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2004-11-01 12:00:00
2024-03-28 09:19:09
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2025-03-11 12:39:42
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“Kulturelle Differenzen” sind keine Entschuldigung für sexuellen Missbrauch
Payam Younesipour war jahrelang Chefredakteur der “iran-varzeshi newspaper” und lebt seit 15 Monaten in Wien. Alle Fotos von Pegah Fatemi. In dieser Reihe berichten geflüchtete Journalisten über ihr neues Leben in Österreich.*** English version below. *** Im Iran hat sich der Begriff “kulturelle Differenzen” seit April 2012 zu einem geflügelten Wort entwickelt und wird manchmal auch als Witz verwendet. Damals war ein iranischer Diplomat wegen Kindesmissbrauch in Brasilien angeklagt. Die brasilianische Polizei verhaftete ihn und schickte ihn, auf Grundlage des iranischen “charge d’affaire” nach Teheran zurück. Das iranische Außenministerium verfasste sofort eine Aussendung, in der erklärt wurde, dass der sexuelle Missbrauch mit “kulturellen Differenzen” in Verbindung stehe. Obwohl das unsittliche Berühren eines Kindes nie als “Kultur” im Iran akzeptiert war, musste sich dieser Diplomat für sein Vergehen nicht vor einem Gericht verantworten. Seit Jahren zwingt das Gesetz, iranische Frauen in der Öffentlichkeit eine Hijab zu tragen. Es wurde als Vorsichtsmaßnahme eingeführt, um “kulturelle Differenzen” zu verhindern. Frauen ist es untersagt, ihre Haare oder andere Körperteile auf der Straße, in der Universität oder am Arbeitsplatz offen zu zeigen. Sie müssen in separaten Abteilen in Bussen oder U-Bahnen sitzen, um jeden körperlichen Kontakt mit Männer zu vermeiden. Des Weiteren haben Frauen kein Recht, zu singen. Sie dürfen seit Kurzem auch keine Musikinstrumente mehr spielen. All das nur, weil Männer vielleicht eine Sünde begehen könnten, wenn sie die Stimme einer Frau hören würden. Und ja, es ist wahr, iranische Männer belästigen Frauen auf den Straßen Teherans mit ihrem Mund, den Händen und ihren Augen. Sie tun es, weil— laut Gesetz—sexueller Missbrauch nicht die Schuld des Mannes, sondern die der Frau ist—wenn sie sich nicht an die Regeln des angemessenen Benehmens hält. Auch zählt die Aussage einer Frau vor Gericht nur zur Hälfte. Seit fünfzehn Monaten lebe ich jetzt in Wien und sehe iranische Männer, die in Österreich um Asyl angesucht haben, weil sie aus verschiedenen Gründen nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren können. Die Frauen hier tragen kein Kopftuch, um sich vor den Blicken und der Begierde der Männer zu schützen und die Polizei überwacht die Situation auch nicht. Vor ein paar Tagen habe ich ein iranisches Mädchen gesehen, sie hatte ihre Haare offen und trug ein T- Shirt, das im Iran verboten wäre. Sie hat gesungen und Musik gehört. Alles Dinge, die in ihrem Heimatland nicht erlaubt wären. Trotzdem belästigen die iranischen Männer dieses Mädchen nicht, nicht hier in den freien Straßen von Europas Städten. Sie belästigen die Mädchen weder mit Worten noch mit Blicken. Man könnte sich fragen: Warum? Warum respektieren iranische Männer die Rechte der Frau in Europa, aber nicht im Iran? Ich denke, der große Unterschied liegt hier nicht in der “Kultur”, sondern in der Rechtssprechung. Ich glaube, dass österreichische Männer sich wie Iraner verhalten würden, würden sie für ein paar Jahre in meinem Land leben. In Österreich wird Männern beigebracht, die Rechte der Frau zu respektieren—tun sie es nicht müssen sie mit einer Strafe rechnen. Vielleicht brauchen die Mädchen und Frauen im Iran auch diese Freiheit, aber noch wichtiger ist mir, dass alle, die hier leben, das Gesetz respektieren. Kulturelle Unterschiede können keine Entschuldigung für einen Gesetzesbruch sein. Protokoll und Übersetzung von Christoph Schattleitner. Wir versuchen, auf das Thema sexuelle Belästigung aufmerksam zu machen. Unter #NichtMehrWegschauen könnt ihr über eure Erfahrungen und Meinungen berichten. In Iran, the term “cultural differences” has become a winged word and sometimes a joke since April 2012. Back then, an Iranian diplomat was accused of child abuse in Brazil. The Brazilian police arrested him and returned him to the Iran’s charge d’affaires to Tehran. Iran’s Foreign Ministry immediately wrote a statement and told that the sexual charge is related to “cultural misunderstanding “. However, touching the body of children has never been common practice in Iran, although this diplomat was never charged for his crime by the court. For years, the law has forced Iranian women to always wearing a Hijab walking the streets; it was introduced as a retardant barrier to prevent “cultural problems”. Women have no right to show their hair or any part of their bodies on the streets, universities or workplaces. They even must sit in separate quarters in buses and subways in order to avoid any physical attempt by men. Furthermore, women don’t have the right to sing and recently they no longer have the right to play any musical instruments. All of this is because Iranian men might commit a sin if they see or hear the voices of women. And, yes it’s true—Iranian men are bothering women on the streets of Tehran with their mouth, their hands and their eyes. They are doing it, because according to the law, sexual abuse is not the man’s fault, but the woman’s—if she hadn’t sticked to the rules of appropriate behaviour. Furthermore the testimony in court of a woman counts only half. Now I am living in Vienna for 15 months and I see Iranian men that sought refuge in Austria, because they have reasons that won’t allow them to return home. The girls here have no hijab to avoid sins of men. And the police isn’t guiding women and girls in the streets. A few days ago I even saw an Iranian girl with open hair, she was wearing a shirt that would be forbidden in Iran. She was even singing and playing music. All this would forbidden in her country! Nonetheless Iranian men don’t touch the body of girls in the free streets of European cities. They don’t hurt women by their words, and also when they pass next to a girl, they don’t turn their heads to see the girl’s body. You may ask why? Why are Iranian men respecting women’s rights here and in Iran they are not? I think the differences between Austria and Iran are not because of “culture” but because of the law. If Austrian men were living in Iran for some time, they would also behave like all the others there, I think. Austria teaches men that they have to respect women’s rights and if not, they get punished. Maybe the girls, women and men of Iran need such a freedom as well. But the more important thing for me now is that all people that live in Austria have to respect the law in this country. Cultural differences cannot excuse breaking the law. Follow Payam on Torial.
Payam Younesipour
[ "flüchtlinge", "Integration", "Iran", "Journalisten nach der Flucht", "Österreich", "sexuelle belästigung", "Stuff", "teheran", "wien" ]
2016-06-10T05:00:00+00:00
2024-07-30T22:12:00+00:00
https://www.vice.com/de/article/kulturelle-differenzen-sind-keine-gute-entschuldigung-fr-sexuellen-missbrauch/
GeilerAsDu über Winterdepressionen, Schlaf und Träume
GeilerAsDu haben erst kürzlich ihr zweites Album Turbo Mate & Kalaschnikow veröffentlicht und damit einmal mehr bewiesen: Mundartrap kann auch spannend sein. Das Trio bestehend aus dem DJ und Produzenten LUiG und den beiden Rappern Luzi und Mike, das 2005 in Luzern zusammengefunden hat, hat sich in den letzten zehn Jahren einen Ruf als solider Fixpunkt innerhalb der Szene erarbeitet. Spätestens seit dem Album Flöchted, das die Jungs 2011 veröffentlicht haben, aber auch mit Luzis Soloalbum und seinen Releases mit der Moskito-Crew gilt das Umfeld der drei Musiker als zuverlässige Quelle für gute Rapmusik. GeilerAsDu ist das Ass im Ärmel, das Mundartrap immer dann spielt, wenn er merkt, dass es dringend eine Alternative braucht. Turbo Mate & Kalaschnikow ist in sich konsistent, kein Konzeptalbum, aber es lässt sich ohne Schwierigkeiten in einem Guss hören und funktioniert als Ganzes. Es hebt sich inhaltlich vor allem aus drei Gründen von den meisten Mundart-Rapalben ab: Die Platte ist intelligent, sie hat Rückgrat und sie beschäftigt sich mit der Realität. Ja, das genügt bereits, um aus der textlichen Irrelevanz des Schweizer Rap-Ozeans herauszustechen. GeilerAsDu ist aber auch in Bezug auf Ästhetik, Style und Technik eine Ausnahmeerscheinung und macht darum einfach Spass. Ich treffe die drei Jungs an einem kalten, grauen Tag im Dezember, und haben uns hierfür auf ein warmes, gemütliches Plätzchen namens Skype geeinigt. Das ist der perfekte Ort für ein Gespräch über ausgewogenen Schlaf, Traumdeutung und die Melancholie und erdrückende Schwere des Winters.Noisey: Es gibt viele Menschen, die Mühe damit haben, dass es gerade Winter ist. Es drücke auf die Stimmung und sorge für schlechte Laune—manche sprechen von “Winterdepression”. Wie geht’s euch?Luzi: Ich kann das alles ganz gut nachvollziehen. In meinem Umfeld kenne ich einige Menschen, die sich zur Zeit ein bisschen verwirrt oder niedergeschlagen fühlen. Mir geht’s manchmal auch selber so. Gestern zum Beispiel war ich grundlos down. Vielleicht liegt’s ja an der Nebeldecke, die gerade über Bern hängt.Mike: Also mir geht’s ganz gut. Ich bin in Luzern, liege in meinem Bett und mir scheint die Sonne ins Gesicht. Ist ein bisschen wie Sommer. Aber klar: Das Ende des Jahres verbunden mit der ganzen Weihnachtshysterie kann schon enorm viel Nerven kosten.LUi G: Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass ich den Winter relativ geil finde. Wenn es neblig ist, finde ich das auch ziemlich geil. Mir schlägt das gar nicht auf die Psyche.Mike: Na gut, du bist auch der stabilste Mensch, den es gibt. OK, das ist eine Mutmassung. Aber in unserer Crew bist du eindeutig der Ausgeglichenste.LUi G, willst du deinen Freunden nicht das Geheimnis für ein ausgeglichenes Leben verraten? Ich frage für sie.LUi G: Ich versuche vor allem im Moment zu leben und die Probleme oder Schwierigkeiten nacheinander zu lösen. Wenn du dich zu sehr mit Fragen beschäftigst, die irgendwo in der Zukunft liegen, machst du dir nur unnötig Kopfschmerzen und fällst in ein Loch. Das hilft weder einem selber noch dem Problem. Das klingt jetzt alles ein bisschen floskelhaft und die Schwierigkeit an diesem theoretischen Modell ist natürlich die gelebte Realität, aber es funktioniert. Ich gebe dir Recht—das ist wirklich ein guter Vorsatz. Aber eben, es bleibt meistens ein Vorsatz. Und ich persönlich habe auch ein wenig mit diesem “Lebe den Moment” meine Mühe.Mike: Also bei LUi G funktioniert es wirklich ganz gut. Aber ich kann auch deinen Einwand verstehen. Ich glaube, dass es grundsätzlich am besten ist, wenn du es schaffst, dich auf den Moment zu fokussieren. Eine gewisse Weitsicht ist ab und an aber doch sehr wichtig und hilfreich. Und wenn ich sage, dass du im Moment leben solltest, heisst es ja nicht, dass du immer total glücklich und überschwänglich sein musst. Es darf und soll einem auch mal schlecht gehen dürfen. Das wichtige ist, zu wissen: Wir sind ein kleiner Funke Scheisse im Universum.Luzi: Mike hat das Interview gekillt. Das war der Schlusssatz. Wir können aufhören.Mike: Nein, wir kommen doch erst richtig in Fahrt. Beispielsweise war ich letzte Woche an der Westküste Irlands, wo eine beeindruckende Klippenlandschaft das Bild prägt. Ich habe gelesen, dass diese Klippen vor 320 Millionen Jahren entstanden sind. Da habe ich mir überlegt, dass diese Klippen wahrscheinlich in 320 Millionen Jahren immer noch in irgendeiner veränderten Form da sind.Wir sind irgendwo in Raum und Zeit, und in der Relation sind wir genau etwas: nichts. Immer wenn ich denke, jetzt brechen alle Probleme über mich ein, dieses mal schaffe ich es wirklich nicht, das war’s, ich bin am Arsch, und so weiter, passiert immer dasselbe: nichts. Ich mag diesen Gedanken sehr. Auf den ersten Blick klingt diese Erkenntnis nach Leere und Sinnlosigkeit. Ich finde aber sie hat was sehr Entlastendes: Dadurch dass du dich und deine Probleme nicht so wichtig nimmst, bekommst du erst richtigen Freiraum für das Leben.LUi G: Ja, das macht einen in der Tat einiges befreiter und mutiger und man schärft dadurch auch seine Fähigkeit, sich auf das wirklich Wichtige zu fokussieren. Aber Jungs, ich rede hier so, als wäre ich erleuchtet. Ich sehe mich schon in einer Stunde in ein Loch fallen.Mike: Ich glaube auch, dass diese Erkenntnis sehr befreiend sein kann. Leider ist aber auch hier die Umsetzung nicht ganz so einfach. Bemerkenswert finde ich, dass so viele Menschen, die ich kenne, spannende Projekte umsetzen und in diesen auch sehr eingespannt sind, sich irgendwie gestresst fühlen und sich unter Druck setzen. Aber sie möchten dann doch lieber nicht ganz offen und ehrlich über diese Probleme sprechen.Luzi: Das machst du dann beim Psychiater, oder? Und vielleicht sind all diese spannenden Projekte und dieses Eingespanntsein eben genau die Fassade, die du benötigst. Ich weiss es nicht. Wenn du aber dein Glück an Projekte und deren Erfolg koppelst, wirst du immer wieder unzufrieden sein. Es ist nämlich ein Fass ohne Boden. Du setzt dir ein Ziel und sagst dir innerlich, “wenn ich das erreicht habe, dann bin ich glücklich”. Und dann stellst du fest, dass du wieder was Neues willst. Das ist eine Spirale, die einen nie zufrieden machen kann. Dann doch lieber im Moment leben und sich einfach nicht allzu ernst nehmen. Und: Genug schlafen. Das wird total unterschätzt. Für mich ist das total wichtig. Dem kann ich nur beipflichten. Wie habt ihr es so mit ausgewogenem Schlaf?LUi G: Ich versuche immer acht Stunden zu schlafen. Wenn ich einige Tage hintereinander nicht genug schlafe, werde ich anstrengend. Ich brauche das wirklich. Ist euch eigentlich bewusst, dass wir einen Drittel unseres ganzen Lebens mit Schlafen verbringen?Luzi: Das ist krass, ja. Ich brauche auch meine acht Stunden. Manchmal schätze ich mich falsch ein und sage mir, dass auch vier oder fünf Stunden genügen. Am nächsten Tag bin ich dann gereizt oder hab nicht die Nerven, die ich an einem “normalen” Tag habe.Mike: Ich brauche auch relativ viel Schlaf und den nehme ich mir auch. Ich habe aber auch sehr viel Glück, was meinen Schlaf betrifft. Ich lege mich hin und innerhalb von einigen Minuten schlafe ich ein. Und da gibt’s auch kein Erwachen in der Nacht oder ähnliches.Luzi: Bei mir ist das ein bisschen anders. Ich mach das wie die meisten Menschen in meinem Umfeld. Ich lege mich hin und checke mal mein Handy. Ich glaube auch, die wenigsten gehen wirklich schlafen, wenn sie sagen, sie gehen schlafen. Sie legen sich einfach mal ins Bett. Bei mir dauert das dann mal eine Weile, bis ich effektiv einschlafe. Könnt ihr euch an eure Träume erinnern?Mike: Ja, eigentlich sogar sehr oft. Kurz nach dem Aufwachen, kann ich mich sehr gut erinnern. Ich muss mir dann einfach kurz Zeit nehmen, mich zu erinnern versuchen und dann klappt das sehr gut. Ich schreibe mir das manchmal kurz auf oder mache eine Sprachaufnahme, damit ich es nicht wieder vergesse. Ich habe gewisse Träume, die sich mir auch ganz leicht erschliessen. Dann habe ich aber auch diese total verworrenen Gefühlsträume, die ich nicht wirklich verstehe, die aber irgendwie meinen Kopf aufräumen. Wenn ich dann am Morgen aufwache, merke ich, dass ich zwar nicht verstehe, was ich da genau zusammengeträumt habe, aber dass da einiges geordnet wurde.Luzi: Ich mach das auch. Mir bringt das Träumen nämlich auf persönlicher Ebene echt was und hat mir auch schon geholfen, weil es mir quasi die Augen geöffnet hat. Ich finde Träume sind gar nicht mal so schwer zu entschlüsseln. Da brauch ich kein Traumdeutungsbuch. Mir ist meistens ziemlich schnell klar, was mein Gehirn mir sagen will.LUi G: Ich schaue am Montagabend immer verschiedene Serien und danach träume ich richtig absurde Dinge. Ich habe kürzlich geträumt, dass ich meinem Vorgesetzten einen Streich spiele und den Sensor seiner Computermaus mit durchsichtigem Klebeband überklebe, damit er sie nicht benutzen kann. Er wurde dann während des Traumes so richtig wütend.Luzi: Was für Serien schaust du denn, dass du danach von Klebeband träumst? Find ich aber cool, du bist ein smarter Junge und weisst dass man das System von innen heraus sabotieren muss. Unser nächstes Album muss unbedingt Turbo Mate, Kalaschnikow UND Klebeband heissen! Ugur auf Twitter. 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Ugur Gültekin
[ "bern", "CH-Rap", "geilerasdu", "HipHop", "Interviews", "Luzern", "Music", "Noisey", "Schweiz" ]
2016-12-28T15:59:50+00:00
2024-07-30T22:47:30+00:00
https://www.vice.com/de/article/geilerasdu-uber-winterdepressionen-schlaf-und-traume/
Toxisches Schocksyndrom: Ein Model verklagt eine Tampon-Firma, nachdem sie ihr Bein verloren hat
Foto: Jennifer Rovero / CamrafaceMit 24 hatte Lauren Wasser alles: Als das 1,80 Meter große Kind zweier Models war die Blondine sowohl mit strahlend blauen Augen, als auch mit einem Knochenbau gesegnet, der gut und gerne die androgyne Antwort auf Lara Stone sein könnte. Sie lehnte ein Basketball-Stipendium ab, um als Model zu arbeiten—diese Karriere hatte für sie eigentlich schon im Alter von zwei Monaten ziemlich verheißungsvoll angefangen, als sie zusammen mit ihrer Mutter in der italienischen Vogue zu sehen war. Wenn sie nicht als Model unterwegs war, nahm sie an Improvisationskursen teil, spielte in ihrer Freizeit Basketball und fuhr täglich gut 60 Kilometer Fahrrad. Sie wohnte in Santa Monica und war ein fester Bestandteil der glitzernden Promi-Szene von Los Angeles. „Dort kam es nur auf das Aussehen an”, erzählt sie. „Ich war quasi das Mädchen, habe mir darüber aber keine Gedanken gemacht.” Lauren hatte auch einen riesigen Freundeskreis: Als sie ein paar Wochen später ins Krankenhaus gebracht werden musste, wollten sich so viele Leute von ihr verabschieden, dass die Schlange um das ganze Gebäude reichte. Alles begann am 3. Oktober 2012, als sich Lauren ein wenig unwohl fühlte—fast so, als würde sich eine Verkühlung zusammenbrauen. Dazu hatte sie auch noch ihre Tage und ging deshalb in eine nahegelegen Drogerie, um sich eine neue Packung Kotex Natural Balance zu besorgen, ihre bevorzugten Tampons. Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser Einkauf für sie noch nichts mit dem sich aufbauenden Leiden zu tun, das ihren Körper überfiel. Damals hatte sich Lauren ja immerhin schon seit elf Jahren mit ihrer Periode auseinandersetzen müssen und Kotex war einfach ein fester Bestandteil der Routine. Wie den meisten anderen Mädchen wurde auch Lauren mit 13 Jahren die Benutzung eines Tampons von ihrer Mutter beigebracht. Sie zeigte ihr, wie man den Applikator einsetzt, und wies sie an, der Tampon alle drei bis vier Stunden zu wechseln. Lauren verinnerlichte diese Regel und auch an diesem Tag führte sie laut eigener Aussage morgens, nachmittags und abends einen neuen Tampon ein. Schließlich entschied sie sich dazu, noch kurz bei der Geburtstagsparty einer Freundin in einem Club auf der Melrose Avenue vorbeizuschauen. „Ich versuchte, mich so normal wie möglich zu verhalten”, meint sie, obwohl ihr es zu diesem Zeitpunkt schon schwerfiel, nur aufrecht zu stehen. „Jeder meinte zu mir: ‚Mann, du siehst echt nicht gut aus.’” Dann fuhr sie zurück nach Santa Monica, zog sich zu Hause aus und fiel ins Bett. Sie wollte einfach nur noch schlafen. Die nächste Sache, an die sich Lauren erinnert, ist, dass sie aufwachte, weil sich ihr blinder Cocker Spaniel auf sie gesetzt hatte und laut bellte. Irgendjemand hämmerte gegen die Wohnungstür und rief: „Polizei, Polizei!” Die junge Frau schleppte sich zur Tür und ließ den Polizisten herein, der sich dann in ihrem Apartment umsah. Laurens Mutter, die gerade erst operiert worden war, hatte sich Sorgen gemacht, weil sich ihre Tochter nicht bei ihr meldete. Deshalb hatte sie auch die Polizei darum gebeten, bei ihr vorbeizuschauen.„Die ganze Wohnung war voller Pisse und Scheiße—ich war ja nicht in der Lage gewesen, mit meinem Hund Gassi zu gehen”, erzählt Lauren. Sie hat keine Ahnung, wie lange sie im Bett lag, und weiß auch nicht, ob es Tag oder Nacht war. Der Polizist sah sich alles an, meinte dann, dass sie ihre Mutter anrufen solle, und ging wieder. Schließlich schaffte es Lauren irgendwie, ihren Hund mit ein paar Karotten zu füttern und ihre Mutter zu kontaktieren, die ihre Tochter dann fragte, ob sie einen Krankenwagen rufen sollte. „Mir ging es aber so schlecht, dass ich diese Entscheidung einfach nicht fällen konnte”, sagt Lauren. „Ich meinte zu ihr, dass ich einfach nur schlafen wolle und sie am nächsten Morgen anrufen würde. Das ist das Letzte, an das ich mich erinnern kann.” Am darauffolgenden Tag schickte ihre Mutter erneut einen Freund und die Polizei zu Laurens Wohnung, die sie dort mit dem Gesicht nach unten liegend auf dem Schlafzimmerboden vorfanden. Lauren hatte 41 Grad Fieber und wurde sofort ins Krankenhaus gebracht. Laut den Ärzten wäre zehn Minuten später jegliche Hilfe zu spät gekommen. Ihre inneren Organe waren kurz vorm Versagen und sie hatte einen schweren Herzinfarkt erlitten. Die Ärzte konnten sie nicht stabilisieren und niemand wusste, was genau mit ihr los war. Als schließlich ein Infektiologe hinzugezogen wurde, fragte der sofort: „Hat sie noch einen Tampon drin?” Dem war so und der Wattebausch wurde umgehend ins Labor geschickt. Dort kam man schließlich auf die Diagnose „Toxisches Schocksyndrom”. Foto: Brad Cerenzia | Flickr | CC BY 2.0 TSS wurde 1978 so getauft und ist im Grunde eine Verkettung von bakteriellen Infektionen—häufig unter Beteiligung von Staphylokokken (auch Staphylococcus aureus genannt). Zwar ist das Ganze nicht komplett auf Frauen beschränkt, aber es gibt schon seit mehreren Jahrzehnten einen Zusammenhang zwischen der Krankheit und der Benutzung von Tampons. Das liegt vor allem an einer Vielzahl von durch das toxische Schocksyndrom verursachten Todesfällen in den 80er Jahren. Ein Tampon alleine ist jedoch noch nicht ausreichend, um TSS zu verursachen—dazu muss die betroffene Person auch noch Staphylokokken im Körper tragen (und das machen zum Beispiel ungefähr 20 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung). Schon seit Jahrhunderten kommen Tampons oder tampon-ähnliche Objekte beim Menstruationszyklus zum Einsatz. Aber erst seit gut 50 Jahren setzen sich diese Hilfsmittel nicht mehr aus natürlichen Bestandteilen wie Baumwolle, sondern aus künstlich hergestellten Komponenten wie Kunstseide oder Kunststoff zusammen. Das ist inzwischen vor allem bei großen Tampon-Herstellern gang und gäbe. Diese synthetischen Fasern schaffen zusammen mit der Saugfähigkeit der Tampons den idealen Nährboden für die Bakterien, die TSS verursachen können. Als Proctor & Gamble in den 80er Jahren ein extra-saugfähiges Tampon namens Rely auf den Markt brachte, war die perfekte Grundlage für das toxische Schocksyndrom geschaffen. Laut einer vom Yale Journal of Biology and Medicine durchgeführten Studie, „verhielt sich die gelierte Carboxymethylcellulose der Rely-Tampons wie Agar in einer Petrischale und fungierte so als zähflüssiges Medium, auf dem sich die Bakterien vermehren konnten.” „Das waren mit Abstand die schlimmsten Schmerzen, die ich … Ich weiß nicht, wie ich es überhaupt beschreiben soll.” Im Krankenhaus rieten die Ärzte Laurens Mutter dazu, zu beten und die Beerdigung vorzubereiten, denn ihre Tochter musste in ein künstliches Koma versetzt werden. Derweil verbreitete sich auf Facebook die Nachricht, wie es um Lauren stand, und ihre Freunde und Bekannten reihten sich vor dem Krankenhaus auf, um sich zu verabschieden. Natürlich kann sich Lauren an nichts von alledem erinnern—weder an die „Pray for Lauren”-Facebook-Posts, noch an ihre Freunde, die nervös an ihr Krankenbett traten, und auch nicht an den Moment, als ihr langes, blondes Haar abrasiert werden musste. Sie weiß nur noch, wie sie orientierungslos aufwachte, während knapp 40 Liter Flüssigkeit durch ihren Körper gepumpt wurden. Am Anfang war sie noch davon überzeugt, sich in Texas zu befinden. „Mein Bauch war total aufgebläht. Überall waren Schläuche und ich war nicht in der Lage, auch nur ein Wort rauszubringen”, erzählt sie. Neben ihrem Bett befand sich ein Behältnis, das mit den schwarzen Giftstoffen gefüllt war, die man aus ihrem Blutkreislauf gespült hatte. Lauren schaute aus dem Fenster und erblickte eine Reihe an kleinen Häusern, die ihr noch vernebeltes Gehirn mit dem Südwesten der USA assoziierte. Ihr Körper war aufgedunsen und fühlte sich total fremdartig an. „Ich dachte, dass ich vielleicht zu viel gegessen hatte”, meint sie. „Ich wusste nicht, was eigentlich los war.” Noch viel schlimmer als die Orientierungslosigkeit war jedoch das brennende Gefühl in Laurens Händen und Füßen, das einfach nicht aufhören wollte. Die Infektion hatte sich in Gangrän verwandelt. Selbst drei Jahre später findet sie immer noch nicht die richtigen Worte, um mir deutlich zu machen, wie sich das Ganze angefühlt hat. „Das waren mit Abstand die schlimmsten Schmerzen, die ich … Ich weiß nicht, wie ich es überhaupt beschreiben soll”, meint sie. Man brachte sie daraufhin sofort in die Universitätsklinik, wo sie einer hyperbaren Sauerstofftherapie unterzogen wurde. Um den Blutfluss in ihren Beinen wieder anzuregen, musste sie sich in eine Überdruckkammer begeben. Beim Warten auf die Behandlung war Lauren einen Moment lang alleine. Ihre Mutter und ihr Pate waren kurz nach draußen gegangen und sie saß einfach nur da. Hinter einem Vorhang konnte sie einer Frau beim Telefonieren zuhören. Diese Frau bestand darauf, dass etwas sehr dringend wäre und so schnell wie möglich geschehen müsse. Schließlich hörte Lauren folgende Worte: „Hier sitzt eine 24-jährige Frau, der das rechte Bein vom Knie abwärts amputiert werden muss.” „Ich dachte mir nur: ‚Oh mein Gott, sie redet von mir!’”, sagt Lauren. „‚Ich werde mein Bein verlieren.’” Foto: Jennifer Rovero / Camraface Noch während Lauren im Krankenhaus behandelt wurde, fing ihre Mutter einen groß angelegten Rechtsstreit, sowohl gegen die Kimberly-Clark Corporation (also die Hersteller- und Vertriebsfirma von „Kotex Natural Balance”-Tampons) als auch gegen die Drogerieketten Kroger und Ralph’s (die beide „Kotex Natural Balance”-Tampons verkaufen) an. Zwar besteht bei diesen Tampons kein zwangsläufig höheres TSS-Risiko als bei anderen Herstellern, aber es sind nun mal die, die Lauren benutzt hat. Letztendlich hoffen die Anwälte der Wasser-Familie, auf die Verwendung und die Gefahren von synthetischen Materialien in der Tampon-Industrie aufmerksam zu machen. In der Klageschrift heißt es, dass alle Angeklagten „eine fahrlässige, mutwillige, verworrene und gesetzwidrige Mitschuld” an Laurens durch TSS verursachten Krankenhausaufenthalt haben. Eine Vertreterin von Kimberly-Clark wollte für diesen Artikel keine Stellungnahme abgeben, da das Unternehmen „zu laufenden Gerichtsverfahren keine Auskunft gibt.” Laurens Anwalt Hunter J. Shkolnik ist es bereits gewöhnt, sich mit den Schattenseiten von Produkten auseinanderzusetzen, die die meisten Leute als sicher ansehen. Er war zum Beispiel auch in den Prozess involviert, in dem es um eine Hustensaft-Zutat ging, die Schlaganfälle verursachte. „Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass mich Laurens Fall schockiert hätte, aber das tat er nicht”, meint er. „Der Tampon wurde nach der früheren TSS-Epidemie kein bisschen verändert. Es wurde halt einfach nur gesagt: ‚Ach übrigens, das hier kann das toxische Schocksyndrom verursachen.’ Die Materialen sind seit Jahrzehnten gleich geblieben.” Um nicht ins Fadenkreuz der amerikanischen Lebensmittel- und Medikamenten-Aufsichtsbehörde zu geraten, versehen die Unternehmen die Tampon-Verpackungen laut Shkolnik einfach nur mit einem Warnhinweis. Er nennt das Ganze die „So landet man nicht im Gefängnis”-Karte. Seit den 80er Jahren müssen die Tampon-Schachteln mit einem Warnhinweis versehen sein, aber Shkolnik ist der Ansicht, dass dieser Hinweis auf Laurens Verpackungen nicht deutlich genug war—vor allem im Bezug auf die Handhabung beim Schlafengehen. Folgendes ist zu lesen: „Wechseln Sie den Tampon alle vier bis acht Stunden, auch über Nacht.” Die Familie ist der Meinung, dass diese Anweisung unklar sei. Sie wollen damit argumentieren, dass „über Nacht” auch mehr als acht Stunden bedeuten kann—vor allem wenn es um junge Mädchen geht, die am Wochenende auch schnell mal neun oder zehn Stunden schlafen. „Die Tampon-Unternehmen sollten explizit sagen, dass man den Tampon über Nacht nicht drin lassen darf und stattdessen lieber eine Binde benutzen sollte”, meint Shkolnik. Natürlich wissen die meisten Frauen, dass sich auf allen Tampon-Schachteln ein Warnhinweis bezüglich des toxischen Schocksyndroms befindet, auch wenn sie sich diesen Warnhinweis wohl nicht jedes Mal durchlesen: Der Gebrauch von Tampons wird mit dem toxischen Schocksyndrom in Verbindung gebracht. TSS ist eine seltene, aber trotzdem ernstzunehmende Krankheit, die zum Tod führen kann. Bitte die Packungsbeilage genau durchlesen und aufbewahren. Ein Tampon maximal acht Stunden lang benutzen. Shkolnik gibt zu, dass die Warnhinweise auf den Packungen eine große Hürde darstellen. „Zu unserer Aufgabe gehört es, den Geschworenen zu zeigen, dass es uns nicht um die Warnhinweise geht, sondern um die Tatsache, dass den Herstellern seit 20 Jahren Materialien zur Verfügung stehen, die Tampons sicherer machen würden. Sie werden eben bloß nicht verwendet. Man bezeichnet die Tampons als ‚natürlich’, obwohl es die künstlich hergestellten Bestandteile sind, die sie so gefährlich machen. Dieses Marketing lässt junge Frauen glauben, dass Tampons aus natürlicher Baumwolle bestehen, aber sie sind weder natürlich noch aus Baumwolle. Wäre das der Fall, dann würde das Risiko eines toxischen Schocks gegen Null gehen.” Dr. Philip M. Tierno ist ein Mikrobiologie- und Pathologie-Professor an der NYU School of Medicine und hat schon eingehende unabhängige Forschung zum Zusammenhang zwischen Tampons und dem toxischen Schocksyndrom angestellt. Er ist ebenfalls der Meinung, dass Baumwolle ein sichereres Material wäre. „Die meisten großen Tampon-Unternehmen stellen ihre Produkte entweder aus einem Viskose-Baumwoll-Gemisch oder aus reiner Viskose her. So werden in jedem Fall die optimalen physikalischen und chemischen Voraussetzungen geschaffen, um die Produktion des TSST-1-Toxins anzuregen, wenn eine toxische Art von Staphylococcus aureus Teil der normalen Scheidenflora der Frau ist”, erklärt er. „Es kann dann zum toxischen Schocksyndrom kommen, wenn die Frau keine oder nur wenige Antikörper gegen das Toxin bildet. Deshalb sind die synthetischen Bestandteile der Tampons ein Problem, wohingegen Tampons aus reiner Baumwolle nur ein kleines bis gar kein Risiko beinhalten.” Foto: Jennifer Rovero / Camraface Im Krankenhaus sah sich Lauren dann mit einem Horror-Szenario konfrontiert: Sie musste die nötigen Dokumente unterschreiben, um die Amputation ihres rechten Beins vom Knie abwärts zu autorisieren. „Meine beiden Beine fingen an, sich zu mumifizieren”, erzählt sie. „Ich musste dringend eine Entscheidung fällen.” Zwar waren auch ihre linke Ferse sowie ihre linken Zehen betroffen und die Ärzte überlegten, auch das linke Bein zu entfernen, aber dagegen wehrte sich Lauren vehement. „Ich sah meine Chancen bei 50/50. Mir wurden zwei Vorhäute von beschnittenen Babys transplantiert, was mir Gott sei Dank meinen Fuß gerettet hat. Leider habe ich trotzdem meine Zehen verloren. Meine Ferse ist zwar endlich wieder zusammengewachsen, aber immer noch total empfindlich. An dieser Stelle habe ich absolut kein Fettpolster.” Da Lauren immer noch jung ist, produziert ihr Körper Kalzium, um ihren kaputten Fuß zu reparieren. Ironischerweise verschlimmert das die ganze Sache nur. „Im Grunde laufe ich wie auf Steinen”, erzählt sie. Sie muss sich in regelmäßigen Abständen immer noch Operationen unterziehen und hat selbst drei Jahre später noch Schmerzen. Die Ärzte meinten auch zu ihr, dass ihr das Bein im Alter von 50 Jahren vielleicht trotzdem noch amputiert werden müsste. „Es hat lange gedauert, bis mir klar wurde, dass ich immer noch schön und wertvoll bin.” „Als ich wieder zu Hause war, wollte ich mich umbringen”, erzählt Lauren. „Ich war das Mädchen—und plötzlich habe ich nur noch ein Bein, sitze im Rollstuhl, meine Zehen fehlen und ich kann nicht mal ins Badezimmer laufen. Ich bin ans Bett gefesselt, kann mich nicht bewegen und habe das Gefühl, in meinen eigenen vier Wänden eingesperrt zu sein.” Anfangs sprang sie—getäuscht vom Phantomglied-Syndrom—noch manchmal einfach so aus dem Bett und stürzte dann sofort zu Boden. Das Einzige, was sie vor der Selbstmord bewahrte, war der Gedanke an ihren kleinen Bruder, der damals 14 Jahre alt war. „Ich wollte nicht, dass er nach Hause kommt und mich so vorfindet. Denn dann wüsste er, dass ich aufgegeben habe”, sagt sie. Lauren meint, dass es sehr lange gedauert hat, sich an die neue Identität zu gewöhnen. „In der Dusche saß ich auf einem kleinen Stuhl und habe einfach nur geheult. Draußen wartete dann wieder mein Rollstuhl auf mich”, erinnert sie sich. „Das setzt einem total zu. Man denkt sein ganzes Leben lang, dass man eine Sportlerin oder ein hübsches Mädchen ist, und dann hatte ich plötzlich keine Kontrolle mehr darüber, was mit meinem Körper passiert. Es hat lange gedauert, bis mir klar wurde, dass ich immer noch schön und wertvoll bin.” Laurens Freundin, die Fotografin Jennifer Rovero, stand ihr dabei immer treu zur Seite und schoss während des Heilungsprozesses Hunderte Fotos. Sie sah das Ganze als eine Art Therapie an. Wenn die beiden in der Stadt unterwegs sind, dann fragen sie auch häufig junge Frauen, ob sie schon mal vom toxischen Schocksyndrom gehört haben oder die Krankheit als echte Gefahr ansehen. Meistens lautet die Antwort „Nein”. Ebenfalls interessant: Mit leuchtenden Tampons gegen die Wasserverschmutzung Lauren hofft, dass sie im Herbst zusammen mit der Abgeordneten Carolyn Maloney vor dem US-Kongress sprechen darf. Die Politikerin aus New York versucht, das Robin-Danielson-Gesetz durchzubringen, das nach einer Frau benannt wurde, die 1998 aufgrund von TSS starb. Damit würde „ein Forschungsprogramm bezüglich der Risiken von Dioxin, synthetischen Fasern, chemischen Düften und anderen Bestandteilen in weiblichen Hygiene-Produkten initiiert werden.” Das Ganze wurde schon neunmal abgelehnt, bevor man überhaupt darüber abstimmen konnte. Eine Sache muss jedoch klargestellt werden: Lauren, ihren Anwälten und Maloney geht es hier um Transparenz und nicht unbedingt darum, dass in Zukunft keine Tampons mehr benutzt werden. Tampons vereinfachen das Leben einer Frau nämlich erheblich und sie sind auch extrem sinnvoll, wenn es darum geht, den Fluss des Menstruationsbluts aufzuhalten. Lauren fühlt sich auch heute noch total unwohl, wenn sie im Fernsehen eine Tampon-Werbung sieht, in der sich junge Frauen am Strand vergnügen oder in strahlend weißen Shorts eine Rutsche herunterrutschen—denn diese Werbungen enthalten normalerweise keine Warnhinweise zum toxischen Schocksyndrom. „Ich kann nirgendwo mehr herunterrutschen, fühle mich in Badeanzügen unwohl und einfach so im Meer baden ist auch nicht mehr drin”, erklärt sie mir. „Diese Dinger haben mein Leben zerstört.” Lauren will, dass Tampons ähnlich wie Zigaretten mit größeren und eindeutigeren Warnhinweisen bezüglich der potentiellen Risiken ausgestattet werden. „Man weiß, dass Zigaretten tödlich sind, wenn man sie raucht”, meint sie. „Hätte ich mich mit dem Thema TSS besser ausgekannt, dann hätte ich auch niemals Tampons benutzt.” Zumindest wird sie jetzt in Zukunft so verfahren. Lauren und ihre Freundin machen normalerweise keine Fotos von ihrer Beinprothese und konzentrieren sich stattdessen eher auf ihr Gesicht. Heute haben sie mir jedoch die Bilder ihres letzten Foto-Shootings gezeigt. In den Porträts trägt Lauren auffälliges, schwarzes Augen-Make-up und steht ganz normal da. Dabei trägt sie auch an ihrer Prothese New-Balance-Schuhe und hat den aufmerksamen sowie objektiven Look eines Models perfekt drauf. Es sind jetzt drei Jahre vergangen, seitdem sich das schwarze Behältnis neben Laurens Krankenhausbett mit Toxinen gefüllt hat, seitdem sie in der Überdruckkammer liegen musste und seitdem der Prothesen-Verkäufer ihr verschiedene Modelle präsentierte, über die sie beim besten Willen nicht nachdenken konnte. Heute kann sie sogar schon über die ganze Situation lachen und Witze reißen: Sie nennt ihre Beine zum Beispiel „Little Leg” und „Little Foot”. Ich frage Lauren, ob sie immer noch Basketball spielt, und denke dabei an die Leben, die in ein „davor” und ein „danach” aufgeteilt wurden—und ob es dabei einen gewissen Spielraum oder eine Möglichkeit gibt, Teile von sich selbst auf die andere Seite mitzunehmen. „Wenn es dich einmal gepackt hat, dann lässt es dich nicht mehr los. Manchmal nie mehr”, antwortet sie.
Tori Telfer
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2015-06-19T07:00:00+00:00
2024-07-31T00:52:52+00:00
https://www.vice.com/de/article/eine-junge-frau-verklagt-eine-tampon-firma-nachdem-sie-ihr-bein-verloren-hat-462
Maeckes führt uns mit seinem neuen Fuck You-Meditationsvideo per Hass zur Erleuchtung
Es gibt ja Leute, die behaupten, die heutige Generation sei zu einem verweichlichten Haufen Waschlappen heranerzogen worden. Verhätschelt, in einem künstlichen Kokon der Sicherheit eingepackt und mit lächerlich großen Mengen an Liebe überschüttet, kommen wir nicht mehr auf unser Leben klar. Angeblich. Maeckes hat dieses Defizit wohl auch erkannt und die perfekte Methode gefunden, selbiges zu therapieren: mit seiner eigens für das im Oktober erscheinende neue Album Tilt entwickelte Meditationsform—der “Fuck You Meditation”. AAA Nichts mit “Du bist ein wertvoller Mensch, der es verdient hat, geliebt zu werden”, nichts mit Wurzelchakra und erst recht nichts mit Sonnenschein. Bei Maeckes’ Wutyoga wird Tacheles gesprochen und der Hörer von all seinen illusorischen Harmoniefantasien befreit. Da sag nochmal einer, Promovideos seien zu nichts gut!
VICE Staff
[ "Deutschrap", "Fitness", "maeckes", "Music", "New music", "Noisey", "Noisey Blog", "Orsons", "POP", "promo", "Promovideo", "Tilt", "Werbung" ]
2016-08-26T13:28:00+00:00
2024-07-30T21:32:11+00:00
https://www.vice.com/de/article/maeckes-fuck-you-meditation/
Die Renaissance männlicher Feministen in Hollywood
Ende März hat sich Chris Hemsworth in einem Radiointerview als Feminist geoutet, während er seinen Film The Huntsman: Winter’s War vorgestellt hat—ein Film, in dem es zwar drei weibliche Hauptrollen gibt, der aber trotzdem nach dem männlichen Protagonisten benannt worden ist. Als man ihm die Frage stellte, antwortete Hemsworth: „Oh ja, na klar. Meine Mutter ist eine große Feministin. Ich denke, dass ich viele meiner Ansichten, was den Respekt gegenüber Frauen und so angeht, von meiner Mutter habe.” Wie du, ich und all die schlagzeilengierigen Promi-Magazine da draußen wissen, führt der schnellste Weg in das Herz der weiblichen Leserschaft nicht über das markante Kinn oder die bemerkenswerten Bauchmuskeln eines Hollywood-Schönlings, sondern über seinen Sinn für soziale Gerechtigkeit. Was hält er von Frauenrechten? Was sagt er zu den Gehaltsunterschieden zwischen Männern und Frauen? Was denkt er über die Bevorteilung von Weißen? Bernie Sanders: ja oder nein? Hemsworth ist nur einer von vielen Hollywood-Männern, die den wohl riskantesten und gefährlichsten Weg eingeschlagen haben, den ein wohlhabender, im traditionellen Sinne attraktiver, weißer Cis-Mann überhaupt einschlagen kann: Er hat sich als praktizierender Feminist geoutet. An dieser Stelle möchten wir seine Schauspielerkollegen feiern, die dasselbe getan haben. Mehr lesen: Die Wahrheit hinter Boygroup-Hysterie und kreischenden Mädchen Ryan Gosling Gosling ist das Urbild eines aktiven feministischen Mannes und hat unter anderem deshalb Heldenstatus erlangt, weil er mit Brille einfach unglaublich gut aussieht und nett zu seinen weiblichen Co-Stars ist. Heutzutage verlangen wir schon mehr von unseren berühmten Feministenkollegen—zum Beispiel sollten sie mindestens zwei Bücher von Elena Ferrante sowie passives Wissen über Emma Goldman besitzen. Aber im Jahr 2011? Da war so etwas noch Gold wert. Jon Hamm In Mad Men spielte Jon Hamm einen Typen aus der Werbebranche, der gerne Whiskey trinkt, mit Frauen schläft und Verträge abschließt—in dieser Reihenfolge. Im wahren Leben macht sich Jon Hamm selbst regelmäßig über sein erstaunlich gutes Aussehen lustig, indem er absolute Vollidioten spielt. Beispielsweise einen von Gameshows besessenen Sektenführer (Unbreakable Kimmy Schmidt), oder einen Mann der so dumm ist, dass er sich selbst beim Sex kommentieren muss, um nicht den Überblick zu verlieren (Bridesmaids). Er hat auch in Minions mitgespielt, aber das wollen wir ihm jetzt mal nicht übel nehmen. Alles in allem ist es doch so, dass das Patriarchat durch nichts wirkungsvoller demontiert wird, als dadurch, seine Karriere darauf aufzubauen, Männer als den größten Ausschuss irdischen Daseins darzustellen, oder? Joseph Gordon Levitt Mit 15 Jahren war er der Star in Hinterm Mond gleich rechts und auch seine Ansichten über Frauen sind nicht von dieser Welt! (also, im guten Sinne). Levitt hat Playback zu Janet Jacksons „Rhythm Nation” gesungen und dabei Lippenstift getragen (rebellisch!). Als Hommage an seine feministische Mutter, hat er Don Jon gedreht—einen Film, der zeigt, wie negativ sich exzessiver Pornokonsum auf unser Leben auswirken kann—vor allem wenn du ein mit Steroiden vollgepumpter Typ aus New Jersey bist (respektvoll!). Und zu guter Letzt hat er sich nicht nur in der Ellen Degeneres Show als Feminist geoutet (mutig!), sondern auch noch ein YouTube-Video gedreht, in dem er erklärt, warum er Feminist ist (viral!). Kurzum: Gordon Levitt sieht zwar aus, als wäre er ein Weichei, das seine Dissertation über Anne Sexton geschrieben hat und dir in der Uni immer stumm nachgelaufen ist, aber er ist ein echter Verbündeter. Mark Ruffalo Mark Ruffalos Profil als Schauspieler hat vielleicht eine deutliche Kurve nach oben genommen, seit Spotlight einen Oscar für den besten Film gewonnen hat, aber seien wir mal ehrlich: Zu einem echten heroischen Feministen wurde er doch mit seiner Rolle in 30 über Nacht, einem Film, der zeigt, dass eine 30-jährige Frau auch dann noch die große Liebe finden kann, selbst wenn sie gerade mitten in einem psychotischen Zusammenbruch steckt, der sie denken lässt, dass sie 13 Jahre alt ist. Mark Ruffalo ist die „Ja, vielleicht”-Antwort auf die Frage: „Sind Bernie Sanders Anhänger heiß oder sind es nur ihre progressiven, jedoch wahrscheinlich finanziell nicht umsetzbaren Ansichten in Bezug auf Studiengebühren und die Reichensteuer, die ich so anziehend finde?” Außerdem ist es immer gut, den Hulk auf seiner Seite zu haben. Pen Badgley Nachdem Gossip Girl abgedreht war, ließ sich der Schauspieler, der einst als Dan Humphrey bekannt war, sofort einen Bart wachsen, nutzte die komplette Hautfarbenpalette rebellischer Emojis und begann Ta-Nehisi Coates zu retweeten. Vielleicht ist das seine ganz persönliche, pointierte Antwort auf seine Rolle in Gossip Girl, wo New York ein Höllenschlund war, der einzig und allein von bourgoisen, reichen weißen Gören bevölkert wurde, die die ersten wären, die man an die Wand stellen würde, wenn es eine Revolution gäbe. Vielleicht recherchiert er aber auch nur für Dan Humphreys zweiten Roman. Screenshot: Twitter Matt McGorry Wenn du ein Buch über den institutionellen Rassismus im amerikanischen Rechtssystem gelesen, aber kein Bild davon gemacht hast, ist es dann wirklich passiert? Matt McGorry würde sagen: „Nein, natürlich nicht. Ach und übrigens, hier ist ein Bild von mir oben ohne mit dem großartigen Buch The New Jim Crow von Michelle Alexander.” Hier sagt der Schauspieler aus Orange ist the New Black, dass Feminismus so ist, als würde man sich verlieben. Und hier weint er, weil auch Männer weinen, versteht du? Und hier ist er schon wieder und kommentiert Emma Watsons UN-Post mit: „YAAAAASSSS QUEEN! YAAS.” Vielleicht möchtest du jetzt gerne ein feministisches T-Shirt von Matt McGorry kaufen, dessen Einnahmen an die Pro-Choice Organisation NARAL gehen? Natürlich willst du das. Wir sind hier doch alle Verbündete!
Zing Tsjeng
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2016-04-15T07:20:00+00:00
2024-07-30T23:56:41+00:00
https://www.vice.com/de/article/8x4kn4/die-renaissance-maennlicher-feministen-in-hollywood
Das Shazam für Platten ist jetzt da: die Discogs-App
Der Vinyl-Boom geht weiter. Nach den steigenden Verkäufen des schwarzen Golds in den letzten Jahren, gibt es seit heute nun die finale Version der „Discogs-App”. Mit ihr kann man seine Plattensammlung, die man in seinem Profil angegeben hat, reviewen und verändern, selbst wenn man nicht online ist. Am wichtigsten ist wahrscheinlich die Scan-Funktion: Wenn du irgendwo eine Platte entdeckst, kannst du den Barcode scannen und bei Discogs suchen, um den Preis zu checken oder sicherzugehen, dass es sich um ein Original und nicht wieder um irgendein schlechtes Bootleg handelt. Bisher hat die App aber noch ein Manko: der sogenannten Marketplace ist nicht integriert. Will man eine Platte kaufen, wird man auf die mobile Version der Discogs-Seite weitergeleitet, was den Kauf-Prozess in die Länge zieht. Die App funktioniert sehr intuitiv, ähnlich wie die Amazon App. Die Vollversion ist leider nur für iOS verfügbar, Android-Benutzer müssen sich noch gedulden und die Beta-Version verwenden. Unten kannst du dir das Promo-Video ansehen:
THUMP Staff
[ "alpha", "android", "Beta", "bootlegs", "discogs", "iOS", "omega", "Opel", "Platten", "Preise", "scan", "Thump", "thump news", "Vinyl" ]
2016-02-29T13:45:00+00:00
2024-07-30T23:25:02+00:00
https://www.vice.com/de/article/das-shazam-fr-platten-ist-jetzt-da-die-discogs-app-287/
Ich habe mit einem Sommelier den Glühwein der Zürcher Weihnachtsmärkte degustiert
Alle Fotos von Fabienne AndreoliWer etwas auf seinen Geschmack gibt, sollte seine Vorliebe für Glühwein diskret im Stillen ausleben—zumindest wenn er in der Welt der Weinliebhaber bestehen möchte. Als billiger Fusel wird das rote Gebräu dort oft abgetan. Im Lexikon der Önologie, der Weinbaukunde, steht zu ihm: “weinähnliches Getränk, überwiegend aus Rotwein, Zucker, Gewürzen und Zitronen hergestellt.” Und das ist keineswegs wohlwollend gemeint. Doch auch bei den Profis gibt’s die Schwäche für heisse Weine—wie bei Nicola Mattana. Er ist leidenschaftlicher Weintrinker, diplomierter Sommelier und Geschäftsführer der Buonvini Weinhandlung in Zürich. Gemeinsam mit dem Kenner habe ich mich durch das Glühweinangebot der Zürcher Weihnachtsmärkte getrunken. Mattana bewertet die Glühweine auf einer 5-Sterne-Skala—wie er das auch mit den Weinen bei internationalen Weinwettbewerben macht. Der Fairness halber muss erwähnt werden, dass Mattana nie die volle Punktzahl gibt. Er möchte immer für den Fall gerüstet sein, dass vielleicht schon morgen die Welt dank einem noch besseren Wein zu einem etwas angenehmeren Ort wird. Preis pro Becher: CHF 6.50.— Wertung: 3 Sterne “Die Nase ist nicht sehr würzig, dürfte intensiver sein”, lautet das erste Urteil des Profis, während er mit konzentriertem Blick am Glühwein riecht. Was nicht ist, kann ja noch werden—und so nippen wir erwartungsvoll am Pappbecher und schlürfen vom Gemisch aus spanischem Wein von Macabeo Trauben, Gewürzen und Traubensaft. Der Alkohol sei zu dominant, meint Mattana. “Glühwein muss Spass machen.” Dass Spass und Alkohol ja geradezu Bromance-Qualitäten haben, wende ich meines seriösen Bildes wegen nicht ein. Den Grundwein schätzt der Experte auf einen Preis von drei Franken die Flasche, dies zeige sich im kurzen Abgang. Den getesteten Glühwein der Weinhandlung Smith&Smith, der eigens fürs Zürcher Weihnachtsdorf auf dem Sechseläutenplatz produziert wurde, schenken alle 13 Bars auf dem Sechseläutenplatz aus. Unmengen an Glühwein gehen hier Tag für Tag über den Tresen, da erstaunt es wenig, dass es sich nicht um hausgemachten handelt. Fazit: Der Wein schmeckt ordentlich, beschert uns aber auch keine Glücksgefühle. Preis pro Becher: CHF 6.00.—Wertung: 2 Sterne Das Pendlerdasein ist kein Zuckerschlecken. Volle Züge, Gedränge, Wartezeiten. Der Weihnachtsmarkt am HB ist der Markt für alle Getriebenen, die sich nur gerade auf dem Heim- oder Arbeitsweg ein wenig Marktluft gönnen können—und dann müssen diese auch noch mit einem wenig überzeugendem Gebräu Vorlieb nehmen.  Mattana meint, der Wein rieche zwar streng in der Nase, zeige danach aber kaum Profil. Er sei nicht definiert im Duft, es fehle an Konzentration und Konsistenz, kurz im Gaumen, schlank, ja fast wässrig sei er, so das Urteil des Sommeliers. Dennoch, der funkelnde Swarowski-Baum und die opulente Deckenleuchte trösten gekonnt über das “weinähnliche Getränk” hinweg. Preis pro Becher: CHF 6.00.— Wertung: 3.5 Sterne Der Weinkenner ist von der Konsistenz angetan. Von einem Glühwein erwarte er eine etwas dickflüssigere Konsistenz und jener auf dem Zwingliplatz überzeuge in diesem Punkt. Nicht sirupartig, aber eben auch nicht zu wässrig. Zudem gefällt Mattana die Ausgewogenheit der Gewürze und die Ambiance. Auch der strenge Blick des Zürcher Reformators Heinrich Bullinger vermag die Besinnlichkeit hier oben nicht zu stören—ganz im Gegensatz zum Zuckergehalt des Weins.  Beim Süssen scheint das christliche Masshalten etwas vergessen gegangen zu sein. Geschmacklich scheint der Wein dafür durchaus interessant, der Weinkenner fühlt sich jedenfalls gefordert. “Ganz erstaunlich finde ich die Schokoladennote. Ich kann mir nicht erklären, woher sie kommt, aber sie ist angenehm.” Die anscheinend im Wein steckende Schokolade sucht mein Gaumen vergebens. Wer eindeutige Signale braucht, bestellt wie ich eben doch lieber mit Amaretto oder Kirsch. Preis pro Becher: CHF 6.00.— Wertung: 4 Sterne Auf dem Werdmühleplatz ist es weniger hektisch als auf den anderen Märkten, was das Glühweintrinken gemütlich macht. Nach dem ersten Schluck analysiert Mattana: “Der Duft erinnert mich ans Spa. Ich fühle mich wie in einem Schaumbad.” Was sich für mich nach einem vernichtenden Urteil anhört, ist in Wirklichkeit lediglich eine Beobachtung. “Eine optimale Süsse und ausgewogene Würze”, lobt der Sommelier. “Ich könnte mir auch vorstellen, dass der Wein, der hierfür verwendet wurde, etwas teurer war. Vielleicht 4 bis 5 Franken der Liter.”  Die Grundmaterie sei essentiell. So wäre es auch fatal, für eine Bratensauce oder einen Risotto einen minderwertigen Wein zu verwenden. Dies sei beim Glühwein auch so, erklärt Mattana. Er selber habe eben erst Glühwein gebraut mit einem Wein für 27 Franken—das Ergebnis sei dementsprechend eine Wucht gewesen. Ein solch edler Tropfen wird hier zwar nicht ausgeschenkt, dennoch überzeugt der Glühwein, der in der Epilepsie-Klinik gemacht wird, in Geschmack und Süsse. Preis pro Becher: CHF 5.50.—Wertung: 3 Sterne Sollte das Auge auch mittrinken, dann ist hier nicht viel zu holen. Inmitten grell beleuchteter Warenhäuser, direkt neben dem nach Pommes duftenden McDonalds wird der Glühwein aus durchsichtigen Plastikbechern getrunken. Was darin serviert wird, ist glücklicherweise besser als das Drumherum. Der Sommelier findet, die Nase sei würzig. Besonders ein Anisgeschmack komme deutlich zum Vorschein. Im Mund sei der Wein vielleicht fast etwas zu stark gewürzt. Die Konsistenz gefällt Mattana, dafür überzeugt der Abgang wieder weniger. Je länger ein Wein im Mund zu spüren ist, desto besser sei er.  Die Verweildauer des Weines nach dem Schlucken (Abgang) wird in Caudalie gemessen—1 Caudalie gleich 1 Sekunde. Gute Weine haben Werte von 20 Caudalies, Spitzenweine erreichen gar 50 Caudalies. In solchen Sphären bewegen sich die heissen Weine kaum. Der eben probierte bleibt im einstelligen Bereich. Dennoch eine passable Wahl für alle, die kein Ambiente suchen—oder einfach bereits einen sitzen haben. Die Zürcher Weihnachtsmärkte haben ein durchaus süffiges Angebot an Glühweinen. Mit dem geschulten Gaumen des Sommeliers konnte ich, auch noch nüchtern, nicht mithalten. Schokoladennote oder Zitrusdüfte—die Feinheiten suchte ich vergebens. Das kann aber auch an der Natur der Frau liegen. Haben diese nämliche ihre Menstruation treten sie als Jurorinnen bei internationalen Weinwettbewerben in den Ausstand. Der Geschmackssinn sei dann nicht derselbe. Und so bleibt für mich immerhin die Erkenntnis: Schmecken tun nicht alle Zürcher Glühweine gleich, wärmen aber schon.  Folge VICE auf Facebook
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Popkultur
2016-12-21T10:25:02+00:00
2024-07-30T22:46:23+00:00
https://www.vice.com/de/article/ich-habe-mit-einem-sommelier-den-gluhwein-an-zurcher-weihnachtsmarkten-degustiert/
Eine Playlist der Songs, die ich auf dem Weg von Syrien nach Europa gehört habe
Dieser Artikel ist Teil unserer Serie ‘Neue Nachbarn’, in der junge Geflüchtete aus ganz Europa Gastautoren auf VICE.com sind. Lies hier das Editorial dazu. ––– A. ist 17 Jahre alt und stammt aus Syrien. Aktuell lebt er in einem Gästehaus der NGO Praksis in Athen. Ich stehe auf Metal, seit ich 10 bin. Die erste Metal-Band, die ich gehört habe, war Disturbed. Damals probierte ich verschiedene Genres durch und kam schnell zu dem Schluss, dass Metal meins ist. Mich entspannt diese Musik, auch wenn die große Mehrheit sie verstörend findet. Außerdem kann ich durch Metal meine englische Aussprache verbessern und mein Vokabular erweitern. Hier möchte ich euch eine Liste mit Songs meiner Lieblingsbands aus aller Welt zeigen. Jede Band hat ihren ganz eigenen Charakter. Dimmu Borgir beschäftigen sich hauptsächlich mit gesellschaftlichen Themen. Aeternam singen auf Englisch und Arabisch von den Kulturen in Ländern wie Ägypten, Jordanien und Syrien. Songs von Swallow the Sun sind ein bisschen düsterer, aber wenn ich sie höre, sind meine Probleme für den Moment wie weggeblasen. Ich mag auch, wie theatralisch Ahab sind und dass sie sich von Herman Melvilles Roman Moby Dick inspirieren lassen.Im Laufe der Zeit hat sich mein Geschmack noch auf andere Genres ausgedehnt, wie Dubstep, Country und Trap. Hier also die Songs, die mich auf der schweren Reise von Syrien nach Griechenland begleitet haben: Dimmu Borgir war die erste Band, deren Fan ich wurde. Ich hatte früher all ihre Alben und liebte jeden einzelnen Song. Vor allem dieses Lied hier erinnert mich an meine ersten Schritte im Metal-Genre. Es hat mich im Laufe der Jahre stark beeinflusst. Wann immer ich diese Band höre, denke ich an meinen Freund Arrab, denn er hat sie mir vorgestellt. Manchmal denke ich an alles, was Arrab und ich zusammen durchgemacht haben und wie weit wir jetzt voneinander entfernt sind – er ist noch in Damaskus und ich bin hier in Griechenland. Das zieht mich wirklich runter. Aber ich hoffe, dass wir in ein paar Jahren wieder zusammen abhängen und diese Songs hören können, und dass der Krieg dann hinter uns liegt. Dieser Song gibt mir Hoffnung und hält mich am Ball. Er war früher einer der Lieblingssongs meines Kumpels, der im Zuge der EU-Umverteilung nach Zypern verlegt wurde. Dort hat er ein neues Leben begonnen. Das möchte ich natürlich auch, aber ich weiß, dass so etwas dauert. Sobald dieser Song läuft, überkommen mich allerdings positive Gefühle und ich habe den Eindruck, dass alles möglich ist. Diesen Song höre ich mir an, wenn es richtig übel wird. Bin ich wütend, enttäuscht oder deprimiert, drücke ich Play und er beruhigt mich sofort. Auf meiner Reise hierher habe ich ihn viel gehört. Als ich in der syrischen IS-Hochburg ar-Raqqa ankam, hatte ich so entsetzliche Angst, erwischt zu werden, dass ich den Song ständig abspielte, um mich zu beruhigen. Zu diesem Song muss ich einfach tanzen. Er gibt mir so richtig Energie. Das hier ist eine der ersten Country-Bands, die ich je gehört habe, und jedes Mal, wenn eins ihrer Lieder läuft, denke ich daran, wie die Zeit vergeht und wie stur ich früher war, als ich nur Metal hören wollte. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich diesen Song vor sechs Jahren das erste Mal hörte. Ein Freund von mir spielte ihn ab und er gefiel mir sofort. Heute erinnert er mich an Dimitra, eine der Sozialarbeiterinnen in meiner Unterkunft in Athen. Sie liebt den Song auch, und wann immer ich ihn abspiele, singen wir an denselben Stellen mit: “the toxicity of our city” und “disorder”. Wir versuchen dabei aus Spaß die Stimme des Sängers zu imitieren. Manchmal mache ich den Song einfach so rein und rufe: “Nur für dich, Dimitra!” Das ist unser kleines Ritual. Diesen Song habe ich früher immer beim Putzen gehört, wenn meine Schicht im Restaurant meines Onkels zu Ende ging. Ich habe nach der Schule und an den Wochenenden dort gearbeitet, um dem Familienunternehmen zu helfen. Wenn ich das hier aufdrehte, verging die Zeit schneller. Diesen Song und “Wizard” von Martin Garrix habe ich im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos gehört, wenn ich positiv denken und meine Sorgen wegtanzen wollte. Die Lebensbedingungen dort waren schrecklich und wir mussten warten, bis sie uns ins Lager Mandamados (auch auf Lesbos) oder woandershin verlegten. Bei diesem Lied muss ich lächeln, weil ich an meine Mutter denken muss und wie sie immer darauf reagierte. Sie hasste den Song und schrie mich an, ich solle aufhören, diesen Schund zu hören, aber ich drehte noch lauter und spielte ihn mehrmals, nur um sie zu ärgern. Heute muss ich sofort lachen, wenn ich mir die Grimassen vorstelle, die sie bei dem Sound immer geschnitten hat. Das werde ich wohl nie vergessen. Meine Mutter ist in Syrien, aber ich wette, wenn ich sie in ein paar Jahren sehen sollte und dann den Song hier abspiele, dann würde sie auch loslachen. Das ist noch ein Track, den ich höre, wenn es schlimm um mich steht. Wann immer ich an den ganzen Papierkram denke, den ich durchackern muss, und das Asyl-Gespräch, bei dem es um meinen Flüchtlingsstatus geht, werde ich ganz nervös. Behemoth beruhigen mich dann wieder. Das war der erste Song, den ich gehört habe, als wir von Syrien über die Grenze in die Türkei kamen. Ich war so erleichtert, als wäre ein tonnenschweres Gewicht von mir abgefallen. Ich atmete tief durch und dachte: “Du hast es endlich geschafft. Das Schlimmste hast du hinter dir. Zeit, nach vorn zu blicken.” Wenn ich diesen Track höre, erinnert er mich immer an meinen Freund Dany, der auch noch in Syrien ist. Ich versuche, ihn nicht zu oft zu hören, weil ich Dany so schrecklich vermisse und davon Depressionen kriege. Es ist hart für mich, so lange von meinen Freunden getrennt zu sein. Musik gehört zu meinem Leben. In Syrien habe ich immer gebeatboxt. Ich habe mich hier mit einem aus der Unterkunft angefreundet und wir machen zusammen Musik: Ich beatboxe und er rappt. Ich nehme auch zur Zeit Gitarrenstunden und lerne dabei alles von griechischen Liedern bis Rock. Später mal würde ich außerdem gern Schlagzeug lernen und Gesangsstunden nehmen. Illustration von Ana Jaks. Unterschreibe hier die Petition des UNHCR, die Regierungen dazu aufruft, eine sichere Zukunft für alle Flüchtlinge zu garantieren. Die griechische Organisation Praksis hilft Flüchtlingen aus der größten Not. Ihr könnt sie hier unterstützen. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
A. aus Syrien
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2017-05-30T14:00:00+00:00
2024-07-30T20:06:08+00:00
https://www.vice.com/de/article/newneighbours-der-songs-die-ich-auf-dem-weg-von-syrien-nach-europa-gehort-habe/
Warum ich mich durch die Pandemie schummle
Ich weiß noch, wie das Grummeln begann, lange bevor eine bundesweite “Notbremse” inklusive Ausgangsbeschränkungen nötig war. Ich saß eines Morgens zwischen zweitem Kaffee und erstem Videocall in meinem Zimmer und beschloss, wütend zu sein. Ich schickte einem Freund eine Nachricht bei WhatsApp, in der stand, dass ich fortan aufhören würde, mich an die Corona-Regeln zu halten. Nicht komplett, ich bin ja nicht wahnsinnig. Aber doch so weit, dass mein Leben wieder lebenswert würde. Das war im Januar. Zwei Monate lang war ich da bereits in der Kälte spazieren, hatte alleine gegessen und einsam die Weihnachtsfeiertage ausgesessen. Aber an diesem Morgen, kurz bevor ich in der Videokonferenz den einzigen Kontakt zu Menschen an diesem Tag haben würde, der mir Freude macht, wusste ich, dass es mir reicht. Von nun an würde ich die Regeln biegen, gerade so weit, dass ich sie nicht brechen muss. Und wenn doch, dann zumindest so, dass ich mir anschließend noch in die Augen gucken könnte. Auch bei VICE: Warum immer mehr junge Männer Viagra nehmen Ich würde schummeln. Und ich bin überzeugt, dass das menschlich ist. Ich erteilte mir aus meiner Wut heraus Absolution für meine Entscheidung, von der ich natürlich wusste, das sie moralisch nicht gerade unangreifbar wäre. Aber der Mensch ist ein Schummler. Wenn wir Regeln nicht verstehen oder akzeptieren, dann helfen wir uns, indem wir einen Weg suchen, diese Regeln zu umgehen. Wie damals, 2007, im Hebräisch-Unterricht in der 13. Klasse. Es war die letzte Klausur vor den Zeugnissen, eine Vier würde reichen, damit ich mein Hebraicum bekomme. Ich war ein schlechter Hebräisch-Schüler, ich schrieb fast ausschließlich Fünfen und Sechsen. Aber mit dieser Klausur konnte ich alles herumreißen, mit einer Vier. Eine Vier war machbar. Alt-Hebräisch hätte dann als meine dritte Fremdsprache auf dem Zeugnis gestanden, neben Englisch und Latein. Und das ohne dass ich Hebräisch gekonnt hätte, vom Alphabet einmal abgesehen. Damit ich rumreißen konnte, musste ich aber schummeln. Zum Glück ging das in diesem Jahr recht problemlos. Kurz zuvor waren für die gesamte Stufe sogenannte Palm-Taschenrechner angeschafft worden, kleine Computer, die wenig mehr konnten als Text anzeigen und eben ein bisschen komplexere Mathe-Aufgaben lösen. Sehr bald danach wurden sie vom billigsten Smartphone überholt. In der Klausur nun sollten wir aus der Bibel übersetzen, wie in jeder Klausur. Ich lud mir also das gesamte alte Testament auf meinen hochmodernen Taschenrechner. Als ich dann das Arbeitsblatt vor mir liegen hatte, suchte ich die Bibelstelle, die ich übersetzen sollte, im Text auf dem Palm heraus und schrieb sie ab – nur übersah ich, dass die Stelle auf dem Arbeitsblatt gekürzt war. Ich übersetzte viel zu viel.  Mein Lehrer mochte mich, er gab mir eine Fünf Minus statt eines Betrugsversuchs und trotzdem kein Hebraicum. Ich bin sicher, dass ich dieses heute hätte, wenn wir damals, zum Beispiel, eine Reise nach Israel gemacht hätte. Wenn die Schule Menschen zeigen würde, dass so eine Sprache wirklich geil sein kann, wenn man sie für Dinge benutzt, die nicht nur christlich sind. Denn ich fand die Kultur dahinter spannend, nur die Bibel nicht. Ich meine: Wir schummeln nur dann, wenn nicht genug dagegen spricht. Wenn wir nicht wissen, warum wir es nicht tun sollten.  Anfang Januar verstand ich nicht mehr, was da in Deutschland geschah. Lange hatte ich versucht, den Erklärungen zu folgen, die Regeln akzeptiert, viel geschluckt. Ich war einer der Regelkonformen. Ich strengte mich an. Ich nervte Freunde, die schon vorher ausgestiegen waren. Ich verabscheute diejenigen, die das Virus komplett ignorierten oder leugneten, das tue ich bis heute. Aber ich verstand selten das Konzept dahinter. Am Anfang war das noch OK. Ich dachte, na ja, ich bin ja kein Virologe oder Epidemiologe. Ich musste ja selbst erst lernen, was Aerosole oder Schmierinfektionen sind und wie Masken funktionieren. Doch irgendwann hatte ich ein paar Folgen Drosten-Podcast gehört und das alles zumindest so gut verstanden wie die Politikerinnen und Politiker. Dann wurde es schwieriger, die Maßnahmen nachzuvollziehen. Denn klar, auch die Virologen haben gesagt, dass sie nur Ratschläge geben können. Was damit gemacht werde, sei dann eine politische Frage.  Doch ich sah vor allem kein Ende der politischen Fragerei. Die Impfstoffe waren nicht da, die Inzidenzen stiegen. Alle paar Wochen wurden uns Erleichterungen versprochen, die dann nie kamen, weil es an irgendetwas gescheitert war, worüber bereits Monate vorher diskutiert worden war.  Wenn es also nie Verbesserungen gibt und die Gesellschaft für immer in diesem Schwebezustand gefangen bliebe – dann muss man doch schummeln, um nicht einzugehen. Und warum auch nicht? Wenn unser aller Verhalten, unsere Opfer ohnehin keine Verbesserungen bringen, dann können wir uns doch davor drücken. Dann können wir aussteigen. An einem wutgrummelnden Morgen schrieb ich also meinem Freund Adrian, dass ich vorhatte, mich nicht mehr so streng an die Regeln zu halten. Ich glaube, diese Entscheidung war purer, trauriger Trotz. Mir blieb einfach nichts anderes übrig, um meine Unzufriedenheit auszudrücken.  Normalerweise kann man demonstrieren gehen, wenn man unzufrieden mit der Politik ist.  Aber wer heute gegen Coronapolitik demonstrieren geht, hat direkt Neonazis, Rassisten, Antisemiten und QAnon-Wahnsinnige an der Backe. Mit denen will ich nicht laufen, aber ich will auch nicht länger die andere Backe hinhalten.  Also ist mein Ausweg: Stille, kindische und unvernünftige Renitenz. Ich wollte mir meine Regeln trotzdem selbst definieren. Ich wollte unvernünftig sein, aber nicht dumm. Man darf nur einen Haushalt auf einmal treffen? Ich treffe jeden Tag einen, manchmal mehrere, aber nie gleichzeitig. Oder fast nie. Das fühlt sich schon sehr bald sehr gut an.  Freitags trinke ich mit Adrian Wein am Maybachufer, Samstag Bier mit Manuel in Mitte und Sonntags gehe ich mit Miriam auf dem Tempelhofer Feld spazieren. Eines Tages dann die neueste Maßnahme: Wir dürfen draußen nicht mehr trinken. Natürlich tun wir es trotzdem, schon weil die Alternative noch viel schummeliger wäre: Dann würden wir uns drinnen treffen. Aber so lange wir uns draußen treffen, ist es auch in Ordnung, wenn wir mal zu dritt oder viert sind. Legal sind sogar fünf Personen aus maximal zwei Haushalten. Wir sind also weniger Menschen, dafür aber mehr Haushalte. Alles andere wäre unrealistisch. Zumal die Treffen in Innenräumen ab 21 Uhr mittlerweile verboten sind. Zum Glück liegt auch der Balkon von Manuel eigentlich draußen. Außerdem definiere ich manche Menschen zu Nicht-Personen, also Leuten, die nicht in meine Regeln fallen. Bis zum Sommer war ich noch mit meiner Freundin zusammen. Wäre ja Wahnsinn, wenn ich sie als Kontaktperson mit eigenem Haushalt gezählt hätte. Als es die Freundin nicht mehr in meinem Leben gibt, sind daten und knutschen trotzdem noch OK, auch nach 21 Uhr, weil man ansonsten ja auch kaputtgehen würde. Zur gleichen Zeit gehen Kinder übrigens weiterhin in die Schule und Angestellte in Büros, Fabriken und Schlachtanlagen. Das alles quasi auf Einladung der Politik, die mittlerweile auch weiß, was Aerosole sind. Auch meine Geburtstagsfeier Mitte März habe ich mir erschummelt. Ich habe ein gutes Dutzend Leute angeschrieben und zum Marsch gen Brandenburger Tor eingeladen. Wir hatten jede Menge Wein, Longdrinks und Bier dabei und als wir ankamen, waren wir durchgefroren, müde und wussten nicht, was man am Brandenburger Tor überhaupt machen könnte, weswegen wir zu einem Kumpel gefahren sind, um wenigstens im Warmen nichts zu tun zu haben.  Genau das hatte ich eigentlich vermeiden wollen, als ich mir die Schummelei einfallen ließ, weil die Aerosole in geschlossenen Räumen ja bekanntlich am lautesten knallen. Aber nach dem langen Spaziergang, der Kälte und dem vielen Alkohol hatten wir unsere Bedenken hinfortgeschummelt. Und sowieso schummle ich mich gern davon. Wenn ich einen Corona-Test mache, kann ich danach mit dem Zug unbeschwert überall hinfahren, wo mir die Decke gerade nicht auf den Kopf zu fallen droht. Zum Vater in Bonn, dem Bruder in Wien oder der Freundin in Hamburg. Warum denn nicht? Corona ist überall, da stört es weder mich noch die Menschen woanders, ob da eine Person mehr ist, die es bekommen und übertragen könnte. Das wäre aber auch nicht verboten, man hält uns nur an, es nicht zu tun. Das ist mir egal, ich halte es in meinem Haushalt nicht mehr aus.  Heute ist Mitte April. Das Wetter draußen wird wärmer, die Infektionsschutzgesetze strenger und willkürlicher. Gestern haben Aerosolforscher einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie erklärten, dass die Gefahr, sich anzustecken, draußen niedrig sei und eine Ausgangssperre daher kontraproduktiv. Gleichzeitig posten missgünstige Leute Fotos von Menschen, die das schöne Wetter nutzen, um ihren Corona- und Winter-Blues ein bisschen bunter zu tünchen. Die Versprechen der Politik, dass bald alles besser werde, wechseln sich derweil immer noch in gnadenloser Regelmäßigkeit ab mit dem Brechen eben dieser Versprechen. Heute hat sie die nahezu bundesweite Ausgangssperre verkündet. Wir schummeln also. Einfach, um das alles zu ertragen. Denn so, wie sich in der Kommunikation der Politik eine phlegmatische Inkonsequenz durchsetzt – was Lösungen betrifft aber auch ihr Personal -, müssen wir weiterhin versuchen, den Mittelweg zu finden. Wir versuchen, zu leben, ohne anderen mehr zu schaden als notwendig. Wir müssen die Balance halten zwischen Vernunft und Lebensfreude. Die Inkompetenz der Laschets und Spahns hat uns gebrochen, hat unser Wohlwollen aufgerieben, unser Vertrauen in ihre Weisungen mit ihren laschen, schwitzig-feuchten Händen zerquetscht.  Deshalb müssen wir uns jetzt selbst führen. Weil wir aber nur uns selbst führen können, keine Schulen schließen oder Impfzentren bauen, müssen wir gucken, dass wir nicht verrückt werden.  Das Wutgrummeln ist nicht mehr weggegangen, auch durch das Schummeln nicht.  Ich vermisse es, ins Restaurant zu gehen oder in die Kneipe, ins Kino oder einfach nur auf die Couch eines Kumpels. Es geht mir nicht gut. Ich fühle mich einsam und wahlweise über- oder unterfordert oder beides auf einmal. Aber ich freue mich zumindest wieder auf die Wochenenden. Denn seit ich schummle, fühlen sich die arbeitsfreien Tage wenigstens wieder so an. Folge Robert auf Twitter und Instagram und VICE auf Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.
