsgelder weder dauerhaft für mehr Wachstum gesorgt, also indirekt den Lebensstandard aller angehoben, noch das Los der Armen gebessert. Sie haben es eher verschlechtert. Der Abstand zwischen Superreichen und Bettelarmen wird immer größer. Was kümmert es den autoritären Staatsapparat, dass es an Trinkwasser mangelt, Stromausfälle an der Tagesordnung und die hygienischen Zustände für die hohe Kindersterblichkeit verantwortlich sind. Selbst wenn Entwicklungsgelder zweckgebunden ausgegeben werden müssen, finden sie per Umweg doch den Weg in die falschen Kassen. Wenn andere Krankenhäuser, Schulen und Straßen bauen, Kinder impfen lassen, muss es ja die Regierung nicht tun. Sie kann das Geld stattdessen für Luxusgüter ausgeben: Die afrikanischen Eliten sind Weltmeister im Champagnertrinken, ihre Autokorsos zeichnen sich durch eine erstaunliche Mercedesdichte aus (die Scheiben sind verdunkelt, damit die Insassen möglichst wenig von dem Elend mitbekommen). Die Leute nennen diesen Typus von Führern gerne »vom Stamme Wa Benzi«. Die meisten Verantwortlichen haben Luxusvillen in zahlreichen Ländern. Es gibt Staatschefs, die in einer Woche New York für sich und ihre Entourage schon mal das Jahresgehalt eines europäischen Regierungschefs ausgeben. Erheben Medien tatsächlich einmal entsprechende Vorwürfe, meinen sie, sie mit dem Totschlagargument »Das ist Rassismus« entkräften zu können. Es kümmert die afrikanischen Eliten nicht, wenn ihre Staatsbürger zu Zehntausenden unkontrolliert und chaotisch auswandern und sich anderen Ländern zuwenden, in denen sie ein besseres Leben als in der Heimat zu finden hoffen. Verantwortungsbewusste Regierungen sollten ihre Landsleute auffordern, im Lande zu bleiben, und ihnen die Verbesserung der Verhältnisse in Aussicht stellen. Nichts dergleichen geschieht. Wir stehen als Betrachter vor einem teuren Scherbenhaufen, doch niemand muss sich dafür rechtfertigen, wie wenig die hohen Ausgaben letztlich bringen. Wie vor Wahlen gut zu beobachten, glaubt die Bevölkerung ohnehin nicht mehr, dass die Politik im Land X etwas mit ihrem Leben zu tun hat. Parolen verpuffen wirkungslos. Die Leute haben sich längst abgewendet und entwickeln ihre eigenen Überlebensstrategien. Die betroffenen Regierungen sehen in der Korruptionsbekämpfung in erster Linie eine Einmischung in interne und politisch sensible Angelegenheiten. Man erwartet von uns, dass wir das Wohl der Wohlhabenden nicht durch unbequeme Fragen nach dem Volkswohl stören. Was wir bei unseren eigenen Regierungen für selbstverständlich erachten und kritisch beobachten, fordern wir in Afrika nicht ein: Zu einer guten Regierungsführung gehört zuallererst, den Regierten den gebührenden Respekt entgegenzubringen und die eigene Bevölkerung nicht zu missachten. In den meisten afrikanischen Staaten, die ich kenne, gibt es immerhin eine freie Presse, die ab und zu die Verhältnisse geraderückt. So hat eine Zeitung in Kamerun, ›Le Front‹, unwidersprochen eine »Hitparade der Diebe« veröffentlicht. Es handelt sich um Minister und Beamte, die teils Millionen von Euro veruntreut haben und sich in einer Parallelwelt gegen die Bevölkerung abschotten. Ein sehr wichtiges Medium ist nach wie vor das Radio. Witz und Mut der Afrikaner zeigt ein Sender in Mali, der seine Hörer morgens mit »Guten Morgen, ihr korrupten Minister und Beamten« begrüßt. Es gibt ein anderes Afrika als das korrupte. Dieses Afrika müssen wir unterstützen. Auszug aus: Volker Seitz, Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann. Mit einem Vorwort von Asfa-Wossen Asserate. Erweiterte und aktualisierte Neuausgabe. dtv, 288 Seiten, 12,90 € Empfohlen von Tichys Einblick. Erhältlich im Tichys Einblick Shop >>>
Jutta Willand-Sellner
In den Industriestaaten wird der Eindruck erweckt, ohne Entwicklungshilfe würde Afrika untergehen - doch es würde vielmehr die politischen Eliten treffen.
feuilleton
2020-02-02T15:00:45+00:00
2020-02-02T15:00:46+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/buecher/afrika-wird-armregiert-oder-wie-man-afrika-wirklich-helfen-kann/
Sagten Sie gerade "Sicherheit"?
Hollywood-Filme wurden über die sogenannte Finanzkrise gedreht, Millionen von Artikeln und Analysen publiziert, Bücher geschrieben. Zu verlockend sind allein schon die Fakten, das Gemisch aus Gier, Größenwahn, Sucht, Intrigen und unappetitlichen Mesalliancen zwischen Politik und Finanzoligarchie, um sie nicht zu verwerten. Das Meisterstück, das den Repräsentanten des Volkes gelang, noch während sie sich in Unterwäsche und Socken aus den zerwühlten Laken der Betten wälzten, in denen sie mit ihren Financiers gelegen hatten, sucht seinesgleichen. In vorschriftsmässigem Schock mit Landesmutterblick und schon wieder strotzend vor neuentdeckten Loyalitäten, verkündeten sie via Mikrofone und Kameras: „Alle Schuld den Banksters! Wir sind die Guten, opfern uns selbst, unsere ganze Zeit und ein wenig eures Geldes, um die Karre aus dem Dreck zu wuchten. Dank uns habt ihr Zukunft.“ Und sie haben es geschafft: Man glaubte ihnen. Und zum dritten Mal seit Ende der 80er Jahre, als die Blasenfinanzierungen ihren Anfang nahmen, konnte ein schwerer Markteinbruch bereinigt werden. Wer nun aber denkt, die Finanzkrise sei abgehakt, es sei jetzt genug darüber gefaselt worden oder sie gehe ihn schlicht nichts an, der lebt so gefährlich an der Weltoberfläche, dass er jeden Augenblick hinunter- und ins Leere stürzen kann. Buchstäblich. Die Intervention der Politik via Zentralbanken zur „Rettung“ des Finanzsystems hatte und hat nämlich nur eines zur Folge: die neue Blase ist noch grösser, als jene, die uns vor acht Jahren um die Ohren flog. Die im Chor vorgetragenen Versprechen, das Investmentbanking der großen Geldhäuser würde nun ohne Pardon an die Kandare gelegt, der Derivatehandel via Clearing-Stellen brutal ausgebremst und die Banken mittels rituell zelebrierter Stresstests krisenresistent gemacht, sind genau das: Versprechen von Politikern, die, so ist anzunehmen, noch heute über den Coup lachen. Morgen fragt keiner mehr danach. Außerdem haben wir systemgefährdende Steuerhinterzieher, die es zu hassen und zu verfolgen gilt. Es lebe das Feindbild. Wer trotzdem danach fragt, stößt im schlecht beleuchteten Keller der großen Banken schon auf der untersten Treppenstufe auf ein Detonationspotential, wie es dies noch nie gegeben hat. Nie. Es ist grauenvoll, die Risiken sind gigantisch. Die führenden Banken sind heute größer als vor der Krise, während ihre Aktien zwischen 67 (Crédrit Agricole) und 99 (Bankia / Intesa) Prozent an Wert verloren haben. Die Deutsche Bank und die Schweizer Crédit Suisse liegen mit zirka 86 und 77 Prozent Wertverlust im Mittelfeld. Das Zauberwort auf der Lunte ist damals wie heute dasselbe: Derivate. Man braucht kein Spezialist zu sein, um zu verstehen, was Derivate sind. Es reicht vollkommen, wenn man weß, dass es sich dabei salopp gesagt um Wettscheine handelt, die eine Bank ausgibt. Wettscheine auf die künftige Preisentwicklung von Werten, die sie in ihren Büchern hat. Also Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Kredite, etc.. Die Bank ist dabei der Buchmacher. Ein paar Zahlen zeigen auf, wo wir heute stehen. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), auch die Zentralbank der Zentralbanken genannt, schätzt das Welt-Bruttoinlandprodukt, also den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die im Lauf eines Jahres in allen Volkswirtschaften der Welt hergestellt werden (nach Abzug der Vorleistungen) auf 63 Billionen Dollar. Das deutsche BIP beträgt rund 3 Billionen. Für die Schweiz sind es 0.685 Billionen oder 685 Milliarden. Demgegenüber stehen laufende „Wetten“ der großen Geldhäuser, die diese Zahlen als Klacks erscheinen lassen. Vor der Krise hatte die Credit Suisse Derivate im Wert von rund 40 Billionen Dollar in den Büchern stehen. Heute sind es um die 60 Billionen. Die Deutsche Bank hat heute ungefähr ein Exposure gegenüber Derivaten von 70 Billionen. Oder anders gesagt: Sie wettet mit mindestens 47 Mal mehr Geld, als sie effektiv hat. Als Lehman Brothers 2008 in die Pleite geschickte wurde, hatte sie Wetten im Markt, die das Geld, das sie besaß, um das 35fache überstiegen. Vor der Krise wurde das weltweite Derivatevolumen auf rund 513 Billionen geschätzt. Heute liegen die Schätzungen zwischen 700 und 1.500 Billionen. Schätzungen deshalb, weil 20 bis 30 Prozent des Derivatehandels außerbörslich stattfindet (auch das nur eine Schätzung) und weil die Komplexität dieser Babuschka-Wetten ihr wahres Ausmaß heute mehr verschleiert als je zuvor. Von ihrer Bewertung ganz zu schweigen. Das einzige was sicher ist: Die Derivatebestände wachsen weiter. Täglich. Und es reicht ein Verlust von zwei, drei Prozentpunkten, um eine Bank oder gleich mehrere hochgehen zu lassen. Wenn diese „Kiste“ in die Luft geht, wird nur ein Krieg den Krach übertönen können. Wird er längst vorbereitet? Es ist nicht das Versagen des Kapitalismus. Denn: Es ist nicht Kapitalismus. Es ist Casino-Korporatismus. Betreiberin der Spielhölle ist die Politk. Banken sind lediglich die Croupiers. Und hier wie im echten Casino gilt: Die Bank gewinnt immer. Solange, bis das Casino pleite ist. Es ist die Politik, auf deren Geheiss das Spiel hochgradig manipuliert wird, damit sie überhaupt weitermachen kann. Unsere „Volksvertreter“ sind es, die die Karten zinken, um an die Kohle ranzukommen, die ein freier Markt, echter Kapitalismus ihnen längst verweigern würde. Die astronomischen Gewinne, die die Banken teilweise wieder einfahren, sind nicht natürlichem Wohl und Wehe der Märkte, individuellen Fähigkeiten oder einem Quantum Glück geschuldet. Unsere Politiker haben den Banken via Zentralbanken ihr Kreditfenster sperrangelweit geöffnet. Das ganze vor dem Hintergrund quasi abgeschaffter Zinsen. In Wahrheit wird hier zugunsten von Bordsteinpolitikern und freienden Banken ein Krieg gegen Sparer und Geldbesitzer, mithin gegen die Bürger geführt, der infolge Kapitalflucht die Austrocknung und Zerstörung unserer Kapitalmärkte bedeuten kann. Es ist ein Krieg zum Machterhalt der regierenden Cliquen und gegen die eigenen Leute. Zum Kampftag der Arbeiterklasse ein Loblied auf den Kapitalismus Das ganze vor dem Hintergrund staatlicher Schuldenberge, die einem schon mal die Luft nehmen können. Für Deutschland sind dies in Prozenten des BIP und einschließlich staatlicher und privater Schulden sowie nicht gedeckten Verpflichtungen aus Pensions-, Renten- und Sozialleistungen 676 Prozent des BIP, für Griecheland 1.196 Prozent, für Frankreich 923 Prozent und für Italien 699 Prozent. Oder anders gesagt: Wir sind erstens Pleite und die Politik hat zweitens ihr Pulver zur „Bewältigung“ einer weitern Krise verschossen. Tausende von Menschen gehen in Europa täglich in Rente. Was passiert im Fall, dass deren Anlagegelder vernichtet werden, mag man sich gar nicht vorstellen. Von all den Transferleistungsbezügern – den heimischen und den gerade zuziehenden – ganz zu schweigen. Indes: die Frage ist nicht, ob es knallen wird, sondern nur wann. Ein Leser des Credit Suisse-Jahresberichts hat es bei „Inside Paradeplatz“ auf den Punkt gebracht: „How THE FUCK is this legal? THIS. WON’T. END. WELL.“. Kaufen Sie Gold. Nein – sagen Sie jetzt nicht, sie hätten kein Geld, das sei nur was für die „Reichen“. Kaufen Sie eine Münze. Auch wenn Sie sich diese über 12 Monate in Raten vom Mund absparen müssen. Kaufen Sie sie, legen Sie sie ganz hinten in eine Schublade und vergessen Sie sie. Denn es ist sehr gut möglich, dass der Wert des Goldes beim Versuch, das System um jeden Preis zu retten, auf einen Fünftel seines aktuellen Werts einbricht. Ignorieren sie es. Aber, sofern es eintritt, wird auch das nur eine Phase sein und es wird der Tag kommen, an dem sie sich gerne an die Münze in der Schublade erinnern werden. Sie kann Ihnen oder Ihren Kindern dann, wenn das auf dem Schuldenvulkan tanzende Finanzsystem in Illiquidität verdampft sein wird, den Start in ein neues Leben ermöglichen. Sie wird nicht in erster Linie Wert, sondern Zukunft bedeuten. Und das wird mehr sein, als die Mehrheit der Menschen von sich wird sagen können. Deren Zukunft ist schon heute zu Ende. Mit ihren Geldscheinen können Sie dann Drachen basteln und sie fliegen lassen. Einer hat mal gesagt, am Ende einer Zivilisation stünden immer eine ausufernde Bürokratie, Korruption, Korporatismus und totale Geldentwertung. Am Anfang einer Zivilisation stünde Gold. Er hat noch immer recht. Frank Jordan studierte Betriebswirtschaft. Weiterbildung in Öffentlichkeitsarbeit und Print-Journalismus. Daneben arbeitete er als Kellner in einem Schweizer Skiort, als Gärtner und Haussitter in Frankreich, als Rezeptionist in einem namhaften Pariser Hotel sowie als Maler. Zuletzt war er als freischaffender Kommunikations- und Mediaberater in der Schweiz tätig. Heute lebt Frank Jordan als Teilzeit-Selbstversorger in Frankreich.
Welche Sicherheit? Wir sind erstens Pleite und die Politik hat zweitens ihr Pulver zur „Bewältigung“ einer weitern Finanzkrise verschossen.
wirtschaft
2016-10-26T10:14:47+00:00
2017-03-04T09:54:17+00:00
https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/sagten-sie-gerade-sicherheit/
Union: das Machtnetz aufknüpfen dauert
Die CSU-Fraktion im Erlanger Stadtrat schließt Stefan Rohmer aus, weil er eine Koalition mit der AfD als Möglichkeit ins Spiel brachte. Rohmer hatte dies zusammen mit zwei anderen vom Konservativen Aufbruch in Mittelfranken als Reaktion auf den CDU-Ministerpräsidenten Günther in Schleswig-Holstein und auf den CDU-Fraktionsvorsitzenden Senftleben in Brandenburg getan, die eine Koalition mit der Linkspartei erwogen. Nach dem Betriebsunfall Merkels in der Unionsfraktion im Bundestag, dass nicht gewählt wurde, wen sie wollte, jetzt der nächste in Sachsen. Der gegen den Willen des Ministerpräsidenten Kretschmer zum Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion gewählte Christian Hartmann schließt im Gegensatz zu Kretschmer eine Koalition mit der AfD nicht aus. Im bundesrepublikanischen Machtsystem ist der Bundeskanzler formal schwach. Er wird nicht direkt vom Volk gewählt, sondern von den Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Also von den Koalitionsfraktionen. Und dort verliert er auch seine Macht: Egal ob Adenauer, Erhard, Brandt und Schmidt – sie verloren erst den Rückhalt in der Fraktion, dann die Macht. Häufig war es die FDP, die wie beim Übergang von Brandt auf Schmidt den Wechsel vollzog.  „Abgewählt“, gewissermaßen in offener Feldschlacht geschlagen, wurden Helmut Kohl und Gerhard Schröder. Die anderen Kanzler erlitten die Erosion ihrer Macht, die sich in zunehmender Einsamkeit äußert und in der Schar der Parteifreunde, die Todfeinde sind. Diesen Mechanismus muss man sich vor Augen halten, wenn man das Verhalten der Kanzler in Personalfragen, die ja Machtfragen sind, verstehen will: Sie versuchen möglichst viele Positionen mit ihren Getreuen zu besetzen, in der Partei, der Fraktion, selbst in Verbänden und Stiftungen. Je mehr Vertraute da in Positionen sitzen, umso fester das Netzwerk der Macht. Macht besteht darin, Posten und Pöstchen und Jobs in den Kästchen der Organisationsdiagramme zu vergeben. Kanzler verlieren diese Macht nicht auf einmal, sondern schrittweise. Den ersten Machtverlust erlitt Merkel, weil es ihr nicht gelang, in der Konrad-Adenauer-Stiftung ihre Vertraute Annette Schavan als Vorsitzende zu etablieren. Zwar ist der frühere Bundestagsvizepräsident Norbert Lammert, der den Job für sich eroberte, nicht als Merkel-Kritiker aufgefallen. Aber er ist eben nicht Merkel-abhängig. Und wenn der Zeitpunkt kommt, wird er in der Reihe der Gegner stehen. Je weiter weg vom Zentrum, umso selbstständiger können solche Frondeure agieren; auch in Zeiten des Internets verschafft räumliche Distanz Freiheit von den Bücklingen der unmittelbaren Höflinge. Das ist der Unterschied: Brinkhaus in Berlin will nichts anderes als Merkel, sagt er jedenfalls. Hartmann in Dresden will anders als Kretschmer, sagt er. Das kann er auch, die rebellischen Sachsen sind von Berlin aus schwer zu disziplinieren. Die zentrifugalen Kräfte in der Union nehmen zu. Merkels Schwäche setzt sie frei. Allerdings: bis diese Kräfte voll wirken, dauert es. Das Netz der Macht wird langsam geknüpft. Es aufzuknüpfen dauert noch länger. Denn meist fehlt auch der charismatische Gegenspieler oder die Gegenspielerin. Es gilt die Regel: Ein Kanzlermörder wird nicht zum Kanzler gewählt. Erst muss sich in der Meute ein Mörder finden, der das schmutzige Geschäft erledigt, damit der neue Spitzenmann oder die Spitzenfrau als strahlender Held mit Tränen in den Augen und vor Freude mit roten Ohren am Grab die Siegesrede halten kann. Deshalb wartet beispielsweise Markus Söder in München und lässt Horst Seehofer in Berlin die Angriffe führen – die nur Seehofers Ruf ruinieren. Es dauert und wird weiter dauern. Die Frage ist: Wer ist der Nächste, der sich traut? Auch der oder die wird sich finden. Denn mit jedem Machtverlust wird das Risiko der Angreifer kleiner. Kritik wird billiger. Achten Sie auf die Kritiker der kommenden Tage … und Wochen.
Redaktion
Die zentrifugalen Kräfte in der Union nehmen zu. Merkels Schwäche setzt sie frei.
daili-es-sentials
2018-09-27T09:33:46+00:00
2018-09-27T09:45:43+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/union-das-machtnetz-aufknuepfen-dauert/
„Feministische Außenpolitik“ gibt es schlicht nicht
Feministische Außenpolitik war bis eben noch der letzte Schrei. Die Schweden hatten eine seit 2014, als die Außenministerin Margot Wallström hieß. Nun gibt es einen Mann, der dem Außenministerium vorsteht, und was tut dieser toxische Kerl? Genau. Er streicht den Ausdruck, denn: „Etiketten haben die Tendenz, den Inhalt zu verschleiern.“ Also nur ein Etikett? Und der Inhalt ist verschleiert? Hm. Um welchen Inhalt geht es also? Darüber wüsste man gern mehr.  In der Tat, das ist allerdings nicht neu, obwohl es Menschen gibt, die solch Rache der Sieger verstehen, soweit sie sich gegen deutsche Frauen richtete. Auch, dass Frauen beim Wiederaufbau beteiligt werden müssen, ist ein alter Hut. In Deutschland etwa erinnert man sich an die vielen Trümmerfrauen, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Scherben wegräumen mussten.  Ist das alles also ein Meilenstein auf dem Weg zur „Geschlechtergerechtigkeit“, wie es im „Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der Resolution 1325“ heißt, verfasst noch unter Außenminister Heiko Maas? Dass im Konfliktfall die Rechte von Frauen geschützt werden sollten, ist ein schöner Gedanke, besser wäre noch, man schützte auch Leib und Leben und die Rechte der Männer. Wobei, wie Hillary Clinton einst meinte, deren Tod zuvörderst den Frauen Schaden zufüge, die um Väter, Brüder und Söhne trauern müssten. Klar: Tote trauern ja nicht mehr. Ich habe selten etwas so Zynisches vernommen.  Doch zurück zur feministischen Außenpolitik. Dass Frauen so selten an Friedensverhandlungen beteiligt sind, könnte natürlich schlicht daran liegen, dass sie seltener in den dafür verantwortlichen Positionen anzutreffen sind. Im freien Westen fehlen sie dort allerdings aus eigenem freien Willen, nicht, weil das Patriarchat sie heute noch daran hindern würde. Und wie wir in Bezug auf die letzten drei deutschen Verteidigungsministerinnen sehen: Ihr Fehlen muss kein Fehler sein.  Allein die Vorstellung, dass Frau von der Leyen schwangere Frauen an die Front schicken wollte, ist alarmierend. Tatsächlich aber verzögerte sich die Auslieferung von 350 Schützenpanzern des Typs „Puma“ vor einigen Jahren auch deshalb, weil sie für hochschwangere Soldatinnen geeignet sein mussten.  Nun, man könnte versöhnend einwenden, dass feministische Politik als friedensstiftende Kraft von Panzern nichts verstehen muss, die bei unserer Außenministerin Annalena Baerbock liebevoll „Tierpanzer“ heißen. Und von denen sie behauptete, dass man mit ihnen allein, anders als im 19. Jahrhundert, keinen Krieg mehr führen könne. Ach, Annalena. Hätte Napoleon Panzer gehabt, hätte er nicht gegen Russland verloren.  Es geht ja doch, wie es heißt, um „eine Antwort auf die systematische Diskriminierung und Unterordnung, die den Alltag unzähliger Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt prägt“. Das wird der Grund sein, warum die deutsche Außenministerin zwar geharnischt gegen Russland ins Feld zieht, aber sich im Fall des Mullahregimes im Iran die allergrößte Zurückhaltung auferlegt. Erst meinte sie immerhin, die Frauen im Iran müssten „gehört“ werden. Dann interpretierte sie den Kampf der Frauen und Männer gegen das islamistisch orthodoxe Regime der Bärtigen auf gänzlich unorthodoxe Weise: „Wenn die Polizei, wie es scheint, eine Frau zu Tode prügelt, weil sie aus Sicht der Sittenwärter ihr Kopftuch nicht richtig trägt, dann hat das nichts, aber auch gar nichts mit Religion oder Kultur zu tun.“ Aha. Sondern?  Das Geheimnis feministischer Außenpolitik ist schnell gelöst. Es ist ein Etikett ohne Inhalt. „Feministische Außenpolitik“ gibt es schlicht nicht. 
Cora Stephan
Der schwedische Außenminister hat recht, wenn er den auch von Annalena Baerbock verwendeten Begriff der „feministischen Außenpolitik“ ersatzlos streicht. Denn es ist ein Etikett ohne Inhalt. Aber was ist von einer Politik zu halten, die sich so vermarkten zu können glaubt?