Robert Hofmann
[ "Ausgangssperre", "Corona", "Coronavirus", "covid", "Lockdown Life", "schummeln" ]
Menschen
2021-04-13T15:08:56+00:00
2024-07-30T13:23:14+00:00
https://www.vice.com/de/article/z3xb89/warum-ich-mich-durch-die-pandemie-schummle
Diese Menschen verlieren ihre Götter an den Klimawandel
Hoch oben auf den schneebedeckten Gipfeln des Ruwenzori-Gebirges sitzt der Gott Kithasamba. Eis und Schnee sind sein Sperma. Wenn es schmilzt, bringt es das Leben nach unten in die grünen, bewaldeten Täler und die Savanne. So lautet eine Legende der Bakonjo, einem Volk im Westen Ugandas. In ihrem Glauben spielt Wasser eine zentrale Rolle. “Das Wasser gibt uns Leben, es macht unser Land fruchtbar”, sagt Baluku Mikayir, ein Oberhaupt und spiritueller Führer der Bakonjo. Er wacht über den Wasserfall Ekishalhalha kya Kororo. Neben dem Tosen des herabstürzenden Wassers ist Mikayirs heisere Stimme kaum hörbar. Auch von VICE: Söder vs Habeck: Das Duell der Herzen “Nachdem die Alten Kithasamba Opfer gebracht haben, sieht man den Schnee hell leuchten. Das bedeutet, dass die Zeit zum Pflanzen beginnt. Wenn kein Schnee zu sehen ist, ist das ein Zeichen für Unheil.” Seit mindestens tausend Jahren leben die Bakonjo am Fuße des Ruwenzori-Gebirges. Jetzt bedroht der Klimawandel aber nicht nur ihr Leben und ihren Unterhalt, sondern auch ihre kulturelle Existenz. Im Mai 2020 lösten ungewöhnlich schwere Regenfälle oben auf den Bergen Erdrutsche aus. Fünf Flüsse traten über die Ufer und lösten eine Flutkatastrophe aus, die über 100.000 Menschen vertrieb. Bereits im vergangenen Jahrzehnt war das Gebiet der Bakonjo immer wieder von Sturzfluten heimgesucht worden.  “Die ohnehin langen Trockenzeiten werden noch länger, und die Regenzeit kommt zu einer ganz anderen Zeit als sonst”, sagt der Kulturhistoriker Stanley Baluku Kanzenze. “Die Natur verändert sich.” Jeder Teil des weitläufigen und vielfältigen Ökosystems wird von seiner eigenen Gottheit bewohnt. Kalisya ist zum Beispiel der Geist der Tierwelt, Ndyoka der des Wassers. Wasser zieht sich wie ein roter Faden durch das Bakonjo-Universum. Wo Flüsse aufeinandertreffen, konsultieren die spirituellen Führer mit den Göttern. Heiße Quellen, von denen es hier einige gibt, versprechen nicht nur körperliche Heilung, sondern auch spirituelle. Der Wasserfall Ekisalhalha kya Kororo ist für die Gemeinschaft ein Ort der Konfliktlösung – und eine von vielen Heimstätten des Geistes Ndyoka. Viele dieser heiligen Orte sind bedroht. Die Überschwemmungen des vergangenen Jahres haben die Flussläufe verändert – und mit ihnen die Zusammenflüsse. Heiße Quellen verschlammten und sind jetzt unbenutzbar. Felsen sind die Wasserfälle runtergekracht und haben Mikayirs Weihstätte zerstört. Medizinisch und zeremoniell wichtige Pflanzen, die an den Flussufern wachsen, wurden von der Flut mitgerissen. “Wir haben eine Menge wichtiger Pflanzen verloren, es war furchtbar”, sagt Mikayir. “Wir haben Angst, dass der Wasserfall in der Zukunft zerstört wird”, ergänzt Mary Kyakimwa, ein weiterer Hüter des Ekisalhalha kya Kororo. Er trägt eine zeremonielle Krone aus Pflanzen gespickt mit kleinen gelben Blumen. Steigende Temperaturen sorgen dafür, dass die Gletscher auf den Berggipfeln schmelzen, ohne nachzuwachsen. Wenn sie, wie Geologinnen und Geologen voraussagen, innerhalb des nächsten Jahrzehnts komplett verschwinden, würde das auch das Ende des Weltbildes bedeuten, das eng mit Eis und Schnee verbunden ist. “Das ist eine Bedrohung für die Bakonjo-Identität an sich. Wir können nicht sagen, dass sie noch Bakonjo sind, wenn das Eis nicht mehr da ist”, sagt Historiker Kanzenze. Bis dahin führen spirituelle Führer wie Mikayir weiter Rituale an den heiligen Stätten durch, konsultieren die Geister und versuchen, sie zu besänftigen. “Wir glauben, dass die Flüsse über die Ufer treten und dass der Schnee schmilzt, weil die Geister wütend sind. Die modernen religiösen Praktiken beeinflussen uns. Religiöse Führer sagen, wir sollen nicht opfern”, sagt Mikayir. “Die Geister sind wütend, weil niemand mit ihnen spricht. Wir spüren ihre Wut.” Seit Missionare Ende des 19. Jahrhunderts nach Uganda kamen, dominiert dort das Christentum. Einer Volksbefragung von 2014 zufolge sind 85 Prozent der Bevölkerung Ugandas Christen und 14 Prozent Muslime. Nur 0,1 Prozent folgen den traditionellen örtlichen Religionen. “Die aktuelle Tradition ist ein Mischmasch aus dem Westen und dem, was vom afrikanischen Erbe übrig geblieben ist”, sagt Kanzenze. “Die afrikanischen Kultursysteme konnten dem Ansturm westlicher Religionen nicht standhalten.” Traditionell glauben die Bakonjo daran, dass allen Dingen auf der Erde eine Seele innewohnt – Tieren, Pflanzen oder auch Flüssen. Kanzenze glaubt, dass Lösungen für den Klimawandel durch eine stärkere Bindung mit dieser übermenschlichen Welt entstehen könnten. Nach dem Motto: Wenn die Natur respektiert wird, ist sie auch geschützt. In den vergangenen Monaten hat die NGO Cross-Cultural Foundation of Uganda, CCFU, in Partnerschaft mit der International National Trusts Organisation versucht, eine Brücke zwischen konventionellen Ansätzen im Kampf gegen den Klimawandel und den Anliegen der indigenen Gemeinden zu schlagen. “Auf der einen Seite gibt es Umweltschützer, die sich für Biodiversität und Erderwärmung interessieren – Konzepte, die hier sehr fremd sind”, sagt Emily Drani, Gründerin der CCFU. “Auf der anderen Seite trägt eine Community hier aus ganz anderen Gründen zu diesen Themen bei, indem sie sich um den Wald kümmert und sicherstellt, dass die Gewässer sauber sind, weil Wasser hier als heilig gilt.” Durch Unterhaltungen mit Bakonjo-Führern hat die CCFU über 50 kulturell wichtige Stätten rund ums Ruwenzori-Gebirge dokumentiert und die dort lebenden Menschen beim Pflanzen neuer Bäume und bei der Regeneration der Vegetation unterstützt.  Ronah Masika, eine Projektkoordinatorin der CCFU, ist in den Ruwenzoris groß geworden. Trotzdem war sie überrascht. “Ich wusste nicht, dass entlang der Flüsse so viele kulturelle Stätten existieren”, sagt sie. Masika führt eine Gruppe einen steilen Pfad hinab zu den heißen Rwagimba-Quellen. Sie haben ein Dutzend junge Bambusbäume dabei. Entlang des Flusses, der an die heißen Quellen angrenzt, sind bereits tiefe Löcher für die Setzlinge ausgehoben. Die Pflanzen sollen hier einen natürlichen Schutzwall bilden. “Wir achten darauf, dass wir zur Bekämpfung des Klimawandels das kulturelle Wissen der Region einsetzen”, sagt Masika. Bald werden in dem Gebiet mehr als tausend einheimische Bäume mit besonders festen Wurzeln oder medizinischem Nutzen gepflanzt. Wälder, die früher entlang der Flüsse wuchsen, sollen mit Arten ersetzt werden, die kulturellen Wert für die Bakonjo haben. So hofft man zu verhindern, dass für die Holzproduktion gerodet wird. Die Bakonjo, die sich dem Königreich Rwenzururu zugehörig fühlen, haben eine angespannte Beziehung zu Ugandas Zentralregierung. Nach Disputen über Zuständigkeiten, Land und natürliche Ressourcen gab es Bestrebungen, sich von Kampala unabhängig zu machen. Bis heute reagiert die ugandische Armee darauf mit Gewalt. 2016 wurden laut Human Rights Watch am Rand des Gebirges über 100 Menschen in der Stadt Kasese getötet, darunter viele Wachen und Vertreter des Königreichs. “Es gibt die Oberhäupter noch und sie werden weiterhin respektiert, aber im modernen politischen System haben sie ihre Macht und ihren Einfluss eingebüßt”, sagt Kanzenze. Auch die Beziehungen zu anderen ethnischen Gruppen wie den Basongora, den Bakiga und den Batooro sind angespannt. Im Distrikt Kasese machen zwei Nationalparks über die Hälfte der Fläche aus. Wenn man auch Gefängnisse und andere Regierungsinstitutionen hinzunimmt, steht der Bevölkerung weniger als ein Drittel des Landes zur Nutzung zur Verfügung. In einem Bericht des Kabarole Research and Resource Centre von 2012 heißt es: “Die Konkurrenz um Land ist relativ hoch, und Konflikte sind unabdingbar.” Weil die Bevölkerung wächst und das Land knapp wird, ist der Eingriff in ökologisch und spirituell wichtige Gebiete wahrscheinlich unausweichlich. Die CCFU versucht, Ugandas Regierung davon zu überzeugen, die kulturell wichtigen Stätten anzuerkennen und zu schützen. “Wir haben das Problem der Finanzierung. Der Kultursektor bekommt nur sehr wenige Ressourcen vom Staat”, sagt CCFU-Gründerin Drani. Vom Ministerium für Tourismus, Wildtiere und Antiquitäten heißt es, dass man aktuell eine Machbarkeitsstudie für alle Kulturerbe-Stätten im Land durchführe. Ohne substanzielle finanzielle Unterstützung von der Regierung finden die lokalen Gemeinden ihre eigenen Wege, um die kulturellen Stätten der Bakonjo vor der Erderwärmung zu schützen. Am Ekiskalhalha kya Kororo leitet Mary Kyakimwa eine Spar- und Kreditgemeinschaft und ermutigt Mitglieder der Community, in den Erhalt der Stätte zu investieren. “Wir befürchten, dass die Stätten vernachlässigt werden und verschwinden, wenn wir die Menschen nicht für ihre Bedeutung sensibilisieren – insbesondere junge Leute”, sagt Kyakimwa. Die mündlich überlieferte Kulturgeschichte stirbt, wenn die Alten sterben.  Der spirituelle Führer Mikayir ist trotz seines hohen Alters davon überzeugt, dass seine Aufgabe von seinem Sohn Ntinisyo fortgeführt wird. “Ich habe die Position von meinem Vater geerbt, der sie von seinem Vater bekommen hat”, sagt Mikayir. “Der Wasserfall ist von unseren Vorfahren bis heute geschützt worden. Auch zukünftige Generationen werden seine Bedeutung verstehen.” Folge VICE auf Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.
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Menschen
2021-08-30T07:59:55+00:00
2024-08-12T09:11:19+00:00
https://www.vice.com/de/article/diese-menschen-verlieren-ihre-goetter-an-den-klimawandel-natur-uganda/
Liebe Menschen: Hört auf, meinen Afro anzufassen wie einen Pudel
Tai ist vor drei Jahren aus Brasilien nach Berlin gezogen | Foto: privat Plötzlich kniet ein dicker, verschwitzter Mann vor mir. “Respekt”, sagt er. Ratlos lasse ich ihn meine Hand schütteln. “Er wollte nur sagen, dass du tolle Haare hast”, übersetzt seine Freundin für mich. Der Mann steht wieder auf und krempelt die Ärmel hoch, um mir das Tattoo seines Motorradclubs zu zeigen. Wie in einem Tierfilm über Hyänen in Süd-Äthiopien erläutert die Frau, was für Absichten sich hinter seinen Gesten verstecken: “Er will ein Foto mit dir, um seinen Freunden zu zeigen, wie interessant die Leute in Berlin sind.” Ich möchte nicht fotografiert werden wie eine touristische Sehenswürdigkeit, um später von Bikern aus der Provinz bestaunt zu werden. Aber der Mann versucht zu verhandeln: “Du kannst auch dein Gesicht verstecken.” Als ich immer noch nicht will, ist er beleidigt: Er sei ja kein CIA-Agent. Dann rauscht die U-Bahn an und somit die Gelegenheit vorbei, dem Motorradfahrer zu erklären, warum er schwarze Menschen nicht als Zirkus-Kuriositäten behandeln sollte. Seit ich aus Brasilien nach Berlin gezogen bin, fühle ich mich wie ein Popstar. Wenn ich von meiner Wohnung zur U-Bahnhaltestelle Neukölln laufe, drücken die Kinder aus dem Kindergarten im ersten Stock ihre Nasen an der Fensterscheibe platt. An der Ecke schenkt mir ein Hippie ein breites Lächeln. Fünf Minuten zu Fuß dauert mein Weg zur U-Bahn. Währenddessen höre ich mindestens zweimal “Coole Haare!” oder “Krasse Haare!”. Zwei Jungs sind angesichts meiner Frisur ganz aus dem Häuschen. Als ich merke, dass der eine versucht, mit seinem Handy heimlich ein Foto von mir zu machen, winke ich und werfe ihm eine Kusshand zu. Foto: privat Ich hätte nie gedacht, dass meine Haare so viele Fans haben werden. In Brasilien, wo ich herkomme, gilt voluminöses, krauses Haar als ungepflegt. Brasilien wird zwar gern als ein “farbenblindes” Land dargestellt, das keinen Unterschied zwischen Schwarz und Weiß kennt, und wo alle beim Karneval gemeinsam feiern und knutschen. Aber das ist ein Mythos. Schwarze oder Menschen gemischter Abstammung verdienen immer noch 40 Prozent weniger als Weiße, nur 9,8 Prozent aller Studenten sind schwarz. Die wenigsten Brasilianer wollen afrikanisch aussehen. Krause Haare gelten als “triebhaft” und “sündhaft” und die meisten versuchen, sie um jeden Preis zu glätten. In der Kleinstadt im Bundesstaat Rio de Janeiro, aus der ich herkomme, schreien mir selbst Menschen mit afrikanischen Wurzeln “Kämm dein Haar!”, “Schneid dein Haar, du Scheiße!” oder “Dein Haar ist lächerlich” hinterher. Auch meine eigene (weiße) Mutter musste ich ständig korrigieren. Sie nannte mein Haar “cabelo ruim”—zu Deutsch “schlechtes Haar”—wie meine Locken oft in Brasilien bezeichnet werden. Dabei ist es eigentlich unglaublich, dass ich in Brasilien ein Fremdkörper bin: Schwarze oder Menschen gemischter Abstammung machen die Mehrheit der Bevölkerung aus: laut einer Erhebung von 2015 53 Prozent. Sprich: Über die Hälfte der Menschen in meinem Land sieht mir ähnlich, und unsere Nachbarn traten extra aus dem Haus, wenn sie mich sahen, um mit dem Finger auf mich zu zeigen und sich über mein Haar lustig zu machen. Nur langsam fangen die Brasilianer an, ihre schwarzen Wurzeln zu akzeptieren: Beautyblogger feiern endlich ihre afrikanischen Haare und geben Pflegetipps. In Telenovelas—in Brasilien ein Gradmesser für gesellschaftliche Veränderung—kann man endlich lockige Protagonistinnen sehen. Ich hoffe, dass der nächsten Generation in paar Qualen erspart bleiben, durch die ich gehen musste. Als ich sieben Jahre alt war, hat meine Tante mein Haar zum ersten Mal geglättet. Das Verfahren dauerte vier Stunden und hat sich nicht nur in meine Erinnerung gebrannt, sondern auch in meine Kopfhaut: in Form von Brandwunden auf meinem Kopf. Aber es half nichts. “Wer schön sein will, muss leiden”, hieß es dann die nächsten Jahre für mich—und für Millionen anderer Mädchen. Erst Ende der 90er, da war ich 12, habe ich mich getraut, mit Naturlocken zur Schule zu gehen—inspiriert von Mel B von den Spice Girls. Sie konnte tun und lassen, was sie wollte. Ich nicht. Meine Klassenkameraden mobbten mich so heftig, dass es ein weiteres Jahrzehnt dauerte, bis ich mich traute, meine Haare natürlich zu lassen. Als ich das erste Mal seit Jahren meine Naturlocken angefasst habe, dachte ich: “Sie sind so weich, ein Kunstwerk der Natur.” Seitdem sind meine Haare und ich endlich versöhnt. An meinem ersten Tag in Berlin, als ein faszinierter Punk mein Haar anfassen wollte, konnte ich kaum glauben, dass sich jemand gleichermaßen dafür begeistert. Ich ließ es zu, klar. Und so ging das weiter. Auf Partys, mitten im Smalltalk, auf der Straße ließ ich mehr oder weniger bekannte Neugierige meine Haare tätscheln. Bis mir auffiel, dass diese Aufmerksamkeit im Grunde die gleichen Wurzeln hat wie die Sprüche in meiner Heimatstadt: Beide erinnern mich daran, dass ich anders bin. Ich möchte nicht ständig im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Ich will, dass mein Äußeres als normal gilt. Das Fass war voll, als eine mir völlig fremde Oma, ohne zu fragen, nach meinem Haar griff. Ich meine: Hätte ich das gleiche gemacht, die Geschichte würde vermutlich auf der Polizeiwache enden. Ich verstehe, dass es niemand böse meint. Ich würdige die Komplimente. Ich kann nachvollziehen, dass Deutsche meine Haare als exotisch empfinden, neugierig sind. Fragt mich, ich antworte gern. Wenn wir gut befreundet sind, lasse ich euch sogar anfassen. Aber bitte behandelt mich nicht wie ein sonderbares Objekt, sondern wie einen Menschen, mit seinen Grenzen, die man nicht überschreiten darf. Ich habe es satt, eine Kuriosität zu sein. Man kann mich nicht einfach so anfassen wie einen Schoßhund, obwohl man auch das bei fremden Hunden nicht machen sollte. Mein Haar ist kein Pudel, sondern ein Widerstandssymbol.
Tai Linhares
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2016-08-25T13:21:00+00:00
2024-07-30T22:12:35+00:00
https://www.vice.com/de/article/fass-mich-nicht-an-meine-frisur-ist-kein-pudelsondern-widerstand/
Marsch für’s Läbe? Wasser marsch!
Mit „Weil Maria hat geboren ist die Welt noch nicht verloren!” richtete sich Daniel Regli, der Organisator der „Marsch für’s Läbe”-Antiabtreibungsdemo, an sein Publikum. Nicht ohne den Kommentar, dass „unsere Freunde da drüben rufen werden: Hätt’ Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben.” Dass Menschen, die Gott mögen, denken, dass er anwesend oder zumindest entschuldigt abwesend ist, ist deren gutes Recht. Sie dürfen auch eine politische Einstellung haben, so wie der alt-EDU-Nationalrat Markus Wäfler, der meinte: „Christen können beten und wählen.” Und ja, wenn sie es wie Markus Wäfler nötig haben, die Weltkriege mit Abtreibungen gleichzusetzen, ist das irgendwie auch noch einzuordnen. Aber wenn kleine Kinder auf einem riesigen Buggy durchkutschiert werden, Kinder selbst zum Demo-Symbol, also quasi zum Bioform-Transparent erhoben werden, ist das eher unschön. Richtig widerlich ist die Behauptung von Daniel Riegel, dass Richard Dawkins (und jeder, der halbwegs so denkt wie er) jeden behinderten Menschen abtreiben wolle. Als nächste erhält die Mutter eines Kindes mit Trisomie 21 das Mikrofon und erzählt von ihrer Liebe für Kind und Gott. Danach darf eine junge Frau mit Down-Syndrom von ihrem Arbeitsplatz bei der Verkehrspolizei berichten. Liebe Leute, das ist ziemlich off-topic. Beim Recht auf Abtreibung geht es um Notsituationen, um Zwang und Selbstbestimmung, nicht um das Lebensrecht von Menschen mit Behinderungen. Es geht um das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Es geht um Kinder, denen ein Leben aufgezwungen wird, das vielleicht niemand wollte (in der Schweiz) oder nicht lebenswert gestaltet werden kann (Ihr kennt ja sicher die afrikanischen Kinder aus der Worldvision-Werbung). Daniel Riegel forderte nochmals „die starken Männer in der Demo auf, Frauen, Kinder und Behinderte zu beschützen.” Dann trottete der „Marsch für’s Läbe” hinter zwei Saxofonen los. Aber anyway: Zum Glück bleibt mir die Demo, also vor allem die Gegendemo, nicht wegen der Fundi-Inhalte in Erinnerung. Es war nämlich die erste Demo in der Wolff-Ära, bei der die Polizei keinen sauberen Kessel machen konnte. Kaum hielt der Wasserwerfer beim Bürkliplatz an, spritzte er schon auf die dort versammelte Hundertschaft Gegendemonstranten. Andrea Stauffacher krähte ins Megafon. Aber der Wasserwerfer machte weiter, nur wenige Meter von den Touris am Seeufer und dem Samstagsflohmarkt entfernt. Der Wasserwerfer war schon in Gang als Polizeivorsteher Wolff mit dem Velo auf eine Verkehrsinsel angekommen ist. Wolff wollte das Velo direkt dort abschliessen. Unser Fotograf fragte: „Ist denn das hier ein Veloparkplatz?” Wolff blickte rasch über seine Schulter und zog mit Velo weiter. Als der „Marsch für’s Läbe” den Bürkliplatz passieren konnte, begann die Jagd erst richtig. Längst waren die Abtreibungsgegner nur noch ein abgeriegeltes Feindbild. Die Farb- und Dreckwasserballons trafen Polizeischilder, keine Christen. Immer wieder kamen Grüppchen aus Seitenstrassen und pfiffen für eine halbe Minute, bevor sie wieder wegrannten. Auch an Orten, die unbewilligte Demos sonst nie und schon gar nicht an sonnigen Samstagnachmittagen erreichen, wie der Paradeplatz oder die Bahnhofstrasse. Die Bahnhofstrasse?! Als der Fotograf und ich aus einer Seitenstrasse zurück zu den Christen spurteten, heischte uns ein Sympathieträger in Uniform an: „Das ist die zweite Verwarnung! Beim nächsten Mal nehme ich sie rein. Haben Sie mich verstanden? Das ist eine polizeiliche Anweisung. Ich will Sie nicht mehr ausserhalb der Bahnhofstrasse sehen!” Da half weder Presseausweis noch Visitenkarte. Aber für Bilder hätte man uns an keine bessere Location zwingen können: Wann fährt sonst schon ein Wasserwerfer durch das Bahnhofstrassen-Gewusel aus betuchten Konsumsüchtigen? Und überall pfiff und rannte es weiter. Bei einer Atempause an einer Hausecke trafen wir Antiabtreibungs-Aktivist Daniel Regli ausserhalb seiner Demo. VICE: „Entspricht der Verlauf der Veranstaltung Ihrer Zufriedenheit?” Regli: „Es tut mir einfach so leid, dass die Polizei kommen musste. Wegen uns hätte sie nicht kommen müssen.” Nach der Demo jubelten die wieder versammelten Abtreibungsgegner zwei Instanzen zu: Gott und der Zürcher Stadtpolizei. Folge Benjamin auf Twitter: @biofrontsau Folge Jan auf Twitter: @0xTry Alle Fotos von Jan Müller VICE-Autor Florian Vock in friedlicher Demofreude.
Benjamin von Wyl
[ "Antifa", "christen", "demo", "Fotos", "Fundamentalisten", "News", "ProChoice", "Vice Blog" ]
2014-09-22T09:08:00+00:00
2024-07-31T04:00:20+00:00
https://www.vice.com/de/article/marsch-fuers-laebe-wasser-marsch-667/
Druide, Segway-Fahrer, Judenhasser: Burghard B. soll Kopf einer rechten Terrororganisation sein
Screenshot: YouTube Stellt euch einen alten Mann vor, der aussieht wie ein harmloser, kauziger Nikolaus, aber Monologe über die jüdische Lüge hält. Das ist Burghard B., wie ihn unser Autor letztes Jahr auf der Gegendemo zur Bilderberg-Konferenz in Dresden erlebte. Burghard B. behauptete, die “Bilderberger” seien überwiegend Juden, “die sich selbst als Rasse und als auserwähltes Volk” sähen. Die Juden würden die Deutschen vernichten wollen. An diesem Tag bekam Burghard B. eine Anzeige wegen Volksverhetzung. Weshalb er angezeigt worden sei, könne er sich nicht erklären, sagte er später. Jetzt hat die Polizei den 62-Jährigen verhaftet. Er soll Kopf einer rechtsterroristischen Vereinigung sein. Mit fünf anderen soll sein Ziel gewesen sein, “bewaffnete Angriffe auf Polizeibeamte, auf Asylsuchende und auf Menschen jüdischen Glaubens” zu begehen, sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Beamte durchsuchten zwölf Wohnungen in sechs Bundesländern, nahmen zwei Menschen fest. Sie fanden Waffen, Munition und Sprengmittel. “Anhaltspunkte für ganz konkrete Anschlagsplanungen” gab es laut der Staatsanwältin nicht. Waffen, Munition und Sprengmittel sind zumindest Hinweise darauf, dass die Gefahr, die von der Gruppe ausging, nicht so unkonkret war. Die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten in Deutschland ist im Jahr 2015 enorm angestiegen: 42,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so die Zahlen des Verfassungsschutzes. Vor allem mit autonomen rechtsextremistischen Gruppen ohne direkte Verbindungen zu Organisationen tut sich unser Verfassungsschutz besonders schwer – also mit Menschen, die sich nicht über eine Organisation als Neonazis bekennen, sondern Reden schwingen, auf Facebook hetzen und sich dort zusammenschließen. Ob die Vereinigung um den weißbärtigen Druiden sich autonom organisiert hat, prüft die Bundesanwaltschaft gerade. Die Gruppe um Burghard B. stehe den Reichsbürgern, die der Verfassungsschutz teilweise beobachtet, ideologisch aber auf jeden Fall nahe. Auf der Bilderberg-Demo, wo unser Autor auf ihn traf, sprach er etwa neben dem bekennenden Reichsbürger Christian Bärthel. Gemeinsam standen sie zwischen Wohnwagen, Compact-Plakaten und Deutschland-Fahnen. Bärthel wurde bereits wegen Volksverhetzung verurteilt, der Thüringer Verfassungsschutz stufte ihn 2003 als Rechtsextremisten ein. Es mutet grotesk an: ein alter Mann, der sich auf YouTube beim Segwayfahren und Eisessen in Schwetzingen nahe Heidelberg zeigt, auf seine Visitenkarte “Menschenrechtler und Keltischer Druide” schreibt – und menschenverachtende Hetze verbreitet und sich auf rechtsterroristische Anschläge vorbereitet haben soll. Wer ist Burghard B.? 2008 porträtierten ihn die Osthessen-News und der Bayerischen Rundfunk noch liebevoll als Randgestalt, sie verglichen ihn mit dem Druiden Miraculix aus Asterix (“Burgos von Buchonia hätte Miraculix entzückt“). Auf den ersten Blick wirkt Burghard B. tatsächlich einfach wie ein verwirrter alter Mann mit weißem Bart und weiß-güldener Kutte. Er nennt sich Burgos von Buchonia und sagt, er sei vor 2.500 Jahren geboren. Wanderern erzählt er im Mittelgebirge Rhön von edlen Recken und holden Maiden. Laut BR gab er Führungen in einem mittlerweile geschlossenen Museum, laut Main Post machte er sogar Wanderungen mit dem SPD-Ortsverein. Doch wie wir jetzt wissen, ist Burghard B. eben kein harmloser alter Mann, wie es für Journalisten und Politiker damals scheinen mochte. Auf Facebook und dem russischen Pendant VK.com hetzt er gegen Juden und Flüchtlinge. Zuletzt etwa: “Wenn nun die Rechten so viel Arsch in der Hose hätten, wie sie an der Tastatur vorgeben zu haben, gäbe es keine linken Schmierereien und Angriffe mehr. (…) BANKEN HÄTTEN KEINE MACHT MEHR UND DIE JUDEN WÜRDEN FREIWILLIG EUROPA VERLASSEN.” Noch hetzerische, menschenverachtende Aussagen finden sich dort auch, ersparen wir euch aber hier. Die NPD engagierte Burgos von Buchonia übrigens im letzten Jahr für ihr “Kulturprogramm”. Screenshot von der Website der NPD Bayern Auf YouTube lädt er nicht nur Segway-Videos hoch und Filme, in denen er Eis isst, sondern auch seine Reden von Demos. Auf der Gegendemo zur Bilderberg-Konferenz sprach er zum Beispiel über fleißige Deutsche, denen alles weggenommen werde. (Wir verlinken das Video nicht, weil wir davon ausgehen, dass ihr keinen Bedarf an den Reden eines mutmaßlichen Rechtsextremisten habt.) Unser Autor brach das Gespräch auf der Demo mit dem selbsternannten Druiden übrigens ab – weil der alte Mann auf Widerspruch zu seinen kruden Theorien zur jüdischen Weltverschwörung nicht einging und unser Autor es nicht mehr aushielt. Ein Mensch, der noch bereit für Diskussionen ist, ist dieser mutmaßliche Gründer einer bewaffneten, rechtsterroristischen Gruppe, wahrlich nicht. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
VICE Staff
[ "druide", "Rechtsextremismus", "Rechtsterrorismus", "Reichsbürger", "terror" ]
2017-01-26T13:16:04+00:00
2024-07-30T19:12:35+00:00
https://www.vice.com/de/article/ypndq7/druide-segway-fahrer-juden-hasser-burghard-b-soll-kopf-einer-rechten-terrororganisation-sein
Touristenparty
Foto von Grey Hutton 782 Hotels gibt es in Berlin. Seit 2002 hat sich die Zahl der Übernachtungen pro Jahr fast verdoppelt, auf mehr als 20 Millionen. Was die alle hier wollen? Party machen, natürlich. Blöd nur, dass man in einer fremden Stadt gar nicht weiß, wohin. Man kann ja nicht in irgendeine Bar gehen, es muss schon was Authentisches sein. Aber nachdem heutzutage alle Bereiche des Lebens dienstleistungstechnisch optimiert werden können, gibt es hier seit ein paar Jahren eine Lösung für das Problem: die sogenannten „Pub Crawls“. Die Veranstalter des Insider Pub Crawl werben damit, dass sie einen „an Orte mitnehmen, die man ganz einfach nicht alleine finden würde.“ Das Ganze dauert fünf Stunden und kostet zwölf Euro. Ich stehe um 20 Uhr am Hackeschen Markt und werde dort von Simone begrüßt, der hyper-kompetenten Managerin. Innerhalb der nächsten Stunde tauchen ungefähr 30 Pub-Crawler auf, was ich beängstigend viel finde, Simone aber mit einem Achselzucken abtut: „Im Sommer werden es schon mal mehr als 100.“ Mit dabei: zwei Amerikaner, eine riesige Gruppe Schweden, ein paar erstaunlich zurückhaltende Australier und, siehe da, ungefähr fünf zugezogene Deutsche. Schon in der zweiten Bar fragt mich die Amerikanerin misstrauisch, ob das denn wirklich Orte seien, an die man als Berliner hinginge. Weil ich nett bin, beruhige ich sie, aber ich kenne niemanden, dem das im Traum einfallen würde. Alle Bars, die wir besuchen, sind charakterlose Touristenfallen, über die der Easy-Jetset mit Sicherheit auch so gestolpert wäre. Vor jedem Ortswechsel müssen alle schnell austrinken und im Zweifelsfall ihre Getränke in Plastikbecher schütten. Selbst wenn man also nichts gegen die Atmosphäre hat, kann es doch nicht amüsant sein, sich den Hedonismus so reglementieren zu lassen. Was also ist der Grund, aus dem man an sowas teilnimmt? Erst nach Mitternacht, auf dem Weg zum q-dorfig anmutenden Matrix rückt eine der Amerikanerinnen mit der Wahrheit raus: „Hier sprechen alle Englisch, das ist einfach leichter, als sich mit Deutschen zu unterhalten.“  
Theresia Enzensberger
[ "Berlin", "feiern", "Jahrgang 9 Ausgabe 3", "Kneipen", "News", "Party", "pub crawl", "The Cultural Atrocities Issue", "Vice Blog", "VICE Magazine" ]
2013-03-26T07:00:00+00:00
2024-07-31T05:44:48+00:00
https://www.vice.com/de/article/touristenparty-0000441-v9n3/
Nie wieder Feine Sahne Leberwurst für den Verfassungsschutz
Foto: Ole Olé Die Aufregung um Feine Sahne Fischfilet ist dieser Tage mal wieder besonders groß—erst wird die Band vom Riesaer Stadtfest ausgeladen, weil ein NPD-Mann investigativ herausgefunden hat, dass die Band im letztjährigen Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern erwähnt wird (in dem übrigens auch die NPD erwähnt wird) und dann erscheint nur einen Tag später der neue Verfassungsschutzbericht und siehe da, noch mehr Feine Sahne. (Ihr könnt das Werk hier lesen, ab Seite 58) Liest man sich das Ding mal durch, kann man nur zu folgendem Urteil kommen: Die Herren vom Verfassungsschutz sitzen den ganzen Tag vorm Internet, haben Noisey auf eins in der Lesezeichenleiste gespeichert, mampfen lecker Wurst aus dem Feine Sahne Fischfilet-Präsentkorb, lesen alles und jeden Artikel auf unserer schönen Internetseite und werden dabei dicker und dicker. Und wenn dann zum Jahresende der Abteilungsleiter von seinem Thron steigt und wütend schreit: „Wo bleibt der diesjährige Bericht, Männers!“, bricht allenthalben Panik aus. Fuck, da war ja was, Bericht, Bericht, schon wieder ein Jahr rum! Aus Mangel an Alternativen kopieren die Jungs dann einfach in den Bericht, was sie eh das ganze Jahr lesen, also Zitate aus unseren Artikeln und weil es auf Noisey nur eine Band mit der Textzeile „Goethe ist scheiße, Goethe ist Dreck!“ gibt, fällt in diesen Zitaten immer wieder der Name Feine Sahne Fischfilet. Um Nazibands geht es in dem Bericht dagegen kaum. Dass es in Mecklenburg-Vorpommern keine Nazibands gibt, kann nicht der Grund sein. Aber woran liegt es dann? Vielleicht daran, dass wir nicht darüber berichten? Wir wissen es nicht. Also haben wir unseren Freund und Sänger der Band Feine Sahne Fischfilet Monchi Fromm gefragt. Noisey: Der Verfassungsschutzbericht nennt euch einen politischen Zusammenschluss. Nehmt ihr eigentlich noch Mitglieder auf?Monchi: Bandmäßig sind wir abgedeckt. Jemand, der aber für uns in den Backstagebereichen kurz vorm Abhauen die Kühlschränke plündert, können wir immer gebrauchen. Es steht im Bericht, ein Bandmitglied wurde wegen Beamtenbeleidigung verurteilt. Was ist da passiert?Jo, einer von uns hat einen Polizisten mal „Faschist“ genannt. Der Verfassungsschutz hat euch mehr als eine Seite gewidmet, was recht viel ist. Wie erklärst du es dir, dass in dem Bericht die Existenz rechtsradikaler Bands dagegen lediglich oberflächlich gestreift wird, aber kaum detaillierte Informationen vorliegen?Wir sind halt Social Network Hools, treten öffentlich auf und geben dann auch noch irgendwelchen halbseriösen Internetplattformen Interviews. Haha, vielen Dank.Im Ernst, bei uns brauchen die nur vorm Internet hocken und ihre Donuts futtern, dann wissen sie schon so richtig mächtig Bescheid. Nazibands wie Painful Awakening oder Path of Resistance gehören seit Jahren zum Umfeld des verbotenen neonazistischen Blood and Honour-Umfeld, welches auch gute Kontakte zum NSU pflegte. In Meck-Pomm gibt es ohne Ende Nazibands und augenscheinlich ist es den Schlapphüten auch einfach mal scheißegal, was dort passiert. Aber wir wollen hier ja auch keinen noch besser ausgestatteten VS fordern. Was wir als wichtig empfinden, wäre eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Neonazis in Meck-Pomm. Die Leute, Zivilgesellschaft und antifaschistische Initativen dürfen sich auf keinen Fall im Kampf gegen die Faschos auf den Staat verlassen. Dat ist ‘nen Fakt und damit haben wir 100 Prozent Recht. via Es heißt weiter, ihr würdet eure musikalische Bekanntheit dazu nutzen, Fans zu beeinflussen. Hand aufs Herz, betreibt ihr mit eurer Musik Gehirnwäsche und verwandelt junge treue Anhänger der freiheitlich demokratischen Grundordnung in subversive Elemente?Ja. Wir wollen nur deine Seele… Im Bericht wird sehr ausführlich aus unserem Interview zitiert. Bist du vorsichtiger geworden, was Äußerungen in Medien und Öffentlichkeit angeht?Das, was wir sagen ist richtig. Das, was wir sagen ist nicht einfach mal so daher gelabert. Wir, Freunde von uns, andere Menschen die nicht in das Weltbild der Nazis passen, haben hier 1000 mal auf die Fresse bekommen. Wenn mir dann irgendein Sesselfurzer erzählen will, dass die kleinen, armen Faschos doch auch nur Opfer der beschissenen Verhältnisse sind, dann kriege ich das Kotzen. Ich feiere keine sinnlose Gewalt ab, aber ich werde auch keinen auf Oberpazifisten machen, wenn Nazis wie David Petereit, der seit Jahren hier landesweit rassistische Hetze betreibt, mal ‘nen paar nonverbale Denkanstöße bekommt… Offensichtlich sind die Beamten beim Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern Stammleser unserer Seite. Auch jetzt wird garantiert mit Interesse mitgelesen. Gibt es etwas, was du gegenüber der Behörde schon immer mal loswerden wolltest?Ja: Eure Behörde gehört abgeschafft. Nochmal bekommt ihr keinen Leberwurstpräsentkorb von uns. Kurz gesagt: Ihr seid Scheiße. Wir und unsere Homies sind geil! Nach der letzten Erwähnung im Verfassungsschutzbericht gab es einen Fresskorb für die Beamten. Was ist diesmal geplant?Die Revolution. Und wenn das nicht klappt, erstmal 1000 weitere, geile, abgefuckte Konzerte und ‘nen Besuch mit unseren besten Dudes im Heidepark Soltau, mit Go-Kart-Rennen im Anschluss. Danke Monchi. PS: Feine Sahne versprechen bei Facebook: „Das war das letzte Statement für diese Woche, wir machen jetzt nur noch Arschbomben in die Ostsee.“ Also lasst sie endlich in Ruhe mit dieser verfassungsgefährdenden Scheiße. PPS: Es geht uns wirklich auf die Eier, dass Spiegel Online in diesem Bericht als Spiegel Online bezeichnet wird, Noisey dagegen als „Noisey“. „Noisey“? In Anführungszeichen? Im Ernst? Immerhin ist Noisey inzwischen richtig geschrieben und nicht wie im letzten Jahr ohne e. ** Folgt Noisey bei Twitter und Facebook für tägliche Updates. MEHR VON NOISEY
Andreas Richter
[ "Antifa", "Blood And Honour", "Features", "Feine Sahne Fischfilet", "Interview", "Mecklenburg Vorpommern", "Monchi Fromm", "Music", "Naziband", "Nazis", "Noisey", "Noisey Blog", "Punk", "Verfassungsschutz" ]
2013-08-08T14:30:00+00:00
2024-07-31T04:56:27+00:00
https://www.vice.com/de/article/der-verfassungsschutz-kriegt-keine-wurstkorbe-mehr-von-feine-sahne-fischfilet/
Warum der nächste europäische MVP aus Griechenland kommt
Obamas Auftreten in der Öffentlichkeit ist in der Regel ziemlich lässig. Bei seinem letzten Griechenlandbesuch als US-Präsident verhaspelte er sich dennoch kurz. Man kann es ihm nicht verübeln—es gibt weitaus unkomplizierte Namen als „Giannis Antetokounmpo”, der deswegen häufig nur „The Greek Freak” oder „The Human Alphabet” genannt wird. „Er scheint jedes Jahr besser zu werden”, meinte Barack Obama und hatte damit Recht: Der Grieche, der mit zarten 21 Jahren schon vier NBA-Saisons auf dem Buckel hat, ist momentan der beste Europäer der Liga. Nachdem ihn sein Coach und Aufbau-Legende Jason Kidd in der letzten Saison von der Shooting auf die Point Guard-Position verschob, explodierten seine Stats förmlich. Für die Playoffs wird es wahrscheinlich auch dieses Jahr nicht reichen. Jedoch müssten wir uns schwer täuschen, wenn der nächste europäische MVP nicht aus Griechenland käme. Die aktuelle Saison ist zwar erst ein paar Wochen alt, doch es zeichnet sich bereits ein MVP-Rennen ab, das so offen ist, wie lange nicht mehr. Neben LeBron und den „Superschurken” von den Warriors, gibt es eine ganze Reihe anderer Kandidaten, die sich mit außergewöhnlichen Leistungen um den Titel des besten Spielers der Liga bewerben. Man denke an James Harden, Russell Westbrook, DeMar DeRozan und Damian Lillard. Direkt dahinter kommt allerdings schon Giannis Antetokounmpo. „The Greek Freak” startete ebenfalls sensationell in die Spielzeit. Auf seinem Statistikbogen lesen sich bisher 21.8 Punkte, 8.9 Rebounds, 5.5 Assists, 1.9 Steals und 2.1 Blocks pro Spiel. In jeder der genannten Kategorien hat er sich im Vergleich zum Vorjahr verbessert—obwohl er weniger Minuten spielt. Außerdem ist er mit seinen 21 Jahren noch meilenweit von seiner Prime entfernt. Kaum jemand schaffte es, bereits in diesem Alter alle Facetten des Spiels so gut zu vereinen: Antetokounmpo könnte deshalb der erste Spieler in der Geschichte der NBA werden, der eine 20-8-5-2-2-Saison spielt. Das liegt in erster Linie an den physischen Voraussetzungen von Giannis, die einfach nur verrückt sind. Seine schlaksige Statur und seine ewig langen Arme ermöglichen ihm Dinge, von denen andere Spieler nur Träumen können. Damit seine Fähigkeiten auf dem Court bestmöglich genutzt werden können, wird er seit letzter Saison als Playmaker eingesetzt—bei einer Körpergröße von 2,11 Metern. Im Vergleich zu seinen Aufbaugegnern ist er ein wandelndes Missmatch. In den letzten 28 Spielen der vergangenen Saison legte er so fünf Triple-Doubles auf und gab damit seinem Team—vor allem nach der Verletzung von Khris Middleton—weiterhin eine Richtung und einen Leader. Dass Giannis als Point Guard so floriert, liegt vielleicht auch an seinem Vorbild: Allen Iverson. Gegenüber der NBPA verriet er: „Ich hatte sogar Cornrows. Ich wollte wie er sein, als ich meine kleinen Brüder ausdribblte.” Z-Bo ahnt nichts Gutes. Foto von Benny Sieu-USA TODAY Sports Sein Vater war ein Fußballprofi in Nigeria und seine Mutter eine Hochspringerin. Beide sportlichen Veranlagungen konnte Giannis für sich nutzen: Seine exzellente Beinarbeit, aber auch seine explosive Sprungkraft machen sein Spiel einzigartig. Seine Fähigkeit ins Eins-gegen-Eins zu gehen und seinen Zug zum Korb erinnern an den Basketball der neunziger Jahre. Die Ursache der Faszination um ihn: „The Greek Freak” mischt Athletik mit der europäischen Spielphilosophie, die mehr auf Taktik und Technik beruht. Übrigens ist Giannis nicht das einzige Basketball-Talent in der Antetokounmpo-Familie: Sein älterer Bruder Thanasis konnte bereits NBA-Luft schnuppern und auch sein kleiner Bruder Kostas ist auf dem besten Weg dorthin. Mittlerweile wohnt seine komplette Familie bei ihm in Milwaukee. Seine Entwicklung hätte kaum besser verlaufen können, denn seinem Jahrgang ist er—auch wegen dem Erfahrungsbonus—schon lange enteilt. Das Problem des „Bucks”-Franchises ist ein anderes. Im Gegensatz zum 21-Jährigen weisen alle anderen Spieler eklatante Defizite auf: Jabari Parker ist zwar eine Scoring-Maschine, dafür aber in der Defense völlig überfordert. Cavs-Neuzugang Matthew Dellavedova sorgt für ein gutes Ballmovement, sucht aber immer noch seinen Wurf. Greg Monroe hat im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls einen Gang runter geschaltet und der Rest der Rotation ist einfach nicht stark genug um Spiele zu entscheiden. Durch diese Umstände tut auch Khris Middletons Knieverletzung doppelt weh: Mit dem Shooting Guard wird in den nächsten vier Monaten nicht zu rechnen sein. Da dem Kader momentan die Qualität für den großen Wurf fehlt, muss man das Jahr nutzen um weiterhin an den Fähigkeiten des griechischen Rohdiamanten zu feilen. Dann wird er wohl auch bald dazu in der Lage sein, sein Team zu tragen. Sollte ihn keine Verletzungen stoppen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis er in einem Atemzug mit Stephen Curry, LeBron James und Russell Westbrook genannt wird. Man lehnt sich auch nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man sagt, dass er nach Dirk Nowitzki wohl der zweite europäische MVP wird. Das Feld europäischer Superstars bleibt auch nach den Gasol-Brüdern und Dirk weiterhin dicht besiedelt—trotzdem sticht „The Greek Freak” heraus. Solange Kristaps Porzingis bei den Knicks spielt, wird er nach Carmelo Anthony in der Offensive erstmal nur die zweite Option bleiben. Auch wenn sich beide Teams im Rebulid-Prozess befinden, bleibt New York mit dem Team alternder Superstars auch in den nächsten Jahren eine Wundertüte. Bei den Bucks gibt es zum einen ein ruhigeres Umfeld und zum anderen einen erkennbaren Plan. Wenn man die Deutschlandbrille auszieht, hat Dennis Schröder zwar immer noch das Potenzial ein Allstar zu werden, muss sich aber erstmal als Starter beweisen, bevor er je Teil einer MVP-Diskussion werden könnte. Sämtliche anderen Europäer in der Liga sind von der Trophäe soweit entfernt, wie Charles Barkley von einem Meisterschaftsring. Ohne Kampf kein Ball. Foto von Benny Sieu-USA TODAY Sports Dieses Jahr wird die Bucks-Saison wohl Mitte April enden. Denn abgesehen von den Brooklyn Nets warten in diesem Kalenderjahr nur Titelaspiranten und Playoff-Kandidaten auf die Bucks. „The Greek Freak” macht zwar alles was in seiner Macht steht, aber er bekommt dabei einfach zu wenig Unterstützung von seinem Team. Daher wird man spätestens beim Allstar-Break ausgeträumt haben, was die Playoffs betrifft. Das muss aber auf lange Sicht nichts Schlechtes bedeuten: Ohne den Druck der Playoffs hat Middleton alle Zeit der Welt um seine Verletzung vollständig auszukurieren und außerdem könnte man im Draft ein weiteres Puzzlestück für einen Contender aus Wisconsin ziehen. Denn der MVP-Titel geht schließlich mit dem Teamerfolg einher. Natürlich ist es für „The Greek Freak” noch ein weiter Weg zum besten Spieler der Liga. Zwar kann er seinen teilweise etwas wackeligen Jumpshot aus der Mittel- und der Dreierdistanz durch seine tödlichen Drives zum Korb kompensieren—dennoch besteht hier Arbeitsbedarf. Die Dreierquote von 17,4 Prozent ist selbstverständlich mehr als ausbaufähig. Bekommt er das hin, ist ihm ein MVP-Titel in den nächsten zehn Jahren beinahe garantiert. Sollte er es dennoch nicht schaffen, setzen wir auf seinen kleinen Bruder Kostas.
Dominik Putnai
[ "Basketball", "Giannis Antetokounmpo", "jabari parker", "Milwaukee Bucks", "nba", "Sports", "the greek freak", "US-Sport", "VICE Sports" ]
Sports
2016-11-18T15:45:00+00:00
2024-07-30T23:31:19+00:00
https://www.vice.com/de/article/greek-freak-mvp-222/
Anschläge in NY: Auf Yelp verreißen Leuten den Laden der Eltern von Ahmad Khan Rahami
Die letzten Tage haben New York und New Jersey heftig erschüttert: Mehrere Sprengsätzewurden an öffentlichen Plätzen gefunden. Einer davon explodierte im beliebten Stadtteil Chelsea in Manhattan, wobei 29 Menschen verletzt wurden. Gestern hat die Polizei dann Informationen zu einem der Hauptverdächtigen der Bombenanschläge preisgegeben: Millionen von Amerikanern wurden per Handy vor Ahmad Khan Rahami gewarnt inklusive Foto, Beschreibung und Informationen zu seiner Familie und seiner Geschichte. Nur ein paar Stunden danach wurde Rahami bei einem Schusswechsel mit der Polizei gestellt. Ahmad Rahami, der in Afghanistan geboren wurde und in Elizabeth in New Jersey lebt, und seine Familie hatten juristische Probleme mit der Stadt, so der Bürgermeister J. Christian Bollwage. Bei einer Pressekonferenz gestern sagte er, dass das Familienrestaurant First American Fried Chicken 24 Stunden geöffnet war, was zu Beschwerden von Nachbarn führte, weil es bis spät in die Nacht laut und gut gefüllt war. Der Stadtrat hat dann beschlossen, dass das Restaurant nur noch bis 22 Uhr geöffnet sein darf, diesen Beschluss ignorierten die Rahamis jedoch und bedienten auch noch spätnachts Kunden. Als ein Polizist dann die früheren Schließzeiten durchsetzen wollte, wurde er von Ahmads Bruder angegriffen, der daraufhin verhaftet wurde. Ihm gelang es, nach Afghanistan zu fliehen und die Familie verklagte Bürgermeister, Stadtrat und die Polizei wegen Rassen- und ethnischer Diskriminierung. Der Bürgermeister versichert jedoch, dass einzig und allein die Beschwerden wegen Ruhestörung und nicht die Herkunft der Familie der Auslöser für das harte Durchgreifen waren. Foto via Google Jetzt wird die Yelp-Seite des First American Fried Chicken von Usern zugemüllt, viele behaupten, der Imbiss sei ein Nährboden für Terrorismus und sie posten Witze über Schnellkochtöpfe und Schweinefleisch. „Ihr Restaurant sollte für immer geschlossen werden und jedes Mitglied ihrer Familie sollte wieder zurück nach TERRORSTAN abgeschoben werden”, schreibt ein User aus Dallas, Texas. „Das beste Hühnchen aus dem Schnellkochtopf an der ganzen Ostküste”, reiht sich ein User aus Corona in Kalifornien ein. „Bleibt von diesem Restaurant weg, wenn ihr eure Eingeweide nicht überall verteilt haben wollt.” Yelp selbst kündigt mittlerweile an, die Kommentare zu entfernen—egal ob positiv oder negativ—, die nur durch den Medienrummel entstanden sind und keine wirkliche Rezensionen sind. Und in der Tat finden sich vereinzelte Kommentare, in denen sich User gegen die konstanten Beleidigungen und Drohungen stellen. Seit der Kommentarflut ist die Bewertung des Restaurants auf 1,5 Sterne abgesackt. Bevor bekannt wurde, dass Ahmad der Hauptverdächte der Bombenangriffe ist, waren die Rezensionen durchweg positiv, ein User lobte die Halal-Burger, ein anderer liebte das frittierte Hühnchen, die Pommes und die jamaikanischen Teigtaschen. Wie die New York Times berichtet, beschrieben Stammkunden Ahmad als freundlich, er „hing mit Freunden vor dem Restaurant ab” und hat den Stammkunden oft gratis Hühnchen gegeben.
[ "Ahmad Khan Rahami", "Anschläge", "Denken", "Food", "Internet", "Munchies", "new jersey", "New York", "terror", "yelp" ]
2016-09-20T12:00:04+00:00
2024-08-12T10:27:35+00:00
https://www.vice.com/de/article/anschlaege-in-ny-auf-yelp-verreissen-leuten-den-laden-der-eltern-von-ahmad-khan-rahami/
Mode-Shoot: En Vogue
Korsett von Jean Paul Gaultier, Vintage-Kimono, Gürtel von Issey Miyake, Schuhe von der Stylistin angefertigt, Headpiece von Takayuki Shibata FOTOS VON STOLTZE UND STEFANIE STYLING: JULIEN ALLEYNE Fotoassistenz: Felix Glasmeyer und Steven Yatsko Stylingassistenz: Milton Dixon Set-Design: Ian Salter bei De Facto Assistenz Set-Design: James Glyant Produzent vor Ort: Andres Burgos Casting: Edward Kim bei the Edit Desk Make-up: Kento Utsubo Assistenz Make-up: Mayumi Kibe Haare: Takayuki Shibata und Michiko Yoshida benutzen Bumble and bumble Models: Aishika und Li Ming bei Ford, Jaunel Mckenzie bei Fusion, Tatyana Cooper bei the Lions, Nykhor Paul bei Red, Victoria Brito bei Muse Besonderen Dank an New York Vintage Oberteil von der Stylistin angefertigt, Halsketten von Dinosaur Designs, Haarband von Takayuki Shibata Kleid von Anna Stephenson, Halskette von Cornelia Webb, Haarband von Takayuki Shibata Kleid von Thierry Mugler, Oberteil von Marc Jacobs, Ohrringe und Ringe von Jennifer Fisher  Kleid von Madeline Gruen, Gürtel von Issey Miyake; Kleid von Alberta Ferretti, Rock von Madeleine Provost, Gürtel von Azzedine Alaïa Kleid von Alexander McQueen, Schulterteile von der Stylistin, Ringe von Wouters & Hendrix, Headpiece von Takayuki Shibata Kleid von Marc Jacobs, Choker von Cornelia Webb, Headpiece von Takayuki Shibata
[ "Alexander McQueen", "Azzedine Alaia", "Fashion", "fashionweek", "Issey Miyake", "Jean Paul Gaultier", "marc jacobs", "Mode", "Sex", "Thierry Mugler", "Vice Blog" ]
Sex
2014-06-20T09:00:00+00:00
2024-08-12T09:07:04+00:00
https://www.vice.com/de/article/en-vogue-0000221-v21n2/
Wie man den Menschen dankt, die einem helfen, sich in Europa zurechtzufinden
Dieser Artikel ist Teil unserer Serie ‘Neue Nachbarn‘, in der junge Geflüchtete aus ganz Europa Gastautoren auf VICE.com sind. Lies hier das Editorial dazu. ––– Reza ist 17 und stammt aus Afghanistan. Er lebt in einer Flüchtlingsunterkunft in Stockholm. Seit 14 Monaten lebe ich jetzt in Schweden. Ich bin allein aus Afghanistan hierhergekommen. Weil ich noch minderjährig bin, haben sie mir bei meiner Ankunft in Stockholm eine god man zugeteilt. “God man” ist zwar Schwedisch für “guter Mann”, doch so eine Person kann auch weiblich sein. Diese Person ist dein Ansprechpartner und soll jugendlichen Flüchtlingen wie mir helfen, die schwedische Gesellschaft zu verstehen und mit den Behörden umzugehen. Meine god man heisst Marina und sie besucht mich zweimal die Woche. Sie ist über 70 und wahrscheinlich der liebste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Sie wird dem “god” in ihrem Titel wirklich gerecht. Die Leute, die diesen Job machen, haben in der Regel einen von zwei Gründen: das Geld (die schwedische Regierung zahlt ihnen umgerechnet etwa 1.250 Euro) oder sie wollen einfach nur helfen. Marina ist das Geld egal. Es ist eine wundervolle Erfahrung, Menschen kennenzulernen, die so viel Zeit und Mühe investieren, nur um einem Fremden zu helfen. Ich kann jetzt nichts Herausragendes nennen, was Marina und ihr Mann für mich getan haben. Es geht mehr darum, dass sie aufrichtig liebenswert sind und mir wirklich gerne helfen. Deswegen tue ich, was ich kann, um ihnen zu zeigen, wie dankbar ich bin. Meine Familie lebt im Iran. Marina und ihr Mann sind also meine Familie in Schweden. Der Autor, seine ‘God Man’ und deren Mann | Fotos und Collage vom Autor Vor Kurzem hatte Marina Geburtstag. Sie hat mir erzählt, dass Menschen in Schweden nicht gerne Geburtstag feiern, wenn sie in die Jahre kommen. Also ist sie stattdessen verreist. Ich habe ihr gesagt, dass es mir wichtig sei, mit ihr feiern zu können. Ich weiss ja auch nicht, wie lange ich noch in Schweden bleiben kann. Sobald ich 18 werde, muss ich vielleicht gehen. Marina hat für mich eine Ausnahme gemacht und das Geburtstagsverbot aufgehoben. Also habe ich den zweiten Kuchen, bzw. Torte, meines Lebens gebacken. Und das ging so: Zutaten: – Bananen – Vanillesosse– Schlagsahne– Gefrorene Erdbeeren– Kuchenboden– Marzipan– Lebensmittelfarbe Ich fing damit an, die Sahne mindestens zehn Minuten lang sachte zu schlagen. Währenddessen erwärmte ich die gefrorenen Erdbeeren in der Mikrowelle. Als die Sahne fluffig genug war, gab ich die Vanillesosse hinzu, was eine süsse und klebrige Creme ergab. Ich schälte die Bananen und zermanschte sie mit einer Gabel. Dafür brauchte ich auch viel Geduld und das Ergebnis sah ziemlich eklig aus. Zum Glück wird diese widerlich aussehende Pampe zusammen mit der Sahne und der Vanillesosse himmlisch schmecken. Jetzt war es Zeit, die einzelnen Zutaten in eine richtige Torte zu verwandeln. Ich habe meinen Tortenboden zwar gekauft, aber wenn du erfahren bist oder in einer Bäckerei arbeitest, willst du ihn vielleicht selbst machen. Da das hier allerdings mein zweiter Backversuch überhaupt war und ich keinen Ofen hatte, wollte ich kein Risiko eingehen. Nicht, dass der Boden am Ende so schlimm aussieht wie die Füllung. Ich verteilte vorsichtig die Vanillecreme auf dem Tortenboden. Den Bananenmatsch machte ich direkt auf die Creme, bevor ich dann den Zwischenboden drauf legte. Ich mischte den Vanillecreme-Bananenmatsch mit den Erdbeeren zu einem neuen süssen Brei zusammen, den ich auf dem zweiten Tortenboden verschmierte. Da ich die Erdbeeren nicht richtig zerkleinert hatte, wurde diese Schicht richtig dick. Als ich die oberste Teigschicht drauf machte, merkte ich, dass die Dicke der Creme überhaupt kein Problem war. Die Torte sah jetzt wie ein gigantischer und wunderbar süsser Hamburger aus. Es ist gar nicht so leicht, die ganze Creme davon abzuhalten, an den Seiten raus zu quellen, aber mit etwas Geduld bekommst du alles wieder reingedrückt. Als Nächstes schmierte ich den ganzen Kuchen von aussen mit der Vanillecreme ein. Das musst du sehr gleichmässig machen, damit es schön aussieht. Ich hatte noch ein paar Erdbeeren übrig, also gab ich die auch noch dazu. An dieser Stelle brauchst du die Hilfe eines Freundes. Ich hatte Fertigmarzipan aus dem Supermarkt, den ich sorgsam um die Torte legen musste. Wenn man das falsch macht, sieht es nicht nach einer Torte aus. Ich bat meinen Freund und Übersetzer Arash um Hilfe. Er hat sich richtig ins Zeug gelegt. Eine Torte ist aufs Design genau so angewiesen wie Kleidung. Normalerweise schaue ich YouTube-Tutorials, die mir zeigen, wie ich bestimmte Klamottendesigns machen kann. Ich habe allerdings noch nie ein Torten-Tutorial geguckt und musste in diesem Fall entsprechend improvisieren. Arash gab mir netterweise ein paar Ratschläge. Jetzt, da der Marzipan auf der Torte war, musste ich das Design vollenden. Ich hatte ein paar Marzipan-Blumen gekauft, mit denen ich die Torte dekorierte. Als Letztes schrieb ich eine essbaren Gruss an Marina auf den Marzipan. So konnte sie nicht nur schmecken sondern auch lesen, wie viel mir ihre Hilfe bedeutet. Das hier war der Augenblick der Wahrheit. Ich haderte lange mit mir, welche Farben ich verwenden und was ich genau schreiben würde. Ich entschied mich für grün und rot und die schwedischen Worte für “Herzlichen Glückwunsch, Marina” und “Du bist die Beste”. Es ist nämlich wahr, Marina ist wirklich die Beste. Mein Torte war fertig. Zuerst war ich etwas enttäuscht mit dem Ergebnis. Ich hatte nicht viele Hilfsmittel zur Hand gehabt und irgendwie gehofft, dass sie schöner werden würde. Vielleicht wäre meine Torte noch ehrlicher gewesen, wenn ich alles selbst gemacht hätte. Ich fragte mich sogar, ob Marina sich überhaupt darüber freuen würde. Arash beruhigte mich aber. Er sagte, dass diese Torte jeden glücklich machen würde. Und wahrscheinlich hatte er recht. Selbst eine perfekte Torte hätte nicht zeigen können, wie dankbar ich für alles bin, was Marina und ihr Mann für mich getan haben. Unterschreibe hier die Petition des UNHCR, die Regierungen dazu aufruft, eine sichere Zukunft für alle Flüchtlinge zu garantieren. Folge VICE auf Facebook und Instagram.