kolumnen
2022-10-30T15:29:44+00:00
2022-10-30T15:29:45+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/stephans-spitzen/feministische-aussenpolitik-gibt-es-schlicht-nicht/
Die Statistik kann rassistische Vorurteile von US-Polizisten nicht bestätigen
Der Tod des Schwarzen George Floyd in Minneapolis sorgt weltweit für Entsetzen. Nachdem ihm ein Ladenbesitzer den Gebrauch von Falschgeld vorgeworfen hatte, wurde er von der Polizei verhaftet und zu Boden gestoßen. Ein weißer Beamter presste ihm das Knie für mehrere Minuten auf den Hals, bis Floyd ohnmächtig wurde. Er verstarb bald darauf im Krankenhaus. In den USA kam es zu Ausschreitungen, bei denen bislang 21 Personen starben. Hunderte Personen wurden verletzt, zahlreiche Autos und Gebäude in Brand gesteckt. Auch in Europa gingen zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen den Rassismus in den USA und in ihren eigenen Ländern zu protestieren. Den Demonstrationen liegt die Annahme zugrunde, dass Floyds Tötung nur Teil eines grundlegenden Missstands sei, nämlich des Rassismus innerhalb der US-amerikanischen Polizei, und dass diese weißen Kriminellen oder Verdächtigen gegenüber rücksichtsvoller und weniger brutal auftrete. Doch stimmt diese These? In den vergangenen fünf Jahren starben in den USA die Weißen Joseph Hutcheson, Marcus Sexton und Tony Timpa. Polizisten hatten ihnen das Knie bei der Festnahme auf den Hals gepresst. Basierend auf den vom britischen Guardian aufgelisteten Fällen der Jahre 2015/16 kommt man bis zum Jahr 2020 auf etwa 50 Weiße, die infolge von Fixierungsmaßnahmen erstickten oder einen Herzstillstand erlitten. Wie steht es um erschossene Personen? Die Washington Post rief im Jahr 2015 eine Datenbank ins Leben, die alle Todesfälle durch Schusswaffengebrauch bei Polizeieinsätzen dokumentieren sollte. Die folgenden Tabellen und Grafiken beziehen sich auf diese Daten. (Eine Analyse der Jahre 2015 und 2016 wurde bereits hier veröffentlicht.) In den 5 Jahren von 2015-2019 erschoss die Polizei in den USA demnach insgesamt 4931 Personen.  Anmerkung: Wir verwenden im Folgenden den im amerikanischen Englisch gebräuchlichen und in offiziellen Statistiken verwendeten Begriff „Race“, übersetzt als „Rasse“. Ob der Begriff im Deutschen gerechtfertigt ist oder nicht, soll hier nicht erörtert werden. Die „Sonstigen“ sind meist Hawaiianer oder Personen mit Herkunft aus dem Nahen Osten. Die absoluten Zahlen sind jedoch nicht aussagekräftig, wenn sie nicht in Relation zur Bevölkerungsverteilung gesehen werden. Im Zeitraum von 2015-2019 sank der Anteil der Weißen an der amerikanischen Bevölkerung, während der Anteil der Nicht-Weißen anstieg. Als Vergleichsmaßstab wird daher die Bevölkerungsverteilung im Jahr 2017 – die genau in der Mitte liegt – gewählt. Demnach setzt sich die US-Bevölkerung wie folgt zusammen:   Damit lässt sich für jede Race die Todesrate pro 1 Million Einwohner berechnen: Da die Sonstigen nur schwer zu definieren sind und nicht immer einheitlich statistisch erfasst werden, werden sie in dieser Berechnung nicht aufgeführt. Die meisten von Polizisten Erschossenen waren bewaffnet. Hierfür finden sich folgende Angaben: Sonstige Waffen umfassen meist Schlaggegenstände (Baseballschläger, Hämmer, Metallrohre, -stangen), andere spitze Gegenstände (Schwerter, Macheten, Äxte, in Einzelfällen auch Kettensägen) aber auch Armbrüste (9 Fälle). Schwarze werden also von der Polizei mit etwa 2,45-fach höherer Rate erschossen als Weiße. Hispanics werden mit 1,25-fach höherer Rate nur geringfügig häufiger erschossen als Weiße, die wiederum 2,95-fach häufiger als Asiaten erschossen werden. Ist die Polizei also gegenüber Weißen rassistischer als gegenüber Asiaten? Natürlich nicht! Die amerikanische Polizei erschießt in den meisten Fällen Kriminelle oder Verdächtige. Und deren Anteil ist in der schwarzen Bevölkerung höher als bei den Weißen, die wiederum häufiger kriminell sind als Asiaten. Schwarze sind im US-Justizsystem 5,1-fach häufiger inhaftiert. Ein anderer Indikator ist die Rasse von Polizistenmördern. Von 2009 bis 2018 töteten 302 Weiße und 201 Schwarze Polizisten. Die Rate der Schwarzen beträgt also auf die Anteile an der Gesamtbevölkerung umgerechnet das 3,9-fache der Rate der Weißen. (Die FBI-Statistik fasst Weiße und weiße Hispanics zusammen, sodass für die Berechnung der weiße Bevölkerungsanteil von 77,6% statt des nicht-hispanischen weißen Bevölkerungsanteils von 62,5% aus dem Jahr 2013 angenommen wurde.)  Aus der Tatsache, dass die Polizei unter Schwarzen anteilig mehr junge Männer erschießt als unter Weißen, wird von den Medien oft geschlussfolgert, dass die Polizei junge, schwarze Männer als besonders gefährlich wahrnimmt. Aber zum einen ist der Anteil der jungen Männer unter schwarzen Amerikanern höher als unter weißen und zum anderen sind Männer unter 30 überall die am häufigsten kriminelle demographische Gruppe. Stellen sie einen größeren Teil unter den erschossenen Schwarzen, legt dies nahe, dass Kriminalität und nicht Rassismus Ursache für die vielen Toten ist. Würde die Polizei willkürlich Schwarze erschießen, würden Kinder, Alte und Frauen einen größeren Anteil unter den Erschossenen ausmachen.  So sind 543 erschossene Schwarze (46,2%) unter 30 Jahre alt, hingegen nur 561 der erschossenen Weißen (25,2%). In der US-Bevölkerung sind 15,0% aller Schwarzen zwischen 20 und 30 Jahren alt, hingegen nur 12,6% der Weißen.  46 der erschossenen Schwarzen sind weiblich (3,9% ±0,25%), hingegen 122 der erschossenen Weißen (5,5% ±0,43%). Dieser Unterschied ist zwar klein, aber signifikant (d.h. keine Zufallsschwankung). 38 erschossene Schwarze (3,2% ±0,24%) trugen eine Waffenattrappe mit sich, hingegen 99 erschossene Weiße (4,4% ±0,39%). Die These, die Polizei würde einen Schwarzen mit einer (ungefährlichen) Waffenattrappe eher als Gefahr einstufen als einen Weißen, erscheint damit ziemlich fragwürdig. (Um diese Frage zu klären, müsste aber feststehen, ob Weiße häufiger eine Waffenattrappe bei sich tragen.) Waffenattrappen, wie beispielsweise Airsoft-Waffen, sehen täuschend echt aus, verfügen jedoch meist über eine farbliche Markierung, um sie sofort als Fälschung zu offenbaren. Wird diese Markierung übermalt, lässt sich kein Unterschied zum Original mehr feststellen. In den meisten Fällen wurden die Waffenattrappen bei Raubüberfällen benutzt, um die Opfer einzuschüchtern. Es ist daher nur verständlich, dass die Polizei eine reale Gefährdungssituation annahm. 103 von der Polizei Erschossene saßen in einem Fahrzeug, als sie erschossen wurden. In den meisten Fällen hatten sie sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert. Einige der Erschossenen hatten versucht, Polizisten zu überfahren oder Polizeiautos zu rammen. Andere Personen wurden erschossen, nachdem sie während einer Verkehrskontrolle das Fahrzeug gestartet hatten und die Polizisten befürchteten, vom Auto mitgeschleift zu werden, weil sie sich in die Fahrerkabine hinein gebeugt hatten. Das erklärt aber nicht, warum unbewaffnete Schwarze häufiger erschossen werden als unbewaffnete Weiße. 104 erschossene Schwarze (8,9%  ±0,40%) waren unbewaffnet, aber nur 126 erschossene Weiße (5,7%  ±0,44%). Das Ungleichgewicht der von Polizisten erschossenen Schwarzen (insgesamt 2,45-fach häufiger als Weiße) erhöht sich bei den Unbewaffneten auf das 3,87-fache. Vermutet die Polizei also bei einem Schwarzen eher als bei einem Weißen, dass er jeden Augenblick eine Waffe ziehen könnte und schießt daher schneller? Möglich. Aber genauso wäre möglich, dass schwarze Verdächtige seltener eine Waffe bei sich tragen – also häufiger unbewaffnet sind. Auch ist möglich, dass schwarze Verdächtige sich häufiger unkooperativ verhalten als weiße – denn darauf deutet eine Analyse der Daten hin: Von den unbewaffneten Erschossenen hatten 46 Schwarze (44,2% ±0,25%) und 54 Weiße (42,8% ±0,29%) die Polizisten attackiert. Diese Werte sind etwa gleich hoch. Würde die Polizei unkooperative Schwarze häufiger erschießen, weil sie in ihnen eher eine Gefahr sieht, wäre der Anteil der attackierenden Schwarzen geringer als der der attackierenden Weißen. Es scheint also, dass die US-Polizei unter vergleichbaren Umständen Weiße sogar häufiger erschießt als Schwarze. Denn die oben erwähnten Differenzen sind teils zu groß, um reine Zufallseffekte zu sein. Gibt es also einen Rassismus gegenüber Weißen? Natürlich nicht. Über die Ursache dieses Unterschieds lässt sich nur spekulieren. Peter Moskos, Kriminologe und ehemaliger Streifenpolizist vermutet, dass die Berufserfahrung der Beamten die entscheidende Rolle spielt: Geht ein Notruf aus einem als gefährlich bekannten, meist überwiegend von Schwarzen bewohnten Stadtteil ein, werden die fähigsten, erfahrenen Beamten losgeschickt. Zu einem Einsatz in einem von Weißen bewohnten Viertel werden auch Neulinge abkommandiert. Gerade die erfahrensten Beamten können auch in einer brenzligen Situation die Nerven bewahren und greifen seltener zur Waffe. Die Verlässlichkeit der genannten statistischen Angaben über die Erschossenen wird oft infrage gestellt. Schließlich hat man schon mehrfach in Hollywood-Filmen gesehen, wie Polizisten einem Unschuldigen eine Waffe und einen Drogenbeutel unterjubeln. So wird im Handumdrehen aus einem gesetzestreuen Bürger ein gefährlicher Dealer. Tatsächlich ist möglich, dass sich derartige Einzelfälle ereignet haben, doch lässt sich wohl ausschließen, dass systematisch eine solche Manipulation erfolgt. Angenommen, derartige Manipulationen ließen sich nachweisen, hieße das nicht, dass man mit diesem Vorgehen Rassismus vertuschen wollte – womöglich wurde die betroffene Person nur versehentlich erschossen. Außerdem müsste man nachweisen, dass derartige Manipulationen nicht nur schwarze Personen betreffen, sondern zudem weiße Personen nicht betreffen. Auch fällt auf, dass nicht in einem einzigen Fall gezeigt werden konnte, dass einer der 1.175 erschossenen Schwarzen nachträglich durch gefälschte Beweise zum Kriminellen umstilisiert wurde. Der Verweis darauf, dass dies nur zeige, wie perfekt die Manipulationen seien, ist nicht sehr überzeugend. So wurde beispielsweise öffentlich, dass die US-Regierung manipulierte Beweise verwendete, um die Invasion des Irak 2003 zu rechtfertigen. Ebenso wurden die Misshandlungen von Kriegsgefangenen in Guantanamo Bay und Abu Ghraib bekannt, die geheim bleiben sollten. Dass der durchschnittliche amerikanische Streifenpolizist besser im Vertuschen ist als Pentagon und CIA darf man bezweifeln. Zudem gibt es gute statistische Indizien, die diese These widerlegen. Würde die Polizei neben straffälligen Schwarzen bewusst auch unschuldige Schwarze erschießen, müssten sie in noch höherem Maße erschossen werden, als ohnehin schon. Denn wie oben gezeigt, liegt die Rate der erschossenen Schwarzen niedriger als es die Kriminalitätsstatistik vermuten ließe. Auch müssten dann auffällig viele erschossene Schwarze über keine Einträge im Vorstrafenregister verfügen. Dieser Umstand wird von der Statistik nicht erfasst, in fast allen Einzelfällen, die besondere Medienbeachtung erfuhren, waren die erschossenen Schwarzen aber bereits vorbestraft. Ein langjähriges Vorstrafenregister zu fälschen, ist zudem ungleich schwieriger, als einem Toten belastende Beweismittel unterzuschieben. In mehreren Fällen liegen zudem Aufnahmen von Überwachungskameras oder der Bodycams der beteiligten Polizisten vor, die die Taten des Erschossenen beweisen. In anderen Fällen können Familienangehörige oder Nachbarn bestätigen, dass der Polizeieinsatz korrekt geschildert wurde. Werden unliebsame Aufnahmen gelöscht oder fallen Bodycams „zufällig“ genau dann aus, wenn ein Schwarzer erschossen wurde? Die Daten sprechen eine andere Sprache. Von 180 erschossenen Schwarzen (15,3%  ± 0,52%) liegen Videoaufnahmen vor, jedoch nur von 215 Weißen (9,6% ± 0,57%). In diesem Fall müsste der schwarze Anteil niedriger liegen, um einen Anfangsverdacht zu rechtfertigen. Zudem entspricht auch der soziale Hintergrund der Erschossenen im Wesentlichen dem kriminellen Profil. Zwar wird dieser Umstand nicht statistisch erfasst, aber auch hier sprechen die Einzelfälle, die besondere Medienaufmerksamkeit erfuhren, eine deutliche Sprache. Würde die Polizei wahllos unschuldige Schwarze erschießen, würde es auch einen schwarzen Professor, Firmenbesitzer oder Chefarzt treffen. Und wer würde glauben, dass dieser Personenkreis sein üppiges Gehalt in der Freizeit durch das Dealen mit Drogen aufbessert? Für das kriminelle Profil der Erschossenen sprechen zudem, wie weiter oben beschrieben, Alter und Geschlecht. Besonderes emotionales Gewicht hatte der Fall des 12-jährigen schwarzen Jungen Tamir Rice, der 2014 erschossen wurde, als er in der Öffentlichkeit mit einer Airsoft-Waffe gespielt hatte. Rassismus als Motiv ist hier aber unwahrscheinlich. Der Polizist, der ihn tötete, galt als generell inkompetent und er hatte für den verletzten Rice noch einen Krankenwagen herbeigerufen. Zudem gibt es einen ähnlichen Fall, bei dem ein weißer Teenager erschossen wurde, weil eine Polizistin seinen Spielkonsolen-Controller mit einer Waffe verwechselt hatte. Betrachtet man nur erschossene Kinder, stellt man fest: Die jüngsten Erschossenen im Datensample waren zwei weiße 6-jährige Jungen und ein weißes 12-jähriges Mädchen. Der jüngste erschossene Schwarze war ein 13-Jähriger, der bei einem Raubüberfall eine Waffen-Attrappe verwendet hatte. Gänzlich Unverdächtige machen nur einen kleinen Bruchteil aller von der Polizei Erschossenen aus. Meist standen sie neben oder hinter einem Verdächtigen, auf den die Polizei das Feuer eröffnete. 2015 und 2016 wurden insgesamt drei unverdächtige Schwarze auf diese Weise erschossen, für die Jahre danach weist die Datenbank keine Kurzbeschreibungen der Fälle mehr auf. Ihre Zahl dürfte für den Gesamtzeitraum nicht zwölf übersteigen, d.h. unter einem Prozent liegen. Fazit: Aus der Datenbank der Washington Post über Tötungen durch Polizeibeamte ergeben sich keine Ansatzpunkte für einen weit verbreiteten oder gar institutionalisierten Rassismus bei der US-Polizei. Lukas Mihr
Redaktion Tichys Einblick
Nach der Tötung von George Floyd durch einen Polizisten wird der amerikanischen Polizei ein grundlegender Rassismus unterstellt. Anlass für einen tieferen Blick in die Statistik der Todesfälle durch Polizisten. Die Zahlen stammen von der "Washington Post".
kolumnen
2020-06-13T15:19:50+00:00
2020-06-13T17:16:04+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/die-statistik-kann-rassistische-vorurteile-von-us-polizisten-nicht-bestaetigen
Rot-grün-dunkelrote Koalition verhandelt in Berlin
In Berlin setzt sich heute eine Spielzeugeisenbahn der besonderen Art in Gang. SPD, Grüne und Linkspartei legen den Fahrplan für eine neue Etappe auf dem Weg nach „Bullerbü“ fest. Über das Ziel ist man sich alles in allem einig: Die deutsche Hauptstadt als Modell für die rot-grüne Regierung von morgen; und dieser Traum ist dann wirklich ein Abbild von „Bullerbü“, dieser Märcheninsel der Glücklichen und Entschleunigten, wie sie sich nicht nur die weltbekannte Astrid Lindgren wünschte, sondern auch die Spitzenkandidatin der Grünen Bettina Jarasch im Berliner Wahlkampf. Wenn das Wohnen in Zukunft, also in „Bullerbü“, dann auch im Standard nicht mehr ganz so hoch ist, wie es in den meisten Räumlichkeiten heute ist, so sind die Mieten niedrig. Privates Eigentum an Wohnraum ist längst abgeschafft. Was ist dieser Luxus schon gegen die Unfähigkeit der Berliner Verwaltung, die schon heute ein Totalausfall ist, die mit der Betreuung der vielen kommunalen Wohneinheiten sehr schnell kapitulieren müsste? Die Folgen sind: Verfall, Verschmutzung – kurzum: Niedergang. Jeder, der es nicht mehr kennt oder sich nicht mehr erinnern will, sollte sich einmal die Bilder der grauen Häuserzüge in Ostberlin und den Städten der DDR nach der Wende ansehen. Aber wie heißt es doch so schön: „Wie man sich bettet, so liegt man.“ Der Wähler hat es offenbar so gewollt. Ebenso wenig stört es offensichtlich die Berliner Bürgerschaft, dass die Wahlsiegerin und SPD-Spitzenkandidatin Giffey bis zur letzten Minute den Eindruck erweckt hat, sie werde keine Fortsetzung des rot-grün-roten Chaossenats anstreben. Wieder einmal gilt: „Gestern versprochen, heut’ schon gebrochen.“ Doch viele Jahre sind bekanntlich eine lange Zeit, in der vieles vergessen wird. Die Berliner CDU – wer ist das eigentlich, und was macht sie? – könnte ja zur Mahnung mit dem Slogan „Franziska mit dem blonden Haar, belügt Berlin ein zweites Mal“ aufwarten. Doch dafür sind die Berliner Christdemokraten zu vornehm und vor allem zu feige. In jeder Stadt mit einer Opposition, die diesen Namen verdient, würden die Bürger längst mit der Forderung nach Neuwahlen durch die Straßen ziehen – nicht in Berlin! Hinzu kommt die Verwahrlosung immer größerer Stadtteile. So langsam erfüllt sich der Traum von Armut, Assozialität, Kriminalität bei – und das alles gehört zusammen – wachsender Gleichheit und Entindividualisierung der Gesellschaft. Darüber kann auf Ewigkeit auch nicht die nicht zu bestreitende Attraktivität Berlins in Kultur, jugendlichem Lebensgefühl und Unkonventionalität hinwegtäuschen. Studenten und hippe Typen schaffen keine materiellen Werte. So unromantisch das auch klingt; Erträge kommen nur aus Investitionen privater Unternehmer. Wer auf deren Interessen und Bedürfnisse keine Rücksicht nimmt, geht früher oder später unter der Knute von Zuschüssen in die Knie. Wobei sich schon jetzt die Frage stellt, wie lange noch die wohlhabenden Länder, wie vor allem Bayern und Baden-Württemberg, zu diesem Aderlass für das „hippe und linke Berlin“ bereit sind – diese größer werdenden wirtschaftlichen Probleme und die finanziell kleiner werdenden Spielräume. Den Luxus rot-grüner Fantasien kann man sich dann nicht mehr leisten.
Sofia Taxidis
Wie lange die wohlhabenden Länder, wie vor allem Bayern und Baden-Württemberg, zum Aderlass für das „hippe und linke Berlin“ noch bereit sind? Den Luxus rot-grüner Fantasien kann man sich sonst nicht mehr leisten.
meinungen
2021-10-21T14:35:03+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/rot-gruen-dunkelrot-koalition-verhandelt-in-berlin/
Fusionskraftwerk in den USA soll ab 2027 erstmalig Strom erzeugen
Das kleine Unternehmen Commonwealth Fusion Systems in Cambridge (CFS) bei Boston, hervorgegangen aus dem berühmten Massachusetts Institute of Technologie, ist drauf und dran, die Weltelite der Fusionsforscher zu überholen und alt aussehen zu lassen. Während Letztere seit 2007 in Cadarache nahe Marseille Iter bauen, das weltweit größte Fusionsreaktorexperiment, das Mitte der 2030er Jahre in Betrieb gehen, aber noch keinen Strom erzeugen soll, will CFS damit bereits 2027 anfangen. Die Prototypanlage Sparc, die derzeit in Devens im Bundesstaat Massachusetts gebaut wird, soll dann erstmals auf der Welt Strom aus der Energie erzeugen, die bei der Kernfusion frei wird. Schon drei Jahre später plant das Unternehmen die Inbetriebnahme des ersten kommerziellen Fusionskraftwerks, das eine elektrische Leistung von 400 Megawatt haben soll – Sparc kommt auf 140 Megawatt. Gebaut wird es im James River Industrial Park außerhalb von Richmond im Bundesstaat Virginia. Partner ist der örtliche Stromversorger Dominion Energy. 400 Megawatt reichen für die Versorgung von 150.000 US-Haushalten. Während alle bisherigen Fusionsreaktoren vom Typ Tokamak – Beispiele sind Iter und das europäische Großexperiment Joint European Torus (Jet) im britischen Culham, das seit 1983 in Betrieb ist – mit mächtigen Elektromagneten ausgestattet sind, die konventionelle Spulen haben oder solche aus klassischen Supraleitern, setzen die Amerikaner auf Hochtemperatur-Supraleiter (HTSL). Diese müssen weit weniger aufwändig gekühlt werden und sind weitaus kleiner, obwohl sie tendenziell stärkere Magnetfelder erzeugen. Diese halten das sogenannte Plasma im Zaum, in dem die Fusion und damit die Energieerzeugung stattfindet. Supraleiter sind Materialien, die Strom leiten, ohne ihm Widerstand entgegenzusetzen – einmal eingespeist kreist er für alle Zeiten in den Spulen. Das Plasma besteht aus elektrisch geladenen Molekülen der Wasserstoffisotope Deuterium (schwerer Wasserstoff, dessen Kern zusätzlich ein Neutrum enthält) und Tritium (überschwerer Wasserstoff, der ein zweites Neutron enthält) sowie frei umherschwirrenden Elektronen. Es befindet sich in einem ringförmigen schlauchartigen Behälter, dem Torus. Durch elektromagnetische Wellen und andere Heizsysteme wird es auf eine Temperatur von vielen Millionen Grad Celsius aufgeheizt. Die Magnetkräfte sorgen dafür, dass die unvorstellbar heißen Teilchen die Wände nicht berühren. Das würde sie im Bruchteil einer Sekunde zerstören. Außerdem drängt es die Moleküle zusammen. Erst wenn sie einen bestimmten Mindestabstand unterschreiten, können sie miteinander verschmelzen und Energie in Form von Wärme erzeugen. Diese wird genutzt, um Wasser zu erhitzen. Der entstehende Dampf treibt dann einen Turbogenerator zur Stromerzeugung an. Der Einsatz von HTSL ermöglicht es, den Torus weit kleiner zu bauen als etwa beim Iter. Das könnte es erleichtern, die Kerne der Wasserstoffisotope so nah zueinander zu treiben, dass sie fusionieren müssen, sodass das Ziel erreicht wird, mehr Energie zu gewinnen als beim Aufheizen des Plasmas verlorengeht. „Das wird ein Wendepunkt für die Kernfusion sein“, sagt CFS-Mitbegründer Dennis Whyte, Professor für Ingenieurwesen am MIT. „Es gibt das Tempo im Wettlauf um kommerzielle Fusionskraftwerke vor. Das Ziel ist es, Tausende dieser Kraftwerke zu bauen und die Welt zu verändern.“ Fusionskraftwerke produzieren Strom, ohne Schadstoffe zu emittieren. Bei einer Störung schalten sie sich selbstständig ab, sodass schwere Unfälle wie bei Kernkraftwerken, die auf Atomspaltung basieren, nahezu unmöglich sind. Zwar entsteht auch in Fusionsreaktoren Atommüll, doch der ist, anders als der von heutigen Kernkraftwerken, nur wenige 100 Jahre lang gefährlich. Dass Sparc und der kommerzielle Nachfolger tatsächlich funktionieren ist allerdings noch nicht ausgemacht. Martin Greenwald, stellvertretender Direktor des Plasma Science and Fusion Center am MIT und Sparc-Projektleiter, sagte gegenüber der „New York Times“, die Forschung „bestätigt, dass das Design, an dem wir arbeiten, sehr wahrscheinlich funktionieren wird“. Illustration und Video: https://www.borntoengineer.com/mit-engineers-believe-their-fusion-reactor-design-is-very-likely-to-work Illustration: https://cfs.energy/technology/sparc Wolfgang Kempkens studierte an der Techni­schen Hochschule Aachen Elektrotechnik. Nach Stationen bei der „Aache­ner Volkszeitung“ und der „Wirtschaftswoche“ arbeitet er heute als freier Journalist. Seine Schwer­punkte sind Energie und Umwelt.
Natalie Furjan
Im US-Bundesstaat Massachusetts soll demnächst erstmals auf der Welt Strom aus der Energie erzeugt werden, die bei der Kernfusion frei wird. Fusionskraftwerke produzieren Strom, ohne Schadstoffe zu emittieren. Bei einer Störung schalten sie sich selbstständig ab, sodass schwere Unfälle nahezu unmöglich sind. Von Wolfgang Kempkens
kolumnen
2024-12-26T17:19:56+00:00
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Sea-Watch: Bedford-Strohm segnet Sea-Watch 4
Nun ist es soweit: Heinrich Bedford-Strohms Vision eines eigenen Schiffes zur Aufnahme von Menschen vor der libyschen Küste, um sie nach Europa zu bringen und dort Asyl beantragen zu lassen, ist Realität: Das Schiff des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland ist von Kiel nach Spanien und dann nach Libyen ausgelaufen. Der eigenes dafür gegründete Verein United Rescue hatte neben den Berlinern von Sea-Watch weitere Unterstützer ins Boot geholt. Bedford-Strohm stand in Kiel an Deck der Sea-Watch 4 und sprach ein paar Segensworte, nachdem die Flasche am Seil an der Bordwand zerschellte, beziehungsweise in dem Jutesäckchen, das um sie herum gebunden war, damit die Scherben nicht einfach ins Wasser fallen wie es früher gemacht wurde. Nachdem er Weggefährten am Kai vor den Kameras mit herzlicher Umarmung begrüßt hatte, gab Bedford-Strohm Interviews: „Leider hat die staatliche Seenotrettung aufgehört. Es gibt keine Seenotrettung der Staaten Europas mehr.“ Der erste Satz also schon Beleg für eine beseelte zwar, aber doch für eine Landratte, wo doch jeder Seemann auf allen Weltmeeren weiß, dass Seenotrettung elementare Verpflichtung ist und keine staatlich zu verteilende Aufgabe. Übrigens auch niemals für die Marine-Operation der EU, die Schlepper verfolgen sollte und ansonsten eben Menschen in Seenot aufnimmt, wie es für jeden Seemann selbstverständliche Pflicht ist. In der Sprachpraxis von Sea-Watch ist von „Gästen“ die Rede, die auf dem Schiff ausharren und wieder von Bord gehen. Die private Organisation Sea-Watch, die schon seit Jahren mit ihren Schiffen und Suchflugzeugen vor der libyschen Küste das Geschäft der kriminellen Schlepper fördert, klingt hier wie die Arbeitsagentur, wo Arbeitslose „Kunden“ genannt werden und das Arbeitsamt zum „Job-Center“ wird, als ginge es zum vergnüglichen Einkaufen. „Gäste“ allerdings werden normalerweise eingeladen. Erstaunlich, dass die Nichtregierungsorganisation Sea-Watch nichts dabei findet, Migranten auf ihre Schiffe einzuladen. Ob das nun von Bedford-Strohm und seinen Mitstreitern willentlich impliziert ist oder nicht: Solche Einladungen werden jedenfalls von den Schlepperbanden seit Jahren schon als solche verstanden und dann sofort die maroden Schlauch- und Holzboote zu Wasser gelassen, wenn Schiffe der Sea-Watch und weiterer Akteure am Horizont ihre Runden drehen. „Wir retten Menschen auf der Flucht vor dem Ertrinken“. Solche Sätze nach dem aktuellen Erkenntnisstand als Erklärung auf dem Twitter-Account zu formulieren, hat schon etwas Abgebrühtes, wenn sich auf ihrer jüngsten Pressekonferenz selbst Angela Merkel genötigt sah, einmal darauf hinzuweisen, dass eben doch nicht jeder, der sich auf den Weg macht, ein Flüchtling sei – auch wenn sie es schon Minuten später wieder ganz vergessen hatte. Die Sprache der 2015 in Berlin gegründeten „Rettungsmission“ ist aber auch noch in anderer Hinsicht selbsterklärend: So heißt es mit Meldung von gestern, die Präsidentin der Europäischen Kommission, Frau von der Leyen, möchte dass mehr Kinder sterben. Hier wird Bezug genommen auf den Tod eines Kindes im Mittelmeer. Gleichzeitig wird im Zusammenhang mit dem Schutz der europäischen Außengrenzen von einer „mörderischen“ Abschottung gesprochen und in ganz Deutschland zu Großdemonstrationen aufgerufen. „Kein Fußbreit“ fordert Sea-Watch. Wer der Mission kritisch gegenüber steht, der ist also gleich Faschist oder Nazi beispielsweise im Sinne von Herbert Grönemeyers gegröltem „Keinen Millimeter“. Da kommt zusammen, was sich schon viel länger zusammengehörig fühlt. Weiter schreibt Sea-Watch aktuell empört über ein verwüstetes Warenhaus für Flüchtlinge auf der Insel Chios – die von marodierenden Migranten („Gästen“?) auf Lesbos verwüstete Kirche allerdings sucht man bei Sea-Watch als Nachricht vergeblich. Überhaupt scheint die Luft für solche Vereine mancherorts etwas dünner geworden zu sein, wenn aufgebrachte Inselbewohner auf Lesbos in Skala Loutron laut Sea-Watch ein weiteres Schiff einer anderen Organisation attackiert hätten, das daraufhin den Hafen verlassen musste. Das Engagement der Sea-Watch geht tatsächlich weit über ihre so genannten „Seenotrettungen“ hinaus: Den Mitgliedern geht es unübersehbar generell um offene Grenzen für ganz Europa. An die SPD-Vorderen Heiko Maas, Kevin Kühnert und Saskia Esken richtete die Organisation gestern einen Appell, in welchem die Sozialdemokratie aufgefordert wird, endlich die große Koalition aufzukündigen, weil Abgeordnete der CDU den Schutz der europäischen Außengrenzen gefeiert hätten. Deshalb wäre diese Koalition „menschenfeindlich“. Sea-Watch befindet dazu weiter: „Was wir in den letzten 48 Stunden an der europäischen Außengrenze erleben, ist vollständige Auflösung der Europäischen Union als sogenannte Verteidigerin der Menschenrechte.“ Und den grünen Koalitionspartner des österreichischen Bundeskanzlers wird gleich mal angeraten, sich zu schämen, vor Kurz das Haupt zu neigen. Den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland schert das alles offenbar nicht. Heinrich Bedford-Strohm hat sein Ziel erreicht: Sein Seenotrettungsschiff ist in See gestochen. Bedford-Strohm war selbst schon „Gast“ auf einem der Sea-Watch-Schiffe und schickte damals seine Erlebnisberichte via Internettagebuch in die Welt: Zeugnisse, die aufgrund ihrer Eitelkeit sogar noch in Kirchenkreisen für heftige Kritik sorgten. Aber zurück zur Sea-Watch: Zwar werden deren Schiffe mittlerweile kaum noch daran gehindert, ihre „Gäste“ in italienischen Häfen von Bord gehen zu lassen. Dafür beschwert sich die Organisation jetzt über Quarantäne-Maßnahmen, diese wären ein „bloßer Vorwand, um NGOs und gerettete Menschen zu diskriminieren.“ Und um gleich mal klar zu machen, wer jetzt auch in den italienischen Häfen die Hosen an hat, werden staatliche Maßnahmen wie ein erster Gesundheitscheck nicht mehr nur von dafür zuständigen italienischen Ärzteteams vorgenommen. Auch hier wähnt sich die Sea-Watch auf Augenhöhe und schreibt via Twitter selbstbewusst: „Unser fünfköpfiges Ärtzeteam hat gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium Italiens alle Gäste beim Verlassen des Schiffes gecheckt, ohne Auffälligkeiten.“ Vor der Berliner Dependance der Europäischen Kommission wird derweil demonstriert. Es werden Pappen hochgehalten mit der Aufschrift: „Macht die Grenzen auf!“ – fotografiert und verbreitet von der NGO Sea-Watch und kommentiert: „Europäische Migrationspolitik hat schon viel zu lange getötet.“ Die Organisation „Seebrücke“ fordert derweil zu Demonstrationen in allen deutschen Städten auf, die europäischen Grenzen zu öffnen. Faktisch nicht ganz korrekt, denn es geht ja darum, die geografischen Grenzen unter dem illegalen Ansturm zu echten Grenzen zu machen und für die EU-Mitgliedstaaten darum, wieder die Kontrolle über ihre nationalen Grenzen zurückzugewinnen bzw. endlich so etwas, wie einen Schutz der EU-Außengrenzen zu organisieren, der diesen Namen auch verdient. Nun also das nächste Schiff der Sea-Watch Richtung Mittelmeer mit dem Namen des Kirchenmannes ins Steuerrad geritzt. Was übrigens aus Seenot gerettete Frauen und Kinder an Bord angeht, suchen wir einfach mal das erste Bild, dass wir im Twitter-Account der Sea-Watch finden können, stoßen auf eines von „Gästen“, die sich gerade freuen, dass ihnen ein italienischer Hafen zugewiesen wurde. Zusehen sind auch hier ausschließlich junge Männer. Die Sea-Watch will Speerspitze einer zivilen Seenotrettung sein, nachdem die europäischen Außenminister der Wideraufnahme einer Marine-Mission gerade halbherzig – man will nur im östlichen Mittelmeer operieren – eine Absage erteilt haben. Die Gründe für diese Absage liegen auch im Pull-Faktor begründet. Die EU hat sich mit ihrer Absage also durchgerungen diesen quasi endlich als Fakt anzuerkennen und somit einzugestehen, dass die Anwesenheit von Schiffen mit dem Ziel der Aufnahme von „Gästen“ Menschenleben gefährdet und den Tod vor der Küste Libyens befördert – freilich ohne es so drastisch auszudrücken. Weshalb allerdings die privaten Schiffe der NGOs nicht von Frontex oder sonst wie an ihrer Zuarbeit für die libyschen kriminellen Schlepper gehindert werden, warum solche Schiffe überhaupt wie die Sea-Watch 4 in Kiel auslaufen dürfen, bleibt weiter rätselhaft. Die EU fällt die bewusste Entscheidung, vor der libyschen Küste nicht aktiv zu werden, überlässt es dann aber den Nichtregierungsorganisationen? Eine Kapitulation.