Reza, aufgezeichnet von Caisa Ederyd
[ "#newneighbours", "Afghanistan", "Danke", "flüchtlinge", "Flüchtlingskrise", "Geburtstag", "Integration", "Neue Nachbarn", "refugees", "Schweden", "torte", "unhcr" ]
2017-05-29T07:00:00+00:00
2024-07-30T19:56:06+00:00
https://www.vice.com/de/article/newneighbours-wie-man-den-menschen-dankt-die-helfen-sich-in-europa-zurechtzufinden/
Ganz normale junge Menschen mit ganz normalen Waffen in Mary Ochers neuem Video “Arms”
Header: Screenshot aus dem Video “Mary Ocher – Arms” von OddDot. Mary Ocher ist jetzt nicht unbedingt eine Künstlerin, die du sofort bei Noisey verorten würdest. Schließlich ist die Musikerin mit der Märchenstimme eher in psychedelischen Pop und Rock zu Hause und hat mit der Band Your Government oftmals gleich zwei Schlagzeuger an ihrer Seite. Die beiden sind auch auf ihrem neuen Album  The West Against The People zu hören, allerdings wagt Ocher gleichzeitig elektronischere Ausflüge bis hin zum Ambienthaften. “Arms” ist einer dieser Songs und für das Video dazu, ist Mary Ocher nach Israel gefahren, wo sie früher gelebt hat. Wenn du schon mal in Israel warst, vor allem in Jerusalem, dann wird dir unweigerlich aufgefallen sein, wie viele Maschingengewehre in der Öffentlichkeit, auf Straßen, in Märkten oder im Café zu sehen. Sie hängen an jungen Wehrdienstleistenden, Frauen und Männer, oder oftmals eher: Mädchen und Jungs, die eben noch zur Schule gingen. “In einer militarisierten Gesellschaft”, schreibt Ocher dazu, “werden Waffen mit Vitalität, Sexualität, Stärke und der Fähigkeit sich zu verteidigen ebenso assoziiert, wie sie Autorität untereinander durchsetzen. Die angedeutete Gewalt wird glorifiziert und der Mythos des Soldaten wird schon in den Grundschulen gelehrt.” Für die Künstlerin, die hier lässig durch die Straßen spaziert, steht dabei vor allem aber die mögliche Aneignung des metallenen Phallus durch die jungen Rekrutinnen im Fokus. Derzeit lebt Ocher in Berlin, war als Kind mit ihren Eltern aus der Sowjetunion aber nach Tel-Aviv emigriert. ” Change begins with us“, singt sie jetzt, umringt von Gewehren. Die Single “Arms” mit zahlreichen Remixen ist heute auf Mary Ochers Bandcamp-Seite erschienen. Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP erschienen. ** Folgt Noisey bei Facebook, Instagram und Twitter.
Noisey Staff
[ "israel", "mary ocher", "Music", "Musikvideo", "Noisey", "Premiere", "Thump", "waffen" ]
2017-01-13T14:56:20+00:00
2024-07-30T19:09:16+00:00
https://www.vice.com/de/article/ganz-normale-junge-menschen-mit-ganz-normalen-waffen-in-mary-ochers-neuem-video-arms/
Eine Handvoll Gedanken zum Amadeus 2015
Gestern waren die Verleihungen zum Amadeus, Österreichs wichtigstem Musikpreis. Wie ihr vielleicht schon aus unserem Live-Ticker mitbekommen habt. Ich war sehr betrunken, habe die After Show Party im Volksgarten damit verbracht, mir mit Herbert Grönemeyer ein Battle der deutschesten Dance-Moves zu liefern und mir zum Schluss mit Teilen „der Band der Stunde”, also Wanda, ein Taxi geteilt. Ich hatte wirklich Spaß und will kein Party Pooper sein. Aber ich habe trotzdem das Gefühl, noch ein paar Dinge sagen zu wollen. Überschriften wie „x Dinge die ich dort und dort gelernt habe” sind zwar zu Recht mittlerweile verboten. Aber es ist trotzdem ein bisschen das, was jetzt kommt. Nämlich Beobachtungen. Lest den vollständigen Artikel auf Noisey.
Jonas Vogt
[ "Musik", "Noisey" ]
2015-03-30T15:07:00+00:00
2024-07-31T00:45:24+00:00
https://www.vice.com/de/article/eine-handvoll-gedanken-zum-amadeus-333/
Kann eine riesige Meerwasser-Entsalzungsanlage Kalifornien vor der Dürre retten?
​ In Kalifornien ist es so trocken wie noch nie. Seit 14 Jahren leidet der Fruchtgarten Amerikas an einer beispiellosen Dürre biblischen Ausmaßes. Niemand weiß, wie viel Grundwasser noch übrig ist, doch schon heute gibt es ganze Dörfer, in denen die Brunnen seit Monaten versiegt sind und Wasser nur noch per Kanisterlieferung fließt. „Der Klimawandel ist kein Scherz”, brachte es Gouverneur Jerry Brown Anfang des Monats auf den Punkt. Studien und Klimaforscher haben dieselbe Botschaft: Die Dürre sei kein Ausnahmezustand, sondern in Zukunft Normalität in Kalifornien. Der 40 Millionen-Einwohnerstaat braucht also nichts dringender als eine neue Trinkwasserquelle. Und tatsächlich haben die US-Amerikaner bereits eine Lösung für ihr drängendes Problem: Sie wollen aus dem Pazifischen Ozean trinken. Möglich machen soll das eine genauso alte wie umstrittene Technik zur Trinkwasseraufbereitung: die Umkehrosmose, ein physikalisches Verfahren, das in diesem Fall in großen Mengen Meerwasser entsalzen soll. Unter dem Namen Carlsbad Desalination Project (CDP) entsteht derzeit eine entsprechende riesige Entsalzungsanlage im südkalifornischen San Diego. Sie soll im Idealfall an die 200 Millionen Liter Trinkwasser pro Tag produzieren. Allerdings sind derartige Entsalzungsanlagen gigantische Energiefresser. 2,8 Kilowattstunden pro Kubikmeter Wasser benötigt das CDP allein für die Produktion. Weitere Energie ist nötig, damit das Wasser dann auch beim Verbraucher ankommt. Mit 450 Litern pro Kopf am Tag sind die Kalifornier nicht gerade als Energiesparer bekannt. Zum Vergleich: In Deutschland benötigt ein Otto Normalverbraucher ca. 120 Liter am Tag. Schließlich benötigt die Umkehrosmose auch noch einen immensen Energieaufwand, und nur allzu oft verbraucht die Produktion dieses Stroms selbst Unmengen an Wasser. Das  Carlsbad Desalination Project aus der Luft. Fotos: ​Screenshot und ​Facebook Die Einwohner von Los Angeles werden deshalb mittlerweile von der Regierung finanziell entschädigt, wenn sie ihren Rasen vertrocknen lassen und auf weniger wasserintensive Pflanzen setzen. Da nicht jeder auf das grüne Wohlstandssymbol schicker Vorgärten verzichten will, haben Unternehmen wie Lawn Paint mittlerweile Hochkunjunktur. Für umgerechnet 200 Euro besprühen sie bis zu 1.000 Quadratmeter vertrockneten Rasens mit grüner Farbe–rein pflanzlicher natürlich. Auch für Anbieter von Plastikrasen läuft das Geschäft derzeit nicht schlecht in Kalifornien. Doch das eigentliche Problem sind nicht die Privathaushalte, die von Jerry Brown per Dekret gezwungen wurden, ihren Wasserverbrauch in diesem Jahr um ein Viertel zu senken–80 % des Wassers wird von der Landwirtschaft verbraucht. Diese wurde bisher von jeglichen Sparmaßnehmen verschont, schließlich beliefert sie die kompletten USA mit Brokkoli, Blumenkohl, Mandeln und anderem exotischen Obst und Gemüse, auf das im Land der unbegrenzten Möglichkeiten niemand verzichten möchte. Ein Forscher der Meerwasser-Entsalzungsanlage in Zhoushan (China) präsentiert das Wasser vor und nach dem Prozess der Umkehrosmose. Foto: Imago Ist der Pazifische Ozean als Trinkwasserquelle nun also die Lösung für Kaliforniens Wassermangel? Umweltschützer sagen Nein. Denn die Entsalzungsanlagen belasten das Meeresleben enorm. Für die Erzeugung von einem Liter Trinkwasser wird ungefähr die doppelte Menge an Wasser aus dem Meer gepumpt–und mit ihr kleinste Meereslebewesen und Fischeier. Ein weiteres Problem ist, dass die Unmengen an herausgefiltertem Salz anschließend zurück ins Meer geleitet werden und so Flora und Fauna in Küstennähe bedrohen. Trotz des noch immer hohen Preis, den eine Entsalzungsanlage für die Produktion von sauberem Trinkwasser zahlt (das CDP kalkuliert mit rund 1,60 Dollar pro Liter), hat sich das Verfahren bereits in vielen trockenen Regionen auf der Erde etabliert. In den USA sind Kalifornien, Texas und Florida Vorreiter in Sachen Meerwasser-Entsalzung, die größte entsprechende Anlage der Welt steht in Algerien und das Jahre lang von Trockenheit geplagte Israel erzeugt mittlerweile knapp 50 % seines Trinkwassers aus dem Meer.
Johannes Hausen
[ "Dürre", "energie", "Kalifornien", "Klimawandel", "Motherboard", "motherboard show", "Tech", "Trockenheit", "Umwelt", "Wasser", "zukunft" ]
Tech
2015-04-13T11:07:00+00:00
2024-07-31T01:41:48+00:00
https://www.vice.com/de/article/wird-eine-riesige-meerwasser-entsalzungsanlage-kalifornien-vor-der-drre-retten/
“Wer nicht an uns glaubt, ist selbst schuld”—Mit Zuckerpapi auf Sightseeing-Tour im 42
Zuckerpapi hat heute sein erstes Tape “liebe gott danke dasses mi git amen” releast. Das Tape gibt’s hier als Free-Download. Hier haben wir bereits über seinen ersten Track “Primakov” berichtet. Während der Produktionsphase haben wir Zuckerpapi und seine 42-Leute im Laufental besucht. Unser Abenteurbericht: Nichts geringerem als dem Internet habe ich es zu verdanken, dass ich um 18:03 Uhr in Basel auf den Zug in Richtung Laufen umsteige. Es ist wohl verantwortlich dafür, dass Künstler wie Lil B oder Yung Lean überhaupt erst existieren können. Sie haben das Internet in all seiner Nerdiness und seiner Ästhetik mit dem Hedonismus, der der Generation Y gerne mal zugeschrieben wird, gepaart, das Ganze vor einigen Jahren auf sphärische Beats gepackt und so eine weltweite Bewegung losgetreten. Von Russland über Japan, Österreich und Deutschland existieren Künstler, die mit einem ähnlichen Verständnis davon, was gute Popkultur ausmacht, Musik erschaffen. Nach Laufen treibt mich ein Schweizer, der sich zwar nicht in dieser Tradition, die gerne als Cloud Rap kategorisiert wird, sehen will, es aber wohl doch ist. Ohne Lil B, ohne Yung Lean, ohne Money Boy, ohne Yung Hurn würde Zuckerpapis Musik wohl nicht so klingen, wie sie klingt, sein Musikvideo zu “Primakov“ nicht so aussehen, wie es aussieht. Und so reiht sich Zuckerpapi in die Reihe der Künstler ein, die für Aussenstehende scheinbar planlos verbreiteten Nonsense zum programmatischen Teil ihrer Musik erheben, die Bild-, Sound- und Social Media-Ästhetik über eine triftige Botschaft stellen (später wird Zuckerpapi das so zusammenfassen: “Nichts von dem, was wir machen, hat einen Grund”. Oder: “Die Message von “Primakov” ist, dass Primakov prima ist. Warum müssen Leute immer nach einer Message in allem suchen?”). Im Zug treffe ich den Fotografen für den heutigen Abend und gemeinsam steigen wir nach genau 17 Minuten Fahrt, vorbei an Dörfchen, deren Namen mir bislang unbekannt waren, am Bahnhof Laufen auf Gleis 2 von 4 aus dem Intercity in Richtung Biel. Bewusst verstosse ich gegen den von Zuckerpapi auferlegten Dresscode (“keine Socken”) und riskiere so, trotz seiner innigen Warnungen bezüglich der Sicherheitslage, von einem Lynchmob aus dem 5.500-Einwohner-Dorf vertrieben zu werden. Mit Socken an den Füssen, einem Fotografen an meiner Seite und einer Portion Spannung darauf, wie der “Primakov“-Typ sich geben wird, stehe ich also am Bahnhof. Kein Lynch-Mob weit und breit, keine Menschenmassen—aber auch kein Zuckerpapi. Ich hake via Twitter, dem Kommunikationsmittel unseres Vertrauens, nach, wo er denn bleibe. “Flug verspötig” lautet seine simple Antwort, die ich aber erst sehe, als der Abend im Laufental—Zuckerpapi nennt die Region 42 (“42 ist nicht nur der Anfang einer Postleitzahl. 42 ist der Anfang von etwas Grossem“)—in einer Waldhütte, die eine optimale Kulisse für einen Töfflibuben-Splatter-Film wäre, beim Golfen in einer Kiesgrube und beim Shisha-Rauchen in einer leerstehenden Bruchbude schon wieder vorbei ist. Als Zuckerpapis “Flug“ schliesslich zu Fuss bei uns angekommen ist, führt er uns, ein blaues Powerade in der Linken, zu seiner Stammbeiz, einer Pizzeria, deren Name viel mehr nach Schweizer Dorfbeiz schreit, als auch nur ein wenig nach Italien zu klingen: Krone. Dort bestellen wir uns die nicht auf der Speisekarte stehende Spezialität des Hauses (mit französischer Salatsauce gefüllter Pizzateig), der Zuckerpapi sogar zwei Tracks gewidmet hat, treffen Zuckerpapis Musikcompadre St. Gucci und versuchen, so etwas wie ein Interview zu führen. Versuchen, weil es sich als schwierig herausstellt, ein Interview-Gespräch mit Menschen zu führen, bei denen man nie weiss, was als nächstes kommt—aber letzten Endes ist es auch genau diese Überforderung in der Einordnung, die solche Künstler spannend macht. Also beschliesse ich, mich einfach mal treiben zu lassen und zu schauen, was zwischen Dialogen wie diesem noch passiert (Cloud Journalismus quasi, wie Zuckerpapi feststellt): Gucci: Alles in der Krone ist gut, ausser die Calzone. Esst nie Calzone!Zuckerpapi: Die Pizzas sind auch nicht gut.Gucci: Die Pizzas sind gut, Brueder! Schlussendlich wird der Abend mehr zum Sightseeing-Trip durch die Lebenswelt der heutigen Landjugend in einem Tal, das man nur kennt, weil dort voriges Jahr ein Show-Flugzeug in eine Scheune gestürzt ist. Unsere Guides haben sich anscheinend vorbereitet, sich überlegt, welche Stationen die Route, die sie heute mit uns abklappern wollen, haben muss. Ihre 42-Leute, von denen wir an diesem Abend nicht nur den wohl lethargischsten aller Töfflibuben der Welt treffen, sprechen sich hin und wieder aus Versehen mit ihren bürgerlichen Namen an. Zwischen dem Rasen über Dorf-, Feld- und Waldwege, dem Tanken bei einer Landi-Tankstelle und dem Einbrechen in “ihr“ leerstehendes Haus zeigen Zuckerpapi und Gucci, was ihre Herkunft ausmacht und wie diese ihre Musik prägt. Zuckerpapi: “Usrüef” und das Zwitscherspiel [Übersetzung: Twitter] sind das wichtigste am Rapper-Sein. Du kannst noch so scheiss Musik raushauen, wenn du ein gutes Zwitscherspiel hast, bist du ein guter Rapper.Gucci: Zwitscher ist die Verlängerung des Rapper-Daseins. Mit Zwitscher kannst du das Ausdrücken, was du nicht reimen kannst.Zuckerpapi: Stimmt.Gucci: Aber auch das, was du Reimen kannst.Zuckerpapi: Aber nur gute Reime kommen auf einen Beat, der Rest kommt auf Zwitscher. Noisey: Und das Facebook-Game ist einfach nicht wichtig? Zuckerpapi: Facebook ist tot. Alle sagen mir: “Alte, mach doch eine Facebook-Seite.” Aber Facebook ist tot, ich setze auf Zwitscher … und vielleicht auch Tinder. Findet mich auf Tinder! Das klingt erstmal nach Nonsense, ist wohl auch Nonsense—doch so genau kann man das nie wissen. Letzten Endes ist eben auch Nonsense der Ausdruck von etwas Realem. Vielen wird wahrscheinlich lieber sein, wenn ihre Kunst als Nonsense abgekanzelt wird, als wenn Journalisten versuchen, sie in den Rahmen eines Genres zu pressen. Noisey: Was macht für dich denn eine Szene aus? Zuckerpapi: Keine Ahnung. Ich mache mir keine Gedanken dazu. Nein, ich finde es etwas weird, diese Klassifizierungen, Alte. Ich mache auch nicht nur Hip Hop, Alte. Ich kann alles machen. Und jetzt mal ehrlich: Nenn mir mehr als fünf Schweizer Rapper, die man kennt. Ich kenn genau Stress … OK, ich kenne schon mehr als fünf. Aber es gibt keine Schweizer Hip Hop-Szene. Vielleicht noch in Winterthur und Zürich ein bisschen. Und es ist auch nicht Cloud Rap, Alte! Hört auf zu sagen, das sei Cloud Rap. Nur weil ich jung bin, alles selber mache, kein Label habe und alles kann, heisst das nicht, dass ich Cloud Rapper bin. Was ist eigentlich Cloud Rap? Wie würdest du deine Musik denn nennen? Zuckerpapi: Gar nicht. Bezeichnen ist für Pussys, Alte! Nein, ich weiss auch nicht … Bezeichnen ist nur für Leute, die überfordert sind, wenn etwas nicht bezeichnet und in einer Kiste verpackt zu ihnen kommt. Es ist doch egal, was meine Musik ist, das darf jeder für sich bestimmen … Was ist Cloud Rap? Definier das mal. Das ist schwierig so aus dem Stegreif. Ich würde es vielleicht über die aktuelle Bewegung beschreiben, die von Yung Lean geprägt wurde …Zuckerpapi: Nein, Alte! Wie vorhin gesagt: Cloud Rapper sind meistens Leute, die einfach übers Internet publizieren und kein Label im Rücken haben.Gucci: Und keine echten Leute auf der Strasse!Zuckerpapi: Ich meine, “Primakov“ ist vom Sound her überhaupt nicht Cloud Rap. Und darum ist das schon falsch. Aber von der Ästhetik her geht’s schon stark in die Richtung.Zuckerpapi: Ästhetik ist ein grosses Wort.Gucci: Du bist aber schon ein Wolken-Mensch.Zuckerpapi: Ich bin schon wolke, aber ich bin auch based, Alte. “Usrüef” an den basierten Gott! Erst als Zuckerpapi den Fotografen und mich wieder zum Bahnhof begleitet, wird er ruhiger, erzählt, dass er ohne Probleme auch anderen Rap machen könnte (Reminder: “Ich kann alles machen“), ernsthafteren mit einer Botschaft—”aber über welche Probleme soll ich in einem der reichsten Länder der Welt rappen? Da mache ich lieber einen Banger.” “Manche investieren extrem viel in das, was sie machen. Und ich mache alles, was ich mache, einfach so nebenbei”, ist auch eine der Bahnhof-Ansagen. Und das stimmt wohl. Wer auf dem Land aufwächst, weiss, dass einer der grössten Antriebe für vieles die Langeweile ist. Die Langeweile treibt einen zu Trinkorgien in Waldhütten. Die Langeweile treibt einen zu Shisha-Sessions in leerstehenden Häusern. Und die Langweile treibt einen wohl auch zu Autotune-Hymnen auf die lokale Pizzeria und mit Salatsauce gefülltem Pizzateig. Erst zwei Tage später, als Zuckerpapi ohne Text im Gedächtnis, dafür mit einem iPhone vor der Nase auf der Bühne des Zürcher Exil steht, merke ich, dass wohl tatsächlich einiges an Wahrheit hinter der Maskerade steckt. Auf Twitter schreibt er zwei Stunden später: Immerhin ist sein “Zwitscher-Spiel” stark. Denn das ist es ja, was einen guten Rapper ausmacht. ** Zuckerpapi findest du nicht auf Facebook, dafür aber auf Twitter und mit etwas Glück auf Tinder. Das Tape “liebe gott danke dasses mi git amen” gibt’s hier als Free-Download. Noisey Alps findet ihr auf Facebook und Twitter, wo sich Sebastian ebenfalls herumtummelt.
Sebastian Sele
[ "42", "basel", "cloudrap", "Features", "Music", "Noisey", "Noisey Blog", "Schweiz" ]
2016-05-31T12:10:00+00:00
2024-07-30T21:21:38+00:00
https://www.vice.com/de/article/die-schweiz-hat-keine-neue-hip-hop-szene-mit-zuckerpapi-auf-sightseeing-tour-im-42/
Frittierte Okraschoten mit Dip
Portionen: 2 Für den Dip:(ergibt circa 250 ml)10 Frühlingszwiebeln, Enden abgeschnitten (circa 2 Bund)16 g frischer Koriander1–2 Esslöffel Olivenöl1 Knoblauchzehe200 ml saure Sahne1 Esslöffel Mayonnaisefrischer Limettensaft, nach Beliebenkoscheres Salz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer, nach Belieben Für die Okra-Pommes:200 g eingelegte Okraschoten300 ml Bier125 g Mehl1 Prise frisch gemahlener schwarzer Pfeffer1 Prise Meersalz1 Ei, Größe M, verquirltPflanzenöl zum Frittieren 1. Zuerst geht’s an den Dip: Ofen auf 230° C vorheizen, Frühlingszwiebeln gleichmäßig auf einem Backblech verteilen und goldbraun rösten, circa 15 bis 20 Minuten. 2. Zwiebeln zusammen mit Koriander, Olivenöl, Knoblauch, Salz und Pfeffer mithilfe einer Küchenmaschine zu einer glatten Masse pürieren. In eine Schüssel geben und mit saurer Sahne, Mayonnaise, Limettensaft, Salz und Pfeffer verrühren. Beiseitestellen und jetzt die frittierten Bourbon-Okraschoten machen. 3. Dafür die Okras aus dem Einmachglas nehmen und auf Küchenpapier abtropfen lassen, um so vor dem Frittieren überschüssige Flüssigkeit zu entfernen. 4. In einem großen, verschließbaren Gefrierbeutel oder in einer Schüssel Bier mit Mehl, Pfeffer, Salz und Ei gut vermischen. Okraschoten hinzugeben und gut mit Teig bedecken. 5. Einen hohen Topf mit Pflänzenöl füllen, circa 5 cm, und erhitzen. Temperatur mit einem Fettthermometer überprüfen, ideal sind 180° C. In mehreren Runden alle Okraschoten goldbraun frittieren, circa 2 Minuten lang. Auf Küchenpapier abtropfen lassen. Noch warm zusammen mit dem rauchigen Dip servieren. Dieses Rezept stammt aus Freddie Janssens Buch Pickled: Over 60 inspiring recipes for Pickling, Kimchi, Vinegars & More. Aus So verwandelt man matschiges Gemüse in einen leckeren Snack
[ "ausbacken", "dip", "einlegen", "Food", "Frittieren", "machen", "Munchies", "okra", "Okraschoten", "Pommes", "Rezept", "rezepte", "snack", "Snacks" ]
2016-05-06T09:00:30+00:00
2024-08-12T10:52:12+00:00
https://www.vice.com/de/article/frittierte-okraschoten-mit-dip/
Corrosion of Conformity am Roadtrip
Freunde des Roadtrips! Wiens großartigstes Konzertformat geht in die nächste Runde, diesmal mit den US-Amerikanischen Kollegen von Corrosion of Conformity (die uns übrigens vor kurzem ihre phantastische neue selfgetitlete Platte vor den Latz geknallt haben), Black Cobra, Arabrot (die europäischen Ehrenretter aus Norwegen an diesem Abend) und Mose Giganticus. Weil ich ein Mann der kurzen Worte und moderat betrunken bin, gibt es einfach einen Hingeh-Befehl (zackig). Los gehts am 12.4. wie immer in der Arena, Freikarten sind ebenfalls wieder bei uns abzuholen, wenn ihr die Frage „Warum ist Pryde an einem Wochentag betrunken?“ falsch beantwortet – [email protected]. Damit ihr nicht ganz unvorbereitet eure Ohren an der feinen Kost labt, hab ich euch ein tolles Video rausgesucht: Mir gings ja so, dass ich auf einmal Lust habe, mir ein paar alte Songs von Biohazard anzuhören und meinen langen Haaren nachzuweinen, falls es euch auch so geht, können wir uns dort ja gegenseitig anjammern, Bier brechen und uns einfach auf den Gig freuen. Woohoo!
O. Pryde
[ "Arena", "Metal", "Musik", "opryde", "roadtrip", "Vice Blog" ]
2012-04-09T22:00:00+00:00
2024-07-31T06:32:50+00:00
https://www.vice.com/de/article/corrosion-of-conformity-am-roadtrip/
​Dieses Wiener Tattoo-Studio weigert sich, FPÖ-Fans zu tätowieren
Screenshot via Facebook Als Tätowierer bekommt man allerhand Anfragen. Die einen wollen, dass man ihnen das Genital des Partners auf der Haut verewigt, die anderen sind da schon ein wenig konventioneller und wünschen sich eine Feder als Cover-up für einen Schriftzug auf der Innenseite des Oberarmes. Eine solche Anfrage ist am vergangenen Freitag via Facebook-Anfrage beim Wiener Tattoo-Studio Dots and Daggers eingegangen. Auf dem Profil der Person, von der diese Anfrage stammt, ist anhand des Cover-Fotos sehr leicht ersichtlich, dass es sich hier um eine FPÖ-Sympathisantin handelt. Die Page von Dots and Daggers hat daraufhin mit folgender Ansage geantwortet: „Hallo, schön, dass du dich für uns entschieden hättest, aber aus idealistischen Gründen können wir es nicht vertreten, dich in unserem Studio zu tätowieren. Dein Dots and Daggers Team” Daraufhin hat die offizielle Facebook-Seite des Studios einen Screenshot der Konversation im sozialen Netz veröffentlicht. Mittlerweile wurde das Posting von Facebook gelöscht—laut den Betreibern der Page wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Ein Statement von Facebook uns gegenüber zum konkreten Fall ist bisher noch ausständig. Dass sich Tätowierer immer wieder weigern, NS-Symbole oder Nazi-Codes wie 88 zu stechen, ist an sich nichts Neues—das sieht auch das Dots and Daggers-Team ähnlich: „Wir stechen weder verbotene Symbole aus dem Nationalsozialismus, noch Dinge wie 18, SS oder Phrasen wie ,Unsere Ehre ist Treue’.” Dass es sich diesmal jedoch nicht um eines der genannten Motive, sondern um ein wahrscheinlich relativ durchschnittliches Bild handelt, macht den konkreten Fall etwas weniger eindeutig. Die Reaktionen unter dem Posting, das das Tattoo-Studio mit „Alltagsgeschichten ;)” kommentiert hat, reichten von „Endlich mal ein Studio, das auch klar und öffentlich von rechts distanziert! Thumbs up for you!!” bis „Sowas nennt sich Diskriminierung und damit stellt ihr euch auf die gleiche Stufe wie alle FPÖ-Wähler … just sayin”. Erst vor Kurzem sorgte ein Autohändler für Aufsehen, der nach Ausschreitungen bei einer Demonstration in Spielfeld, bei der etwa 80 Autos durch Antifaschisten beschädigt wurden, „linke Bürger” gebeten hat, seine Firma zu meiden. Der Autohändler bot außerdem an, Reparaturen an den beschädigten Autos, die wohl zum Großteil „besorgten Bürgern” gehörten, zu vergünstigten Preisen durchzuführen. Dem gegenüber steht nun auf der politisch gegenüberliegenden Seite dieses Beispiel eines Dienstleisters, der sich im Gegensatz dazu weigert, genau die Fraktion zu bedienen, die der Autohändler nach den Ausschreitungen in Spielfeld unterstützt hat. Auf die Frage hin, ob sich die Tätowierer bei Dots and Daggers immer über die politische Gesinnung ihrer Kunden erkundigen, auch wenn diese ein völlig unbedenkliches Motiv gestochen haben wollen, oder ob es in diesem Fall eher zufällig passiert ist, da die Anfrage über Facebook kam und hier das Cover-Bild der Profils sofort ersichtlich war, heißt es seitens des Studios: „Wenn eine eindeutige fremdenfeindliche Gesinnung zu Tage tritt, möchten wir solche Leute nicht in unserem Studio haben—egal, welches Tattoo sie gerne hätten. In dem konkreten Fall eben darum, weil die Person ganz offensichtlich für eine solche Partei arbeitet [sic], die immer wieder durch rassistische und menschenunwürdige Aussagen auffällt oder diese aktiv unterstützt.” Man mag verleitet sein, derartige Reaktionen und Stellungnahmen von Unternehmen super zu finden, sofern sie der eigenen Meinung entspricht. Es stellt sich aber die Frage, ob Ausgrenzung schon jemals die richtige Lösung für irgendein Problem war—egal, von welcher (politischen) Seite sie ausgeht. Verena auf Twitter: @verenabgnr
Verena Bogner
[ "FPÖ", "Österreich", "Politik", "Strache", "Stuff", "tätowierer", "Tattoos", "Vice Blog", "wien" ]
2015-11-25T10:25:00+00:00
2024-07-31T01:18:34+00:00
https://www.vice.com/de/article/tattoostudio-wien-fpoe-fans-729/
Ein Interview mit dem ersten Kopftransplantations-Patienten der Welt
Am 22. Juni 2013 schickte Valery Spiridonov folgende E-Mail an den italienischen Arzt Sergio Canavero: „Lieber Doktor Sergio! Ich bin ein 29-jähriger Mann mit Muskelschwund. Ich habe mich so gefreut, als ich in den Zeitungen von ihrer Forschung an Kopftransplantationen gelesen habe! Bitte sagen Sie mir: Welche Ressourcen benötigen Sie für eine erfolgreiche Operation? Kann ich Ihnen nützlich sein? Ich bin bereit, an jeglichen Experimenten teilzunehmen, falls Sie mich brauchen. Herzlich, Val” Diese kurze E-Mail könnte den russischen Programmierer und Grafikdesigner zum weltweit ersten Patienten einer experimentellen Kopftransplantation machen, die für das Jahr 2017 eingeplant ist (obwohl viele Experten aus dem medizinischen Bereich sehr skeptisch sind, ob die Operation jemals wirklich klappen wird). Spiridonov leidet an der Werdnig-Hoffmann-Störung, einer unheilbaren Muskelschwundkrankheit. Die meisten Menschen mit dieser Krankheit erleben ihren 20. Geburtstag nicht; er weiß, dass seine Tage gezählt sind. Eine komplette Kopftransplantation, so glaubt er, wäre seine einzige Chance auf ein längerfristiges Überleben. Ich selbst habe den Großteil des vergangenen Wochenendes damit verbracht, diese Nachricht mit meinen Freunden zu erörtern: Manche fanden die Vorstellung zu eklig, um sie zu erörtern, andere waren komplett fasziniert. In jedem Fall waren die Reaktionen unmittelbar und existentialistisch. Wird er sterben? Warum sollte er das tun? Es fühlte sich komisch an, das Schicksal dieses Mannes so beiläufig zu diskutieren. Lest das Interview mit Val auf MOTHERBOARD.
Jason Koebler
[ "Motherboard", "Tech" ]
2015-04-16T07:56:00+00:00
2024-07-31T00:59:48+00:00
https://www.vice.com/de/article/interview-mit-dem-ersten-kopftransplantations-patienten-der-welt/
Dein Haus ist ein lukratives Investment geworden—also verpiss dich
Ich stehe wieder vor den Esso-Häusern auf der Reeperbahn, dessen gesamtes Areal seit der nächtlichen Evakuierung um Weihnachten herum mit einem Bauzaun abgesperrt ist. Anwohner haben ihre Wohnungen über Nacht verloren und Gewerbetreibende ihre Bars, Restaurants, Einzelhandelsgeschäfte oder Hotels—anscheinend weil das Haus zu marode und einsturzgefährdet ist. Keiner durfte mehr rein, sie mussten alle ihre Möbel und sonstiges Inventar zurücklassen—bis letzte Woche. Am Montag schickte der Vermieter—die Bayerische Hausbau—ein letztes Mal Statiker durchs Haus, um sich ein „OK“ für den geplanten Auszug aller Mietparteien zu holen. Jetzt werden seit ein paar Tagen Kisten und Möbel aus dem Haus in große Umzugswagen getragen. Von den Mietern ist weit und breit nichts zu sehen. Nur die Möbelpacker und ein paar Security-Männer stehen hinter dem Zaun. Auch die Esso-Tankstelle wird gerade ausgeräumt. Der Geschäftsführer Lars Schütze unterhält sich hier mit einer Bekannten. „Es ist alles wirklich sehr traurig. Ich weiß gar nicht, wohin mit den ganzen Sachen“, höre ich ihn sagen. Aber so traurig kann er jetzt auch wieder nicht sein: Sein Vater, Jürgen Schütze, hat den gesamten Gebäudekomplex 1997 für fünf Millionen Euro gekauft und 2009 für 19 Millionen an die Bayerische Hausbau weiter verkauft. Ich spreche kurz mit dem Wachmann hinter dem Bauzaun, der mir erzählt, dass selten einer der Mieter anwesend ist, wenn die Wohnung ausgeräumt wird. Die Bayerische hat eine Spedition angeheuert, die den gesamten Umzug stemmt—76 Wohnungen samt Kellerabteile in zwei Wochen, so ist der Plan, schreibt mir der Sprecher der Bayrischen, Bernhardt Taubenberger, in einer E-Mail. Wenn die Mieter wollen, dürfen sie dirigieren oder ein paar private Sachen einpacken, den Rest erledigen die Möbelpacker. Wer schon eine Ersatzwohnung hat, bekommt seine Sachen direkt dorthin geliefert, alles andere wird eingelagert. Der überstürzte Auszug hat die Bewohner schwer getroffen. „Sie stehen kurz vorm Nervenzusammenbruch“, sagte die Anwältin Christiane Hollander vom Hamburger Mieterverein e.V., bei einer Pressekonferenz. Sie vertritt knapp die Hälfte der Bewohner. Ich treffe die bekennende St. Paulianerin heute in ihrem Büro, das mitten in der Schanze liegt. Sie ist nicht nur die Anwältin, sondern auch Seelsorgerin für die Mieter. VICE: Ich habe versucht, Kontakt zu den Mietern aufzunehmen, aber sie wollen nicht mehr mit der Presse reden. Wie geht es den meisten denn jetzt? Christiane Hollander: Die sind immer noch traumatisiert. Viele haben Spätfolgen, können nicht richtig schlafen. Es macht ihnen zu schaffen, dass sie ihr Zuhause und ihre gewohnte Umgebung aufgeben müssen. Das Damoklesschwert, ein neues Zuhause zu finden, hängt die ganze Zeit über ihnen. Sie kommen hier bei mir vorbei oder rufen mich an und fragen, was sie machen sollen. Dann führst du quasi die psychologische Betreuung für sie? Auch. Eigentlich hätte der Bezirk Geld zur Verfügung stellen müssen, damit die Gemeinwesenarbeit St. Pauli (GWA) ein solches Programm erstellen kann, haben sie aber nicht. Die GWA hat hier viel geleistet, unterstützt von den Nachbarn und auch von uns—der Zusammenhalt ist ein Paradebeispiel für St. Pauli, besonders im letzten Jahr. Ich war damals außerhalb Hamburgs und habe nachts eine SMS bekommen, dass die Häuser evakuiert wurden. Am nächsten Morgen bin ich dann sofort dorthin gefahren und ins Zelt gegangen, in dem die Anwohner betreut wurden. Als sie mich sahen, hörte ich nur: „Gott sei Dank, sie ist da.“ Sie waren alle total fertig, die meisten hatten die Nacht in einer Turnhalle verbracht. Wie lange vertrittst du die Mieter der Esso-Häuser schon? Seit dem Vermieterwechsel 2009. Ein Koch, der in den Häusern wohnte, sprach kein Deutsch und hatte dieses Schreiben von der Bayerischen Hausbau in der Hand, das er nicht verstand. Es war die Ankündigung des Eigentümerwechsels. Ich hörte auch von den befristeten Mietverträgen und wurde skeptisch. Deshalb bin ich zur GWA St. Pauli gegangen und habe mit ihnen darüber gesprochen. Später ist auch die Initiative Esso-Häuser daraus hervorgegangen. Wir sind durch die Häuser gegangen und haben die Bewohner aufgeklärt und ihnen gesagt, dass sie nicht einfach alles unterschreiben sollen. Es gab einen Rahmenvertrag, nach dem die Mietverhältnisse ausgesetzt werden sollten. Zugesagt wurde lediglich eine Hilfestellung bei der Wohnungssuche von der Bayerischen Hausbau. Diesen Vertragsentwurf hielt ich für frech, da er einseitig zugunsten der Eigentümer war, was ich auch öffentlich sagte. Dies wurde mir sehr übel genommen. Danach war die Kommunikation erst mal dahin. Ist die jetzt besser? Ja, es gibt jetzt einen neuen Ansprechpartner, Herr Taubenberger, der sich bemüht, die Angelegenheiten einvernehmlich zu regeln. Was forderst du für deine Mandanten? Ich suche erstmal nach pragmatischen Lösungen. Klar könnte ich auch sagen, ich verklage die Bayerische Hausbau für euch, aber das bringt den Mietern jetzt keine Erleichterung. Ein Klageverfahren dauert lange. Daher sorge ich dafür, dass die Mieter jetzt versorgt sind. Das sind dann aber fast alles Einzelschicksale. Einige Mieter haben in ihren neuen Wohnungen keine Böden, nur Estrich, oder es gibt nur eine Spüle, keine Küche. Dann sorge ich dafür, dass sie einen Boden bekommen, oder die Küche aus der alten Wohnung, auch wenn sie dem Vermieter gehörte. Sind denn schon viele deiner Mandanten in neuen Wohnungen untergekommen? Von meinen 35 Mandaten sind vier oder fünf schon richtig wohnhaft, zwei ziehen noch Mitte Januar um und einige im Februar. Die Bayerische hat versprochen, sie alle möglichst in St. Pauli und Umgebung unterzubringen. Ist das gelungen oder wird das gelingen? Nein, es wird nicht gelingen. Bis jetzt sind die meisten hier in St. Pauli oder in der Schanze untergekommen. Dies betrifft aber langjährige Mieter, diejenigen, die noch nicht solange hier wohnen, werden auch in anderen Stadtteilen leben müssen.   Wie sieht es mit den Gewerbetreibenden aus? Die haben kein Rückkehrrecht. Und Schadensersatz? Bekommen sie den wenigstens? Es hieß immer, dass die Bayerische nichts zahlen wird. Das hat Herr Taubenberger zwar auf einer Pressekonferenz gesagt. Eine Stunde später wurden aber die ersten Entschädigungen gezahlt. Da die Mieter etwa in den Hotels einen Mehraufwand haben. Sie müssen zum Beispiel essen gehen, können dort nicht kochen.  Was hat Jürgen Schütze, also der vorherige Eigentümer, eigentlich für die Instandhaltung der Häuser getan? Er hat nie ernsthaft instand gesetzt. Später hat er dann auf die Tränendrüse gedrückt, dass die Sanierungskosten so hoch sind und er das Gelände verkaufen muss. Er hätte kein Geld dafür. Dabei muss eigentlich jeder Vermieter stets einen Teil seiner Mieteinnahmen zur Seite legen, genau für solche Fälle. Ist nur die Frage, was er dann stattdessen mit den Mieteinnahmen gemacht hat. Billig waren die Wohnungen nicht. Wieso hat das Bezirksamt nicht eingegriffen? Das Bezirksamt hat auch geschlunzt. Andy Grote (Chef Bezirksamt Mitte) meinte sogar: „Die Mieter hätten sich selber nicht gemeldet, was im Keller passiert.“ Da ist uns aber der Hut hochgegangen. Das sind doch keine Bauingenieure. Das Bezirksamt hätte selber zwischendurch nachkucken müssen. Das ganze Gebiet um die Reeperbahn steht unter Beobachtungsdruck. Direkt neben den Esso-Häusern haben sie die neuen, schicken „Tanzende Türme“ gebaut und dann kucken die nicht mal bei dem Riesenkomplex nebenan? Das Haus am Nobistor 18 ist leer, da haben eine Menge südamerikanischer Frauen gewohnt—alle weg. Das Haus über und neben dem Penny-Markt, da brennt nur noch in zwei Wohnungen das Licht und eine davon ist die Hausmeisterwohnung. Da interessiert sich auch keiner für. Hätte Schütze das Haus denn überhaupt noch retten können? Das Gebäude hätte gar nicht so kaputt gehen können, wenn man das instand gehalten hätte. Darf die Bayerische denn jetzt ihren geplanten Neubau schon bauen? Es gibt noch nicht einmal eine Abrissgenehmigung.
Elena Ochoa Lamiño
[ "Esso-Tankstelle", "Gentrifizierung", "Hamburg", "News", "reeperbahn", "Vice Blog" ]
2014-01-16T17:09:00+00:00
2024-07-31T04:03:20+00:00
https://www.vice.com/de/read/dein-haus-ist-ein-lukratives-investment-geworden-also-verpiss-dich-esso-haus-hamburg
Ich habe mich bei einer Damenverbindung zur Bundesschwester hochgesoffen
Ursprünglich sollte es hier um Männer gehen, Männer in Studentenverbindungen, Burschenschaften, braune Suppe, irgendwas und ob diese Gruppierungen an Zulauf gewonnen haben in den letzten Jahren. Dann bin ich allerdings auf etwas gestoßen, das mich ganz schön verblüfft hat: Damenverbindungen. Alles, was ich zu dem Zeitpunkt über Studentenverbindungen gelernt hatte—über ihre Trinkrituale, das akademische Fechten, das Leben im Verbindungshaus—lief auf diese gute, alte, angestaubte Idee der Männerfreundschaft hinaus. Sich selbst beweisen vor den Bundesbrüdern, indem man sich mit einer scharfen Klinge auf den Kopf schlagen lässt und regelmäßige Saufeskapaden, bei denen einer befiehlt, wer was wie viel trinkt und das oft über mehrere Tage—wieso um Himmels Willen sollten nun auch noch Frauen so einen Scheiß mitmachen? Viele sind das in Deutschland auch nicht, zumindest nicht im Vergleich zu den Männern. „Es gibt wahrscheinlich 30 oder 40 Frauenverbindungen, da sind insgesamt ein paar Hundert Frauen drin. Dagegen sind das bei den Männern 150.000“, erzählt mir der Politologe Stephan Peters, der sich in seiner Doktorarbeit mit Studentenverbindungen befasst hat. Rund die Hälfte der Frauenverbindungen haben sich erst nach 2000 gegründet. Sie sind also das Aktuellste, was die Verbindungsszene zu bieten hat. Ich wollte mir das Ganze mal ankucken. Die einzige Berliner Studentinnenverbindung mietet sich regelmäßig den Kneipenraum in der fetten Villa einer Männerverbindung im schicken Berlin-Grunewald. Ich erkenne das Verbindungshaus schon von Weitem an der orange-weißen Flagge, die von der Hausfront weht. Als ich durch die Gartentür gehe, ruft es hinter mir: „Claudia?“ Ich drehe mich um und erblicke ein Mädchen in Jeffrey-Campbell-Absätzen, die vorhin mit mir aus dem Bus gestiegen ist. Katharina ist viel zu hübsch und zu gut angezogen für meine Klischeevorstellung von einer Damenverbindung mit eher rustikalen, Perlenohrringe tragenden Mädchen (ich hab alle Namen übrigens geändert) Nachdem ich klargestellt habe, dass ich nicht Claudia bin, aber gerne trotzdem mit reinkomme, nimmt Katharina mich mit ins Haus. Am Eingang kommt Alex auf uns zu, in Hemd, Krawatte, grauem Pullover und heller Stoffhose. Über dem Pullover spannt sich sein—wie ich später lernen werde—Burschenband in den Farben seiner Verbindung. Die beiden umarmen sich und weiter geht es die dunkle Holztreppe hinunter in den Keller. Dort landen wir in der Art Mini-Kneipe, für die das Wort „urig“ erfunden wurde. Eine kleine, mittelblonde Frau in hautfarbenen Strumpfhosen begrüßt uns mit nasaler Stimme. Sie steht hinter dem Bartresen, links von ihr vier andere Mädchen und alle ziemlich klein. Sie sind nicht hässlich oder so, nur so die Art von Mädchen, die halt immer ein bisschen zu brav ist und immer so ein bisschen rumstrebt. Ich treffe Nicht-Ich, also Claudia, die Medizin studiert und gerade in der Notaufnahme eines Berliner Krankenhauses arbeitet. Sie redet nicht so viel, aber ich bekomme schnell mit, dass sie heute in die Verbindung aufgenommen wird. Bevor das aber passiert, wird mir ein Bier vor die Nase gestellt und Zigaretten angeboten und ich werde herzlichst aufgenommen. Die sechs Frauen um mich herum freuen sich sichtlich über meine Anwesenheit, so dass ich fast schon erwarte, dass sie es dem Hund, der gerade mein Bein ansabbert, gleichtun werden. Offenbar mag er mich total. „Der weiß auch immer, ob Freund oder Feind“, erklärt mir Frauchen Maria. Ich unterhalte mich weiter durch den Zigarettenqualm hindurch mit den kettenrauchenden Mädels. Das alles ist so wohlige Kneipenatmosphäre. Dann wird Claudia endlich aufgenommen. Die Seniora (also die, die in dem Laden am meisten zu sagen hat) heißt Tina. Sie hat ein Porzellanpuppengesicht und honigblonde, glänzende Haare, und stellt sich nach vorne und gebietet mit einem selbstbewussten „Silentio!“ Ruhe. Sie liest die Prinzipien—glaube so hieß das, der Abend wurde einfach auch echt noch lang, da kann ich mir nicht alles merken—der Verbindung vor, von wegen Freundschaft, Lebensbund und so weiter und bittet Claudia zu sich, um ihr das Fuxenband (das, was die in der untersten schwesterschaftlichen Kaste bekommen) umzulegen und ihr die passende Mütze dazu zu geben. Dann singen sie ihr eigenes Lied auf ihre Verbindung, von wegen Freundschaft, Lebensbund, mit überzeugter und feierlicher Miene. Es hört sich an wie eine Mischung aus Volkslied und Nationalhymne. Jedes Blutkörperchen in mir schämt sich in diesem Augenblick fremd. Als das Gesinge vorbei ist, exen wir Sekt und die mit den beigefarbenen Strumpfhosen beginnt mit ihrem Vortrag mit dem Titel Der Lehrer—das unbekannte Wesen. Aha. Gefühlte fünf Stunden lang pappt sie uns mit ihrem Studium und ihren Erfahrungen als Lehrerin an einer Berliner Privatschule zu. Bundesschwestern müssen nämlich auf ihrem Weg die Hierarchieleiter hoch (bis hin zur „Hohen Dame“) allen möglichen Kram machen, Ämter bekleiden, Leute bewirten und eben auch Vorträge halten. So grob kenne ich diese Rituale und Hierarchien auch schon aus meiner Vorrecherche. Ab und zu lasse ich ein bisschen Wissen fallen. Fatal, wie sich schnell herausstellt: Als ich nach dem Ritual des „Bierjungen“ frage, von dem ich mal gelesen hätte, ruft eine Maria neben mir auf einmal „Hängt.“ Das ist das Geheimnis hinter dem Ritual: Eine sagt „Bierjunge“, die Nächste ruft „Hängt“ und wir beide müssen ein komplettes Bier exen. Irgendwie sind die hier große Fans vom Prinzip des Exens. Wir stoßen an. Während der letzten Züge bin ich der festen Überzeugung, dass ich mir gleich auf die Füße kotze. Danach mache ich es wie die anderen und nenne das Ritual nur noch “BJ“, sodass ich nicht mehr herausgefordert werden kann. Mittlerweile kommen auch Jungs zu uns in den Keller. So um die 15 sind wir jetzt. Neugierige Blicke von den Boys, ein anzügliches Augenzwinkern und ich merke, dass ich gerade als fickbar eingestuft worden bin. Dafür sind die meisten allerdings überraschend schüchtern. Mädchen und Jungs mischen sich nicht so richtig (weil, ihr wisst schon, Barbies und Matchbox-Autos), allerdings habe ich das Gefühl, dass es eher die Jungs sind, die unter sich bleiben wollen. Einige der Mädchen verabschieden sich sowieso schon gerade. Die Jungs tragen teilweise dunkle Anzüge, teilweise graue Pullunder, so ziemlich alle Hemd und Krawatte. Und das Band darf natürlich nicht fehlen, an dem man genau erkennt, wer gerade wo in der Hierarchiestufe steht. Die männlichen Füxe haben es nämlich etwas schwerer als die Mädchen, wie mir Marcel erklärt: „Man gibt quasi seine Eier bei seinem Fuxmajor ab, bis man geburscht wird.“ Das dauert in der Regel wohl so ein Jahr. In dem Augenblick torkelt Jan in die Kneipe. In schwarzem, ausgehangenen Unterhemd, kurzen Hosen und dreckigen Converse-Schuhen. Offenbar hatte er gestern Geburtstag und ist seit zwei Tagen dauerbesoffen. Er ist der Erste der Jungs, der mir spontan sympathisch ist. Alex, der hier in der Hierarchiekette ziemlich weit oben sitzt, nutzt Jan als Anschauungsmaterial für die kleine Predigt zum Burschenband, die er mir gerade hält. „Wenn man so aussieht, darf man sein Band nicht tragen.“ Generell ist Jans Outfit offenbar gerade nicht OK und Alex sagt ihm, er solle mal hoch gehen und sich umziehen—im Scherz, denke ich. Doch tatsächlich stiefelt Jan nach oben. Neben mir höre ich Katharina von der Gothia sprechen, einer Burschenschaft hier in Berlin, die man vorsichtig schon als sehr weit rechts bezeichnen kann. Ich frage nach. „Ja, da waren welche oben im Gemeinschaftsraum. Das sind Nazis, mit denen machen wir nichts Offizielles.“ Offenbar trifft man sich öfter mal auf irgendwelchen Partys, aber insgesamt will man mit den Rechtsextremen nichts zu tun haben. Die Burschenschaften, betont Alex, haben auch eine ganz andere Geschichte als die anderen Studentenverbindungen. Irgendwie schwenkt das Gespräch aufs Fechten. Ich wittere meine Chance, meinem YouTube-Video-Wissen etwas Live-Erfahrung hinzuzufügen. Und tatsächlich bekomme ich eine Privatvorstellung von Marcel und Alex. Wir treten (leicht schwankend, weil angetrunken) aus den Rauchschwaden und kraxeln die Treppen nach oben in den zweiten Stock. Wahrscheinlich sollte ich an dieser Stelle genauer das Haus beschreiben, aber nach Sekt, Bierjunge und Apfelwein kann ich mich nicht mehr auf Wandbehängung konzentrieren. Sieht halt alles altbacken aus, wie bei so einem traditionellen Sportsvereinshaus. Oben angekommen—auf dem Paukboden, wie ich lerne—ziehen Marcel und Alex sich dicke Schutzhandschuhe über die Arme, setzen Masken auf und stellen sich breitbeinig eine Degenbreite voneinenander entfernt auf. Ein bisschen Erklärung und dann geht’s los. Viel mehr als Handgelenk und Unterarm bewegt sich eigentlich nicht. Immer so fünf Schläge hintereinander, danach ist die Runde vorbei. Ich hatte im Vorfeld mal mit einem Freund, Tim, gesprochen, der selbst für einige Monate Mitglied bei einer pflichtschlagenden Verbindung war. Er sagte mir, dass die Jüngeren da meistens keine Lust drauf haben, die „alten Herren“ (also die, die schon mit der Uni fertig sind) es aber nicht zulassen, dass das Fechten abgeschafft wird. Mit Innovation ist da halt nicht so viel. Meine gebrechlichen kleinen Frauenhändchen dürfen natürlich nicht mit Degen spielen. Aber immerhin lässt Alex mich das 12 Kilo schwere Kettenhemd (wie bei Rittern, ohne Witz!) anprobieren. Das tragen sie bei den offiziellen Kämpfen gegen andere Verbindungen, den Mensuren. Dort bedeckt dann auch nichts den Kopf außer eines Augenschutzes, der mich an eine Dr. Who-Folge erinnert. Ich packe also mein Nerd-Wissen aus und stelle fest, dass Alex ebenfalls Dr. Who-Fan ist. Als wir wieder in den Keller kommen, ist auch Jan zurück, diesmal ordentlich in Jeanshemd und mit Couleur. Scherzend frage ich, ob Jan nicht fürs Nicht-Ordentlich-Angezogen-Sein bestraft werden müsste. Prompt verordnet Peter, der Fuxmajor, dem gerade Jans Eier gehören, Liegestütze. Jan, hackedicht, glaubt es erstmal nicht ganz. Als er nicht sofort spurt, wechselt Peters Ton von freundschaftlich zu Befehlshaber. Und ich bekomme meine drei Liegestütze … Irgendwann ruft Tina wieder „Silentio“ und kündigt an, dass wir jetzt das letzte Bier trinken. Ich bin fast ein wenig traurig, dass es vorbei ist. Kaum irgendwo in Berlin wird man so herzlich empfangen wie dort und ich habe nach nur einem Abend das Gefühl, dass diese Mädchen mich niemals im Stich lassen würden. Auch die Jungs sind ja keine bösen Verbindungsroboter, sondern Menschen, die Dr. Who mögen und Fechten eigentlich scheiße finden. Der Abend endet mit Tina, die mir noch einmal sagt, wie sehr es sie gefreut hat, dass ich einfach so vorbei gekommen bin. Und ob ich denn am Sonntag bei der nächsten Veranstaltung dabei sein will, dann könne ich auch gleich meine Unterlagen mitbringen, falls ich beitreten möchte. Unterlagen? Ja, halt Lebenslauf (Lebenslauf?). Offenbar bin ich nämlich zur Bundesschwester geeignet: „Ich habe das Gefühl, du würdest hier einfach super reinpassen!“
Carolin Benack
[ "Bruderschaften", "Campus, Sex und Ravioli", "Fechten", "Freundschaft", "Jugendliche", "News", "saufen", "Studenten", "studieren", "uni", "Verbindungen" ]
2013-04-19T14:24:00+00:00
2024-07-31T05:49:16+00:00
https://www.vice.com/de/article/ich-habe-mich-bei-einer-damenverbindung-zur-bundesschwester-hochgesoffen/
Wir sollten alle mit Blut kochen
Alles begann mit einem Abendessen im Mugaritz. Ich war mit ein paar Kollegen vom Nordic Food Lab auf Rundreise durch Spanien, wo wir uns den „Abstecher” in eines der besten Restaurants der Welt einfach nicht verkneifen konnten. Zum Nachtisch wurden uns sehr spezielle Makronen serviert—aus Schweineblut und Blaukäse. Keine Frage, es hat super geschmeckt. Aber vor allem waren wir angetan von der Idee, Makronen ganz ohne Eier zuzubereiten. Nach dem Essen haben wir mit ein paar Leuten vom Mugaritz in ihrer Forschungsküche zusammengesessen. Dort hat uns dann einer der Köche erklärt (obwohl ich mir nicht so sicher bin, ob das wirklich im Sinne seiner Chefs war), wie man beim Kochen Eier durch Blut ersetzen kann. Blut hat etwas überaus Reißerisches und lässt keinen kalt. Es erinnert auf sehr plastische Weise an den Tod. Es führt uns mit einem Knalleffekt vor Augen, dass auf unserem Teller Überreste eines toten Tieres liegen. Viele Leute blenden gerne aus, dass ihr Brathähnchen auf einen Vogel mit Federn, Schnabel und Blut zurückgeht. Das klappt bei abgepackten Fleischwaren aus dem Supermarkt auch ziemlich gut. Bei Blut ist das hingegen anders. Und genau aus diesem Grund mussten wir es einfach in unsere Arbeit aufnehmen. Vielen Menschen ist der Geschmack von Blut präsenter, als ihnen vielleicht bewusst ist. Wenn Leute zum Beispiel Blutwurst essen, kommen sie an dem süßlich-strengen Geschmack einfach nicht vorbei. Gleichzeitig ist die geschmackliche Wahrnehmung von Mensch zu Mensch sehr verschieden. Eine der Fragen, der wir unbedingt nachgehen möchten, ist die, ob Frauen genauso auf den Geschmack von Blut reagieren wie Männer. Und nehmen Frauen den Geschmack stärker wahr, wenn der eigene Körper aufgrund der Menstruation gerade Blut verliert? Ihr seht, das Thema Blut hat es uns wirklich angetan. Wenn ich Leute dazu ermutige, in der Küche mit Blut zu arbeiten, geht es mir keinesfalls darum, ein How-To für finanziell schwierige Zeiten zu bieten, sondern an ihren gesunden Menschenverstand zu appellieren. Ich sehe das so: Wenn du von einem Schwein nur die Filetstücke verwertest, stehst du vor einem doppelten Dilemma. Erstens verhältst du dich gegenüber dem getöteten Tier respektlos. Und zweitens macht es wirtschaftlich keinen Sinn. Das ganze Tier zu verwerten, also samt seinem Blut, ist also nur logisch und sollte nicht als ein „Trend” von irgendwelchen Foodies angesehen werden. Die meisten Leute, die im St. John Niere oder Leber vom Lamm essen, machen das nicht, weil sie auf Teufel komm raus Gerichte wollen, die „in” sind. Nein, meiner Meinung nach haben sie einfach nur verstanden, dass ein Schaf auch innere Organe hat und nicht nur aus Schultern und Haxen besteht. Dabei möchte ich betonen, dass es nicht darum geht, der blutrünstigste Fleischesser zu sein. Ganz im Gegenteil. Es geht um Respekt. Ich für meinen Teil ernähre mich überwiegend vegetarisch. Wenn ich doch mal Fleisch esse, dann verwerte ich auch das gesamte Tier (wenn auch nicht in einem Ritt). In Dänemark gibt es zwanzig Millionen Schweine (bei gerade mal fünf Millionen Einwohnern). Jeden Tag haben 20.000 von ihnen leider gar kein Schwein und müssen ihr Leben lassen. Das Blut landet dann fast immer im Abfluss. In unserem Fall war es, der dänischen Gesetzeslage sei dank, dennoch gar nicht so leicht, an das „Abfallprodukt” heranzukommen. Das sollte aber keinen Hobby-Koch davon abhalten, es einfach mal mit Blut zu probieren. Aber Achtung: Besorg dir unbedingt frisches Blut. Geh dafür am besten zum Metzger deines Vertrauens und erkundige dich bei den Mitarbeitern, an welchen Tagen geschlachtet wird—wenn einer an frisches Blut rankommt, dann sie. Und Achtung: Lass die Finger von dem gefrorenen Zeug aus dem Asia Shop—es schmeckt einfach nur furchtbar, wenn es erstmal aufgetaut ist. Der reine und süßliche Geschmack von Blut geht dabei nämlich komplett verloren. Und gefriergetrocknetes Blut (das Zeug, das so aussieht wie Milchpulver) könnte man zwar dazu verwenden, um den Eiweißgehalt bestimmter Lebensmittel zu erhöhen, zum Kochen eignet es sich aber trotzdem nicht. Du brauchst schon das knallrote und flüssige Zeug und du musst dich echt sputen. Denn es gerinnt verdammt schnell. Wenn du alle logistischen Hürde überwunden hast und frisches Blut auftreiben konntest, wäre es—unserer Erfahrung beim Nordic Food Lab nach—eine gute Idee, mit Blut-Pfannkuchen oder einem Blutkuchen zu beginnen—beides geht leicht von der Hand. Blutwurst (ein Mix aus frischem Blut, Hafer, Fett sowie Gewürzen) ist dagegen der Heilige Gral. Du brauchst dafür unbedingt ein Füllgerät sowie Naturdarm. Alles in allem ist die Zubereitung relativ simpel. Das wissen aber nicht deine Gäste, die dich beim Anblick der hausgemachten Blutwürste ohne Zweifel für den ultimativen Boss in der Küche halten werden. Also trau dich was und mach’s mit (Herz-)Blut.