Redaktion Tichys Einblick
Die "Sea-Watch 4" der Evangelischen Kirche bricht nach Libyen auf. Ein Blick auf die Sprache der Pressemitteilungen und Tweets der Organisation zeigt, um was es geht.
kolumnen
2020-03-04T18:04:14+00:00
2020-03-05T07:22:46+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/alexander-wallasch-heute/ekd-chef-heinrich-bedford-strohm-segnet-sea-watch-4/
Börsenwoche: Trump bei den Buchmachern vorn und Ampelzoff
Für die Buchmacher ist die Sache klar. Nachdem sich Kamala Harris nach der TV-Debatte am am 10. September einen kleinen Quotenvorsprung erarbeiten konnte, liegt Trump inzwischen bei den Buchmachern wieder weit vorn. Derzeit liegen die Quoten (31.10.) um 2,50 für Harris und bei 1,52 für Trump. Das bedeutet, dass man bei einem Einsatz von 100 Dollar auf Harris bei deren Sieg etwa 250 Dollar ausgezahlt bekommt, 100 Dollar auf Trump bringen bei dessen Sieg nur 152 Dollar. Viele Beobachter freuen sich, dass das Wahlkampftheater dann endlich vorbei ist, Börsianer fürchten sich davor, dass das Theater nach dem 5. November erst richtig losgeht. In die Nachwehen des Wahltages hinein fällt am Donnerstag dann noch die die nächste Sitzung der US-Notenbank (Fed), bei der auch über die Höhe der Zinsen beraten werden wird. Analysten erwarten eine Senkung des Leitzinses um 0,25 Prozentpunkte. Überdies findet in Peking die Tagung des Entscheidungskomitees des Nationalen Volkskongresses statt, wobei voraussichtlich am 8. November formell die Höhe der in Aussicht gestellten fiskalpolitischen Stützungsmassnahmen beschlossen wird. Kurzum, den Börsianern steht eine turbulente Woche bevor. Anleger sollten sich so oder so davor hüten, die Welt zu vereinfachen. Kommentaren wie „Trump ist gut für Öl und Pharma, Harris ist gut für Solar und Wind“ ist auf jeden Fall zu mißtrauen. Grundsätzlich gilt mittelfristig auch an der Börse das alte Sprichwort: Nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wurde. Das sahen am Freitag offensichtlich auch die Investoren an der Wall Street so. Nach drei Verlusttagen gab es einen Erholungsversuch. Hatten unter den Tech-Riesen in den vergangenen Tagen weder Alphabet, Meta noch Microsoft mit ihren Resultaten für positive Impulse sorgen können, so gelang dies am Freitag Amazon und Intel. Die Kurse stiegen trotz mehrerer schwacher Wirtschaftsdaten, wenngleich der Schwung im Verlauf etwas nachließ. Obwohl er gegen Endde wieder etwas abbröckelte, schloss der Dow Jones Industrial 0,7 Prozent höher bei 42.052 Punkten. Er glich damit das bisher aufgelaufene Wochenminus fast wieder aus. Übrig bleib ein Abschlag von gut 0,1 Prozent. Der marktbreite S&P 500 legte am Freitag um 0,4 Prozent auf 5729 Punkte zu. Auch der tags zuvor abgerutschte Nasdaq 100 erholte sich und gewann 0,7 Prozent auf 20.033 Zähler. Der stark von Technologiewerten geprägte Index kehrte damit wieder über die Marke von 20.000 Punkten zurück, auch wenn aus der Riege der großen Tech-Werte die Apple -Aktie schwächelte. Konjunkturdaten waren ein Thema, bewegten aber in der Summe nicht groß die Kurse. Der US-Jobbericht für Oktober und die am ISM-Index gemessene Industriestimmung enttäuschten. „Der Arbeitsmarktbericht aus den USA von heute ist schwer zu interpretieren, da er stark durch die beiden Hurrikane Helene und Milton sowie Streiks verzerrt ist“, sagte Eckhard Schulte von MainSky Asset Management. Seiner Einschätzung nach ändere sich nichts daran, dass die US-Notenbank Fed am kommenden Donnerstag die Leitzinsen weiter senken werde. Die in allen großen Indizes vertretene Amazon-Aktie sprang um 6,2 Prozent nach oben, tat sich aber schwer damit, über die 200-Dollar-Marke zu klettern und den knapp darüber liegenden Rekord einzustellen. Lob gab es unter Analysten vor allem für die rekordhohe Marge des Online-Händlers. In Anlehnung an Halloween bezeichnete Brent Thill vom Investmenthaus Jefferies die Profitabilität als geradezu „spuktakulär“. Auch das operative Ergebnisziel für das laufende Quartal zerstreue teilweise Zweifel. Intel lief Amazon aber letztlich den Rang mit einem Anstieg um 7,8 Prozent ab. Hier gab es viel Aufholbedarf bei einem der bislang größten Tech-Verlierer in diesem Jahr. Die Aktien reduzierten ihr Jahresminus auf knapp 54 Prozent, was immer noch außerordentlich viel ist. Der Chipkonzern hatte mit seinem Umsatzausblick für das laufende Quartal beruhigende Nachrichten für die Anleger. Zuvor hatte auch der Dax mit deutlichen Gewinnen eine dreitägige Minusserie gestoppt. Nach einem freundlichen Börsenstart zog der deutsche Leitindex weiter an und schloss gut 0,9 Prozent fester mit 19.255 Punkten. Seinen Wochenverlust dämmte er damit auf gut ein Prozent ein. Als Kursstütze erwiesen sich am Nachmittag schwache US-Konjunkturdaten und die freundlichen New Yorker Börsen. Die jüngsten Kursabschläge hatten den Dax unter die für den kurzfristigen Trend wichtige 21-Tage-Linie gedrückt. Halt fand er dann an der 50-Tage-Linie, die bei Charttechnikern als Indikator für die mittelfristige Entwicklung gilt. Seit Jahresbeginn steht immer noch ein Plus von 15 Prozent zu Buche. Auch das Mitte Oktober erreichte Rekordhoch von knapp 19.675 Punkten ist noch in Sichtweite. Ob der Dax dieses wieder ins Visier nimmt oder weiter nachgibt, dürften die US-Wahlen am Dienstag maßgeblich beeinflussen. Der MDax der mittelgroßen deutschen Unternehmen gewann am Freitag 0,7 Prozent auf 26.514 Punkte. Auch der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 machte mit plus ein Prozent wieder Boden gut. Die nationalen Indizes in Zürich und London verbuchten ebenfalls Gewinne. Am deutschen Aktienmarkt verloren am Freitag die Papiere der Optikerkette Fielmann als Schlusslicht im Nebenwerte-Index SDax knapp acht Prozent. „Enttäuschend – unter unseren Erwartungen und denen des Marktes“, lautete das Fazit der Baader Bank zu den Quartalszahlen.
Sofia Taxidis
Auch wenn in Deutschland der eskalierte Ampelzoff im Vordergrund steht, das politische Ereignis des Jahres findet in den USA statt, wenn die Amerikaner darüber abstimmen werden, wer am 20. Januar 2025 ins Weiße Haus einziehen wird und wer die Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus erringt.
wirtschaft
2024-11-04T06:09:26+00:00
2024-11-04T06:13:53+00:00
https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/geldanlage/boersenwoche-trump-bei-den-buchmachern-vorn-ampelzoff/
Ampel reagiert erleichtert auf Einigung im Verbrenner-Streit
Gestern um 13:04 Uhr berichtete die dts Nachrichtenagentur, die Beilegung des Verbrenner-Streits zwischen Deutschland und der EU sei von Vertretern der Ampelparteien erleichtert aufgenommen worden. „Es ist gut, dass das Hin und Her ein Ende hat und Deutschland endlich dem europaweiten Aus des fossilen Verbrenners zustimmen wird“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, der Welt am Sonntag. Die Grünen-Politikerin sagte weiter: „An Deutschlands Verlässlichkeit darf es in der EU keinen Zweifel geben. Nun hat auch die Automobilindustrie Planungssicherheit – und kann den Turbo für E-Mobilität einlegen.“ SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sagte der Welt am Sonntag: „Ich bin erleichtert, dass die Diskussion über die Verwendung von E-Fuels für Verbrennermotoren nach 2035 nun beigelegt ist und ein tragbarer Kompromiss gefunden wurde.“ Das schaffe Planungssicherheit für alle. „Alles deutet daher darauf hin, dass die Zukunft des motorisierten Individualverkehrs im batterieelektrischen Antrieb liegt.“ Lukas Köhler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP im Bundestag, lobte ausdrücklich die „Hartnäckigkeit“ von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Auf Anfrage der Welt am Sonntag sagte der Liberale, seinem Parteikollegen sei zu verdanken, dass die Menschen auch langfristig selbst entscheiden könnten, auf welche Art der klimafreundlichen Mobilität sie setzten. Statt einzelne Technologien zu verbieten, brauche man marktwirtschaftliche Anreize für den Umstieg auf Elektroautos und klimaneutrale Kraftstoffe. Daher schlage die FDP die „schnelle Einführung eines echten Emissionshandels in Deutschland“ vor. Dieser solle, so Köhler weiter, einerseits das Erreichen der Klimaziele sicherstellen und andererseits dafür sorgen, „dass sich der Umstieg auf klimafreundliche Technologien finanziell immer mehr lohnt“. Um 13:09 war bei dts zu lesen: Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat die massive Kritik an seinem Beharren auf Ausnahmen vom EU-Verbrenner-Verbot zurückgewiesen. „Die EU-Kommission hat ihre im vergangenen Jahr gemachte Zusage, eine Lösung für nur mit E-Fuels betankbare Verbrenner vorzulegen, bisher nicht eingehalten“, sagte der Minister der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). „Es wäre absurd, die Technik des Verbrennungsmotors in Europa zu begraben und das Potenzial synthetischer Kraftstoffe nicht voll zu nutzen.“ Ihm gehe es „um die Sache, um die Menschen und deren berechtigte Mobilitätsbedürfnisse und um die Erreichung unserer Klimaziele“, ergänzte Wissing. Es sei auch nicht ausgemacht, dass E-Fuels dauerhaft knapp sein würden, so der Minister. „Am Golf und in Afrika könnten in einigen Jahren enorme Mengen synthetischer Kraftstoffe produziert und nach Europa exportiert werden. Es gibt Einschätzungen in der Branche, wonach ein Liter E-Fuel eines Tages so preiswert sein könnte wie heute der Liter Diesel oder Benzin. Und niemand kann garantieren, dass in 15, 20 Jahren ausreichend bezahlbare Elektrofahrzeuge auf dem Markt sind.“ (dts Nachrichtenagentur)
Fritz Goergen
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat die massive Kritik an seinem Beharren auf Ausnahmen vom EU-Verbrenner-Verbot zurückgewiesen.
daili-es-sentials
2023-03-26T15:13:33+00:00
2023-03-26T15:24:12+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/ampel-verbrenner-eu-wissing/
Jean-Claude Juncker: Einer, der so gerne so richtig groß wäre
Jean-Claude Juncker ist ein Meister der Inszenierung. Und er beherrscht die Körpersprache wie kein anderer. Wenn er Ungarns Präsidenten Victor Orbán mit „Hallo Diktator“ und erhobenem Unterarm mit gestreckter Handfläche öffentlich begrüßt, dann soll diese wohl scherzhaft gemeinte Gestik sagen: „Victor, mach Dich nicht wichtiger als Du bist. Hier in Brüssel bin ich der Chef“. Und wenn er dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras seinerzeit bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel die Hand gibt und die andere Hand oben auf die Hand des Griechen legt, dann sagt er damit: „Ich kümmere mich um Dich in Deiner schwierigen Situation. Aber eins sollte Dir von Anfang an klar sein: Ich bin der Stärkere von uns beiden“. Und wenn er jüngst in dieser Woche Tsipras eine kleine Ohrfeige zur Begrüßung gibt, sagt er der ganzen Weltöffentlichkeit: „Du kleiner, frecher Kommunist, ich habe Dich durchschaut. Jetzt ist aber Schluss mit Deinen Unverschämtheiten“. Wenn seine besondere Freundin Angela Merkel gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande eigene Vorschläge vorlegt, die eine engere Zusammenarbeit in der Euro-Gruppe ohne eine Änderung der europäischen Verträge anstreben, dann kann Juncker das natürlich nicht auf sich sitzen lassen, denn er ist der Präsident der EU. Er bestimmt die Richtlinien der europäischen Politik und nicht Merkel oder Hollande. Und deshalb holt er in dieser Woche, wo die Medien rauf und runter über die Folgen eines Grexits berichten und die Aktienmärkte nervös zucken, zum Gegenschlag aus. „In enger Zusammenarbeit“ mit Donald Tusk, Jeroen Dijsselbloem, Mario Draghi und Martin Schulz legt er einen 10-Jahresplan zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion Europas vor. Keiner sollte das ab und an körperliche Schwanken Junckers mit einer geringen geistigen Zielstrebigkeit verwechseln. Er will, aus einem kleinen Land kommend, nicht nur Präsident einer Kommission ohne Land sein, sondern Jean-Claude Juncker will Präsident eines europäischen Superstaates sein. Er will nicht dauernd am Katzentisch der Staats- und Regierungschefs sitzen müssen, sondern vorne – ganz vorne. Er will die Richtlinien der Politik bestimmen, sonst keiner. Dies ist im Kern auch der Duktus des 10-Jahres-Planes der fünf Präsidenten. Sie wollen die Gunst der Krise wieder einmal nutzen, um einen größeren Schluck aus der Zentralismus-Pulle zu nehmen, damit das Ziel der Politischen Union unumkehrbar wird. Spätestens bis 2025 soll die Union ein Hort der Stabilität und des Wohlstandes sein, steht es jetzt geschrieben. Schon einmal ist dies auf europäischer Ebene versucht worden. Im März 2000 verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs der EU in Lissabon ein Programm, das zum Ziel hatte, die EU innerhalb von zehn Jahren, also bis 2010, zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Es kam dann doch anders … Doch vielleicht klappt es ja dieses Mal? Wirtschaftsunion, Finanzunion und Fiskalunion sollen die Grundlage für die Politische Union schaffen. Dafür müsse nationale Souveränität aufgeben und „in zunehmendem Maß gemeinsame Entscheidungen über Teile ihrer jeweiligen nationalen Haushalts- und Wirtschaftspolitik“ akzeptiert werden. Am Ende stehe dann ein Hort der Stabilität und Wohlstandes für alle Bürgerinnen und Bürger der EU-Mitgliedsstaaten, die eine gemeinsame Währung miteinander teilen. Doch was ist, wenn es nicht klappt? Was ist, wenn die EU als Wirtschaftsraum wie bereits nach dem 10-Jahresplan von Lissabon am Ende nicht zur wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsregion der Welt geworden ist? Kommt dann der neue 10-Jahres-Plan mit noch mehr Zentralisierung und Machtkonzentration in Brüssel? Vielleicht liegt in der Grundannahme Junckers schon der Fehler, warum es erneut nicht klappt wird. Denn nicht die großen Tanker sind meist erfolgreich, sondern die kleinen und wendigen Boote. Warum sind Länder wie Norwegen, die Schweiz oder Neuseeland vielfach spitze? Zumindest gefühlt liegt Neuseeland am Ende der Welt, die Schweiz hat keine Rohstoffe und die Hälfte des Jahres liegt Schnee und in Norwegen ist es im Winter den ganzen Tag dunkel. Eigentlich keine guten Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg. Warum gelingt es ihnen trotz politischer und ökonomischer Übermacht großer Regionen wie der USA oder der EU dennoch viel bessere ökonomische Ergebnisse zu liefern? Vielleicht liegt der Erfolg dieser Länder an ihrer geringen Größe und ihrer Überschaubarkeit. Vielleicht führen der Zentralismus, der Superstaat und der 10-Jahresplan nicht zu Wohlstand, sondern zu Fehlinvestitionen, Arbeitslosigkeit und Verarmung. Es ist doch entlarvend und bezeichnend, dass im Junckerschen 10-Jahres-Plan nicht einmal die Worte Marktwirtschaft und Wettbewerb vorkommen. Deshalb will ich Juncker und seinen Mannen zurufen, was einer klügsten Köpfe des vergangenen Jahrhunderts, der überzeugte Liberale und Marktwirtschaftler Wilhelm Röpke, über Europa sagte: „Jedes Monolithische, starr Schablonenhafte ist ihm fremd und keine Feststellung ist hier zugleich wahrer wie unbestrittener als die, dass es das Wesen Europas ausmacht, eine Einheit in der Vielheit zu sein, weshalb denn alles Zentralistische Verrat und Vergewaltigung Europas ist, auch im wirtschaftlichen Bereiche.“
Der EU-Kommissions-Präsident will nicht mehr am Katzentisch sitzen sondern richtig wichtig werden
kolumnen
2015-06-24T07:12:47+00:00
2015-06-30T21:49:51+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/schaefflers-freisinn/jean-claude-juncker/
Wir werden belogen und getäuscht: Habeck muss zurücktreten!
Gegen die Grünen ist die Mafia ein Taubenzüchterverein mit Vereinsehre. Bereits die Vorgänge um Habecks Staatssekretär Graichen, aber auch um Udo Philipp, der im Amt gehalten wurde, hätten frühere Minister, man denke an Möllemanns Petitesse, zum Rücktritt gezwungen. Der Staat, insbesondere die Energie-, die Wirtschaftspolitik sind schwer grün durchfilzt. Man muss dazu wissen, dass schon bald nach der Gründung der Grünen die Naturbewegten durch Marxisten, Maoisten, durch kommunistische Kader verdrängt wurden und die Vorstellung, eine neue Gesellschaft zu errichten, unter erst vermeintliche Umweltschutz-, dann Klimaschutzforderungen versteckt wurden. Das erklärt auch, dass Leute wie Jürgen Trittin über Jahrzehnte frei nach Ulbrichts Devise, es muss nach Demokratie aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben, grüne Netzwerke im Staat etablierten, die nun den Wohlstand und auch die Demokratie ersticken. Die Demokratie ist in Gefahr, und zwar von Grün. Inzwischen haben die Grünen Ulbrichts Maxime modernisiert: Es muss nach Fakten aussehen, aber was Fakten sind, bestimmen wir. Kürzer und prägnanter hat das niemand besser formuliert als die bayerische Spitzengrüne Katharina Schulze, die vor dem Fenster stehend auf den fallenden Schnee am 23. April 2024 weist und kommentiert: „Auch wenn es nicht gerade danach aussieht, die Erde brennt und das überall.“ Soll heißen: Glaubt nicht, was ihr seht, sondern glaubt daran, was ich euch sage, und wenn ich euch sage, dass die Erde eine Scheibe ist, dann ist die Erde eine Scheibe, wenn ich behaupte, dass es 666 Geschlechter gibt, dann tretet der biologischen Erkenntnis, dass nur zwei Geschlechter existieren, energisch entgegen. Denn, was Fakten sind, bestimme ich, denn ich weiß das, weil ich eine Grüne bin. Die Akten aus dem Bundeswirtschaftsministerium, die noch dazu unvollständig und teils geschwärzt sind, die Cicero zur Einsicht freigeklagt hat, belegen, wie die Grünen Fakes zu Fakten erklärt haben, sie beinhalten all das, was die Regierung zu bekämpfen deklariert, nämlich Desinformation, die bewusste Verbreitung von Fake-News, Populismus, wenngleich grüner Populismus, und ein fast putschartiges Verständnis von Politik zum Schaden der deutschen Bürger und des deutschen Wirtschaftsstandorts. Nach Auswertung der Akten kommt der Cicero zu dem Schluss: „Die Expertise der mit Steuergeld bezahlten Fachleute im eigenen Ministerium spielte kaum eine Rolle. Meistens wurden sie gar nicht erst gefragt. Der mit Grünen-Parteisoldaten besetzte Führungszirkel des Wirtschafts- und des für nukleare Sicherheit zuständigen Umweltministeriums hat alle wesentlichen Schritte unter sich ausgemacht. Wenn die Fachreferate beider Ministerien doch mal ihre Einschätzung mitteilen durften, wurde diese meist übergangen – oder gezielt verfälscht.“ Beispielsweise ersetzte Bundesumweltministerin Steffi Lemke den Leiter der Abteilung S „Nukleare Sicherheit“, denjenigen, der für die Sicherheit der AKWs verantwortlich ist, durch einen grünen AKW-Gegner namens Gerrit Niehaus. Als die Fachleute seiner Abteilung ihm, wie Cicero belegt, einen Vermerk unter der Überschrift „Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke“ am 1. März 2022 vorlegten, in dem es hieß, dass ein Weiterbetrieb der damals noch laufenden Atomkraftwerke „über mehrere Jahre“ als „mit der Aufrechterhaltung der nuklearen Sicherheit vereinbar“ sei, schrieb er ihn um. Die Fachleute legten dar, welche Maßnahmen im Falle der Fortführung des Betriebes notwendig wären. Niehaus tauschte das Wort Kernkraft durch das Wort Atomkraft aus, dann verkehrte er die Aussage des Vermerks: „Die Abteilung S (Nukleare Sicherheit, Strahlenschutz) kommt zu dem Ergebnis, dass die Verlängerung der Laufzeit der drei noch laufenden Atomkraftwerke über den gesetzlich festgelegten und planerisch zugrunde gelegten 31.12. 2022 hinaus sicherheitstechnisch zu vertreten ist“ in sein Gegenteil. Auch die Aussage, „dass eine echte Laufzeitverlängerung mit neuen Brennstäben für mehrere Jahre sicherheitstechnisch möglich wäre“, fehlte nun, stellte Cicero fest. Niehaus’ Dichtung endete mit dem Diktum: „Eine Laufzeitverlängerung ist aus Gründen der nuklearen Sicherheit abzulehnen.“ Übrigens scheint die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) in Niehaus’ Überarbeitung nicht mehr einbezogen worden zu sein. Am 9. April 2022 hatte ich auf TE geschrieben: „Um in dieser Situation die Diskussion über die Kernkraft gar nicht erst aufkommen zu lassen, inszenierte Robert Habeck eine ‚Vorprüfung‘, doch wurden die Fachleute, weder die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) noch die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK), in die Prüfung einbezogen. Die Aussage, dass der Weiterbetrieb der noch verbliebenen drei Kernkraftwerke im kommenden Winter 2022/23 nicht helfen und mit ‚höchsten Sicherheitsbedenken‘ verbunden wäre, ist schlicht falsch, stammt aber vielleicht von den ‚Fachleuten‘ von Greenpeace, vom Verband WindEnergie oder dem ‚Thinktank‘ Agora Energiewende.“ Mit meiner Vermutung sollte ich der Wahrheit sehr nahe gekommen sein, denn die verantwortlichen Staatssekretäre für diesen unfassbaren Anschlag auf die deutsche Versorgungssicherheit und die Plünderung der deutschen Wirtschaft und der Bürger durch die bewusst verursachte Energiepreisexplosion, sind Habecks Patrick Graichen und Lemkes Stefan Tidow, beide hatten in der Agora Energiewende zusammengearbeitet. Der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller äußerte damals übrigens: „Es ist leider nicht völlig auszuschließen, dass wir Entscheidungen treffen müssen, die furchtbare Konsequenzen für Unternehmen, für Arbeitsplätze, für Wertschöpfungsketten, für Lieferketten, für ganze Regionen haben.“ Sie hatten die Entscheidungen getroffen – und sie wirkten und wirkten sich „furchtbar“ aus. Zwar hatte Olaf Scholz noch einer Verlängerung durchgesetzt bis in das Frühjahr 2023, weil die Angst in der Ampel umging, dass die Regierung ihren Hut nehmen müsste, wenn die Energieversorgung zusammenbrechen würde, doch war das nur ein kurzes Spiel auf Zeit. Meine Feststellung, dass die „Vorprüfung“, die Habeck im „Bericht aus Berlin“ ankündigte, ein Fake, ein Schauspiel zur Irreführung der Öffentlichkeit war, scheinen die Akten zu bestätigen, denn die Fachleute kamen zu dem Schluss, dass der Weiterbetrieb die Versorgungssicherheit erhöhen und die Strompreise senken würde: „Da sich die Kernenergie mit sehr geringen variablen Kosten am unteren Ende der Merit-Order einordnet, verdrängt ihr Einsatz teurere Grenzkraftwerke aus der Merit-Order. Da die Residuallast vor allem in den Monaten Januar und Februar besonders hoch ist, ist zu erwarten, dass die Kernenergie häufig Gaskraftwerke verdrängt. Dadurch könnten die Strompreise in vielen Stunden sinken.“ Merit-Order bedeutet, dass die teuerste Art der Energiegewinnung, die teuersten Kraftwerke den Strompreis bestimmen. Gaskraftwerke sind teurer als Kernkraftwerke. Um auch hier gegen grüne Legendenbildung vorzugehen, die teuersten Kraftwerke sind die Gaskraftwerke, dann folgt in den Kosten die Steinkohle- und danach die Braunkohleverstromung, und als weit billiger als all diese Arten der Energiegewinnung erweisen sich die Kernkraftwerke. Noch vor kurzem behauptete Robert Habeck: „Wir sehen heute, dass die Stromversorgung weiter sicher ist, die Strompreise auch nach dem Atomausstieg gefallen sind und die CO₂-Emissionen ebenfalls runtergehen.“ Der Vermerk seiner Fachleute belegt, dass Habeck trickst und täuscht, denn der Strompreis hätte wirklich sinken können, wenn die Kernkraftwerke am Netz geblieben wären. Bei einem Verbrauch von 4000 KWh im Jahr liegt der Strompreis aktuell bei 37,73 Cent. Zwar lag er 2022 bei 43,02 Cent, doch wurde 2022 die EEG Umlage ab Juli 2022 von der Stromrechnung genommen und wird nun vom allgemeinen Steueraufkommen bezahlt, damit die Bürger nicht mehr nachprüfen können, dass diese Subvention für die Betreiber erneuerbarer Energien steigt. Würde man die EEG-Umlage noch auf seiner Stromrechnung haben, müsste man noch 6 bis 8 Cent pro KWh auf den Preis draufschlagen. Die Strompreise sanken dadurch, dass die EEG-Umlage von der Stromrechnung der Bürger genommen wurde und sie sind im Verlgeich zu den Jahren 2014 bis 2022, wo sie 28,03 Cent bei einem Jahresverbrauch von 4000 KWh betrugen, immer noch höher. Schaut man sich Habecks AKW-Papers an, kommt man nicht umhin festzustellen, dass die Öffentlichkeit, der Souverän, die Bürger belogen wurde und dass man in Fragen der Energiesicherheit Hasard spielt. Aber vielleicht hat Robert Habeck auch nur ein Problem mit der Wahrheit. Denn in den Akten findet sich folgender weiterer Verlauf der Verfälschung des Vermerks von Gerrit Niehaus. Nachdem Niehaus aus der Einschätzung seiner Fachleute, dass der Weiterbetrieb der AKWs „sicherheitstechnisch zu vertreten“ sei, in die Feststellung umdichtete: „Eine Laufzeitverlängerung ist aus Gründen der nuklearen Sicherheit abzulehnen“, schickte Lemkes Staatssekretär Stefan Tidow diesen Vermerk an Habecks Staatssekretär Patrick Graichen. Graichen fühlte sich nun berufen, diesen Vermerk zur Grundlage für ein fünfseitiges Elaborat unter dem Titel „Prüfung des Weiterbetriebs von Atomkraftwerken aufgrund des Ukraine-Kriegs“ zu machen. Am 4. März mailte der fleißige Graichen um 21.32 Uhr seine fünf Seiten viel Dichtung und keine Wahrheit an Tidow. Laut Cicero strotzte der Text „so sehr vor Falschbehauptungen und Unwissen, dass selbst Atomaufsichtschef Gerrit Niehaus, obwohl politisch voll auf Linie, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben muss. Er schrieb noch um 22.57 Uhr an seinen Chef Tidow: „Lieber Stefan, leider ist die Einleitung insbesondere in der Einleitung juristisch grob falsch. Ich habe das schlimmste versucht zu verhindern. Außerdem kann ich die Aussage, dass notwendig Nachrüstungen im Hinblick auf das Laufzeitende nicht erfolgten, als verantwortlicher Aufsichtsbeamter nicht mittragen. Meine Veränderungen versuchen das abzuschwächen. Viele Grüße Gerrit“ Doch der stolze Verfasser schickte seinen Entwurf nicht nur an Stefan Tidow, sondern auch an seinen Minister Robert Habeck: „Stefan Tidow wird noch ein paar Ergänzungen vornehmen, aber im Grunde kann das dann auch die Basis für die Kommunikation der beiden Häuser nächste Woche sein.“ Nicht minder als sein Verfasser zeigte sich Habeck von Graichens Entwurf beeindruckt und dadurch angespornt setzte sich der Kinderbuchautor gleich hin und überführte nun Graichens fünfseitigen Text in eine ebenfalls fünfseitige Dichtung, die er am Samstagnachmittag an Graichen und Tidow sandte. Der Text von Habecks Anschreiben spricht Bände: „Lieber Patrick, lieber Stefan, ich habe aufbauend auf Eurem famosen Papier ein FAQ gemacht, weil ich glaube, man muss das ERZÄHLEN. Wenn Ihr drüber lesen wollt – alle anderen auch. Ich würde vorschlagen, dass dann morgen 12.00 an die Betreiber zu mailen. Lg R“ Im Klartext: Wir müssen den Leuten eine Geschichte AUFTISCHEN, und wie es sich erweist eine fiktive Geschichte, eine Geschichte wie für Kinder, die nichts mit der Realität zu tun hat, sondern dem Geist der Ideologie entsprungen ist. In den Ministerien versuchte man, das Schlimmste zu verhindern und arbeitete den Text noch um, bevor er publiziert wurde. Wenn man nun sieht, wie man im Bundeswirtschaftsministerium und im Bundesumweltministerium mit der Wahrheit und mit der Kompetenz der Fachleute umgeht, wie bereit man zu sein scheint, die Öffentlichkeit zu täuschen, bleibt nur ein Schluss zu, man kann den Führungen beider Ministerien nicht trauen und schon gar nicht vertrauen. Man wird nicht informiert, es wird nicht nach Sachkenntnis entschieden. Würde in dieser Regierung ein Funken rechtsstaatliches Bewusstsein, eine Restmenge demokratischer Kultur existieren, müsste Robert Habeck nach den Veröffentlichungen über den Atomausstieg zurücktreten – und nicht nur er. Doch er wird nicht zurücktreten, die Regierung wird sich nun endgültig selbstdelegitimieren, um eine quasipolizeiliche Gesinnungsrechtsvokabel des Präsidenten des Verfassungsschutzes zu verwenden, die Ampel wird Robert Habeck koste es, was es wolle als Minister halten, weil sie sonst zerbricht, und stattdessen, wenn die gerechtfertigte Empörung sich nicht mehr durch die grünaffinen Medien drosseln lässt, einen Sündenbock suchen, das wird wohl ein Staatssekretär sein. Der Kongress der Weißwäscher hat bereits hektisch die Arbeit aufgenommen. Habecks Tagesschau beeilt sich schon, das Dementi des Bundeswirtschaftsministeriums in den Vordergrund zu rücken, man ist hierbei so sehr an der Wahrheit interessiert, wie man es bei der „Einordnung“ der Ergebnisse der letzten Kriminalstatistik war. Die Tagesschau tönt: „Die Darstellung des Magazins sei ‚verkürzt und ohne Kontext‘, erklärte das Ministerium. Entsprechend seien die daraus gezogenen Schlüsse ‚nicht zutreffend‘.“ Was Kontext und was Fakt ist, bestimmt das Bundeswirtschaftsministerium und die ihm angeschlossene Tagesschau. Oder wie Katharina Schulze am 23. April 2024 postete: „Auch wenn es nicht gerade danach aussieht, die Erde brennt und das überall.“ Man darf sich schon eine Tüte Popcorn hinstellen und warten, was die anderen öffentlich finanzierten, grünen Medien und andere Habeck-affine Medien schreiben. Doch ein Verteidigungskrieg um den Minister ist schon errichtet, denn die WELT mutmaßt bereits, dass der arme Minister von nichts gewusst haben könnte, ihm einfach Informationen vorenthalten wurden. Am Ende wird man uns noch einreden wollen, dass diese Atomausstiegsintrige das Werk zweier geradezu mephistophelischer Staatssekretäre war. Und man wird darauf hinweisen, dass in der lückenhaften Aktenauswahl sich keine Belege dafür finden, dass der Minister über alles informiert worden sei. Es kann durchaus sein, dass keine Belege existieren. Nur Menschen reden miteinander, zuweilen auch deshalb, um Absprachen nicht in Akten wiederzufinden. Eine Regierung, die die Unschuldsvermutung aufhebt, kann sich nicht auf sie berufen. Es ist überhaupt völlig egal, wie viel und was Robert Habeck wusste und was nicht. Entweder kannte er den ganzen Vorgang, dann muss er gehen, weil er die Bürger betrogen hat. Oder er besaß keine Kenntnis darüber, dann muss er zurückzutreten oder entlassen werden, weil er sein Ministerium nicht im Griff hat, weil dort dann jeder das machen kann, was er will, vorausgesetzt, es passt in die Ideologie des Wirtschaftsministers. Übrigens: Dieser Mann will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden.