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2014-10-29T09:00:08+00:00
2024-08-12T08:43:52+00:00
https://www.vice.com/de/article/wir-sollten-alle-mit-blut-kochen-271/
So fühlt es sich an, mit 29 noch ungeküsst zu sein
Georg, 29, sieht aus wie Tausende andere Männer in Deutschland: dunkler Pulli, roter Schal, Brille, die Augen dahinter wach und blau. Vielleicht ist er schüchterner als der durchschnittliche Kerl. Vielleicht etwas ruhiger, verkopfter. In unserer Gesellschaft ist es schwer vorzustellen, dass er noch nie eine Freundin oder einen Freund hatte. Noch nie einen Kuss bekam. Noch nie Sex hatte. Die Hälfte der Deutschen hat spätestens im Alter von 17 Jahren ihr erstes Mal erlebt. Bei den 21-Jährigen hatten bereits 89 Prozent Sex. Erwachsene, die keinerlei romantische oder sexuelle Erfahrungen haben, nennen sich selbst Absolute Beginner. In Deutschland lebten im Jahr 2015 etwa 16,87 Millionen Menschen in Single-Haushalten. Wie groß der Anteil der Absoluten Beginner darunter ist, lässt sich schwer sagen – denn sie sprechen in den seltensten Fällen öffentlich darüber. In dem Buch Und wer küsst mich? von Maja Roedenbeck schätzt der Experte Wolfgang Cronrath die Anzahl auf etwa zehn Prozent. In Berlin gibt es eine Selbsthilfegruppe, in der Absolute Beginner sich über ihr Leben austauschen. Georg ist einer von ihnen. Und er heißt nicht wirklich so. Er hat VICE gebeten, seinen Namen zu ändern: “Die Scham ist zu groß.” Er lebt alleine in Berlin und arbeitet im Bereich Online-Marketing. Auch bei VICE: So erkaufen sich japanische Single-Frauen die “Boyfriend Experience” “Ich kann die Sprüche nicht mehr hören: ‘Jeder Topf hat einen Deckel!’ – ‘Du musst nur die Richtige finden.’ – ‘Schon mal Onlinedating probiert?’ Oder: ‘2017 klappt es bestimmt.’ Seit Jahren höre ich das schon. Passiert ist nichts. Körperlich bin ich einer Frau noch nie näher gekommen als Kuscheln. Mittlerweile traue ich mich, auch mal nach einem Date zu fragen. Es geht dann nur nie weiter. Ich weiß einfach nicht, wie ich mich Frauen gegenüber verhalten soll, wenn ich mit ihnen alleine bin. Bei einem Treffen war es furchtbar verkrampft und keiner wusste so recht, was er sagen oder tun sollte. Ein anderes Mal habe ich mich im Urlaub gut mit einer Frau verstanden und auch versucht, meinen Arm um sie zu legen, aber sie hat mir erklärt, dass sie schon jemanden hat. Oft deute ich auch Signale falsch. Frauen sehen mich häufig einfach als einen Freund. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ich ein schüchterner, introvertierter Typ bin. Das war ich schon immer, allerdings früher deutlich stärker. Ich habe lieber ein Buch gelesen oder vor dem Computer gesessen, statt auszugehen. Dabei habe ich mich schon früh verliebt, so mit zehn oder elf. Aber ich habe es immer für mich behalten. Mit den Jahren habe ich mich immer stärker nach einer Beziehung gesehnt. Erst dachte ich, das kommt schon noch, es braucht nur Zeit. Aber mittlerweile frage ich mich an schlechten Tagen: ‘Wird es sich überhaupt jemals ändern? Werde ich mal eine eigene Familie haben?’ Dabei würde mir eine Affäre fürs Erste ja schon reichen. Ein Kuss, irgendwas, das über das erste Treffen hinausgeht. Am schlimmsten ist das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Es fehlt mir einfach etwas, das für andere selbstverständlich ist. Natürlich bekommt meine Familie das auch mit. Früher haben sie mich noch gefragt, ob ich eine Freundin hätte, aber jetzt haben sie damit aufgehört. Sie wissen, dass es ein sensibles Thema für mich ist, und wenn ich ehrlich bin, sind sie in dieser Hinsicht kein emotionaler Beistand. Außer ihnen, meinen engsten Freunden und den anderen ABs weiß keiner Bescheid, dass ich noch nie eine Freundin oder sexuelle Erfahrungen hatte. Ich habe schon Angst, dass es jemand mitbekommt. Ich weiß nicht, wie andere darauf reagieren würden, habe keine Lust auf betretenes Schweigen oder Mitleid oder eben diese Topf-und-Deckel-Sprüche. Zum Glück hat mich auf der Arbeit noch niemand darauf angesprochen. Aber neulich bei einem Abend im Café hat eine Bekannte ganz selbstverständlich in die Runde gefragt, wie wir den Valentinstag verbracht haben. Ich war heilfroh, dass andere zuerst geantwortet haben, bevor ich etwas hätte sagen müssen. Klar hätte ich antworten können, dass ich Single bin. Aber, dass es für andere Menschen eine einfache Small-Talk-Frage ist, macht mir zu schaffen. In solchen Situationen wünsche ich mir besonders eine Freundin. Oder auf Partys, wenn Pärchen von ihren Wochenendausflügen erzählen oder ihren Reisen zu zweit. Ich könnte dann höchstens vom Urlaub mit der Singlereisegruppe erzählen. Zweimal bin ich mitgefahren und es war toll, wie offen die Menschen waren. Gelaufen ist aber nichts. Vor drei Jahren habe ich beschlossen, aktiver zu werden und etwas zu ändern. Durch das Buch von Maja Roedenbeck habe ich den ‘AB-Treff’ – ein Forum für Absolute Beginner – entdeckt und bin dann zur Selbsthilfegruppe gegangen. Bei unseren Gruppentreffen sind wir meist acht Erwachsene zwischen 25 und 45 Jahren, ungefähr die Hälfte sind Frauen. Was mir aufgefallen ist: Die ABs sind oft überdurchschnittlich gebildet und sehr klug – aber eben wie ich meist introvertiert und verkopft. Und viele sind sehr freundlich – fast übertrieben nett. Ich denke, viele von uns haben das Problem, dass wir Dinge tun, nur um anderen zu gefallen. Ich hatte auch Dates mit ein paar AB-Frauen. Die Vorstellung, dass zwei unerfahrene Menschen die Liebe gemeinsam entdecken, finde ich immer noch schön. In der Praxis funktioniert es aber nicht so leicht. Wenn beide keine Ahnung haben, macht niemand den ersten Schritt. Die AB-Gruppe trifft sich jeden Sonntag für etwa zwei Stunden. Zuerst erzählt jeder, wie die Woche war und wie es ihm geht. Manche arrangieren sich gerade ganz gut mit ihrer Einsamkeit, andere schlechter. Manche hatten noch nie Kontakt zum anderen Geschlecht, andere hatten schon Sex, aber keine Beziehung. Mancher ist zu einer Prostituierten gegangen, um wenigstens einmal zu erleben, wie es ist. Für mich kommt Sex gegen Bezahlung nicht in Frage – zumindest jetzt nicht –, obwohl ich schon mal mit dem Gedanken gespielt habe. Aber die Hürde, es wirklich zu tun, ist dann doch noch zu groß. Wenn ich an die Zukunft denke, so in 10, 20 Jahren, sehe ich mich mit Frau und Kindern. Ich hoffe einfach, dass ich bald eine Partnerin finde. Ich fühle mich nämlich sehr bereit für eine Beziehung. Und reifer als je zuvor. Ich warte nicht auf die perfekte Frau, sondern einfach auf jemanden, mit dem ich mich gut verstehe und Dinge gemeinsam unternehmen kann. Ich bin in einem Sportverein, gehe öfter auf Kulturveranstaltungen, Lesungen und Konzerte – aber da fühle ich mich auch manchmal einsam. Am meisten fehlt mir einfach jemand, der zu Hause auf mich wartet – oder auf den ich warten kann.” Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Georg, aufgezeichnet von Vivien Nogaj
[ "Beziehung", "einsam", "Liebe", "Onlinedating", "Selbsthilfegruppe", "Sex", "single" ]
Sex
2017-02-24T10:43:19+00:00
2024-07-30T19:22:45+00:00
https://www.vice.com/de/article/so-fuhlt-es-sich-an-mit-29-noch-ungekusst-zu-sein/
Attaque macht eine 180°-Wende und ab jetzt Musik für erwachsene Menschen
Dominic Gentry aus dem beschaulichen Colchester in Essex, irgendwo nordöstlich von London, war auf dem besten Weg, eine angesagte Figur der Techno/EDM-Szene zu werden. Seine Tracks wie „Shine“ oder „Moderate“ wurden von großen DJs in angesagten Clubs gespielt, seine Bookings namen weltweit Fahrt auf. Attaque traf genau den Sound, der gerade vor allem in den neuen Märkten Nordamerikas Hunderttausende zum Ausrasten bringt. Nun hätte es sich der Brite einfach machen können und dank seines wachsenden Ruhms eine Karriere zwischen Las Vegas und Ibiza starten können, wo er jeweils einfach per Knopfdruck den MDMA-geschwängerten Kids die Gehirnzellen hätte durchschütteln können, um nachher dankbar die Gage in feinstes Koks investieren zu können. Hätte, hätte. Attaque scheint diese Aussicht nicht sonderlich gereizt zu haben. Stattdessen nahm er Bassdrum, Synthie-Gewitter und auf die Fresse-Sounds komplett raus und liefert dem geneigten Hörer auf seinem Debütalbum ON LY OU jetzt verletzlich verträumte Popnummern, mit Einschlägen aus Shoegaze und Electronica, die wirklich kein bisschen nach dem klingen, mit dem Attaque sich vor einer Weile zum gehypten DJ mauserte. Und das ist unserer Meinung nach wirklich eine sehr gute Nachricht, denn viele Anzeichen deuten längst darauf hin, dass der EDM-Hype der letzten Jahre schneller verpufft, als er kam. Was Attaque auf seinem Album liefert, hat dagegen eine Wertigkeit, die bleiben dürfte. Dass der erste Song von diesem Debütalbum auch noch passenderweise „Change Your Mind“ heißt, ist eventuell ein kleines bisschen konstruiert, macht den Song aber kein bisschen weniger hörenswert. Hört ihn euch hier exklusiv an und halten die Ohren und Augen auf, denn das Album erscheint am 24. Oktober via Bad Life/Rough Trade. ** Folgt YNTHT bei Facebook und Twitter. MEHR VON YOU NEED TO HEAR THIS
Ayke Süthoff
[ "Album", "attaque", "change your mind", "Music", "New music", "Noisey", "Premiere", "song", "You Need to Hear This" ]
2014-08-27T11:00:00+00:00
2024-07-31T02:52:24+00:00
https://www.vice.com/de/article/attaque-change-your-mind-premiere/
Huang’s World: London, Teil 1
In der ersten Folge von Huang’s World: London macht sich Eddie auf zur Brick Lane, einer historischen Enklave im Osten der Stadt und Heimat von Türken, Juden und Bengalis. Dort isst er das Lieblingsgericht der Briten, indisches Tikka Masala. Er versucht sich dann mit einer pakistanischen Cricket-Liga an Cricket und sieht sich die Auswirkungen der britischen Kolonisierung and der institutionalisierten Islamophobie in London genauer an. Abonniere MUNCHIES für mehr. Staffel 2 Episode 4 von Huang’s World. Mehr zu sehen
Eddie Huang
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Food
2014-12-19T15:00:09+00:00
2024-07-31T04:36:46+00:00
https://www.vice.com/de/article/huangs-world-london-1-445/
2. Spieltag VICE Sports-Comunio-Liga: Konsolidieren und schönreden
Für Menschen, die keinen Spaß in ihrem Leben kennen: Comunio ist die größte Online-Manager-Simulation und sie macht verdammt süchtig. Es funktioniert nach dem Prinzip: Du kaufst Spieler, stellst sie auf und hoffst, dass sie ein paar Punkte machen. In der VICE Sports-Kommandozentrale, gerne aus Gründen auch “Cockpit” genannt, haben wir unsere eigene Comunio-Liga gegründet. Was sollen wir schließlich am Samstag-Abend machen, als die Statistiken zu unseren Comunio-Spielern zu aktualisieren. Weil es in einer Comunio-Liga immer eine Karteileiche geben wird, die irgendwann einfach nicht mehr mitspielt und die Spieler blockiert, haben wir uns entschlossen, euch, liebe Leser, an unserer kleinen VICE Sports Liga teilhaben zu lassen. Denn dann gibt es keine faulen Ausreden. Wir werden über unsere Entscheidungen, Enttäuschungen, Entgleisungen im internen Managerkampf berichten, doch hauptsächlich wollen wir uns mit unseren Spielern auseinandersetzen. Schließlich muss man als Manager seinen Spieler kennen, damit das gegenseitige Verhältnis fruchtbar ist. Weil wir auf Spaß, Spannung und Überraschung stehen, spielen wir mit 15 zugelosten Spielern und 20 Millionen Euro Startkapital. Und bevor ihr anfangt zu klugscheißern, wir sind keine verkappten Klaus Allofs-Verschnitte. Eine Mammutaufgabe ist es, nicht großkotzig rüberzukommen, wenn man einfach alles richtig gemacht hat und mit 64 Punkten verdient an der Tabellenspitze steht. Nein, ich gebe zu, ich bin glücklich beschenkt worden von der Comunio-Fee: Am Freitag hörte ich unter zwei Werder-Fans: „Ey, Wiedwald. Endlich haben wir wieder einen Torwart.” Mehr brauche ich nicht als Bestätigung. Es ist ja nicht so, dass der einmalige U20-Nationalspieler sich bei Werder diese Saison nicht auszeichnen könnte. Anführer meines Teams ist ganz klar Christian Gentner: Der Kapitän wird unter Zornigers Ägide diese Saison mindestens 10 Buden machen und den VfB Stuttgart grandios in die Euro League führen. Ich muss mich so ähnlich gefühlt haben wie Andre Breitenreiter auf Schalke, als ich Dennis Aogo in meinem Kader vorgefunden habe: Was tun? Letzte Saison von Thomas Helmer noch mit einem Mädchen verglichen, hat sich der PMI-Vielflieger wohl voll reingehauen und eine Vorbereitung der Vorbereitung absolviert. Nach zwei Spielen und sechs ok-en Punkten tönt er schon: „Ich will zur EM.” Er darf erst mal bleiben und spielen, bis die ersten Scharmützel im Team nach außen dringen. Dann wird er umgehend zum Verkauf angeboten. Mein Glückslos war bisher Steven Zuber, einer von diesen Schweizern, die die Bundesliga fluten. 12 Punkte nach zwei Spieltagen und die folgende Marktwertentwicklung: Wenn er nächstes Spiel schon nicht mehr punktet, wird er verschifft, da kenne ich nix. Dazu noch den Panzer Daniel Ginczek im Sturm, der mir schlappe 14 Punkte am letzten Spieltag eingebracht hat. Hätte auch so für die anderen Griepen in der Liga gereicht. So weit, so viel Glück. Bei meinen Neuerwerbungen muss ich mal schauen, wie sie sich entwickeln. Der Mainzer Verteidiger Stefan Bell (3,5 Millionen Ablöse) ist sofort eingeschlagen (10 Punkte). Vladimir Darida (5,1 Mio Ablöse) war bisher ein Flop (0 Punkte), aber ich bin großer Fan seines Spiels und guten Mutes, dass er Mitchell Weiser nochmal das ein oder andere Mal auf dem Flügel steil schicken wird. Vor dem letzten Spieltag habe ich mir Patrick Herrmann für 6,78 Mio gekauft und prompt hat der Nationalspieler getroffen. Spieler, wie Diddy Da Costa (Ingolstadt), Mario Gacinovic (Frankfurt), Uffe Bech und Felix Klaus (beide Hannover) will ich behutsam aufbauen. Vielleicht keine so gute Idee, wenn man bedenkt, bei welchen Teams sie spielen. Toni Lukic Simon Zoller macht das 1:0 für Köln gegen Wolfsburg. Er hebt den Ball über Koen Casteels, gewinnt das Laufduell gegen Naldo und drückt den Ball dann mit dem Kopf über die Linie. Und wie schon am ersten Spieltag beiße ich mir in den Arsch, dass ich ihn vor Saisonbeginn verkauft habe. Zoller: zwei Spiele, zwei Tore—als hätte er nie etwas anderes gemacht. Wer kann denn das schon ahnen? In der vergangenen Zweitligasaison hat er für zwei Tore ganze zehn Spiele gebraucht. Also wollte ich das schnelle Geld mit Zoller machen. Etwas über eine Million Comunio-Euro hat er mir in die virtuelle Kasse gespült. (2 Millionen zu wenig) Jetzt habe ich nur Anthony Ujah(9P), der im Sturm punktet. Meine serbisch-kroatische Flügelzange Kostic(2P)-Perisic(0P) war an diesem Wochenende erschreckend schwach. Fabian Frei (2P) hätte auch mindestens eine Bude machen können. Wie auch immer—das Gros meiner Spieltagspunkte(21P) mussten also meine Dreierkette Korb(2P)-Schulz(4P)-Caldirola(4P) und Torwart Loris Karius(4P) holen. Ich brauche noch einen Stürmer. Nur mit Ujah und Moritz Hartmann (-4P), der mit 29 Jahren in der Beletage debütiert, komme ich nicht heile durch die Saison. Mir schießen Manager-Phrasen durch den Kopf: „Im Sturm besteht Handlungsbedarf”, „wir beobachten den Markt”, „wir werden nur handeln, wenn wir hundertprozentig sicher sind, dass ein Spieler uns weiterhilft”. Und jetzt ratet mal, was ich mit der Zoller-Million gemacht habe! Genau, ich habe sie in Pierre-Michel Lasogga reinvestiert. Was sonst? Ich brauche halt noch nen echten Knipser neben Anthony Ujah, einen der Marke „Zoller”. Tja, und was Zoller kann, kann Lasogga schon lange! Arne Siegmund Um das gleich schon mal klarzustellen: Ich bin neu bei Comunio. Das hat natürlich zur Folge, dass ich meine Mitstreiter in einer Tour fragen muss (für FAQs und Forendurchforstungen fehlt mir leider die Motiv.. äh Zeit), was die verschiedenen Zahlen und Symbole zu bedeuten haben. Zu behaupten, dass sie schon mittelschwer genervt von mir sind, wäre eine himmelgroße Untertreibung. Stichwort Himmel. Denn zu dem und seinen Göttern habe ich schon mehrfach geflucht, seitdem mir mein Startkader zugelost wurde—und das trotz eines Engels. Im Sturm musste ich nämlich mit Dominik Stroh-Engel und Halil Altintop Vorlieb nehmen. Die kamen bisher auf genau 0 Tore (auch wenn sie beide am Wochenende jeweils 4 Punkte reinholten) und irgendetwas sagt mir, dass sich das sobald nicht ändern wird. Da ich den Ernst der Lage sofort erkannte, habe ich mir noch vor dem BuLi-Start den jungen Brandt von Leverkusen gegönnt. Nach seinem spielentscheidenden Tor und 9 Punkten am ersten Spieltag hat er mir im Spiel gegen Hannover—in dem er von Beginn an spielen durfte—weitere 4 Punkte geschenkt. Der Junge kommt—und damit auch meine Comunio-Hegemonie—, ganz sicher! Der einzige Glücksfang meines Startkaders ist und bleibt Mats Hummels. Jetzt, wo die Dortmunder wieder erfolgreichen Fußball spielen, sieht auch die BVB-Abwehr nicht mehr aus wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Hummels spielt solide bis stark und bringt mir ordentlich Punkte. Nach zwei Spieltagen sind es bereits 12, was für einen Abwehrspieler laut meinen Kollegen ne runde Sache ist (obwohl ich noch nicht ganz sicher bin, ob die mir nicht einfach jede Menge Stuss erzählen, weil ich kleines Dummerchen es eh noch nicht besser weiß). Anyway: Lass den Kerl jetzt auch noch seine Kopfballtore erzielen und ich schlag schon bald Purzelbäume vor Glück. Insgesamt kam ich am zweiten Spieltag—und trotz der -2 Punkte von Schlafmütze Naldo—auf 22 Punkte. Das zweitbeste Ergebnis unserer vor geballter Fußballexpertise fast platzender VICE-Sports-Liga und dazu noch eine Schnapszahl: Darauf trink ich erstmal einen! Markus Hofmann Ich hab es wieder getan: Die ungünstige Mischung aus dämlichen Bauchgefühl und schlechter Recherche lassen mich mit lediglich 24 Pünktchen nach zwei Spieltagen auf dem letzten Platz zurück. Jetzt muss ich den Hohn und Spott von meinen (verkackten) Kollegen ertragen. Das kommt davon, wenn man vor der Saison den Comunio-Experten raushängen lässt. Naja. Matthias Ginter (13 Punkte) zog also am Sonntag nach innen und machte das wichtige 1-0 für den BVB in bester Vollstrecker-Manier. Ich wäre normalerweise vor Freude aufgesprungen—hätte ich Ginter aufgestellt. Am Freitag war nicht ganz klar, ob er spielt, also stellte ich stattdessen seinen Gegenspieler Tobias Levels (-4) auf. Ein großer Fehler, ja. Und ja, ich weiß auch nicht warum ich das getan habe. Zwar war mir bewusst, dass Levels von Dortmunds Offensive eventuell ausgetanzt wird, doch musste ich bei meiner bisherigen mageren Punkteausbeute von nur 12 Zählern und fehlenden (spielenden) Alternativen mal ein Risiko eingehen. Schließlich punktete Levels am 1. Spieltag und ich Vollidiot hatte Fußballgott Marcel Heller letzte Woche schon unterschätzt auf der Bank sitzen lassen. Ich habe also versucht ganz unkonventionell einen Lottogewinn einzustreichen—was natürlich nicht gelang. Ich fühle mich mit meinem 22-Mann-Kader zwar wie Thomas Tuchel, doch agiere ich mit vielen Gurken in der Mannschaft und den falschen Entscheidungen eher wie einer der ganzen HSV-Interimstrainer. Der Transfermarkt gab bisher noch nicht so viel her und mit den mir zugelosten Spielern hatte ich bisher wenig Glück. An diesem Spieltag konnten nur Dominique Heintz (6), Marcel Heller (4) und Daniel Didavi (4) für eine ordentliche Punktausbeute sorgen. Mein 7,9 Mio-Einkauf Johannes Geis (2), der jetzt fast zwei Mio. weniger wert ist, schoss nur an die Latte—dabei hatte ich mich im Poker um ihn gegen Juve und Michael Zorc durchgesetzt und fest mit 34 Freistoßtoren gerechnet. Für die wirklich schwächste Performance am Wochenende sorgte leider wieder ich: In meinem 4er-Mittelfeld hätte ich statt Andreasen (keine Punkte, erst in der 71. eingewechselt) Baumgartlinger (4) spielen lassen sollen. Ich wollte aber nicht zu abhängig sein von Mainz-Spielern sein, die nach meinen Berechnungen bei einer zu Hause spielenden und aggressiven Borussia untergehen sollten. Am besten mit einem Anschlusstor von meinem Niederlechner (keine Punkte, nur eingewechselt). Das sind sie, diese Bauchentscheidungen am Freitag Nachmittag, die dir das ganze Wochenende versauen. Ach und meine anderen beiden Stürmer spielten zwar besser als Bobadilla (-7) letzte Woche, aber Schipplock (-2) und Harnik (0) rissen trotzdem nichts. Am meisten sollte ich mich aber selbst hinterfragen, dann greife ich nächste Woche wieder an! Benedikt Nießen
VICE Sports
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2015-08-26T15:05:00+00:00
2024-07-31T02:29:38+00:00
https://www.vice.com/de/article/2-spieltag-vice-sports-comunio-liga-konsolidieren-und-schnreden/
Mein Ex-Freund, der Vergewaltiger
Illustration:Nick Scott Mein Ex-Freund hat mich während unserer Beziehung vergewaltigt. Ohne jetzt unnötig ins Detail zu gehen, hatte er mit der Zeit für sich entschieden, dass er mich lieber fickte, als mein Einverständnis zu respektieren. So beschämend ich das rückblickend auch finde, aber ich kam irgendwann zu dem Schluss, dass er—wenn ich nicht explizit „Nein” sagte— im Grunde meine Einwilligung hatte und ich mich nicht mit der unangenehmen Wahrheit herumschlagen musste, dass mich mein Freund im Endeffekt vergewaltigte. Die Formulierung „im Endeffekt” ist wichtig, denn ich konnte das Wort Vergewaltigung lange nicht alleinstehend benutzen, um zu beschreiben, was passierte, ohne ein Adverbiale hinzuzufügen, das die Schwere des Verbrechens minderte: im Endeffekt, quasi, so gesehen, irgendwie, fast. Ich verwendete sie so häufig, bis ich meine eigene Scheiße glaubte. Natürlich wusste ich, wie man eine Vergewaltigung definiert—ich versuchte mich nur davon zu überzeugen, dass ich es eigentlich nicht tat. Und das war leichter, als du denkst. Jedes Mal, wenn mein Freund mich vergewaltigte, fühlte es sich, abgesehen von dem Schock, körperlich nicht anders an als der normale Sex. Egal ob mit Zustimmung oder ohne Zustimmung, von seinem Freund gefickt zu werden, fühlt sich einfach an wie, nun ja, wie von seinem Freund gefickt zu werden. Und genau das ist es auch, was die Geschichte mit dem V-Wort so schwierig macht. Das ist das Traurige daran. Ja, ich habe „Nein” gesagt. Ja, er hat mich ignoriert. Mehrmals. Aber auch wenn es psychisch unangenehm war, war es doch nie gewaltvoll. Es war nicht so, wie man sich eine Vergewaltigung vorstellen würde. Ich hatte danach keine Verletzungen. Ich hielt danach meinen Vergewaltiger in den Armen, während er heulte. Wenn du in deinen Vergewaltiger verliebt bist, dann wird sich auch der Gedanke, ihn anzuzeigen, in deinem Kopf breit machen. Dieser Gedanke hielt sich bei mir aber nie lange. Dieser Mann hatte mein Vertrauen auf eine Art und Weise hintergangen, die ich mir davor nie hätte vorstellen können—seine Reue schien aber echt zu sein. Er versprach mir, es nie wieder zu tun, und ich glaubte ihm. In meiner verdrehten Gedankenwelt konzentrierte ich mich dann auf die ganzen anderen tollen Dinge unserer Beziehung. Bis zum nächsten Mal. Danach versprach er mir natürlich wieder, dass er sich ändern würde. Und ich glaubte ihm auch dieses Mal. Ich bin nie zur Polizei gegangen und lange erzählte ich auch niemandem davon—das hat sich allerdings inzwischen geändert. In einer Art von blindem Vertrauen und verzweifelter Hoffnung verzieh ich ihm. Ja, er hatte mir wehgetan, aber er bedeutete mir so viel und—so widerlich das auch ist—ich wollte ihm keine Probleme bereiten. Er könnte seinen Job verlieren. Ich sagte mir, dass ich damit ja sein ganzes Leben zerstören könnte. Er hatte zwar das Verbrechen begangen, aber tief in meinem Herzen hatte ich das Gefühl, dass es meine Schuld wäre, wenn er dafür bestraft werden würde. Seine Reuebekundungen schafften es immer wieder, mein Verlangen zu dämpfen, ihn anzuzeigen. Ich liebte ihn. Meine eigene ursprüngliche Verwirrung darüber, was eigentlich eine „echte” Vergewaltigung ausmacht, wurde gleichzeitig zu einer Reflexion eines wesentlich größeren Problems. Unsere Gesellschaft hat ihr eigenes, tief verwurzeltes Problem damit, was eigentlich mit Konsens gemeint ist. Eine Studie unter amerikanischer Studenten ergab, dass 31,7 Prozent der befragten Männer „vorhaben, eine Frau zum Sex zu zwingen”, aber nur 13,6 Prozent gaben an, dass sie „vorhaben, eine Frau zu vergewaltigen.” Das Ungleichgewicht der Ergebnisse war beunruhigend. Es ließ die Frage aufkommen, ob man zukünftige Vergewaltiger wirklich zur Rechenschaft ziehen kann, wenn diese sich noch nicht mal bewusst sind, dass das, was sie da tun—oder tun würden—eine Vergewaltigung ist. Viele Männer, die an dieser Studie teilnahmen, gaben an, dass sie sich selbst auch einer Frau aufzwingen würden. Bei diesen 18,1 Prozent, die sich jemandem aufzwingen, aber „definitiv nicht vergewaltigen” würden, kann man sich schon fragen, womit man es hier zu tun hat. Selbsttäuschung? Mangelndem Wissen? Dem Fehlen einer adäquaten Aufklärung in Sachen Konsens? Gibt es wirklich so viele Männer auf diesem Planten, für die Vergewaltigungen im schlimmsten Fall so etwas wie schlechte Manieren sind? Unsere veraltete Vorstellung davon, wer und was ein Vergewaltiger ist, lässt die Typen-von-nebenan-Vergewaltiger, die liebenden Freunde und die vernarrten Ehemänner über ihr eigenes Fehlverhalten im Unklaren. Sie ruhen sich auf der „Wir und die”-Mentalität aus, die sich auch weiterhin durchsetzt, obwohl uns alle Statistiken zu Vergewaltigungen zeigen, dass dieses Verbrechen eben nur selten in dunklen Seitengassen und mit Fremden stattfindet. Diese kognitive Dissonanz beschränkt sich dabei nicht nur auf die Täter, sondern betrifft auch die Opfer. Als ich anfing, diesen Artikel zu schreiben, habe ich diverse Menschen kontaktiert, um nach Meinungen, Feedback und Ideen zu fragen. Stattdessen stieß ich jedoch nur auf Spiegelungen meiner eigenen Erfahrungen. Ich fand mehrere junge Frauen, die das, was mir passiert war, besser beschreiben konnten als ich selbst. Kate war 16 als ihr 21 Jahre alter Freund sie misshandelte. „Du schaust dir diese ganzen Nachrichten und TV-Sendungen über misshandelnde Partner an und sagst dir selbst, dass du niemals in einer solchen Beziehung bleiben würdest. Du würdest deinen Partner natürlich sofort verlassen. Wenn es dir dann aber wirklich passiert, ist alles anders”, erzählte sie mir. „Du erfindest Ausreden. Du sagst dir selbst, dass es ‚nicht zählt.’ Oder du redest dir sogar ein, dass es gar nicht passiert ist—aus Fassungslosigkeit, Angst und furchtbarerweise eben auch aus Liebe.” Für viele Opfer ist es leichter, die eigene Erfahrung als eine Art „Vergewaltigung Light” abzuspeichern, als sich wirklich mit dem Chaos auseinanderzusetzen, seinen eigenen Vergewaltiger zu lieben. Es ist leichter, seine eigene Erfahrung runterzuspielen, als sie zu akzeptieren. Als fühlende menschliche Wesen hatten Kate und ich eine klare Meinung zu Vergewaltigungen. Als sie dann aber Teil unseres Lebens wurden, sind wir davor in Schrecken weggerannt. Wir vergruben sie in unseren Zweifeln und verdeckten sie mit Liebe—und wir waren damit nicht die Einzigen. In einer Umfrage am Massachusetts Institute of Technology wurde herausgefunden, dass 17 Prozent der Studentinnen per Definition sexuelle Übergriffe erfahren hatten (formuliert als „ungewollte sexuelle Handlungen”). Trotzdem antworteten lediglich 11 Prozent mit „Ja” auf die direkte Frage, ob sie schon jemals angegriffen oder vergewaltigt worden waren. Egal ob diese Unterscheidung zwischen der tatsächlichen Handlung und der Definition von Vergewaltigung auf kultureller Unsicherheit fußt oder ob das Opfer sie sich einfach nur wegwünscht, am wichtigsten ist immer noch, dass es passiert. Und von denen, die darin involviert sind, wird es nicht als das erkannt, was es ist. Jedenfalls nicht sofort. Noch einmal: Wir denken bei Vergewaltigungen oft an etwas Aggressives und Schmerzvolles, das nur im Schatten dunkler Straßen stattfindet. Wir denken an Fremde. An Hände, die Münder zuhalten. Waffen. Aber 90 Prozent der Vergewaltigungen, die in Großbritannien stattfinden, werden von Männern im Bekanntenkreis begangen. Der Akt wird in dem Moment von vielen Frauen—inklusive mir—als extrem unangenehm wahrgenommen, muss aber nicht mit Körperverletzung oder Gewalt einhergehen. Es gibt aber kein Adverb, das die Handlung einer Vergewaltigung abschwächen kann. Unsere Wahrnehmung von Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung befindet sich noch immer in dieser gruseligen Welt des „Anderen”, aber in der Realität sind Vergewaltigungen für viele etwas, das in ansonsten liebevollen und erfüllenden Beziehungen geschieht. Die Vergewaltigung wird dann zum stillen, sich aber immer weiter ausbreitenden Elefanten im Raum. Ihr beide wisst, was los ist, aber ihr wisst auch, dass alles im Arsch ist, sobald ihr diese Türe aufstoßt. Für viele Opfer ist es leichter, die eigene Erfahrung als eine Art „Vergewaltigung Light” abzuspeichern, als sich wirklich mit dem Chaos auseinanderzusetzen, seinen eigenen Vergewaltiger zu lieben. Es ist leichter, seine eigene Erfahrung runterzuspielen, als sie zu akzeptieren. Natürlich bringt das dann wieder eine neue Ebene der Scham mit sich. Es ist immer noch unglaublich schmerzvoll für mich zuzugeben, dass ich bei meinem Vergewaltiger geblieben bin. Es ist sogar noch viel schlimmer zu akzeptieren, dass ich ihn nicht für das hassen kann, was er mir angetan hat, und dass ich eine schöne Zeit mit ihm hatte—abgesehen von dieser ganzen „Ficken obwohl ich das nicht wollte”-Geschichte. Es ist fast unmöglich, das Wort Vergewaltigung mit jemanden in Verbindung zu bringen, den du liebst. Es ist so, als würdest du die Person betrügen. Wer redet überhaupt über so etwas? Das unglaubliche Schuldgefühl, das einen überkommt, wenn man seinen Ex-Freund als Täter bezeichnet? Wo wird darüber geredet, wie Frauen es schaffen können, mit diesen Gefühlen umzugehen? Einzig und allein durch meine Kontaktaufnahme mit anderen Opfern merkte ich, dass ich nicht die Einzige war, der diese Doppelmoral zu schaffen machte. Natürlich wusste ich, wie man eine Vergewaltigung definiert—ich versuchte mich nur davon zu überzeugen, dass ich es eigentlich nicht tat. Und das war leichter, als du denkst. Trotz seiner Weigerung über das zu reden, was geschehen war, wusste ich, dass mein Vergewaltiger sich im Klaren darüber war, was er getan hatte—und das machte es für mich noch schlimmer. Er wusste, dass er mich verletzt, und er machte trotzdem weiter, bis ich schließlich aufhörte, „Nein” zu sagen. Ob er das Gleiche jetzt auch anderen Frauen antun wird, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich bin nie zur Polizei gegangen. Warum? Weil ich mich nie dazu durchringen konnte. Ich wollte nicht alles noch einmal durchleben—diese unglaublich verwirrenden Gefühle, die ich für meinen Ex-Freund hatte, die ich langsam aufarbeitete und die mich noch immer sehr beschämt fühlen lassen. Was die Verantwortung angeht, jede Frau zu „schützen”, die er in Zukunft vielleicht genauso verletzen könnte … Ich weiß es einfach nicht. Ich habe erkannt, dass ich auf einer bestimmten Ebene schon etwas machen muss, aber sollte die Entscheidung nicht letztendlich allein bei mir liegen? An welchem Punkt gerät meine eigene Genesung von dieser Geschichte in Gefahr? Wenn Vergewaltigungen in Beziehungen eine weltweite Epidemie sind, dann ist die Person, mit der du zu Bett gehst, die Krankheit. Lange Zeit dachte ich, dass das etwas ist, das ich einfach aushalten muss. Damit lag ich falsch. Das Gegengift war eine ehrliche und schonungslose Unterhaltung. Meinen Ex-Freund mitten am Tag zu konfrontieren und über das zu reden, was passiert war, zwang mich dazu, mein Martyrium als das anzusehen, was es wirklich war. Und was alle anderen Frauen angeht, die Nacht für Nacht neben ihrem Vergewaltiger geschlafen und versucht haben, das Geschehene und die Liebe, die man für diese Person noch empfindet, zu verstehen: „Reden” ist das Wort, das ich ihnen immer und immer wieder sagen würde. Du musst merken, dass du dir selbst mehr schuldig bist als Schweigen, und den Mund aufmachen. Lasst sie eurer Stimme nicht entkommen. Wenn du über die nötige Kraft verfügst, dann zeige sie an. Kämpfe bis zur vollen Erschöpfung. Vergewaltigungen können durch nichts abgeschwächt werden— auch nicht durch Liebe oder ein Pflichtgefühl. Das weiß ich jetzt. Mein Vergewaltiger wusste, was er getan hatte, und ich würde behaupten, dass die meisten von ihnen das in irgendeiner Weise wissen. Das ist es ja auch, was das Ganze so schlimm macht, und es ist auch genau der Grund, warum Konsens ein wichtiges Thema unter jungen Menschen werden muss—im Sexualkundeunterricht an der Schule, im Fernsehen und im Internet. Wenn das nicht geschieht, dann weiß ich nicht, wie wir jemals erwarten können, dass sich etwas ändert. Falls du Opfer einer Vergewaltigung wurdest und etwas unternehmen willst, findest du hier Hilfe und nützliche Hinweise.
Anonym
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2015-06-12T04:00:00+00:00
2024-07-31T00:49:45+00:00
https://www.vice.com/de/article/mein-ex-freund-der-vergewaltiger-333
Deshalb drehen die Leute plötzlich wegen Schach durch
Holt die Soletti raus, heute Abend ist Schach-WM-Finale! Nach dem Formel 1-Erfolg von Nico Rosberg steht damit ein weiterer actiongeladener Tag ins Haus und alle lecken sich schon die Finger danach, welche Züge heute wohl wieder gesetzt werden. Deutsche und österreichische Medien berichten tagtäglich von den Ereignissen rund um die Bauernschlacht und die Videos und Partien zum Nachspielen mausern sich sicher bald zum Stimmungsgarant jedes in Beliebigkeit versinkenden Tinder-Dates. Doch was führt eigentlich dazu, dass neben No Mans Sky und Cosplay plötzlich auch das analoge Kriegsgefecht auf der Hitliste der angesagten Freizeitbeschäftigungen steht? Zum einen gibt es mit dem Norweger Magnus Carlsen zum ersten Mal einen westeuropäischen Weltmeister. Der 26-Jährige gilt als Genie des Schachspiels mit der höchsten Elo-Zahl (einer Maßeinheit für die Spielstärke von Schachprofis), in der Geschichte der Disziplin. Er übertrifft damit sogar den bisherigen Rekordhalter Garri Kasparow, der Carlsen im Jahr 2009 beriet und trainierte. Sein Herausforderer heißt Sergej Karjakin, tritt für Russland an, und schlägt sich bisher besser als erwartet, denn am heutigen (wahrscheinlichen) Finaltag steht es unentschieden zwischen den zwei Superbrains. Eine Ausgangslage, die für Spannung sorgt. Christian Hesse ist Professor für Mathematik an der Universität Stuttgart und hat mehrere Bestseller über Schach geschrieben. Er wundert sich nicht darüber, dass plötzlich alle anfangen, Türme, Springer und Könige zu hypen: “In den letzten Jahren hat das Interesse am Schach zwar stetig zugenommen, aber diese WM ist schon besonders, da die beiden Kandidaten sehr interessante Charaktere sind. Außerdem hat man online zum ersten Mal wirklich die Möglichkeit hautnah mit dabei zu sein.” “Für die Popularität des Schach ist das Internet das Beste, was passieren konnte”, sagt auch Sibylle Heime von der Zeitschrift Schach zu VICE. “Man kann sich die Spiele der großen Meister live anschauen und sich dabei sogar noch die Züge erklären lassen.” Der Mathematikprofessor Christian Hesse sieht einen weiteren Grund für den plötzlichen Schach-Fetisch so vieler Menschen in der weltpolitischen Lage: “Schach ist einfach ein Spiel, bei dem man sehr vernünftig, reflektiert und bedacht handelt. Ich denke in diesen extrem oberflächlichen Zeiten von Brexit und Trump sehnen sich die Menschen nach Vernunft und Logik und genau das finden sie eben in diesem Spiel.” Christian Hesse beim Denken | Foto: Ivo Kljuce In Russland gehört Schach bereits seit den 1920er Jahren zum Volkssport und wurde schon damals aktiv gefördert, um das intellektuelle Niveau der Bevölkerung anzuheben. Lenin unterfütterte diese Entwicklung mit dem Satz “Schach ist Gymnastik des Verstandes”, und so entstand nach und nach die sogenannte Sowjetische Schachschule. Auch heute noch gehört Schach zur russischen Bildung dazu, wie die Kotlety zur Hausmannskost. Mittlerweile greift das Brettspiel auch auf andere Länder über. Die Türkei arbeitet an einem großen Schulschachprogramm. In den USA etabliert sich das Strategiespiel langsam an den Schulen und ambitionierte Eltern bezahlen ihren Kindern einen persönlichen Schachtrainer. Ein Trend, den es in Deutschland auch gibt, weil immer mehr Kinder auf Ganztagsschulen gehen, so Sibylle Heime. Vor allem in Berlin werden Kinder bis zum späten Nachmittag im Schulhort betreut, und da weder Schüler noch Betreuer jeden Tag Uno spielen oder Kastanienmännchen basteln möchten, greift die Begeisterung am Schach zunehmend um sich. Vom Deutschen Schulschachkongress, über das Schulschachpatent und die Schulschachstiftung. Doch was dem einen die Rettung des Nachmittags, ist dem anderen einen gelangweilten Hate-Rant wert. So war es bereits in der Bibel, in den griechischen Tragödien und so ist es auch heute noch. Und so reichten die zwei Studenten Markus Erhardt (Pflanzenbiotechnologie) und Oliver Till (Master Lehramt Mathe / Chemie) am 16. November einen Antrag zum Verbot des Schachspiels an der Universität Hannover ein. Ihre Analyse bezichtigt das Spiel unter anderem des Rassismus, der Gewaltverherrlichung, der Förderung des Klassendenkens und der Pervertierung der Transsexualität. Ob es sich dabei um eine ernst gemeinte Forderung oder lediglich einen Scherz handelt, der zeigt wie absurd heute zum Teil argumentiert wird, ist so offen, wie die Schachpartie am heutigen Abend. Jetzt habt ihr vielleicht Lust bekommen, das vier- bis fünfstündige Duell heute Abend live zu verfolgen. Falls ihr noch einen Profi-Tipp für eure Spielwette benötigt, dann hört auf Professor Hesse. Der Matheprofessor setzt auf Magnus Carlsen: “Ich denke, er wird einige Risiken eingehen und sich damit letztlich durchsetzen. Ich freue mich zumindest auf einen spannenden Abend.”
Christine Kewitz & Daniel Frevel and Christine Kewitz und Daniel Frevel
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2016-11-28T14:00:00+00:00
2024-07-30T22:31:56+00:00
https://www.vice.com/de/article/9bvwzd/deshalb-drehen-die-leute-ploetzlich-wegen-schach-durch
Eine kurze Liste der Sachen, die sich besser verkauft haben als Rihannas neues Album
Letzte Woche ist nach drei Jahren voller Gerüchten, Geflüster und ellenlangen Essays, die sich eigentlich immer auf Folgendes reduzieren ließen: „Es ist immer noch nicht da und ich habe keine weiteren Informationen“, Rihannas Anti erschienen. Es kam auf einmal aus dem Nichts und ist ein tolles Album; eines, das zeigt, dass Rihanna niemand anders als Rihanna sein muss, und das uns Pop-Meisterwerke wie „Consideration“ und „Kiss It Better“ beschert hat. Aber wie ein wunderschönes Baby, das in eine zerrüttete Familie hineingeboren wird, erschien es in einem Zustand der Krise und fand sich mal hier und mal dort im Internet wieder, als wäre es ein Tintenfisch in einer Hüpfburg. Zuerst wurde es fälschlicherweise bei Tidal hochgeladen, dann wurde es von Tidal entfernt, dann wurde es wieder bei Tidal hochgeladen, um auf die illegalen Rips zu reagieren, die vom fälschlicherweise hochgeladenen Original existierten. Das gute alte Tidal! Man muss es lieben. Gestern wurde bekannt, dass Jay-Zs tragikomischer Streaming-Service einen ziemlich großen Effekt auf die Verkaufszahlen von Anti gehabt haben könnte, denn in den USA wurden von dem Album bislang erst 460 Kopien verkauft. Natürlich ist diese Zahl nicht repräsentativ für Beliebtheit oder Profite. Außerdem haben eine Million User das Album durch Rihannas 25-Millionen-Dollar-Samsung-Deal kostenlos bekommen und für alle anderen war es als Stream verfügbar. Technisch gesehen hat das Album also schon Platinstatus erreicht, aber nicht „Wow, Platin!“ wie bei Adele sondern eher „Naja, Platin“ wie bei Jay-Z. Trotz dieser wilden Orgie aus Firmendeals, kostenlosen Downloads und Streams hat fast niemand das Album in den ersten 24 Stunden tatsächlich gekauft, was bedeutet, dass das für die US-Charts zuständige Billboard (das Alben, die von einer Mobilfunkfirma verschenkt wurden, nicht als Verkäufe wertet) das Album auf Platz 27 der Charts einstufen musste, da es in den USA nur vier Millionen Streams und 460 Verkäufe gesammelt hatte. Vielleicht ist dies der Vorbote eines neuen, nicht-traditionellen Zeitalters für die Musikindustrie, in dem Albenverkäufe weniger als ein Prozent des Einkommens einer Albumkampagne ausmachen—obwohl das aktuelle Beispiel von Adele zu zeigen scheint, dass diese Zeit noch lange nicht gekommen ist. Aber sicherlich sollte ein großes Popalbum von Rihanna mehr Kopien verkaufen als Kreayshawn aus dem Stand, richtig? Ich meine, das ist weniger als von Robin Thickes Paula. Was … Was bedeutet, dass weniger Exemplare davon verkauft wurden als… Du kannst über Anti-Schimmel-Spray sagen, was du willst, aber wenn du es brauchst, dann brauchst du es wirklich. Und wenn du es wirklich brauchst, dann gibt es kein Besseres als dieses, das du bei Amazon bekommst, wo es als Bestseller unter den Schimmelentfernern gelistet ist. Es fällt mir schwer, das zu sagen—da ich „Consideration“ wirklich mag—aber mit über 1.784 Fünf-Sterne-Rezensionen ist es im Moment sicherlich gefragter als Exemplare von Rihannas Anti. Foto: Imago Wolltest du schon immer mal sehen, wie Ben Affleck einen rangtiefen Mafiosi spielt, der viel sensibler ist, als er zugeben würde und in Mafia-Cafés stürmt, Laptops zerstört und „SUCK MY DICK DOT COM!“ schreit? Wolltest du schon immer mal sehen, wie Jennifer Lopez merkwürdig ihre Beine spreizt und sagt: „Zeit für Truthahn! Sabber sabber!“ Du willst beide Dinge in einem Film sehen, der eine IMDB-Wertung von 2,4 hat? Vielleicht solltest du dir dann die DVD des Films Gigli von 2003 bestellen. Wir haben die Leute, die im Café neben unserem Büro arbeiten, gefragt, wie viele Tassen Kaffee sie jeden Tag verkaufen und sagen wir es mal so, ihr kleines Lokal trägt mächtig zum nervösen Stuhlgang in dieser Gegend bei. Du solltest mal vorbeischauen, sie haben mehr Kaffees verkauft als Rihanna Exemplare von Anti. Mit über 10.500 Lesern, zu denen Geflügelbauern, Geflügelzüchter, Geflügelexperten, Futterhersteller, Tierärzte und Ernährungswissenschaftler gehören, hat sich das Magazin Poultry World zehn Mal so oft verkauft wie das neue Rihanna-Album. Wären wir in den 1990ern, dann wäre das Poultry World-Magazin Oasis. Und die Leute sagen, Print wäre tot! Die Leute sagen, dass der schlimmste Monster-Munch-Geschmack Roast Beef oder Spaghettisoße (in den 1990ern kurz erhältlich) ist, aber diese Leute haben offensichtlich nie die „Vanilleeis“-Version probiert. Sie kam 2004 auf den Markt und hat weitestgehend negative Reaktionen hervorgerufen—wahrscheinlich weil kein fühlender Mensch mit einem funktionierenden Geschmackssinn Chips essen wollte, die nach Milch schmecken. Foto: Screenshot von Ebay Die 1.000 Nähsets wurden bis jetzt noch nicht verkauft, aber wenn es passieren wird und wir der Bekämpfung der Plage des Auftrennens auf dieser Welt ein Stück näher kommen, dann wird Ebay-Mitglied „transformtraining“ das Rihanna-Album an verkauften Einheiten in den Schatten stellen. Kämpf weiter für die gute Sache, mein Freund. Eine Biografie von jemandem, der nicht einmal 25 ist und nur dafür bekannt, in der britischen Reality-TV-Show Geordie Show mitgespielt zu haben, sagst du. Aber warte, urteile nicht zu vorschnell: Im Buch werden sowohl ihre ereignisreichen Teenager-Jahre behandelt als auch die Wahrheit über Gaz Beadle und seinen petersilienförmigen Peni— weißt du was? Ich werde den Witz hier beenden. Wie konnten davon mehr Kopien verkauft werden als bis jetzt von Rihannas Anti? Tidal, was hast du getan? ** Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.
Noisey Staff
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2016-02-03T14:00:00+00:00
2024-07-30T21:14:31+00:00
https://www.vice.com/de/article/eine-liste-an-dingen-von-denen-mehr-verkauft-wurde-als-von-rihannas-anti-945/
Zürich: KNALL ist ein Unikat
Das Nachtleben ist wohl einer der verführerischsten Prädatoren unserer Generation, erst lockt es dich und wenn du mal drinhängst, spuckt es dich erst um die zehn Jahre später wieder aus. Bevor das passiert durchläufst du mystische drei Phasen: Während der ersten Phase merkst du gar nicht in was für beschissenen Läden du abhängst. Du denkst zwar, du hättest es drauf, weil du das regionale Jugendlokal als unwürdig zu erkennen vermochtest, wirst aber von Securities wie Vieh behandelt und zahlst dich dumm und dämlich um deinem persönlichen Megastar eine elend hohe Gage mitzufinanzieren, die er oder sie für ihr 30 minütiges DJ- Set kassiert. In dieser Phase bringst du deine Getränke noch selbst mit und versteckst sie in einem Busch vor dem Club. In der zweiten Phase bist du langsam abgehärtet und gerade darum bereit alles auszuprobieren, auch Drogen. So endest du zu allen abartigen Tageszeiten an wirklich abartigen Orten wie Mittwoch morgens um halb neun in einem abgedunkelten Lieferwagen, der von dem Freund von „der von vorhin” gefahren wird. Vor zehn Minuten hast du den Typen auf der Toilette kennengelernt während er sich eine „Kombizange” reingedonnert hatte. Dein Kollege reihert sich, wenn du richtig hörst, am anderen Ende des Laderaums gerade übers Hemd. Du wirst Sonntag mittags bewusstlos auf einem Friedhof vom Gärtner aufgefunden. Man fragt dich (später) wo du gestern warst, du sagst „Tanzen” während sich hinter deinem Hirnlappen eine „Hieronymus Bosch in 3–D”- Szenerie breit macht. Dein gegenüber denkt an ihren Salsa Kurs, legt ein verzeihend-mitfühlendes Lächeln auf und meint: „Schön”. Du kennst plötzlich alle an der Party, einfach deshalb weil du sie öfters siehst als deinen Vorgesetzten, deinen Professor oder deine Verwandten. Zudem ist dein Schwengel (respektive Kitzler) die einzige wahre Macht im Staate Dänemark und geißelt dich Nacht für Nacht um die Häuser. Das treibst du dann so weit, dass plötzlich auch die ganz normalen Sachen abnormal wirken. Wie beispielweise an einem Nachmittag Tee zu trinken mit deiner Tante, welche dich von den Freuden des Wirtschaftsstudiums überzeugen will. Oder deine Mitarbeiter. Du bist Keith Richards und dein Leben fühlt sich an wie eine Explosion in Zeitlupe. Du hast sogar aufgehört die einzelnen zerplatzenden Gegenstände retten zu wollen, das Feuer ist immer und überall. An dieser Stelle entwickelst du dich schrittweise in die Phase drei. Neuerdings fahren dir alle Drogen mehr oder weniger gleich ein und du hast auch gesundheitlich langsam ein bisschen Bedenken. Du gehst grundsätzlich nur noch einmal irgendwo hin: Also entweder wird etwas eröffnet und du bist da wegen des Freibiers, die Veranstaltung ist illegal oder sonst wie einmalig, alles andere vermag dich kaum mehr hinter dem sprichwörtlichen Ofen hervor zu locken. In dieser Phase passiert es dir mal dass du mal nüchtern in eine After-Hour reinstolperst – und die Blase platzt endgültig. Die Illusion des glitzernden Planeten „Disko” wird von einer Handvoll Untoter mit zitterndem Kiefer auf den klebrigen Tanzboden getrampelt. Du beschließt, dass deine Nächte ferner von sich aus ereignisreicher sein sollten. Du gehst mal wieder gut essen und um vier aus dem Club nach Hause. Mit deiner Freundin. Oder eben ins Museum. So, wir verlosen unter den glücklichen zwischen den Phasen Zwei und Drei 5×2 VIP Badges an die einmalige „Knall”-Party im Landesmuseum, die findet diesen Samstag den 1. September ab 19h auf dem Vorplatz des Landesmuseums statt und ist überdacht. Mit so einem Badge kommst du dort, wohl zum ersten und letzten Mal während einer Party, auf den Balkon des ehrwürdigen Kulturtempels. Auflegen tun durchs Band lokale Superhelden wie: Go Ape, After Grauer, Johnny Roxx und Ray Douglas. Zudem gibt’s einen Überraschungsauftritt von einer sehr guten Band, auf einem Bus im Hof. Deren Namen dürfen wir allerdings noch nicht verraten. Falls du also gerne mit Begleitung dorthin möchtest, schreibe uns ein paar Zeilen in denen steht in welcher Phase du dich gerade befindest an: [email protected] Im Landesmuseum selbst findet übrigens zeitgleich die Ausstellung: Postmodernism; Style and Subversion 1970–1990 statt, falls du das mit der Abwechslung ernst nehmen möchtest, bist du dort bestimmt bestens bedient.
Till Rippmann
[ "Musik", "Vice Blog" ]
2012-08-28T10:20:00+00:00
2024-07-31T06:44:05+00:00
https://www.vice.com/de/article/zrich-knall-ist-ein-unikat/
Von Death Grips bis America – Die wichtigsten Lieder von ‘Bojack Horseman’
OK, ich glaub, die meisten Bojack-Fans fühlen sich gerade wie im siebten Ironie-Himmel. Denn seit letzter Woche ist die vierte Staffel von Bojack Horseman draußen. Das hat mir Grund zum Anlass gegeben, mir die drei vorherigen Staffeln noch einmal anzusehen. Neben all den unglaublich deepen Denkansätzen und der daraus resultierenden “happy” Depression, die sich jetzt wieder bei mir eingenistet hat, ist mir auch wieder die extrem gute Musik aufgefallen. Bojack Horseman füttert nicht nur jedes in Sarkasmus getränkte Herz mit eloquenten und zynischen Dialogen – nein, als Beilage gibt es auch den passenden Soundtrack dazu. Lag daher also nicht fern, dass ich es mir zu einer Lebensaufgabe gemacht habe, die wichtigsten Songs für dich aufzulisten. Damit du einfach nur mehr auf Play drücken müsst und mit dir selbst übers Leben philosophieren kannst. Achtung: Hier wird ein bisschen gespoilert, solltest du die Serie noch nicht gesehen haben, hör dir nur die Songs an und hör ab jetzt auf zu lesen. Ich glaube, ich spreche vielen aus der Seele, wenn ich jetzt behaupte, dass man diese Titelmelodie nicht zu Tode hören kann. Und damit diese bis-zum-Tode-hören-Phase sich noch länger verzögern kann, spuckt dieses liebe Internet auch weitere Versionen davon aus. Wir beginnen mit der Originalversion, gefolgt von einer akustischen und elektronischen Version (die ein bisschen an die Geräuschkulissen der Nintendo-Spiele der frühen 90er erinnert). Kennst du die eine Folge in der zweiten Staffel, in der Bojack versucht, Joggen zu gehen und sich dabei erstmal auf einen Rasen hinlegen muss? Als er die Augen wieder aufmacht steht ein Mandrill Affe (der ein bisschen an Rafiki erinnert) über ihm und sagt: “Es wird einfacher. Mit jedem Tag wird es einfacher. Aber du musst es eben jeden Tag machen, das ist der harte Part dabei. Aber es wird einfacher …” – es ist einer meiner Lieblingsszenen aus der gesamten Serie. Hier nochmal für euch zum anschauen: Das Lied spielt es, als er das Elternhaus mit der ulkigen Fliege wieder restauriert. Der Track wurde übrigens auch von Michelle Branch und Patrick Carney (der für die Titelmelodie verantwortlich ist) gecovert. Dritte Staffel, gegen Ende: Wenn er am Set von Ethan Around ist, und sich durch die junge Schauspielerin zu sehr an die Zeit mit Sarah Lynn zurückversetzt fühlt. Weshalb er abhaut, sich in seinen Tesla setzt, losfährt und fast draufgeht, als er die Rennpferde in der Wüste entdeckt, die – na ja, nämlich rennen. Hier erfährt Bojack gerade, dass sein Charakter in dem Film Secretariat, den er seit Lebzeiten spielen wollte, durch eine digitale und bessere Version ersetzt worden ist. Bitter. Todd möchte das Drogenproblem in Amerika lösen und Bojacks Idee dazu ist ganz “easy”: Sie nehmen einfach alle Drogen selber (mit Sarah Lynn). Dieser Track passiert, als Bojack und Todd eine Hochzeit crashen wollen, die eigentlich nur ein rehearsal dinner ist. Ein bisschen erinnert der Beat an Tracks von Busta Rhymes. Spielt in der Folge, in der Diane und Bojack Whale World besuchen, um herauszufinden, wer Bojack einen Mord anhängen will. Dieses Schmankerl spielt in der Folge, in der Bojack wiedermal in Selbstverachtung versumpert (im Beisein von Mutter und Tochter). Und in der Prinzessin Carolyn und Rutabaga Rabitowitz die Fake-Hochzeit von Courtney und Todds planen. “Back in the 90s I was in a very famous TV Shooow, uuuh uuuh …” ** Folgt Noisey Austria bei Facebook, Instagram und Twitter. Noisey Schweiz auf Facebook, Instagram & Spotify.
Samantha Tobisch
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2017-09-15T09:19:37+00:00
2024-07-30T20:45:20+00:00
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Gebratener Reis mit Schweinebauch
Portionen: 1 ½ Tasse weißer Reis225 g Schweinebauch, gewürfelt und mit Chinatown-Sauce mariniert (siehe unten)1 Frühlingszwiebel, aufgeschnitten½ Tasse Brokkoliröschen, blanchiert und klein gehackt1 Eieromelett, gewürfelt1 Prise eingelegter Ingwer, flein gehackt1 Prise Chiliflocken1 Esslöffel Erdnüsse6 Esslöffel Rapsöl Für die Chinatown-Sauce:4 Tassen Hoisin-Sauce2 Tassen Zucker2 Esslöffel Fünf-Gewürze-Pulver2 Tassen Sojasauce3 Tassen Reisweinessig1 Tasse Sesamöl20 Knoblauchzehen, zerdrückt1 Bund Frühlingszwiebeln, klein gehackt 1. Für den Schweinebauch: Alle Zutaten für die Chinatown-Sauce-Marinade vermengen und so lange rühren, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Schweinebauch an mehreren Stellen einschneiden und die Sauce über das Fleisch gießen. 3 Tage lang in der Sauce marinieren. Dann in einem Bett von aufgeschnittenen Zwiebeln bei 160° C im Backofen garen, bis es durch ist. Die Haut wegschmeißen. Fleisch auskühlen lassen und in Würfel schneiden. 2. Für den Reis: Zuerst den Reis kochen (evtl. in einem Reiskocher). 3. Jetzt wird’s besonders special: Den Reis gleichmäßig auf einem Backblech verteilen. In den Kühlschrank stellen und auskühlen lassen. Wenn der Reis kalt ist, aus dem Kühlschrank nehmen und vor eine Lüftung oder einen Ventilator stellen. So wird der Reis wieder trocken. Damit er auf allen Seiten gleich trocken ist, während dieses Schritts den Reis immer wieder bewegen. NICHT ZU SEHR AUSTROCKNEN LASSEN! Ansonsten beißt du dir möglicherweise einen Zahn aus, nachdem er angebraten wurde. Das wär ziemlich blöd und gar nicht special. 4. Bratpfanne stark erhitzen und zwei Esslöffel Rapsöl hineingeben. Gewürfeltes Schweinefleisch in die Pfanne legen und scharf anbraten. Ein bisschen würzen. Das Schweinefleisch sollte wunderbar karamellisiert und goldbraun sein. Wenn es so weit ist, das Fleisch an den Rand der Pfanne schieben und zwei weitere Löffel Rapsöl in die Pfanne geben. 5. Jetzt den Reis in die Pfanne streuen. Klumpen auflösen, falls sich welche gebildet haben und den Reis mit dem gewürfelten Fleisch vermischen und gleichmäßig in der Pfanne verteilen. Der Reis sollte karamellisieren. Falls der Reis das ganze Rapsöl aufgesaugt hat und trockener ist, als du wolltest, weitere zwei Esslöffel Öl hinzufügen – aber nur, wenn du es für notwendig hältst! 6. Wenn die eine Seite des Reises genug angebraten ist, Reis wenden und auf der anderen Seite anbraten. Wenn beide Seite angebraten sind, die Frühlingszwiebeln, die Brokkoliröschen, den Ingwer und die Chiliflocken in die Pfanne geben und so lange kochen, bis der Brokkoli schön heiß ist. 7. Wenn es fertig ist, alles in eine große Schüssel geben. Erdnüsse, noch mehr Frühlingszwiebeln und das aufgeschnittene Eieromelett darüberstreuen und mit einem großzügigen Spritzer der chinesischen BBQ-Sauce beträufeln. 8. Essen. Langsam. Nicht zu hastig essen, sondern jeden einzelnen Bissen dieses Gerichts genießen – ziemlich special!
[ "Fleisch", "Food", "Hauptgericht", "machen", "marinade", "Munchies", "Rapsöl", "Reis", "Rezept", "rezepte", "sauce", "Schweinebauch", "special" ]
2015-04-21T06:46:56+00:00
2024-08-12T05:35:19+00:00
https://www.vice.com/de/article/gebrantener-reis-mit-schweinebauch-834/
Interviews of the World: Jonas Kopp
Wer immer nur in seiner kleinen Bubble lebt und dort auch bleiben will, kriegt logischerweise gar nichts mehr mit. Dass aber gerade der interkulturelle Austausch viele Dinge in einen größeren Kontext setzt, zeigte bereits das Interview mit DJ Nobu, der mit THUMP über das japanische Tanzverbot und die Bürde der neuen Generation in seiner Heimat sprach. Produzent, DJ und Labelbetreiber Jonas Kopp aus Argentinien berichtet davon, dass in der dortigen Kreativszene die elektronischen Newcomer einen schweren Stand haben—Stichwort: Kommerzialisierung. Aber die Rave-Communities von Japan, Europa und Kopps Heimatland unterscheiden sich in erster Linie durch politische Umstände. Das Land im Süden Südamerikas versucht seine wirtschaftliche Schwäche durch strikte Importbestimmungen zu bekämpfen. Kopp vergleicht die Verhältnisse in Argentinien etwa mit Kuba und Venezuela, denn Platten aus dem Ausland kaufen sei so gut wie unmöglich. Das ist nur eine der vielen Gründe, warum der 1981 in Buenos Aires geborene Produzent sich dafür entschied, den größten Teil seiner Zeit zwischen den Gigs in Europa zu verbringen. Mit 15 Jahren das erste Mal im Club begann Kopp bereits vier Jahre später Musik zu produzieren. In den vergangenen Jahren veröffentlichte er Techno nicht nur auf mehreren großen Labels, sondern stellt auch auf seinem Debütalbum „Beyond The Hypnosis”, das am 10. November auf Tresor Records erscheint, seine große Passion für Ambient unter Beweis. Obwohl er am Anfang des Gesprächs von einer guten Situation in Argentinien spricht, kristallisierten sich im weiteren Verlauf immer mehr Probleme heraus, die dem Familienvater nicht gefallen. Ein großes Thema in Argentinien: Kokain. THUMP: Ich möchte gleich zu Beginn mit der Tür ins Haus fallen. Wie steht es in deinen Augen aktuell um die Szene in Argentinien?Ich kann eigentlich nicht klagen, die Szene ist derzeit gut aufgestellt, an jedem Wochenende gibt es zahlreiche Partys und viele Gäste aus dem Ausland kommen, um die dortige Energie zu spüren. Aber es ist schon alles professioneller geworden. Wir haben zwei, drei internationale Clubs in Buenos Aires, die jedes Wochenende große DJs im Line-up anbieten. Die sehr erfolgreichen, vielgebuchten DJs spielen hier entweder in Buenos Aires oder in Córdoba. Und wenn du den ganzen Kontinent betrachtest?In Argentinien passiert schon das Interessanteste, würde ich sagen. Brasilien wurde immer kommerzieller, die mögen vor allem diesen Tech-House-Stil. Das ist schon gut, also für mich geht das klar, aber Techno ist in Brasilien einfach nicht existent. Und kommerziell meint hier, dass die Promoter und Booker die DJs ins Land holen, die auch ein großes Publikum anziehen—eine Underground-Szene gibt es nicht wirklich. Während die Menschen in Chile vor allem den Sound feiern, den Luciano und Ricardo Villalobos geprägt haben, ähnelt die Szene in Uruguay schon stark der argentinischen, die sind schon cool und spielen auch noch sehr viel Vinyl. Peru ist gerade sehr ruhig, da passiert nicht so viel, aber in Kolumbien sind die Leute immer sehr leidenschaftlich, die schreien unglaublich viel und zelebrieren während des Sets, wollen sogar Fotos machen, wenn du gerade auflegst. Ist das auch in Argentinien zu sehen oder was sind hier die markantesten Veränderungen in den letzten Jahren?Früher war der Community-Gedanke viel stärker im Vordergrund. DJs, Künstler und Musiker, selbst Visual Artists und Maler—sie haben alle zusammengearbeitet in den Clubs, haben sich Konzepte ausgedacht. Aktuell sind viele Business-Leute involviert, es wird alles immer ökonomischer, also wer verkauft die meisten Tickets und so was, da bleibt die Kunst natürlich auf der Strecke. Es gibt also doch ein paar Gründe, sich zu beschweren.Wenn nur die großen Namen gebucht werden, hat das natürlich negative Auswirkungen auf die jungen Talente und das kann nicht wirklich gut sein. Auch die Newcomer müssen gepusht werden. Wie reagiert die junge Generation, organisiert sie ihre eigenen Partys?Die Partys sind sehr klein und in sehr kleinen Clubs. Wenn an diesem Tag auch noch ein Superstar-DJ in der Stadt ist, dann interessiert sich niemand mehr für die unbekannten, lokalen Gesichter. Selbst Rockbands haben es da nicht einfach, es gibt halt jedes Wochenende ein Überangebot und die Leute entscheiden, wo sie hingehen und ihr Geld ausgeben. Zum Jahresende gibt es auch immer mehr Festivals—da haben die jungen Leute einfach keine Chance. Ich habe letztens mit einem argentinischen Promoter gesprochen und habe ihm erzählt, dass auch die großen Clubs in Berlin wie Tresor oder Berghain Jüngere fördern. Er hat mir zwar zugehört, aber irgendwie wusste er nicht so wirklich, was in den anderen Ländern auf der Welt passiert und das sollte er aber eigentlich. Werden DJs in Argentinien als Künstler wahrgenommen?Vor vielen Jahren hat diese Musik nur eine kleine Anzahl an Leuten interessiert, aber es wird immer besser, es ist jetzt sehr populär. Aber es geht zu sehr ums Geschäft, die Agenturen bestimmen, wer wichtig ist und dann wird nur auf das große Geld geguckt, man macht einen Vertrag über zwei, drei Jahre mit einem bekannten Namen und, ach ich weiß nicht, es gibt einen großen Wettbewerbskrieg. Das hört sich nach den typischen Prozessen der Kommerzialisierung an, die scheinbar in jedem Land nach dem Aufstieg es Genres greifen.Damals waren in den Clubs auch viel mehr Stile vertreten und die gebuchten DJs an dem jeweiligen Abend haben auch mal miteinander gespielt, es ging um eine tolle Party und nicht um Politik. Da gab es noch keine Agenturen und Vorschriften, wo man spielen darf und wo nicht. Die Professionalisierung bringt nicht nur mehr Gigs, sondern wohl auch Regeln mit sich. Aber selbst in Berlin gibt es das, da werden DJs Auflagen gegeben, die Ihnen vorschreiben, wann sie erst wieder in einem anderen Club spielen dürfen.Ich will darüber gar nicht so viel nachdenken, ich will nur über mich nachdenken, über meinen Weg und was ich machen möchte. Außerdem lebe ich auch nicht mehr ständig in Buenos Aires, denn es ist traurig nach Hause zu kommen und diese Streitigkeit zu sehen, es sollte doch um die Musik gehen. Drogen sind in Argentinien auch ein großes Thema, nicht wahr?(überlegt lange) In Argentinien sind Drogen ein riesiges Thema, das ist nicht nur auf die Clubs bezogen, es ist ein soziales Thema der Gesellschaft. Es ist ja bekannt, dass wir Probleme mit dem Drogenhandel haben. Die Kartelle aus Kolumbien und Mexiko beginnen verstärkt in Argentinien zu arbeiten, im Land herrscht Transitverkehr—auch nach Europa. Damit ich das richtig verstehe: sie benutzen Argentinien, um Drogen nach Europa zu bringen?Exakt. Und sie verkaufen natürlich auch in Argentinien und stellen auch die Drogen bei uns her. Viele Menschen nehmen Drogen, gerade die jungen Leute. Wenn du in einen Club gehst, siehst du, wie die Jugendlichen Kokain nehmen. Es ist sehr beliebt, einfach zu bekommen, ziemlich billig und auch sehr stark—eine gefährliche Mischung. Das hat auch großen Einfluss auf die Stimmung im Club, es macht die Leute statischer, sie reden viel mehr und die Musik rückt in den Hintergrund. Früher war das anders, da waren eher… …Pillen im Umlauf, richtig? Das trifft auch auf Europa zu, würde ich behaupten.Genau, die Club-Besucher sind halt weniger energetisch, das verändert die Atmosphäre natürlich immens. Gibt es denn keine Regeln, werden die Besucher nicht kontrolliert? Und dürfen die Leute Fotos machen?Alles ist sehr frei, so wirklich strikt ist es nicht. Videos und Fotos gehören irgendwie schon dazu, es ist so nervig. Wenn die Leute Videos machen mit einem Blitz, für mich killt das komplett den Vibe. Und bei einem großen Namen siehst du dann ein Meer aus Smartphones, es ist verrückt. Was hat sich noch in den Clubs verändert?Früher war die Schwulen- und Transsexuellen-Szene viel stärker, das war für mich auch genau das richtige Underground-Konzept, denn die Menschen machen die Party. Ein Kollege von mir postete letztens auf Facebook, dass wir wieder mehr Gays in den Clubs benötigen, das sprach mir förmlich aus dem Herzen. Eine neue Generation von DJs, eine neue Genration von Ravern?Natürlich, man sollte auch nicht die ganze Zeit über die Clubs oder über die jungen Leute meckern. Ich war auch sehr, sehr jung, als ich meine ersten Cluberfahrungen gemacht habe. Es ist auch nicht alles schlecht, gerade die Leidenschaft zeichnet die Argentinier wirklich aus, das ist der stärkste Unterschied zu anderen Orten. Wenn es eine gute Party ist, dann fühlst du das sofort, wenn du den Club betrittst. Dann sind Emotionen im Raum und die Liebe zur Musik. Das gibt es natürlich auch auf der restlichen Welt, aber in Argentinien kann das Feiern definitiv ein Stück expressiver sein.  Und als Serie in der Serie, teile uns doch bitte zum Schluss noch diesen einen Track mit, den du seit Jahren in deinem Plattenkoffer dabei hast und häufig spielst? ** Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.
Baschy Sefid
[ "Drogen", "Interview", "jonas kopp", "Thump", "thump blog", "Words" ]
2014-10-21T19:25:00+00:00
2024-07-31T04:40:28+00:00
https://www.vice.com/de/article/jonas-kopp-interview/
Wie Wohnungsunternehmen in Berlin ihre Mieter bescheißen
Das Badezimmer von Paula, nach dem Besuch der Handwerker. Das Braune ist das, wonach es aussieht Der 30. Juni 2015 beginnt für Paula Weber* mit zwei Handwerkern, die ihr Zuhause im Berliner Wedding in eine Fäkaliengrube verwandeln. Sie sollten sich um die aufgeschwemmte Decke in Webers Bad kümmern, in die seit Monaten Abwasser aus einem Rohr läuft. Die 32-Jährige hofft, dass der Schaden endlich behoben wird. Doch mit den Handwerkern stimmt etwas nicht. “Sie rochen nach Alkohol und schienen, als wüssten sie nicht, was sie tun sollen”, erinnert sie sich. Die Handwerker holen eine Säge und durchtrennen das freiliegende Rohr, ohne die anderen Hausbewohner vorzuwarnen. Es ist acht Uhr morgens, die Hausbewohner gehen auf ihre Toiletten. Literweise Kot, Urin und Abwasser landen in Paula Webers Badezimmer. Plötzlich packen die Handwerker ihre Sachen und gehen. Zurück bleiben Weber und ein Zuhause voller Fäkalien. Sie flüchtet aus ihrer Wohnung und zieht mit ihrem sechsjährigen Sohn auf eigene Kosten in ein Hotel. Weber hat den Vorfall dokumentiert, Fotos geschossen und Videos gedreht. Sie möchte hier nicht mit ihrem echten Namen auftreten. Nicht nur weil sie eine bekannte Schauspielerin ist, sondern weil sie ihre Hausverwaltung nach dem Vorfall auf Schmerzensgeld und Schadenersatz verklagt hat. Die Anwälte der Hausverwaltung bestreiten gegenüber Weber, dass der Vorfall jemals stattgefunden habe. Nicht nur das: Nachdem sie gekündigt hat, behält die Hausverwaltung die Kaution ein. Und es kommt noch besser: Die Hausverwaltung berechnet zusätzlich 1.600 Euro. Für “Schönheitsreparaturen”. Warum handelt eine Hausverwaltung so? Wir haben die Hausverwaltung GMRE Consultants GmbH und ihren Geschäftsführer Rouven Kerstan mit den Vorwürfen per Fax konfrontiert. Das Unternehmen war zu keiner Stellungnahme bereit. Auf dem Mietmarkt wird mit harten Bandagen gekämpft: Neue Gesetze wie die Mietpreisbremse oder Reformen bei Modernisierungen haben die Rechte von Mietern gestärkt. Doch es gibt Vermieter, die an die Grenzen des Rechts gehen, oder darüber hinaus. “Klassiker unter den Problemen mit Vermietern sind Service, Mängelbeseitigung, Auszahlung von Kautionen und Schönheitsreparaturen”, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund (DMB). Und bei Nebenkosten werde häufig getrickst: “Auch bei den großen Unternehmen ist jede zweite Betriebskostenabrechnung falsch”, sagt Ropertz. Immobilienbranchenverbände weisen die Kritik zurück. “Wir gehen davon aus, dass sich unsere Mitglieder an Regelungen halten und dass Abrechnungen stimmen”, sagt Katharina Burkardt, Sprecherin des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), dem größten Branchenverband. Viele Wohnungsunternehmen seien allerdings nicht in Verbänden. So wie die GMRE—Paradebeispiel eines dubiosen Unternehmens auf dem Mietmarkt. Allein auf Facebook haben sich über 300 Mieter in einer Gruppe versammelt, um sich gemeinsam gegen die Firma zu wehren. Sie nennen die GMRE “Berlins schlechteste Hausverwaltung”. Ihr Geld müssen die Mieter oft über Gerichte zurückholen. Die Methoden von Vermietern wie der GMRE wirken dreist: Das Unternehmen lockt zuerst mit günstigen Mieten im Internet und verschweigt die sehr hohe Staffelmiete. Später schlägt es bei den Betriebskosten zu und kassiert über eigene Firmen für Leistungen. Die würden nicht erbracht, sagen mehrere Mieter unabhängig voneinander. Kautionen werden einbehalten, Reparaturen minderwertig und auf Kosten der Mieter durchgeführt. Dokumente, die correctiv.org vorliegen, zeigen das. Martha Ignor vor einem Haus, das von der GMRE verwaltet wird Wie gerät man in eine solche Mietfalle? Im November 2013 will Martha Ignor aus dem Ruhrgebiet nach Berlin ziehen, um eine Ausbildung als Veranstaltungskauffrau anzutreten. Eben noch hat sie mit Dutzenden anderen Interessenten eine Wohnung im Bezirk Wedding angesehen, jetzt sitzt sie in einem kleinen Büroraum. Vor ihr liegt ein über 20 Seiten dicker Mietvertrag. Die 25-Jährige braucht so dringend eine Wohnung, dass sie nach der Besichtigung mit dem Taxi in das Büro der GMRE gefahren ist. Ein Mitarbeiter der Hausverwaltung habe ihr dazu geraten, damit sie die Erste sei, sagt sie. 419 Euro für 48 Quadratmeter, das ist für sie viel Geld, scheint ihr aber auf dem umkämpften Berliner Wohnungsmarkt angemessen zu sein. Dann bemerkt Ignor, dass der Vertrag eine Staffelmiete vorsieht. Die sei ihr bei der Besichtigung verschwiegen worden, sagt sie. Rund sechs Prozent soll die Kaltmiete jedes Jahr steigen. Binnen zehn Jahren würde die Wohnung mehr als 700 Euro Kaltmiete kosten. Die Mieten steigen durchschnittlich um drei Prozent pro Jahr in Berlin. Von einem sittenwidrigen Wucher, so der Berliner Mieterverein auf Anfrage, kann man sprechen, wenn der Vermieter zur Durchsetzung der Staffelmiete eine Notlage oder beschränkte Einsichtsfähigkeit des Interessenten ausnutzt. Martha Ignor zögert, doch sie braucht dringend eine Wohnung. Sie unterschreibt den Vertrag—ein Fehler, der sie viel Geld kosten wird. Viele GMRE-Mieter, mit denen correctiv.org gesprochen hat, sind wie Martha Ignor: jung und dringend auf eine Wohnung angewiesen. Daher sehen sich viele genötigt, Risiken einzugehen. Und auf sie scheinen es Vermieter wie die GMRE abgesehen zu haben. Das Unternehmen drängt die Interessenten dazu, schnell einen Mietvertrag zu unterschreiben, berichten Interessenten. Zwei Betroffene erzählen, die GMRE-Vertreter hätten sie außerdem aufgefordert, eine Courtage schwarz zu bezahlen; ein ehemaliger Mieter versichert den Vorfall schriftlich. Auch zum Fall Martha Ignor hat die GMRE keine einzige Frage beantwortet. Martha Ignor zieht Anfang Dezember 2013 in die GMRE-Wohnung ein. Erst nach dem Einzug, bei genauerem Hinsehen, fällt ihr der schlechte Zustand der Wohnung auf: “Die Fenster ließen sich nicht öffnen, der Boden kam hoch, die Gas-Therme war seit über zehn Jahren nicht gewartet”, sagt sie. Ein Dreivierteljahr später, im September 2014, schickt ihr die GMRE die erste Betriebskostenrechnung, also die Abrechnung von Hausbetreuung, Reinigungen, Müllentsorgungen. Ausgenommen sind hier Wasser- und Heizkosten. Allein für den Dezember 2013 soll Ignor bereits 34 Euro nachzahlen—zusätzlich zu den ursprünglich veranschlagten elf Euro. Ein Jahr später, im September 2015, kommt die nächste Rechnung. Die GMRE verlangt eine Nachzahlung von 291 Euro für das Jahr 2014. Mehrere Betriebskostenabrechnungen anderer GMRE-Mieter liegen correctiv.org vor. Sie belegen: Die Kosten steigen bei den Mietern systematisch. Die Nachzahlungen von Betriebskosten betragen pro Jahr bis zu 843 Euro. Und zwar für Leistungen, die nicht erbracht wurden, wie Mieter aus verschiedenen Berliner Bezirken berichten. Häufig setzen Wohnungsunternehmen die Heiz- und Betriebskosten-Vorauszahlungen deutlich zu niedrig an, um eine günstigere Gesamtmiete vorzutäuschen. Das heißt: Interessenten werden die tatsächlich zu erwartenden Kosten verschwiegen. Christian Emmerich ist seit 34 Jahren Anwalt für Mietrecht und seit einiger Zeit auch Radioexperte für das Thema Miete. Er sagt: “Mieter haben in Sachen Betriebskosten kaum mehr Rechte.” Der Aufwand, der betrieben werden müsse, um dem Vermieter einen Fehler nachzuweisen, sei kaum zu stemmen. “Der Betrug durch Hausverwaltungen ist nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorprogrammiert”, sagt Emmerich. Lange galt: Wenn ein Mieter nachweisen kann, dass Betriebskosten vorsätzlich zu niedrig angesetzt wurden, hat er Anspruch auf Schadenersatz. Die Zeiten sind vorbei. Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtspraxis im Jahr 2004 beendet und verwies auf die Vertragsfreiheit. Für den Mietvertrag gilt seither: Unterschrieben ist unterschrieben. Alle Beweislast liegt beim Mieter. Zuständig fürs Saubermachen und Reparieren sind in den von GMRE verwalteten Häusern die Firmen Lan. Sky Hausmeisterservice und G-Force Property Services. Letztere hat den Fäkalienschaden in der Wohnung der Schauspielerin Paula Weber zu verantworten. Pikant: Beide Unternehmen gehören dem Chef der GMRE, Rouven Kerstan. Über diese Parallelfirmen kassiert die GMRE über die jährlichen Betriebskostenabrechnungen für Hof-, Haus- und Dachrinnenreinigung, Hausbetreuung und Winterdienst. Das bedeutet: Jede dritte Rechnung in der Betriebskostenauflistung schreibt sich Rouven Kerstan am Jahresende selbst. Der Hausflur eines von der GMRE verwalteten Hauses In einem GMRE-Haus in der Triftstraße im Berliner Wedding haben sich mehrere Bewohner zusammengeschlossen, um die Miete zu kürzen. Maike Hochrath war dort Mieterin. Sie sagt: “Ein Zigarettenstummel lag ein halbes Jahr auf der Treppe. Es wurde nie gereinigt.” Auch der Garten und die Dachrinnen sollen nie gereinigt worden sein, im Winter wurde kein Schnee geschippt. Abgerechnet wurde trotzdem alles. Hochrath und ihr Partner sollten für das Jahr 2014 insgesamt 567 Euro nachzahlen, allein die Reinigungskosten betrugen rund 200 Euro. Das klingt nach Peanuts. Doch bei Dutzenden Mietparteien im Haus ergeben sich so einige Tausend Euro für die GMRE. Für Ulrich Ropertz, den Sprecher des DMB, sind in großem Umfang nicht erbrachte Leistungen Betrugsfälle für den Staatsanwalt—aber eben kaum nachzuweisen. Bei Berlins Mietervereinen ist die GMRE keine Unbekannte. “Beschwerden über die GMRE gibt es massenhaft”, sagt Susanne Boettcher, Sprecherin des Berliner Mieterschutzbundes. Für die Mieter sei dort telefonisch zu keinem Zeitpunkt jemand zu erreichen, auf Schreiben der Mieter antworte die GMRE häufig nicht, Kautionen zahle sie schleppend oder gar nicht aus. Die Sprecherin vom Berliner Mieterverein, Wibke Werner, ergänzt: “Reparaturen werden nicht gemacht, Betriebskosten sind unstimmig.” Der Ton zwischen Eigentümern, Hausverwaltungen und der Mieterschaft in Berlin habe sich insgesamt verschärft, resümiert eine Sprecherin der Wohnungsaufsicht Tempelhof-Schöneberg. “Da sind auch die großen Verwaltungen wie DEGEWO, Deutsche Wohnen und GAGFAH [jetzt Marktführer Vonovia, Anm. d. Red.] nicht ausgenommen.” Frustrierte Mieter wollen oft nur noch eines: ausziehen. Doch die Scherereien gehen weiter. Johannes Bürder zieht im Dezember 2015 nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit der GMRE aus seiner Wohnung in Berlin-Neukölln aus. Monatelang wartet Bürder auf die Rückzahlung seiner Kaution. Dann berechnet ihm die GMRE knapp 3.000 Euro für Schönheitsreparaturen nach seinem Auszug. Für Maler-, Elektriker-, Sanitär- und Reinigungsarbeiten—all das, was G-Force und Lan. Sky für die GMRE erledigen. Nach Ablauf der Frist zur Auszahlung der Kaution klagt Bürder jetzt. Martha Ignor ist mittlerweile auch ausgezogen. Von ihrer Kaution von über 1.000 Euro bleiben der Auszubildenden nur 28 Euro. Einen Teil behält die GMRE für “ausstehende Nebenkostenabrechnungen” ein. Den Rest—485 Euro—berechnet sie als Schadenersatz. Der GMRE-Außendienstler Marian A. vereinbart bei der Wohnungsabnahme mündlich mit Martha Ignor drei Besichtigungstermine, die die GMRE später bestätigen will, wie A. versichert habe. “Wir waren ganz nett per Du, dann war er nicht mehr erreichbar”, sagt Ignor. Später wird die GMRE gegenüber der Mieterin behaupten, sie hätte sich geweigert, ein Protokoll mit den Besichtigungsterminen zu unterschreiben. Offenbar hat A. Das Protokoll unterzeichnet, Ignor aber nicht vorgelegt. Ignor sagt: “Ich wusste gar nicht, dass es das Protokoll gibt.” Wegen Besichtigungen gemeldet habe sich die GMRE zwischenzeitlich nicht. Correctiv.org ruft den Außendienstler Marian A. auf seinem Handy an. Doch der kann die Aufregung nicht verstehen: “Das war eine einmalige Sache. Die Mieterin hat falsch reagiert, jetzt liegt das wie eine Narbe auf mir.” Die Frage, ob er das Protokoll der Mieterin vorsätzlich nicht gezeigt hat, oder ob es ein Versehen war, beantwortet er nicht mehr. Er legt auf. Bei einem anderen Mieter hat die Drohung mit seiner Anwältin ausgereicht, nachdem auch ihm die GMRE über 900 Euro von der Kaution als Schadenersatz abziehen wollte. Weil auch er angeblich keine Besichtigungstermine zulassen wollte—auch er sagt, dass er das Protokoll nie gesehen habe. Seine Anrufe und Mails seien ins Leere gegangen. Erst als die Anwältin des Mieters den zuständigen Sachbearbeiter Matthias N. erreicht habe, entschuldigte dieser sich: “Alles ein Versehen, eine Verwechslung.” Monate später wurde der Betrag erstattet. “Strafverfahren werden schnell eingestellt. Die Staatsanwälte haben zu viele andere Dinge zu tun”, sagt Mietrechtsexperte Christian Emmerich. Diese Erfahrung musste auch Johannes Bürder machen. Der Ex-Mieter wollte die GMRE wegen Betrugs anzeigen. Eine Polizeibeamtin in der Berliner Wedekindstraße nahm die Anzeige gar nicht erst an. Was Bürder erzähle, reiche nicht aus für eine Anzeige. Die Hausordnung der GMRE für die eigenen Räume Welche Vorgaben die GMRE ihren Mitarbeitern macht, ist unklar. Eine ehemalige Mitarbeiterin sagt, dass der Job Dinge von ihr verlangt habe, die sie nicht für richtig hielt. Deshalb habe sie gekündigt. Die betroffenen Außendienstler und auch der GMRE-Chef Rouven Kerstan lassen sich nirgends im Internet, ausser auf der GMRE-Website finden—keine Fotos, keine Kontakte. Hinter der Hausverwaltung steckt eine Holding mit Sitz in London. Im Jahr 2006 kaufte ein Unternehmen namens Gabriel International 54 Häuser in Berlin. Im selben Jahr gründete Rouven Kerstan die Firma Gabriel Management, später GMRE Consultants GmbH, die die Häuser der Londoner Holding in Deutschland verwaltet. Ihren Sitz hat die GMRE in der Schillstraße 8 in Berlin-Tiergarten. Nebenan in Haus 9 sitzt die Kanzlei Jotzo&Jung, die die GMRE gegen ihre Mieterschaft vertritt. Die GMRE verwaltet Wohnungen in ganz Berlin, von Tempelhof bis nach Pankow. 2008 waren es nach eigenen Angaben rund 3.000 Objekte. Wie viele es heute sind, will die Firma nicht sagen—nach Recherchen von Correctiv.org inseriert die GMRE auch Wohnungen in Häusern, die bisher nicht der Gabriel gehörten. Gabriel International hat laut ihrem Geschäftsbericht in 2014 knapp 12 Millionen Euro Umsatz gemacht. Correctiv.org hat den verantwortlichen Geschäftsführer Kerstan mit den oben beschriebenen Vorwürfen der Mieter konfrontiert und um eine Stellungnahme gebeten. Wir waren zudem vor Ort und haben einen Fragenkatalog persönlich im Büro der GMRE abgegeben. Beim Besuch wurden wir gezwungen, uns hinzusetzen, bevor wir ohne Gespräch entlassen wurden. Auf die 15 Sachverhalte und über 30 Fragen wollte die GMRE bis zum Redaktionsschluss nicht antworten—weder schriftlich noch mündlich. *Name von der Red. geändert Dieser Artikel ist entstanden in Zusammenarbeit mit Correctiv.org, dem ersten gemeinnützigen Recherchezentrum im deutschsprachigen Raum. Correctiv finanziert seine Recherchen aus Zuwendungen von Stiftungen und Bürgern. Hier kannst du Correctiv unterstützen.
Matthias Bolsinger und Benedict Wermter, Correctiv.org
[ "Berlin", "Correctiv", "Miete", "Stuff", "Vice Blog" ]
2016-05-19T04:00:00+00:00
2024-07-30T22:04:21+00:00
https://www.vice.com/de/article/3by38n/wie-wohnungsunternehmen-ihre-mieter-prellen-gmre-berlin
Die total überflüssigen DJs der E3
Fotos von Dave Schilling und Jamie Lee Curtis Taete Ich verstehe und würdige den Aufstieg von elektronischer Musik und DJ-Kultur. Ich sehe, wie es die Leute zusammenbringt, eine persönliche Ausdrucksform kreiert und dir die perfekte Möglichkeit gibt, Ecstasy zu schlucken und „aus Versehen“ irgendwelche Frauen in Clubs zu berühren. Ich verstehe es. Und doch akzeptiere ich nicht, dass DJs überall hingehören. Sie sollten zum Beispiel nicht auf alltäglichen Veranstaltungen wie Babypartys, Weihnachtsmärkten, Gerichtsverhandlungen, Galerieeröffnungen, Hundeshows, Inlineskate-Wettbewerben, Wahlkampfveranstaltungen, Verkehrsunfällen, dem chinesischen Neujahr oder dem Superbowl rumstehen. Nicht überall muss getanzt werden. Tatsächlich sind die meisten öffentlichen Veranstaltungen merkwürdig. Ganz besonders, wenn dort versucht wird, dir etwas zu verkaufen. Ich war vor zwei Wochen auf der Spielemesse E3 in Los Angeles und wie auf jeder anderen Messe oder Versammlung unserer modernen Zeit war das Ding mit DJs vollgepackt. Ich muss nicht hören, wie der „Bass gedroppt“ wird, während ich mir die neue Xbox anschaue oder in der Kloschlange stehe, vielen Dank. Ich beschloss, mich etwas umzusehen und herauszufinden, ob jemand wirklich zu der Musik abgeht, die die vielen, vielen E3-DJs spielten. Wie ihr sehen könnt, gibt unser erster Vinylmeister alles. Ich habe diesen Typen wegen seiner Hingabe zu traditionellen DJ-Techniken ausgewählt. Sicher, er hat seinen Laptop, aber er bleibt der Sache mit seinen Turntables auch sehr treu. Leider macht er das alles für ein Publikum von null. Vielleicht ist es Zeitverschwendung, wenn man in einer Messehalle laute Musik spielt, wo auch jeder Andere laute Musik spielt, aber niemand da ist, um zu tanzen oder zuzuhören. Hey, vielleicht sollte der DJ einfach rausgehen? Du weißt schon, da, wo es nicht so laut ist? Ach warte, hier ist ja auch niemand. Vielleicht braucht er etwas Hilfe von seinen Freunden … Oh Scheiße! Es ist Pac-Man! Er ist zurück und lässt es krachen! Es gibt niemanden in der Welt der Videospiele, der mehr auf elektronische Musik steht als Pac-Man. Er schluckt tonnenweise komische Substanzen und umarmt die ganze Zeit Leute mit seinen merkwürdigen Stummelarmen. Trotz Pac-Mans großem Bemühen Leute anzulocken, kam niemand, um ihm Gesellschaft zu leisten. Da ist ein Typ, der wirklich gähnt. Er befindet sich direkt in Blickwinkel des DJs und ist sichtbar desinteressiert. Es ist nicht so, dass dieser Gentleman es nicht liebt, Party zu machen. Jeder mit so vielen Buttons an seinem Kurier-Täschchen muss einfach ein Knaller sein. Wie viel auditivie und visuelle Stimulation braucht dieser Kerl? Hol dir einen Kaffee, verdammt! Selbst wenn niemand da ist, ist es lebensnotwendig, sich intensiv mit seinem Handwerk zu beschäftigen. Ich vermute, dieser Typ wirft ein genaues Auge auf die Lautstärke und ordnet seine Playlist bis zur Perfektion. Entweder das, oder er aktualisiert sein OkCupid-Profil. Nach stundenlanger Suche fand ich endlich Messebesucher, die richtig Spaß und die richtigen Vibes hatten. Wenn ihr jemals vier farblich abgestimmte Tänzer sehen wolltet, die einen Interpretationstanz zu George Michaels „Careless Whisper“ aufs Parkett zaubern (und ich weiß, dass ihr das wollt), dann war das hier Woodstock für euch. Es gab sogar Publikum, das übers ganze Gesicht grinste und einen Jungen vor der Bühne, der ganz offensichtlich high war—aber keinen einzigen DJ. Wir sollten uns alle daran erinnern, dass DJs eigentlich nichts tun und nur sehr wenig Unterhaltungswert zu einer Veranstaltung beitragen, die kein Rave ist. Manchmal bekommen sie Tausende, um merkwürdig rumzustehen und ein paar Knöpfe zu drücken. Aber immerhin haben diese tanzenden Menschen etwas Interessantes gemacht. Sie haben stundenlang geübt und das hat sich ausgezahlt. Sie sehen dabei nur sehr merkwürdig aus. Nun bin ich mir sicher, dass auch hier jemand einen Knopf gedrückt hat, um „Careless Whisper“ laufen zu lassen. Aber rate, wo er oder sie dabei war? Im Hintergrund, nicht sichtbar. Manchmal will ich einfach nicht feiern. Manchmal will ich einfach nur sehen, wie sich Leute lächerlich machen. Ist das etwa zu viel verlangt?
Dave Schilling
[ "Computerspiele", "dj", "DJs", "e3", "Stuff", "Vice Blog", "Videospiele" ]
2013-06-27T13:00:00+00:00
2024-07-31T05:21:32+00:00
https://www.vice.com/de/article/die-total-uberflussigen-djs-der-e3/
10 Fragen an einen Mormonen, die du dich niemals trauen würdest zu stellen
Anhängerinnen und Anhänger des Mormomentums kennen sich mit Ablehnung aus. Wenn sie missionierend von Haus zu Haus ziehen, freuen sich nicht alle über ihren Besuch. Auch René Krywult kann solche Geschichten erzählen. Schon in seiner Kindheit riefen ihm andere Kinder oft “Hormon” hinterher. Heute ist er 46, Mitglied einer mormonischen Kirche in Wien und bezeichnet sich selbst lieber als “Heiliger der Letzten Tage”. Seine Kirche – die größte mormonische weltweit – wurde 1830 von Joseph Smith gegründet und heißt “Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage”. In Deutschland hat sie nach eigenen Angaben etwa 40.000 Mitglieder, weltweit sind es mehr als 16 Millionen. Ihre Anhängerinnen und Anhänger glauben nicht nur an die Bibel, sondern auch an das Buch Mormon. Außerdem tragen sie heilige Unterwäsche und die Männer durften 47 Jahre lang mit mehreren Frauen verheiratet sein, Splittergruppen praktizieren die Vielehe noch immer. Wir haben Fragen. VICE: Wie traurig bist du, dass Polygamie bei euch abgeschafft wurde?René Krywult: Gar nicht, ich finde das super! Wer will schon mehr als eine Schwiegermutter? Polygamie war früher wichtig, um dafür zu sorgen, dass es viele Nachkommen für die Kirche gibt. Ich bin aber froh, dass sie heute nicht mehr notwendig ist. Vielehen sind für niemanden einfach, weder für Frauen noch für Männer. Sie waren aber nunmal eine religiöse Pflicht. Es gab aber auch staatlichen Widerstand. In den USA hat man den Mormonen die Bürgerrechte abgesprochen und das Eigentum der Kirche konfisziert. Das hat das Wachstum der Kirche gehindert. Deshalb wurde Polygamie auch durch eine Offenbarung 1890 abgeschafft, weil Gott damit nicht mehr erreichen konnte, was er wollte. Wie gehst du mit schwulen oder lesbischen Kirchenmitgliedern um?Niemand kann etwas für die eigene Neigung, ob sie nun angeboren oder anerzogen ist. Es gibt bei uns aber ein klares Gebot, das aussagt, dass Sexualität nur zwischen Mann und Frau auszuüben ist. Alles andere ist eine Sünde. Ich kann verstehen, dass es eine schwere Entscheidung für diejenigen ist, die sich dann trotzdem für unsere Gemeinschaft entscheiden. Ich respektiere sie dafür und bemühe mich, sie zu unterstützen. Auch bei VICE: Der Kampf der Mormonen gegen Pornografie Seid ihr eine Sekte?Diese Frage bin ich gewohnt. Ich frage dann immer, welche der vielen verschiedenen Sektendefinitionen die Person meint, und erkläre ihr, wieso sie gar nicht versteht, wovon sie redet. Der Sektenbegriff hat sich nämlich stark gewandelt. Früher meinte man christliche Splittergruppierungen, die im 19. Jahrhundert entstanden sind, damit. Aufgrund diverser Kults verbanden Menschen ab den 60er Jahren eher Gehirnwäsche, Ausbeutung, Abschottung und Psychotricks mit Sekten. Das passt so gar nicht zu uns. Wieso glaubst du, dass Satan Jesu Bruder ist?Wir glauben, dass wir alle vor unserer Geburt geschaffen wurden und der Unterschied zwischen Jesus im vor-irdischen Dasein und uns nicht groß ist. Außerdem sind wir alle Brüder und Schwestern. Wenn jemand diese verschiedenen Teile der Lehre nimmt, kann man Satan also als den Bruder Jesu verstehen. Das passt aber einfach nicht, weil sich Luzifers Persönlichkeit so stark verändert hat, dass er nicht mehr zur Gemeinschaft gehören konnte. Es würde also kein Mormone behaupten, dass Satan der Bruder Jesu ist. Diese Aussage kommt von unseren Gegnern. Wie fändest du es, wenn deine Tochter einen Minirock tragen würde?Meine Kinder sind erwachsen und mir steht es nicht zu, ihnen zu sagen, was sie anziehen sollen – das müssen sie zwischen sich und Gott aushandeln. Als sie kleiner waren, habe ich aber immer gesagt: “Pass auf, was du in die Auslage legst, und reg dich nicht drüber auf, wenn andere es betrachten oder kaufen wollen.” Ich hatte aber größere Probleme damit, als eines meiner Kinder den Kleidungsstil der damaligen Emos übernommen hatte. Da ging es aber eher um den Lebensstil der Gruppe und nicht um die Kleidung. Was ist das Schlimmste, das dir beim Missionieren passiert ist?Mir ist nicht viel passiert, aber mein ältester Sohn wurde beim Missionieren in England angespuckt und sogar mit Steinen beworfen. Ein Missionar hat mir erzählt, dass er in Wien in einem Gebäude mit einem Messer bedroht wurde. Die Kernaufgabe der Mission ist es aber zu belehren und nicht zu kontaktieren. Es macht auch keinen Sinn, jemandem etwas einzureden, das nicht passt. Psychotricks wären da der falsche Weg. Ich habe zum Beispiel Bekannte, die einen Todesfall in der Familie hatten. Sie wissen, dass ich Mitglied der Kirche bin – und wollten mit mir reden, weil sie den Tod nicht verkraften konnten. Im Gespräch habe ich dann irgendwann vorgeschlagen, einen Missionar mit einzubeziehen. Nutzt du beim Missionieren schwache Momente der Menschen aus?Ich weiß nicht, ob es schwache Momente sind, aber es geht darum, Hilfe anzubieten, wenn sie gefragt ist. Ich würde zum Beispiel nicht in eine Disco gehen und dort anfangen zu predigen. Das macht keinen Sinn. Trinkst und rauchst du heimlich, obwohl es verboten ist?Wenn es ein Medikament auf Alkoholbasis gibt, das für mein Problem am besten ist, nehme ich es. Ich kenne auch Kirchenmitglieder, die Opiate gegen Schmerzen nehmen. Ansonsten weiß ich aber nicht, wieso ich Alkohol trinken sollte. Das Zeug brennt, es schmeckt nicht und man müsste sich dran gewöhnen. Kaffee hat mir auch nie geschmeckt und ich bin gegen Koffein allergisch – Bohnenkaffee und Schwarztee sind nämlich auch nicht erlaubt. Wie datet man, wenn Sex vor der Ehe verboten ist?Sexualität ist etwas Gutes, sie dient der Fortpflanzung und dazu, das Ehepaar noch enger zusammenzubringen. Es gibt aber Regeln. Sex muss exklusiv sein, um die Ehepaare gut zusammenbringen zu können. Meine Frau und ich haben gegen diese Regel verstoßen. Ich war damals erst 17 Jahre alt und obwohl wir heiraten wollten, war es in Österreich nicht erlaubt. Wir sind dann zusammengezogen – und sie wurde schwanger. Als Konsequenz konnte ich dann für 12 Monate nur eingeschränkt am Gemeindeleben teilnehmen. Ich bin der Meinung, dass heutzutage der Körper zu sehr in den Vordergrund gestellt wird. In einer Ehe ist es aber normal, dass körperlich manchmal gar nichts läuft. Ich weiß noch, dass meine Ehefrau und ich nach unserem ersten Kind längere Zeit keinen Sex hatten. Wenn der körperliche Aspekt einer Beziehung in einer solchen Zeit im Vordergrund steht, entwickeln sich Zweifel. Man schafft haltbare Ehen, wenn Sex erst später ins Spiel kommt. Masturbierst du?Ich bin verheiratet, ich habe das also nicht nötig. Wir gehen wie gesagt davon aus, dass Sex Ehepaare näher zusammenbringen soll. In jeder Ehe gibt es aber Schwierigkeiten, die sich meistens auch in der Sexualität ausdrücken. Wenn sich dann ein Partner in Pornografie oder Masturbation flüchtet, fehlt das Druckmittel, um die Dinge auszudiskutieren. Deswegen glaube ich, dass es nicht gut ist. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Steven Meyer
[ "10 Fragen", "glaube", "Kirche", "Österreich", "Religion" ]
Menschen
2019-08-17T00:00:00+00:00
2024-07-30T14:52:14+00:00
https://www.vice.com/de/article/10-fragen-an-einen-mormonen-die-du-dich-niemals-trauen-wurdest-zu-stellen/
In diesen Bildern verschwimmen die Grenzen der Realität – und das ganz ohne CGI-Bildbearbeitung
Ein Foto entstehen zu lassen, das sich über die Grenzen der Realität hinwegsetzt, und das ganz ohne CGI-Bildbearbeitung, ist genauso aufwendig wie lohnenswert. Der schwedische Fotograf Erik Johansson führt uns per Hyperlapse in einem How-to-Video durch den Entstehungsprozess des oben abgebildeten Fotos namens Impact. Dafür hat er mehrere Fotos von wüstenartigen Landschaften, Seen, zerbrochenen Spiegeln und einem Fisch aufgenommen und diese Bilder so zusammengesetzt, dass die Illusion eines unberührten Sees entsteht, der zerbricht, sobald man an Land geht.   „Es dauert genau so lange, die einzelnen Bilder tatsächlich aufzunehmen, wie wenn man versuchen würde, den gleichen Effekt durch Spielereien in Photoshop zu erzielen, also wollte ich es spaßeshalber mit eigenen Fotos versuchen“, erzählte Johannson 2014 in einem Interview mit Motherboard. „Und weil ich echte Fotos benutze, kann mir niemand vorwerfen, dass es nicht realistisch aussieht, und das ist mir bei meinen Arbeiten schon sehr wichtig.“ Verfolgt in diesem Behind-The-Scenes Johanssons Entwicklung und schaut euch weiter unten mehr von seinen Bildern an. A photo posted by Erik Johansson (@erikjohanssonphoto) on Jul 28, 2013 at 4:28am PDT A photo posted by Erik Johansson (@erikjohanssonphoto) on Jul 28, 2013 at 7:06am PDT Cutting Light A photo posted by Erik Johansson (@erikjohanssonphoto) on Jul 28, 2013 at 4:34am PDT Angry Ants.. A photo posted by Erik Johansson (@erikjohanssonphoto) on Jul 28, 2013 at 7:06am PDT Mehr seiner Arbeiten könnt ihr auf seiner Webseite und seinem Instagram-Account sehen. Folgt hier The Creators Project auf Instagram. 
Beckett Mufson
[ "Creators", "Erik Johansson", "Fotografie" ]
2016-04-08T14:50:00+00:00
2024-07-30T23:01:43+00:00
https://www.vice.com/de/article/in-diesen-bildern-verschwimmen-die-grenzen-der-realitaet-und-das-ganz-ohne-cgi-bildbearbeitung-2434/
Schadet der Mainstream-Feminismus der Frauenrechtsbewegung?
Über die letzten Jahre hat Feminismus seinen Schimpfwortcharakter abgelegt—auch wenn es immer noch genug Leute gibt, die geradezu allergisch auf den Begriff reagieren. Im Gegensatz zu einigen hochkarätigen Promis betrachtet sich der Großteil der Leute zwar immer noch nicht als „feministisch”, doch gerade im Netz bilden sich immer mehr Initiativen, die für Aufklärung und Zusammenhalt sorgen. Die zunehmende Sichtbarkeit von Feminismus in den Mainstream-Medien hat auch eine Kehrseite, denn um mehr Akzeptanz zu erlangen, musste sich die Bewegung immer weiter an die kapitalistischen und patriarchalen Strukturen unserer Kultur annähern. Der „Marktplatz-Feminismus” wie es Andi Zeisler—Mitbegründerin der popfeministischen Mediengruppe Bitch Media—in ihrem neuen Buch „We were feminists once” nennt, ist eine zweischneidige Klinge. Viele Stars und große Marken profitieren vom vermeintlichen Siegeszug der Frauenrechtsbewegung, meint Zeisler, doch sie verwässern die feministischen Botschaften der Bewegung teils bis zur Unkenntlichkeit. Während Instagram-Stars im Namen der Selbstbestimmung Nackt-Selfies posten und Promis ihre „Girl Squads” als Sinnbild für weibliche Solidarität darstellen, geraten die reproduktiven Rechte von Frauen zunehmend in Gefahr, die wirtschaftliche Ungleichheit besteht weiter fort und weltweit leben Frauen weiterhin mit der ständigen Angst vor sexueller Gewalt. Wir haben mit Zeisler über den abgespeckten Feminismus gesprochen, der uns von der Popkultur vorgesetzt wird und haben sie gefragt, welche Probleme dabei trotz allem unangetastet bleiben und wie Frauen die neue Popularität von Feminismus dennoch zu ihrem Vorteil nutzen können. Foto: PublicAffairs Broadly: Woran hast du „Marktplatz-Feminismus” zum ersten Mal erkannt und warum wolltest du darüber schreiben? Andi Zeisler: Ich habe gemerkt, dass Feminismus durch die Politik immer stärker aus dem Kontext gehoben wurde. Es wurde mehr über die Definition von Identitäten gesprochen, als über tatsächliche Maßnahmen. Mit Beyoncé und Emma Watson schien Feminismus dann 2014 über Nacht einen massiven Durchbruch im Mainstream zu erleben. Plötzlich redete jeder über Feminismus. Mir wurde klar, dass es wichtig war, darüber zu sprechen, weil es zum Trend wurde und sobald etwas zum Trend wird, hat das auch entsprechende Auswirkungen darauf, was die Leute damit in Verbindung bringen und inwiefern sie einen Trend als politische Bewegung begreifen. Es ist interessant, dass Feminismus zum Trend wurde, die Bewegung aber dennoch immer noch mit so vielen negativen Stereotypen behaftet ist. Wie kann es sein, dass zwei so unterschiedliche Auffassungen nebeneinander existieren können?Ich glaube, dass es da keinen Zusammenhang gibt. Als der Feminismus 2014 gewissermaßen seinen Durchbruch erlebte, passierte das nicht aus dem Nichts heraus. Über die letzten Jahrzehnte gab es immer wieder verschiedene feministische Strömungen—sowohl online wie auch offline—die den Boden dafür bereitet haben. Und selbstverständlich bot auch das Internet neue Wege, um das Bewusstsein für den Feminismus zu schärfen. Es ist eine Plattform, um dem Mainstream beziehungsweise einem breiteren Publikum Ideen zu präsentieren, die schon seit jeher innerhalb der feministischen Bewegung entwickelt wurden. Wenn man zum Beispiel an den Fall der beiden Footballspieler aus Steubenville vor ein paar Jahren denkt, die eine 16-Jährige vergewaltigt haben, dann gab es auch damals viele Feministen, die anders darüber schrieben und davon berichteten als die Mainstream-Medien. Sie haben die Diskussion genutzt, um darüber zu sprechen, dass der Körper von Frauen generell immer als Eigentum betrachtet wurde und dass wir ein schädliches Bild von Männlichkeit bei Jungen heranzüchten. Dabei handelte es sich um feministische Ansätze, die jedoch aus aktuellem Anlass im Kontext des Mainstreams stattfanden. Die feministischen Diskussionen, die sich auf den Mainstream ausgedehnt haben, haben den Weg dafür geebnet, dass viele Leute Feminismus in einem anderen Licht sehen. Das wiederum führt allerdings auch dazu, dass Menschen—insbesondere die Industrie—versucht, daraus Profit zu schlagen. Wäre es besser, es gäbe weniger Feministen, wenn dadurch die Bedeutung der Bewegung erhalten werden könnte?Das ist eine zweischneidige Sache. Auf der einen Seite gibt es da diese strahlende, witzige und sexy Form von Feminismus. Feminismus ist aber eben nicht immer nur bequem. Deshalb geht es meiner Meinung nach nicht darum, ob der Trend nun etwas gutes oder etwas schlechtes ist. Es geht vielmehr um die Frage, wie wir diese Popularität nutzen können, um Feminismus an sich voranzutreiben. Welche feministischen Themen sind durch die Kommerzialisierung der Bewegung verloren gegangen?Sie sind nicht direkt verloren gegangen … Sie waren vermutlich nur nie wirklich auf dem Radar des Mainstreams. Viele der weniger kommerziellen Themen haben sicherlich mit dem Leben von Frauen zu tun, die nicht für irgendein Unternehmen arbeiten und sich nicht „vom Willen zum Erfolg”, wie Sheryl Sandberg es nennt, leiten lassen. Dabei geht es vor allem um Frauen mit einem geringen Einkommen, in einer Anstellung ohne Kündigungsschutz wie Kellnerinnen oder Angestellte in Fastfood-Ketten oder Fabriken. Viele von ihnen sind arm, ganz egal wie hart sie arbeiten, was sie wiederum auch leichter zu Opfern sexueller Belästigungen oder Übergriffe oder unfairer Gehälter werden lässt. Zudem haben die meisten von ihnen keinen Anspruch darauf, sich eine Auszeit oder Zeit zum Stillen zu nehmen. Diese Umstände sind für viele Frauen noch immer Alltag, werden aber von dem vorherrschenden Elitefeminismus, der sich auf Individualität und Macht konzentriert, ausgeblendet, sodass diese Themen bei weitem nicht so präsent sind, wie sie eigentlich sein sollten. Mehr lesen: Modernen Vegetarierinnen geht es nicht mehr um Feminismus Ein Phänomen, das besonders viel Aufmerksamkeit bekommen hat, ist die Verwendung von sexualisierten Bildern als Zeichen der Selbstbestimmung—zum Beispiel Kim Kardashians Nackt-Selfie. Können Frauen, die mit ihrem Körper angeben, in deinen Augen Feministen sein oder handelt es sich dabei nur um eine direkte Demonstration von Marktplatz-Feminismus?Im Fall von Kim Kardashian ist es natürlich so, dass sie selbst ihre eigene Marke ist. Dabei geht es nicht um Selbstbestimmung im Sinne einer gesellschaftlichen oder globalen Bewegung. In ihrem Fall geht es darum, dass sie als selbstbestimmte Frau ihren Körper zu Karrierezwecken einsetzt und Geld damit verdient. Wenn Kim Kardashian nicht aussehen würde wie Kim Kardashian, dann würde sie auch keine Nackt-Selfies posten und es Selbstbestimmung nennen. Natürlich gab es auch schon Bewegungen, die den weiblichen Körper direkt als Zeichen der Selbstbestimmung eingesetzt haben, aber ich bezweifle, dass das auch das Ziel von Kim Kardashians Nackt-Selfie war. In meinen Augen ging es vielmehr um ihre eigene Marke, als um die Befreiung von Frauen. Das heißt nicht, dass wir Frauen, die auf diese Weise ein Gefühl der Selbstbestimmheit bekommen, zensieren oder herabstufen sollten. Doch die größere Frage sollte sich nicht um den Einzelnen drehen. Sie sollte sich auf das System beziehen. Warum leben wir in einer Gesellschaft, in der der leichteste Weg zur Selbstbestimmung die Zurschaustellung unseres nackten Körpers ist, dasselbe jedoch nicht für Männer gilt? Wie ist es möglich, dass daraus auch noch Profit gezogen wird? Und warum sind unsere Optionen überhaupt von Anfang an so begrenzt? Wie könnte Selbstbestimmung ohne unsere kulturellen Schranken aussehen?Das kann man sich kaum vorstellen. So lange es feministische Bewegungen gibt, gab es auch immer Institutionen und Industrien, die sofort zur Stelle waren, um Kapital aus ihnen zu schlagen. Würden wir ganzheitlicher über Selbstbestimmung sprechen, würden wir über Dinge reden, durch die Frauen tatsächlich bestärkt würden, die aber nichts mit ihrer Schönheit zu tun haben oder sie explizit als Frauen kennzeichnen. Wohin sollte der Weg in Zukunft führen? Sollten wir den Marktplatz-Feminismus hinter uns lassen oder sollten wir ihn einfach annehmen? Ich sehe ganz klare Vorteile darin. Alles, was den Grundgedanken des Feminismus und seine Bedeutung fördert, ist großartig. Ich denke jedoch auch, dass Marktplatz-Feminismus kein Ersatz für eine umfassendere feministische Bewegungen ist. Im Endeffekt würde ich gerne sehen, dass das Ganze nur eine Fortsetzung vergangener feministischer Bewegungen ist und die Leute einen tieferen Blick dafür entwickeln: Was wird nicht von der Werbung angesprochen? Welche Probleme übersehen wir, wenn wir nur hören, wie berühmte Menschen über ihre Haltung zum Feminismus sprechen? In meinen Augen geht es um kritisches Denken. Man muss erkennen, was durch den Marktplatz-Feminismus verändert werden kann und wir müssen Wege finden, um das Bewusstsein und den Aktionismus für Themen zu fördern, die weniger aktuell, attraktiv oder trendy sind.
Suzannah Weiss
[ "aktivismus", "Andi Zeisler", "Broadly Activism", "Broadly Culture", "Broadly Feminism", "Buch", "Feminisme", "Feminismus", "gesellschaft", "Interview", "kapitalismus", "Kim Kardashian", "mainstream", "Medien", "Patriarchat", "selfie", "Trend", "Werbung" ]
Identity
2016-05-10T08:28:34+00:00
2024-07-30T23:50:45+00:00
https://www.vice.com/de/article/schadet-der-mainstream-feminismus-der-frauenrechtsbewegung/
Das ist euer Hirn auf Fraktalen
Fraktale sind komplexe, nicht enden wollende Muster, die sich stets wiederholen. Sie kommen in der Natur vor, können aber auch mit mathematischen Techniken erzeugt werden. Fraktale an sich sind mathematisch und trippy genug, um jeden Psychonauten zu erfreuen. David Foster Wallace sagte einmal, dass sein gefeierter Roman Unendlicher Spaß nach einem der bekanntesten Fraktale, dem Sierpinski-Dreieck strukturiert sei, das er selbst als „Triangel auf LSD“ bezeichnete. >> Macht eine Fraktal-Reise zum Mittelpunkt der Erde VFX Supervisor Julius Horsthuis hat Fraktale schon vor geraumer Zeit als digitale Kunstform für sich entdeckt. Als selbst ernannter Fraktalkünstler produziert er regelmäßig seine faszinierenden Fractal Shorts.  In seinem neuesten Meisterwerk Our Fractal Brains erzeugt der Niederländer planetare Fraktal-Landschaften, die er als Metapher für die unendliche Komplexität unseres Gehirns verstanden wissen will. Er schrieb außerdem eine Art Mini-Gedicht zur Begleitung des Videos, das er über die Visuals gelegt hat: When we look at our world we search for patterns struggling to make sense of a senseless place Peace is found in chaos as we fill it with purpose Connections create meaning in our Fractal Brains Screenshots: Vimeo Wie Horsthuis in seinen Tutorials erklärt, kreiert er seine Fractal Shorts mit der Software Mandelbulb 3D in einer traditionellen VFX Pipeline. Er zeigt dort außerdem, wie man die Software mit anderen 3D-Modellierungsprogrammen wie NUKE, 3dsMAX oder Maya kombiniert. >> Seht weitere Arbeiten von Juluis Horsthuis auf seiner Website
DJ Pangburn
[ "Creators", "Fraktale", "geometrie", "hirn", "Mandelbulb", "mathematik", "Muster" ]
2015-10-26T16:10:00+00:00
2024-07-31T01:57:29+00:00
https://www.vice.com/de/article/das-ist-euer-hirn-auf-fraktalen-423/
Damit es auch zu Hause nach frittiertem Hähnchen riecht: KFC verschenkt Duftkerzen
Kentucky Fried Chicken will anscheinend, dass sich so viele Menschen wie möglich mit dem Duft nach frittiertem billigen Geflügel einreiben oder sogar die Nägel lackieren. Jetzt, wo die Tage kürzer werden und man sich nach wohliger Wärme und Gemütlichkeit sehnt, gibt es Duftkerzen. What better way to light up your nights than with a limited edition KFC Scented Candle! Keen? To go in the draw to #win one just suggest another piece of KFC merchandise you’d like to see from us in the comments below! Winners drawn Monday! #KFCAdventCalendar A photo posted by KFCNZ (@kfcnz) on Dec 1, 2016 at 6:32pm PST Die Colonel-Kerze wurde von KFC Neuseeland verlost. Um sie zu gewinnen, sollten KFC-Fans ihre Ideen für weiteren KFC-Merchandise in den verschiedenen Social-Media-Kanälen des Unternehmens posten. Zum Gewinnspiel schrieb KFC Neuseeland: „Wie kann man sich in diesen dunklen Tagen besser etwas Licht ins Haus holen als mit einer limitierten KFC-Duftkerze? Na, Lust?” Die Neuseeländer hatten auf jeden Fall Lust: Bis jetzt gab es fast 550 Kommentare beim Instagram-Post zum Gewinnspiel, darunter Merchandise-Vorschläge wie KFC-Smartphonehüllen, Bettwäsche, Weichspüler und Gleitgel mit Hähnchengeschmack. (Liebes Product Development Team von KFC: Wenn ihr das hier lest, bitte tut den letzten Vorschlag als verwirrtes Gelaber von jemandem ab, der ziemlich extreme Bucket-Fantasien hat.) Am Montag hat KFC die glücklichen Gewinner verkündet. Einer der Gewinner auf Twitter erhielt danach sogar Angebote von anderen Usern, die ihm die Kerze abkaufen wollten. Es scheinen ziemlich viele Leute ihre Wohnung mit dem Duft nach verbrannten Wachs und einer Chemikalienmischung, die nach frittiertem Hähnchen riechen soll, erfüllen zu wollen.
[ "Denken", "Fast Food", "Food", "fried chicken", "Gewinnspiel", "kentucky fried chicken", "kfc", "Munchies", "Weihnachten", "winter", "WTF" ]
2016-12-08T09:00:25+00:00
2024-08-12T10:20:06+00:00
https://www.vice.com/de/article/damit-es-auch-zu-hause-nach-frittiertem-haehnchen-riecht-kfc-verschenkt-duftkerzen/
Ein Impfgegner-Ehepaar wurde wegen des Todes seines Kleinkinds schuldig gesprochen
Ein Ehepaar aus dem kanadischen Bundesstaat Alberta wurde vor Kurzem von einem Gericht schuldig gesprochen, weil es seinen Sohn schwer vernachlässigt hatte. Das Kind starb vor vier Jahren an einer bakteriellen Meningitis. Den Eltern, die natürliche Heilmittel der traditionellen Medizin vorziehen und so den Tod des Jungen verursacht haben sollen, drohen nun bis zu fünf Jahren Haft. Nachdem ihr 19 Monate alter Sohn Ezekiel im März 2012 gestorben war, wurden David und Collet Stephan ein Jahr später angeklagt. Die sechswöchige Gerichtsverhandlung fand dann vergangenen Montag ihr Ende, als die Geschworenen—die vom vorsitzenden Richter angewiesen wurden, ihre Entscheidungsfindung nicht von “Mitgefühl, Vorurteilen oder Angst” bestimmen zu lassen—innerhalb von nur zwei Tagen ihre Beratungen abschlossen. Die Stephans werden am 13. Juni wieder vor Gericht erscheinen müssen, wenn man ein Datum für die Urteilsverkündung festlegen wird. Während der Gerichtsverhandlung stellte die Verteidigung das Ehepaar als verantwortungsvolle Eltern dar, denen einfach nur nicht bewusst war, wie krank ihr Sohn eigentlich gewesen ist. Die Staatsanwaltschaft hingegen argumentierte damit, dass die Stephans nicht genügend unternommen hätten, um die nötige medizinische Versorgung des Kinds zu gewährleisten. Ezekiel war zwar bereits seit über zwei Wochen krank gewesen, aber seine Eltern seien davon ausgegangen, dass es sich dabei nur um eine Diphtherie in Verbindung mit der Grippe handelte. Plötzlich hörte der Junge jedoch auf zu atmen und die Eltern riefen daraufhin einen Krankenwagen. Bis dahin hatte das Ehepaar das Kind laut der Canadian Press mit natürlichen medizinischen Mitteln wie etwa Peperoni-, Knoblauch-, Zwiebel- und Meerrettich-Smoothies behandelt. Ezekiel wurde per Hubschrauber in ein Krankenhaus in Calgary gebracht, wo er fünf Tage lang von Maschinen künstlich am Leben gehalten wurde. Schließlich stellte man die Maschinen jedoch ab. Nachdem eine Freundin der Familie, die auch als Krankenschwester tätig ist, dem Ehepaar gesagt hatte, dass Ezekiel wahrscheinlich an einer Meningitis leiden würde, informierte sich Collet im Internet über die Krankheit und kam zu dem Schluss, dass es sich wohl um die Virus- und nicht um die schwerwiegendere Bakterien-Version handeln müsste. Der Canadian Press zufolge hieß es vor Gericht, dass sie für die Behandlung ihres Sohns dann eine Purpur-Sonnenhut-Tinktur kaufte. Laut dem offiziellen Autopsiebericht litt der Junge allerdings an einer bakteriellen Meningitis sowie einer neurologischen Störung. Motherboard: Forscher entdecken Angriffsziel für eine Impfung gegen Hirntumore Einen Tag bevor Ezekiels Atmung stoppte, musste sich das Kleinkind bei der Fahrt zu einer Naturheilpraxis auf eine Matratze legen, weil sein Körper zu steif war, um normal sitzen zu können. Strafverteidiger Shawn Buckley meinte in seinem Schlussplädoyer jedoch, dass nicht ein einziger der vor Gericht erschienenen Zeugen, die den Jungen vor seinem Tod noch einmal gesehen haben, der Meinung war, dass Ezekiel sofortige ärztliche Hilfe nötig hätte, so die Canadian Press. Titelbild: imago | Zuma Press
Tamara Khandaker
[ "Gefängnis", "Gerichtsverhandlung", "Gesundheit", "haft", "impfung", "Kanada", "Krankheit", "meningitis", "Naturheilkunde", "News", "Tod", "Urteil", "Verbrechen", "Vice Blog" ]
2016-04-28T08:12:00+00:00
2024-07-30T21:57:19+00:00
https://www.vice.com/de/article/dpeb5x/ein-anti-impf-elternpaar-wurde-fuer-den-tod-seines-kleinkinds-schuldig-gesprochen
Ich war für ein Kunstprojekt zwei Jahre lang EDM-DJ
Vor zwei Jahren hatte ich die Nase voll vom Nachtleben. Nachdem ich als Veranstalterin in mein Erwachsenenleben startete, dauerte es nicht lange, bis ich diese verstrahlte Szene zu verabscheuen begann. Eine Szene, in der alles mehr Schein als Sein ist, in der vor allem Männer am Ruder sind, Frauen nur auf einem Flyer in Unterwäsche akzeptiert werden und Drogen wie Sprit funktionieren, der diese Maschinerie am Laufen hält. Daneben ärgerte ich mich über die Masse an DJs, die Veranstalter und Clubbetreiber hofierte und als „echte” Musiker und Künstler vor das Clubvolk trat. Mit diesem Verhalten verraten sie die einst avantgardistische Kultur der Musik, die sie spielen. Noch mehr aber grausten mich DJs, die zur Superkommerzialisierung ebendieser Musik beitragen. Die, die dafür bezahlt werden, Torten durch die Clubs (und auf Rollstuhlfahrer) zu schmeißen, während sie vorher aufgenommene Sets abspielen. Blind vor Ekstase strömen die Massen zu solchen Sets und wollen unterhalten werden. Die Musik ist nur wichtig, solange sie einen absehbaren Drop hat, der hyperventilierenden Kids das Kommando zum die Hände in die Luft schmeissen und kollektiven Aufkreischen gibt. Es geht um das Massenerlebnis und die Unterhaltung, der Inhalt und die Kultur sind mittlerweile vollkommen egal. Das Phänomen EDM—nicht das Genre, sondern das dadurch geborene Massenereignis—ist der traurige Ausdruck einer Generation, die Musik nicht mehr als Kulturgut oder Kunst, sondern ausschließlich als Konsumgut versteht. EDM ist nur noch Spektakel, Boom, Boom und Pyrotechnik: Die Rummelplatz-Version elektronischer Tanzmusik. So stellte ich mir also die Frage: Ist ein DJ heute ein Animateur, der Musik auf der Bühne abspielt und dem euphorischen Publikum Konfetti ins Gesicht ballert? Braucht ein DJ wirklich noch technische Skills, wenn sogar das Standard-DJ-Zubehör einen Sync-Button integriert hat? Ist DJing im grossen Rahmen nicht auch eher glitzernder Schein statt authentisches Sein? Zusammen mit Tobias, einem Freund aus der Nachtleben-Szene, beschloss ich deshalb, den Selbstversuch zu wagen und mich zum EDM-DJ zu machen. Achtung Spoiler: Es hat funktioniert. Tobias war schon länger im Nachtleben tätig und hatte die Szene durchschaut. Er buchte DJs für große Veranstaltungen, die möglichst viele Menschen anzogen. Er weiß, welcher Act auf der Bühne funktioniert und für welche Performance junge Erwachsene bereit sind, viel Eintrittsgeld zu bezahlen. Wir trugen also während eines Brainstormings zusammen, was wir brauchten, um relativ schnell erfolgreich zu werden: Kontakte, ein bisschen Können und vor allem ein ordentliches Marketing. Wir brauchten Klischee und Kitsch—denn leider Gottes funktioniert das. Zunächst begann ich tagsüber in einem Nachtclub an meinen technischen Fähigkeiten zu feilen. Ich wusste bereits vom Zusehen, wie man einen Song auf den nächsten anpasst. Nachdem mir eine Bekannte noch einen Crashkurs gab, dauerte es wenige Wochen, bis ich zwei Tracks sauber ineinander mischen konnte und Übergänge hinbekam, die nicht holperten. Tobias und ich beschlossen, dass sich zwei Frauen besser vermarkten lassen würden, als nur eine. Nervo macht es schließlich vor. Also ging ich meine Freundinnen gedanklich durch und überlegte, wer bei einem solchen Hoax (der doch eine Menge Fame und gratis Alkohol abwerfen würde) dabei wäre. Schnell war eine zweite junge Frau gefunden. Tobias organisierte uns einen ersten Auftritt an seiner eigenen Party. Diese fand im Mai 2014 statt. Wir hatten damals noch einen Monat Zeit, uns auf diesen Gig vorzubereiten und verbrachten sehr viel Zeit in unserem improvisierten Studio. Daneben ließen wir professionelle Fotos machen, ein Logo entwerfen und gründeten eine neue Facebook-Fanpage. Uns war wichtig, uns nicht durch Sexyness zu vermarkten, wie es zum Beispiel DJ Da Candy macht, sondern durch ein konsistentes Auftreten, das zwar klischeehaft und kitschig, aber glaubwürdig daherkommt. Der erste Gig war ein voller Erfolg für unser Projekt, das Tobias und ich schon von Beginn an als „Kunstprojekt” bezeichneten. Die Auswahl der Tracks hatten wir getroffen, indem wir die erfolgreichsten Sets vom vergangenen Tomorrowland Festival durchhörten und dann die besten und einfachsten Tracks aussuchten. Ein voller Erfolg war der erste Gig, weil das Publikum diese Tracks abfeierte. Das taten sie einzig und allein, weil sie diese bereits kannten und diese absehbar waren. Was ebenfalls zum Erfolg des ersten Gigs beitrug, war, dass sich die lokale DJ-Szene daraufhin ihr Maul zerriss. Es wurde gelästert, was das Zeug hielt und plötzlich interessierte sich die Szene für uns. Wir waren zwei Newcomer, die aus dem Nichts aufgetaucht waren, EDM spielten und vom Publikum, zum blanken Entsetzen der etablierten DJs, abgefeiert wurden. Um aber wirklich erfolgreich zu sein, mussten wir deutlich mehr Zeit investieren. Zu Recht wunderten sich Szenekenner darüber, dass wir plötzlich gebucht wurden und prangerten unsere „Realness” an. Im Juli 2014 spielten wir zusammen drei Shows, unter anderem am Touch the Air Festival. Die Gäste bekamen jedes Mal unser abgeschautes Tomorrowland-Set zu hören und es machte sie zuverlässig glücklich. Dann zogen wir im Team ein Fazit: der Plan schien offenbar zu funktionieren. Um aber wirklich erfolgreich zu sein, mussten wir deutlich mehr Zeit investieren. Dies würde nur klappen, wenn wir alle das Projekt zur obersten Priorität erklären würden. Meine DJ-Partnerin studierte damals Jura, war sehr mit ihrem Freund beschäftigt und konnte nicht das nötige Investment aufbringen. Deshalb entschieden wir, dass ich alleine weitermachen sollte. Tobias verkaufte unser „Kunstprojekt” weiter hervorragend. Ich spielte drei Monate nach meinem ersten Gig bereits an verschiedenen Openairs, unter anderem auch am Zürich Openair zwischen Netsky und Flume und als Warm-Up-DJ für Crookers. Mit den Festival-Referenzen im Gepäck buchten mich Veranstalter bald nicht mehr nur als Support-Act für DJ-Größen wie Sidney Samson oder Ummet Ozcan, sondern auch als Headliner für ihre EDM-Partys. Ich konnte es kaum fassen, mich auf einem Flyer zu sehen, nachdem ich ein knappes halbes Jahr zuvor das erste Mal hinter einem DJ-Pult gestanden hatte. Das neue Jahr läutete ich ein, indem ich nach Robin Schulz’ Set spontan und alkoholisiert mit dem Manager von Klangkarussell den nimmermüden Ravern ein paar Tracks um die Ohren knallte. Zuvor hatte ich mich noch über eine Booking-Anfrage geärgert, die mir ein anderer weiblicher DJ zugespielt hatte. „Gute Gage, 3000 Franken”, hatte sie gelockt. Die Location stellte sich als „Bums-Alp” heraus, einem Puff in der Agglomeration von Zürich. Doch sobald ich im Backstage saß und den verstrahlten Gesprächen der gebuchten Headliner lauschte, wurde mir bewusst, dass Schulz und seinesgleichen ständig noch bösartigeren Manipulationsversuchen trotzen müssen. Je erfolgreicher du bist, desto mehr Feinde und Neider hast du. So stellte sich der Alltag ein und ich begann zu vergessen, zu welchem Zweck wir das „Kunstprojekt” ursprünglich ins Leben gerufen hatten. In der Zeitung waren mittlerweile zwei Berichte über mich erschienen und ein Teil der Szene begann, mich zu akzeptieren. Sie bemängelten meine Auflege-Fähigkeiten nicht, denn der Crowd schien zu gefallen, was ich da tat, indem ich EDM-Tracks aneinanderreihte und mit den Händen in der Luft herumfuchtelte. Mein Marktwert stieg von Monat zu Monat und Tobias konnte schnell eine Gage von bis zu 1200 Franken pro Auftritt verlangen, die zwischen einer und zwei Stunden dauerten. So spielte ich im Frühling 2015 jeden Monat im Schnitt 8 bis 10 Shows, während ich jeweils Montags bis Freitags studierte. So stellte sich der Alltag ein und ich begann zu vergessen, zu welchem Zweck wir das „Kunstprojekt” ursprünglich ins Leben gerufen hatten. Mein verschultes Fachhochschulstudium begann mich einzunehmen und die Wochenend-Gigs setzten mich zunehmend unter Druck. Zweimal brach ich wegen Überanstrengung auf der Bühne zusammen. Und nein: Ich habe nie Drogen genommen. Zu viele Leute um mich herum starrten mich Nacht für Nacht durch ihre Tellerglotzer an oder meinten, mich mit ihrem Koks zum gemeinsamen Toilettenbesuch überreden zu können. Nein, die Überforderung hatte ich meiner erwachenden Leidenschaft für die Musik zu verdanken. Ich begann mich immer mehr mit der Musik, die ich spielte und die ich eigentlich spielen wollte, auseinanderzusetzen und meine Erwartungen an mich selbst stiegen. Ich begann, den Techno zu spielen, den ich privat hörte. Natürlich nur an privaten Partys oder früh morgens auf kleinen Nebenfloors—nie auf den großen Bühnen, denn dieser Sound passte nicht zu meinem DJ-Produkt und würde dessen Image bedrohen. Diese echte Leidenschaft hielt mich beim Auflegen. So verbesserte ich mein technisches Können stetig und trank die ersten Schlucke vom süchtig machenden Musik-Trank. Ich spielte längst keine vorbereiteten Sets mehr. Ich verbrachte jede Minute meiner Freizeit auf der Suche nach neuen Tracks oder mit meinem Fernstudium in Musikproduktion, das ich mittlerweile begonnen hatte. Tobias und ich wussten, dass wir nur wirklich weiterkämen, wenn wir eigene Tracks rausbringen würden. Es ist dem kommerziellen EDM-Publikum scheißegal, ob du eigene Tracks spielst. Beziehungsweise ist es ihm lieber, wenn es das Lied kennt, mitsingen kann und vor allem mit absoluter Sicherheit weiß, wann der Drop kommt. Trotzdem musst du als DJ eigene Tracks vorweisen können, um wirklich Erfolg zu haben und international wahrgenommen zu werden. Da ich trotz meines Fernstudiums noch eine blutige Anfängerin im Produzieren war, musste also ein Ghost Producer her. Einer, der eben wirklich Musiker ist. Dass sich andere DJs mit den Lorbeeren von echten Musikern schmücken, macht mich eigentlich wütend. Deswegen haben meine Produzenten an dieser Stelle eine Laudatio verdient: Ich habe großen Respekt von Ben Mühlethaler und Avesta, die meinen ersten Track produzierten. Sie sind unheimlich kreativ und professionell, arbeiten dabei produktiv und mit beeindruckender Leidenschaft für die Musik. Der Erfolg steht bei ihnen nicht ganz oben. Am wichtigsten ist es ihnen, Musik beruflich zu machen und wenigstens ihre Miete davon bezahlen zu können. Wir veröffentlichten den fertigen Song vorerst nicht. Wir wollten warten, bis der Zeitpunkt perfekt war. Dann bekam ich eine Email von der Musikproduktionsfirma Hitmill, die in der Schweiz gefühlt für praktisch jeden Werbejingle und jeden zweiten Popsong verantwortlich ist. Man wollte mich kennenlernen, man wollte mit mir zusammen einen Track konzipieren. Dafür stellte mir Hitmill einen Produzenten zur Seite, mit dem ich mich auf Anhieb super verstand und mit dem ich einen zweiten Track konzipierte. Bevor die Zusammenarbeit jedoch abgeschlossen war, verließ der Produzent die Firma. Den Track stellte ich zusammen mit einem anderen Produzenten fertig. Im Sommer 2015 spielte ich wieder auf großen Festival-Bühnen wie dem Sonnentanz-Festival, dem Holi Festival of Colours und dem Zürich Openair. Auch an der Streetparade-Afterparty konnte ich direkt nach Bassjackers und Tujamo auf der Mainstage spielen. Plötzlich meldeten sich ausländische Booker, die mich buchen wollten. Die wenigsten wussten genau, was ich konnte oder wie gut ich war. Doch das interessierte sie auch nicht. Sie sahen, dass ich funktionierte. Für dieses „Funktionieren” zahlte man mir eine saftige Gage samt Anreise und Hotelzimmer. Innerhalb von eineinhalb Jahren hatte ich es geschafft, zu einem regelmäßig gebuchten DJ zu werden. Und dann kam der Herbst und mit ihm mein letztes Studiums-Jahr. Daneben arbeitete ich auch noch als Journalistin. Es wurde immer schwerer, alles unter einen Hut zu bringen und ich begann, meine Gesundheit ernsthaft aufs Spiel zu setzen. Ich entwickelte chronische Schmerzen, war ständig krank, gereizt und müde. Ich wusste, dass ich das Projekt, das mittlerweile zu meinem „Baby” geworden war, nicht mehr in diesem Stil weiterverfolgen konnte. Tobias und mir war klar, dass ich—um den nächsten Schritt in der Szene zu schaffen—nach meinem Studium alles aufs DJing setzen und alles andere aufgeben musste. Innerhalb von eineinhalb Jahren hatte ich es geschafft, zu einem regelmäßig gebuchten DJ zu werden. Wir arbeiteten dafür mit gutvernetzten Bookern zusammen, mit hervorragenden Produzenten und einem engagierten Kreativ-Team. Wir wussten, dass unser Projekt auch weiterhin funktionieren konnte. Wenn ich dafür meine Zukunft opfern würde, hätten wir als Team tatsächlich eine Chance. Dann kam ein Jobangebot. Die Festanstellung als Journalistin. Ein Kindheitstraum wurde wahr. Und es war unumgänglich, dass ich mich entscheiden musste. Unser „Kunstprojekt” hatten wir ins Leben gerufen, um zu beweisen, dass es wirklich so einfach ist, mit Show, Spektakel und ein bisschen technischem Know-How DJ zu sein. Wir hatten unseren Beweis erbracht. Natürlich hatten wir den internationalen Durchbruch noch nicht erreicht, doch was wäre, wenn dieser käme, nachdem wir die fertigen Tracks rausbringen würden? Ein internationaler Booker hatte bereits Interesse geäußert. Der Gedanke, dieses Tempo aufrecht zu erhalten, machte mir Angst. Ich hatte Angst davor, dass mich mein DJ-Ich, diese Kunstfigur, immer mehr einnehmen würde. Also entschied ich mich an diesem Punkt auszusteigen. Alles, was ich gemacht habe, war echt. Jeden Übergang brachte ich ohne Sync-Hilfe hin und jede Performance habe ich wirklich gelebt. Trotzdem beschlich mich das Gefühl, mein Publikum und die Szene zu verarschen, indem ich ihnen eine reine Kunstfigur präsentierte. Ich habe den größten Respekt vor DJs, die sich als Musiker verstehen—nicht als Entertainer. Ein solcher DJ ist ein Musikerzieher, der seinem Publikum neue und vielleicht auch revolutionäre Tracks näher bringt. Diese Tracks können mehr als nur ein immer gleiches, gutes Gefühl zu vermitteln, indem kitschige Pop-Melodien mit elektronischen Beats untermalt werden. Tracks haben auch das Potenzial zum Nachdenken und Träumen anzuregen. Gerade elektronische Musik lebt von dieser Innovationsliebe, die sie einst zum Ausdruck einer Generation machte. Und DJs, die genau das leben, gibt es eigentlich jede Menge. Diese DJs hätten die Plattform der tortenschmeißenden und Pyrotechnik abfeuernden Entertainer verdient. Aber man findet sie kaum auf großen, kommerziellen Festivals. Auch dieses Problem ist kommerzgeboren: Grosse Musikunternehmen verdienen mit ihren organisierten Raves unglaublich viel Geld. Elektro wurde deshalb „verpopt”, also radiotauglich und somit massentauglich gemacht. Mein DJ-Projekt war konzipiert und den Regeln dieser neuen, kommerziellen Musikwelt unterworfen. Doch das, was ich gegen außen getan habe, war dennoch echt. Ich habe begriffen, dass ein Tortenschmeißer keinen Deut authentischer ist, als ich es war. Deshalb bleibt mir, das einzig richtige zu tun und meine DJ-Karriere der elektronischen Musikkultur und den Musikern darin als Opfer darzubringen. Ich räume das Feld für Leute, die diesen Platz auf der Stage verdient haben und mit ihrer Musik berühren und verändern wollen. Tobias hat sein Know-How dafür genutzt, eine Online-Plattform für Musiker und DJs aufzubauen und ihnen so eine geeignete und echte Plattform zu bieten
Nadja Brenneisen
[ "auflegen", "Clubkultur", "dj", "edm", "kunstprojekt", "Szene", "Thump" ]
2015-11-10T15:00:00+00:00
2024-07-31T02:21:21+00:00
https://www.vice.com/de/article/pg4ej8/ich-war-fr-ein-kunstprojekt-zwei-jahre-lang-edm-dj
Amateur will Arsenal-Spieler im Vollsprint mit Kopfnuss umhauen
Stell dir mal kurz vor du stündest mit deiner Amateurmannschaft im Achtelfinale. Nein, nicht im Achtelfinale des lokalen Kneipenturniers, sondern des FA Cups. FC Arsenal und nicht Dynamo Schluckspecht lautet der klangvolle Name des gegnerischen Teams. So geschehen in England, dem Mutterland des Fußballs. Die große Überraschung: Der FC Arsenal siegte im Pokalspiel. Die noch größere Überraschung jedoch: Sutton-Kapitän Jamie Collins versuchte sich an der Kopfnuss-Grätsche. Und scheiterte … Ob er Alex Oxlade-Chamberlain dabei wirklich treffen, oder einfach nur aus dem Konzept bringen wollte, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben. Heldenstatus in Suttons Pubs dürfte er damit trotzdem erreicht haben.