Klaus-Rüdiger Mai
Entweder kannte Habeck den manipulativen Vorgang, der zum Atomausstieg führte. Dann muss er gehen, weil er die Bürger betrogen hat. Oder er kannte ihn nicht, dann muss er zurückzutreten oder entlassen werden, weil er sein Ministerium nicht im Griff hat. Weil dort dann jeder das machen kann, was er will – vorausgesetzt, es passt in die grüne Ideologie.
meinungen
2024-04-25T17:01:42+00:00
2024-04-26T09:34:51+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/atomausstieg-habeck-ruecktritt/
Linksfraktion: Chronik eines angekündigten Todes
Am kommenden Dienstag wird die Welt – so sie es denn überhaupt wissen will – erfahren, wann die Liquidation der Linksfraktion beginnt. Das hat Noch-Fraktionschef Dietmar Bartsch jetzt mitgeteilt. Bekanntlich hat Sahra Wagenknecht zusammen mit neun weiteren Abgeordneten für Januar die Gründung einer eigenen Partei angekündigt, die „Bündnis Sahra Wagenknecht“ heißen soll. Die zehn Abtrünnigen waren folgerichtig aus der „Linkspartei“ ausgetreten. Die Geschäftsordnung der Linksfraktion sieht vor, dass Abgeordnete, die die Partei verlassen, einen Antrag stellen müssen, wenn sie trotzdem weiter in der Fraktion bleiben wollen. Das hatten Wagenknecht und ihre Mitstreiter auch getan. Sie wollen – wohl bis zur Gründung ihrer eigenen neuen Partei im Januar – in der Fraktion bleiben. Aber die Fraktion will das nicht. Noch nicht einmal die paar Wochen bis Januar – obwohl da parlamentarisch so gut wie nichts mehr passieren dürfte, bald ist ja schon Weihnachtspause. Aber die Wagenknecht-Feinde in der „Linken“ wollen offenbar ums Verrecken nicht darauf warten, dass die Ehefrau von Oskar Lafontaine zusammen mit ihrer Gefolgschaft die Fraktion aus eigenen Stücken verlässt. Das führt nun dazu, dass die Post-Kommunisten früher als nötig auf Geld verzichten müssen – auf sehr viel Geld: Denn ohne die Wagenknechte hat die „Linke“ nicht mehr genügend Abgeordnete, um im Bundestag eine Fraktion zu bilden. Deshalb will sie ja auch die Selbstauflösung einleiten. Fraktionen bekommen aber sehr viel Staatsknete, vor allem für Personal. Das bekommt die „Linke“ jetzt nicht mehr. Im Parlament können die Genossen als sogenannte „Gruppe“ weitermachen – mit deutlich weniger Geld und auch viel weniger Redezeit. Der finanzielle Verlust lässt sich womöglich verschmerzen: Noch immer ist der Verbleib von vielen Millionen ungeklärt, die die SED seinerzeit den Bürgern der DDR geraubt und in ihren Apparat gesteckt hatte. Deutlich schwerer dürfte der Verlust an politischer Präsenz wiegen. Nach jüngsten Umfragen käme auch die „Linkspartei“ nur auf unter fünf Prozent, würde also aus dem Bundestag fliegen. Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ würde dagegen aus dem Stand 14 Prozent schaffen.
Marco Gallina
Die parlamentarische Vertretung der „Linkspartei“ – vormals PDS, vormals SED – will in der kommenden Woche ihre Auflösung beschließen. Die Post-Kommunisten liquidieren sich lieber selbst, als weiter Sahra Wagenknecht im eigenen Klub zu ertragen.
meinungen
2023-11-12T17:31:20+00:00
2023-11-12T17:35:30+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/linksfraktion-chronik-eines-angekuendigten-todes/
Die Menschen wollen keine „Chancen“, sondern Sicherheit
Das Grundproblem kapitalistischer Ordnungen bleibt, dass die Interessen von Unternehmern und Kapitalbesitzern nicht identisch sind mit denen von nichtvermögenden abhängig Beschäftigten, die durchweg lebenslang nicht in der Lage sind, nur durch reinen Kapitalkonsum zu leben. Ihr Einkommen reicht zumeist nur aus, um bestenfalls alle Ausgaben zu tätigen, nicht aber nachhaltig Vermögen aufzubauen. Entgegen allen anderen Behauptungen war das in Deutschland seit der industriellen Revolution auch nie anders, auch nicht in den goldenen Jahren der BRD (allenfalls etwas leichter als heute), was die exzessiv hohe Mieterquote der Deutschen beim Wohnen verdeutlicht – aber auch die fast totale Abhängigkeit fast aller Senioren von steter staatlicher Alimentation namens Rente oder Pension. Dazu muss er nur einen kleinen Seitenblick auf seine Kinder werfen, um wissend zu nicken. Wäre es anders, hätte zum Beispiel der öffentliche Dienst auf dem Arbeitsmarkt keine Chance, tatsächlich ist er auch und gerade bei den jüngeren Alterskohorten beliebter denn je. Im Gegenteil: Die Jahre seit etwa Mitte der 1980er Jahre sind für die Mittelschicht eine einzige, sich verdichtende Erfahrung geworden, dass Einkommen und Einkommenssicherheit nicht mehr planbar sind, dass zwischen Haus, Garten, zwei Autos, Kinder und jährlichem Urlaub im Süden einerseits (also dem gewöhnlichen Verständnis von Mittelschichtleben) und Hartz IV, Kleinstwohnung im Plattenbaughetto und kein Geld mehr auf dem Konto ab dem Monatszwanzigsten nur ein einziges, ein lausiges Jahr ALG1 liegen. Liegen können. Ich behaupte, dass 80 bis 90 Prozent der deutschen Mittelschicht dieses Damoklesschwert über sich schweben fühlen, die heute unter 50jährigen kennen es zeitlebens gar nicht mehr anders. Sicher, es gab ein paar Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, wo das anders war. Auch ich bin in so einer Reihenhaussiedlung der Beamten, Facharbeiter und Ingenieure bei der örtlichen Industrie aufgewachsen, in denen eine Sicherheit und soziale Ausgeglichenheit herrschte, die sich heute keiner mehr vorstellen kann oder ihr melancholisch hinterhertrauert. Den Deutschen im Osten geht das – Stasi und Mauer hin oder her – mit der Arbeitsplatzsicherheit in der DDR, den geringen sozialen Unterschieden in der Gesellschaft damals doch genauso. Sie haben hinsichtlich der harten Bauchlandung uns im Westen nur 30 Jahre voraus, Corona wird unsere (westdeutsche) Treuhandanstalt sein. Und wie im Osten werden die Billionen doch keine Massenarbeitslosigkeit verhindern können. Überall geht es los, die Presse ist schon voll davon. Insoweit reicht es nicht, in einer Krise wie dieser einfach alle unmodern gewordenen Unternehmen pleitegehen zu lassen und darauf zu hoffen, dass auf diesen Trümmern neues sprießt. Das wurde den Deutschen schon einmal versprochen, uns im Westen in den 80ern, denen im Osten in den 90ern. Und was kam bei raus? Alles, was wir kaufen, ist made in China, Samsung und Apple – und Produkte mit deutschen Markenzeichen, produziert in der Türkei oder Slowenien. Und bei uns Callcenter und DHL. Die Ostler hofften auf „blühende Landschaften“ und bekamen stattdessen das Fernpendeln von Gera nach Frankfurt am Main. Nein, dieses Narrativ trägt nicht für die, die nichts haben außer ihrem Monatseinkommen. Und leider, Herr Horn, fürchte ich, geben Merkel und Lagarde diesen Dünnhäutigen die überzeugendere Antwort. Schauen Sie sich die Wahlergebnisse an. Wie sagte Fassbender so schön? Angst essen Seele auf. Die Menschen wollen keine „Chancen“, sie wollen Sicherheit für ihr kleines, kurzes Leben. Und jeden Besenstiel, der ihnen das verspricht, den werden sie wählen. Nicht, dass sie nicht trotzdem in der Sache recht hätten. Was aber, wenn Sie erst recht bekommen, wenn es keiner mehr erlebt? Fragen Sie den Selbstständigen Ihres Vertrauens, wie es ihm in den letzten drei Monaten gegangen ist, mit Corona und der notwendigen Kapitalentwertung.
Fritz Goergen
Die Menschen wollen keine „Chancen“, sie wollen Sicherheit für ihr kleines, kurzes Leben. Und jeden Besenstiel, der ihnen das verspricht, den werden sie wählen.
gastbeitrag
2020-06-21T14:00:51+00:00
2020-06-21T14:08:05+00:00
https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/die-menschen-wollen-keine-chancen-sondern-sicherheit/
„Pandemie der Medien“ – Uni-Studie kritisiert ARD und ZDF bei Corona-Berichterstattung scharf
Die Öffentlich-Rechtlichen haben offensichtlich wider eigenes Bekunden nichts dazugelernt: Aktuell bescheinigt ihnen eine Studie der Universität Passau in der Corona-Krise fundamental versagt zu haben, keine kritische Berichterstattung aufgenommen, sondern stattdessen der Merkelschen Regierungslinie gefolgt zu sein, der „ideologische(n) Marschrichtung der Politik“. Also quasi analog zum Eingeständnis eines Printmedien-Chefredakteurs in der Berichterstattung rund um die Zuwanderungskrise. Wie ist die Passauer Universität bei der Betrachtung der Sondersendungen von ARD und ZDF zum Corona-Virus vorgegangen? Medienforscher der Uni haben mehr als 90 Sendungen aus dem Zeitraum Mitte März bis Mitte Mai 2020 von ARD-Extra und ZDF-Spezial untersucht. Also Blick in die Studie via Wissenschaftsnetzwerk Researchgate. Dort nämlich hatten die Studienmacher der Uni ihr Werk abgelegt für die Kollegen in der Welt. Oder als im Ergebnis toxisch dort versteckt? Der erste Satz der Zusammenfassung bietet schon den ersten saftigen Knaller: Die Studienmacher haben offesichtlich Spaß, beim Objekt ihrer Betrachtung die Giftspritze anzusetzen, niemand wird geschont: „Die Pandemie im Zusammenhang mit dem Virus SARS-CoV-19 lässt sich auch als eine Geschichte einer Pandemie der Medien beschreiben.“ Die Wissenschaftler finden die Tatsache „signifikant“, dass ab der zweiten Märzwoche 2020 bis in den Juni hinein „die öffentlich-rechtlichen Programme ARD und ZDF nahezu täglich nach der Hauptnachrichtensendung am Abend eine Sondersendung (…) zum Coronavirus ausstrahlten.“ Im gesamten Jahr 2019 habe es nur ein Drittel der Anzahl an Sondersendungen gegeben, welche ZDF und ARD in Sachen Corona-Krise in wenigen Wochen ausgestrahlt haben. Die Studienmacher „verstehen die Fernsehsondersendungen als abgeschlossene Modelle von Welt, die implizite Regeln, Werte und Ideologien aufweisen.“ Die Studie stellt schon zu Beginn fest, dass die besagten Sondersendungen von ARD und ZDF auch dort, wo sie vermeintlich faktisch zu berichten vorgeben, letztlich über eine „Operation der Auswahl“ und „Kombination“ eine eigene neue Bedeutungsebene aufbauen. In Kombination mit den genannten „Ideologien“ wird die Studie bereits hier zu einer mächtigen Klage Richtung öffentlich-rechtliche Berichterstattung. Ein Vorwurf, wie er härter kaum zu führen ist. Noch mehr, wenn die Studie weiter ausführt, dass das der „Ausblendung aller andere gesellschaftlichrelevanten Gemengelangen“ entspräche. Wer laut Studie mit einer Relevanz des Themas für die gesamte Bevölkerung argumentiere, der würde bei ARD und ZDF allerdings ein „permanentes Krisen- und Bedrohungsszenario“ vermittelt bekommen. Es kommt Seite für Seite schlimmer für den ÖR, so die Studie bescheinigt, dass da gerne mal im Zitat mit „Experten“ gearbeitet , die nicht genannt werden: „Auch in Interviews wird wiederholt auf anonym bleibende „Experten“ verwiesen“. Diese ÖR-Sendungen würden nicht müde werden, immer wieder ein „Zuwenig der staatlichen Interventionen“ anzuprangern. Bemängelt werden vom Zwangsgebührenfernsehen künstlich geschaffene Dystopien, „Krisenszenarien“ und Apokalypsen. Aber um was zu erreichen mit diesen „Bildwelten apokalyptischer Endzeiterzählungen“, wie es die Studie nennt? Die analysierten Sendungen würden immer wieder den vollständigen Zusammenbruch des öffentlichen Lebens unterstreichen und als neue Normalität setzen. Hier ist die Vernichtung der Öffentlich-Rechtlichen über die Kritik der Studie an diesen Sondersendungen eine absolute:: „In der Iteration der Texte und Bilder insgesamt und der redundanten Struktur der Verknüpfung von textueller und visueller Ebene wird folglich immer wieder der vollständige Zusammenbruch des öffentlichen Lebens unterstrichen und als neue Normalität gesetzt.“ Und warum sie das tun, weiß die Studie auch: „Entsprechend fokussieren die Sendungen während des Shutdowns als Hoffnungsschimmer primär die Entwicklung eines Impfstoffs“. Eine Fußnote der Studie dazu zeigt auf geradezu humoristische Weise das öffentlich-rechtliche Desaster: „Dass etwa die Abmoderation vom ARD-Extra vom 16. April 2020 mit den Worten «Bleiben Sie optimistisch» (30:12) schließt, hat vor diesem Hintergrund durchaus ironischen Charakter.“ Exakt diese Sendungen, so die Studie, seien „zusätzlich dazu angetan, Panik in der Bevölkerung aufkommen zu lassen.“ Weiter heißt es da: „Dagegen wird von den Sondersendungen eine Identität von Virus und Maßnahmen inszeniert, wodurch die Maßnahmen als genauso „natürlich“ und in gewisser Hinsicht un-hinterfragbar wie der Virus selbst erscheinen.“ Regierungsmaßnahmen, die von den Öffentlich-rechtlichen als nicht mehr hinterfragbar kommuniziert werden – also ein Schlag ins Gesicht der Meinungsfreiheit und der ergebnisoffenen Debatte. Bei ARD und ZDF kommt es dabei laut Studie „in der Regel“ zu Emotionalisierungsstrategien, etwa wenn weinende und überforderte Mütter (kaum Väter) gezeigt werden“. Und wieder die von der Studie identifizierten Aufforderung bei ARD und ZDF, der Regierung zu gehorchen: „Die gesellschaftlichen Akteure werden dabei durchgängig als machtlos gegenüber den staatlichen Maßnahmen identifiziert, ihnen bleibt nichts, als diese zu erdulden. (…) Dass jedoch die Maßnahmen an sich – unabhängig von der jeweiligen Ausgestaltung – insgesamt zielführend sind, wird implizit vorausgesetzt.“ Insgesamt würden diese Sondersendungen einem seriellen Erzählen folgen, wie bei Vorabend-Soaps, so die Studienmacher. ÖR-Sondersendungen also als Fortsetzung der Lindenstraße? Sogar das „Figureninventar“ wäre ähnlich überschaubar! Es ist vernichtend. Im weiteren Verlauf ein Faustschlaghagel der Uni Passau auf das Öffentlich-Rechtliche. Attestiert wird eine „Verengung der Welt, indem andere Sichtweisen als die eigene nicht zugelassen werden.“ Die Darstellung der Krise beim ÖR würde einen unterstellten Werte- und Normenkanon der Gesellschaft sichtbar machen und die Inszenierung noch verstärken. Und die Dramen innerhalb der Familien würden anhand von liegen gebliebenem Abwasch dramatisiert: „Das Familienleben in der Krise verkommt so zur Nicht-Zeit, die schon darüber abgewertet ist, dass sie nicht den üblichen gesellschaftlichen Maximen folgt.“ Leute wie der Virologe Christian Drosten würden zu Helden stilisiert. Die Studie erzählt es, als hätte sie bei ARD und ZDF dem Endkampf des dritten Reiches beigewohnt: „Es werden Spruchbänder aus Krankenhäusern mit der Aufschrift „Wir bleiben für euch da“ in Szene gesetzt, womit die heldenhafte Aufopferungsbereitschaft der Akteure unterstrichen und ein ähnlich dichotomes Weltmodell konstruiert ist, wie in Bezug auf die Kriseninszenierung: ‚Helden’ (aktiv) vs. ‚Masse’ (passiv) verhalten sich hier wie ‚Regelsetzende’ (aktiv) vs. ‚Regelbefolgende’ (passiv) zueinander.“ Dabei würde von ARD und ZDF eine spezifische Ästhetik verwendet, „die üblicherweise für fiktionale Formate reserviert ist, obwohl es hier doch gerade um die Dokumentation einer Wirklichkeit geht. Genau diese wird aber durch die gewählte Inszenierungsstrategie konterkariert, indem durch die Musik eine Emotionalisierungsstrategie zur Anwendung kommt und die Hollywood-Ästhetik eine Art dystopische Endzeitstimmung generiert.“, fasst die Studie noch einmal das schon eingangs kritisierte Vorgehen zusammen. Die Studienmacher schaffen es hier während ihrer so umfängliche Vernichtung der Arbeit der Öffentlich-Rechtlichen immer wieder auch über die Dreistigkeit der TV-Macher zu schmunzeln: „Interessanterweise führt die Off-Stimme zu Beginn des Einspielers über das Bild einer Krankenhausszene aus: „Das hier ist kein Katastrophenfilm, sondern bittere Corona-Realität in Deutschland“ (ZDF-Spezial vom 21. April 2020, 07:00).“ Wohlgemerkt, während der inszenierte Katastrophenfilm gerade als Nachricht in der Sondersendung läuft: „Im Anschluss daran wird aber genau die Ikonografie des Katastrophenfilms bzw. der Katastrophenberichterstattung bemüht.“ Ein weiteres Fazit der Studie: „Prominent ist als Leerstelle aber vor allem eine tiefergehende Kritik an den von der Politik getroffenen Maßnahmen zu nennen.“ Damit seien, so versuchen die Studienmacher ihre Ergebnisse ihrer Studie noch abzumildern, keineswegs den Sondersendungen „automatisch eine Staatshörigkeit zu unterstellen“ Und nach dem man nun dieser von Irgendwo aus dem Nirgendwo von einer evangelischen Pressestelle ans Licht gezerrten Studie beigewohnt hat als Bloßstellung der Mär von der Seriosität des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, muss diese Klarstellung auch rückwirkend wirksam werden auf die Berichterstattung über die Zuwanderungskrise von 2015 bis heute. Auch damals wie heute gab und gibt es mehr oder weniger viele Sondersendungen, welche die Verwerfungen mit fiktiven, frech als Fakten behaupteten Erzählungen kaschieren sollen. Das Gleiche gilt übrigens auch für die etablierten Print- und Onlinemedien. In der Zuwanderungs- wie in der Corona-Virus-Erzählung. Der Damm ist gebrochen. Wasser marsch. Nachtrag: ARD und ZDF haben die Brisanz der Studie offensichtlich begriffen und wehren sich jetzt, wie dpa berichtet, gegen das vernichtende Urteil der Studie. Die Anzahl der Sendungen wäre doch dem Zuschauerinteresse geschuldet, gab ARD-Chefredakteur Rainald Becker zu Protokoll. Quantität allerdings war der geringste der Anwürfe. Auch inhaltlich hält er, was gezeigt wurde auch „im Nachhinein“ für angemessen. Das wiederum darf man getrost für eine unangemessene Auseinandersetzung mit der fundamentalen Kritik halten. Die Abwehr der Vorwürfe beschränkt sich auf die Rechtfertigung der schieren Masse an Sendungen, das vernichtende Urteil der Studie über die Qualität der Sendungen wird nicht oder kaum reflektiert. Das vernichtende Urteil war dann wohl doch zu umfassend.
Sofia Taxidis
ARD und ZDF haben die Brisanz der Studie offensichtlich begriffen und wehren sich jetzt, wie dpa berichtet, gegen das vernichtende Urteil der Studie.
kolumnen
2020-08-20T14:13:08+00:00
2020-08-20T15:25:58+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/alexander-wallasch-heute/pandemie-der-medien-uni-studie-kritisiert-ard-und-zdf-bei-corona-berichterstattung-scharf/
Es geht nicht um Aufrüstung
Im November 2018 konnten die Soldaten der Bundeswehr einen schwachen Hoffnungsschimmer haben, dass die verantwortlichen Politiker in Regierung und Parlament zur sicherheitspolitischen Vernunft gefunden haben, sowie ihrer Verantwortung für die Parlamentsarmee gerecht werden wollen und die Streitkräfte nun endlich mit der Wiederherstellung ihrer stark beeinträchtigten Einsatzfähigkeit beginnen können. Dabei geht es nicht um „Aufrüstung“ (Gabriel und andere links/rot/grüne Politiker), sondern um dringend benötigte Ausrüstung für unsere Soldaten. Nun droht erneut erhebliches Ungemach, denn das Kabinett will am 20. März 2019 über die Finanzplanung der nächsten vier Jahre beraten und der vertrauliche Eckwertevorschlag, den Finanzminister Scholz (SPD) dafür vorgelegt hat, entspricht in keiner Weise dem errechneten Bedarf und den Erwartungen der Bundeswehr. Gemessen am 52. Finanzplan und am bisherigen Eckwertebeschluss (2019-2022) der Bundesregierung verlangt Verteidigungsministerin von der Leyen für die kommenden vier Jahre (2020-2023) insgesamt 28 Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr. Im Eckwertevorschlag von Scholz ist allerdings lediglich ein Mehrbetrag von 3 Milliarden Euro vorgesehen. Wenn Scholz damit durchkommt, fehlen der Bundeswehr in den kommenden vier Jahren 25 Milliarden Euro. Mit einer solchen Finanzplanung ist der gewaltige Modernisierungsbedarf der durch jahrelange Unterfinanzierung zum „Sanierungsfall“ kaputtgesparten deutschen Streitkräfte nicht zu decken. Die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr wird sich über unvertretbar lange Zeiträume hinziehen und Deutschland wird über Jahre seine Verpflichtungen gegenüber der NATO und der EU nur höchst unzureichend erfüllen können. Die Soldaten und zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr werden das Vertrauen in die politische Leitung aber auch in unsere parlamentarische Demokratie noch nachhaltiger verlieren, denn die Parlamentarier haben die jahrelange Unterfinanzierung der Parlamentsarmee Bundeswehr ja jahrelang mitgetragen und letztendlich haushaltshoheitlich entschieden. Und Deutschland wird seine Versprechen erneut brechen. Mit der NATO wurde mehrfach vereinbart, dass alle NATO-Mitglieder die Verteidigungsinvestitionen bis 2024 in Richtung zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) allmählich steigern. 2018 hat Deutschland lediglich blamable 1,24 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Verteidigung investiert. Beim NATO-Gipfel im Juli 2018 in Brüssel hat Kanzlerin Merkel deswegen sehr unangenehme Fragen beantworten müssen. Um die Wogen etwas zu glätten, hat die Bundesregierung der NATO dann offiziell mitgeteilt, dass Deutschland im Jahr 2024 Verteidigungsinvestitionen in Höhe von 1,5 Prozent BIP leisten will. Deutschland steht also ganz offiziell nicht zu den einvernehmlich getroffenen NATO-Vereinbarungen und wird seine erbärmliche „Trittbrettfahrerei“ fortsetzen. Und nach dem Scholz-Entwurf würde Deutschland 2023 nur 1,23 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben und würde noch nicht einmal das selbst vorgeschlagene „Kompromissziel“ erreichen. Deutschland präsentiert sich der NATO und der EU als unzuverlässiger und nicht vertrauenswürdiger – und damit unwürdiger – Partner. Der deutsche Wehretat wird leider aller Voraussicht nach unzureichend und die Bundeswehr ein „Sanierungsfall“ bleiben. Von Merkel ist nicht zu erwarten, dass sie von ihrer Richtlinienkompetenz positiv Gebrauch machen wird. Und wenn der Bundestag bei dieser erkennbar schädlichen Politik für Deutschland erneut seiner parlamentarischen Kontrollpflicht nicht genügt, offenbart sich auch erneut das Desinteresse großer Teile der deutschen Bevölkerung und ihrer gewählten Volksvertreter an einer verantwortungsbewussten Sicherheitsvorsorge für Deutschland, die NATO und die EU! Will Deutschland ein großmäuliger aber unzuverlässiger sicherheitspolitischer Zwerg bleiben? Hans-Heinrich Dieter, Generalleutnant a.D., war Befehlshaber und Kommandeur des 1. Deutschen Einsatzkontingents United Nations Peace Force (GECONUNPF) in Trogir/Kroatien, ab 1998 Kommandeur des Elite-Einheit der Bundeswehr „Kommando Spezialkräfte“ KSK in Calw und ab 2004 Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis. Generalleutnant a.D. Hans-Heinrich Dieter ist Träger des Bundesverdienstkreuzes und diverser Einsatz- und Verdienstmedaillen.