VICE Sports
[ "arsenal", "england", "FA cup", "Fußball", "kopfnuss", "skills", "Sports", "VICE Sports" ]
2017-02-21T09:45:00+00:00
2024-07-30T19:47:56+00:00
https://www.vice.com/de/article/amateur-will-arsenal-spieler-im-vollsprint-mit-kopfnuss-umhauen/
Zwölf Jahre in der Gastronomie haben mein Leben zerstört
Mit einem halben Gramm Koks in der Nase, aggressiv wie zehn Stiere, bremste ich kurz vor meinem inneren Abgrund ab. Ich wollte gegen eine Wand schlagen, musste irgendwie meinen Hass rauslassen. Stattdessen schlug dann die Droge ein. Mein Herz pumpte immer schneller, als würde es aus der Brust ausbrechen und mich zum Tanzbattle auffordern. Es war mein letzter Abend, meine letzte Barschicht, der letzte Tag in der Gastronomie. Eigentlich war es mein Plan, komplett auszurasten. Mein Chef und ich hatten mehr als 200 Freunde und Stammgäste eingeladen, tagsüber bei 28 Grad hatten meine Kumpels schon Platten aufgelegt, alle feierten – und ich? Ich wollte nachts den ganzen Laden auseinandernehmen. Ich hatte den Segen meines Chefs. “Ab Mitternacht bist du frei, dann feierst du deinen letzten Abend so richtig.” Die halbe Nacht hatte ich also das gemacht, was ich immer gemacht habe: hinter dem Tresen den Laden geschmissen. Nun war es schon eine halbe Stunde nach Mitternacht – endlich sollte meine Zeit kommen. Ich schnappte mir die kleine Tüte aus meiner Jacke, schnupfte eine Line und stürmte aus der Bar nach draußen. Auch bei VICE: Berlins neue Drag-Szene lässt die Nächte glitzern Immer mehr Freunde versammelten sich vor der Tür. Ich begrüßte alle paar Minuten Menschen, die ich kannte. Mein Blick wanderte rastlos umher – ich sah Menschen ankommen, weiter hinten kiffte jemand, Küsse, Umarmungen, ich war wie in Trance – bis mich eine Freundin antippte und fragte, ob alles in Ordnung sei. Ich hatte vergessen, dass wir zuvor in ein Gespräch vertieft gewesen waren, und schon längst, um was es ging. Als wäre ich anwesend, aber gar nicht da. Ich konnte einen Gedanken nur so lange festhalten, wie ein Longdrinkglas mit fünf Zentiliter Wodka gefüllt war. 21, 22, 23, 24, 25 – weg. Seitdem die Droge wirkte, war lediglich eine halbe Stunde vergangen, aber noch nie hatte sie so eine heftige Wirkung auf mich. Plötzlich wurde mir klar, wo ich war. Nicht nur genau dort, vor der Tür der Bar, sondern insgesamt. Zwölf Jahre hatte ich in der Gastronomie gearbeitet – zehn davon fast immer nachts. In dieser Barschicht spürte ich alle knapp 4.380 Tage mit einer geballten Faust auf mich einschlagen. Mir war nicht nach Party. Ich spürte einfach nur noch Leere. Doch wie war es dazu gekommen? Ich habe viel darüber nachgedacht. Und meine Selbstzerstörung in der Gastronomie in sieben Eskalationsstufen aufgeschrieben. Ich habe in München im Restaurant meiner Eltern mit der Gastronomie angefangen. Mein Vater ist gelernter Koch und bot gehobene mediterrane Küche an. Innerhalb der eigenen Familie zu arbeiten, ist nicht leicht, aber wir unterstützten uns. Selbst mein Großvater schenkte an der Theke Bier aus. Meine Oma schnippelte in der Küche Gemüse. Ich war erst 16 Jahre alt, aber als ich meine Eltern sah, die vor lauter Existenzangst gefühlt jede Woche ein Kilo an Gewicht verloren, war es klar: Ich musste, so gut es geht, mithelfen. Mein Vater sagte oft: “Andere arbeiten, um zu leben, wir leben, um zu arbeiten.” Er hatte irgendwie Recht. Nach der Schule stieg ich immer in die Tram und fuhr in das Bonzenviertel Grünwald in der Nähe von München. Ich hasste die Villen und ihre Bewohner. Ich hatte im Restaurant mit den reichen Säcken zu tun. Einmal gab mir ein ehemaliger Fußballvorstand seine Bankkarte, weil er kein Geld dabei hatte, aber zu faul und alt war, welches zu holen. Lieber wollte er mit seinen 40 Jahre jüngeren Frauen Schampus saufen, deshalb sollte ich ihm 500 Euro vom Automaten holen. Ich war noch unerfahren und hätte ablehnen sollen, ich war nicht sein Diener! Er hatte 250.000 Euro auf seinem Konto. Ich habe bis heute nie so viel Nullen auf einem Kontostand gesehen. Nächste Woche gleiches Spiel – wieder 500 Euro –, aber da waren nur noch 100.000 Euro darauf. Er hatte sich aus einer Laune heraus eine Mercedes G-Klasse gekauft. Die Bundeswehr fährt sonst mit solchen Wagen durch Afghanistan. Er klopfte mir damals großväterlich auf die Schulter und gab mir, bei einer Rechnung von mehreren hundert Euro, ein paar Münzen Trinkgeld. Nachts um 2 Uhr schlossen wir die Tür, morgens saß ich wieder im Matheunterricht. Mein Leben änderte sich noch nicht einmal entscheidend, als ich mit Anfang 20 nach Berlin ging. Ich wollte Journalist werden und musste schlechtbezahlte Praktika machen, für 200 bis 400 Euro pro Monat. Das bedeutete für mich, nach 40 Stunden Büroarbeit am Abend und am Wochenende wieder in der Gastro zu schuften. Gäste bedienen. Drinks mixen. Berlin ist ein Moloch, vor allem für Gastro-Menschen. Er schnappt nach dir, zerkaut dich, schluckt dich herunter und wenn du Glück hast, kotzt er dich wieder aus. Es gab Schichten, da haben wir erst nach 16 Stunden zugemacht, obwohl das illegal ist. Mehrmals bin ich bei Abrechnungen eingeschlafen. Später ging ich auf die Journalistenschule, aber da wurde es noch schlimmer. Ich freute mich, wenn ich mal fünf Stunden schlafen konnte. Schließlich griff die dauerhafte Müdigkeit meine Psyche an. Ich hatte das Gefühl, ich entwickle eine soziale Phobie, weil ich jede Regung meiner Mitmenschen auf mich bezog. Ich habe in Berlin nie verstanden, wie dreckig Menschen Toiletten hinterlassen können. Mir ist klar: Alle sind auf Drogen unterwegs, aber die Frage nach Anstand sollte man trotzdem stellen dürfen. Irgendwer muss den ganzen Dreck ja auch sauber machen. Ich arbeitete eine Zeit lang in einer Bar zwischen drei bekannten Clubs – Die Wilde Renate, about:blank und Sisyphos. Ich nannte es das Teufelsdreieck. An einem Morgen – wir hatten die letzten Gäste gerade rausgeschmissen – zog ich mir meine Handschuhe an, die so lang waren, als müsste ich eine Kuh künstlich befruchten. Ich war auch froh, dass ich sie anhatte. Jemand hatte ein kaputtes Glas ins Klo geschmissen und reingeschissen. Ich war der festen Überzeugung, dass es Absicht war, um denjenigen zu verletzen, der das sauber machen musste. Also mich. Die Bar, in der das passiert war, war immer brechend voll. Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr. Ich wollte mir nicht mehr anhören, warum der Fast-Bräutigam sich jetzt zusäuft, weil seine Fast-Braut nicht zur Hochzeit erschienen war oder welches Koks von welchem Dealer am wenigsten “speedy” war. In dieser Bar verkam ich zum Menschenhasser. Jeder Gastromensch hat seine eigene Technik, mit dem ganzen Abfuck umzugehen. Nach jeder Schicht war mein Hirn regelrecht Matsch. Trash-TV half mir, irgendwie einzuschlafen. Ich habe den Homeshopping-Kanal geliebt, fast den Nicer-Dicer bestellt. Frauentausch, Tele-5-Alienfilme, Curling oder Dart auf Eurosport, Nazi-Dokus auf n-tv, und besonders viel Bullshit wurde in der Talkshow von Markus Lanz geredet (“Philipp erzähl doch mal, wie war das mit der Angi”). Entspannung pur. Wenn ich mal eingeschlafen war, schlief ich unruhig. Die Nacht ließ mich schwer los. Meist schlief ich deswegen nur fünf Stunden. Das war kein Problem, solange die Sonne schien. Sie gab mir viel Kraft. Deswegen hielt ich im Sommer den Schlafmangel besser aus als im Winter. Doch weil ich wach war, hieß das lange nicht, dass ich voll funktionierte. Meine Rechnung ging nicht auf. In vielen Läden verdiente ich in kurzer Zeit relativ viel Geld. In Bürojobs hätte ich dafür die doppelte Zeit investieren müssen: In Bars kam ich inklusive Trinkgeld auf Stundenlöhne über 26 Euro, im Büro bekam ich als Werkstudent nur die Hälfte davon. Das schnelle Geld wurde zur Sucht und ich fing früh mit dieser “Droge” an, konnte mich bis zum Schluss schwer von ihr losreißen. Alleine mit dem Trinkgeld von 80 bis 250 Euro konnte ich meine Woche bestreiten. Doch wie eine Droge hatte das schnelle, aber hart verdiente Geld seine Nebenwirkungen: Ich war für meine Mitmenschen schwer zugänglich und einfach k.o.; meinen ersten Bandscheibenvorfall hatte ich mit 24 Jahren. Nachts arbeiten heißt: tagsüber schlafen. Wenn überhaupt richtig schlafen. Mein Leben zog an mir vorbei. Wenn ich mich schlecht fühlte, wollte ich hinter die Bar. Aber nicht nur dann. Meine Cousine feierte in dieser Zeit einmal ihren Geburtstag. Mehrere Freundeskreise schmolzen für diesen Anlass zusammen. Ich war mit meiner damaligen Freundin da, hatte für meine Cousine Cocktails vorbereitet, es sollte ein genialer Abend werden, auf den wir alle uns lange gefreut hatten. Dann aber bekam ich eine SMS von meinem damaligen Chef: “Kannst du heute einspringen?” Und ich sprang ein. Der Blick meiner Freundin zerriss mich förmlich. Ich verstand ihre Wut. Und ging trotzdem. Für sie war das alles schwer nachzuvollziehen. Und ich konnte es ihr nicht mal erklären. Ich brauchte es einfach, den Stress, das “Rausballern” von Getränken, das Zwei-Kästen-über-dem-Kopf-durch-die-Menschen-Schleppen, die Hitze, den Lärm, den wummernden Bass. Es war Masochismus, die Geilheit auf den Schmerz. Und auch die Gewissheit, dass meine Kollegen und ich für den Laden Tausende von Euros erwirtschaften. Sehr spät fiel mir auf, dass ich auf Fotos von meinen Freunden nie zu sehen war. Ich war nicht mehr da. Der Schalter war schon lange gedrückt, aber bis bei mir das Licht anging, dauerte es Jahre. Ich bemerkte, dass ich mir eine gewisse Attitüde angewöhnt hatte: Ich war zu den Gästen nett, die um meine Gunst buhlten, den anderen gegenüber war ich ein Arschloch. Wenn jemand unseren Feierabend störte und ein Bier wollte, obwohl alles geputzt war, bot ich ihm ein “Verpiss-dich-Bier” an, wie ich es nannte. Das erste Mal dachte ich, ich kriege einen Nervenzusammenbruch, als ein Gast einfach nicht gehen wollte. Er setzte mich psychisch unter Druck und ich war dem nicht gewachsen. Wir hatten einen schönen Freitagabend, ich hatte neue Gäste in der Bar, die ich sofort ins Herz schloss. Sie bestellten, ich brachte ihnen die Getränke an die Bar und sah ihnen zu, wie sie sich zur Musik bewegten. Sie gingen darin voll auf, schwangen sich hin und her, schlossen die Augen, knutschten miteinander und genossen, dass sie sich hatten. Ich war mir nicht sicher, aber ich hatte das Gefühl, sie hätten ein bisschen Emma gedippt. Später war ich froh, dass sie bis zum Schluss blieben, weil sie mich davor schützten, an diesem Abend meinen Verstand zu verlieren. Die Schicht ging langsam zu Ende. Irgendwann begann ein Gast, mit dem DJ zu diskutieren. Der DJ rief: “Ich habe keine Bob-Marley-Platte!” Ich ging hin und spuhlte mein gesamtes Deeskalations-Programm ab. Darin, dachte ich, wäre ich gut. Ich ließ mir von beiden erklären, was los sei, und nahm den Störer mit. Ich sagte ihm, dass wir so einen schönen Abend zusammen hatten und dass wir den doch noch ausklingen lassen könnten. Er sah es nicht ein, forderte vehement, dass der DJ einen ganz bestimmten Bob-Marley-Song spielte. Er wurde immer wütender und ballte seine Fäuste. Ich griff ihn an der Hüfte und drückte ihn nach hinten. In dem Moment merkte ich: Der Typ ist stabil. Er hatte nicht diese aufgepumpte Stärke eines Mannes, der Proteinshakes in sich reinkippt und zu Fitnessstudios pilgert wie zu Wallfahrtsorten, sondern so eine “Handwerker-Stärke”. Er musste Schreiner oder Dachdecker sein. Er sagte, er hätte nichts gemacht und dass ich ihm nun seinen Abend zerstören würde. Ich hielt es nicht mehr aus, winkte meine Kollegen weg, die angerannt kamen. Dann vergaß ich alle meine guten Vorsätze, schlug mit der Faust auf die Bar und schrie ihn an, er solle gehen. Meine Sicherungen waren durchgebrannt. Ich verlor jede Kontrolle. Nichts half. Der Höhepunkt begann mit meinem letzten Jahr in der Gastronomie. Da arbeitete ich wieder in München. Ein Laden in der Nähe vom Hauptbahnhof hatte sein einjähriges Jubiläum und wir haben dazu beigetragen, dass er immer voll war und die Gäste eine tolle Zeit hatten. An diesem Tag bereiteten wir uns auf eine fette Party vor. Wir begannen mittags aufzubauen, kühlten Unmengen an Getränken. Alle machten sich frisch, lackierten sich die Fingernägel oder zogen schicke Kleidung an. Wir dachten, wir wären gut vorbereitet, aber auf manche Ereignisse konnten wir uns nicht vorbereiten. Kurz gab es die Idee, auf dem Höhepunkt der Nacht ein bisschen zu ziehen. Ein Freund hatte zuvor ein bisschen Koks in den Rucksack gesteckt. Ich habe sonst selten etwas genommen. Aber an diesem Abend beruhigte es mich, dass etwas da war. Ich begann meine Barschicht. Und sie hatte mich sofort eingeatmet. Bis zu meiner ersten Zigarettepause sollten elf Stunden vergehen. In dieser Zeit bewegte ich mich in einem maximalen Umkreis von einem Quadratmeter. Als wäre ich in Trance, griffen meine Hände fast automatisch nach Rum, Gin, Säften, Longdrinkgläsern und Bierflaschen. Ich muss hinter dieser Theke ausgesehen haben wie ein Oktopus mit seinen Tentakeln. Irgendwann kam eine Frau an die Bar, sie war aufgebracht und wütend. Jemand hätte sie begrapscht. Ich ging sofort hin. Der mutmaßliche Grapscher war aggressiv, fuchtelte um sich und schrie ihren Freund an. Ich ging dazwischen und packte seinen Kopf und sagte, er solle sich beruhigen. Ich versuchte zu deeskalieren. Der Laden war voll, ein Durchkommen fast unmöglich. Während ich auf den Typen einredete, setzten mich die Frau und ihr Freund unter Druck: Würde ich ihn nicht endlich rausschmeißen, würden sie gehen. Ich drehte mich zu ihnen um und rief, sie sollen sich raushalten. Als der Täter wie ein Lamm vor mir stand, forderte ich ihn auf zu gehen. Ich sagte ihm, egal was passiert sei, im Zweifel muss ich der Frau glauben. Eine unserer Grundregeln in dieser Bar war: Sie ist ein Safespace für jeden Menschen. Sexismus und Belästigung haben bei uns keinen Platz. Der Typ aber weigerte sich zu gehen. Ich rief meinen Kollegen, er sollte mir helfen. Ich griff den Typen am linken Arm, mein Kollege am rechten. In dem Moment rastete er komplett aus, griff sich eine Flasche und schlug sie auf seinem Kopf kaputt. Er wollte die abgebrochene Flasche als Waffe benutzen. Zum Glück bestand sie aus Sicherheitsglas und zerschellte in tausend kleine Splitter. Er griff sich die nächste und traf meinen Kollegen am Kopf. Wir zerrten ihn aus der Türe. Draußen fixierten wir ihn auf dem Boden. Er schrie, als würden wir ihn abstechen. Ich hatte lange nicht mehr so ein wahnsinniges Schreien gehört. Wir wollten ihm so wenig weh tun wie möglich. Für ihn galt das nicht, er wollte uns umbringen. Ich lag mit meinem ganzen Gewicht auf ihm. Es fühlte sich an, als würde er meine ganze Lebenskraft langsam aufsaugen. Ich wurde immer müder. Ich schaute mich um, die Terrasse war voll, der Bürgersteig vor der Bar, der komplette Parkplatz drei Häuserblocks lang – alles war voll. Mehrere Gäste brüllten mich an, ich solle ihn loslassen. Ich schrie zurück, dass sie sich nicht einmischen sollten, weil sie den Kontext nicht kannten. Irgendwann kam die Polizei und nahm den Typen fest. Nach dieser Aktion war ich fertig mit den Nerven, torkelte umher und wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Ich erinnerte mich an das Koks. Schließlich musste ich weiter arbeiten und konnte in dem Chaos meine Kollegen nicht im Stich lassen. Ich war an dem Punkt angelangt, an dem ich eine Droge brauchte, damit ich weiterhin funktionierte. In dieser Nacht schmiss ich noch vier weitere Gäste aus der Bar, weil sie sich nicht benehmen konnten. Wir schlossen die Tür um 9 Uhr morgens. Ich hatte 18 Stunden gearbeitet. Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Barmenschen ein Alkoholproblem haben. Anders halten sie es nicht aus. Viele Barleute versuchen deshalb, in den Wintermonaten ein paar Wochen keinen Alkohol zu trinken. In zehn Jahren Nachtgastro habe ich diese Pause sechs Mal geschafft. Das Trinken bürgert sich schnell ein. Zu Beginn ein Branca Menta, zwischendurch Drinks, danach, um wach zu bleiben, ein paar Espressoshots und zum Feierabend ein Whiskey oder dunkler Rum. Und wenn man kurz relaxen will, ruft einer “Das Telefon klingelt. Ein Ferngespräch. Wer geht ran?” – und im Keller liegt ein Joint bereit. Viele schnupfen ihr Trinkgeld auch am gleichen Abend in Speed und Koks regelrecht weg. Ein typischer Abend eines meiner Kollegen sah so aus: Er stand am späten Nachmittag auf, weil er bis mittags im Club gefeiert hatte. Er zog erstmal eine Line Speed, wie andere Menschen einen Morgenkaffee trinken. In der Bar ging es weiter mit Drinks und Speed, zum Feierabend ein Joint und wenn wir danach in den Club gingen, schmiss er sich eine Bombe, in Zigarettenpapier oder einer Serviette zusammengeknülltes Koks mit Ketamin. Mich schreckte all das am Anfang ab. Aber dann wurden die Schichten immer härter, der eigene Anspruch größer. Außerdem arbeitete ich weiterhin als Journalist. Regelmäßig griff ich auf die Wachmacher zurück. Ich folgte einer Leistungslogik, von der ich eigentlich nie beherrscht werden wollte. Ich wurde nicht abhängig von den Drogen, sondern von der Bestätigung. Bestätigung durch die Gäste, die Chefs, den erwirtschafteten Umsatz und mein eigenes Ego. Die Gastronomie lässt einen nicht so leicht los. Sie ist die Sirene unter den Dienstleistungen, sie bezirzt dich mit ihrem leicht verdienten Geld, dem Spaß und Exzessen, lässt dich nicht mehr los, um dich langsam aufzufressen. So fühlte ich mich nun: Von mir war nicht mehr viel übrig. In meiner letzten Schicht wollte ich alles rauslassen, was sich die letzten zwölf Jahre angestaut hatte. Doch ich saß nur da. Meine neue Freundin sah das und umarmte mich. Sie sagte nur: “Es ist genug. Lass uns nach Hause gehen.” Und wir gingen. Ohne Abschied. Leander, der gar nicht Leander heißt, ist seit mehreren Monaten nicht mehr Barkeeper, sondern arbeitet als freier Journalist in Berlin. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
[ "Alkohol", "Barkultur", "Belastung", "Berlin", "Drogen", "Gastronomie", "München", "Stress" ]
2018-08-14T14:19:01+00:00
2024-08-12T07:43:45+00:00
https://www.vice.com/de/article/gy3k3j/zwolf-jahre-in-der-gastronomie-haben-mein-leben-zerstort
Schon mal SuperHirn auf einer Gebäudefassade gespielt?
Wem der heimische 52“-LCD-Bildschirm nicht mehr zum Gaming-Vergnügen reicht, dem empfehlen wir eine Partie Play The House. Die interaktive Online-Variante des bekannten Brettspiels SuperHirn alias Mastermind nutzt die knapp 100 Meter breite Fassade des NOD Gebäudes in Stockholm als Spielfläche. Kern der Installation, eine Kooperation von Studenten der schwedischen Royal School of Technology und Soundkünstler Hakan Libdo, sind farbenwechselnde Glühbirnen als Spielfiguren. Sie können von jedem potentiellen Spieler mit Internetverbindung gesteuert werden. Jede Nacht von 18 bis 6 Uhr wird das Gebäude von den bunten Pixeln erleuchtet und es heißt: Spiel frei! Per Livestream auf der Website von Play The House und dank jeder Menge Kabel wird das Onlinespiel mit der leuchtenden Fassade synchronisiert. Anders als ähnlich riesige Videospiel-Installationen wie die gigantische Tetris-Version, die wir im April gespielt haben, oder PONG auf einem Gebäude von Olafur Eliasson, ist Play The House kinderleicht aufzubauen, zu aktivieren und von Ort zu Ort zu bewegen. „Wenn ein kleines Brettspiel auf diese Größe aufgeblasen wird und man realisiert, wie einfach das ist, fragt man sich, ob Architekten auf der ganzen Welt überlegen sollten, ihre Häuser wie Spiele aussehen zu lassen“, erklärt Libdo. Für diejenigen unter euch, die noch nie SuperHirn gespielt haben, hier der Wikipedia-Link mit allen Regeln. Jetzt braucht ihr nur noch einen architektonischen Bildschirm in Godzilla-Größe und es kann losgehen. >> Hier könnt ihr Play The House spielen >> Besucht Libdos Website >> Besucht die Website der Swedish Royal School of Technology >> Den Code des Projekts findet ihr auf GitHub 
Beckett Mufson
[ "Architektur", "Creators", "Gebäude", "Installation", "Interaktion" ]
2014-10-16T15:54:00+00:00
2024-07-31T04:21:42+00:00
https://www.vice.com/de/article/schon-mal-superhirn-auf-einer-gebaeudefassade-gespielt/
Wer zur Hölle hört eigentlich … Backstreet Boys?
Irgendwie haben diese Backstreet Boys und ihre 90er-Hits ja was. Sie transportieren ohne Umwege diese ganz gewisse Partystimmung. Irgendwann, als ich anfing, bewusst Musik zu hören, hüpfte ich auch mal zu „Get Down“ von den Backstreet Boys durch mein Kinderzimmer. Schon mit „Lemon Trees“ von Fools Garden und jedem weiteren besseren Song war das dann aber überstanden. Irgendwo in der Stadt, als ich mich sturzbetrunken zu wohl und unbeobachtet gefühlt habe, musste ich auf einer 90er-Party auch mal so einen Hit abfeiern. Nach dem Aufwachen war es jedoch bestimmt das Erste, das ich bereut habe. Doch wer interessiert sich heute noch für die Hits von den Backstreet Boys? Gerade hier in Berlin, wo in jeder Straßenecke mehr Authentizität steckt als in AJs Alkoholsucht? Ich wollte es herausfinden, also hab ich mir eine Fotografin geschnappt, bin mit ihr zur Pressevorstellung der neuen Backstreet-Boys-Platte gegangen und habe mir mal angeschaut, wer außer uns da noch so rumhängt. Jutta (42), Kleeni (20), Adriana (19) Was erwartet ihr vom heutigen Abend? Kleeni: Viel Spaß! Adriana: Wir wollen die alten Songs hören! Sie dürfen auch drei neue spielen aber sonst nur meine Lieblingssongs. Welche sind das? Alle (im Chor): As long as you love me! Seid ihr so richtige Fans mit allen CDs im Wohnzimmerschrank? Kleeni: Joa, ich war auch früher schon auf Konzerten und habe das ein oder andere Album. Und heute wird mit der Mami richtig abgefeiert? Kleeni: Ja, unsere Mutti kommt überall hin mit. Jutta: Na klar, das hält mich jung. Klickt hier oder auf das Foto von Manni, um euch auch den Rest der Backstreet-Boys-Konzert-Besucher bei Noisey anzuschauen: Manni (38)
Text: Christian Rößler; Fotos: Katrin Ingwersen
[ "90ies", "Backstreet Boys", "Musik", "Vice Blog" ]
2013-07-05T07:40:00+00:00
2024-07-31T05:35:25+00:00
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Fuckbuddys erklären, wie man es richtig macht
Sex ist wohl eine der einfachsten Freuden des Lebens. Das weiß Rihanna, das weiß D’Angelo und das weiß selbst der komische Sänger der Bloodhound Gang. Genau deshalb ist es ja auch so komisch, dass die Natur des Menschen eine Sache verkompliziert, die eigentlichen ganz simpel sein sollte. Anstatt das Ganze einfach nur zu genießen, zerstören wir unsere zwanglosen Sexbekanntschaften oftmals dadurch, dass wir plötzlich Gefühle füreinander entwickeln und mehr wollen als nur etwas Bettsport. Foto:Lauri Väin|Flickr|CC BY 2.0 Aber was wäre, wenn man wirklich Sex ohne weitere Verpflichtungen haben könnte? In anderen Worten: Wenn man eine “Freundschaft mit gewissen Vorzügen” entwickeln könnte, ohne dass dabei einer der beiden involvierten Menschen irgendwann mehr will als der andere? Klingt ziemlich unmöglich, oder? Nein, als Ding der Unmöglichkeit kann man dieses Szenario auf keinen Fall abtun. Wir haben uns nämlich von drei erfolgreichen Freundschaftspärchen erklären lassen, wie man eine solche Abmachung auch wirklich einhält. VICE: Hey Leute! Wie habt ihr euch kennengelernt?Hans: Das war vor gut zwei Jahren bei Tinder. Wann hattet ihr dann zum ersten Mal Sex?Grace: Gute Frage! Ich glaube, nachdem wir zweimal miteinander abgehangen hatten? Ich weiß noch, wie wie ich ihn zufällig getroffen habe … An den Club kann ich mich jedoch nicht mehr erinnern. Habt ihr diese Sache zwischen euch jemals wirklich besprochen?Grace: Alles entspannt, keine Verpflichtungen. Es ist halt einfach irgendwie passiert. Gesprochen haben wir darüber nie wirklich.Hans: Wir haben nie vereinbart, von nun an Freunde mit gewissen Vorzügen zu sein. Es war anfangs so ein Freitagabend-Ding, manchmal aber auch nur alle zwei Wochen oder gar nur einmal im Monat. Wie oft lief da was zwischen euch?Grace: Früher habe ich noch wirklich oft bei ihm übernachtet, weil ich häufig in der Gegend unterwegs war, in der er wohnte. Das war für mich einfach viel bequemer, als den langen Heimweg anzutreten.Hans: Häufig freitags oder wenn wir halt unterwegs waren. Wie habt ihr sichergestellt, dass da nicht mehr draus wird? Und haben sich bei irgendeinem von euch jemals Gefühle entwickelt?Hans: Es gab mit Sicherheit schon ein paar echt abgefahrene Unterhaltungen zu diesem Thema. So etwas wie intensive Gefühle ließen wir zwischen uns jedoch gar nicht erst aufkommen. Inzwischen sind wir sogar richtig gute Freunde.Grace: Stimmt! Ich weiß noch, wie ich dieses Thema im volltrunkenen Zustand angeschnitten habe. Wirklich auf den Punkt gekommen bin ich dabei jedoch nicht. Hans: Eigentlich sind wir nun eher so etwas wie Kumpels. Wir übernachten beieinander, ohne Sex zu haben.Grace: Jawohl, Gammeln ohne Rammeln. Wurde es jemals irgendwie unangenehm?Grace: Nein, nie.Hans: Wirklich nie. Nicht mal dann, als wir beide mit anderen Leuten zusammen waren. Wir hatten doch einfach nur Spaß. Ernsthaft? Keine Spur von Eifersucht?Hans: Meiner Meinung nach kommt es nur darauf an, keine Gefühle zu entwickeln. Grace: Da er sowieso für sechs Monate weg musste, wäre er auch nicht da gewesen, wenn ich irgendwelche Gefühle entwickelt hätte. Als er dann wieder hier war, freundete er sich mit meinen Freunden an und schon wurden auch wir beste Freunde—und zwar ohne die vorherigen Vorzüge.Hans: Stimmt. Bevor ich weg musste, hatten wir halt ab und an Kontakt. Damals kannten sich unsere Freundeskreise zwar schon, aber nicht wirklich gut. Nach meiner Rückkehr lernte ich dann ihre Bekannten bei einem Festival in Kroatien richtig kennen. So wurden wir alle richtig enge Freunde und die zweijährige Bettgeschichte verwandelte sich eben in eine gute Freundschaft. Was hat euch immer wieder zueinander zurückkommen lassen? Der Sex oder das Wissen, dass der jeweils andere immer für einen da sein würde?Grace: Wohl das Zweite, weil ich manchmal auch einfach nur zu ihm gegangen bin, um zu kuscheln. Wenn ihr anderen Freunden mit gewissen Vorzügen einen Tipp geben müsstet, dann wohl “Keine Gefühle und viel Alkohol”?Grace: Gefühle sind ein No-go!Hans: Außerdem sollte man sich immer respektvoll behandeln! Grace: Stimmt. Und es ist unglaublich hilfreich zu wissen, woran man beim anderen ist.Hans: Außerdem ist ein gewisser Abstand ebenfalls wichtig. Für uns war das einfach, weil wir in komplett anderen Stadtteilen wohnten. Aber ja, unterm Strich kann man sagen: Keine Gefühle entwickeln und sich zusammen ordentlich besaufen. VICE: Wie und wo habt ihr euch kennengelernt?Sam: Das war bei irgendeiner Uni-Party. Ich weiß schon gar nicht mehr, wer den ersten Schritt gemacht hat, aber er ist letztendlich mit zu mir nach Hause gekommen. Ich glaube, Patrick kann da mehr dazu sagen.Patrick: Ich erinnere mich noch daran, wie wir im Raucherbereich eines Clubs ins Gespräch kamen. Die Frage nach Feuer ist und bleibt ein guter Gesprächseinstieg.Sam: Ja, das waren wilde Nächte. Er hatte an besagtem Abend jedoch viel tiefer ins Glas geschaut als ich.Patrick: Ich war wirklich voll.Sam: Letztendlich kotzte er in mein Waschbecken und ich schickte ihn nach Hause. Ich bin mir jedoch sicher, dass er mich trotz seines echt übel riechenden Atems noch rumkriegen wollte. OK, in dieser ersten Nacht ist außer einer Kotzeinlage scheinbar nichts gelaufen?Sam: Nein, ich warf ihn raus und musste dann erstmal die Sauerei in meinem Waschbecken sauber machen. Und das war echt kein Spaß. Keine Ahnung, warum ich mich überhaupt noch mal bei ihm gemeldet habe. Patrick, kannst du dich noch an das erste Mal erinnern?Patrick: Du bist ein paar Wochen später zu mir gekommen. Wie kam es dazu?Patrick: Das ist einfach so passiert. Und wir haben es beide genossen. Sie war sogar richtig überrascht, wie gut ich im Bett war. Sie meinte: “Ich hätte nie erwartet, dass der Sex so gut sein würde.”Sam: Oh Gott. War das jetzt wirklich nötig?Patrick: Na klar! Munchies: Wer eine Stammkneipe hat, dem geht es besser Wie ging es dann am darauffolgenden Morgen weiter? Habt ihr irgendwie über euer Techtelmechtel gesprochen oder das Ganze eher einfach so abgehakt?Sam: Eher das Zweitgenannte. Irgendwie dachten wir da wohl gleich. Ich glaube, ich bin auch einfach wortlos abgehauen, als Patrick noch schlief.Patrick: Ja, so war’s. Sie ist auf jeden Fall nicht lange geblieben. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich noch geschlafen habe oder nicht.Sam: Ich habe mich auf jeden Fall im Dunkeln angezogen. Das ist schon ziemlich fies, Sam.Patrick: Dem stimme ich zu.Sam: Hey, immerhin habe ich die Nacht bei ihm verbracht. Normalerweise stehe ich nämlich gar nicht darauf, neben einem Typen einzuschlafen—vor allem dann nicht, wenn der Typ so gerne kuschelt wie Patrick. Er war in dieser Nacht wirklich eine verdammte Klette. Scheiße, es ist vorbei, da muss man sich doch nicht noch ewig miteinander beschäftigen. Wie ging es dann weiter? Wie oft habt ihr euch danach noch gesehen?Sam: Ziemlich häufig, also oftmals nach durchzechten Nächten. Keine Ahnung, vielleicht einmal die Woche? Es kam halt immer darauf an, was so los war. Und das war auch gut so. Wir haben uns nie in die Haare bekommen, weil wir uns noch mit anderen Leuten trafen. Außerdem haben wir die ganze Sache nie an die große Glocke gehängt. OK, meine Mitbewohner wussten natürlich Bescheid. Und ihr habt nie irgendwie Gefühle füreinander entwickelt?Sam: Oha, das wollte ich schon immer wissen! Nach Jahren des Wartens: War ich denn nie gut genug für dich, Patrick?Patrick: Klar, Sam ist eine sehr attraktive Frau, die genau weiß, was sie tut. Wir wollten uns jedoch beide nicht an irgendjemanden binden und es hat schon alles so gepasst. Wäre da mehr draus geworden, würden wir heute wohl nicht mit dir sprechen. Und gab es auch mal unangenehme bzw. komische Momente?Sam: Ich habe mal mit seinem Mitbewohner geknutscht. Ich konnte mich gar nicht mehr an diesen Zwischenfall erinnern, bis besagter Mitbewohner mich flirtend anschrieb. Patrick hat mich daraufhin wochenlang komplett ignoriert. Ich habe ihn dann sogar im Club beiseite genommen und er hat mir dann irgendwas davon erzählt, dass sein Handy kaputt gewesen wäre. Irgendwann hat er mir aber verziehen und schrieb mir eine Nachricht, während ich in Paris unterwegs war.Patrick: Abgesehen davon gab es nur noch eine andere Aktion.Sam: Was meinst du?Patrick: Als wir damals zu dir gegangen sind und uns irgendwie gestritten haben. Irgendwann hast du dann mein Handy aus dem Fenster geworfen.Sam: Ach, stimmt! Da wollte ich einfach nur, dass er die Klappe hält und schläft. Aber nein, er musste ja weiter irgendwelchen Blödsinn plappern. Ich war richtig angepisst. Ich habe ihn dann gebeten zu gehen, aber er kam meiner Bitte nicht nach, sondern hing weiter bei mir rum und spielte mit seinem Handy. Dieses Handy flog dann erst gegen die Wand und anschließend tatsächlich aus dem Fenster. Als wir uns danach erneut gesehen haben, war jedoch alles wieder OK. Er ist ja sogar noch in der gleichen Nacht wieder zu mir gekommen. Im Allgemeinen stand er ziemlich oft plötzlich im betrunkenen Zustand vor meiner Tür. Patrick, weißt du noch, wie du mich mal sturzbesoffen angerufen hast und wir dann zusammen Das Dschungelbuch geschaut haben und anschließend eingeschlafen sind? Patrick: Na klar! Das klingt ja süß. Wie habt ihr es verhindert, dass sich das Ganze in etwas Ernsteres entwickelt hat?Sam: Wir haben beide einfach noch mit anderen Leuten geschlafen. Irgendwie kann man das Ganze einfach nicht als etwas Ernstes wahrnehmen, wenn man sich auch noch anderen Sexpartnern widmet. Welchen Rat würdet ihr anderen Leuten geben, die ebenfalls erfolgreiche Fickfreunde sein wollen?Sam: Sucht euch dafür nur Personen aus, mit denen ihr auch befreundet sein könnt. Geht das Ganze locker und mit Humor an. Verhaltet euch nicht wie Idioten. Und denkt immer daran: Sowas gibt irgendwann immer eine gute Geschichte ab!Patrick: Stimmt. Spielt eurem Gegenüber außerdem nie etwas vor. Ich meine, man will ja nicht aufgrund irgendeiner Dummheit eine so schöne Sache kaputtmachen. VICE: Wie habt ihr beiden euch kennengelernt?Mitch: Das war bei einem Bewerbungsgespräch für einen Job bei einem Gebäudemanagement-Unternehmen. Weil mehrere Stellen zu vergeben waren, hatten wir beide Erfolg. Und da wir die einzigen beiden jungen Bewerber waren, wurden wir auch schnell zu Freunden.Stephanie: Er hat mir auch immer Essen für die Mittagspause mitgebracht. Seine Mutter kann echt gut kochen.Mitch: Bei der Weihnachtsfeier haben wir dann zum ersten Mal miteinander gebumst.Stephanie: Ja, dafür musste die Putzkammer herhalten.Mitch: Und die 150 anderen Mitarbeiter befanden sich nur 20 Meter entfernt im angrenzenden Raum.Stephanie: Ich habe mir dabei auch den Kopf am Waschbecken angeschlagen.Mitch: Es war allgemein ziemlich chaotisch. Und wie ging es danach weiter?Mitch: Danach sind wir noch in einen Club gegangen. Über das Putzkammer-Techtelmechtel haben wir uns noch die ganze Nacht lang amüsiert.Stephanie: Und das machen wir auch heute noch.Mitch: Ein paar Tage später haben wir dann sogar über die ganze Sache gesprochen und uns darauf geeinigt, dass es nie wieder passieren wird. Na ja, wenige Monate später haben wir wieder miteinander geschlafen. Nur noch ein einziges Mal?Mitch: Ja, genau. OK, in dieser Nacht ist es jedoch ganze acht Mal passiert. Wow, stramme Leistung!Mitch: Ja, wir haben quasi bis zum Morgengrauen durchgebumst. Wie bei einem Marathon. Es musste einfach alles raus!Stephanie: Wir haben den darauffolgenden Tag auch blau gemacht, oder?Mitch: Stimmt.Stephanie: ich glaube, wir haben am Morgen noch zweimal gefickt und dann ging es für ihn nach Hause. Broadly: Wenn dein Vater versucht, mit deinen Freundinnen zu schlafen Wunderschön. Haben sich bei irgendeinem von euch dabei Gefühle entwickelt?Stephanie: Ich habe nur Gefühle für das Essen seiner Mutter entwickelt.Mitch: Auch bei mir war da absolut nichts.Stephanie: Ja, ich war damals auch mit jemandem “zusammen”. Mit wem?Stephanie: Einem Arschloch. Verstehe. Also ist das Ganze nie komisch geworden?Mitch: Nein, überhaupt nicht. Außerdem sahen wir uns ja noch täglich auf der Arbeit. Unsere Produktivität ging sogar nach oben! Stephanie: Mitch hat kurz darauf eine Beförderung bekommen. Ich war wohl eine gute Motivationsquelle, weil ich immer an seine Fähigkeiten geglaubt habe. Wie habt ihr es geschafft, da kein emotionales oder körperliches Chaos entstehen zu lassen? OK, der Sex war ja anscheinend schon ziemlich chaotisch.Mitch: Ja, der Sex war tatsächlich sehr wild. Wie blieb es dann bei einer Freundschaft?Mitch: Das lasse ich jetzt mal Stephanie beantworten.Stephanie: Wir waren 20 bzw. 21, als wir das erste Mal miteinander Sex hatten. Ich wollte aber auch noch mit anderen Leuten ficken. Und er auch. Wir haben dann sogar auf der Arbeit füreinander getindert. Das Ganze sollte sich nie zu mehr entwickeln. Und ganz ehrlich: Sex macht mir viel zu viel Spaß, als dass ich mich dafür auf einen Menschen festlegen will. Welchen Rat würdet ihr anderen Fuckbuddys geben?Mitch: Wilder und spaßiger Sex ist toll. Da gibt es auch nichts zu bereuen, weil es ja letztendlich auch nur Sex ist.Stephanie: Und falls man irgendwie die Möglichkeit hat, dann sollte man es auf jeden Fall in der Putzkammer treiben. Da geht das Saubermachen nämlich ganz leicht von der Hand.
Tom Usher
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Sex
2016-06-30T04:00:00+00:00
2024-07-30T22:10:02+00:00
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“Ich möchte für das Schlechte stehen” – Männer müssen endlich über ihre Depressionen reden
Der Himmel war klar und die Rodelbahn vereist. Ich hatte meine Liebsten um mich, es war der letzte Tag des Jahres 2017. Ich rodelte so schnell wie noch nie und plötzlich flog ich mit gefühlt 60 Stundenkilometer durch die Luft. Ich merkte nur, wie meine Brille sich verabschiedete. Ich landete mit dem Gesicht am vereisten Boden. Ich sah nichts. Ich schmeckte nur Schnee, Schweiß und Blut. Nur eine leichte Gehirnerschütterung, erklärten sie mir im Krankenhaus. “Ruhen Sie sich ein bisschen aus.” Wenn die Schmerzen in ein bis zwei Wochen nicht besser werden, sollte ich noch einmal kommen. Das war vor neun Monaten. Und nach wie vor wache ich fast jeden Tag mit Kopfschmerzen auf. Als ich von der Rodel flog, stürzte ich nicht nur auf den Boden, sondern auch in ein Loch. Um es gleich vorweg zu sagen: Es fällt mir extrem schwer, diese Geschichte aufzuschreiben. Ich hatte noch nie solche Angst, meinen Namen unter einen Artikel zu setzen (und ich war bereits mit Schmiss am Akademikerball und unangemeldet bei Treffen von Rechtsextremen, Staatsleugnern und verschwörerischen Handy-Strahlen-Gegnern). Ich habe Angst, mich mit diesem Text selbst zu stigmatisieren, mich zu blamieren. Auch bei VICE: Chaos in Chemnitz “Zuzugeben, etwas nicht zu können, lag mir fern.” Vor allem junge Männer kennen diese Angst wohl gut. Ich bin ihr jedenfalls schon öfter begegnet. Als ungefähr 13-Jähriger etwa verschlechterten sich meine Schulnoten drastisch, weil ich aufgrund meiner Kurzsichtigkeit die Zeichen an der Tafel nicht mehr erkennen konnte. Ich verheimlichte das in meinem Freundeskreis, erklärte meinen Eltern, dass ich keine hässliche Brille brauche und dachte nicht daran, mich von der letzten in die erste Reihe zu setzen. Zuzugeben, etwas nicht zu können – auch, wenn es eine sehr verbreitete, ziemlich harmlose körperliche Einschränkung ist –, lag mir fern. Heute will ich darauf scheißen. Ich habe keine Lust mehr, das Negative in mir für mich zu behalten. Ich habe keine Lust mehr, auf Hauspartys eine geile Geschichte nach der anderen zu erzählen, wenn das Gegenüber eigentlich wissen will, wie es mir geht. Ich habe keine Lust mehr, die lächelnde Fassade zu wahren, um meine Außenwelt mit meiner Wirklichkeit zu konfrontieren. Ich schreibe diesen Text, weil ich weiß, dass der gegenwärtige Umgang mit psychischen Krankheiten eine Depression noch beschissener macht als sie ohnehin schon ist. Kurz ein Gedanke für die Leute, die diesen Artikel gerade wegklicken wollen, weil sie keine psychische Krankheit haben und sich gut gerüstet fühlen, im Fall der Fälle mit einer Depression umgehen zu können: Bis vor einem Jahr war ich einer von euch. Ich dachte, es reicht, ein bisschen auf die eigene Work-Life-Balance zu achten und mit Kritik und Rückschlägen umgehen zu können. Ich dachte, es reicht, mit dem drückenden Gefühl der Unsicherheit umgehen zu können. Ich habe gedacht, dass jedes Hindernis mit der richtigen Portion Willensstärke zu bewältigen sei. Ich weiß noch, wie ich als Junge beim Fußballspielen erst so richtig in Fahrt kam, als einige Kollegen schon aufgegeben hatten. Einen 5:0 Rückstand aufzuholen, das war die beste Voraussetzung für mich. Ich hatte Tränen in den Augen als der FC Liverpool im Champions-League-Finale 2005 einen 0:3 Rückstand gegen den AC Milan aufholte. Die Heldengeschichten meiner Kindheit waren fast alle nach diesem Muster gestrickt. Sie sind ein Grund, warum ich mit der Depression so schlecht umgehen konnte. Nach meinem Unfall und dem Krankenhaus-Aufenthalt freute ich mich fast ein wenig darauf, die ärztliche Erlaubnis zu haben, mich auszuruhen. Für mich bedeutete das, die Zeit für Sachen zu nutzen, die ich schon lange auf die lange Bank geschoben hatte. Es war die Zeit, die man mit “wenn ich mal Zeit habe” herbeisehnt. Ich las endlich die Sachbücher, die sich bei mir gestapelt hatten, probierte neue Rezepte aus, kaufte ein Fahrrad und schraubte daran rum, machte Sport, traf mich mit Freundinnen und Freunden und versuchte im Serien-Smalltalk-Game aufzuholen. Ich wollte die Wartezeit produktiv nutzen. Meine Kopfschmerzen wurden aber nicht weniger, sondern mehr. Ich konnte das weder verstehen noch akzeptieren. Ich konnte nicht verstehen, dass ich mich um 10 Uhr komplett “gesund” fühlte und um 12 Uhr meinen Kopf unter kaltes Wasser halten musste, weil ich dachte, er würde gleich explodieren. Die ersten Wochen konnte ich nicht glauben, dass an sich harmlose Aktivitäten meine Kopfschmerzen verstärken. Ich konnte nicht glauben, dass der Schmerz fünfmal so stark geworden war, nur, weil ich 10 Minuten lang auf dem Handy etwas nachgeschaut hatte. Ich konnte nicht glauben, dass der Schmerz schon in der Früh da war, nur, weil ich zwei Stunden weniger als sonst geschlafen hatte. “Du musst jetzt irgendwie zehn Stunden rüberbringen, bis du wieder schlafen kannst.” Es war ein ständiges Hin und Her, das ich nicht begriff. Es war die Unvorhersehbarkeit der Schmerzen, die mich so fertig machte. Von “Endlich genesen!” über “Ich halt das nicht mehr aus!” bis hin zu “He, bildest du dir die Schmerzen vielleicht einfach nur ein?” vergingen oft nur ein paar Stunden. Als es mir ein paar Tage lang besser ging, kehrte ich in die Arbeit zurück und erzählte stolz und etwas entschuldigend, dass ich jetzt wieder einsatzfähig sei. In der Nacht nach meinem ersten Versuch, wieder zu arbeiten, biss ich mir unbewusst in die Lippen. Beim zweiten Versuch zu Arbeiten zerkratzte ich mir im Schlaf den Unterarm. Und ja, ich habe es auch ein drittes Mal probiert. Es dauerte gut drei Monate, ehe ich einen Zusammenhang zwischen meinem Lebensstil und den Kopfschmerzen sehen konnte. Diese Erkenntnis forderte meinen Ehrgeiz heraus: “Ha, diese Krankheit glaubt, sie kann mir was anhaben! Dich lösch ich aus.” Ich hatte endlich einen konkreten Feind, meinen Lebensstil, den ich bekämpfen konnte. Ich reduzierte meine Handy-Zeit von sechs Stunden pro Tag auf unter eine Stunde. Ich tauschte mein Streaming-Abo gegen ein Hörbuch-Abo und meine fast ausschließlich digitale Arbeit gegen eine analoge Bildungskarenz auf der Uni Wien (den Laptop braucht man dort immer noch nur für die Anmeldung zu Lehrveranstaltungen). Als die Krankenkasse mir andeutete, ich tue zu wenig für meine Genesung, ließ ich ein Röntgen und ein MRT machen. Zwei Monate später noch einmal. Ich ließ ein EEG, ein CT und eine Ultraschalluntersuchung der Halswirbel machen. Ich ging zur Neurologin, zum Orthopäden, zu einem Epilepsie-Spezialisten, zum HNO-Arzt, zum Zahnarzt, zur Osteopathin und sogar zu einer Masseurin. Ich kaufte zwei dicke Schinken zum Thema Kopfschmerz. Ich startete ein Schmerz-Tagebuch in einer Migräne-App. Darin sammelte ich immer mehr potentielle Trigger, die den Schmerz eventuell schlimmer machten: Stress, Schlafmangel, Hitze, Wetterumschwung, Alkohol, Koffein, vergessenes Magnesium – die Liste wurde unglaublich lang. Aber es geht nur so, dachte ich. Wenn ich besser auf meinen Körper höre, finde ich alle Trigger und damit das Ende der Schmerzen. Während der Schmerz sich monatelang kaum veränderte, wurde der Druck größer, wieder gesund zu werden. Die Ärzte konnten mir keine klare Diagnose geben. Alle gingen davon aus, dass der Schmerz bald verschwinden werde. Wenn ich wollen würde, meinten sie, könnte ich ein paar Dinge probieren, mit denen es vielleicht etwas schneller geht. Mein Umfeld meinte es gut mit mir und wollte helfen: “Wann kommst du endlich wieder? Wir vermissen dich”, schrieben meine Arbeitskollegen. “Das kann doch echt nicht sein! Es muss doch irgendwas geben, was dich wieder gesund macht”, meinten meine besorgten Eltern. “Du musst wieder gesund werden”, wünschte sich meine damalige Freundin. “Dir ging es sogar schon mal im Jänner gut. Es liegt an dir, dass es wieder gut wird”, schrieb ich im Mai auf ein Post-It, das ich in meine Geldtasche legte. “Lernen Sie, langsamer auszuatmen”, sagte ein Therapeut, der meine Körperfunktion mittels Biofeedback analysierte. “Lass dir noch einmal den Rücken anschauen. Ich glaub, da ist etwas”, sagte meine damalige Freundin. “Fang an, Briefmarken zu sammeln. Das entspannt”, meinte mein Bruder. “Mach Akupunktur”, sagten dann meine Eltern. “Nimm mit mir Ayahuasca! Das startet den Kopf neu”, schlug ein Freund vor. “Kiff ein bisschen! Das hilft super gegen Schmerzen. Ich hab’ eine super Doku dazu gesehen”, meinte ein anderer Freund. Ich war so verzweifelt, dass ich vieles davon ernsthaft in Erwägung zog. Ich arbeitete bereits hauptberuflich an meiner Genesung, gab über 1500 Euro für Ärztinnen und Ärzte aus. Ich war in meinem unbändigen Willen, dem starken Wunsch der Genesung und meiner ignorierten Depression gefangen. Ich probierte auch Cannabis gegen die Schmerzen. Das half extrem – für knapp zwei Stunden. Danach wurden die Schmerzen so schlimm, dass ich für zehn Stunden ins Krankenhaus musste. “Ich würde an Ihrer Stelle wahrscheinlich auch alles probieren.” Die Ärzte gaben mir fünf verschiedene Schmerzmittel, die mich benommen machten. Der Schmerz verschwand aber nicht. Alle ein bis zwei Minuten durchfuhr mich an einer fingerbreiten Stelle ein Schmerz, der sich wortwörtlich wie ein Messerstich ins Gehirn anfühlte. Ich schrie. Ich wollte mir die Haare ausreißen. Und ich dachte an die Leute im Mittelalter, die sich bei Kopfschmerzen die Schädeldecke aufbohren ließen, damit die bösen Geister den Kopf verlassen können. “Bohrt mir diesen Scheiß raus”, weinte ich. “Ich verstehe Sie”, sagte die behandelnde Neurologin, die meinen Schmerz als “suizidal” beschrieb. “Ich würde an Ihrer Stelle wahrscheinlich auch alles probieren.” Ich wollte ALLES, wirklich alles, nur nicht noch einmal diesen Schmerz erleben. Meine Suche nach potentiellen Triggern wurde fanatisch. Ich eliminierte gnadenlos alles aus meinen Leben, was auch nur irgendwie verdächtig war, Kopfschmerzen zu verursachen. Ich hatte so unfassbare Angst. Angst vor dem scheiß Leben. Und ich tat alles, um dieses Erlebnis zu vergessen. Selbst, wenn ich jetzt – mehrere Monate später – an diese eine Schmerzattacke denke, muss ich mir jedes Mal gequält an die betroffene Stelle greifen. Wie Harry Potter. Ich glaubte aber noch immer, mich selbst motivieren und therapieren zu können. “Sieh es als Chance”, sagte ich mir. “Du nutzt jetzt einfach die Zeit, um endlich mit deinem Studium voranzukommen.” Die Partys, die Ausflüge und die Sachen, die ich in der Arbeit geplant hatte, seien nicht so wichtig, dachte ich mir. Das half tatsächlich. Während ich von Jänner bis März es an einigen Tagen nur für 10 Minuten – mit Sonnenbrille und Ohrstöpsel – ins Freie schaffte, hatte ich mit der Bildungskarenz wieder einen Alltag und einen Grund, morgens aufzustehen. Ich saß jeden Tag stundenlang in der Bibliothek und lernte. Ein paar Wochen vor der Prüfungsphase stieg das allgemeine Stresslevel und ich konnte plötzlich nicht länger als 15 Minuten lesen, ohne dass sich die Kopfschmerzen drastisch verschlechterten. Ich ging eine Woche lang nicht mehr auf die Uni und war in meinen Gedanken gefangen: “Was machst du, wenn du nichts mehr lesen kannst?”, fragte ich mich. “Was machst du, wenn du nicht mehr vor einem Bildschirm arbeiten und nicht mehr studieren kannst?” Meine Lebensplanung war Schall und Rauch. Ich roch nach Sozialfall. “Meine Lebensplanung war Schall und Rauch. Ich roch nach Sozialfall.” Obwohl ich acht Tage nach der ersten lesegetriggerten Attacke wieder längere Sachen lesen konnte, war mein Vertrauen in mich nun ganz weg. Die Angst vor der wiederkehrenden Schmerzattacke und davor, mein Leben ohne meine Arbeit, die ich gern und gut mache, zu fristen, brach mich vollends. Ich hörte auf, mich mit Freunden zu verabreden, weil ich nicht wissen konnte, ob ich es am nächsten Tag überhaupt aus dem Bett schaffen würde. Ich hörte auf, meinen Wecker zu stellen, weil ich nicht zu wenig Schlaf (und damit eventuell stärkere Schmerzen) riskieren wollte. Ich beschloss, nur noch auf die Uni zu gehen, wenn ich mich gesund und sicher fühlte. Das waren die Tage, an denen ich irgendwann nachmittags aufwachte, sofort die Schmerzen überprüfte und dachte: “Scheiße. Sie sind immer noch da. Du musst jetzt irgendwie zehn Stunden rüberbringen, bis du wieder schlafen kannst.” An besseren Tagen stand ich auf, zog mich an, packte mein Uni-Zeug … nur um es wieder auszupacken, mir wieder die Schlafsachen anzuziehen und durch die Wohnung zu rennen. “Soll ich auf die Uni? Soll ich nicht?” Ich ließ die Zeit verstreichen, bis es zu spät war, um noch rauszugehen. Dann hasste ich mich noch viel mehr. “Wieder einen Tag verschissen.” Ich wünschte mir so sehr, meine Probleme wie damals als 14-Jähriger lösen zu können, als ich mein Handy mit voller Kraft an die Wand klatschte, weil es sich beim Öffnen von Anwendungen aufhängte. Mein Kopf gegen die Wand – das hörte sich irgendwie gut an. Jetzt, mit ein paar Wochen Abstand, befremden mich meine damaligen Gedanken und Verhaltensweisen. Ich dachte tatsächlich, dass der Kampf alternativlos sei. Und wenn es nicht funktioniert, dann muss man eben stärker strampeln. In der Neuropsychiatrie geht man mittlerweile davon aus, dass es so etwas wie “Male Depression”, also eine männliche Depression, gibt. Die These: Bei Männern wird eine Depression oft nicht erkannt, weil sie unter anderen Symptomen leiden und sich depressiv anders als Frauen verhalten – vielleicht mit der Intention, die eigene Depression zu verheimlichen. Auf das Thema aufmerksam wurden Forscher, als sie 1989 die niedergelassenen Ärzte der schwedischen Insel Gotland in den Themen Depression und Suizidprävention schulten. Die Suizidrate sank daraufhin – wie von den Fachleuten erhofft – signifikant. Allerdings nur bei den Frauen. Bei den Männern blieb die Suizidrate nahezu unverändert. Seitdem gibt es viele Theorien dazu. “Depressive Frauen gehen zum Arzt, depressive Männer bringen sich um.” Dr. Armand Hausmann von der Klinischen Abteilung für Allgemeine Psychiatrie an der Universität Innsbruck hat dazu einen lesenswerten Essay geschrieben: “Frauen suchen Hilfe – Männer sterben!”. Der zugespitzte Titel, der Suizid hauptsächlich als Folge von unbehandelter Depression sieht, hat einen faktisch wahren Kern. Laut Statistik Austria leiden Frauen zwei bis drei Mal häufiger an Depression als Männer. Die Suizidrate ist bei Männern allerdings zwischen drei bis zehn Mal so hoch wie bei Frauen. Hausmanns Schluss legt nahe: Depressive Frauen gehen zum Arzt, depressive Männer bringen sich um. Dass eine Depression bei Männern seltener erkannt wird, liege an den typisch männlichen Zuschreibungen, vermutet Hausmann. Und zumindest ich finde mich in Hausmanns Aufzählung wieder. Zu jedem “männlichen” Punkt fällt mir mindestens ein Satz ein, den ich in den vergangenen Monaten so oder so ähnlich gedacht habe: Aggressivität (“Ich möchte meinen Kopf gegen die Wand schlagen”), Unabhängigkeit (“Ich brauche keine psychische Hilfe”), Dominanzstreben (“Ich will meine berufliche Position nicht verlieren”), Leistungsorientierung (“Wie kann ich diese Zeit möglichst sinnvoll nutzen?”), Kontrolle (“Krankheit, dich lösch ich aus”) und Unverletzbarkeit (“Krankheit du kannst mir nichts! Mein Wille ist stärker”). Hausmann schlussfolgert: “Zu diesem männlichen Stereotyp gehört es auch, Gefahren zu meistern und die damit verbundenen Ängste und Leiden nicht wahrzunehmen.” Gleichzeitig würden die klassischen Symptome der Depression – Klagsamkeit, Gedrücktheit und Antriebslosigkeit sowie die metaphorisch aufgeladenen Begriffe von Schwäche und Hilfsbedürftigkeit – eher dem weiblichen Geschlecht zugeordnet. Deshalb seien Frauen besser darin, Stress und Schmerz zu bewältigen. “Hilfesuche käme einem Statusverlust und einer Identitätsbeschädigung gleich” Man könnte auch sagen: Ihnen wird mehr Raum für ihre Gefühle und emotionalen Schwächen zugestanden. Sie haben zum Beispiel kein Problem damit, sich bei Liebesg’schichten und Heiratssachen einen Mann zu wünschen, der sie beschützt (ich weiß, das sollten wir in einem anderen Kontext wohl auch diskutieren). Ein hilfsbedürftiger Mann hingegen gilt häufig immer noch als Weichei. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum Männer seltener als Frauen medizinische Leistungen in Anspruch nehmen. Patienten würden sich anders als Patientinnen verhalten, sagt die australische Forscherin Dell Lovett: “Es gibt kein Land, in dem die Lebenszeit der Männer genauso hoch ist, wie die der Frauen, und das hat nicht nur etwas mit den Genen zu tun. Der klassische Australier geht mit einer ‘wird schon werden’- Mentalität durch das Leben, doch wenn sie sich früher in medizinische Behandlung begeben würden, würden sie länger leben.” Ich fühle mich beim Lesen dieser Zuschreibungen ertappt. Ich war immer unglaublich stolz, seit meinem 18. Lebensjahr finanziell unabhängig von meinen Eltern zu sein. Mein Ego musste viel schlucken, um jetzt, nach acht Jahren auf eigenen Beinen, wieder Geld von ihnen annehmen zu können. Ich habe seit rund 15 Jahren keinen wirklichen Hausarzt mehr, weil ich gleich zu einem Facharzt oder einer Fachärztin gehe, wenn ich etwas brauche. Das mache ich wohl, weil ich zum einen nicht wegen einer “Kleinigkeit” zum Allgemeinmediziner will und zum anderen, weil ich damit Selbstkontrolle abgeben würde (“Ich weiß eh, ich muss zum HNO”). Und als Matthias Strolz bei seinem Rücktritt meinte, er wolle Pilot und nicht Passagier seines Lebens sein, bekam ich Gänsehaut. “Aufgeben tut man einen Brief”, brüllte mich mein Fußball-Trainer an, wenn ich den Ball verlor und nicht versuchte, ihn zurückzuerobern. “Härter werden, Burschen”, appellierte mein Sportlehrer, wenn sich jemand leicht verletzte oder wegen Erschöpfung aufgeben wollten. Wir lernten so den Schmerz hinunterzuschlucken. “Härter werden”, sagte ich dann auch zu einem Freund, dessen Bein nach einer wilden Hockey-Partie blutete. “Ich kann alles schaffen, wenn ich nur hart daran arbeite”, bildete ich mir danach als Teenager ein. “Hilfesuche käme einem Statusverlust und einer Identitätsbeschädigung gleich, weil diese mit Inkompetenz, Abhängigkeit, Aufgabe von Autonomie und Selbstkontrolle in Verbindung gebracht wird”, schreibt Hausmann. Mein Informationsstand über Depression und ihre männliche Besonderheit war bis vor Kurzem extrem gering. Ich hatte das Bild einer klinischen Depression im Kopf: Betroffene, dachte ich, sind von Ärzten umgeben, werden streng kontrolliert und leben in dauernder Suizidgefahr. Aber dieses dubiose Gefühl, das mich seit Monaten – auch an den guten Tagen – begleitete, war mir suspekt. “Ist halt grad stressig”, dachte ich, “einfach eine schlechte Phase.” Mal lachte ich und empfand Hoffnung. Fünf Minuten später verkroch ich mich im Bett. Ganze 7,7 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind davon betroffen. Vor allem junge Menschen (und alte Männer) sind eine Risikogruppe: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Depression bei Jugendlichen zwischen 10 und 19 Jahren die häufigste Ursache für Krankheit. Global gesehen soll die Depression bis 2020 die zweithäufigste Ursache für Krankheit sein; bis 2030 sogar die häufigste Ursache. Es ist ziemlich absurd, dass ich, der in einer liberalen Zeit eine gute Schule mit Psychologie-Unterricht besuchte, so wenig über eine der häufigsten Krankheits- und Todesursachen weiß. Ich erinnere mich noch gut, als ich vor rund zehn Jahren meinem Vater erzählte, dass ich mir Sorgen um die psychische Gesundheit meines Bruders mache. Er lächelte verlegen. Seine Antwort lautete damals, etwas überspitzt: “Eh schön, dass sich Menschen mit dem Thema beschäftigen, aber ein bisschen komisch ist das schon, oder? Ich mein, psychische Gesundheit, was soll das sein? Wo soll einem denn was wehtun?”. Sowohl die Angst, “aufzugeben” und mir Hilfe zu suchen, als auch diese Unwissenheit ließ mich so lange zögern, mich depressiv zu nennen. “Reichen meine Schmerzen wirklich aus, um mich in eine Reihe mit depressiven Menschen zu stellen?”, fragte ich mich. “Ist das den wirklich Kranken gegenüber nicht unfair?” Außerdem habe ich die typischen Symptome wie Appetitlosigkeit und Schlafprobleme ja gar nicht. Obwohl ich “Depression” schon im Februar gegoogelt hatte, traute ich mich erst im Juni, mich “depressiv” zu nennen. Später erzählten mir einige Freunde, dass sie auch schon mal so etwas Ähnliches erlebt haben, aber dass ihre Depression wohl auch “zu leicht” war, um den medizinischen Kriterien zu entsprechen. Auch deshalb schreibe ich diese Geschichte nieder. Damit alle, die an einer “leichten Form” leiden, sich nicht so fürchterlich alleine fühlen wie ich damals. Und damit alle anderen wissen, wie beschissen eine “leichte Form” der Depression für jeden von uns sein kann. Es war an einem heißen Nachmittag, an dem ich zuhause saß und die Kopfschmerzen unaufhörlich stiegen, obwohl ich nichts getan hatte, das die Schmerzen hätte triggern können. Die Grundlosigkeit des Schmerzes war schlimmer als der Schmerz selbst. Ich rannte in Jogging-Hose und Schlaf-Shirt raus und setzte mich in die U-Bahn. Ich weiß nicht mehr, wohin ich wollte. Ich sah abgefuckt aus und fühlte mich beschissen. Es war mir mittlerweile egal. Ich brach in Tränen aus und scherte mich nicht darum, dass mich die anderen Fahrgäste anstarrten. Ich genoss, wie die Tränen meine Wange runter auf das T-Shirt tropften. Ich überlegte, wer oder was mich glücklich machen könnte und mir fiel nichts ein. “Dir geht’s nicht gut”, sagte ich mir. “Du schaffst das nicht. Du schaffst das nicht. Du schaffst das nicht.” Das war der Tag, an dem meine Genesung begann. Ich erzählte meiner Neurologin von meinen Ängsten. Die Gehirnerschütterung sei zwar der Auslöser, aber nicht mehr der Grund für die Schmerzen, meinte sie. Mein Schmerzgedächtnis sende aus Gewohnheit – nach über sechs Monaten könne das schon sein – Schmerzen aus. Das sei wahrscheinlich psychosomatisch bedingt. Sie empfahl mir einen Therapeuten. “Dir geht’s nicht gut”, sagte ich mir. “Du schaffst das nicht. Du schaffst das nicht. Du schaffst das nicht.” Nach dem ersten Termin schrieb ich meinen Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen bei VICE, dass ich nicht wisse, wann ich wieder zurückkehren werde. Ich sagte alle Prüfungen an der Uni ab. Ich hörte auf, auf exotische Ärzte-Empfehlungen aus meinem Umfeld zu hören. Wenig später trennten sich meine damalige Freundin und ich. Ich brach den Kontakt zu Bekannten ab, denen ich eigentlich nur aus Höflichkeit zurückschrieb. Und ich entschuldigte mich bei ehemaligen Freundinnen und Freunden für mein Verhalten. Kurz: Ich tat mehrere Monate lang Sachen, von denen man während einer langen Dusche träumt. Und an dieser Stelle möchte ich den chronologischen Erzählstrang abbrechen. Ich könnte noch viel erzählen – auch einiges über die Dinge, für die ich sehr dankbar bin und die mein Leben verändert und bereichert haben. Aber das zu erzählen, ist nicht mein Auftrag. Ich habe in den Tagen, die ich in Boxershorts verbrachte, Halt und Hoffnung in Literatur und Kunst von depressiven Menschen gesucht und wurde oft enttäuscht. Viele haben ihre Geschichte schön geschrieben. Sie alle haben entweder den wahren Sinn des Lebens gefunden oder ihre Liebe zur Natur entdeckt. In den Buchbeschreibungen gewann ich teilweise den Eindruck, die Depression oder das Burn-Out sei das Beste, was diesen Menschen je passiert ist. Ich habe in einem Buch auch eine Liste von depressiven Menschen vorgesetzt bekommen, die “trotz ihrer Depression” Großartiges vollbracht haben. Sie soll wahrscheinlich einen Ausweg zeigen; Leute animieren, den Kopf nicht hängen zu lassen. Das mag einigen helfen, aber ich wünsche mir mehr Pluralität – sowohl in den Rollenbildern von Männern als auch im Umgang mit psychischen Krankheiten. “Ich möchte für das Schlechte stehen. Ich glaube, wir haben zu viel davon aus unserer Gesellschaft verbannt.” Ich verfluche diese Liste. Und ich verhexe alle Verlage, die aus einer schönen Leidensgeschichte einen inspirierenden Paulo Coelho basteln. Ich möchte keinen motivierenden Text schreiben oder jemanden inspirieren (zu diesem Thema empfehle ich den TED-Talk von Stella Young, “I’m not your inspiration“). Ich möchte für das Schlechte stehen. Ich glaube, wir haben zu viel Negatives, das zum Leben nunmal dazugehört, aus unserer Gesellschaft verbannt. Wir haben die stinkenden und blutverschmierten Schlachthöfe aus der Innenstadt in blickdichte Fabriken verfrachtet, Bettlern das Betteln in der Öffentlichkeit verboten, und dem Typen, dem es schlecht geht, haben wir alle schon mal gesagt: “Hör auf zu jammern. Das wird schon wieder.” Das Problem an falschem Optimismus (ich würde ja eher Verdrängung dazu sagen) ist, dass es einen Teil der Wirklichkeit ausblendet. Eine Geschichte, die die Schwierigkeiten nur ganz kurz aufzählt, um dann über die Weisheit, die man daraus gewonnen hat, zu sinnieren, ist eine Pistole im Rücken all jener, die an der gleichen Krankheit leiden: Du musst etwas Positives aus dieser Zeit mitnehmen. Du musst etwas lernen. Du musst weiser und klüger werden. Du musst zumindest sportlicher oder dünner werden. Du darfst nicht einfach nur depressiv, schwach und unproduktiv sein. Ich sage: Doch, das darfst du. Wenn es dir nicht gut geht, nimm Hilfe in Anspruch. Schicke diese Links einem Freund oder einer Freundin, wenn du glaubst, ihm oder ihr könnte das in der Situation als Betroffener oder Angehöriger helfen. Kriseninterventionszentrum, finanziert durch öffentliche Stellen und Spenden: Montag bis Freitag, 10 bis 17 Uhr unter 01/406 95 95, sowie Beratung – persönlich oder via Mail – und psychotherapeutische Intervention unter www.kriseninterventionszentrum.at. Telefonseelsorge der katholischen und evangelischen Kirchen in Österreich: Rund um die Uhr, gebührenfrei und vertraulich unter der Nummer 142 sowie www.telefonseelsorge.at. Suizid-Prävention des österreichischen Gesundheitsministeriums: Erste-Hilfe-Tipps, Notfallkontakte und Hilfsangebote in den Bundesländern unter www.suizid-praevention.gv.at. Das Österreichische Bündnis gegen Depression setzt sich mit anderen, europäischen Vereinen für eine bessere Diagnose und Behandlung depressiver Menschen ein und versucht, das Bewusstsein in der Öffentlichkeit – im Sinne einer Entstigmatisierung der Betroffenen – zu verändern: www.buendnis-depression.at. Eine gute Freundin erzählte mir vor Kurzem, dass sie der Newsfeed von Facebook und Instagram frustriert. Dort glänze alles. Die Fotos seien so schön, die Beziehungen so perfekt und der Urlaub immer ein Traum. Sie hingegen wisse nicht, was sie jetzt nach ihrem Studienabschluss machen soll und ist seit einem halben Jahr arbeitslos. Eine andere gute Freundin hat vergessen, den Studienbeitrag zu bezahlen und muss deshalb wahrscheinlich mindestens drei Jahre länger studieren. Es macht sie verrückt, auf Facebook ausschließlich erfolgreiche Studierende zu sehen. Ihre Kolleginnen und Kollegen halten alle ihre Zeugnisse ins Internet und niemand schreibt darüber, die Prüfung verkackt zu haben. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Als mich das nächste Mal jemand fragte, wie es mir geht, sagte ich “scheiße”. Und das ist wahrscheinlich die einzige positive Erfahrung, die ich mit euch teilen möchte. Seit ich offen mit meiner Depression umgehe, von meinen Therapie-Einheiten erzähle, und meine Schwächen zeige, kommt viel von meinen Freundinnen und Freunden zurück. Einige meinten, sie hätten selten so offen und so tiefgehend mit jemandem reden können; sie hatten bisher immer Angst, sich zu blamieren. Eine andere Bekannte meinte, dass sie nicht geglaubt hätte, mit einem Mann jemals über so etwas reden zu können. Zum Glück sind gesellschaftliche Normen aber nicht nur das, was uns Politik, Werbung und Kunst vorsetzen – sondern auch das, was wir für richtig halten, sagen und tun. Unsere “liberale Gesellschaft” existiert nicht einfach so, sondern nur deshalb, weil viele Leute – teilweise unter viel Kritik, Schmähung und gesellschaftlicher Ausgrenzung – so leben, wie sie es wollen. Wir sind nicht dank unserer späten Geburt fortschrittlicher als unsere Großeltern oder Eltern. Wir sind es nur, wenn wir Dinge ansprechen, die unsere Vorfahren und viele unserer Freunde nicht gerne ansprechen. Wenn wir uns mehr Verständnis für das Versagen wünschen, dürfen wir nicht nur Jubelmeldungen auf Facebook posten. Und ich, ich bin ein Mann, der gerade schwach ist. Folgt Christoph auf Facebook, Instagram oder Twitter und VICE auf Facebook, Instagram, Twitter und Snapchat.
Christoph Schattleitner
[ "Burnout", "depression", "Feature", "Features", "Hilfe", "male depression", "Männer", "Neue Männlichkeit", "Schwäche", "suizid" ]
2018-09-18T12:30:00+00:00
2024-07-30T18:49:41+00:00
https://www.vice.com/de/article/ich-mochte-fur-das-schlechte-stehen-manner-mussen-endlich-uber-ihre-depressionen-reden/
Mystical Communication Service: Diese Band hat fast den Festsaal Kreuzberg abgefackelt (naja, nicht wirklich)
Vor nicht allzu geraumer Zeit haben wir hier die Videopremiere zu „Gypsy Spirit“ vom multinationalen Sixtett Mystical Communication Service gezeigt und ab diesem Freitag gibt’s das gleichnamige Album für bare Münze zu erwerben. Damit ihr nicht wieder alle blind in den Laden lauft und alles kauft, was wir euch empfehlen, haben wir uns die Mühe gemacht, den Nebel um die Band und den eigentlich nicht existierenden Frontmann Yanez di Mompracem etwas zu lichten. Eben genannter Yanez besitzt ein Facebookprofil, was ja schon allerhand ist, für jemanden den es gar nicht gibt. Da die hauseigene Detektei momentan beschäftigt ist, mussten wir uns selbst auf die Suche nach Yanez di Mompracem und seinen Spießgesellen machen. Im Peppi Guggenheim sitzen die beiden Brüder Yanez, Yerald, beide aus Venezuela, und Neetu (Kanada) in einer Reihe an einem alten Holztisch und sind vermutlich die freundlichsten Menschen, die mir jemals in Berlin über den Weg gelaufen sind. Okay, ich war nicht auf der Fashion-Week—da waren bestimmt auch viele freundliche Leute. Der Rest der Band, Yair (Israel), Diego (Venezuela) und Kiyoshi (Japan) schafft gerade das Equipment für den Auftritt direkt neben der Bar heran. Ja neben der Bar, ohne Bühne. Wie sich so ein buntes Potpourri aus Nationalitäten zu einer Band zusammenfindet, frage ich, worauf Neetu meint: „Yerald hat ein Mädchen gedated, dass mit mir gearbeitet hat, Yanez ist mit Yair hergezogen, wir haben uns getroffen, und dann waren wir plötzlich verheiratet. Dann haben wir Diego und Kiyoshi getroffen. Was auch mehr Zufall war als alles andere. Man kann sagen, wir haben ganz organisch zusammengefunden“. So einfach ist das manchmal. Mittlerweile wohnen die drei zusammen, in einem Haushalt, in dem Musik mehr als eine einnehmende Rolle spielt. „Wir haben vier Aufnahmegeräte in der Wohnung, entweder übt einer Schlagzeug, Yanez spielt Gitarre oder es klingelt an der Tür und Leute kommen vorbei, setzen sich und spielen mit. Eigentlich ist immer irgendwie Musik da, egal, was wir tun.“ Etwas heikel ist ja häufig die Frage, wie Bands zu Coversongs stehen, in diesem Fall allerdings überhaupt nicht. „Klar covern wir auch, aber du würdest vermutlich das Original nicht aus dem Song heraushören. Es geht nicht darum, Songs exakt nachzuspielen, sondern darum, sich ein Stück von Musik-Giganten zu nehmen und dies auf seine Weise zu spielen. Warum sollten wir ein normales Cover machen, wir sind ja auch keine normalen Leute.“ Klingt logisch. Neetu, bei deren Lächeln man immer ein wenig taumelt, meint, sie „habe immer Musik geliebt, war aber nie in Bands und mittlerweile sei es einfach etwas geworden, dass einen Großteil ihres und das Leben der anderen ausmacht.“ Als ich sie auf die doch schon zahlreichen Konzerten, die sie bereits in Berlin gespielt haben, anspreche und nebenbei erwähne, dass vorerst wohl im Festsaal Kreuzberg keiner mehr spielen kann, schaut Yerald mich mit einem sonderbaren Gesicht an. „Der Festsaal Kreuzberg“, meint er mit der Gesichtsmimik von jemandem, der nicht weiß, ob er sagen darf, was er denkt, „ist die einzige Location gewesen, die uns je ausdrücklich untersagt hat, aufgrund von Brandgefahr, Blumen und Kerzen aufzubauen. Es gehört einfach zu unseren Auftritten dazu und bisher war das nie ein Problem. Ich habe zu denen gesagt: ‚Wir wollen keine Feuershow machen und den Laden abfackeln, es sind nur Kerzen, verdammt.‘ Dennoch durften wir es nicht. Als ich eine lange Zeit später hörte, dass der Festsaal abgebrannt ist, wusste ich nicht, ob ich lachen soll.“ Wenigstens waren es nicht die Kerzen der Band und da soll noch mal jemand Unkenrufe von sich geben, der Festsaal hätte nicht auf den Brandschutz geachtet. Wenn er wieder aufgebaut werden sollte, geben sich MCS bestimmt auch mit Elektrokerzen zufrieden. Doch wie steht es um den geheimnisvollen Frontmann Yanez di Mompraem, den es eigentlich nicht gibt? Alle Spuren führen zur Novelle The Tigers of Mompracem, eine Piratenbande, die auf der Insel „Mompracrem“ (!) haust und deren portugiesischer Freund und Mitpirat Yanez di Gomehra (!!) war. Yanez die Mompracem sitzt gerade vor mir. „Ich hätte mich auch Sandokan nennen können, aber das erschien mir doch etwas zu platt“. Da hat er völlig Recht, denn Yanez sieht wirklich aus wie Sandokan. Mysterium gelüftet. Das war X-Faktor, ich bin Jonathan Frakes. Bis zum nächsten Mal. Manchmal spielen die drei Y’s, Yanez, Yerald und Yair auch ihre „Intimo“ Sessions, welche schlichtweg Mystical Communication Service in der Akustikversion sind. „Es gibt in Berlin so oft irgendwelche Probleme aufgrund der Lautstärke, also dachten wir uns: Wir können nicht mit einem kompletten Schlagzeug spielen, gut dann spielen wir halt nur mit Percussions. Intimo ist aus der Not heraus entstanden, aber es ist eine Herausforderung an uns selbst und unsere Musik, sie trotzdem so zu transportieren, als wenn du in einem Saal mit kompletter Ausstattung spielen würdest.” Die ersten Demos zu Gypsy Spirit nahm Yanez alleine auf. „Es war Sommer und Yanez war es einfach leid, dass alle immer irgendwelche Ausreden gesucht haben, um sich in Bars zu betrinken oder im Park zu sitzen, also ging er ins Studio und fing an Gypsy Spirit aufzunehmen und zwar alleine. Er hat mehrere Demos aufgenommen und jedem, dem er es vorgespielt hat, meinte nur: „Wow“. Und wenn man die Augen zu macht und sich drauf einlassen mag, wird das Album ebenfalls das gleiche „Wow“ erzeugen. Doch was sind Mystical Communication Service, die ab Februar auf Europatournee gehen, eigentlich oder was genau ist ihre Musik? Man könnte jetzt die üblichen Genreelemente herunterbeten und Kategorien zusammenschustern, die dann doch wieder nur von den üblichen Musik-Nazis zerpflückt werden. Auf ihrer Website gibt es ein Zitat von Neetu, das vermutlich am treffendsten beschreibt, was die Band macht und wofür Gypsy Spirit steht: „Soaring guitars and drums deeper than heartbeats, give their sound a touch of the Mississippi disco blues infused with the wanderings and wondering of nomadic gypsies searching for a long forgotten home.“ Auch die Tatsache, dass im Titelsong „Gypsy Spirit“ auf Gesang verzichtet wird, ist bewusst Ausdruck dessen, dass die sechs weniger auf typische Songelemente setzen: „Die Instrumente sprechen hier für sich selbst, warum sollten wir Gesang drüberlegen, wenn der Song so genau dahingeht, wo wir ihn haben wollen.“ Diese Musik braucht kein wirkliches Genre, es ist einfach ein Emotionsspiegel der Sechs, der „all die Emotionen zeigt, die man hat, wenn man wie wir, lange von Zuhause weg ist, die Umarmung seiner Eltern vermisst und die Freunde sich ohne einen weiterentwickeln. Und mit unserer Musik kannst du diese Emotionen ausdrücken und solche, die dir fehlen, zurückholen und fühlen, obwohl du tausende Kilometer entfernt bist.” Das Album Gypsy Spirit von Mystical Communication Spirit erscheint am 31.01. bei Broken Silence, kauft es bei Bandcamp. ** Folgt Noisey bei Facebook und Twitter. MEHR VON NOISEY
Kai Strehler
[ "Music", "Noisey", "Noisey Blog" ]
2014-01-27T15:35:00+00:00
2024-07-31T02:40:53+00:00
https://www.vice.com/de/article/interview-mystical-communication-service-diese-band-hat-fast-den-festsaal-kreuzberg-abgefackelt/
Hey Newcomerbands, so übersteht ihr die ersten Interviews eurer Karriere
Am Anfang fühlt es sich wahrscheinlich ganz vorzüglich an, in einer aufstrebenden Band zu spielen. Nicht nur kommen Bandmitglieder mit einer eklatanten Missachtung ihrer Haushaltspflichten durch und können sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen allein von Chips und Koks ernähren, nein, wildfremde Menschen sind auch noch ernsthaft an ihrer Meinung zu Allem und Jedem interessiert—seien es ihre Ansichten zur Kommodifizierung der Audiokassette, ihrer verkorksten Jugend oder dem Verhältnis zu Groupies. Interviews sind ein großartiger Weg, um Dinge (anhand einer wohldurchdachten Aneinanderreihung von Zitaten) über jemanden zu erfahren, den du wahrscheinlich niemals treffen wirst, und da draußen gibt es auch ein paar wirklichfantastische Exemplare dieser Textgattung. Leider und trotzdem lesen sich andere wiederum wie ein missglücktes Elitepartner-Date zwischen Menschen, die sich zwar beide für Musik interessieren, aber total unfähig sind, eine auch nur annähernd gehaltvolle Konversation darüber zu führen. In Interviews erfahren wir von Künstlern, dass sie ihre Fans total super finden; dass sie den Druck verspüren, ein neues Album aufzunehmen; dass sie es großartig finden, in New York zu spielen, und, ja, krass, wer hätte das gedacht?, dass sie auf den diesjährigen Sommerfestivals voll viel Spaß hatten. Spitze! Und jetzt? Für solche Informationen sollte man keine Interviews lesen müssen. Interviews sollten ein bereicherndes Leseerlebnis sein und nicht einfach nur das bestätigen, was eh schon alle wissen. Deswegen haben wir euch einen Guide mit den Fragen zusammengestellt, die in unseren Augen seit Jahren Bands quälen und Leser zur Weißglut treiben—die Kategorie von Fragen, die Bands dazu bringt, sich ihre ganze Karriere lang wiederholen zu müssen, bevor sie dann als nervliches Wrack enden unddrohen, die ganze Fanpost zu vernichten, die man ihnen zuschickt. Solltest du in einer Band spielen, dann sieh diesen Text als Inspiration, um auch die Blödesten aller Fragen mit Bravour zu meistern. Noisey: Hi! Verspürt ihr einen gewissen Druck, den Nachfolger zu eurer Debüt-Single abzuliefern (die über eine Millionen Plays bei SoundCloud/Youtube bekommen hat)?Angesagte Newcomerband: Was glaubst du denn? Pitchforks komplette Leserschaft sitzt schon mit runtergelassenen Hosen vor dem Rechner und wartet sehnsüchtig auf unsere nächste Veröffentlichung. Du bist wahrscheinlich jemand, der schon total überfordert ist, wenn er sich eine halbe Stunde lang Trailer angeschaut hat, und es dann nicht schafft, sich für einen Film zu entscheiden. Um dir eine ungefähre Vorstellung von dem zu geben, was wir gerade durchmachen: Wir haben einen Karriereweg eingeschlagen, von dem uns so ziemlich jede halbwegs rational denkende Person—von unseren Eltern müssen wir hier gar nicht reden—abgeraten hat, und jetzt versuchen wir, nicht wie totale Versager auszusehen. Also ja, wir scheißen uns in die Hosen. OK, wunderbar. Sehr schön. Danke auch, dass ihr die Zeit gefunden habt, mit uns zu reden. Wir wissen das wirklich total zu schätzen. Ihr spielt jetzt gerade zum ersten Mal in Wien/Zürich/Linz/Bern, oder? Wie unterscheiden sich die Fans hier zu denen in eurer Heimat?Moment mal, bittest du uns gerade darum, die Gesichtsform und den Dresscode von Fans einer Stadt zu beschreiben, in der wir nur ein paar Stunden verbracht haben? Ich muss dir nämlich sagen, dass die 20-jährigen, leicht nerdig aussehenden Studenten, die in Cincinnati zu unseren Shows kommen, in einem kleinen dunklen Raum ganz ähnlich aussehen wie die in Graz. Oder hattest du es mehr auf verallgemeinernde Vorurteile in der Art von, „Ja, die Leute in Dornbin gehen schon mehr ab“ abgesehen? Es gibt sicherlich charakteristische Fangruppen wie die Black Veil Brides Army oder die Directioners, aber unsere Fans gehören nicht dazu. Es sind einfach irgendwelche Leute, die unser Album illegal runtergeladen haben oder zufällig an dem Abend, an dem wir gespielt haben, in den Club gestolpert sind. Großartig. Was können eure Fans denn auf euren Konzerten erwarten?Unsere Songs, live gespielt, und zwischendurch ein paar Ansagen. Cool! Um auf euer Album zurückzukommen: Wie schreibt ihr normalerweise eure Musik? Geht ihr schon mit einer ungefähren Vorstellung von dem, was ihr erreichen wollt, ins Studio?Du willst bestimmt hören, dass mir ein Song im Traum erschienen ist oder etwas in der Art, aber, was das Songwriting angeht, sind wir stinklangweilig. Wir hören uns etwas an, das wir gerade gut finden, klauen die Melodie, ändern die Tonlage und hinterlegen das dann mit einer Drumspur. Dann kommt uns irgendeine Textzeile in den Sinn, die sich ganz gut anhört, und die wiederholen wir dann 40 mal im Song, damit du sie bei unseren Konzerten lauthals mitsingen kannst. Unglaublich! Hey, ich habe in einem anderen Interview gelesen, dass … [hier Interviewzitat zum neuen Album einfügen]Das gibt eine 1+ für Recherche, die über das Lesen der Presseinfo und Seite 2 der Google-Suche hinausgeht. Wow! Ich werde jetzt exakt die gleiche Antwort noch einmal Wort für Wort wiederholen—nur für dich. Vielen Dank dafür, du hast meinen Artikel gerettet. Noch mal tausend Dank, dass ihr euch die Zeit für uns nehmt. Fühlt ihr euch, als hättet ihr euch zwischen [der Veröffentlichung eurer Debüt-EP und der Veröffentlichung eures neuen Albums] weiterentwickelt?Menschen verändern sich, sie werden älter und fangen an, alles zu hassen, was sie einst geliebt haben. Sieh uns an, früher haben wir noch Gina G gehört und jetzt tun wir so, als wären wir mit nichts anderem als Björk aufgewachsen. Sag uns doch einfach, was du genau von uns hören willst. Wir können dir gerne ein paar ausgearbeitete Antworten über das Experimentieren mit Holzbläsern, die Inspiration durch die ländliche Umgebung unseres Aufnahmestudios oder das Erlernen von „Schreibprozessen in der Gruppe“ liefern. Was darf’s sein? Cool, schreibt mir einfach die Antworten in einer E-Mail, ich suche mir dann später die beste raus. Was würdet ihr machen, wenn ihr nicht in der Band spielen würdet?Ich persönlich würde wahrscheinlich mit einem Boot die Westküste bis nach Portland hochsegeln, um meiner Existenzkrise zu entfliehen. Aber eigentlich spielt das doch überhaupt keine Rolle, oder? Die Hauptsache ist doch, dass das nicht der Fall ist. Wir sind jetzt hier, also, mein Lieber, lass uns doch auch über das Hier und Jetzt reden. Hast du dir unser Album angehört? Hey, ich bin hier noch immer derjenige, der die Fragen stellt … Hättet ihr jemals gedacht, dass ihr einmal hier landen würdet?Ja, genau so hatten wir das von Anfang an geplant. Während alle anderen draußen abhingen, Eis aßen und Steine auf vorbeifahrende Autos warfen, saßen wir im Musikraum und haben Akkordfolgen geübt. Ich wusste immer schon, dass wir irgendwann im Zum Goldenen Hirschen hocken und von jemandem interviewt werden, der für … wie heißt eure Zeitschrift noch mal? Schau mal, einige Bands sind erfolgreich, andere machen Debütalben, die auf dem Grabbeltisch landen und wieder andere schaffen es nie über die eigenen vier Wände hinaus. Diejenigen, die von ihrem eigenen Erfolg überzeugt sind, sind in der Regel Spinner. Wo seht ihr euch in zehn Jahren?Ernsthaft jetzt? Und zum Abschluss, was sollen die Leute aus eurer Musik ziehen?Ich gebe auf … Wir machen Musik für uns selbst. Sollte sie jemand anderes mögen, dann ist das ein schöner Bonus. Vielen Dank! Ich werde das jetzt alles zusammentippen und eurer PR-Abteilung den Artikel dann zur Freigabe zuschicken. Folgt Ryan bei Twitter—@RyanBassil ** Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.
Ryan Bassil
[ "Bandleben", "Features", "Interview", "Music", "Noisey", "Noisey Blog", "Noisey Guide To", "ringo starr" ]
2014-11-27T10:15:00+00:00
2024-07-31T02:56:05+00:00
https://www.vice.com/de/article/hey-newcomerbands-so-uebersteht-ihr-die-ersten-interviews-eurer-karriere/
Trailer: „Waiting For The Drop“ und der Hype um die DJ-Kultur
Foto: Still aus ‚Waiting For The Drop’ | © Allegro Productions / Alexei Barrionuevo Was macht DJs heute aus? Wer ist überhaupt ein DJ? Und warum werden einige DJs heute als Super- bzw. Rockstars wahrgenommen? Diese Fragen hat sich auch Alexei Barrionuevo gestellt, und der frühere New York Times- und Wall Street Journal-Journalist ist in der Dokumentation Waiting For The Drop auf der Suche nach Antworten. Dabei traf er Künstler wie Fatboy Slim, Avicii, Tiësto, Hardwell, Claude VonStroke und viele andere, bei denen erst einmal alle Vorurteile getriggert werden—und nebenbei spannt Barrionuevo den Bogen von den Raves auf Ibiza nach Großbritannien bis ins Jetzt in Las Vegas. „EDM klingt wie eine Krankheit”, sagt Sebastian Ingrosso von Swedish House Maffia im Trailer zum Film, und vielleicht liegt er so falsch nicht. Den Hype um den Plattenspieler (respektive MP3spieler) kann man einerseits krankhaft verurteilen, oder darin den viralen Effekt auf eine neue Generation von Ravern sehen. Wir empfehlen: Mach’ dir ein eigenes Bild, sieh dir den Trailer zum Film an und folge Waiting For The Drop auf Facebook. ** Folgt THUMP auf Facebook und Twitter. @THUMP_de folgen !function(d,s,id){var js,fjs=d.getElementsByTagName(s)[0];if(!d.getElementById(id)){js=d.createElement(s);js.id=id;js.src=”//platform.twitter.com/widgets.js”;fjs.parentNode.insertBefore(js,fjs);}}(document,”script”,”twitter-wjs”); MEHR VON THUMP
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2014-06-17T15:30:00+00:00
2024-07-31T04:43:51+00:00
https://www.vice.com/de/article/waiting-for-the-drop-dokumentation-dj-kultur/
Der VICE Guide zu den dunklen Seiten des Internets
HINWEIS: Wenn ihr etwas illegales im Internet anstellt, dann geht das auf eure Kappe und wir haben nichts damit am Hut. Also lest euch diesen Artikel durch, aber haltet eure kleinkriminellen Anwandlungen im Zaum. Wer schon mal den Save-Search by Google abgestellt hat und Facebook hinter sich gelassen hat, wird feststellen, dass es unglaubliche Untiefen im Internet gibt. Wenn du nicht zu den Digital Natives gehörst, liest du wahrscheinlich eh kein VICE, aber nur für den Fall, dass du dich zufällig hierher verirrt hast, sind hier ein paar Beispiele, die zeigen wie einfach es ist mit dem Internet und dem Gesetz umzugehen BitTorrent   Wenn du nicht willst, dass die Musikindustrie dich hart in den Arsch fickt, mit ihrem Lieblingsabmahnanwalt, dann solltest du heutzutage lieber nicht wahllos irgendwelche Sachen über BitTorrent runterladen. Während die Filmindustrie eher gemächlich klagt, holt sich vor allem die Musikindustrie ziemlich einen dabei runter, auch  Zwölfjährigen mit fünf Jahren Freiheitsentzug zu drohen. Problem ist, dass die Musikindustrie ja irgendwie nachweisen muss,  dass du dir das neue Album von Justin Bieber auch wirklich runtergeladen hast. Um sicherzugehen, dass es auch verfügbar ist, und um dir zu beweisen, dass du es warst, lädt deshalb die Musikindustrie das Zeug einfach selber hoch. Wenn die Falle zuschnappt, bist du dabei. Also kann einem prinzipiell nix passieren, wenn man die richtigen Files bei BitTorrent runterlädt–denk dran, es gibt ja auch legale Files für Torrent. Ob die Methode der Musikindustrie rechtlich fragwürdig ist? Ich bin kein Rechtsanwalt, aber mein Moralverständnis sagt mir: „Ja“. Aber wer will sich schon mit denen auf einen Rechtsstreit einlassen? Im Internet ist ja sowieso alles eine rechtliche Grauzone, warum sollte also die Musikindustrie es selbst so genau nehmen. Anstiftung zur Straftat ist gar nicht so schlimm, wenn man selbst nachher ordentlich zurück klagen kann. Mittlerweile gibt es auch jede Menge Verbrecheranwälte (ist das ein Pleonasmus?), die dich abmahnen, obwohl du überhaupt nichts getan hast. Deswegen sollte man in solchen Fällen nicht nur deshalb den Anwalt einschalten, anstatt einfach etwas zu unterschreiben und irgendeinem Hanswurst Geld zu schicken, sondern auch, weil selbst die Anwaltskosten im Normalfall geringer sind als das, was die Musikindustrie von dir will.   Streaming   Fernsehen braucht doch heute eh keiner mehr, wahrscheinlich musstest du nicht einmal Lügen, als das letzte Mal die GEZ-Drückerkolonne bei dir vor der Tür stand und du „Ich habe keinen terrestrischen Empfänger“ gesagt hast. Ab 2013 musst du sowieso zahlen, egal ob du gelogen hast oder nicht, dann wird nämlich die Haushaltsabgabe eingeführt. Wenigstens brauchst du dich dann für 17,98 € monatlich nicht mehr von der GEZ belästigen zu lassen, und deren Mitarbeiter können endlich einen Job mit mehr Würde ausüben. Aber wer braucht schon einen Fernseher, wenn er einigermaßen gut Englisch spricht (eine Voraussetzung für Digital Natives) und weiß, dass Serien sowieso ein halbes Jahr früher in den USA ausgestrahlt werden. Wer auf die Qualität scheißt, kann auf einschlägigen Seiten den gesamten Serienbestand seit Anbeginn des Kabelfernsehens konsumieren. Rechtlichen Ärger haben dafür bisher nur die Betreiber bekommen, den aber ziemlich massiv–für „leacher“ ist in Deutschland die Grauzone ziemlich groß. Mir ist kein Fall bekannt, in dem jemand in Deutschland fürs Anschauen bestraft wurde. Aber sei dir bewusst: Jede Menge Jobs in der Unterhaltungsindustrie werden durch dein verantwortungsloses Verhalten vernichtet. Ich hoffe, du kannst mit dieser Schuld leben, wenn Brad Pitt und Angelina Jolie sich keinen neuen unterirdischen Freizeitpark bauen können. Nach Angaben der Copyright-Mafia wurden in den letzten Jahren mehr Jobs vernichtet, als es überhaupt in der Branche gibt. Jetzt weißt du, wie schlecht es um die Film- und Musikindustrie steht. Dass es auch eine Pornovariante von YouTube gibt, weiß sogar meine 12-jährige Cousine. Dass alles, was es dort zum Streamen gibt, grauenhafter Fetisch-Shit und verpixelt ist, hast du sicher auch schon gemerkt. Die Möglichkeit Pornos in halbwegs guter Qualität streamen zu können, ist in einer Generation bei der jeder zweite kinox.to in der Lesezeichenleiste hat, eher eine Frage des „Wo“ und nicht, „ob“ das geht. Ich würde euch ja gern ein paar Tipps geben, aber ich will ja nicht, dass jeder hier in der Redaktion mich für einen Verbrecher hält. Mask your IP Wer entweder einen Sicherheitsfimmel hat oder einfach Videos auf YouTube anschauen will, „für die die erforderlichen Musikrechte von der GEMA nicht eingeräumt wurden“, hat die Wahl seine IP-Adresse zu verstecken. Das verschleiern der eigenen IP ist vollkommen legal, es kann dir ja auch in Deutschland niemand verbieten, dich unter falschem Namen vorzustellen. Einziger Nachteil ist, dass deine Internetverbindung dadurch langsamer wird, da du dein Internet prinzipiell per Umweg über einen anderen Computer konsumierst. Es gibt deswegen sogar mittlerweile ein Add-on für Firefox, mit dem du nur in wichtigen Fällen automatisch deine IP verschleierst, damit dein Internet nicht unnötig verlangsamt wird. Das Ganze funktioniert natürlich auch super fürs legale Streaming. In Amerika gibt es vielen Content, der offiziell und legal online gestellt wird. Weil aber die Firmen noch bergeweise Bargeld durch den Rechteverkauf an europäische Firmen verdienen wollen, verbieten sie das Anschauen der Inhalte für Nicht-US-Bürger. Manchmal ist auch die Preispolitik der GEMA schuld, so wie im Fall von grooveshark.com. Im Internet kann man deinen Wohnort relativ leicht über die IP-Adresse ausfindig machen, denn die ist immer einem bestimmten Land bzw. Stadt zugeordnet. Wenn du also deine IP allgemein verschleiern willst, damit du dich mit solchen Sachen nicht rumärgern musst, kannst du das auch manuell machen. Ich überlass das Erklären aber mal lieber dem Profi. Weitere Proxy-Listen findest du hier. Folgst du seinem Rat, kannst du endlich wieder grooveshark.com oder pandora.com benutzen. Hast du einen etwas ausgeprägteren Sicherheitsfimmel und traust Facebook und Co. nicht, kannst du sogar noch mehr machen, als einfach nur deine IP-Adresse verstecken. In Wahrheit sammeln große Firmen natürlich nur Daten von dir, um dir immer den besten Service bieten zu können, nicht damit sie Werbeagenturen dein Surfverhalten für Marketingzwecke verkaufen können. Was von beidem wirklich stimmt, liegt im Ermessensspielraum der Firma und in deinem Vertrauen ins Gute im Menschen. Falls du dein blindes Vertrauen nicht gern in Multimillionen-Dollar-Firmen legst, kannst du zumindest verhindern, dass sie dein Surfverhalten analysieren. Mit Ghostery kannst du stoppen, dass man dein komplettes Internetsurfverhalten ausspioniert, wenn du schon nicht verhindern kannst, dass Sony deine Kreditkartendaten aus Versehen verliert. Free Stuff Wenn du es noch nicht gemerkt hast, im Internet gibt’s überall alles umsonst. Chris Anderson erklärte uns bereits in seinem Buch Free: the Future of a Radical Price, warum das so ist. Die meisten Dienste im Internet finanzieren sich über ein paar wenige Leute, die das Premiummodell in Anspruch nehmen oder werden sowieso von irgendwelchen  begeisterten Spinnern in ihrer Freizeit programmiert, weil sie denken, dass sie etwas besser als ein Konzern machen können—womit sie allzu oft Recht behalten. Vor allem durch die ganzen Open-Source-Software-Projekte gibt es einen neuen Mitbewerber, der ganz neue Maßstäbe gesetzt hat, wer kann schon mit kostenlos konkurrieren. Wie schlecht kann etwas schon sein, das umsonst ist? Wie viel besser muss mein Produkt sein, um bei einem existierenden, vergleichbaren Open-Source-Projekt Leute dazu zu bewegen, Geld für eine Vollpreis-Software auszugeben—der Welt des alten Kapitalismus stehen harte Zeiten bevor. Heute in der Remix-Kultur ist es eh schwer zu sagen, ob man sich gerade strafbar gemacht hat. Ich lade mir immer wieder Musik bei musigh.com runter und frage mich schon lange, ob und wer sich vielleicht dabei Strafbar macht, wenn man bedenkt, dass es dort oft Remixe von bekannten Künstlern gibt. Vielleicht ist es aber auch nur eine riesige Promotionmaschine und ich bin ihnen total auf den Leim gegangen. Ich weiß, dass ich gerade gesagt habe, im Internet ist alles kostenlos: Musik, Software, Unterhaltung und Kommunikation. Aber wenn du irgendwo das Wort „kostenlos“ liest, dann ist es mit Sicherheit reiner Betrug. Kostenlos ist so etwas wie ein Signalwort für Bullshit. Alles, was kostenlos im Internet ist, macht keine Werbung damit. Und bitte mach auf keinen Fall den Fehler bei Google irgendwelche Wörter mit „Free“ zu kombinieren, wer so etwas macht, legt auch sein Geld bei einem Pyramidenspiel an. Wenn ich das Wort kostenlos im Internet lese, dann steuere ich automatisch in die andere Richtung. Mach das am besten auch, dann kriegst du weniger Abmahnungen per E-Mail (die sowieso rechtliche zweifelhaft sind. Vor allem an Privatpersonen.) und musst auch nicht ständig irgendwelche Trojaner von deinem Rechner entfernen. Got Problem? Wenn mal wieder dein Drucker spinnt und behauptet, das Tintenpatronen-Reinigungsfach wäre voll oder einen anderen erfundenen Hokuspokus, mit dem dich die Herstellerfirma dazu kriegen will, einen neuen Drucker zu kaufen, fühlt man sich verarscht, oder? Diese Verbrechermethode nennt man in euphemistischer Ingenieurssprache „geplante Obsoleszenz“. Wenn du dich nicht gerne von großen Firmen verarschen lässt, bist du damit nicht allein. Logischerweise steht weder in der Anleitung des Druckers, wie man das Reinigungsfach leert, noch hilft dir da die kostenpflichtige Kundenhotline weiter. Apple war sogar so dreist, beim iPod einen Akku einzubauen, der nur 8-12 Monate hält und keinen Ersatz anzubieten, sondern verwies lieber darauf, dass man sich doch einen neuen iPod kaufen solle. Hier hilft es bloß, sich von verärgerten Tech-Geeks im Internet helfen zu lassen. Es gibt zahllose Schritt-für-Schritt-Anleitungen im Internet, die dir erklären, wie du dieses oder jenes Obsoleszenz-Problem lösen kannst. Egal ob dich dein Drucker zwingt, die Patronen unnötig früh zu wechseln oder du deinen iPod-Batterie selbst wechseln willst. Das Internet hat prinzipiell immer die richtige Antwort für dich auf Lager. Egal ob du wissen möchtest, ob man von Oralsex schwanger werden kann oder wie man eine Layer-Mask bei Photoshop erstellt, irgendwer da draußen hat sich diese Frage auch schonmal gestellt. Gib’s einfach auf, so einzigartig bist du nicht. Aber mach dir die Profanität deiner Probleme einfach zunutze. So brauchst du nicht wochenlang warten, bis jemand in einem dubiosen Forum endlich antwortet, sondern die Lösungen liegen meist bereits auf dem Präsentierteller parat. Such einfach ein paar eindeutige Wörter in der Suchmaschine deines Vertrauens, und Voilá—Problem gelöst!   4chan.org Der Spiegel beschrieb 4Chan einmal folgendermaßen: „Die Welt von 4Chan ist dunkel und seltsam, wie das Innenleben eines verwirrten Provinz-Teenagers um 3 Uhr morgens.“ Klarer hätten wir das auch nicht formulieren können. Aber für euch rollen wir das ganze nochmal von vorne auf. Das einzige Produkt von 4Chan, das der durchschnittliche Internet-User kennt, weil es sogar bis zu Facebook rübergeschwappt ist, nennt sich Lolcats. Die Idee ist einfach zu beschreiben: Irgendein Witzbold modifiziert ein Foto von seiner unglaublich niedlichen Katze per MS-Paint, versieht es mit einer Bildunterschrift und schickt es an all seine Freunde. Die Idee ist weder neu, noch kreativ. Bereits 1870 lebte der Fotograf Harry Pointer seine Katzenobsession in Postkartenform aus und diese fand durch 4Chan.org seinen Weg ins Internet. Das ganze Phänomen nennt sich Meme und wurde bereits 1976 vom Evolutionsbiologen Richard Dawkins beschrieben, als eine Idee oder Verhalten, das sich in einer Gesellschaft von Person zu Person verbreitet. Bei 4Chan wurde es professionalisiert und anonymisiert, behinderte Scheiße zu posten, der sich als Meme tarnt. Schuld daran ist ein Typ, der sich moot nennt und die Idee aus Japan geklaut hat. Klar, hätte man ja gleich drauf kommen können, dass sich so eine behinderten Kacke nur ein paar verrückte Japaner ausdenken konnten, als sie gerade eine Pause mit ihrer Replika-Liebespuppe machen mussten, weil ihr Penis wund war. Moot, im wahren Leben als Christopher Poole bekannt, wurde aufgrund harter Betrügereien von seinen 4Chan-Freunden 2009 zum Gewinner der TIME100 gewählt. Peinlich für die New York Times? Nein. Peinlich für uns ALLE! Wenn du 4Chan nicht kennst, kann man das wahrscheinlich als Glücksfall abtun. Aber wenn du jetzt gleich rüber klickst, dann mach dich bei deinem ersten Besuch auf Nacktbilder, Rassismus und jede Menge blödes Gelaber gefasst. Up-to-Date über überflüssige Internet-Memes bleibst du besser auf anderen einschlägigen Seiten. The Dark Internet Das Ganze, was du im Internet für illegal hältst, ist eigentlich Kinderkacke. Solange du es über eine Adresszeile erreichen kannst, die man einfach so in den Browser eingibt, kommst du auf Seiten, die im besten Fall irgendwelche Dinge anbieten, die gegen das Copyright oder das Jugendschutzgesetz verstoßen. Dass es im Internet auch einen Großmarkt für Kreditkartennummern, Hitmen for Hire, Kinderpornografie und den Großeinkauf beim Drogenkartell geben muss, könnte man sich eigentlich denken. Wie genau der Markt funktioniert, weiß ich auch nicht. Aber auch im Internet gibt es diesen dubiosen Stadtteil mit den dunklen Gassen, die nach Pisse riechen, wo du einfach alles kriegen kannst. Während Seiten wie 4Chan.org und piratebay.se an der Grenzen der Legalität agieren, brauchst du dich beim Dark Internet gar nicht erst der Illusion hinzugeben, dass es hier mit rechten Dingen zugeht. Diese Orte findest du auch nicht mit Google, selbst wenn du den Safe Search deaktiviert hast. Wenn du irgendetwas finden willst, dann musst du die Adresse kennen und die besteht aus einer wahllosen Zahlen- und Buchstabenkombination. Das Deep Web kann man nur über einen speziellen Browser namens TOR (The Onion Router) öffnen, der auf Firefox basiert. Am besten du gehst erst mal über das Hidden Wiki rein. Von dort aus steht dir der ganze verkrustete Dreck in der vor Eiter triefenden Wunde des menschlichen Daseins zur Verfügung. Dieses Wiki ist prinzipiell eine Liste aus Adressen, die dich immer Tiefer rein führen, der Abgrund scheint bodenlos. Bei dem, was du hier machst, solltest du wirklich vorsichtig sein, nicht dass du aus Versehen etwas extrem Illegales tust und man dich dabei erwischt, weil du einfach überhaupt keine Ahnung hast. TOR verschleiert zwar deine Identität, aber darauf würde ich mich nur verlassen, wenn du dich wirklich gut auskennst. Und wenn du dich auskennen würdest, hättest du bereits bei der Überschrift aufgehört zu lesen. 100% sicher ist es auf keinen Fall, also pass auf, was du tust, im Fall, dass du es wirklich ausprobierst. Das hier soll keine Aufforderung sein! Wenn ihr mehr über freies Internet wissen wollt, dann schaut euch hier unsere Dokumentation Free the Network an!
VICE Staff
[ "Die Untiefen des Darknet", "Internet", "ratgeber", "Tech", "vice guide" ]
Popkultur
2012-04-06T01:10:00+00:00
2024-07-31T06:32:24+00:00
https://www.vice.com/de/article/tech-der-vice-guide-fr-die-dunklen-seiten-des-internets/
Roadkill ist der letzte Schrei
Gerry Armsworthy, 73, ist Experte für „Roadkill“; aus totgefahrenen Tieren fertigt er modische und praktische Winterkleidung an. In seinem Haus in Regina, Saskatchewan, das ihm gleichzeitig als Werkstatt dient, stehen sieben Nähmaschinen und eine riesige Gefriertruhe, in der er seine gesammelten Kadaver aufbewahrt. Jedes Jahr fertigt er über hundert Teile an und verkauft sie auf Handwerksmärkten oder über seinen Bestellservice. VICE: Wie sind Sie zu diesem doch recht einzigartigen Betätigungsfeld gekommen? Gerry Armsworthy: Als ich noch gearbeitet habe und viel in der Gegend herumgekommen bin, sah ich immer all diese reizenden Tierchen tot am Straßenrand liegen. Sachen aus Leder zu nähen, war schon lange ein Hobby von mir, und ich brauchte eine Zierleiste für meine Pantoffeln. Also ging ich in die Bücherei und holte mir ein paar Bücher über das Häuten, Ausweiden und Gerben von Tierhäuten. Ist es schwer, an brauchbare Straßenkadaver zu kommen? Nicht in Saskatchewan. Auf der Suche nach Nahrung sind auf den Highways jede Menge wilde Kojoten, Füchse, Dachse und Waschbären unterwegs. Die meisten werden nachts überfahren. Aber explodieren die Körper der Tiere durch den Aufprall mit dem Fahrzeug nicht förmlich? Nein, unbrauchbar werden sie nur, wenn ein Sattelschlepper sie platt macht. Steigen Ihre Preise mit der Seltenheit der Felle? Auf jeden Fall. Mein teuerstes Stück ist ein Hut aus Dachsfell. Der Dachs ist einer der bösartigsten Vertreter der Wieselfamilie und hat ein wunderschönes Fell, aber er hält Winterschlaf. Überfahren werden Dachse nur, wenn sie aufwachen, um zu fressen. Haben Sie je bei einer überfahrenen Katze gedacht: „Hey, das gäbe einen schönen Hut!“? Oh, nein, das würde ich nie tun, aber ich hatte schon sehr merkwürdige Anfragen. Einmal wollte jemand, dass ich seinen Hund verarbeite. Ich habe ihm gesagt, er soll damit woanders hingehen. Dann hat mal ein Typ angerufen und gefragt, ob er die Schädel haben kann. Meine Frau und ich fanden das ziemlich seltsam. Es gibt alle möglichen Verrückten da draußen. Was würden Sie Leuten raten, die das auch machen wollen? Die meisten denken nicht daran, aber das Erste, was passiert, wenn ein Tier totgefahren wird, ist, dass seine Eingeweide platzen. Das kann eine ziemlich stinkende Angelegenheit sein. Um das Blut herauszuwaschen und die Innereien zu säubern, sollte man nur Wasser nehmen, aber kein heißes, weil dann das Blut kocht und man es nicht mehr herausbekommt. Illustration von Maia Ruth Lee  
Kara-Lis Coverdale
[ "Jahrgang 6 Ausgabe 3", "Jahrgang 8 Ausgabe 3", "Kara-Lis Coverdale", "Mode", "Roadkill", "The Fashion Issue 2012", "Tote Tiere", "Vice Blog", "VICE Magazine", "Weird Art" ]
2012-04-03T00:00:00+00:00
2024-07-31T06:47:45+00:00
https://www.vice.com/de/article/roadkill-ist-der-letzte-schrei-0000146-v8n3/
Die PARTEI: EU-Parlament hindert Nico Semsrott, eine Präsentation zu halten
Als Abgeordneter des Europäischen Parlaments und Mitglied von Die PARTEI wollte Nico Semsrott gestern vor Journalisten sprechen. Sein Team hatte eine Multimediastation vor dem Plenarsaal in Brüssel reserviert. Eine PowerPoint-Präsentation war vorbereitet. Semsrott versprach einen “milestone in European history”. Eine Handvoll Journalisten kam. Aber nicht bloß die. Sicherheitspersonal der Parlamentsverwaltung rückte an und verhinderte den Auftritt. Warum? Enthielt die PowerPoint sensible Informationen? Noch hat sie niemand gesehen. Semsrott verriet bloß, dass in seiner Präsentation Kaninchen vorgekommen wären. Wir haben ihn angerufen und nachgefragt, was da in Brüssel eigentlich los war. VICE: Nico Semsrott, was ist da genau passiert?Nico Semsrott: Wir haben aus unserer Sicht total regelkonform einen Pressespot in der sogenannten VoxBox angemeldet. Was ist denn eine VoxBox?Im Gang vor dem Plenarsaal gibt es rechts und links Sprecherpositionen, wo man ein Statement abgeben kann, sowie weitere Multimedia-Studios, die alle unter die audiovisuellen Dienste fallen und innerhalb des Parlaments als VoxBox zusammengefasst werden. Wir haben bestätigt bekommen, dass wir diesen Platz nutzen können und haben dort einen Technikcheck gemacht. Zwei Stunden vor Beginn wurde uns das untersagt. Auch bei VICE: LOL Deutschland – Carmen Chraim Präsentieren wolltest du trotzdem – was hast du unternommen?Mithilfe der Grünen-Fraktion haben wir eine Alternative organisiert und einen Bildschirm neben dem VoxBox-Bereich aufgestellt. Ein Saaldiener hat uns gesagt, dass das geht, dann kam jemand von der Security, der uns gebeten hat, ein paar Meter vom Plenarsaal wegzugehen. Haben wir gemacht. Dann kam ein anderer Security-Mitarbeiter und hat uns zurück in den Bereich der VoxBox geschickt, deren Leiter uns wiederum gesagt hat, dass wir kein Equipment der VoxBox nutzen dürften. Der Bildschirm der Fraktion sei aber OK. Dieser Chef der VoxBox hat uns sogar geholfen, unsere Sachen aufzubauen. Plötzlich kam der Chef der Sicherheitsabteilung des Parlaments persönlich. Er hat mir erklärt, wenn ich die Präsentation halte, ziehen sie mir den Stecker. Das klingt ein bisschen bizarr.Das ist ein Kindertheater. Dass der Typ da war, muss eine Order von ganz oben gewesen sein, vom Parlamentspräsidium. Wir haben keine Ahnung, wovor die Angst haben. Die Faschisten dürfen hier alles machen, und wir werden als Gefahr gesehen. Das ist absurd. Die Parlamentsverwaltung sagt, sie hätte einen Alternativort angeboten.Das ist einfach gelogen. Wir haben gefragt, wo wir das machen dürfen, und sie haben gesagt: nirgends. Das ist krass dreist. Andere Abgeordnete haben mir erklärt: Abgeordnete sind hier kleine Könige und dürfen durch die Freiheit des Mandats eigentlich machen, was sie wollen, sie sind sozusagen demokratisch gewählte Könige. Du klagst über “Einschüchterungsversuche” und “massiven Sicherheitsaufwand”. Wie genau haben die Securitys die Präsentation gestoppt?Sie haben zwei Mitarbeiter*innen und mich umzingelt. Mit sehr vielen Leuten. Sie waren sehr nah an uns dran. Angekündigt hattest du eine zehnminütige “Penny-Pinching PowerPoint-Präsentation”, in der auch ein Kaninchen vorkommen sollte. Wie kann man sich das vorstellen?Das sind natürlich Dinge, die ich nicht verraten kann. Das macht neugierig. Holst du die PPPPP nach?Wir werden die PowerPoint auf jeden Fall im Laufe der nächsten Woche machen. Eine offizielle Pressekonferenz können sie wirklich nicht verbieten. Eine größere Veranstaltung als es gestern hätte werden sollen?Der Streisand-Effekt ist der Presseabteilung dieses Parlaments offenbar kein Begriff. Die arbeiten normalerweise ja unter Ausschluss der Öffentlichkeit und sind verwirrt, dass es jetzt Berichterstattung gibt. Ich möchte mich einfach auch bedanken für die Aufmerksamkeit. Bist du vorher schon mal in deiner Arbeit eingeschränkt worden?Grundsätzlich ist eine Bürokratie eine Einschränkung an sich. Ich bin fasziniert und erschrocken, wie langsam alles funktioniert. Für einzelne Formulare braucht man fünf Gänge und zwei Wochen. Einmal haben wir auch Fotos gemacht mit dem parlamentarischen Fotodienst. Der hat manche Bilder aussortiert und uns gar nicht zur Verfügung gestellt. Die Begründung war, dass sie irgendwelche Würderechtlinien oder so verletzen. Ich finde aber, das Bild, wo ich mich auf meinem Schreibtisch in meinem Abgeordnetenbüro räkele, hätte es verdient, an die Öffentlichkeit zu kommen. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Florentin Schumacher
[ "Die partei", "eu", "Nico Semsrott", "Satire" ]
Politik
2019-11-14T17:03:21+00:00
2024-07-30T14:55:22+00:00
https://www.vice.com/de/article/nico-semsrott-die-partei-eu-parlament-verhindert-prasentation/
Die Insel der verlorenen Seelen
Jeder hat ein vage Ahnung davon, dass ein Musikfan jeden Sommer gewöhnlich drei Herzattacken erleidet, während er versucht zu entscheiden, zu welchen der zahllosen europäischen Festivals er gehen soll. Es ist eben keine leichte Entscheidung, und manchmal stellen sich die Gewinnchancen unfairerweise gegen dich. Wie gedenkst du zum Beispiel, nach Benicassim zu kommen, wenn du in Hofmannsgütl wohnst? Gleichermaßen bewegen sich die 4.000 Pfund Eintrittsgeld vom Glastonbury wahrscheinlich außerhalb deines Budgets, selbst wenn du ein Millionär bist. Neben diesen banalen Angelegenheiten ist es vielleicht eh nicht nach deinem Geschmack, an irgendeiner Mega-Kommerzveranstaltung im Matsch zu baden. In diesem Fall bist du wohl sowieso auf der Ausschau nach etwas Neuem. Werde Teil der Secret Island Nation. Dieses kleine, aber feine Festival findet nun im sechsten Jahr auf der verlassenen schwedischen Insel Ulmsholmen statt. Organisiert wird es von einem Team von Berlinern, das von Björn Wurmbach geführt wird. Auf dem Festival lassen sich um die 500 Berliner und Schweden zu einem Wochenende der Unsanständigkeit auf einem einsamen Fels nieder. Aber wenn du jetzt denkst, dass die ganze Idee der Secret Island Nation darauf basiert, ungestört auf Ecstasy zu sein, überdenke das noch mal: „Nur wild feiern reicht nicht: Nebenbei gründen wir unseren eigenen Staat “Sweutschland” und testen dabei ein alternatives Konzept des Zusammenlebens, anstatt nur über das System” zu schimpfen,“ sagt Björn. Die Secret Islander nehmen alles selber nach Ulmsholmen mit. Ansässige Fischer verleihen ihre Boote, so dass Essen, Zelte, DJ-Ausstattung und Beleuchtungsanlagen zum Wochenende der Musik und der Regsamkeit gebracht werden können. Vielleicht hört sich das zu gut an, um wahr zu sein. Und letztes Jahr war es das auch. Björn Wurmbach erinnert sich an eine teilweise feurige Geschichte: „Letztes Jahr erlebten wir am ersten Tag des Festivals den stärksten Hurrikan des letzten Jahrhunderts, das war schon krass abenteuerlich, wirklich nichts für Schönwetter-Raver. Es stürmte mit 28 Metern pro Sekunde, unsere Boote konnten nicht mehr fahren, 150 Gäste mussten erstmal an Land bleiben und neben dem Friedhof campen. Auf der Insel fiel dem Cheftechniker die Lichttrosse auf dem Kopf, die Zeltheringe bogen sich und circa zwei Drittel der Zelte flogen davon. Als das Wetter sich beruhigte, wunderten wir uns über die Hubschrauber und die Flugzeuge der Küstenwache, die immer wieder über uns kreisten, bis wir erfuhren, dass ein 70 Meter langer Frachter drei Seemeilen vor der Insel gesunken war. Tragischerweise wurde keiner der sieben Besatzungsmitglieder gefunden. Zum Glück ist die statistische Wahrscheinlichkeit verschwindend gering, dass sich so ein Wetter wiederholt. Normalerweise ist Ende Juli das großartigste Wetter, das Westschweden zu bieten hat.“ Es gibt noch Tickets für das diesjährige Secret Island-Event, welches vom 27. Juli bis 2. August stattfindet. Und die Veranstalter bieten euch ein Reisepaket an, das euch zur Festivalstätte und zurück bringt. Für mehr Informationen, wie ihr dort hinkommt, wie viel es kostet und wer dort spielen wird, schaut auf: www.secret-island.eu Und was war für Björn der Höhepunkt der letztjährigen Veranstaltung? „Das Highlight war das anschließende, bisher unerlebte intensive Zusammengehörigkeitsgefühl aller Teilnehmer. Diese unvergleichliche Strahlen in den Gesichtern, als endlich die Sonne rauskam, das vergisst man nicht mehr. ‚Egal, auf wie vielen Festivals man gewesen ist, den Enkelkindern wird man nur von der Secret Island Nation erzählen,’ so sagte es ein Gast.“
Neale Lytolli
[ "Reisen", "Vice Blog" ]
2010-07-15T13:16:00+00:00
2024-07-31T07:58:02+00:00
https://www.vice.com/de/article/die-insel-der-verlorenen-seelen/
Was mich ein Nackttanz in Zürich über unsere Gesellschaft gelehrt hat
Die Yucca-Palme bebt, als der junge nackte Mann ihre Blätter penetriert, während eine junge nackte Frau auf einem Sofa ein Kissen reitet und die zehn anderen Nackten im dunkeln Raum sich mit anderen Einrichtungsgegenständen vergnügen. Was nach einem Gangbang für Objektsexuelle aussieht, ist tatsächlich eine Nackttanz-Performance der dänischen Choreografin Mette Ingvartsen. Ihr Bühnenstück “7 Pleasures” war am diesjährigen Zürcher Theaterspektakel gleich drei Mal ausverkauft. Was bringt so viele Menschen dazu, 43 Franken zu bezahlen, um eineinhalb Stunden zwölf Tänzern dabei zuzusehen, wie sie, ohne ein Wort zu sprechen, ihre Geschlechtsteile rhythmisch bewegen? Könnte man dafür nicht genauso gut auf Pornhub oder in einen Stripclub gehen? Klar ist — im Publikum sitzen kaum eingefleischte Theatergänger. Seit Jahren sind in der Schweiz Theaterbesuche rückläufig. Laut dem Bühnenverband wurden in der letzten Saison nur rund 1.5 Millionen Theatereintritte verkauft. Tendenz sinkend. Foto von Marc Coudrais Wenn ich mich umschaue, drängt sich eher der Verdacht auf, dass die Zuschauer nicht hier sind, weil sie so kunstaffin sind, sondern um eines der letzten Tabus der westlichen Zivilisation zu brechen, das schon Mani Matter in “Hemmige” besang: Fremde Nackte hemmungslos anstarren. In der Tierwelt wird Blickkontakt entweder als Drohsignal oder Zeichen von Interesse eingesetzt. Auch der Mensch kann sich diesem komplexen Mechanismus nicht entziehen. Aber das Verlangen, nackte Körper zu betrachten geht über sexuellen Voyeurismus hinaus. Es dürfte die Neugierde darauf sein, wie echte Körper aussehen, fernab von der Popkultur-Weisswäsche mit ihren Barbie-und-Ken-Idealen. Doch man stelle sich vor, einer der vorwiegend älteren männlichen Theaterbesucher von “7 Pleasures” würde in der Sauna oder Gym-Garderobe anfangen, ohne jegliche Scham fasziniert die Penisse und Ärsche um ihn herum ausführlich zu mustern. Es würde keine drei Minuten dauern und er würde dem Abwart gemeldet oder in seiner eigenen Blutlache treiben. Wie schön, kann man unter dem dehnbaren Deckmantel der Kunst gefahrlos seinem heimlichen Vergnügen nachgehen, wie ein Fussfetischist, der einen Podologiekurs belegt. Zugeben will das natürlich niemand öffentlich. Kunst ist moralisch vertretbar. Porno nicht. Oder wie Picasso zu sagen pflegte: “Kunst ist eine Lüge, die uns die Wahrheit erkennen lässt.” Die Schöpferin von “7 Pleasures” reagiert allerdings allergisch, wenn bei ihrem Werk die fleischlichen Gelüste des Publikums in den Fokus rücken und so an ihrer artistischen Daseinsberechtigung gerüttelt wird. Im Interview mit dem Standard regt sie sich darüber auf, dass das Brüsseler Theater mit dem Slogan “Wie man die Hitzewelle übersteht: Mette Ingvartsens Strategie folgen und weniger anziehen” für ihr Stück warb. Einerseits verständlich, denn rein tänzerisch ist Ingvartsens Inszenierung einzigartig: Das Bild der ineinander verkeilten Nackten, die sich wie ein einzig grosser Fleischwurm quer durch das Bühnenbild windet, hat sich in meinem Hirn direkt neben dem des menschlichen Tausendfüsslers eingebrannt. Andererseits könnte die Künstlerin trotzdem offen zu ihrem Verkaufsargument Nummer eins stehen. Sex. Oder um es in den Worten einer Theaterbesucherin nach dem Schlussapplaus zu sage: “Hast du den Dödel gesehen, der einen Helikopter gemacht hat?!” Vanessa auf Twitter.VICE Schweiz auf Facebook und Twitter.