Sofia Taxidis
Der deutsche Wehretat wird leider aller Voraussicht nach unzureichend und die Bundeswehr ein „Sanierungsfall“ bleiben. Von Merkel ist nicht zu erwarten, dass sie von ihrer Richtlinienkompetenz positiv Gebrauch machen wird.
meinungen
2019-03-04T14:14:18+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/es-geht-nicht-um-aufruestung/
Neue CO2-Steuer treibt Energiepreise in den Steilflug
Ab Januar geht‘s los: Eine warme Wohnung, Licht und die Fortbewegung werden teurer. Die sogenannte EEG-Umlage steigt zwar nicht mehr wie von den vergangenen Jahren gewohnt weiter. Sie wird auf 6,5 Cent pro Kilowattstunde begrenzt und soll im kommenden Jahr auf 6,0 Cent zurückgehen. Dafür kommt eine neue Steuer. Denn mit der Umlage können die hohen Summen nicht bezahlt werden, die den Betreibern von Windrädern, Photovoltaik- und Biogasanlagen garantiert werden. Die steigen mit jeder Megawattstunde weiter an, die von den sogenannten »Erneuerbaren« ins Netz gespeist werden, und sind der neue Preistreiber – neben dem Staat, der über Steuern, Umlagen und Abgaben von steigenden Strompreisen am meisten profitiert. Es fällt der Satz des ehemaligen englischen Wissenschaftsjournalisten Nigel Calder ein, langjähriger Herausgeber des New Scientist, der 1998 in einem Interview mit Günter Ederer prophezeit hat: »Alle Parteien der Industriestaaten, ob rechts oder links, werden die CO2-Erderwärmungstheorie übernehmen. Dies ist eine einmalige Chance, die Luft zum Atmen zu besteuern. Weil sie damit angeblich die Welt vor dem Hitzetod bewahren, erhalten die Politiker dafür auch noch Beifall. Keine Partei wird dieser Versuchung widerstehen.«
Fritz Goergen
Unter dem Strich steigen für die Verbraucher die Energiepreise kontinuierlich. Die ausufernden Kosten der »Erneuerbaren« werden nun kaschiert durch die im vergangenen Sommer ohne breite öffentliche Wahrnehmung auf Initiative der Regierung beschlossenen CO2-Steuern.
meinungen
2020-12-30T10:49:46+00:00
2020-12-30T12:42:12+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/neue-co2-steuer-treibt-energiepreise-in-den-steilflug/
Historische Haushaltskrise: Sitzung des Ausschusses abgesagt – TE-Wecker am 23. November 2023
Zukunft der Finanzen offen: finale Sitzung des Haushaltsausschusses abgesagt ++ politischer Erdrutsch nach Wahl in den Niederlanden ++ EU-Parlament stoppt sogenannte grüne „Pflanzenschutzverordnung“ ++ „mehr Realismus und gegen Klima-Apokalypse“: TE-Gespräch mit ehemaligem Obama-Staatssekretär Prof. Koonin ++ TE-Energiewende-Wetterbericht Spannende Fakten rund um die Silber- und Goldprodukte der BB Wertmetall erfahren Sie unter bb-wertmetall.de. Sie telefonieren lieber, dann erreichen Sie die Edelmetallexperten unter 0341 99 17 000
Sofia Taxidis
Der TE-Wecker erscheint montags bis freitags – und bietet Ihnen einen gut informierten Start in den Tag. Ideal für den Frühstückstisch – wir freuen uns, wenn Sie regelmäßig einschalten.
podcast
2023-11-23T02:00:49+00:00
2023-11-23T05:24:32+00:00
https://www.tichyseinblick.de/podcast/te-wecker-am-23-november-2023/
Die Forderung einer Brandmauer konterkariert die gelebte Demokratie
Irgendwann nahm die Politik, vielleicht sogar die Presse oder findige Spin-Doctors dieses Wort auf. Es wurde in den politischen Betrieb integriert. Das Wort Brandmauer steht seitdem für eine totale Abgrenzung gegen eine oder mehrere Parteien. Je nach Umfragewerten wird die Brandmauer höher gezogen oder leicht abgesenkt. Die CDU hat diese Abgrenzung auf die Spitze getrieben und einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die AfD und Die Linke im Dezember 2018 beschlossen. Ob das klug war? Ich bezweifle es. War es notwendig? Sicher nicht. Warum auch? Es ist völlig klar, dass eine Partei nicht mit jeder anderen koalieren möchte. Dies kann inhaltliche und/oder auch moralische Gründe haben. Dass Die Linke inhaltlich nicht mit der Union zusammenpasst, muss nicht großartig erklärt werden. Hierfür bräuchte es keinen Beschluss. Die Unvereinbarkeit liegt auf der Hand und ist – zumindest für politisch interessierte Menschen – deutlich erkennbar. Offensichtlich haben die AfD und Die Linke wenig programmatisch gemeinsam. Das bedarf keiner großartigen Erwähnung. Warum dennoch die ständige Erwähnung des Unvereinbarkeitsbeschlusses und einer Brandmauer? Weshalb bedarf es dieser öffentlich zur Schau gestellten Abgrenzung zu einer Partei? Möglicherweise sind die inhaltlichen Positionen der eigenen Partei sowie der Unterschied zur gebrandmauerten Partei nicht eindeutig genug für eine trennscharfe Abgrenzung. Eine Abgrenzung erfolgt somit nicht inhaltlich, sondern symbolisch durch die Brandmauer. Die CDU hat sich nicht ernsthaft und glaubhaft genug um eine andere Asyl- und Migrationspolitik bemüht. Wortreich verlautbarten Ankündigungen folgten keine überzeugenden Taten. Für die AfD war es somit ein Leichtes, auf diesem Feld zu wildern. Auch bei der Aufarbeitung der Anti-Coronamaßnahmen kann die AfD punkten, denn die Union und die Ampelparteien sträuben sich gegen eine ehrliche und suffiziente Aufarbeitung der Corona-Zeit. Viel zu spät traut sich die SPD über Friedensgesprächen im Ukraine-Konflikt zu sprechen. Hunderttausend tote Soldaten auf beiden Seiten und Milliarden Euro ärmer, spricht Scholz plötzlich das aus, was früher angeblich nur „Putin-Trolle“ oder „Putin-Knechte“ äußerten. Nach den desaströsen Ergebnissen für die amtierende Bundesregierung bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen und vor der Wahl in Brandenburg erklärt Scholz am 8. September 2024, dass jetzt der Moment sei zu diskutieren, „wie wir aus dieser Kriegssituation doch zügiger zu einem Frieden kommen“. Steigende Kosten, gesunkene Real-Löhne seit der Corona-Zeit und niedrige Renten für viele, die ein Leben lang gearbeitet haben, sind bittere Realität. Ein Fünftel der Bevölkerung ist von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Gegen diese rasante Talfahrt scheinen die alten Parteien kein Konzept zu haben. Der Wirtschaftsstandort Deutschland geht in die Knie. Unternehmen und ganze Industriezweige wandern ab. Die Zahl der Insolvenzen steigt. Brauchbare Maßnahmen dagegen – Fehlanzeige. Stattdessen bekämpft und beschimpft man die anderen Parteien, die in der Gunst der Wähler zulegen. Hohle Phrasen statt Konzepte, das scheint das Konzept vieler Parteien zu sein.   Die Brandmauer wird gerne damit begründet, dass man sich zu einer undemokratischen Partei abgrenzen müsse. Tatsächlich? Ist das der Grund? Ein Blick auf die Parteien im Deutschen Bundestag zeigt: Eine undemokratische Partei ist nicht dabei. Alle dort vertretenen Parteien wurden demokratisch gewählt und legitimiert. Keine ist verboten. Ob das nun dem einen oder anderen passen mag – oder eben nicht: Es ändert nichts daran. Die Verteufelung von Parteien, indem man sie frei Schnauze als undemokratisch bezeichnet, ist wenig sinnvoll. Es ist eine einfältige Maßnahme. So verteufelt man nicht nur die Partei, nein, man verteufelt die Wähler, die diese angeblich so undemokratische Partei gewählt haben. Auf einen Schlag werden Millionen von Wählerinnen und Wähler verächtlich gemacht, an den Rand gedrängt und als „rechts“ oder „Nazi“ abgetan. Das ist vermutlich auch das Ziel dieses Unfuges. Wer traut sich denn noch öffentlich zu sagen, dass er oder sie eine Partei wählen wird, die in der Öffentlichkeit, im TV, in der Presse und in jeder Talkshow als undemokratisch dargestellt wird. Anstatt die unliebsame Partei inhaltlich zu stellen, belässt man es bei einer oberflächlichen Darstellung der Missachtung. Nicht einmal die etablierten Parteien schaffen eine inhaltlich begründete Abgrenzung, die ohne einen Unvereinbarkeitsbeschluss und Brandmauergeschwätz auskommt. Seit Januar 2024 gehöre ich dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an und sitze seit Juli für das BSW als Abgeordneter im EU-Parlament. Auch meine Partei möchte keine Koalitionsgespräche in Thüringen und Sachsen mit der AfD führen. Divergieren im Vorfeld die programmatischen Punkte und Wertevorstellungen zweier Parteien sehr stark, sind Koalitionsgespräche vergeudete Zeit. Das ist ein nachvollziehbarer Grund. Andererseits vertrete ich die Meinung, dass gerade Politiker mit jedem und jeder Partei zu sprechen haben. Insbesondere, um auszuloten, ob nicht doch was dabei herauskommt, was den Bürgerinnen und Bürgern und der gesamten Gesellschaft in dem jeweiligen Bundesland oder dem gesamten Land zuträglich sein könnte. Jeder Versuch ist es wert. Die kategorische Ablehnung von Gesprächen ist unreif, nicht professionell und hat das Wohl der Bürger nicht im Blick. Der kategorische Ausschluss einer parlamentarischen Zusammenarbeit mit einer anderen Partei ist ein Fehler. Anträgen der AfD aus Prinzip nicht zuzustimmen, ist wenig vernünftig. Für mich gibt es keine Kontaktschuld. Wer gute Ideen hat, wer gute Initiativen zeigt, wer im Interesse der Bevölkerung handelt, der wird von mir unterstützt. Was mir widerstrebt, sind politisch-taktische Hintergedanken. Denn klar ist auch, dass die AfD gerne die anderen Parteien vorführt. Werden Anträge der AfD abgelehnt, beginnt ihre Opferrolle. In Thüringen bot die AfD Gespräche für eine Koalition an. Die anderen Parteien lehnten reflexartig ab. Was soll damit erreicht werden? Nichts Förderliches. Erreicht wird, dass die AfD behaupten kann, aus dem demokratischen Diskurs ausgeschlossen worden zu sein. Dies wird ihre Wähler noch stärker an sie binden. Aus Trotz und nicht aus Protest. Dieses „nicht miteinander sprechen wollen“, weil man dann vielleicht eine Kontaktschuld eingeht, ist der Tod jeder Gesprächskultur. Leider hat dies in die politische Entscheidungsfindung und in den Umgang mit aktuellen Themen bereits Einzug gefunden. Weshalb sollte man nicht mit dem russischen Präsidenten sprechen? Wer ein Verhandeln mit Putin noch vor Wochen bzw. Monaten forderte, wurde als „Putinknecht“ diffamiert. Wer mit Putin sprach, wie Viktor Orbán oder Tucker Carlson, wurde öffentlich hart dafür angegriffen. Gerade der Versuch, jemanden als „Putin-Versteher“ zu stigmatisieren, zeigt die eindimensionale Gedankenwelt der öffentlichen Hetze. Denn jemanden zu verstehen und einen Konflikt zu schlichten, ist die hohe Kunst der Diplomatie. Elementar, wenn es um wichtige Sachverhalte wie Krieg und Frieden geht. Auch in gesellschaftlichen Belangen ist es ratsam, einander zu verstehen. Wie soll das ohne Dialog möglich sein? Wie sollen Lösungen für gesellschaftspolitische Themen gefunden werden, wenn Parteien nicht gemeinsam und programmübergreifend miteinander reden und diskutieren. Im Übrigen ist dieses „mit denen werden wir nicht reden oder zusammenarbeiten“ eine Farce, die es, so der Anschein, nur auf Bundes- und Länderebene gibt. In den Kommunen schaut die politische Realität ganz anders aus. Natürlich sprechen dort Kreistagsabgeordnete oder Gemeinderatsmitglieder aller Parteien miteinander. Gerade wenn der Bürgermeister oder Landrat von der AfD ist, ist es unumgänglich. Der Gemeinderat ist ein Arbeitsorgan und bringt dort die AfD einen guten Antrag ein, wird diesem auch zugestimmt. Ohne großes Trara. Selbstredend wird in der Kommunalpolitik auch innerhalb der Gremien zusammengearbeitet. Das ist auch richtig so. Alles andere würden die Bürger vor Ort nicht verstehen und zu deren Lasten gereichen. Es ist ein Unterschied, ob miteinander geredet oder koaliert wird. Diese Differenzierung findet kaum statt. Wahrscheinlich schon aus Gründen zur Verhütung der gefürchteten Kontaktschuld. Nein, man muss nicht mit der AfD eine Koalition eingehen. Auch nicht mit der Partei Die Linke oder der CDU. Aber man kann, wenn es genügend programmatische Überschneidungen gibt. Nur so wird man erkennen, dass die Demokratie daran nicht zerbricht und die Welt nicht untergehen wird. Eine starke Demokratie lebt vom Diskurs. Hingegen werden Ausgrenzung, Abschottung, Spaltung und eine Partei pauschal zum Feindbild zu erklären unserer Demokratie weiter schaden. In einer Demokratie sollen alle an der politischen Willensbildung teilhaben können. Dies wird gerade durch Brandmauern und Unvereinbarkeitsbeschlüsse konterkariert. Eine Brandmauer hat mit gelebter Demokratie nichts gemeinsam. Im Übrigen bin ich der festen Überzeugung, dass eine Koalition mit der AfD nicht mehr zu verhindern sein wird. Sie wird kommen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Dieser gewaltige Wählerwille wird nicht auf Dauer ignoriert werden können. Es wäre auch brandgefährlich. Grenzen, Ausgrenzungen, Schweigen und die Herabsetzung anderer haben noch nie in der Geschichte der Menschheit Gutes hervorgebracht. Kein demokratischer Staat ist auf dieser Grundlage entstanden. Wer eine Brandmauer fordert und einführt, zündelt an den Grundwerten unserer Demokratie. Den Wahlergebnissen der AfD hat das Brandmauergetöse jedenfalls nicht geschadet. Ganz im Gegenteil. Verbrannt haben sich andere Parteien. Dr. med. Friedrich Pürner ist Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, Epidemiologe und wurde als Leiter eines Gesundheitsamts in Bayern und wegen seiner kritischen Haltung zu Corona aus dem Amt entlassen. Er ist heute Mitglied des EU-Parlaments für das Bündnis Sahra Wagenknecht.
Sofia Taxidis
„Nein, man muss nicht mit der AfD eine Koalition eingehen. Auch nicht mit der Partei Die Linke oder der CDU. Aber man kann, wenn es genügend programmatische Überschneidungen gibt“, schreibt Friedrich Pürner, Abgeordneter des BSW im EU-Parlament. Er plädiert für die allgemeine Überwindung der Brandmauer.
gastbeitrag
2024-09-15T08:31:01+00:00
2024-09-15T09:09:39+00:00
https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/die-forderung-einer-brandmauer-konterkariert-die-gelebte-demokratie/
Den SPIEGEL-Titel von Europas Scheitern jetzt lesen
Die Titelgeschichte „DAS BEBEN Europas Scheitern“ ist an diesem Samstag perfekt plaziert. Kann es doch sogar jenes Wochenende sein, das man nach Hans-Werner Sinn für einen Grexit braucht. Dass mich immer stört, wenn Europa stillschweigend auf die EU reduziert wird, schmälert die treffende Beobachtung der Autoren nicht: „Doch heute wirkt … dieses einmalige historische Projekt, als wäre es unter die Kleinkrämer gefallen. Es wird gefeilscht und gestritten …“. Und in einem Satz steckt die ganze Quintessenz: „Es sind Phänomene, die einzeln vielleicht beherrschbar wären, die kombiniert jedoch das Potenzial haben, den idealistischen Gehalt des europäischen Projekts zu zerstören.“ „Ein Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion könnte viele Skeptiker überzeugen, dass eine stärkere Integration der EU sinnvoll ist. Bis dahin ist es noch ein weiter, schwieriger Weg. Doch eine Alternative gibt es nicht …“ Gegen Alternativlosigkeit bin ich hochgradig allergisch, diesen Pollenflug sollte kritischer Journalismus nicht mitmachen. Aber die Autoren der Titelstory verlangen von uns ja nicht, dass wir alles unterschreiben. Nicht weil David Cameron den bisherigen Konsens der Präambel des EU-Vertrags, „eine immer engere Union“ infrage stellt, ist Weiterwursteln die falsche Alternative. Sondern weil die Kluft zwischen der Union als Elitenprojekt und der Identifikation der Bürger mit dem europäischen Projekt geschlossen werden muss, soll das SPIEGEL-Szenario nicht eintreten: „Die Generation des Nachkriegseuropa – in Frieden und Wohlstand geboren und aufgewachsen – läuft Gefahr, ohne große Not bei der Abwicklung des europäischen Projekts und der Entwertung der europäischen Idee mitzumachen oder auch nur zuzusehen. Es wäre ein historisches Versagen.“ …und das sind unsere Sonntags-Noten von 1 bis 6: 1  Sofort abonnieren 2  Sofort zum Kiosk und kaufen 3  reicht auch nächste Woche noch 4  ignorieren 5  Abo kündigen/kommt mir nicht ins Haus 6  Braucht man nicht Welche anderen Wege es geben kann, dazu können viele ihre Gedanken beitragen. Die Titelstory enthält mehr als genug, um das gut ins Bild gesetzt tun zu können. Ich werde sie sicher mehr als einmal lesen und noch länger aufbewahren. Wer nicht im Grexit-Film ist, dem hilft das Video der drei Griechenland-Szenarien. Direkt-Code zur App und Internet-Link sind eine gelungene Verknüpfung. Die Seiten über Aufrüstungspläne in Moskau und Washington, den Banker-Spruch der höchsten EU-Richter und das Hintertreiben des milliardenschweren Schiedsverfahrens um die Lkw-Maut durch Daimler und Telekom auf Kosten der Steuerzahler gehören eigentlich mit zum Bild des drohenden Scheiterns der Kleinkrämer. So ist es auch mit der „Agenda eines Untergangs“ vom nicht gehaltenen Versprechen eines  Masterplans zur Lösung der Flüchtlingskatastrophe: „Ein großer humanitärer Wurf könnte die Existenz der EU neu rechtfertigen. Aber sie vergeigt auch diesen Test.“ Den Sparkassen „als fairer Partner in einer ansonsten verkommenen Bankenwelt“ schreibt der SPIEGEL ins Stammbuch, sie sollten „schlicht ihre neue Strategie beherzigen …  Kundenzufriedenheit soll demnach oberstes Ziel sein, Rendite und Kosten sollen nur noch eine nachgeordnete Rolle spielen. Nähmen der Verband und seine Schäflein ihr Mantra ernst, müssten sie ihre Kunden fairer beraten, ihr Produktangebot verbessern und ihre oft überzogenen Gebühren senken, mit denen sie ihren ineffizienten Apparat durchfüttern. Doch davon sind die Sparkassen weit entfernt.“ „Die stille Revolution“ für Frauen in Saudi-Arabien, die nun in Läden und Büros arbeiten dürfen: keine Story, die überall steht. Das gilt auch für „Der Flugzeugflüsterer“, wie deutsche Wissenschaftler Flugzeuge leiser machen: mit Gegenschall in den Triebwerken. In „Berlin Sodom“ erfahren wir: „Das moderne Schwulsein ist eine Berliner Erfindung.“ Der Blick auf die Erzählung des US-Historikers Robert Beachy, „wie dort schon zu Kaisers Zeiten eine Subkultur ihr Selbstbewusstsein fand“ macht eine andere Dimension des Homo-Themas auf. Zu guter Letzt kann, wer will, in dieser Ausgabe mein Schmunzeln über eine Koinzidenz auf Seite 6 teilen: Angela Merkel und eine Lady auf dem Foto „Schwule Hauptstadt“ aus dem Berlin zu Beginn der 1900erJahre sehen sich recht ähnlich – köstlich. Die Umstrukturierung des Blattes tut ihm gut. Die Hausmitteilung sagt, wer das Heft von vorn liest, „findet jetzt schneller hinein“. Das stimmt. Ich finde die Verteilung der längeren, kürzeren und kurzen Stücke gelungen – irgendwie jünger. Die Titelstory muss man vor Montag gelesen haben. Schon deshalb, aber auch der meisten anderen Beiträge wegen gibt es die
Fritz Goergen
Die Titelgeschichte „DAS BEBEN Europas Scheitern“ ist an diesem Samstag perfekt
kolumnen
2015-06-20T08:16:49+00:00
2015-09-06T11:27:31+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/der-sonntagsleser/den-spiegel-titel-von-europas-scheitern-jetzt-lesen/
Omikron-Gipfel im Kanzleramt: 2G-Plus für Gastronomie kommt deutschlandweit
Bundeskanzler Scholz und die Regierungschefs der Länder haben sich laut Presseberichten in der heutigen Ministerpräsidentenkonferenz auf die vom Kanzleramt vorgeschlagene „2G Plus“-Regelung für die Gastronomie geeinigt. Auch Genesene und doppelt Geimpfte müssen also künftig bei Bar- und Restaurantbesuchen einen Schnelltest vorlegen. Nur wer die dritte sogenannte Booster-Impfung nachweisen kann, braucht keinen aktuellen Negativtest. Ungeimpfte bleiben künftig ganz von der Gastronomie ausgeschlossen. Die Regel soll bundesweit unabhängig von Inzidenzzahlen gelten. 30 Millionen weitere Impfungen sollen laut der Beschlussvorlage erreicht werden, das ist die Zielmarke der Bundesregierung.  Auch auf die vorgeschlagene Änderung der Quarantäneregeln haben sich Bund und Länder laut Spiegel geeinigt. Kontaktpersonen von Infizierten sollen die Quarantäne bereits nach zehn, und nicht nach 14 Tagen verlassen können; Dreifachgeimpfte werden vollständig von der Quarantäneregelung für Kontaktpersonen befreit. Infizierte wie Kontaktpersonen können sich nach sieben Tagen „freitesten“ lassen, Schüler und Kindergartenkinder bereits nach fünf Tagen.  Ansonsten bleibt vieles laut Beschlussvorlage so, wie es ist: In einigen Punkten, von Personenbegrenzung für private Treffen bis zu Wirtschaftshilfen oder Homeoffice, betont die Beschlussvorlage den Status Quo. Noch in diesem Monat wollen Scholz und die Ministerpräsidenten wieder zusammenkommen. Das Papier trägt einem stillen Richtungswechsel Rechnung: Angesichts von Omikron beginnt die Regierung, die Realitäten zu akzeptieren und eine Ausbreitung der weitgehend milden Virusvariante in Kauf zu nehmen. „Die Mitglieder des Expertenrats der Bundesregierung zu COVID-19 gehen davon aus, dass sich die Omikron-Variante auch in Deutschland durchsetzt und zeitnah flächendeckend dominierend sein wird“, heißt es. Mit der raschen Verbreitung der Variante werde nun auch wieder ein deutlicher Anstieg der 7-Tages-Inzidenz (nach positiv Getestenen) zu erwarten sein, der sich bereits abzeichnet. Davon, das im Ernst zu verhindern, ist im Papier keine Rede mehr. Mit anderen Worten: Die Welle kommt – aber Scholz will nicht mehr Wellenbrecher spielen. Dass die Verschärfungen vor allem Geimpfte treffen, zeigt auch: Die Regierung nimmt Abstand von ihrem Mythos der „Pandemie der Ungeimpften“. Die Impfpflicht schiebt man im Parlament ohnehin vor sich her, so wird sie von Tag zu Tag unwahrscheinlicher. Die Zeit könnte der Regierung die Entscheidung jetzt abnehmen. Omikron breitet sich so schnell aus, dass Deutschland schon in zwei Wochen den Höhepunkt dieser Welle erreicht haben könnte – trifft man jetzt keine tiefergehenden Beschlüsse, erledigen sie sich selbst. Und vielleicht ist es genau das, worauf die Regierung spekuliert. Ihr alter Kurs wird von der Realität eindrucksvoll widerlegt, einen neuen hat sie noch nicht gefunden: Doch es geht alles so schnell, dass das vielleicht gar nicht weiter auffällt, wenn man jetzt die Füße still hält.
Max Mannhart
Heute tagen Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten zur Corona-Lage. Doch dieser Gipfel ist anders als die vorangegangenen. Der abgetauchte Bundeskanzler will sich nicht festlegen - das ist auch eine Entscheidung.
daili-es-sentials
2022-01-07T14:24:28+00:00
2022-01-07T15:18:32+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/corona-omikron-gipfel-im-kanzleramt-7-januar/
EU-Kommission erlaubt Verlängerung der Asylverfahren – Polen fordert deren Aussetzung
Mit dem neuen Monat endete der Ausnahmezustand an der polnisch-weißrussischen Grenze, doch am selben Tag begann die Wirksamkeit des neuen Grenzschutzgesetzes, das im Grunde dieselben Regelungen fortführte, vor allem das Aufenthaltsverbot für nicht Ortsansässige. Journalisten und andere öffentliche Personen sind zwar in das Informationszentrum der Regierung eingeladen, jedoch nur nach vorheriger Anmeldung und nicht „ad hoc“, wie nun auch die EU-Abgeordnete und Menschenrechtsaktivistin Janina Ochojska erfahren musste. Am 1. Dezember setzte sie sich ins Auto und fuhr Richtung Grenze, wo sie allerdings erwartbarer Weise von Grenzbeamten aufgehalten wurde. Nach einem Telefonat mit der Leitung des Grenzschutzes gab sich Ochojska schließlich geschlagen. Allerdings tauchten zur gleichen Zeit, wie von Geisterhand geführt, drei „syrische“ Migranten – Ali, Hassan und Mido laut der linken Wyborcza – aus dem Wald bei Szudziałów auf. Sie waren warm angezogen und trugen Zettel vor ihrem Körper, sorgsam in Prospekthüllen verpackt. Darauf standen die Worte: „I ask for asylum in Poland.“ Das war immerhin neu, dass irgendein Migrant aus Weißrussland sich um Asyl in Polen bemühte. — Róża Thun (@rozathun) December 2, 2021
Matthias Nikolaidis
Ein Vorfall an der polnisch-weißrussischen Grenze führt erneut die organisierten Interessen vor. Kräfte von außen wie innen scheinen sich verbündet zu haben, um den polnischen Grenzschutz an der EU-Außengrenze zu schleifen. Doch Warschau hält stand – und will das weiterhin tun, auch wenn die EU dabei wenig unterstützt.
kolumnen
2021-12-03T11:47:47+00:00
2021-12-03T11:47:49+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/eu-kommission-verlaengerung-asylverfahren-polen/
Schaltjahr 1949
Die berühmte Stunde Null konnte es nicht geben, weder am Tag der Kapitulation noch jetzt, im Mai 1949. Denn alles, was geschieht, ist eine Antwort auf die Katastrophe. Über allem Neuem steht die Maxime „Nie wieder“. Bis heute prägt diese Fixierung auf das Vergangene den Diskurs. Zumindest damals ist es eine verständliche Selbstfesselung. Denn 1950 plädiert noch ein Viertel aller Deutschen für einen Einparteienstaat, und zehn Prozent glauben, dass Hitler der Staatsmann gewesen sei, der für die Deutschen am meisten getan habe. Justiz, Verwaltung, Polizei sind durchsetzt von alten Nazis. Und dennoch ist die Gründung der Bundesrepublik der Beginn einiger der glücklichsten Jahrzehnte der deutschen Geschichte – wenn auch nur für die 50 Millionen Deutschen im Westen. Das Glück folgt keinem Patentrezept. Die Weichen müssen gestellt werden, aber die Richtung, die die neue Demokratie nehmen soll, ist umstritten. 1949 ist das Schaltjahr. Die fundamentalen Entscheidungen für Westbindung und Marktwirtschaft sind noch keine ausgemachte Sache, und sie werden auch nicht einfach von den Siegermächten oktroyiert. Vielmehr sind sie das Resultat heftiger politischer Kämpfe. Letztlich werden sie erkauft mit Kompromissen, die bis heute nachwirken. So stecken im glücklichen Beginn bereits die Widersprüche und Lebenslügen, die noch immer die Politik prägen. Vor allem säße Deutschland noch immer auf seinem alten Wertefundament: treudeutsch, preußisch, überwiegend protestantisch, obrigkeitshörig, weltfremd und nicht wirklich frei. Nur darf Adenauer nicht zugeben, dass er so denkt. Er kann sich auf den Kalten Krieg berufen, darauf, dass die Spaltung der Welt nun einmal mitten durch Deutschland gehe. Der Widerspruch zwischen realer Westpolitik und irrealem Dauerbekenntnis zum Reich wird sich freilich zu einer handfesten Schizophrenie auswachsen, die bis heute zu spüren ist. Die zweite Lebenslüge hat damit zu tun. Denn auch im Westen glaubt man 1949 an das Ziel einer klassenlosen Wohlstandsgesellschaft. Die Vorstellung, größtmögliche Sicherheit vor allen Risiken des Daseins sei mit größtmöglicher Freiheit vereinbar, wird zur irrigen Leitlinie der deutschen Politik. Und auch die dritte Illusion entstammt der Gründungsgeschichte der Bonner Republik: Der ewige Frieden sei machbar. Doch weder Europas Einheit noch Deutschlands Wohlstand, ja nicht einmal die atlantische Freundschaft sind garantiert. Schon gar nicht, wenn die Bundesrepublik glaubt, ihre Illusionen auf Sonderwegen verteidigen zu können. Eine gewisse Weltfremdheit zeichnet seine Politik bis heute aus, sei es in der Energiepolitik, in der Schlüsselfrage der Migration oder auch im Widerspruch zwischen der Ausweitung des Sozialstaats und dem Aufgehen der Republik in einer Europäischen Union. Die Deutschen glauben, Erweitern und Vertiefen zugleich sei möglich. So wollen sie stets mehr, als sie kriegen können, und haben am Ende weniger. Im Mai 1949 wird das Grundgesetz verabschiedet, die Währungsreform ist noch kein Jahr alt. Die Arbeitslosenquote steigt enorm: auf zwölf Prozent bis Anfang 1950. Noch sieht es so aus, als würde ein Chaos nur durch das nächste abgelöst. Soziale Marktwirtschaft als demokratisches Erziehungsprogramm – Erhard bleibt stur: „Aus dem hysterischen Gekeife der Kollektivisten aller Sorten spricht die schlotternde Angst, dass sich das Volk der Fessel, der geistigen Bevormundung und Tyrannei einer ebenso machthungrigen wie seelenlosen Bürokratie und Bonzokratie entziehen könnte.“ Ein Satz, den man sich auf der Zunge zergehen lassen sollte. Nicht anders wird Helmut Kohl 1989 verfahren: Sozialpolitische Maßnahmen sollen die DDRKommunisten mit dem Kapitalismus versöhnen. Sozialpolitik als Handel: Die Bürger werden materiell an den Staat gebunden. Die Zustimmung der damals extrem linken Gewerkschaften zu Wiederbewaffnung und Westkurs erkauft Adenauer mit der paritätischen Montanmitbestimmung. Im Zweifel gegen die Marktwirtschaft. Die typische westdeutsche Konsenspolitik nimmt ihren Anfang. Die Verbände gewinnen zu viel Einfluss, das System neigt zur Kungelei. Alle Parteien bestreiten ihre Wahlkämpfe mit sozialpolitischen Parolen und versuchen, sich mit Versprechen gegenseitig zu übertreffen. Besonders verhängnisvoll wird die Einführung der dynamischen Rente sein. Adenauer gewinnt damit die Generation, die am tiefsten im Nationalsozialismus verstrickt ist. Es ist die Autobahn in den Versorgungsstaat. Hohe soziale Sicherheit hält dieses Land, das kein Nationalstaat mehr ist, zusammen. Die Deutschen glauben, nivellierende Umverteilung sei die Voraussetzung für eine offene Gesellschaft. Sie sind Schönwetterdemokraten und halten Ungleichheit für ein Risiko. Erklärtes Ziel der Verfassungsväter ist es, nie wieder Weimarer Verhältnisse zuzulassen. Das Grundgesetz ist ein Spiegel ihrer Ängste. Schon der Begriff „Verfassung“ wird vermieden. Es ist eine Konzession an jene, die von Wiedervereinigung träumen. Die Bezeichnung Grundgesetz klingt provisorisch. Von einer „Übergangszeit“ ist in der Präambel die Rede. Eine selbstsichere Demokratie würde die neue Verfassung dem Volk vorlegen. Doch nicht einmal der Parlamentarische Rat, der die Verfassung beschließt, ist unmittelbar vom Volk gewählt. Unverhohlener kann das Misstrauen gegenüber dem Volk nicht ausgedrückt werden. 41 Jahre später wiederholt sich die Geschichte. Nach dem Beitritt der DDR dürfen die Deutschen nicht darüber abstimmen, obwohl das Grundgesetz eine in freier Entscheidung beschlossene Verfassung vorsieht. Auch der Verzicht auf plebiszitäre Elemente kommt von der Angst vor der Verführbarkeit des Volkes. Ebenso die starke Rolle der Kanzler, die zwischen den Wahlen nur schwer abzulösen sind, ein Misstrauensvotum muss konstruktiv, also zugleich die Wahl eines Nachfolgers sein. Die Konservativen glauben noch jahrzehntelang, die Oder­Neiße­Grenze sei verhandelbar. Die Linken glauben an das Schlaraffenland. Die Mehrheit träumt von multikultureller Harmonie, und alle zusammen haben vor dem Klimawandel mehr Angst als der Rest der Welt. Die Wirklichkeit zu bekämpfen kostet Kraft. Daraus erwächst von Beginn an die größte Gefahr für die Zukunft. Von Anfang an misstrauen die Deutschen der Freiheit. Sie legen sich Fesseln an, lange sind sie kaum zu spüren, es sind ja die denkbar komfortabelsten Fesseln. Aber nur, solange sie sich nicht bewegen. Sobald sie sich bewegen müssen, schneiden diese Fesseln ins Fleisch. Es sind die Fesseln des Sozialstaats, des Steuerdickichts, der staatlichen Ausbeutung der leistungsbereiten Bürger, der bürokratischen Gängelung. Mit der Staatsgründung 1949 haben die Deutschen Lehren aus ihrer Geschichte gezogen – nicht immer die richtigen. Duckmäusertum regiert nach wie vor. Zivilcourage gilt traditionell nur dann etwas, wenn sie dem Mainstream folgt. Die Geißel des Kollektivismus ist längst nicht überwunden. Mehr zum Thema in: Wolfgang Herles, Die neurotisch Nation. Die Bundesrepublik vom Wirtschaftswunder bis zur Willkommenskultur. FBV/Edition Tichys Einblick, 320 Seiten, 22,99 €. Empfohlen von Tichys Einblick. Erhältlich im Tichys Einblick Shop >>>
Jutta Willand-Sellner
Mit der Staatsgründung 1949 haben die Deutschen Lehren aus ihrer Geschichte gezogen – nicht immer die richtigen. Duckmäusertum regiert nach wie vor.
feuilleton
2019-05-23T06:26:34+00:00
2019-05-23T06:26:35+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/buecher/schaltjahr-1949/
Wenn Unsinn zu „Solidarität“ hochgepusht wird
April 1945 war Deutschland in hoffnungsloser Lage. Die Kapitulation war nur noch eine Frage der Zeit. Der „Volkssturm“ war der hilflose Versuch der Nazis, das Ruder noch einmal herumzureißen. Militärisch war von Anfang an klar, dass der Volkssturm außer weiteren hunderttausenden Toten und Verletzten nichts bringen konnte. Doch noch am 21. April 1945 verklärt Josef Goebbels in seiner letzten öffentlichen Rede diesen Unsinn als „Solidarität“: „Von dem fanatischen Willen erfüllt, die Hauptstadt des Reiches nicht in die Hände der Bolschewisten fallen zu lassen, sind wir solidarisch zu Kampf und Arbeit angetreten. Unser Ziel ist die Freiheit unseres Volkes und ein Reich der sozialen Gerechtigkeit in einer glücklichen Zukunft.“ Wenn die Vernunft keinerlei Argumente mehr zu bieten hat, dann wird umso energischer auf dem Klavier der Moral und auf der Harfe verführerischer Zukunftsillusionen gespielt. So kann ein blutrünstiges, hoffnungsloses Kamikazeprojekt von wahnsinnigen Politikern kurz vor deren Suizid tatsächlich als „Solidarität“ erfolgreich in der Masse implementiert werden. Wenn der Kaiser völlig nackt ist, dann bleibt ihm immer noch der moralische Druck, um die Menschen zu manipulieren; welcher Pimpf möchte schon gerne als „unsolidarisch“ gebrandmarkt werden? Gratulation an alle, die sich vor dem Mitwirken im Volkssturm verkrochen haben. Wer dabei erwischt wurde, wurde von den achso „Solidarischen“ erschossen. Auch heutzutage in völlig anderer Färbung, in völlig anderem Kontext und in völlig anderer Ausformung ist es modern, allen möglichen Unsinn mit dem moralischen Druckmittel „Solidarität“ hochzupushen: Da wird die EU als „solidarische“ Schuldengemeinschaft propagiert. Wenn sich Länder verschulden, dann brauchen diese keine Verantwortung dafür zu übernehmen. Nicht derjenige soll zahlen, der Kosten verursacht, sondern die Kosten sollen auf komplett Unbeteiligte umgelegt werden. Die „Solidarische Finanzierung“ der EU steht dafür, dass fremde Menschen für die finanziellen Abenteuer anderer aufkommen müssen. Der Begriff „Solidarität“ ist in der Europäischen Schulden-Transferunion zu einer Chiffre für strukturelle Verantwortungslosigkeit geworden. Beim Klima sollen wir „solidarisch“ mit zukünftigen Generationen sein und darum heute unseren CO2-Verbrauch vermindern. Komischerweise spielen die zukünftigen Generationen in der Abtreibungsfrage und in der Frage der Staatsüberschuldung nur eine untergeordnete Rolle; „Generationensolidarität“ ist also bei unterschiedlichen Themen zweierlei. Zudem beruht die Forderung nach „Klima-Solidarität“ auf Modellrechnungen, Projektionen und Hypothesen, die durchaus fragwürdig sind. „Solidarität“ ist in der Klimafrage zu einer Chiffre für blindes Vertrauen in wackelige Theoriemodelle und Prognosen geworden, die oftmals mehr mit Politik als mit Wissenschaft zu tun haben. Auch die Coronazeit war eine Zeit der Hyperinflation des Solidaritätsbegriffs und damit ein weiteres Paradebeispiel aus dem Lehrbuch, wie man mit moralischen Werten die Menschen manipulieren kann: Im November 2023 gesteht kein Geringerer als die Europäische Arzeneimittel-Agentur, die in der EU die wissenschaftliche Evaluierung, Überwachung und Sicherheitsüberprüfung von Arzeneimitteln gewährleistet, dass für eine Behauptung der Fremdschutzwirkung bei der Coronaimpfung nicht genügend valide Daten vorliegen. „Solidarität“ war in der Coronazeit also lediglich eine Chiffre für die Unterwerfung unter Macht- und Geldinteressen, die unter der Maske des Gesundheitsschutzes daherkamen. Auch in der Adventszeit wird gerne an Solidarität appelliert, um zu einer Spende oder zu einem bestimmten Verhalten zu drängen. Bei jeder Solidaritätsaufforderung ist es hilfreich, wenn bei uns innerlich ein Warnblinker angeht: Geht es wirklich um Solidarität oder um einen pseudosolidarischen Unsinn, der lediglich bestimmten Machtinteressen dient? Der Begriff „Solidarität“ gehört ähnlich wie die Begriffe „Liebe“, „Gerechtigkeit“, „Freiheit“ oder „wir“ zu den Wörtern, die am häufigsten missbraucht werden. Sprache ist nicht nur ein wunderbares Instrument der Verständigung, sondern immer auch eine Quelle der Missverständnisse und leider auch eine Quelle der Täuschungen. Die Bibel warnt uns nicht umsonst vor dem „Diabolos“, dem „Verdreher“. Dahinter steckt die alte menschliche Erfahrung, dass es in dieser Welt ein Machtfeld zu geben scheint, das selbst aus eigentlich wunderbaren Begriffen wie der „Solidarität“ ein Kloakenbegriff machen kann, mit dem Menschen zu einem unsinnigen, selbstschädigenden und gemeinschaftszerstörenden Verhalten verführt werden.
Natalie Furjan
Bei jedem Solidaritätsaufruf ist zu hinterfragen: Geht es wirklich um Solidarität oder um einen pseudosolidarischen Unsinn, der lediglich bestimmten Machtinteressen dient? Der Begriff „Solidarität“ gehört ähnlich wie die Begriffe „Liebe“, „Gerechtigkeit“, „Freiheit“ oder „wir“ zu den Wörtern, die am häufigsten missbraucht werden.
kolumnen
2023-12-09T17:42:48+00:00
2023-12-10T12:48:23+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/vorwort-zum-sonntag/solidaritaet/
Jobflaute in Deutschlands zentralen Industriebranchen
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) meldet erstmals seit sechs Jahren keine sinkenden Arbeitslosenzahlen mehr. Im Oktober waren 2,204 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos. Wenn man Jahreszeiteneffekte heraus rechnet, bedeutet das einen leichten Anstieg. Grund sei die schwache Wirtschaftslage, sagte BA-Chef Detlef Scheele. Nach Einschätzung der Bundesregierung wird das Wirtschaftswachstum 2020 nur noch ein Prozent betragen. So steht es in der aktuellen so genannten „Herbstprojektion“ des Bundeswirtschaftsministeriums. In der Frühjahrsprojektion im April war man noch von 1,5 Prozent für 2020 ausgegangen. Doch auch der angenommene Wert von einem Prozent scheint optimistisch zu sein, wenn man  bedenkt, dass in diesem Jahr nur von einem Wachstum von 0,5 Prozent die Rede ist. Noch im zweiten Quartal des Jahres verlor das Wachstum 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, die Zahlen zum dritten Quartal liegen noch nicht vor. BA-Chef Scheele sprach zwar davon, dass die Arbeitslosigkeit auf absehbare Zeit nicht signifikant steigen werde, weil man es nur mit einer „konjunkturellen Delle“ zu tun habe. Das allerdings kann man auch anders sehen. Besorgniserregend ist vor allem, dass die jüngsten Nachrichten über Stellenkürzungen vor allem aus den Kernbereichen der deutschen Industrie kommen. Einige davon hier im Detail:   Kurzarbeit  Hier macht sich auch der Einbruch in der Auto- und Zulieferindustrie bemerkbar. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres sei die Produktion um 16 Prozent gefallen.  Kurzarbeit gibt es auch in der Stahlindustrie. Arcelor-Mittal, ein internationaler Stahlkonzern, will in Bremen im kommenden Jahr Kurzarbeit anmelden – „zumindest für das erste Quartal“, wie verlautbart wird. 3500 Mitarbeiter sind davon betroffen. Bereits im Frühjahr hatte der Konzern die Arbeitszeit um vier Prozent gekürzt.  Stellenabbau: Die Krise in der Autoindustrie zieht Kreise  Für die deutsche Autoindustrie kommt es knüppeldick. Besonders trifft es die Autozulieferer. Die Benteler International AG setzt den im Sommer angekündigten Personalabbau konkret um, berichtete das Westfalenblatt Mitte Oktober. „Das Unternehmen hat ein Freiwilligenprogramm gestartet, um Mitarbeiter mit Prämien zum Ausscheiden zu bewegen. Es soll um einige hundert Stellen gehen.“ Mit dem Programm sollen vor allem Mitarbeiter in der Verwaltung und produktionsbegleitenden Bereichen angesprochen werden, weniger in der Produktion selbst, heißt es. Benteler Automotive beschäftigt in Deutschland 5800 Beschäftigte, davon mehr als 3000 in Ostwestfalen-Lippe.  Auch der Autozulieferer Brose in Coburg sieht sich durch den Wandel in der Automobilbranche unter Druck. Gründe sind wohl steigende Personal- und Arbeitskosten sowie ein rückläufiger Markt in China. Vor allem die einseitige Klimadebatte zulasten der Automobilindustrie schafft zusätzlich Unsicherheit. Die Brose-Gruppe hat demzufolge deutliche Ergebniseinbrüche zu bewältigen. „Der globale Wettbewerb zwinge das Unternehmen … auch zur Verlagerung von Arbeit in Niedriglohnländer. Brose plant bis Ende des Jahres 2022 die Anzahl der aktuellen Arbeitsplätze in Deutschland um rund 2.000 zu reduzieren, mehrheitlich in den Zentral- und Geschäftsbereichen. Im Wesentlichen sind die Standorte Bamberg, Hallstadt, Coburg und Würzburg betroffen. Brose wird die Fertigung von Schließsystemen von Wuppertal, wo derzeit rund 200 Mitarbeiter beschäftigt sind, verlagern. In den Werken Coburg, Würzburg, Hallstadt und Berlin sollen insgesamt rund 600 Arbeitsplätze entfallen“.  Auch der Reifen- und Zulieferer-Konzern Continental ist vom Wandel in der Automobil-Industrie betroffen. Weltweit wird Continental bis 2023 rund 15.000 Arbeitsplätze abbauen, davon etwa ein Drittel in Deutschland. Bis 2029 dürften weltweit sogar 20.000 Stellen betroffen sein – also bis zu 7000 der rund 62.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Zugleich will Conti in Wachstumsbereichen wie der Elektromobilität wachsen und Personal einstellen. Investitionen also in eine nicht wettbewerbsfähige Technologie, die dennoch als zukunftsweisend betrachtet wird.  Dies ist nun offenbar gelungen. Continental wird seine Antriebssparte komplett ausgliedern und später an die Börse bringen. In Vitesco werden das Geschäft mit Verbrennungsantrieben, aber auch der Zukunftsbereich mit Hybrid- und Elektroantrieben sowie alle Batterieaktivitäten gebündelt. Statt eines Teilbörsengangs, den der DAX-Konzern lange Zeit verfolgt hat, werde nun allein eine Abspaltung von 100 Prozent des unter dem Namen Vitesco Technologies firmierenden Geschäfts angestrebt. Anschließend sei der Gang aufs Börsenparkett geplant, teilte die Continental AG mit.  Über die Streichung von 850 Stellen verhandelt auch der Gasekonzern Linde mit der Arbeitnehmervertretung, nachdem er 2018 mit dem amerikanischen Konzern Praxair fusionierte. Besonders sprechend: Die Konzernzentrale in München soll dicht machen. Das dortige Personal, also nicht zuletzt auch das Topmanagement, muss an den Standort Pullach, außerhalb Münchens, umziehen. Der ist vermutlich billiger. Zahlreiche Stabsstellen des fusionierten Konzerns sitzen schon in der Praxair-Zentrale in Danbury in den USA. Die nächsten großen Meldungen über Arbeitsplatzverluste in Deutschland könnten vielleicht schon bald von Opel kommen. Die deutsche Automarke, die 2017 erst von General Motors an Peugeot (PSA) verkauft wurde, folgt nun mit ihrer neuen französischen Mutter in die Fusion mit dem amerikanisch-italienischen Fiat-Chrysler-Konzern. Die Motivation für die Schaffung des neuen Auto-Riesen ist nach einhelliger Analystenmeinung die Abfederung der anstehenden Kosten für die Transformation der Antriebe von Verbrennung auf Elektro. Das dürfte unterm Strich deutlich weniger Mitarbeiter bedeuten. Und weder amerikanische oder italienische und schon gar nicht französische Topmanager dürften dabei ihre deutschen Mitarbeiter unter besonderen Schutz stellen. Seit Opel zu PSA gehört sank die Mitarbeiterzahl von rund 38 000 auf rund 30 000.
Redaktion Tichys Einblick
Die schwächelnden Konjunktur hinterlässt deutliche Spuren. Deutliche Anzeichen hierfür: Kurzarbeit in der Metall- und Elektroindustrie, Stellenabbau in der Automobil-Zulieferindustrie, Arbeitsplätze wandern ab.
wirtschaft
2019-10-31T09:28:58+00:00
2019-10-31T09:28:59+00:00
https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/jobflaute-in-deutschlands-zentralen-industriebranchen/
Schwere Zeiten für Elektroautos
Die E-Auto-Förderung sinkt 2023 drastisch. Statt 6.000 Euro wird es nur noch 4.500 Euro geben. Plug-In-Hybride erhalten gar keine Förderung mehr. Auch in weiteren Eckpunkten wurde die staatliche Förderung neu ausgerichtet. Zwar glauben Optimisten, weniger Förderung hätte die Neuzulassungen im Frühjahr 2023 nicht ausgebremst (Automobilwoche), andere Marktkenner sehen die Absatzdynamik bei den Stromern aber bereits deutlich eingebremst. Und das dicke Ende komme ja noch im Herbst 2023, wenn die Förderung für gewerbliche Kunden völlig wegfällt, dann auch für batterie- und brennstoffzellenbetriebene Elektroautos (BEV). Was ist geschehen? Seit 1. Januar 2023 erhalten demnach nur noch batterie- und brennstoffzellenbetriebene Elektroautos (BEV) den Umweltbonus. Plug-In-Hybride (PHEV), als Fahrzeuge mit dualem Antriebssystem, fallen völlig aus der Förderung heraus. Aber auch für reine Elektroautos gibt es nicht mehr so viel Geld wie bisher. Konkret sieht die neue Regelung wie folgt aus: Der staatliche Zuschuss beim Kauf von reinen Elektroautos (batterie- oder brennstoffzellenbetrieben) wurde seit Januar 2023 von 6000 Euro je nach Kaufpreis auf nur noch 3.000 bis 4.500 Euro abgesenkt. Die Autobauer legen wie bisher nochmal die Hälfte des staatlichen Anteils dazu. Im Einzelnen: Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck erläuterte die Neuregelung wie folgt: „Die Elektromobilität hat den Übergang in den Massenmarkt geschafft: Das 1-Million-Ziel wurde 2021 erreicht und in diesem Jahr werden wir bereits nah an die zwei Millionen herankommen. E-Fahrzeuge werden also immer beliebter und brauchen in absehbarer Zukunft keine staatlichen Zuschüsse mehr … Für die nun anstehende Förderphase setzen wir einen klaren Fokus auf Klimaschutz und konzentrieren die Förderung auf rein batterieelektrische Fahrzeuge. Das sorgt für mehr Klimaschutz im Verkehr und setzt die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel zielgerichtet ein.“ Mit der Zwei-Millionen Annäherung dürfte der „grüne“ Leiter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) allerdings gründlich daneben liegen. Von Januar bis April 2023 wurden in Deutschland 124.500 reine Elektroautos (BEV) zugelassen (+18 Prozent), und 49.300 PHEV (- 48 Prozent), damit nur noch die Hälfte weniger als im Vorjahr. Auf das gesamte Jahr hochgerechnet, bedeutet das Frühjahresergebnis ein Absatzvolumen von BEV von nur einer halben Million Neuzulassungen in 2023 statt der erhofften 1 Million. Auch das von der Bundesregierung angepeilte Ziel von 10 Millionen Elektroautos im Jahr 2030 rückt in weite Ferne. In den verbleibenden acht Jahren dürften gerade mal die Hälfte auf deutschen Straßen neu zugelassen werden. Fakt ist, das Batterie und Batteriesystem rund 40 Prozent der Gesamtkosten an Elektroautos ausmachen und entsprechend verteuern. Nur als Beispiel: In E-Autos werden 6000 Speicherchips verbaut, in Verbrennern nur 4000. Batterie und Batteriesystem kosten je nach Batteriechemie und -aufbau, Speicherkapazität und Ladegeschwindigkeit der Batterie bis 10.000 Euro und mehr. Elektroautos sind aufgrund der teuren Batterierohstoffe und höherer Produktionskosten – Stand heute – in der Regel um ein Drittel teurer als Verbrennerautos. Dieser Preisabstand wird zwar in Zukunft mit technischem Fortschritt kleiner werden, dennoch sind leistungsfähige Elektroautos auch in Zukunft deutlich teurer und damit weniger massentauglich als Verbrenner. Die Frage ist, ob der Homo oecologicus den Homo oeconomicus überwinden kann. Tauschen die Kunden ihre alten Verbrenner gegen neue, wesentliche teurere Elektroautos aus, wenn der geldwerte Nachteil ab Herbst 2023 erst größer, dann ab 2024 irgendwann ganz verschwindet? Alle vorliegenden Indikatoren sprechen gegen dieses Kundenverhalten, vor allem bei den gewerblichen Kunden. Die Vorstellung, die Kunden würden aus ökologischen Gründen in Zukunft in toto auf Elektroautos umsteigen, ist irrig. Eine nachhaltige Mobilitätswende auf freiwilliger Basis hin zur Elektromobilität ist nicht in Sicht. Das Verhalten der PHEV-Kunden seit Wegfall der Kaufsubvention seit Jahresbeginn spricht Bände. Kunden waren bis dahin vor allem Flottenbetreiber. Seit Anfang des Jahres läuft quasi nichts mehr: Zählte man 2022 noch knapp 152.000 neu zugelassene PHEVs in den Fuhrparks, waren es in den ersten vier Monaten 2023 gerade noch knapp 23.000 (Automobilwoche). Viele Fuhrparks haben Plug-ins aus ihrer Car Policy gestrichen (dataforce). Das gilt vor allem bei kleineren und mittleren Fuhrparkbetreibern, die die Mehrzahl der Firmenwagen stellen. „Sie sind noch stärker kostengetrieben und werden sich im Zweifelsfall lieber wieder für einen Verbrenner entscheiden“ (Dataforce, Benjamin Kibies). Im Gegenteil: Ab Herbst 2023 steht die nächste Bewährungsprobe für Elektroautos ins Haus, Dann entfallen die Kaufprämien für BEV bei gewerblichen Kunden ganz. Anders als vielfach vermutet haben sie bereits bislang die Kürzungen zu Jahresbeginn weniger gut weggesteckt. Denn die Zahlen-Optik täuscht: Insgesamt wurden von Januar bis April 2023 rund 870.000 Pkw neu zugelassen (+ 11 Prozent), davon 124.500 BEV (+ 18 Prozent; Anteil 14,3 vH). Im Jahr 2022 hatte der BEV Anteil mit 470.600 Neuzulassungen noch bei 17,7 vH gelegen. Im April 2023 legten die Neuzulassungen mit 203.000 Einheiten um knapp 13 Prozent zu, die BEV Zulassungen mit 29.740 um + 34 Prozent, die PHEV brachen mit 11.790 um 46 Prozent ein. Bemerkenswert an der April-Entwicklung ist, dass bei gewerblichen Kunden deutlich höhere Zuwächse zu verzeichnen waren, die dem Verbrennerbereich zuzuordnen sind (Vermieterkanal 23.500 Neuzulassungen, + 42 Prozent; Flottenmärkte 71.500, + 29 Prozent). Damit liegen die gewerblichen Zulassungen quasi auf dem durchschnittlichen Niveau der starken Jahre 2016 bis 2019 (Automobilwoche). Optisch geschönt wurden die Zulassungszahlen der BEV im Jahr 2023 auch dadurch, dass Bestellungen aus 2022 verzögert erst 2023 ausgeliefert wurden. Die aktuelle Nachfrage gerade von Vermietern und Flottenbetreibern dürfte zusätzlich durch sinkende Preise für BEV aufgrund des aktuellen Preiskampfes am Markt gedämpft werden. Das Autovermietungsunternehmen Sixt hat Ende letzten Jahres eine Kooperation mit dem chinesischen Elektroautobauer BYD abgeschlossen. Noch vor Tesla ist BYD inzwischen der weltgrößte Bauer von Elektroautos der Welt geworden. Sixt hat zunächst mehrere Tausend Fahrzeuge des chinesischen Autoherstellers bestellt. Die ersten können zunächst in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien gemietet werden. Insgesamt will der Anbieter nach eigenen Angaben in den kommenden sechs Jahren rund 100.000 Elektroautos von BYD kaufen, vor allem aus dem Volumensegment. Großaufträge wie jener von der Firma Sixt mögen das Bild aufhellen, ändern aber nicht den Trend. In Deutschland steht dem Markt für Elektroautos im Herbst die Stunde der Wahrheit bevor.
Helmut Becker
Die E-Auto-Förderung wird neu geregelt und gesenkt. Der Tag der Wahrheit, wie begehrt die elektrisch fahrenden Vehikel bei den potenziellen Kunden wirklich sind, rückt damit näher. Erste Signale vom Markt verheißen im Frühjahr 2023 nichts Gutes.
wirtschaft
2023-05-26T17:30:24+00:00
2023-05-26T17:30:56+00:00
https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/mobilitaet/foerderung-senkung-elektroautos/
Der Fall Aschaffenburg und Enamullah O. offenbart die ganze Absurdität der deutschen Asylpolitik
Es ist Bundestagswahlkampf – also bemühen sich vor allem SPD und Grüne darum, den Mordfall von Aschaffenburg gegen die CSU zu wenden. Denn der Tatort liegt in Bayern, und der Täter Enamullah O. hätte sich eigentlich, wäre es nach Gesetz und Regeln gegangen, entweder gar nicht mehr in Bayern aufhalten dürfen – oder in einem bayerischen Gefängnis sitzen müssen. Kanzler Olaf Scholz zeigte deshalb mit dem Finger auf den Freistaat, und sprach anklagend von „Vollzugsdefiziten“. Der Fall Enamullah O. zeigt die ganze Verworrenheit der Gesetzeslage und die heillose selbsterzeugte Überforderung des deutschen Bürokratiestaates mit einer bisher politisch gewollten schrankenlosen Massenmigration. Der 28-jährige Afghane kam 2022 illegal nach Deutschland, nachdem er schon in Bulgarien als Migrant registriert worden war. Das erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auch – und Bulgarien erklärte sich am 3. Februar 2024 bereit, ihn wieder zurückzunehmen. Trotzdem konnte Enamullah O. im März 2023 einen Asylantrag in Deutschland stellen, den das BAMF erst am 19. Juni 2023 ablehnte. Darüber informierte es allerdings die für die Rückführung zuständigen Behörden in Bayern erst am 26. Juli 2023 – also zu einem Zeitpunkt, als die sechsmonatige Rücküberstellungsfrist nach Bulgarien fast abgelaufen war. Scholz müsste sich also in erster Linie mit der Arbeit des Bundesamtes beschäftigen, für das seine Regierung die Verantwortung trägt – konkret Innenministerin Nancy Faeser. Auch die Grünen in Bayern versuchen aus dem Fall Aschaffenburg Wahlkampfprofit zu schlagen. Die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze postete auf X eine anklagende Kachel mit dem Spruch: „Der Täter hätte nicht mehr in Bayern sein dürfen“. Was sie vergessen hatte mitzuteilen: Sie persönlich bekämpfte mit ihren Grünen bisher jede Abschiebung von Migranten nach Afghanistan. Außerdem lehnt ihre Partei strikt ständige Kontrollen und Zurückweisungen an der deutschen Grenze ab. Ohne diese Kontrollen kann ein nach Bulgarien überstellter Migrant problemlos mit dem nächsten Flixbus wieder einreisen. In Bayern liegt eine andere Verantwortung: Denn eigentlich hätte Enamullah O. zum Tatzeitpunkt wenigstens im Gefängnis sitzen müssen. Wegen einer Gewalttat verurteilte ihn die Justiz 2024 zu einer Geldstrafe, die er allerdings nicht zahlte. Also bekam er die Ladung zum Haftantritt. Auch der folgte er nicht. Trotzdem erließ die Justiz keinen Vollstreckungsbefehl. Der bizarre Grund: Er verübte in der Zwischenzeit eine weitere Straftat, nämlich versuchten Betrug, wofür er vom Amtsgericht Aschaffenburg eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen erhielt. Das Gesetz schreibt allerdings vor, bei mehreren Strafen vor Haftantritt eine Gesamtstrafe zu bilden, die beide Strafen zusammenfasst. Also eine neue bürokratische Mühle, neues Aktenwälzen, Übersetzen, Zustellen. Auf die Idee, den ohnehin schon ausreisepflichtigen abgelehnten und mehrfach straffälligen Migranten in Abschiebehaft zu stecken, kam in Bayern offenbar niemand. Schon auf einer Konferenz der Denkfabrik R21-Konferenz im Dezember 2024 wies der Rechtsprofessor Daniel Thym darauf hin, dass sich die Regeln rund um die Migration mittlerweile so widersprüchlich und kompliziert darstellen, dass Behörden geradezu planmäßig versagen müssen. Thym, heute Leiter des Forschungszentrums Ausländer- und Asylrecht der Universität Konstanz, gehörte vor sieben Jahren zu den Juristen, die Merkels Entscheidung rechtfertigten, die Grenzkontrolle praktisch aufzugeben, und erst einmal jeden ins Land zu lassen. Jetzt vertritt er zu diesem Thema Ansichten, die sich von seiner damaligen Haltung fundamental unterscheiden. Das Konglomerat von Regeln und Urteilen zur Einwanderung sei inzwischen viel zu kompliziert und praktisch kaum noch handhabbar, so Thym auf der Konferenz in Berlin: „Wir müssen überlegen, ob es nicht Zeit ist, das Migrationsrecht radikal zu vereinfachen.“ Er nannte ein Beispiel: „Als ich angefangen habe, zum Thema Asylrecht zu forschen, war die Abschiebehaft in 200 Worten geregelt. Heute sind es 2000.“ Jede Gerichtsentscheidung dazu habe die Anforderungen noch weiter nach oben geschraubt. Ganz nebenbei sagt er einen Satz, der die radikale Abkehr von 2015 bedeutet: Man müsse auch überlegen, „ob wirklich weiter jeder in die EU kommen kann, der an der Außengrenze ‚Asyl‘ sagt“.
Sofia Taxidis
Eigentlich hätte der Täter gar nicht in Deutschland sein sollen, eigentlich schon längst abgeschoben werden. Und eigentlich hätte er in Haft sitzen müssen. Nichts davon passierte. Das systematische Versagen der Behörden ist programmiert.
daili-es-sentials
2025-01-24T12:19:29+00:00
2025-01-24T15:36:25+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/aschaffenburg-enamullah-o-asylpolitik/
Bei Maischberger: "Das Bundeskanzler" hatte immer Recht
Bei Maischberger diskutieren zwei Ober Gender-Gouvernanten ums bessere Gendern. Ich will Sie gar nicht lange damit belästigen, nur eines in aller Kürze. Die eine ist dafür, dass wir „Bundeskanzler*in” sagen, die andere macht kurz echte, gute Opposition dagegen, sagt dann aber, was die in ihren Augen „Ideale Lösung“ wäre: das generische Maskulinum mit einem neutralen Artikel, etwa wie „das Bundeskanzler“ (kein Scherz, hat sie so gesagt). Das ist der Stand der Debatte im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen. Oder wäre vielleicht die Bundeskanzlernde besser? Usus ist jedenfalls, dass das mit den Frauen am besten in der DDR funktioniert hat, da haben ja schließlich alle gearbeitet, hier haben wir Gender Pay Gap und so. Erde an ARD-Redaktion, 30.000 Meilen jenseits von Gut und Böse: Ach, ist ja auch egal. Im Hauptteil der Sendung geht es dann um Corona, natürlich. Und es ist ja wirklich eine Kunst – das muss man ihnen lassen – wie man bei ARD und ZDF jede Woche ein neues Ass aus dem Ärmel zieht. Nachdem sich Melanie Brinkmann, als ganz heller, neuer Stern am Himmel der Virality-Stars langsam abgenutzt hat, hat man nun ein neues, gänzlich unbeschriebenes Blatt eingeladen. Thorsten Lehr, Professor für Klinische Pharmazie, und Erfinder von „CoSim“ einem Computerprogramm, mit dem man angeblich die Corona-Zahlen der Zukunft vorhersagen kann. Lehr ist der Messias, der Magier der Sendung. Keine Minute vergeht, in der Maischberger nicht betont, dass Lehr ja „mit den Prognosen bisher immer recht behalten hat“ – dann schiebt sie meist noch das obligatorische „leider“ hinterher. Man wartet darauf, dass der Mann nach der Lebenslinie von Frau Maischberger tastet und ihr die Zukunft vorhersagt. „Ich spüre… Sie werden sich alle Ihre Träume erfüllen, wenn sie nur fest daran glauben“. So läuft das Business eben. Wenn man immer sagt „die Kurve geht nach oben, die Kurve geht nach oben“ hat man irgendwann eben recht. Und dann gilt man als Experte fürs Fernsehen und bietet eine neue Rechtfertigung für das Bundeskanzleramt. Denn mit Lehr hatte ja auch die Bundeskanzlerin dann immer recht, sie gab schließlich die gleichen Prognosen ab. Ganz ohne „CoSim“, genial. Lockerungen sind jetzt jedenfalls ganz, ganz schlecht, da käme alles zusammen. Impfungen ändern nichts, schließlich ist die Gefahr auch groß, dass bei hohen Infektionen das Virus zur Resistenz mutiert – ach, ja das ist jetzt interessant. Alle Geschütze werden aufgefahren, Post-Covid-Syndrom, Schnelltests können nichts entscheidend verändern. „Die Kurve wird so oder so durch die Decke gehen“. Maischberger sagt: „Das ist der Mann, der uns sagt, wohin die Pandemie geht“. Ich bin beeindruckt, das war eine Show reif für den Zirkus.
Max Mannhart
Bei Maischberger haben wir endlich jemanden der uns die Zukunft vorhersagen kann, er hat ganz tolle Computermodelle. Ganz am Rande wird auch der Gipfel der Genderdebatte erreicht: nämlich ob es lieber Bundeszanzler*in oder "Das Bundeskanzler" heißen soll.
feuilleton
2021-03-11T07:13:27+00:00
2021-03-11T07:15:15+00:00
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/bei-maischberger-das-bundeskanzler-hat-immer-recht/
Olaf Scholz regiert als Merkel-Klon
Das alte Neue Deutschland brachte noch Erfolgsmeldungen zu Plan-Überfüllungen, als der DDR die Bürger bereits über Ungarn und Tschechien wegliefen. Die Herren des Politbüros weigerten sich bis tief in den Sommer 1989 hinein, diese Massenflucht zur Kenntnis zu nehmen. Stattdessen beschäftigten sie sich auf ihren Sitzungen mit ihren Lieblingsthemen wie dem strategischen Umgang mit der westdeutschen SPD. Unfair wäre indes ein Vergleich zwischen einer Sitzung des DDR-Politbüros und dem Koalitionsausschuss von SPD, Grünen und FDP. Das Politbüro brauchte niemals 30 Stunden, um zu Ergebnissen zu kommen, die nicht tragen. Das schafften die Genossen deutlich schneller. Vermeintliche Erfolgsmeldungen inklusive. In ihrem Gruselfaktor ließen sich die Protokolle von Politbüro und Koalitionsausschuss indes durchaus vergleichen. Ein bisschen Digitalisierung, Verkehr und Entbürokratisierung. Vor allem aber Klima, Klima, Klima. Das Wetter im Jahr 2050 ist der Bundesregierung wichtiger als der Wohlstand seiner Bürger im Jahr 2030. Olaf Scholz blinkt Grün. Aber gleichzeitig bremst er die Grünen aus. Diesen Widerspruch muss aushalten, wer sich dem Kanzler nähert. Denn über inhaltliche Konsistenz ist er nicht zu verstehen – nur über den Willen zum Machterhalt. Da ist der Kanzler ein Klon seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU). Das in 30 Stunden dauernder Detailarbeit erstellte Papier wird im Alltag nicht viel wiegen. Zum einen, weil es voller Symbolpolitik steckt: „Künftig wird die Bundesregierung im ersten Jahr einer Legislaturperiode ein umfassendes sektorübergreifendes Klimaschutzprogramm beschließen, um das Erreichen der Klimaziele sicherzustellen.“ Noch mehr Papiere statt Realität. Zum anderen decken sich die Aussagen des Koalitionsausschusses eben nicht mit der Realität. Es ist fast egal, was Scholz in ein Koalitionspapier schreiben lässt. Am Ende kann sich der Kanzler darauf verlassen, dass es sein Wirtschaftsminister in der Praxis verbocken wird. Wie die Gasumlage. Oder wie das Thema CO2-Ausstoß. Über diesen berichtet das Papier hymnisch: „Ein Umstieg auf erneuerbare Energien macht Deutschland unabhängiger und sorgt für mehr Sicherheit.“ In der Praxis ist Deutschland abhängig von französischem Atomstrom und polnischem Kohlestrom geworden und hat selbst Kohlekraftwerke reaktiviert. Für Menschen, die von Inhalten her denken, sind solche aktrobatischen Leistungen frustrierend. Doch Scholz ist Machtpolitiker. Und aus der Sicht des Machtpolitikers macht er derzeit viel richtig. Im September 2021 war es noch so, dass Habeck und Annalena Baerbock (Grüne) gemeinsam mit Christian Lindner und Volker Wissing (beide FDP) ein ikonisches Foto schossen. Es signalisierte den Volksparteien, dass jetzt die beiden kleineren Parteien bestimmen, wer in Deutschland regiert. Scholz wurde Kanzler, weil die Grünen ihn gegenüber Armin Laschet (CDU) bevorzugten. Er hatte sich vor ihnen zu verbeugen. Also ist Scholz zu einer Doppelstrategie genötigt: die Grünen am Seitenrand halten, weil ihren Klima-Extremismus nicht mal in Berlin 20 Prozent der Bevölkerung wollen. Aber gleichzeitig muss er die Grünen bei Laune halten. Deswegen nimmt er sich 30 Stunden Zeit für ein Papier, in dem sich die Koalitionäre mit Fragen beschäftigen wie der Einbindung der Bahncard 100 ins „Deutschlandticket“, den Beginn eines „E-Fuels-Dialogs“ oder der Auswahl von Fahrzeugen, die fürs Carsharing geeignet sind. Während in den gleichen 30 Stunden keine Zeit ist für Randthemen wie Innenpolitik, Außenpolitik, Einwanderungspolitik, Verteidigungspolitik, Finanzpolitik oder Wirtschaftspolitik. Läuft ja von alleine. Inhaltlich frustrierend. Keine Frage. Aber der Machtpolitiker Scholz denkt nicht in Inhalten. FDP und Grüne spielen nicht mehr ihn und die CDU gegeneinander aus. Er balanciert stattdessen mit den Koalitionspartnern. Angesichts der Schwäche der Opposition ist eine Wiederwahl 2025 durchaus möglich. Über das Wohl des Landes kann er hinweglächeln, wie er über seine Verstrickung in Affären hinweggelächelt hat. So lange Scholz an der Macht ist, ist die Welt in Ordnung. Zumindest  die Welt von Olaf Scholz.
Fritz Goergen
Kanzler Olaf Scholz regiert wie ein Update von Angela Merkel: brilliant im eigenen Machterhalt, aber fatal fürs Land. Das jüngst ausgehandelte Koalitionspapier liest sich wie ein Protokoll des Politbüros der DDR.
daili-es-sentials
2023-03-29T12:29:27+00:00
2023-03-29T12:29:28+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/olaf-scholz-regiert-als-merkel-klon/
„Spirit Einwanderungsland“: Nahles wärmt die Willkommenskultur auf
Andrea Nahles muss noch an ihrem Wording arbeiten. „Es kommen ja nicht Fachkräfte zu uns, sondern Menschen“, sagte die Ex-SPD-Chefin Andrea („Bätschi“) Nahles in ihrer aktuellen Funktion als Chefin der Bundesagentur für Arbeit dem Nachrichtenportal T-Online. Nähe man sie beim Wort, bedeutete das, dass es unter den 1,1 Millionen Menschen, die im letzten Jahr „nach Deutschland gekommen“ sind keine Fachkräfte gibt. „Eigentlich eine tolle Zahl“, meint Nahles. „Da könnten wir richtig stolz drauf sein. Dummerweise sind gleichzeitig 750.000 Leute wieder ausgewandert.“ Was Nahles hier meint, sind Ausländer, die einst nach Deutschland kamen und dem Land nun wieder den Rücken gekehrt haben. Das ist sicher keine kleine Zahl, aber auch kein Problem. Deduziert man allerdings die rund 150.000 Asylbewerber des Jahres 2021, dann verbleiben noch etwa 250.000 Einwanderer, die auf vollständig legalem Weg nach Deutschland gekommen sind. Allerdings müsste man noch den Umfang der Familienzusammenführung von Asylbewerbern in Anschlag bringen, was diesen Wert weiter senken dürfte. Leider fehlen dazu offizielle Zahlen. Die Ex-Politikerin zieht trotz dieser Bilanz einen ganz alten Hut hervor: die Willkommenskultur. So versteht sie jedenfalls die ARD-Tagesschau. Weil Menschen, nicht Fachkräfte nach Deutschland kommen, brauche man „auch die Bereitschaft, sie eben nicht nur als Fachkräfte zu sehen, sondern als Menschen willkommen zu heißen“, sagte Nahles wörtlich. Und das gilt sicher für eingeladene Gäste, die sich im Zuge ihrer Zuwanderung an unsere Regeln und Gesetze halten. Doch die Agenturchefin wünscht sich ganz allgemein den „Spirit Einwanderungsland“ für Deutschland. Was Nahles völlig außer Acht lässt, sind die deutschen Aus- und Zuwanderer (also eher Zurückkehrer). Hier war der Saldo negativ: 183.650 zugezogenen Deutschen standen 247.829 Auswanderer gegenüber, was eine Nettoauswanderung von 64.179 Deutschen ergibt. Insgesamt kamen also deutlich weniger als 200.000 Fachkräfte ins Land, vielleicht nicht einmal 100.000. Auch der gemütlichen Pfälzerin Andrea Nahles, die nach den SPD-Wahldesastern unter ihrer Führung unverhofft noch einen Posten an der Spitze der Bundesagentur für Arbeit erhielt, fällt auf, dass man einen Gutteil des Fachkräfteproblems lösen könnte, wenn man die deutschen Auswanderer von ihrem Vorhaben abbrächte. Aber das ist nicht ihr eigentlicher Punkt. Vor allem will die SPD-Politikerin freilich „Hürden“ abbauen, denen Zuwanderer auf dem Weg nach Deutschland begegnen. Das beginne schon damit, dass sie „in ihrem Heimatland Deutsch lernen müssen“. Denn Deutschlehrer seien vielerorts Mangelware. Andere könnten sich den Kurs nicht leisten. Außerdem arbeiten die deutschen Konsulate zu langsam. Ein Seitenhieb auf Annalena Baerbock? Merkwürdig nur, dass Nahles nicht zuerst an ihren eigenen Zuständigkeitsbereich denkt, wo es ihr angeblich um den Fach- und Arbeitskräftemangel im Land geht. Im November waren laut Arbeitsagentur noch 2,4 Millionen Menschen schlechthin arbeitslos (5,3 Prozent), saisonbereinigt ein Anstieg um 17.000. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sind nun sogar 117.000 mehr Menschen hart arbeitslos. Hinzu kommen allerdings die Unterbeschäftigten, die teils von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen profitieren, und im November 3,3 Millionen Personen ausmachten, 184.000 mehr als im letzten November. Damit steht ein Reservoir von mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland zur Verfügung, mit dem sich die 1,8 Millionen realen freien Stellen irgendwie, bei gutem Willen aller Beteiligter eigentlich füllen lassen müssten. Ein Plan, den eine sozialdemokratisch geführte Regierung durchaus verfolgen könnte. Dagegen scheint der Plan, dem sie nun folgt, eher ein neoliberales Zaubergewächs nach dem Motto zu sein: Flute den Arbeitsmarkt mit möglichst vielen Menschen. Aber so magisch ist auch dieses Rezept nicht, und auch nicht liberal. So sinken zwar die Reallöhne mit einiger Sicherheit, aber wirtschaftlichen Nutzen hat die Einladungsmentalität, die Nahles vorschlägt, eher nicht. Vielmehr würde eine neue „Willkommenskultur“ das Land viel Geld kosten, wenn damit gemeint sein sollte, dass man noch mehr illegale Migranten aufnehmen soll, um ein diversitätspolitisches Exempel an den Bürgern zu statuieren. Das aber würde sich höchst antiliberal rächen, denn eine solche unordentliche Diversität steigert nur das Bedürfnis der Regierenden nach Kontrolle. Übrigens ist es vielleicht kein Zufall, dass Nahles mit Zahlen vom letzten Jahr operiert. Im ersten Halbjahr sah es nämlich schon sehr anders aus. Vor allem durch die Zuwanderung von 740.000 ukrainischen Flüchtlingen wuchs die Nettozuwanderung in den ersten sechs Monaten auf mehr als eine Million Menschen an. Aber auch andere Nationalitäten sind vermehrt nach Deutschland gekommen, darunter neben Polen (11.000) und Rumänen (31.000) die nur sehr schwer in den Arbeitsmarkt zu integrierenden Syrer (leichter Anstieg auf 23.000 neue Zuwanderer) und Afghanen, deren Zuzug sich gegenüber 2021 vervierfacht hat (28.000 neue Zuwanderer von Januar bis Juni 2022). Allein im ersten Halbjahr 2022 sind damit mehr als doppelt so viele Menschen nach Deutschland gekommen wie im ganzen Jahr 2021. Und wieder werden nur die Ausländer betrachtet. Das scheint ein genereller Defekt dieser Statistik-Art zu sein. Der vermehrte „Zuzug“ aus Afghanistan wird den Taliban zugeschrieben. Dabei ist die Rekrutierung von Ex-Ortskräften durch das Außenministerium schon längst aus dem Ruder gelaufen, während die GIZ laut Presseberichten schon wieder neue Ortskräfte einstellt. Ja, genau: Seit dem August 2021 hat die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bereits 250 neue Ortskräfte im Rahmen der deutschen Entwicklungshilfe für die Taliban eingestellt, wie die Welt am Sonntag im September herausfand.
Matthias Nikolaidis
Andrea Nahles muss noch an ihrem Wording arbeiten. „Es kommen ja nicht Fachkräfte zu uns, sondern Menschen“, sagte die Ex-SPD-Chefin Andrea („Bätschi“) Nahles in ihrer aktuellen Funktion als Chefin der Bundesagentur für Arbeit dem Nachrichtenportal T-Online. Nähe man sie beim Wort, bedeutete das, dass es unter den 1,1 Millionen Menschen, die im letzten Jahr „nach
meinungen
2022-12-19T17:07:30+00:00
2022-12-19T17:22:58+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/andrea-nahles-willkommenskultur/
Transporthubschrauber CH-47F Chinook für die Luftwaffe
Im Sommer letzten Jahres verkündete das Bundesministerium der Verteidigung die Absicht, 60 schwere Transporthubschrauber CH-47F in der modernsten Variante bis 2030 zu beschaffen. Finanziert werden sollten die Fluggeräte aus den Sonderschulden für die Bundeswehr, vulgo Sondervermögen. Lediglich das Parlament müsse der Entscheidung über eine entsprechende 25-Millionen-Euro-Vorlage noch zustimmen. Einen Vertragsabschluss zu diesem Milliarden-Geschäft gibt es jedoch bis heute nicht, nun ist gar von einem neuen Industrie-Angebot die Rede (siehe hier und hier). Neben dem Nachfolger für das Waffensystem Tornado, dem ebenfalls aus US-Produktion stammenden Kampfflugzeug F-35, ist die geplante Beschaffung der CH-47F eines der größten Rüstungsprojekte der Bundeswehr: Sechs Milliarden Euro stehen dafür im Budget, bei der Auswahl der neuen Modelle soll sich sogar Kanzler Scholz eingeschaltet haben. Doch seit Beginn dieses Jahres mehren sich Meldungen, dass die von der Bundesregierung gewünschte Sonderfertigung der „Chinook“ doppelt so teuer werden könnte wie geplant. Ende Januar räumte das BMVg ein, dass der „Chinook“-Kostenrahmen möglicherweise nicht ausreiche. Gründe dafür seien Inflation, Wechselkurs und Lieferprobleme. Bahnt sich hier ein neues Rüstungsdesaster an, an denen es der Bundeswehr wahrlich nicht mangelt? Das Verteidigungsministerium hatte noch zu Jahresbeginn Probleme bei der technischen Entwicklungsreife des bestellten Fliegers bestritten. Und dies entgegen einem Bericht der US-Armee vom Januar 2023 an den Kongress, in dem das Block-II-Programm massiv kritisiert wurde: „Die aktuelle Analyse zeigt, dass der CH-47F Block II nicht in der Lage sein wird, seine Leistungsanforderungen in großen Höhen und unter heißen Bedingungen erfüllen zu können.“ Auch seien aufgrund einer Reihe von Projektänderungen Zeitpläne nicht mehr aktuell. Für mögliche Preissteigerungen werden nunmehr die Inflation, ein angeblich ungünstigerer Dollar-Euro-Wechselkurs und Lieferengpässe verantwortlich gemacht. Nachvollziehbar sind diese vorgeblichen Gründe für die in Rede stehenden milliardenschweren Preissprünge allerdings nicht. Der Dollarkurs liegt nicht wesentlich anders, als Mitte letzten Jahres. Das Ministerium streitet zudem ab, dass die Luftwaffe teure Extrawünsche habe und dass die bestellte Modifikation der CH-47F technisch nicht ausgereift sei. Entwicklungsprobleme beim Block II-Standard der Chinook gebe es nicht, behauptet das Ministerium. Wörtlich: „Es gibt gegenwärtig keine Indizien, dass die Qualifikation nicht erfolgreich abgeschlossen wird.“ Milliardenschwere Rüstungsgeschäfte werden hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Insofern können nicht alle Fakten bekannt sein, die zur vollständigen Beurteilung des Sachverhaltes erforderlich sind. Es deutet aber einiges darauf hin, dass entgegen allen Beteuerungen zum x-ten Mal altbekannte Fehler im Rüstungsgeschäft wiederholt werden. Von wegen keine Goldrandlösungen mehr und Kauf von der Stange: Der CH-47-Hubschrauber ist zwar eine über 50 Jahre alte Entwicklung, aber es musste die neueste und leistungsstärkste Version sein, die eben noch nicht truppenerprobt ist. Bereits vor Jahren wurde vergeblich versucht, für die 50 Jahre alten schweren Transporthubschrauber CH-53 der Luftwaffe einen adäquaten Ersatz zu beschaffen. TE hatte am 11. Oktober 2020 hierzu berichtet. Ein Bedarf der Bundeswehr für neues Fluggerät zeichnet sich schon seit der Jahrtausendwende ab. Erst mit der überraschenden Erkenntnis einer aggressiven russischen Machtpolitik bequemte sich die Bundesregierung zu der überfälligen Einsicht, dass Teile des Flugzeugparks der Streitkräfte erneuert werden müssen. Europäische Entwicklungsansätze zusammen mit den Franzosen scheiterten, so sind die US-Anbieter konkurrenzlos – Folgen siehe oben. Die geltenden Rüstungsverfahren schreiben bereits seit der Jahrtausendwende explizit den Kauf marktverfügbarer Produkte vor, in der Praxis schert sich allerdings kaum jemand darum. Die Militärs spitzen mit hochbezahlten Fachleuten ihre Forderungen so lange zu, bis nur die exorbitant teure Neuentwicklung bleibt, oder wie im vorliegenden Fall selbst der Kauf eines Seriengerätes als nicht ausreichend erscheint. Mit bewährten Systemen den militärischen Bedarf zu decken, zwingt nun mal zu Kompromissen. Das ist nicht die Stärke der Militärs, die ziehen es vor, ihre Wünsche und Forderungen passgenau erfüllt zu bekommen. Dieses Spiel macht die wehrtechnische Industrie allerorten auch gerne mit. So hat es die Luftwaffe geschafft, für die Beschaffung der CH-47 F nicht auf truppenbewährte Versionen setzen zu müssen, sondern mit dem Block-II-Standard und zusätzlicher Luftbetankung Neuland zu betreten. Apropos Luftbetankung: Diese komplexe und in Beschaffung wie Betrieb sehr aufwändige Fähigkeit ist für Hubschrauber reichlich widersinnig und lediglich für Extremsituationen begründbar. Für Hubschrauber auf Trägerschiffen sieht das anders aus, dort sind höhere Reichweiten kaum anders möglich. Über Flugzeugträger verfügt die Bundesmarine aber bekanntlich nicht. Im Unterschied zu Flächenflugzeugen, die einen Flugplatz mit Start- und Landebahn für Tankvorgänge benötigen, können Hubschrauber an Land aber an nahezu beliebigen Punkten zwischenlanden und Kraftstoff aufnehmen. Verhandlungspartner sitzen am kürzeren Hebel, wenn Zeitdruck herrscht. Nachdem sträflich lange gewartet wurde, bis ein Ersatz der altersschwachen CH-53G ins Auge gefasst wurde, steht der Bund angesichts des Ukraine-Krieges unter gehörigem Zeitdruck. Hinzu kommt, dass öffentliche Auftraggeber ihre Haushaltsplanung nicht unter der Decke halten können. Die Frage der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln wird so rasch zum Druckmittel, das Sondervermögen Bundeswehr lockt jeden halbwegs talentierten Verkäufer. Kein Wunder, dass die Preise nur eine Richtung kennen. Die Bundeswehr täte jedenfalls weiterhin gut daran, den Zeitdruck durch vorsichtige Ersatzteilbeschaffung für die vorhandenen Hubschrauber und eine vorbeugende Materialerhaltung zu reduzieren. Die vorhandenen CH-53G-Flieger werden am Ende auch noch ein paar Jahre länger durchhalten. Die Verantwortlichen sollten zudem Zusatzforderungen gegenüber einem Serienkauf überdenken und die Komplexität von Wehrmaterial nicht immer noch höher treiben. „Die Bundeswehr braucht robustes Material“, sagte der frühere Generalinspekteur Eberhard Zorn. „Unsere Fahrzeuge müssen verlässlich und einsatzbereit sein. Sie müssen noch fahren, selbst wenn sie schon mal angeschossen wurden.“ Höchste Zeit für diese Erkenntnis, der Ball liegt im Spielfeld der Militärs. Allerdings hat es derartige Erleuchtungen auch schon vor Jahrzehnten gegeben. Der Lerneffekt blieb überschaubar. Ob bewaffnete Drohnen, Ersatz des Kampfbombers Tornado oder nun ein neuer Transporthubschrauber – die jahrzehntelange Ignoranz rächt sich nun. Was andere Nationen längst realisiert haben, bewegte hierzulande nur ewig Gestrige. Anspruch und Wirklichkeit der sogenannten Parlamentsarmee klaffen meilenweit auseinander. Wenn Ersatzentscheidungen zu spät fallen, gerät man in Krisenzeiten in die Bredouille und sitzt am kürzeren Hebel. So wie Politik und nicht zuletzt auch das Militär mit Rüstungsprojekten umgehen, ist es nicht verwunderlich, wenn selbst 6.000 Millionen Euro für 60 Hubschrauber nicht ausreichen. 100 Millionen Euro pro Fluggerät, die schlimmstenfalls verdoppelt werden müssen! Mal sehen, zu welchen Konditionen das maßlos überteuerte Täubchen auf dem Dach realisierbar sein wird.
Richard Drexl
Bis 2030 sollen 60 Transporthubschrauber für die Bundeswehr angeschafft werden, finanziert aus dem „Sondervermögen“. Einen Vertragsabschluss zu diesem Milliarden-Geschäft gibt es jedoch bis heute nicht. Bahnt sich hier ein neues Rüstungsdesaster an?
meinungen
2023-04-13T18:00:19+00:00
2023-04-13T18:00:20+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/transporthubschrauber-ch-47f-chinook-luftwaffe-bundeswehr/
Steinmeiers Lehrstücke: Ein Präsident als Spalter
Ist das (noch) mein Bundespräsident? Eigentlich sollte sich diese Frage verbieten. Jedes unserer bisherigen Staatsoberhäupter hat es zumindest versucht, ein „Präsident für alle“ zu sein. Der eine „Hoch auf dem gelben Wagen“, der andere durch salbungsvolle, aber nutzlose Reden, um wohl die Vergangenheit seiner adeligen Familie zu kaschieren. Der erste traute sich, bei dem allerersten Bundeswehr-Appell den Soldaten noch zuzurufen: „Nun siegt mal schön.“ Ein anderer nannte Banken schonungslos das, was sie sind: „ein Monster“. Leider scheint der gerade jetzt verstummt. Dafür kam dann einer, der seine eigenen einstigen Landsleute ins Reich von „Dunkeldeutschland“ verwies. Doch der Amtierende in einem Schloss mit dem bezeichnenden Namen „Schöne Aussicht“ lässt das Maß nun überlaufen. Er spaltet das Land auf Teufel komm raus, obwohl er gerne als Christ wahrgenommen werden will. Jetzt, wo alles drauf ankommt, das Volk zu einem „Wir“ zu formen, grenzt er die immer größer werdende Minderheit der Gegner des verpflichtenden Impfens bis zum Aushebeln der Grundrechte gnadenlos aus. Stattdessen wählt die CDU just den größten Spalter neben CSU-Söder, den Sachsen Kretschmer, mit der höchsten Stimmenzahl zum Vizevorsitzenden. Alles Beweise für die sterblichen Überreste von ehemals stabilen, unsere Demokratie prägenden Volksparteien. Jetzt heben sie die Hand für einen Mann, der hinter seinem Lächeln ein eiskalter Sozi-Machtpolitiker ist, Israel-hassenden Diktatoren Grußtelegramme nach Teheran schickt und eine Musikkapelle mit dem klingenden Namen „Feine Sahne Fischfilet“ wegen ihres Einsatzes „gegen rechts“ heilig spricht. Dieser Einsatz besteht bei der Band aus Texten wie: „Die Bullenhelme, sie sollen fliegen. Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein, und danach schicken wir euch nach Bayern, denn die Ostsee soll frei von Bullen sein.“ Man könnte diese Spalter-Liste unendlich fortsetzen. Sie erreicht in diesen Tagen ihren Höhepunkt. Bei einer „Gesprächsrunde im Schloss Bellevue“ sei er auch „ganz direkt auf die sogenannten Spaziergänge der Gegner der Corona-Maßnahmen“ eingegangen, so Steinmeiers Hofpresse. Zitat: „Wer sich gegen unser Recht stellt und sich mit selbst erklärten Staatsfeinden und verfassungsschutzbekannten Rechtsextremisten gemein macht, der kann sich nicht mehr glaubwürdig auf Demokratie und Freiheit berufen“, sagte er am gestrigen Montag. Leute, deren Plakate zu 99 Prozent nicht nur irgendwie auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, sondern es verteidigen. Anders als bei jener Demo, bei der Claudia Roth hinter Parolen wie „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ herlief und zur Belohnung Bundestagsvizepräsidentin wurde. Gläubige Menschen mit Rosenkränzen oder tapfere Helden mit Kerzen, die 1989 eine Diktatur, auch eine Meinungsdiktatur erfolgreich gestürzt haben. Die zum Beispiel in der ungeimpftesten Region unseres Landes, meinem geliebten Erzgebirge, die niedrigste Inzidenz und Hospitalisierung haben. Im Sozi-Bremen von Steinmeiers Genossen ist es exakt umgekehrt. Wissen der All- und Altparteien-Kandidat und seine Wähler das alles nicht?! Stattdessen hieß es bei dem Gespräch mit dem bezeichnenden Titel „Hass und Gewalt in Zeiten der Pandemie“ aus dem Munde des Staatsoberhauptes: „Der ‚Spaziergang‘ hat seine Unschuld verloren… Die rote Linie verläuft genau da, wo Gewalt ins Spiel kommt… Dies gilt auch für die Meinungsfreiheit: Wir brauchen sie, wir schützen sie.“ Ach! Der neue Kanzler hatte wenigstens noch versucht, sich als „Kanzler auch der Ungeimpften“ zu präsentieren. Der Kollege von nebenan versucht das noch nicht einmal. Aber vielleicht habe ich da etwas falsch verstanden. Vielleicht gehört solche politische Demenz auch zum Alltag der Herrschenden. Die wissen bekanntlich mit zunehmender Amtsdauer immer weniger, wo und wen sie eigentlich regieren – besser: wem sie dienen sollen. Wie harmlos war dagegen der legendäre Amtsvorgänger Heinrich Lübke. Der stand auf dem Markplatz in Helmstedt und wusste nicht mehr, wo er war: „Ich begrüße Sie hier in…ähhh…in…..äääääh….“ Und das Volk schrie im anschwellenden Chor: Helmstedt, Helmstedt! Heute ruft es: „Das Maß ist voll. Rettet unsere Kinder aus der Käfighaltung“ oder „Wir stehen zum Grundgesetz“ oder „Freie Impf-Entscheidung“. Klar, das sind alles Verfassungsfeinde. Deshalb wählen wahre Demokraten in drei Wochen Herrn Steinmeier. Gegenkandidaten würden die Meinungs- und Wahlfreiheit nur stören. Schöne Aussichten für das Schloss Bellevue. Nicht für Deutschland. Wie hieß es doch so treffend auf TE gestern: „Spazieren ist gut für die Verfassung.“ Und zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Bundespräsidenten. P.S.: Während ich das schreibe und dieser Kommentar online geht, kommt die Meldung, dass es mit dem WerteUnion-Vorsitzenden Max Otte doch einen Gegenkandidaten gibt. CDU und CSU haben also wieder ein tolles Thema zur Ablenkung. Maaßen lässt grüßen.
Ferdinand Knauß
Ist das (noch) mein Bundespräsident? Eigentlich sollte sich diese Frage verbieten. Jedes unserer bisherigen Staatsoberhäupter hat es zumindest versucht, ein „Präsident für alle“ zu sein. Der eine „Hoch auf dem gelben Wagen“, der andere durch salbungsvolle, aber nutzlose Reden, um wohl die Vergangenheit seiner adeligen Familie zu kaschieren. Der erste traute sich, bei dem allerersten
meinungen
2022-01-25T17:05:02+00:00
2022-01-25T18:15:20+00:00
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/steinmeiers-lehrstuecke-ein-praesident-als-spalter/
Die neue Straßenverkehrsordnung kann schnell den Führerschein kosten
Im Schatten der Coronakrise wurde ein neuer Bußgeldkatalog verabschiedet. Die geänderte Straßenverkehrsordnung (StVO) gilt ab 28. April und sieht schon zum Beispiel für sehr geringe Geschwindigkeitsüberschreitungen und Parken in der zweiten Reihe deutlich teurere Bußgelder vor. Der Führerschein ist wesentlich schneller als früher weg. Bevorzugt werden Radfahrer, die künftig mehr Verkehrsanteile bewältigen sollen. Im Einzelnen sieht die neue StVO folgende neue Punkte vor: Innerhalb von Ortschaften ist ab 21 km/h zu schnell der Führerschein einen Monat weg, früher ab 31 km/h. Auf der Autobahn ist er jetzt ab mehr als 26 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit weg. 55 Euro kostet das Abstellen von Fahrzeugen auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz sowie auf für E- und Carsharing-Fahrzeuge reservierten Parkplätzen. Das Parken oder Anhalten in zweiter Reihe kostet 55 Euro. Wer eine sogenannte Blitzer-App während der Fahrt nutzt, die vor Geschwindigkeitskontrollen warnt, muss 75 Euro bezahlen und sich einen Punkt in Flensburg gefallen lassen. In seinen Maßnahmen ist kein Programm für Radfahrer vorgesehen, wie sie sich besser im innerstädtischen Verkehr bewegen und auch einen Blick für andere Verkehrsteilnehmer bekommen. Lastwagen sind größer und unübersichtlicher. Die Fahrer haben häufig kaum Chancen, Radfahrer, die im knappen Raum rechts überholen wollen, zu sehen. Auch ein Abbiegeassistent, wie er häufig gefordert wird, bietet keine absolute Garantie. Ebenso ist kein neuer Schutz von Fußgängern vor Radfahrern vorgesehen. Kräftig ausgeweitet wird der Schilderwald. Es gibt einen grünen Rechtsabbiegepfeil nur für Radfahrer. Die dürfen dann – ähnlich wie beim grünen Rechtsabbiegen bei Autos – trotz roter Ampel dennoch rechts abbiegen. Es gibt ein neues Schild »Beginn einer Fahrradzone«. Danach dürfen Autofahrer nur noch maximal Tempo 30 km/h fahren und den Radverkehr weder gefährden noch behindern. Ebenfalls ein neues Verkehrszeichen »Radschnellweg« haben sich die Verkehrsstrategen einfallen lassen. Radschnellwege enden allerdings häufig nach ein paar Kilometern im Sand oder im Nirgendwo. Ein Schild »Lastenfahrrad« zeigt an, wo Bereiche für Lastenräder freigehalten werden sollen. Ebenso gibt es ein neues Schild für Carsharing. Dafür wissen die Behörden aber noch nicht, wo diese Schilder aufgestellt werden sollen. Als eine »Führerschein-Vernichtungsmaschine«, bewertet der Automobilclub »Mobil in Deutschland« den neuen Bußgeldkatalog. Die Verschärfung sei unverhältnismäßig und ohne Not entstanden. Der Straßenverkehr sei relativ sicher, noch nie habe es in Deutschland so wenig Verkehrstote wie jetzt gegeben. Dem neuen Bußgeldkatalog fehle es »teilweise an Maß und Mitte«, sagt auch FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic. »Unpassend« empfindet er es, Falschparken auf einem Parkplatz für Elektroautos ebenso zu bestrafen wie auf einem Parkplatz für Schwerbehinderte. Beides kostet fortan 55 Euro. »Praxisfern und überzogen« sei ein einmonatiges Fahrverbot bei 26 Kilometern pro Stunde zu schnellem Fahren außerhalb von Ortschaften. »Hier gilt es die zu überdenken, ob der neue Katalog in dieser Form wirklich ‚gerechter und sicherer ist‘ oder nur Geld in die Staatskassen spülen soll.« Jetzt müssten systematisch die 30er-Zonen in den Kommunen überprüft werden, ob sie verkehrspolitisch sinnvoll sind oder ob sie nur dem Abkassieren dienen. Sicher dürfte sein: Anwälte mit Schwerpunkt »Verkehrsrecht« werden deutlich mehr zu tun bekommen. Die Einsprüche werden erheblich zunehmen, weil die Tempomesstechnik häufig genug nicht die hohen Anforderungen erfüllen kann und dieser neue Bußgeldkatalog verstärkt die Existenz von unter Zeitdruck stehenden Vielfahrern bedroht. Immerhin ist in vielen Fällen der Entzug des Führerscheins mit dem Verlust des Jobs verbunden. Eine sehr häufige Folge übrigens: Selbstmord. Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie unbedingt die Telefonseelsorge. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 bekommen Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Hilfe bei den nächsten Schritten anbieten können. Hilfsangebote gibt es außerdem bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Im Netz gibt es – Beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – auch ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen können.
Sofia Taxidis
Als eine »Führerschein-Vernichtungsmaschine«, bewertet der Automobilclub »Mobil in Deutschland« den neuen Bußgeldkatalog. Als unverhältnismäßig und ohne Not sei diese neue Verschärfung entstanden.
daili-es-sentials
2020-04-28T13:29:28+00:00
2020-04-29T07:24:14+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/die-neue-strassenverkehrsordnung-kann-schnell-den-fuehrerschein-kosten/
Aktuelle Umfragedaten: Was Europäer zu muslimischer Einwanderung meinen
Im Durchschnitt 55 Prozent der Befragten in zehn europäischen Ländern stimmen zu (71% in Polen, 65% in Österreich, 53% in Deutschland), dass jede weitere Zuwanderung aus islamisch geprägten Ländern gestoppt werden soll, 20 Prozent stimmten nicht zu und 25 Prozent entschieden sich nicht. Die Gruppe der Gegner eines Einwanderungsstopps lag in keinem Land über 32%.
71% in Polen, 65% in Österreich und 53% in Deutschland sind gegen jede weitere Einwanderung aus islamisch geprägten Ländern.
daili-es-sentials
2017-02-10T13:45:09+00:00
2017-02-10T13:55:46+00:00
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/was-europaeer-zu-muslimischer-einwanderung-meinen/
Starke Aktien-Woche trotz Zinsverwirrung
Nur zwei Tage zuvor hatte Fed-Chef Jerome Powell die Märkte auf zwei Zinserhöhungen Ende 2023 eingestimmt. Was war das also — eine Außenseitermeinung oder gar ein Versuchsballon der Fed? Powell ließ sich in der jüngsten Kongressanhörung nicht aus der Reserve locken. Anhaltende Inflation, wie sie die USA etwa in den 70er-Jahren gesehen haben, sehe er nicht. Zugleich räumte er ein: Bislang habe die Notenbank den Preisauftrieb unterschätzt und jener könne langwieriger sein als erwartet. Angesichts dieser Lage jedoch böte es sich durchaus an, die Marktreaktion auf raschere Zinserhöhungen einmal zu testen. Das Experiment, wenn es denn eins war, förderte zutage: Der Dow ist offenbar sensibler als gedacht (auch der zyklische DAX reagierte verschnupft). Die Techs aber zeigten sich überraschend widerstandsfähig, die Nasdaq markierte in der Folge gar ein neues Allzeithoch. ​ Die Standardwerte-Indizes an der Wall Street bauten dann auch am Freitag ihre jüngsten Gewinne aus. Der den breiten Markt abbildende S&P 500 erreichte sogar ein weiteres Rekordhoch und profitierte dabei unter andrem von einem rasanten Kursanstieg bei den Aktien von Nike. Der Sportartikelhersteller hatte überraschend starke Quartalszahlen vorgelegt. Positiv wirkten zudem weiterhin die zuletzt im Ringen um groß angelegte Investitionen in die amerikanische Infrastruktur erzielten Fortschritte, die als Anzeichen für eine anziehende Konjunktur in den USA gewertet wurden. Der S&P 500 legte um 0,3 Prozent auf 4.280 Punkte zu. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial stieg um 0,7 Prozent auf 34.434 Punkte. Auf Wochensicht ergab sich damit ein Plus von 3,4 Prozent. Für den technologielastigen NASDAQ 100 ging es nach der neuen Bestmarke vom Vortag um 0,1 Prozent auf 14.345 Punkte nach unten. Nike profitierte kräftig vom Ende vieler Corona-Beschränkungen in den USA. Nachdem der Sportartikelhersteller das vergangene Quartal unerwartet stark abgeschlossen hatte, gibt sich die Konzernspitze auch mittelfristig optimistisch. Die Anteilscheine schnellten auf ein Rekordhoch und zogen am Ende als unangefochtener Favorit im Dow um 15,5 Prozent an. Dagegen sackten die Papiere von FedEx als Schlusslicht im S&P 500 um fast vier Prozent ab. Für die von dem Logistiker vorgelegten Zahlen zum vierten Geschäftsquartal gab es zwar positives Feedback, als Belastung empfanden Händler aber den Ausblick auf das neue Geschäftsjahr, der laut einem Börsianer die Erwartungen wegen höherer Lohnkosten und einer niedriger als gedachten Produktivität verfehlte. Die Tesla-Aktien büßten anfängliche Gewinne ein und gaben am Ende um gut ein Prozent nach. Der japanische Elektronikkonzern Panasonic hatte sein milliardenschweres Aktienpaket am Elektroautobauer und Batteriepartner zu Geld gemacht. Die Partnerschaft mit Tesla bleibt aber bestehen. Die Firmen betreiben zusammen Teslas Batterie-Gigafabrik im US-Bundesstaat Nevada. Um knapp 39 Prozent schossen die Papiere von Virgin Galactic nach oben. Wie das Raumfahrtunternehmen berichtete, hat die US-Luftfahrtbehörde dessen Frachtlizenz für die kommerzielle Raumfahrt aktualisiert. Dies ermögliche es Virgin Galactic, Kunden ins All zu fliegen. Der deutsche Aktienmarkt hatte sich zuvor kaum von der Stelle bewegt. Der deutsche Leitindex DAX schloss 0,1 Prozent im Plus bei 15.608 Punkten. Auf Unternehmensseite standen insbesondere die Sportartikelhersteller im Fokus. Die positiven Zahlen von Nikeen der gesamten Sportartikel-Branche einen Auftrieb. Die Anteilsscheine des deutschen Konkurrenten Adidas stiegen in der Spitze um sechs Prozent auf 310,15 Euro und Puma kletterte um rund 3,8 Prozent. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hellt sich derweil weiter auf. So stieg der Ifo-Geschäftsklimaindex im Juni auf 101,8 Punkte, nach 99,2 Punkten im Mai. Die Unternehmen bewerteten ihre aktuelle Geschäftslage, aber auch die Aussichten fürs zweite Halbjahr als zufriedenstellend. Und auch der Einkaufsmanagerindex für den Juni kletterte von 56,2 auf 60,4 Punkte. Besonders auffällig ist, dass sich die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe trotz des ohnehin schon hohen Niveaus im Mai mit 64,5 Punkten nochmals um einen halben Punkt verbessert hat. Vom Allzeithoch bei 116 Euro (Mai 1998) ist der Deutsche-Bank-Kurs mit knapp elf Euro weit entfernt. Aber wer bei gut fünf Euro zu Beginn der Corona-Krise einstieg, hat seinen Einsatz bereits verdoppelt. Das Beispiel Deutsche Bank ist für einen Teil des aktuellen Marktsentiments typisch, wie die Analyse des Analysten-Meinungsklimas von Media Tenor International zeigt. Die Einschätzungen der Experten zu Banken, die in Medien wie der „Financial Times“ zitiert werden, verbesserten sich gegenüber Pandemiebeginn stark: Betrug der Sentiment Score zu Banken im zweiten Quartal 2020 noch minus 28,9, so lag er im (angefangenen) zweiten Quartal dieses Jahres bei plus 13,3. „Die niedrigen Buchwerte zahlreicher europäischer Banken scheinen sich angesichts stabilisierender Erträge und ausbleibender Katastrophen bei den Kreditbücher ist in Kaufgelegenheiten zu transformieren“, erklärt -Matthias Vollbracht, Leiter Research beim Zürcher Medienanalyseinstitut. Ein ähnliches Phänomen zeigt sich bei den etablierten Autoherstellern. Während sich das Meinungsklima zu Tesla zuletzt abkühlte, gibt es für Titel wie Volkswagen viel Zustimmung. „Neben spezifischen Fragen von Tesla — zum Beispiel zur Rolle von Emissionszertifikaten oder Bitcoin-Spekulationen als Profittreiber statt einer soliden Marge im Autovertrieb — scheint auch bei den etablierten Herstellern eine Art ‚Fundamentalwertanalyse‘ wieder verbreiteter“, so Vollbracht. Derzeit scheint wieder einmal die Stunde der Value-Analyse zu schlagen. Insgesamt wurden über 76 000 Aussagen ausgewertet. Ein 25-Jahre-Rückblick zur Wertentwicklung von Investmentfonds mit dem Fokus deutsche Aktien zeigt, dass die aktiven Portfoliomanager sich nicht vor ihren Benchmarks verstecken müssen. Auf Platz 1 der Rangliste landete der DWS German Equities Typ O. Mit einer jährlichen Durchschnittsrendite von 8,7 Prozent ließ er nicht nur die Konkurrenz hinter sich. Er setzte er sich zudem vor seine Schwesterfonds DWS Deutschland und DWS ESG Investa, die größer und prominenter sind. Allerdings lagen diese beiden DWS-Fonds mit jährlichen Renditen von 8,2 und 7,6 Prozent ebenfalls vor dem DAX-Index, der im Zeitraum vom 1. Juni 1996 bis 31. Mai 2021 „nur“ ein jährliches Plus von 6,7 Prozent schaffte. Zudem lagen der Fondak, der Concentra sowie der Allianz Thesaurus von Allianz Global Investors in den vergangenen 25 Jahren vor dem DAX–Index. Bei Union Investment gelang dies zudem dem UniDeutschland sowie dem UniFonds. Weitere Meldungen und Kommentare zu Wirtschaft und Börse lesen Sie auf unserer Partner-Site  
Sofia Taxidis
Da funkte James Bullard, Präsident der Fedederal Reserve Bank von St. Louis und Mitglied des Offenmarktusschusses der US-Notenbank, ohne Vorwarnung gehörig dazwischen.
wirtschaft
2021-06-27T15:40:15+00:00
2021-06-27T16:43:37+00:00
https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/geldanlage/starke-aktien-woche-trotz-zinsverwirrung/
Die heimliche Enteignung der Steuer- und Abgabepflichtigen
Am Mittwoch hat das Bundeskabinett das Stabilitätsprogramm 2019 des Bundesfinanzministers beschlossen. Die Regierung klopft sich dabei vor allem auf die Schulter. Denn die Finanzzahlen des Fiskus klingen bestechend. Die Zinsausgaben des Staates etwa liegen – gemessen an der Jahreswirtschaftsleistung – mit 0,9 Prozent auf dem tiefsten Stand seit 50 Jahren. Während die Sparer unter der Nullzinspolitik leiden, freut sich der Finanzminister diebisch über niedrige Refinanzierungskosten. Scholz kann auch stolz verkünden, dass Deutschland am Jahresende erstmals seit bald 20 Jahren einen Schuldenstand aufweist, der mit 58,75 Prozent wieder unter der maximal zulässigen Maastricht-Quote von 60 Prozent liegt. Auch die Steuern fließen nach wie vor üppig – trotz der Eintrübung der Konjunktur. Der immer noch boomende Arbeitsmarkt beschert sogar den Sozialversicherungen aktuell noch Überschüsse.. Dass der Fiskus ein nimmersattes Wesen ist, belegt die immer stärkere relative Belastung mit Steuern und Abgaben. Die Steuerquote ist im Jahr 2018 auf ein Hoch von 23,7 Prozent des BIP gestiegen. Im laufenden Jahr soll sie weiter leicht steigen. Die Steuerquote ist für mich die Zahl, in der der sich die klammheimliche Enteignung der Steuer- und Abgabepflichtigen manifestiert. In den vergangenen 25 Jahren lag sie nie höher als heute. Das gleiche gilt auch für die Sozialbeitragsquote, die im vergangenen Jahr bei 16,9 Prozent des BIP lag und jetzt vom Finanzminister – sehr optimistisch – mit 17 Prozent bis 2022 fortgeschrieben wird. Trotz der geplanten partiellen Abschaffung des Solidaritätsbeitrags wird die Abgabenquote in den kommenden Jahren praktisch nicht sinken, sondern bei etwa 40,5 Prozent stagnieren. Interessant ist ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Als Angela Merkel 2005 die erste Große Koalition zu führen begann, lag die Steuerquote bei 20,8 Prozent. Eine dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung – Sie erinnern sich vielleicht: Die CDU hatte im Wahlkampf 2005 eine solche abgelehnt, die SPD dagegen explizit 2 Prozent Erhöhung gefordert. Das mündete nach der Wahl in der Addition: 0 + 2 = 3! – leitete dann binnen eines Jahres eine signifikante Erhöhung der Steuerquote ein, die seither fast unaufhörlich um volle 3 Prozentpunkte gestiegen ist. Hätten wir im vergangenen Jahr die Steuerquote von 2005 gehabt, würden die Steuerzahler summa summarum rund 100 Milliarden Euro weniger an den Fiskus abgeführt haben. Pro Kopf der Bevölkerung – vom Säugling bis zum Greis – wären das immerhin 1.200 Euro im Jahr. Doch mehr Geld in den Taschen der Bürger zu belassen, ist in den Augen der meisten Politiker ein Fehler. Denn sie wissen angeblich, was gut für den Bürger ist. Dafür verlangen sie ihm längst mehr als den Zehnten ab. Weil sich das Volk diese Form staatlicher Bevormundung nur zu gern gefallen lässt und viele nach immer weiteren Leistungen gieren, ist man als Leser gespannt, ob sich die Risiken und Nebenwirkungen politischer Freigebigkeit angesichts der demografischen Entwicklung irgendwo im Stabilitätsprogramm niederschlagen. Auf Seite 37 wird man unter der kleinen Überschrift „Herausforderungen für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen“ fündig: „Die Veränderungen im demografischen Gefüge gehen einher mit einem Rückgang des Erwerbspersonenpotentials. Dadurch erhöht sich der Altenquotient als Relation der Bevölkerung im Alter 65+ zu jener im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre). Der Altenquotient wird sich nach der aktuellen Projektion des Statistischen Bundesamtes von rund 33 % im Jahr 2018 auf knapp 44 % im Jahr 2030 erhöhen und langfristig auf fast 55 % im Jahr 2060 weiter ansteigen.“ Diese alarmierende, aber zutreffende Beschreibung des demografischen Wandels für die Sozialversicherungen und den Staatshaushalt müsste jede verantwortungsbewusste Bundesregierung zu einem sofortigen und absoluten Stopp weiterer teurer Sozialausgabenprogramme veranlassen. Verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger müssten angesichts dieser Fakten von weiteren Forderungen an den Staat Abstand nehmen. Doch bei der Rente, in der Pflege- und Krankenversicherung und anderswo wird munter weiter aufgestockt, als ob es kein Morgen gäbe. Weil wir offenkundig in toto weder vom Wähler noch vom Politiker diese Zurückhaltung erwarten können, wird sich die heimliche Enteignung der Steuer- und Abgabepflichtigen absehbar fortsetzen. Und zwar mit progressivem Tempo!
Sofia Taxidis
Enteignungen von Wohnungsunternehmen stehen öffentlich derzeit hoch im Kurs. Die ständige Enteignung der Steuerzahler führt dagegen ein Schattendasein.
kolumnen
2019-04-18T11:38:03+00:00
2019-04-18T11:38:04+00:00
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/oswald-metzger-zur-ordnung/die-heimliche-enteignung-der-steuer-und-abgabepflichtigen/