Vanessa Sadecky
[ "Kultur", "Nackt", "NSFW", "Schweiz", "Sex", "Sexualität", "Stuff", "Tanz", "Vice Blog", "Zürich" ]
Sex
2016-09-07T09:00:00+00:00
2024-07-30T22:14:51+00:00
https://www.vice.com/de/article/ex8jkp/nackte-taenzer-bei-7-pleasures-am-theaterspektakel-zuerich-ch
Warum ich es hasse, keinen Doppelpass zu haben
Ich habe deutsche Freunde, einen deutschen Steuerbescheid, seit 17 Jahren eine deutsche Adresse, deutsches Abitur, deutschen Uniabschluss, und eine sehr deutsche Liebe für Apfelschorle und Tupperdosen. Nur einen deutschen Pass habe ich nicht. Wenn ich das erzähle, sind die meisten richtig überrascht: Wie, du bist seit klein auf hier und hast nur russische Papiere? Ich bin in St. Petersburg geboren, bin aber hier aufgewachsen. Manchmal finde ich das selbst verrückt: Dieses Land ist, seit ich zwölf bin, mein Zuhause, aber ich bin hier immer noch mit meinem russischen Reisepass unterwegs. Ich spreche mit einer solchen Selbstverständlichkeit von “uns Deutschen”, dass ich vergesse, dass ich hier eigentlich nur eine “unbefristete Aufenthaltsgenehmigung” habe. Die anderen vergessen das auch. Einmal hat eine Flamme ein Überraschungswochenende in London gebucht, und als er mir am Flughafen eröffnet hat, wohin es geht, mussten wir umdrehen. Mein Aufenthaltstitel lässt mich zwar visafrei in der Schengen-Zone reisen, für England hätte ich aber ein Visum gebraucht. Für viele Länder, in die meine Freunde spontan einen Flug buchen können, muss ich schon Monate vorher ein Visum beantragen. Selbst in die Schweiz hätte ich noch bis vor acht Jahren nicht einfach so einreisen können. “Warum hast du verdammt keinen Doppelpass?”, sagte die Flamme damals—eine Frage, die mir Hunderte Male gestellt wurde. An Flughäfen, wenn ich als einzige meiner Freunde in die Nicht-EU-Bürger-Schlange muss. In Clubschlangen, wenn ich meinen zerfledderten russischen Reisepass rausholt, wenn alle anderen ihre Ausweise zücken. Vor den Bundestagswahlen: “Was, du darfst nicht? Aber du lebst doch ewig hier!” Im Suff: “Wlalala, so wie du Bier trinkst—ich hätte dir längst einen deutschen Pass gegeben.” Die Antwort ist: Der Doppelpass steht mir nicht zu. Die Doppelpass-Regelung, die das ermöglicht hätte, kam für mich zu spät. Sie gilt nur für Kinder ausländischer Eltern, die im Jahr 2014 jünger als 23 waren. Als die Große Koalition vor zwei Jahren die “Optionspflicht” abgeschafft hat, also die Pflicht, sich zwischen zwei Staatsbürgerschaften zu entscheiden, habe ich trotzdem eine Sektflasche aufgemacht. Das neue Gesetz besagte, dass Kinder von Einwanderern sich nicht mehr zwischen 18 und 23 Jahren auf einen Pass festlegen mussten wie früher. Wenn sie diese Kriterien erfüllten, können sie zwei behalten. Wie gesagt, auf mich trifft diese Regelung nicht zu. Aber ich habe mich ehrlich darüber gefreut, dass Einwandererkindern mit meiner Geschichte die Entscheidung erspart wird, welche ihrer beiden Heimaten für sie Zuhause ist—und welches Gastland. Als ich nun gelesen habe, dass die CDU auf ihrem Parteitag beschlossen hat, all das wieder rückgängig zu machen, lief es mir kalt den Rücken herunter. Gegen den Willen der Parteispitze und Angela Merkels stimmte die (knappe) Mehrheit der Delegierten dafür, die “Optionspflicht” wieder einzuführen. Die ganzen Berivans, Olgas, Mohammeds sollen sich bitteschön für Deutschland entscheiden, wenn sie deutsche Privilegien genießen wollen: visafreie Reisen in viele Länder, einen schicken Ausweis und, das Wichtigste, sie können wählen und selbst gewählt werden. Klar, man könnte meine Geschichte auch als Jammern abtun. Wenn es mich so stört, keinen deutschen Pass zu haben, warum wechsle ich nicht einfach die Staatsbürgerschaft? Das könnte ich relativ problemlos: Ich wohne seit über sechs Jahren hier, habe eine Arbeit, spreche deutsch. Aber die Hälfte meiner Familie wohnt in Russland: Vater, Schwester, Tanten, Cousins, bis vor Kurzem noch eine kranke Oma. Es ist eine ungute Vorstellung, dass ich erst ein Visum beantragen müsste, um rüberzufliegen, wenn etwas mit ihnen passieren würde. Und was ist, wenn sie alt werden und ich sie pflegen muss? Deutschland ist mein Zuhause, aber das Land meiner Eltern ist es genauso. Viele Freunde, eine Katze, eine Zahnbürste warten dort auf mich. Und ja, viele Gründe, warum ich an meinem Pass festhalte, sind sentimental. Meine Mutter schimpft zwar auf den “nutzlosen rote Lappen”, der nur hilft, wenn man in Staaten wie Usbekistan und Kambodscha reisen will. Aber “der Lappen” ist auch ein Teil meines Ichs. Ich fühle mich sehr deutsch, glaube an Stoßlüften, Mülltrennung und Feminismus. Ich achte penibel auf die Einhaltung von deutschen Weihnachtstraditionen und feuere bei der WM die Nationalelf an. Aber ich liebe auch Puschkin, Blini und, ja, auch dieses irrationale Riesenland trotz seines Präsidenten. Das eine hat dem anderen nie im Wege gestanden. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein Einwanderersprössling denkt: Juhu, zwei Pässe! Jetzt kann ich auch mit dem ganzen Integrationsquatsch aufhören. Mag sein, dass der Beschluss der CDU sowieso nie umgesetzt wird. Thomas de Maizière sagte, er kenne keinen möglichen Koalitionspartner, mit dem seine Partei das Votum gegen die doppelte Staatsbürgerschaft durchsetzen könnte. Ich kenne eine Partei, die den Doppelpass auch kacke findet. Sie heißt AfD. Selbst wenn das Votum gegen die doppelte Staatsbürgerschaft nur Säbelrasseln ist, das besorgte Bürger zurück in die Reihen der CDU treiben soll. Es ist ein gruseliges Rasseln. Nicht nur schlägt die CDU einen härteren Flüchtlingskurs ein, sie grenzt Ausländer wieder generell ab. Wir gegen sie, das Fremde gegen das Nationale. Entweder du entscheidest dich für Deutschland oder dagegen. Und dann ist dein Leben hier nur ein Aufenthalt. Folge Wlada auf Facebook und Twitter und VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Wlada Kolosowa
[ "AfD", "CDU", "deutsch", "Deutschland", "Doppelpass", "Identität", "Meinung", "News", "Parteitag", "Passi", "staatsbürgerschaft", "Vice Blog" ]
2016-12-08T13:39:00+00:00
2024-07-30T22:43:56+00:00
https://www.vice.com/de/article/qkbzgb/warum-ein-leben-ohne-doppelpass-kacke-ist
Ich habe Erika Lusts Sex-App ausprobiert, um mein Leben zu bereichern
Erika Lust ist die Feministin der Pornoindustrie: Sie setzt sich für Minderheiten ein und kämpft gegen jede Art von Frauenfeindlichkeit. Lust ist eine Pionierin des feministisches Pornos, sie schreibt, führt Regie und produziert ihre Filme selbst. Sie öffnet Frauen auf der ganzen Welt die Türen in die Pornografie. Jenen Frauen, die abgeturnt sind von fleischigem Gerammel und schlechten Dialogen und die keine Lust haben, sich hektische und schreiende Paare beim Sex anzugucken, die so gar nichts mit der Realität zu tun haben. Ich bin eine dieser Frauen. Seit 2013 produziert Erika Lust die Serie XConfessions, Kurzfilme, die auf wahren Geschichten und Fantasien beruhen. Auf ihrer Website kann man diese ganz einfach einsenden und Lust macht einen Porno daraus. Seit Kurzem gibt es zu dieser Serie eine zugehörige App. “XConfessions” soll Paaren die Möglichkeit geben, sich über ihre sexuellen Wünsche und Sehnsüchte auszutauschen, ganz ohne dieses peinliche Gestammel nachts nach einer Flasche Wein. Das ganze funktioniert so: Man bekommt verschiedene sexuelle Vorschläge, die man an- oder ablehnen kann. Swipen beide Partner nach rechts, gibt es ein Match. Also Paar-Tinder für besseren Sex. Ich bin neugierig. “Eine faire und offene Kommunikation ist in einer Partnerschaft das A und O”, sagt die Psychologin und Paartherapeutin Ilona von Serényi. Stimmt. Obwohl mein Freund und ich noch nie Probleme mit unserer Kommunikation hatten, bin ich gespannt, ob ich etwas Neues über seine Sehnsüchte erfahre. Oder über meine. Gespräche über unser Sexleben laufen sonst eher pragmatisch ab: “Bock auf ‘nen Dreier?” “Nö.” “OK.” Keine Ahnung, ob das eine faire und offene Kommunikation ist, aber es funktioniert. Noch wichtiger ist laut von Serényi die emotionale Selbstöffnung in der Partnerschaft, also “das Mitteilen von Sorgen, Bedürfnissen, Zielen, Eindrücken und Erfahrungen, die einem persönlich wichtig sind zu verstehen. Je häufiger und je mehr sich beide Partner mit emotionaler Selbstöffnung begegnen, desto mehr Nähe und Intimität kann in der Beziehung entstehen.” Mal sehen, ob “XConfessions” da helfen kann. Auch bei Vice: Pornostars verraten ihre besten Sex-Hacks Ich überrede also meinen Freund, der vorher noch nie etwas von Erika Lust gehört hatte, mit mir die App auszuprobieren. Das war nicht ansatzweise so schwer, wie ich dachte, und nachdem wir uns beide auf unseren iPhones angemeldet haben, geht es direkt los: Ein lila-farbener Hintergrund und weiße Kästchen – im Gegensatz zur feuerroten Tinder-Flamme, die man schon beim heimlichen Blick über fremde Schultern erkennen kann, ist das hier deutlich diskreter. Es beginnt harmlos und genau so, wie ich die Vorschläge erwartet habe. Doktorspiele, Dreier, Dirtytalk. Von mir aus. Was ich mag: Jede Karte hat ein neues Design, eine Illustration oder ein Wortspiel. Was ich nicht mag: Bis jetzt ist nichts wirklich Innovatives dabei. Und noch kein Match. Am nächsten Tag nerve ich meinen Freund regelmäßig, mehr zu swipen. Wir haben noch immer kein Match. Die Vorschläge reichen von Rollenspiel (Wow!) über Periodensex und ich sehe mich schon an diesem Artikel verzweifeln. Schnell gibt es keine neuen Vorschläge mehr, das kann es doch nicht gewesen sein. Es wäre keine Erika-Lust-Produktion, wenn nicht ein paar absurde Vorschläge dabei wären. Schließlich steht Diversität bei ihr an erster Stelle. Das bedeutet auch, dass jeder Wunsch und jeder Fetisch gehört werden. Man weiß nicht, was manche dieser Sehnsüchte in der App verloren haben, aber hier ein paar der “XConfessions”-Highlights: Lass uns ein Baby machen! (Ich glaube nicht, dass man so etwas über eine App klären sollte. Wenn man nicht über einen Kinderwunsch kommunizieren kann, dann läuft sowieso etwas falsch.) Lass uns Polyamor werden. (Auch irgendwie eine Sache, die man nicht über eine App planen sollte.) Ich habe eine Fernbedienung und du den Vibrator in deiner Hose – beim nächsten Familienessen? (Und Mr. Grey empfängt Sie jetzt! Das klingt mir ein bisschen zu sehr nach Filmklischee …) Du überraschst mich in der Dusche (Ist es noch eine Überraschung, wenn Erika sie für uns plant?) Dann endlich das erste Match: “dominate me”. Ich will, dass du mich eine Nacht lang dominierst. Ich muss dir gehorchen und um deine Aufmerksamkeit und deine Erlaubnis bitten. Ich rufe meinen Freund an, um das erste Match zu feiern. Wir sind allerdings nicht sicher, wer von uns jetzt wen dominieren muss und darf. Die App zwingt uns also, jetzt doch direkt zu kommunizieren. Obwohl Paartherapeuten das für sehr wichtig halten, war doch Sinn der App, genau diese Gespräche zu vermeiden. Nach und nach landen immer mehr Karten in der “Match”-Spalte, von Sex auf Clubtoiletten über Quickies. Ein wenig enttäuscht sind wir beide über die Auflösung der Karten. Die App zelebriert die Matches nämlich nicht, sondern steckt sie still und heimlich in eine separate Spalte. Von Erika Lust hätte ich eher Konfetti und fliegende Vulven erwartet. Da sind Tinder-Matches aufregender. 139 Mal haben die Deutschen durchschnittlich Sex im Jahr, findet eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung im Jahr 2017 heraus. Das ist ungefähr so oft, wie ich in den letzten zwei Tagen an Sex gedacht habe. Schuld daran ist auf jeden Fall die App, die mich permanent in jeder Situation daran erinnert, was ich gerade alles tun könnte. Meinen Freund zwischen meine Brüste kommen lassen, zum Beispiel. Ich beobachte eine sexuelle Spannung zwischen meinem Freund und mir. Eines muss man der App also lassen, sie regt die Fantasie an und bringt viel Inspiration. Es ist ein bisschen wie diese Tasty-Videos auf Facebook, die einen irgendwann heißhungrig machen. Auch wenn ich nicht wirklich neue Stellungen oder Fetische über “XConfessions” kennengelernt habe, immerhin wurde ich permanent daran erinnert, dass Sex existiert und was man am Abend so alles tun kann. Außerdem bin ich mit meinen Sehnsüchten nicht alleine. Wenn mein Freund und ich Pläne für den Abend machen, wissen wir beide, was passieren wird und was der andere mag. Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude. Die Umsetzung übrigens auch. Ich bin nicht sicher, ob die App wirklich schon bei Paaren eine sexuelle Revolution hervorgerufen hat. Falls doch, umso besser. Rezensionen zur App gibt es leider noch keine, bis auf diese hier. Deshalb lasst euch sagen: Ich hatte Spaß. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Philin Peters
[ "App", "Beziehung", "erika lust", "Tinder" ]
2018-11-07T15:03:52+00:00
2024-07-30T18:59:55+00:00
https://www.vice.com/de/article/ich-habe-erika-lusts-sex-app-ausprobiert-um-mein-leben-zu-bereichern/
Die Rich Kids, die 1.700 Franken für eine Frauenfeld-Loft hinblättern, sind gar nicht so rich
Das Openair Frauenfeld ist am Höhepunkt angekommen. Während ich diese Zeile schreibe, sprühen die 257ers mit einer Schaumkanone das sonnenverbrannte Publikum voll und brüllen dazu “MUTTER! MUTTER!”. Die Leichendichte an richtigen Campingplätzen nimmt pro Minute drastisch zu. Und die Toiletten haben ihren gestrigen Glanz komplett verloren. Doch wie schaut es mit Premium Loft-Besitzern aus? Immerhin kostet ein Premium Loft stolze 1.700 Franken. Im Gegensatz dazu kostet das 3-Tages-Ticket für Normalsterbliche 199 Franken. Sehen diese Menschen gut aus? Leiden sie an Sonnenbrand? Haben sie sich per UberEats Kaviar zum Frühstück bestellt? Diese Fragen haben wir nicht gestellt, sehr wohl aber die grösste aller Fragen: WARUM? … Antworten findet ihr auf Noisey. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Fredi Ferkova
[ "Festivals", "Frauenfeld", "LUXUS", "Rich Kids", "Schweiz", "Umfrage" ]
2017-07-11T13:30:00+00:00
2024-07-30T20:23:54+00:00
https://www.vice.com/de/article/die-rich-kids-die-1700-franken-fur-eine-frauenfeld-loft-hinblattern-sind-gar-nicht-so-rich-2/
Lean On Me: Die Kodein-Könige bei Instagram
Während ich diese Zeilen schreibe, will ein Dealer mich tot sehen. Er hat es vielleicht nicht mit Worten ausgesprochen, aber auch eine Todesdrohung in Emoji ist eine Todesdrohung. Dieser Drogendealer ist davon überzeugt, dass ich ihn abgezogen habe. Es geht um ein paar Flaschen verschreibungspflichtigen Hustensirups der Marke Actavis, eine potente Mischung aus Codein und Promethazin, die man vor allem als “Lean” oder “Drank” kennt. Ich habe niemals Lean konsumiert und ich kenne den Dealer nicht. Unsere “Begegnung” fand auf Instagram statt, dem virtuellen Drogen-Flohmarkt, wo hunderte Mitglieder Lean, Gras und eine Vielzahl verschreibungspflichtiger Pillen verkaufen. Erinnert ich euch noch an Silk Road, den mysteriösen Online Drogenumschlagplatz? (Silk Road wurde übrigens erst kürzlich der amerikanischen Regierung konfisziert und offline genommen) Es ist mehr oder weniger das gleiche und zwar mit der gleichen App, mit der du auch Fotos von deinem Frühstücksbrunch teilst. Die gleiche App, die Facebook für eine Milliarde Euro oder 2,85 Millionen Gläser Actavis, die Nummer eins Lean-Marke, gekauft hat. Sie verkaufen es, liefern über Nacht und du kannst ihnen einfach deine Bestellung mailen. Lean, Oil, Mud, Texas Tea, Dirty Sprite, Drank, Sizzurp—der typische Plastikbecher mit lila Flüssigkeit, den du dir gerade vorstellst, ist eine Mischung aus Promethazin und Kodein, gemischt mit Sprite und mit einem Fruchtbonbon garniert. Lean wird oft von Rappern promotet. Ähnlich wie HipHop selbst, entstand Lean in einer isolierten Umgebung (Houston) und propagierte sich selbst in die Außenwelt. Die hellsten Sterne aus H-Town, Dj Screw und Pimp C von UGK, feierten das Zeug—und starben an einer Überdosis. Seit kurzem ist alles lila. Fat Tony aus Houston—der behauptet niemals Lean zu trinken—sagt: “Lean wurde, wegen DJ Screw und der Musikszene aus Houston, lange mit Rap-Musik in Verbindung gebracht. Heute ist es so bekannt, weil es in jedem Rapsong vorkommt.” Der 25-Jährige fährt fort, “Schau dir die Top 20 der Mixtapes, beispielsweise auf livemixtapes.com, an und ich garantiere dir, dass du auf jedem einzelnen mehrere Lean-Erwähnungen finden wirst. Egal ob es ein Lil Wayne-Tape, ein A$AP-Tape, ein Jeremiah-Tape, ein Chief Keef-Tape, ein Migos-Tape, ein Rich Homie-Tape, ein Quan-Tape, ein Kevin Gates-Tape ist, oder ob es um TDE-Künstler, wie Schoolboy Q oder Ab-Soul geht—sogar bei Odd Future Rappern wie Mellowhype findest du sowas. Lean ist im Rap populärer als je zuvor.” Aber Rapper rappen nicht nur darüber, sie lassen die Öffentlichkeit auch an ihren Problemen mit dem Zeug teilhaben. Gucci Mane hat erst vor gut einem Jahr via Twitter Alarm geschlagen, nachdem er ins Krankenhaus musste und festgenommen wurde. “Ich will jetzt meinen Mann stehen und die Gelegenheit nutzen, um mich bei meiner Familie, meinen Freunden, der Industrie und vor allem meinen Fans zu entschuldigen”, twitterte der 33-Jährige. “Es tut mir leid! Ich trinke seit über zehn Jahren Lean und muss mir jetzt eingestehen, dass es mich kaputt gemacht hat. Ich will der erste Rapper sein, der zugibt, von Lean abhängig zu sein, und das ist verdammt nochmal kein Scherz. Ich kann mich kaum an all die Dinge erinnern, die ich getan oder gesagt habe. Gerade bin ich in Haft, aber ich werde einen Entzug machen, weil ich Hilfe brauche.” Klinisch betrachtet ist Promethazin ein Antihistamin, ähnlich wie Benadryl. Es wird häufig als Sedativ verwendet oder um Brechreiz, Migräne oder starke, allergische Reaktionen zu behandeln. Es zersetzt sich schnell, macht einen schläfrig und verstärkt die sowieso schon starken Effekte von Codeine. Du kannst dich in einem Pool abkühlen oder dich unter die Klimaanlage setzen, aber wenn du klatschnass durch ein Kühlhaus läufst, potenziert sich dein Kältegefühl um das tausendfache. Du verstehst das Bild. Beim Hausgebrauch, das ist wie bei einem Tom Collins Drink, variieren die Zutaten und ihre Menge von Fall zu Fall, also sprechen wir in allgemeinen Begriffen. Kodein wird aus der Pflanze gewonnen, die schon seit tausenden von Jahren gebraucht und missbraucht wird: Klatschmohn. Wie Heroin, Morphium oder Oxycodon, ist Codein ein Opiat. Opiate machen schwerstabhängig und haben den Hang zum Töten, oder zumindest das Leben junger Musiker zu zerstören. “Texas Lean ist kein Rap-Ding,” sagt Toni. “Meine Mum ist 51 und sie hat ihr ganzes Leben lang Leute Lean nehmen sehen. Ihr Großvater und seine Freunde tranken Lean schon in den 30er- und 40er-Jahren. Sobald das Medikament draußen war, haben die Leute angefangen, es zu trinken. Von Jazz-Musikern bis hin zu Club-Besuchern – es sind die gleichen Leute, die auch Heroin nehmen würden.” Ähnlich wie bei anderen Drogen sehen die Musiker es als kreative Hilfe. “Ich gehe einfach ins Studio”, erzählt Kevin Gates, ein Rapper aus Baton Rouge, in einem unveröffentlichtem Interview, das Noisey früher in diesem Jahr mit ihm geführt hat. “Ich mag Pinapple Sunkist. Ich mag Kaltgetränke nicht ihres Geschmackes wegen, ich will nur irgendwas, das gut schmeckt und wo Promethazin drin ist. Ich trinke Sirup. Ich nehme exzessiv Drogen, weil ich an Depressionen leide. Ich will niemandem stören – ich lasse meine Depressionen nicht an anderen Leute aus. Ich nehme einfach Drogen und nehme Musik auf. Ich habe mit dem Sirup angefangen als ich 14 war.” Offensichtlich ist er da nicht der einzige. “Die Musik, die ich auf Lean gemacht habe, war größtenteils ziemlich langsam”, sagt Mac Miller, der öffentlich darüber sprach, dass er mit den Drogen aufhört, weil er abhängig wurde. „Lean hat mir erlaubt in der schnelllebigen Industrie eine Pause einzulegen, egal was ich gerade gemacht habe. Emotional hat es mich an merkwürdige Punkte gebracht. Ich sage nicht, dass das positiv oder negativ war. Macadellic hat viele monotone Stellen, weil das Zeug einen betäubt und einem Emotionen fehlen.” Mondre M.A.N, 22, vom Main Attrakionz, einem Rap-Duo aus Oakland, das eine ganze Reihe Mixtapes veröffentlicht hat, die sich auf Lean beziehen, versucht zu erklären wie es ist, es tatsächlich zu konsumieren: „Also, wenn du Lean trinkst, wenn du den Scheiß wirklich nimmst und du ein, oder zwei, oder drei Tage keinen Drink hattest, dann wirst du Bauchschmerzen bekommen. Du wirst mehr Lean wollen. Es ist wie Heroin. Flüssiges Heroin.“ “Ich glaube, die Leute wissen genau, wie schlimm das Zeug ist”, sagt Ty Dolla $ign, dessen neuestes Mixtape Beach House 2 explizit von der Lean-Kultur handelt, insbesondere der Track “Still Sippin”. “Es ist ihnen nur scheißegal. Es schmeckt so gut und du fühlst dich so gut an, scheiß drauf. Es ist wie Zigaretten. Jeder weiß, wie beschissen Zigaretten sind und trotzdem rauchen alle.” Langzeitfolgen sind unter anderem eine Veränderung der Endorphine und, natürlich, der mögliche Tod. “Okay, also, ich wache morgens auf”, sagt Mondre. “Wahrscheinlich habe ich noch ein Glas im Kühlschrank. Man nimmt einen Schluck und fühlt einen Tritt im Magen, verstehst du? Die Sache ist tough. Der Scheiß hält dich ruhig, du bleibst cool. Aber wenn du einen anstrengenden Tag vor dir hast, deine Freundin dir im Kopf herumschwebt oder du andere Probleme oder irgendeinen Scheiß hast, dann drehst du ziemlich schnell durch. Du rastest aus.” Wenn man Opiate mit Alkohol mixt, wird der Effekt noch mehr verstärkt. Die Atmung wird flach. Der Körper nimmt nicht genügend Sauerstoff auf. “Jeder sagt, man soll es nicht mit Schnaps trinken, aber ich mach den Scheiß auch”, sagt Mondre. “Einmal ließ ich das Lean weg. Ich hab Schnaps getrunken und der hat dann die Wirkung vom Lean verstärkt und so. Dann willst du echt nur noch pennen gehen.” Die drei geläufigsten Marken sind Actavis, Hi-Tech und Qualitest. Wenn Actavis Moët ist, dann sind Qualitest und Hi-Tech eher André. “Wenn du zum Arzt gehst, wird er dir Hi-Tech verschreiben, das ist der rote,” sagt Mondre. “Die wenigsten Ärzte würden dir noch Purple (Actavis) geben. Das findest du nur auf der Straße.” Im Jahre 2013 allerdings braucht man, um etwas in den Straßen zu finden, nur noch sein iPhone einzuschalten. Pusha T, der 36-jährige Rapper, der seine Karriere auf Musik aufbaute, die durch seine Drogendealerei genährt wurde—und dessen ehemaliger Manager Anthony “Geezy” Gonzalez im April 2009 wegen Drogenhandels zu 32 Jahren Haft verurteilt wurde – rät sich mit jeglichen illegalen Aktiviäteten aus der Öffentlichkeit fernzuhalten. “Ich bin mir sicher, wenn es mal einen ihrer Fans getroffen hat, werden die, die es jetzt tun, bereuen, Instagram benutzt zu haben”, sagt er. “Ich persönlich weiß, dass die Behörden Instagram verwenden oder sich Twitter-Profile anschauen. Sie nutzen es, um dich zu tracken. Sie schauen deine viralen Videos an. Mein Video für “Exodus 23:1” wurde sogar im Gefängnis gezeigt. Sie sagten den Gefängnisinsassen ‘Schaut, wir kennen das. Wir wissen Bescheid. Wir wissen, wer hierfür und dafür verantwortlich ist und so weiter’. Also, ich würde das nicht machen.” Die Preise für die Droge unterscheiden sich ungemein auf der Straße und auf Instagram. Irgendwo zwischen 250$ und 400$ geht es los. Fat Tony sagt, dass ein Glas in Houston leicht 1000$ bringen kann. Mondre meint, der letzte Preis, den er gesehen hat waren 200$ in Oakland. Ty$ sagt, dass ein halber Liter in Atlanta 1200$ bringt. Ein halber Liter kann bis zu einer Woche reichen. “Trink vorsichtig”, sagt Mondre. Letzte Woche saß ich nackt auf meinem Bett. Ich kam gerade aus der Dusche, als ein Freund mir schrieb: “Fletch, warum nennt dich (editiert) einen ‘Hoe Ass Nigga’?” Ich öffnete Instagram und sah sofort jede Menge Benachrichtigungen, bis ich verstand, dass ich einige Male von einem Dealer getaggt wurde. Ich war dumm genug gewesen, um mit ihm zu kommunizieren. Sein neuester Post war ein Screenshot meines Profils, das zu dieser Zeit dummerweise offen zugänglich und mit Hinweisen über meinem Standort gespickt war. In der Beschreibung steht: “HOE ASS NIGGAS RIGHT HERE (x-eyed emoji, gun emoji) … dude and his boys took the money off the green dot before they got the pints bc I told them when it touch down ill take the money off then … that’s y yal hoes didn’t wanna use PayPal #Bitch ass niggas” Der nächste Kommentar war mein Benutzername, immer wieder wiederholt. Die dritte Zeile, “Send da bread, I’ll take it down.” Das einzige Problem war, dass es nichts zu schicken gab. Mein letzter und einziger Kontakt fand drei Monate früher statt. Die ganze Konversation beschränkte sich auf höchstens 20 Wörter und keines dieser Wörter enthielt meinen Namen, meinen Standort oder mein Vorhaben. Ich habe nichts gekauft und hatte es auch nicht vor. Mit wem verwechselt er mich? Wie viel Geld denkt er, dass ich ihm schulden soll? Wie ernst meint er es? Lasst uns nochmal zurückblicken. Das erste Mal wurde ich auf den Dealer durch einen Kommentar unter einem Foto von Juicy J aufmerksam. Sein Kommentar—der mittlerweile gelöscht wurde—war ein Angebot an den Rapper: ein paar Becher Actavis aufs Haus. Ich klickte sein Profil an, es war privat. Sein Status: Good Drank I AM THE REAL PLUG TEXT ME [Handynummer editiert]…350 A PINT…2 FOR 600…WE ✈OVERNIGHT IT!…NO BROKE BOYS! Ich wollte Ärger und schickte ihm eine Freundschaftsanfrage. Er nahm sie innerhalb weniger Minuten an und ich war dabei. Heilige Scheiße, dachte ich. Der Typ verkauft eine ganze Menge Lean. Auf seinem Profil fand ich dutzende Fotos, die jeden Schritt der Operation Lean dokumentieren: Plastikbecher gefüllt mit lila Flüssigkeit, Flaschen mit dem Aufdruck “Actavis Prometh with Codeine” – manchmal eine, manchmal 30, UPS-Kartons voller Flaschen, einen Stapel vorgedruckter Versandetiketten, Rapper aus der unteren Liga, die seinem geheimen Versteck einen Besuch abstatten, um sich ein paar Flaschen persönlich abzuholen und ein paar Fotos zu machen. Und natürlich zeigt er auch die Früchte seiner Arbeit: Bargeld, Uhren, Schuhe, Designertaschen, Waffen, die Schlüssel seiner Autos (Benz und BMW) und eine Reihe schwarz hergestellter Shirts, die das Actavis-Logo auf der Brust tragen. Und auf dem Rücken? Dort steht: “LEAN ON ME.” Nachdem ich ein paar Bilder durchgesehen hatte, wurde klar, dass er nicht nur ein Drogedealer, sondern auch ein bekanntes Gesicht in der Rap-Community der Südstaaten ist. Man sieht ihn häufig mit Kevin Gates, auch Rich Homie Quan schaut hier und da mal vorbei. Gates und Quan können über 80 Millionen YouTube-Views aufweisen, was quasi der Gesamteinwohnerzahl Deutschlands entspricht. Uns trotzdem, dieser Typ verkauft Lean auf Instagram und gibt seine Telefonnummer preis, als wären es die Gelben Seiten. Links: Rich Homie Quan Rechts: Kevin Gates Die Kommentare unter seinen Fotos zeugen von vielen interessierten Käufern und zufriedenen Kunden. Beim Lesen der Kommentare habe ich folgendes über ihn gelernt: Irgendwie schien mir das alles zu öffentlich, um wahr zu sein, also schrieb ich an die angegebene Nummer—warum auch nicht? Die Nummer war in Iowa registriert, also ging ich davon aus, dass es sich um ein reines “Geschäftshandy” handelte. Eines Morgens, um 2:45 Uhr schrieb ich ihm dann. Hier unsere kleine Unterhaltung; Ich habe nicht mehr geantwortet. Green Dot ist ein Pre-Paid-Kreditkarten-Service, der mit einem Smartphone und einem 14-stelligen Code funktioniert. Wie Xerox oder Kleenex, ist Green Dot ein genereller Ausdruck für schnelle, anonyme und bargeldlose Transaktionen. Es kann in nahezu jedem Laden gekauft werden und arbeitet ohne Bankkonten oder Kreditrahmen. Eine Untersuchung im Gefängnis in Baltimore zeigte erst kürzlich, dass es einem Insassen gelungen war, 16.000$ über Green Dot verschwinden zu lassen. Während er hinter Gittern saß. Gott sei Dank hat unser Lean-Dealer mittlerweile seinen Account und die mit ihm einhergehende Gefahr gelöscht—Dealer neigen dazu, ihre Usernamen öfter zu wechseln, um nicht aufgespürt zu werden. Wenn du jedoch einen Dealer brauchst, musst du nur den richtigen Hashtag kennen. Nur indem ich mich durch Fotos mit dem Hashtag #dirtysprite, #leanteam oder #pourup klickte, habe ich ein ganzes Universum, bestehend aus ähnlichen Accounts, gefunden. Ich habe mich durch 200 unterschiedliche Accounts geklickt. Viele sind offensichtlich Fakes, aber noch mehr sind echt, und viele dieser echten sind nicht mal privat. Eines dieser Profile hat meine Aufmerksamkeit besonders auf sich gezogen. Der Typ fiel mir aus zwei Gründen auf. Zum einen sieht er entwaffnend gut (schaut euch mal seine Bauchmuskeln auf dem Foto da unten an), und unglaublich sozial aus. Anders als die anderen Dealer, ist er ständig von gut aussehenden Frauen umgeben. Nichts von dem sonst so üblichen, ausdruckslosen Gesichtsausdruck. Viel mehr sieht er aus, wie auf einer niemals enden wollenden Spring Break. Der zweite Grund ist, dass er seine Connections offenlegt. Bilder von Kartons. Tonnen davon und alle voll mit Prometh-Codein-Flaschen, hunderte und alle mit Usernamen und Datum versehen. Die Boxen sind allerdings interessanter als ihr Inhalt: die versiegelten Kisten zeigen die Adresse des Herstellers, des Großhändlers und sogar des Produzenten der Plastikflaschen. Manche Boxen kommen von Morton Grove Pharmaceuticals, ein kleine Firma aus Illinois, die Generika herstellt. Andere kommen von Tri State Distribution, einer Firma, die Flaschen herstellt. Wieder andere tragen das Logo von McKesson, einem Pharma-Großhandel, der ganz nebenbei die 14.-größte Firma, der ganzen Vereinigten Staaten ist. Weitere tragen das Schild von Rexam PLC, einem britischen Verpackungsunternehmen mit 70 Niederlaussung in 25 Ländern, die auf 5 Kontinenten verteilt sind. Wiederholte Anrufe, die seitens Noisey an Morton Grove und das Mutterunternehmen, Wockhardt Limited, getätigt wurden, blieben unbeantwortet. Nach langem Klingeln werden alle Anrufe auf Morton Groves Nummer an einen allgemeinen Anrufbeantworter weitergleitet. Im Juli diesen Jahres warnte die FDA (US Foods and Drugs Administration) die Muttergesellschaft Wockhart LTD. mit einem öffentlichen Brief: „Ihre Firma hat es versäumt, die Liefermengen der Arzneimittelproduktion, die auch die Durchführung der einzelnen Schritte in den Prozessen der Herstellung, Verarbeitung und Verbreitung beinhalten, zu dokumentieren.“ Die FDA fand außerdem „schwere Verstöße in der vorherrschenden Regulierung der Herstellung von pharmazeutischen Fertigerzeugnissen“ und stellte fest, dass „Ihre Firma wichtige Informationen zurückgehalten und die Ermittlungen der FDA verzögert und eingeschränkt hat.“ Ich kann meinen Kontakt mit Tri Sate Distribution nicht anders als bizarr beschreiben. Die Website verweist alle geschäftlichen Anrufer auf eine 1-800-Nummer. Da ich kein Kunde bin, sagte mir das System, dass ich „0“ drücken soll, woraufhin ich an ein Verkaufsdepartement weitergeleitet wurde. Bei meinem ersten Versuch, wurde mir gesagt, dass es nicht möglich sei, meinen Anruf an die Firma weiterzuleiten. Dafür, wurde ich an einen Anrufbeantworter durchgestellt. Als ich die Nummer am nächsten Tag noch einmal anrufen wollte, merkte ich, dass es sich um die Nummer von Home-Shopping-Network handelte. Erneute Anrufe an Tri State verliefen ähnlich. Eine freundliche Vertreterin sagte mir ich solle kurz warten, dann wurde es ruhig. Sie sagt mir „Ich hab keine Ahnung, wo alle sind. Es ist gerade niemand da, der dir weiterhelfen kann.“ Dann legte sie auf. Wiederholte Anrufe von Noisey an den Vorsitzenden von Tri State, Joe Miceli, blieben unbeantwortet. Jonathan Thornton, der Pressesprecher von Rexam PLC, schrieb, „ Ich kann nur annehmen, dass sich der von Ihnen erwähnten Diebstahl an unserem Großhandel weiter unten in der Lieferkette zugetragen haben muss, beispielsweise nach der Befüllung. Rexam vertreibt nur leere Behälter. Die Behälter werden von den Kunden selbst befüllt, oder je nach Vertrag, von vertraglich gebundenen Abfüllern vor Ort. Wir bieten keine gefüllten Behälter an.“ Anrufe und Mails an McKessin blieben unbeantwortet. Diese Firmen wollten nicht mit uns sprechen, aber die Bilder sprechen für sich. Liter für Liter wird das Zeug abgezogen und weiterverkauft. Das hier sind keine gefälschten Rezepte oder halbleere Flaschen aus Muttis Medizinschränkchen. Der Promethazin-Codeine-Sirup leakt. Er kommt überall hin. ** Folgt Noisey Austria bei Facebook, Instagram und Twitter. Noisey Schweiz auf Facebook, Instagram & Spotify.
Fletcher Babb
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2014-09-01T11:00:00+00:00
2024-07-31T02:38:48+00:00
https://www.vice.com/de/article/lean-on-me-todesdrohungen-und-der-kodein-koenig-von-instagram-57a20812dbd515df07d0e1b8/
Wenn griechische Faschos Frauen im TV verprügeln
Letztes Wochenende haben sich eine Hand voll Faschisten in Hamburg versammelt, um dort ein wenig dummes Zeug herumzubrüllen. Ich komme nicht aus Deutschland, also mag ich mich irren, aber das ist es doch, was diese Typen mehr oder weniger die ganze Zeit tun, oder? Sie machen sich permanent öffentlich zum Deppen. Ich schätze mal, das ist auch der Grund dafür, weshalb sie hoffentlich niemals politische Macht innehaben werden. Richtig? Richtig. Am anderen Ende von Europa scheinen die Wähler allerdings derzeit etwas verblendet zu sein. Seit Ewigkeiten ist allen klar, dass Griechenland (mein Geburtsland) am Arsch ist, aber konkrete Gestalt hat dieses Wissen wohl letzten Monat angenommen, als eine Gruppe namens Goldene Morgenröte ins griechische Parlament eingezogen ist. Die Goldene Morgenröte ist im Wesentlichen das hellenische Gegenstück zu euren ganz persönlichen Lieblingsglatzen—ein Haufen Affen in Badeklamotten, die sich unter den richtigen Umständen als extrem gefährlich herausstellen könnten. Besonders in einem Land, das im Moment von Armut und einer tiefgreifenden sozialen Orientierungslosigkeit gebeutelt ist. Was du hier oben sehen kannst, ist ein Ausschnitt aus einer Live-Talkshow, die heute morgen stattgefunden hat. Der kahlköpfige Mann im Anzug heißt Elias Kasidiaris und ist Sprecher der Partei Goldene Morgenröte. Die Frau, auf die er das Wasser schüttet, ist Rena Dourou, eine Sprecherin der Koalition der Radikalen Linke, und die Frau, der er verdammt noch mal eine klatscht, ist Liana Kaneli von der Kommunistischen Front (siehe dieses erinnerungswürdige Channel 4-Interview [LINK]). Falls du kein Griechisch sprichst: Die zwei Frauen behaupten, dass die Goldene Morgenröte Verbindungen zur Polizei habe, und beschuldigen Elias persönlich, sich um den vorgeschriebenen Militärdienst gedrückt zu haben. UPDATE: Es kommt noch mehr: Laut dem Moderator der Show, Giorgos Papadakis, wurde die Sendung sofort abgebrochen und Elias Kasidiaris in einen anderen Raum gebracht. Er lief dann weg. Im Moment sucht die Polizei mit einem Haftbefehl ganz Griechenland nach ihm ab.
Elektra Kotsoni
[ "News", "Vice Blog" ]
2012-06-07T17:00:00+00:00
2024-07-31T07:02:58+00:00
https://www.vice.com/de/article/news-wenn-griechische-faschisten-frauen-im-tv-verpruegeln/
Wie Soziale Medien unser Denken verändern und die Demokratie bedrohen
David Golumbia ist Informatiker, Kulturkritiker und Professor an der Virginia Commonwealth University, an der er Digital Studies unterrichtet. Am 11. Februar 2011, auf dem Höhepunkt des Arabischen Frühlings, am Tag, als der ägyptische Autokrat Hosni Mubarak nach über 40 Jahren an der Spitze des Landes zurücktreten musste, sagte der Internet-Aktivist Wael Ghonim: “Ein großer Teil dieser Revolution begann auf Facebook. Wenn du eine freie Gesellschaft willst, gib den Leuten einfach Internet.” Doch fünf Jahre später, im Februar 2016, drückte Ghonim selbst Zweifel an seiner ursprünglichen Einschätzung aus. Zwar glaubt er immer noch, dass “die Sozialen Medien die politische Macht neu verteilen”. Aber inzwischen denkt er auch, dass es drastische Auswirkungen auf eine Gesellschaft hat, wenn Netzwerke Menschen “die Macht geben, Informationen im großen Stil auszutauschen.” Und diese drastischen Konsequenzen müssen nicht unbedingt positiv ausfallen. Deutlich sichtbar wurde das vor allem 2011, als junge Menschen im Nahen Osten auf Sozialen Medien zu Massenprotesten gegen autokratische Regierungen aufriefen. Diese Proteste wurden auch als “Facebook”- oder “Twitter-Revolution” bezeichnet. Woraus diese Revolution genau bestand, wurde in den unzähligen Berichten über die Proteste oft nicht näher definiert. Weiterlesen auf Motherboard.
David Golumbia
[ "Arabischer Frühling", "Autokratie", "Demokratie", "Facebook", "Internet", "Motherboard", "proteste", "Social Media", "Soziale Bewegungen", "Twitter" ]
Popkultur
2018-01-10T16:26:27+00:00
2024-07-30T18:15:38+00:00
https://www.vice.com/de/article/wie-soziale-medien-unser-denken-verandern-und-die-demokratie-bedrohen-2/
MMA-Kampf in Polen wird zu Raketen-Schlagabtausch zwischen verfeindeten Hools
Am Wochenende kam es zwischen Fans von GKS Katowice und Gornik Zabrze auf der einen Seite und Anhängern von Ruch, Wisła und Widzew auf der anderen Seite zu pyroschwangeren Ausschreitungen. Auslöser war nicht einmal ein Fußballspiel, sondern ein MMA-Kampf in der polnischen Stadt Katowice. An dem Kampf nahmen zwei Anhänger der „Koalition” aus den befreundeten Vereinen Ruch, Wisła und Widzew teil. Die Anhänger nahmen die Gegner in mit Leuchtraketen in Empfang und auch von der anderen Seite wurde wild zurückgeschossen. Und mittendrin die Polizei, die einerseits versuchte, die Fans der Koalition irgendwie sicher ins Stadion zu geleiten und gleichzeitig mit Wasserwerfern die Situation unter Kontrolle zu bringen. Man kann sich wohl noch glücklich schätzen, dass keine Fans von Cracovia mitgemischt haben. Sonst hätte es gleich wieder einen „Heiligen Krieg” gegeben. Der „Heilige Krieg” von Krakauer Hooligans ist ein echter Krieg
VICE Sports
[ "ausschreitungen", "fanfreundschaft", "Fußball", "Highlights", "Hooligans", "kampf", "Kampfsport", "MMA", "Polen", "pyro", "rivalit", "Sports", "VICE Sports" ]
2016-10-17T09:14:04+00:00
2024-07-30T23:47:54+00:00
https://www.vice.com/de/article/mma-kampf-in-polen-wird-zu-raketen-schlagabtausch-zwischen-verfeindeten-hools/
Ein Video erklärt, warum Messi bei Argentinien so viel schlechter spielt als bei Barcelona
Vor dem Spiel gegen Kolumbien schaut die komplette Fußballwelt auf Argentinien. Denn das Team um Lionel Messi steht vor dem Duell unter gigantischem Druck. Seit 1970 könnte sich die Albiceleste erstmals nicht für die Endrunde einer Weltmeisterschaft qualifizieren. Als Sechstplatzierte wären sie—stand jetzt—nicht dabei. Mit den Kolumbianern und den Chilenen erwarten sie nun zwei vorgezogenes Endspiele und in den letzten drei Finalen hat Argentinien bekanntlich jedesmal den Kürzeren gezogen. Die frustrierenden Niederlagen ließen auch Messi nicht kalt. Denn der entwickelte sich in gewisser Hinsicht immer mehr zu einem „Anti-Götze”: Denn während für den Deutschen „Die Mannschaft” eine Wohlfühloase ist, sieht man bei Messi immer mehr, dass die Nationalmannschaft zur Last wird. In den Nachwehen des verlorenen Copa America-Endspiels trat er vorübergehend aus der Nationalelf zurück. Ein Video auf Twitter zeigt nun die Ursache für den ausbleibenden Erfolg—denn vom Offensivpersonal steht die Albiceleste dem FC Barcelona eigentlich nur wenig nach. Auch wenn die Argentinier in den vergangenen Turnieren immer weit kamen, feuerten sie auf dem Platz trotzdem nicht das erwartete Offensiv-Feuerwerk ab. Die Ursache dafür: Das Spiel des Nationalteams ist für La Pulga zu statisch. Er braucht Mitspieler, die die Gegner überlaufen und in den Sprint gehen. Diese hat er in Barcelona, wo sogar Sergio Busquets (!) und Jérémy Mathieu (!!!) die Beine in die Hand nehmen, sobald Messi den Ball am Fuß hat. In der Nationalmannschaft können seine Kollegen—so blöd das klingen mag—nicht mit der „La Masia”-Passqualität, bzw. der Übersicht umgehen und verweigern daher scheinbar aussichtslose Dribblings.
Dominik Putnai
[ "Argentinien", "CONMEBOL", "Fc Barcelona", "Fußball", "Highlights", "Iniesta", "Lionel Messi", "Sports", "VICE Sports" ]
2016-11-15T10:36:49+00:00
2024-07-30T23:44:36+00:00
https://www.vice.com/de/article/video-warum-messi-bei-barcelona-besser-spielt-als-bei-argentinien-342/
Exklusiver EP-Stream: Occupanther—,Talea’
Wenn du dich auch nur ansatzweise mit elektronischer Musik auskennst und die Hypemaschine wenigstens im Augenwinkel verfolgst, müssten bei dem Namen Occupanther so einige Glöckchen bei dir läuten. OK, war nur ein Witz. Es gibt so gut wie keine Möglichkeit, dass du den Namen und das Projekt Occupanther schon gekannt hast, bevor du diese Zeilen hier liest. Denn der Münchner Produzent und Jazz Bass-Student Martin Brugger aka Occupanther gibt heute mit dem Release seiner EP Talea seine allerersten Laute von sich. Laute, die durchaus laut sind, rough und sphärisch. Das bedeutet aber nicht, dass er dich anschreit oder dir das Blaue vom bayrischen Himmel erzählen würde. Stattdessen kannst du dich in seinen Tracks verlieren, ohne angeschrien oder zugelabert zu werden. Deswegen halten wir jetzt auch alle unsere Klappen und hören diese wundervolle EP an, auf die der erste Satz dieses Absatzes bald sehr wohl zutreffen könnte. Occupanther bei Facebook und Soundcloud. ** Folgt YNTHT bei Facebook und Twitter. MEHR VON YOU NEED TO HEAR THIS
YNTHT Staff
[ "ep", "Music", "Noisey", "occupanther", "stream", "talea", "You Need to Hear This" ]
2014-02-21T09:00:00+00:00
2024-07-31T02:42:44+00:00
https://www.vice.com/de/article/exklusiver-ep-stream-occupanther-talea/
Das Verfassungsgericht hat über das deutsche Tanzverbot entschieden
Tanzverbote am Karfreitag nerven. Endlich haben du und deine Freunde mal am gleichen Tag frei, doch dann kommt der Gesetzgeber daher und verbietet das Tanzen, die Musik und damit (fast) den ganzen Spaß. Das Verbot geht hierzulande mit der Vielzahl christlicher Feiertage und deren “stiller” Andacht einher. Geregelt wird es von den Bundesländern. Und das oftmals ausgesprochen streng. So sind Bayern etwa am Karfreitag Tanz und Musik ebenso verboten wie Sportveranstaltungen. Eine rigorose Regelung, ohne jede Ausnahme. Genau diesen Umstand hat das Bundesverfassungsgericht nun moniert und das generelle Tanzverbot des Freistaates am stillen Freitag heute für verfassungswidrig erklärt. Mit ihrem Urteil gaben die Karlsruher Richter einer Verfassungsbeschwerde des Bundes für Geistesfreiheit (BfG) statt. Die Vereinigung vertritt die Interessen konfessionsloser Menschen und setzt sich für eine strikte Trennung von Kirche und Staat ein. Damit sie gegen die bayrische Tanzverbot-Regelung vor dem Bundesverfassungsgericht klagen konnten, veranstalteten sie am Karfreitag 2007 in einem Münchner Theater eigens eine “Heidenspaß-Party”, die prompt mit dem Verweis auf das Feiertagsgesetz untersagt wurde. Nur so konnte der BfG die Grundlage für eine Verfassungsbeschwerde schaffen und durch alle Instanzen gehen, um schlussendlich—neun Jahre später—in Karlsruhe Recht zu bekommen. Ihre Party hätte damals nicht verboten werden dürfen, so die Richter. In der Urteilsbegründung des Gerichtes heißt es, dass es grundsätzlich zwar gerechtfertigt sei, für bestimmte Feiertage einen qualifizierten Ruheschutz zu schaffen. Jedoch widerspreche es der im Grundgesetz verankerten Versammlungs- und Weltanschauungsfreiheit, gar keine Ausnahmen zuzulassen. In Artikel 3 des bayrischen Gesetzes über den Schutz der Sonn- und Feiertage werden die stillen Tage geregelt, zu denen neben den Ostfeiertagen auch zum Beispiel Allerheiligen und Heiligabend gehören. Der Schutz dieser Feiertage “beginnt um 2.00 Uhr, am Karfreitag und am Karsamstag um 0.00 Uhr und am Heiligen Abend um 14.00 Uhr; er endet jeweils um 24.00 Uhr.” In Absatz 2 heißt es dann: “Sportveranstaltungen sind jedoch erlaubt, ausgenommen am Karfreitag und am Buß- und Bettag. Am Karfreitag sind außerdem in Räumen mit Schankbetrieb musikalische Darbietungen jeder Art verboten.” Diese Passage muss nun so geändert werden, das sie grundgesetzkonform ist, also Ausnahmen zulassen. Bislang waren nur Veranstaltungen erlaubt, bei denen “der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist”, wie es in dem entsprechenden Gesetz heißt. Da es nicht nur in Bayern ein generelles Tanzverbot an Karfreitag gibt, könnten andere Bundesländer sich aufgrund des heutigen Urteils gezwungen sehen, ihre jeweiligen Gesetze ebenfalls anzupassen. Davon sind im Prinzip alle Länder betroffen außer Berlin, Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein. Doch schon jetzt können die Ordnungsämter mangels Personal ohnehin keine Kontrollen an diesem Feiertag durchführen. Auch am Karsamstag gilt in fünf Ländern ein Tanzverbot. Wenn du aber jetzt denkst, dass du zu Osterbeginn nun die große Auswahl an Partys haben wirst, liegt du leider falsch. Die “Heidenspaß-Party” hätte zwar nicht untersagt werden dürfen. Allerdings nur, weil es den Veranstaltern laut Gericht nicht ausschließlich um Spaß und kommerzielle Interessen gegangen sei, sondern um öffentliche Meinungsbildung. Denn das Motto der Party war—wie der Name schon andeutet— “Religionsfreie Zone München 2007”. Es gab eine “Atheistische Filmnacht” und einen dann schließlich verbotenen “Freigeister-Tanz”. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes bietet somit aber zumindest ein Schlupfloch für die Zukunft. Mit etwas Kreativität können die wenigen verbliebenen Clubbetreiber in München und möglicherweise auch anderswo, die Leute am Karfreitag zum Tanzen bringen. Folge THUMP auf Facebook und Instagram.
Philipp Kutter
[ "Bayern", "bundesverfassungsgericht", "karfreitag", "News", "tanzverbot", "Thump", "Urteil" ]
2016-11-30T15:00:00+00:00
2024-07-30T23:27:30+00:00
https://www.vice.com/de/article/das-bundesverfassungsgericht-hat-ueber-das-deutsche-tanzverbot-entschieden/
M.I.A. rappt in ihrer neuen, von Skrillex produzierten Single über Sven Marquardt
Die britisch-tamilische Rapperin M.I.A. hatte zuletzt angekündigt, ihr neues Album AIM aufgrund von Disputen mit ihrer Plattenfirma selbst zu leaken, sollten sich diese nicht ausräumen lassen. Wie der Stand in diesem Fall ist, ist aktuell unklar, dafür gibt es eine handfeste Neuigkeit: M.I.A. hat gestern Abend „Go Off”, die erste Single aus AIM, veröffentlicht. Sie wurde von Skrillex und Blaqstarr produziert und Mathangi Arulpragasam dropt darin neben Zeilen wie: „Fans back home / Got my tracks bang on / Yeah you got it wrong / Cause my focus is so strong“, auch die folgende: „Yeah, I don’t loose focus like a German called Sven” Letzterer ist damit immerhin so berühmt wie der brasilianische Fußballer Neymar, dem M.I.A. ebenfalls eine line widmet. AIM soll Anfang September erscheinen und, wie die Künstlerin der BBC verriet, ihr wohl allerletztes Album werden. ** Verpasse nichts mehr: Folge THUMP auf Twitter, Instagram und unserer neuen Facebook-Seite.
THUMP Staff
[ "AIM", "Blaqstarr", "m.i.a", "News", "skrillex" ]
Music
2016-07-15T08:01:41+00:00
2024-07-30T23:21:02+00:00
https://www.vice.com/de/article/mia-rappt-in-ihrer-neuen-von-skrillex-produzierten-single-ber-sven-marquardt/
‘Wer wird Millionär’-Kandidat scheitert jämmerlich bei einer Frage zur Antilopen Gang
Wie weit würden wir es wohl bei der Quizsendung Wer wird Millionär schaffen? Eine Frage, die wir uns in den letzten 18 Jahren verdammt häufig gestellt haben, immer wenn wir den Fernseher angesichts der grenzenlosen Dummheit der scheiternden Kandidaten angeseufzt haben. Können wir doch viel besser, wir wissen sogar schon ganz genau, welche Leute unsere Telefonjoker sein dürften. Nur einmal in die gütigen Augen des ewigen Schwiegersohns Günther Jauch gucken und nach Hinweisen suchen, die einem bei der Auswahl der richtigen Antwort helfen. Und dann mit mindestens 32.000 Euro nach Hause gehen. Easy. Genau diese Chance bekam jetzt der 18-jährige Vincent bei einem Special – und verkackte ausgerechnet bei einer Frage zur voll krass jugendlichen Antilopen Gang. “Welche Hip-Hop-Gruppe verdankt ‘Anarchie und Alltag’ einen Riesenerfolg?”, so die 4000-Euro-Frage. Das aktuelle Album stieg auf Platz eins der Charts ein. Eine Leistung, die für die Punk-Rapper mehr als beachtlich war. Weiß doch jeder. Vincent sieht die vier Antwortmöglichkeiten und entscheidet sich sofort: “D – die Giraffen Bande ist das Einzige, was für mich jetzt Sinn macht […] Das hab ich gehört schon mal.” Irgendwo im Publikum ist während seiner stammelnden Erklärungen ein seltsames Geräusch zwischen Husten und ersticktem Gelächter zu hören und sein Kumpel zeigt der Kamera, wie ein astrein ausgeführter einhändiger Facepalm geht. Die Antwort ist eingelockt. Jauch erklärt Vincent ruhig und in bester Horterzieher-Manier, dass sie falsch sei und Vincent jetzt nur mit 500 Euro nach Hause gehen dürfe. “Na ja, der Sprit ist drin”, resümiert der gescheiterte Giraffen Bande-Fan resolut. Und die Antilopen Gang twittert kichernd: “Wer wird nicht Millionär?” Ja, wir könnten schon wieder unseren Bildschirm anseufzen. Das könnt ihr hier auch tun, ab 11:35 Minuten geht es los. Folge Noisey auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Noisey Staff
[ "Antilopen Gang", "Fail", "Glück", "Günther Jauch", "HipHop", "Music", "Noisey", "pech", "Quiz", "Rap", "RTL", "Wer Wird Millionär?" ]
2017-09-26T09:58:03+00:00
2024-07-30T20:48:45+00:00
https://www.vice.com/de/article/wer-wird-millionar-kandidat-scheitert-jammerlich-bei-einer-frage-zur-antilopen-gang/
Verdächtige Diplomaten und versuchter Leichenraub: Der Mord von Kim Jong-uns Bruder wird immer bizarrer
Foto: Malaysische Polizisten bewachen das Krankenhaus, in dem Kim Jong-nams Leichnam aufbewahrt wird | Foto: Imago | Kyodo News Im Mordfall um den abtrünnigen Halbbruder von Nordkoreas Diktator Kim Jong-un hat die malaysische Polizei ihre Liste mit elf Verdächtigen um einen Namen ergänzt. Ein nordkoreanischer Diplomat soll der Königlichen Malaysischen Polizei zufolge mit dem Verbrechen zu tun haben. Die ohnehin schon angespannte Beziehung zwischen beiden Ländern dürfte sich damit weiter verschärfen. Darüber hinaus meldeten die malaysischen Behörden, dass jemand versucht hatte, in die Leichenhalle von Kuala Lumpur einzubrechen und Kim Jong-nams Körper zu stehlen. Kim Jong-nam, der ermordete Halbbruder von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un | Foto: Imago | Kyodo News – Malaysias Polizeichef Khalid Abu Bakar gab diesen Mittwoch bekannt, dass der 44-jährige Hyon Kwang-song, stellvertretender Sekretär der nordkoreanischen Botschaft, zum Tod von Kim Jong-nam befragt werden soll. Eine hochrangige Quelle aus malaysischen Sicherheitskreisen sagte gegenüber dem britischen Telegraph, dass Hyon der “Drahtzieher des Komplotts” sei. – Neben Hyon will die malaysische Polizei auch den 37-jährigen Kim Uk-il befragen, einen Angestellten der staatlichen nordkoreanischen Fluggesellschaft Air Koryo. Die Behörden sind davon überzeugt, dass vier weitere Verdächtige unmittelbar nach dem Angriff zurück nach Pjöngjang geflogen sind. Bislang wurden zwei Frauen festgenommen, die des Mordes verdächtigt werden, sowie zwei männliche Verdächtige. – Die zwei Verdächtigen, die zur Befragung gesucht werden, sollen sich in der nordkoreanischen Botschaft in Malaysia verstecken. Die Behörden haben diese Berichte bislang allerdings noch nicht bestätigt. “Wir hoffen, dass die Botschaft mit uns kooperiert und uns erlaubt, die beiden schnell zu befragen. Ansonsten müssen wir sie zwingen, zu uns zu kommen”, sagte Bakar. – Die traditionell freundschaftlichen Beziehungen zwischen Nordkorea und Malaysia leiden zusehends, seitdem Kim Jong-nam am 13. Februar im Flughafen von Kuala Lumpur ermordet worden war. Südkorea ist davon überzeugt, dass es sich um ein Gift-Attentat handelt, das auf Geheiß von Kim Jong-un ausgeführt worden ist. Bislang konnten keine Beweise für diese Behauptung vorgelegt werden. – Eine erste Autopsie von Kim Jong-nams Leiche blieb ergebnislos. Die Behörden ordneten daraufhin eine zweite Untersuchung an und verärgerten damit die Führung Pjöngjang. Der nordkoreanische Botschafter Kang Chol warf der malaysischen Regierung vor, dass sie damit Menschenrechte verletzen würde. Sie “versuche, etwas zu verbergen” und würde “mit feindlichen Mächten unter einer Decke stecken”. Diese Aussagen führten dazu, dass das malaysische Außenministerium Kang diesen Montag einberief, um seine Wortwahl zu erklären. – Malaysia hat immer wieder Anfragen der nordkoreanischen Regierung abgelehnt, Kim Jong-nams Leichnam zu überführen. Man wolle die sterblichen Überreste nur Angehörigen überlassen, die ihre Verwandtschaft mit einem Gentest beweisen können. Einer von Kim Jong-nams Söhnen, Kim Han-sol, soll bereits in Kuala Lumpur sein, meldet die BBC. Den Behörden zufolge sei allerdings noch kein Familienmitglied an sie herangetreten. Letzten Freitag tauchte der nordkoreanische Botschafter vor dem staatlichen forensischen Institut von Malaysia auf, wurde dort aber abgewiesen. – Polizeichef Bakar bestätigte am Mittwoch, dass jemand versucht hatte, in die Leichenhalle einzubrechen, in der sich Kim Jong-nams Körper befindet. Die Nationalität der Täter gab er allerdings nicht bekannt. “Wir wissen, wer sie sind”, sagte Bakar. “Es gibt keinen Grund, Ihnen das zu sagen.” Nordkorea hat bereits verlauten lassen, dass es jegliche Autopsie-Ergebnisse anfechten wird. – Am Wochenende waren Aufnahmen von Überwachungskameras, die den Vorfall zeigen, veröffentlicht worden. Darin sieht man, wie eine der Frauen vor Kim Jong-nam steht, um ihn abzulenken, während die zweite Frau ihm eine Flüssigkeit ins Gesicht sprüht oder ihn damit einreibt. Lokalmedien hatten berichtet, dass beide Frauen dachten, Teil eines Fernsehstreiches zu sein. Bakar widersprach diesen Angaben allerdings am Mittwoch und sagte, dass das Paar seine Methode am Tag des Überfalls zweimal in Einkaufszentren in Kuala Lumpur ausprobiert hätte. Welches Gift bei dem Mord zum Einsatz kam, muss von den Behörden noch ermittelt werden.  Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
David Gilbert
[ "Attentat", "Flughafen", "gift", "Kim Jong-nam", "kim jong-un", "malaysia", "mord", "Nordkorea", "Politik", "Verbrechen", "VICE News" ]
2017-02-23T11:41:11+00:00
2024-07-30T19:22:32+00:00
https://www.vice.com/de/article/verdachtige-diplomaten-und-versuchter-leichenraub-der-mord-von-kim-jong-uns-bruder-wird-immer-bizarrer/
“Ich habe Tausende Sprachaufnahmen von Google-Nutzern abgehört”
Können Menschen hören, was ich zu Siri oder Alexa sage – und wenn ja, wie viele? Noch im Frühling wollte keiner der großen Tech-Konzerne diese Frage gegenüber VICE eindeutig beantworten. Vier Monate und zahlreiche Enthüllungen später ist klar: Alle hörten mit, Amazon, Apple, Google, Microsoft und auch Facebook. Thomas, dessen echten Namen wir hier nicht nennen, um ihn zu schützen, arbeitete mehrere Jahre lang als Freelancer für eine Firma, die auch Aufnahmen von Google-Nutzern transkribiert hat. Er bricht seinen Geheimhaltungsvertrag, um VICE zu erzählen, wie er von zu Hause Tausende Google-Sprachbefehle transkribiert hat – für einen Hungerlohn, wie er sagt. Er erinnert sich an intime Audioschnipsel von fremden Menschen, die ihm ein mulmiges Gefühl bereitet hätten. An Drohungen und Liebesbekundungen von Fremden, die nicht wissen konnten, dass Thomas das einmal hören wird. Thomas ist nicht der Erste, der öffentlich und anonym zugibt, Aufnahmen von Sprachassistenten abgetippt zu haben. Zuletzt war es ein Prüfer für Apples Sprachassistentin Siri, der gegenüber Spiegel Online sagte: “Ich sitze jeden Tag in einem Großraumbüro mit Kopfhörern vor dem Computer und höre mir Sprachaufzeichnungen an.” Aber Thomas berichtet ausführlicher als alle anderen von seinem Arbeitsalltag und seinen ethischen Bedenken. Er ist zudem der erste Mitarbeiter, der darüber spricht, wie er deutschsprachigen Aufnahmen von Google-Nutzern gelauscht hat. Die Firma, für die Thomas gearbeitet hat, lässt im Auftrag von Tech-Konzernen unter anderem Audio-Aufnahmen transkribieren. Einige Aufnahmen, die Thomas abgehört hat, begannen mit den Worten “Ok, Google”, wie er erzählt. Das ist der Befehl, mit dem sich unter anderem der Assistent von Android-Smartphones starten lässt – den meist verbreiteten Smartphones der Welt. Wenn Thomas an die Menschen denkt, die er abgehört hat, sagt er: “Ich war geschockt, weil ich das Gefühl hatte, den Menschen ist nicht bewusst, dass Fremde ihre Aufnahmen abhören dürfen.” “Wenn du das den ganzen Tag machst, bist du echt kaputt” “Die Arbeit habe ich zu Hause am PC gemacht. Dafür musste ich eine spezielle Software verwenden. Damit hatte ich zeitweise Zugriff auf eine riesige Liste mit Sprachaufnahmen, die ich abarbeiten musste. Der Ablauf war simpel: zuerst den Audio-Schnipsel anklicken, dann den abgehörten Text in ein Fenster tippen. Dabei musst du dich aber extrem konzentrieren. Denn bezahlt wird nicht pro Stunde, sondern pro Aufnahme. Für eine einzelne Aufnahme gibt es nur Centbeträge. Machst du einen Fehler, wird dir die Aufnahme nicht bezahlt und zurückgeschickt. Manchmal habe ich 30 bis 40 Stunden pro Woche gearbeitet, manchmal waren es nur einige Stunden. Das hing davon ab, wie viele Aufträge reinkamen. Ein Auftrag lautete zum Beispiel: mehrere Zehntausend Audio-Schnipsel transkribieren. Da habe ich tagelang rangeklotzt. Wenn du das den ganzen Tag machst, bist du echt kaputt. Aber ich brauchte das Geld. Nachdem alle Schnipsel abgearbeitet sind, kommt ein nächster Schwung – oder es kommt einige Zeit lang kein neuer Auftrag. Ich war Teil von einem Team aus mehreren Freelancern. Direkten Kontakt zu meinen Kollegen hatte ich aber nicht. Wir konnten uns nicht schreiben und wir kannten auch nicht unsere Namen. Trotzdem gab es Konkurrenz im Team. Ich konnte in der Software nämlich sehen, wie gut die anderen performen.” Nach der öffentlichen Kritik der vergangenen Monate haben viele Unternehmen einen Rückzieher gemacht: Apple und Facebook haben laut Medienberichten eine Pause eingelegt, Google pausiert das Lauschen in der EU, Amazon-Nutzer sollen es mit einem neuen Button abschalten können. VICE liegen Dokumente vor, die zeigen, wie die Arbeit beim Transkribieren aussieht: Screenshots einer Software-Oberfläche mit langen Listen an Audio-Files, detaillierte Tutorials fürs korrekte Transkribieren, E-Mails von der Projektleitung, die Transkribier-Fehler anprangern, Online-Rechnungen mit kleinen Beträgen, bezahlt von einer Drittanbieterfirma. Die Dokumente zeichnen das Bild von introvertierten Arbeitstagen im Home Office, in denen Menschen mechanisch die Arbeit von Software kontrollieren. “Es gab Audio-Schnipsel, die ich rassistisch und sexistisch fand. Da denkt man echt, die Welt ist kaputt” “Ich glaube, die Firma hat eine hohe Fluktuation. Für meinen Job kann man sich online bewerben. Dann muss man – unbezahlt – eine Reihe von Tests machen, darin geht es zum Beispiel um das Sprachniveau und Grammatik-Kenntnisse. Ein persönliches Gespräch hatte ich nie. Viel verdient habe ich dort nicht. Ich persönlich halte die Firma für einen Halsabschneider. Sie hat mir einen Verdienst über Mindestlohn versprochen. Doch nur durch den Einsatz von selbst finanzierter Soft- und Hardware konnte ich den erreichen. Aber ich schätze, dass andere Freelancer nur einen Hungerlohn geschafft haben. Da die Firma nur pro transkribierter Aufnahme bezahlt, zählt jede Sekunde. Das halte ich für Ausbeutung. Ein Auftrag hatte mich geschockt. Wer der Auftraggeber war und woher die Aufnahmen kamen, habe ich nie erfahren. Es hieß, das seien speziell erstellte Sprachbeispiele, mit denen eine KI trainiert werden sollte. Tatsächlich musste ich aber auch Gespräche transkribieren, die sich wie private Telefonate anhörten. Die Gespräche waren in Schnipsel aufgeteilt und durcheinandergewürfelt. Aber ich kann mir gut Stimmen merken und konnte einige Schnipsel im Kopf verbinden. Eine Unterhaltung ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: Ich bin mir sicher, das war ein echtes Gespräch unter sehr engen Freundinnen. Es ging um Probleme mit dem Partner und den Kindern. Ich schätze, in der Summe habe ich ungefähr eine Stunde von dem Gespräch mitbekommen. Das war kein Fake. Beim Abhören habe ich mich schlecht gefühlt. Ich kam mir vor, als würde ich für einen Geheimdienst arbeiten.” Hast du Informationen zu dem Thema? VICE wird auch in Zukunft über Sprachassistenten recherchieren. Du kannst uns unter sebastian.meineck[at]vice.com oder theresa.locker[at]vice.com erreichen sowie verschlüsselt via Signal +49 152 101 24 551. “Bei Google-Aufträgen wusste ich, für wen ich arbeite. Da habe ich sogar detaillierte Tutorials zum Transkribieren bekommen, in denen ausdrücklich von Google die Rede war. Ich habe Tausende Sprachaufnahmen von Google-Nutzern abgehört. Häufig waren es gesprochene Anfragen für die Google-Suche. Am Anfang war oft der Befehl “Ok, Google” zu hören. Andere Audio-Schnipsel klangen wie Textnachrichten, die jemand in sein Handy spricht, um nicht tippen zu müssen. Da war natürlich viel Belangloses dabei, aber auch intime Dinge: Liebesbotschaften, Hass, Suchanfragen für Pornos. Definitiv nichts, was für fremde Ohren bestimmt ist. Ich erinnere mich an einen Audio-Schnipsel, da hat jemand einer anderen Person Gewalt angedroht. Die Person klang sehr wütend. Ich glaube, es ging um einen Drogendeal. Es gab auch viele Audio-Schnipsel, die ich rassistisch und sexistisch fand. Da denkt man echt, die Welt ist kaputt.” “Plötzlich war ich überzeugt: Das ist die Stimme von einem Freund” “Ich war geschockt, weil ich das Gefühl hatte, den Menschen ist nicht bewusst, dass Fremde ihre Aufnahmen abhören dürfen. Ich spürte, da wird ganz stark in die Privatsphäre eingegriffen. Vor allem bei privaten Nachrichten, die per Speech-to-Text-Funktion aufgenommen wurden. An ein Angebot für psychologische Betreuung vonseiten der Firma kann ich mich nicht erinnern. Mit Kollegen konnte ich mich nicht austauschen, weil ich nicht einmal wusste, wie sie heißen. Mein einziger Kontakt war die Projektleitung. Ich habe dort einmal nachgefragt, was ich tun soll, wenn ich zum Beispiel Nazi-Inhalte höre. Die Antwort ging in die Richtung: Ich soll das einfach ausblenden. Als Freelancer wurde ich vorher darauf hingewiesen, dass manche Inhalte nicht jugendfrei sein könnten. Ich erinnere mich noch an einen Audio-Schnipsel, der hat meine Sicht auf das Ganze verändert. Ich hatte die Aufnahme abgehört und war plötzlich überzeugt: Das ist die Stimme von einem Freund von mir, der Journalist ist. Es war ein kurzer Suchbefehl. Leider konnte mein Freund sich nicht erinnern, ob das von ihm kam. Trotzdem hat das etwas bei mir ausgelöst. Vorher waren es immer die anderen, die ich da abhöre. Nun hatte ich das Gefühl, das betrifft auch mich.” Wenn Google Sprachaufzeichnungen abhören lässt, ist das nicht verboten. Wir erlauben es sogar selbst und haben oft keine andere Wahl. Denn wer zum Beispiel sein Android-Smartphone einrichtet, muss der Datenschutzerklärung von Google zustimmen. Dort steht “Unter anderem könnten folgende Aktivitätsdaten erhoben werden: (…) Sprach- und Audiodaten bei Ihrer Nutzung von Audiofunktionen”. Was das wirklich bedeutet, verstehen wohl die Wenigsten: Google kann hören, wenn wir der Google-Suchmaschine einen Sprachbefehl geben oder dem Android-Handy Nachrichten diktieren, die in Text umgewandelt werden. Schon im April hat ein Pressesprecher von Google gegenüber VICE bestätigt: “Bei Google können einige Mitarbeiter auf einige Audioausschnitte aus dem Assistant zugreifen, um das Produkt zu trainieren und zu verbessern”. Nun wissen wir: Es können auch Mitarbeiter von anderen Dienstleistern sein, die im Auftrag von Google handeln. Thomas war einer von ihnen. Auch auf VICE: Totalüberwachung für 150 Euro Wir haben Google per E-Mail gefragt, wie der Konzern die Privatsphäre seiner Nutzer schützt und die Vertraulichkeit der Sprachaufnahmen garantiert, wenn selbst Freelancer von Drittanbieterfirmen darauf Zugriff haben. Der Pressesprecher ging in seiner Antwort nicht näher auf die Frage ein, sondern schrieb: “Im Zuge der Auswertungen werden die Audioclips nicht mit den Nutzerkonten verknüpft. Im Übrigen wurden sie nur bei etwa 0,2 Prozent aller Clips durchgeführt.” 0,2 Prozent, das klingt wenig. Aber es ist immer noch viel, wenn man bedenkt, dass Android-Smartphones in Deutschland rund 80 Prozent Marktanteil haben und dementsprechend mehrere Millionen Menschen ihre Einwilligung zum Abhören gegeben haben. Ob Google nach der angekündigten Pause mit dem Lauschen weitermacht? Offenbar ja. “Wir prüfen derzeit, wie wir künftig zum einen Audioaufnahmen auswerten und zum anderen unseren Nutzern die Verwendung der Daten besser erklären können”, schreibt der Konzern auf unsere Anfrage. Letztlich gehe es darum, die automatische Spracherkennung zu verbessern. Das heißt: Für Freelancer wie Thomas wird wohl es auch in Zukunft viel zu tun geben. “Für mich ist das Diebstahl” “Der Job hat mich am Ende wirklich runtergezogen. Ich habe mir in den Aufnahmen viel mehr aggressive Sprache, Rassismus und Beleidigungen anhören müssen, als ich der Gesellschaft zugetraut hätte. Nach ein paar Jahren bin ich ausgestiegen und habe mir etwas anderes gesucht. Meiner Meinung nach sollten Nutzer ausdrücklich um Erlaubnis gefragt werden, ob sie ihre Aufnahmen weitergeben wollen. Das kann doch nicht so schwer sein! Firmen wie Google und Apple verstecken die Hinweise darauf irgendwo in der Datenschutzerklärung. Die meisten Nutzer wissen also nicht, dass ihre Sprachbefehle abgehört werden können. Wenn Firmen das trotzdem tun, ist das Diebstahl für mich. Dabei gibt es bestimmt Menschen, die ihre Daten bewusst zur Verfügung stellen würden. Ich fände es gut, wenn sie dafür Geld bekommen. Schließlich helfen sie dabei, dass die Spracherkennung besser wird.” Folge Theresa und Sebastian auf Twitter und VICE auf Facebook , Instagram und Snapchat.
Sebastian Meineck and Theresa Locker
[ "Datenschutz", "Exklusiv", "Google", "Motherboard", "Plattformen", "Privatsphäre", "Tech", "überwachung" ]
Tech
2019-08-28T10:21:54+00:00
2024-07-30T14:52:36+00:00
https://www.vice.com/de/article/google-sprachaufnahmen-vice-berichtet-aus-dem-alltag-eines-lauschers/
So stellst du fest, ob dein Sextoy gefährlich ist
Sexspielzeug ist eine schöne Sache. Frauen in aller Welt haben mit Vibratoren und Dildos ihre Sexualität besser kennengelernt. Aber so segensreich Sextoys sein mögen, sie können auch gefährlich sein. Schlecht verarbeitet, falsches Material oder schwer zu sterilisieren – Mängel können in vielen Bereichen auftreten und zu Verletzungen und Infektionen führen. Es gibt keine EU-Richtlinien spezifisch für Sexspielzeug. Die Richtlinien für Kinderspielzeug sind sehr streng, aber die Toys für Erwachsene unterliegen diesen Regeln nicht. Es hat in Deutschland schon Bemühungen gegeben, strengere Schadstoffrichtlinien einzuführen, aber letztendlich müssen die Regelungen auf EU-Ebene beschlossen werden. Wie können wir also wissen, welche Sextoys gefährlich sind? Broadly spricht mit Aktivisten, ethischen Sextoy-Herstellern und anderen Expertinnen. Oft werden Einweg-Sextoys wie Penisringe und Bullet-Vibratoren als “Spaßartikel” verkauft. Der Großteil dieser Billigprodukte ist aus sogenanntem Jelly-Gummi oder Polyvinylchlorid (PVC). Die meisten Shops listen die genaue Zusammensetzung dieser Toys nicht auf, also lässt sich unmöglich sagen, wie gefährlich sie sind. Dass sie schädlich sein können, wissen wir allerdings. Studien haben gezeigt, dass manche Jelly- und PVC-Toys Chemikalien namens Phthalate enthalten. Diese Weichmacher sind schädlich und können aus dem Spielzeug austreten. Phthalate können den Hormonhaushalt stören und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. Nonprofit-Organisationen haben einen Zusammenhang zwischen den Weichmachern und Brustkrebs festgestellt, norwegische Forscher bringen sie mit Asthma in Verbindung. Inzwischen sind Phthalate in der EU in Kinderspielzeug, Kosmetika und Lebensmittelverpackungen verboten – ein Grund mehr zu fragen, was diese Stoffe in Sexspielzeug zu suchen haben. “Der Markt ist voll mit billigen Toys aus unbekannten Materialien, weil sie günstig sind”, sagt Savva Panayiotou, Mitgründerin des ethisch orientierten Sexshops Peepshow Toys. Es gebe viele Horrorstorys über Spielzeug, das schmilzt, Öle schwitzt oder streng riecht. “Das ist wirklich besorgniserregend.” Die erste Frage beim Sicherheitscheck ist also das Material. Francesca Cross ist die Inhaberin des Online-Sexshops The Pleasure Garden. Sie warnt vor Materialien, die sich nicht vollständig reinigen lassen: “Überprüfe, ob das Material porös ist – das heißt nämlich, dass Bakterien, Viren und Pilzsporen hineingelangen können.” Selbst wenn man solche Toys reinige, könnten die Organismen in dem Material sich erneut vermehren. “Das kann Pilzinfektionen auslösen oder sogar Geschlechtskrankheiten übertragen, wenn mehrere Personen das Spielzeug benutzen”, warnt Cross. Jelly-Toys sind besonders porös und damit sehr schwer zu reinigen. Auch der britische Staat warnt davor, dass nicht-steriles Sexspielzeug Krankheiten wie Syphilis, Herpes, Hepatitis und HIV übertragen kann. Stattdessen solltest du nach Toys Ausschau halten, die von Aktivisten und ethischen Shops als unbedenklich eingestuft wurden. “Wenn nicht klar ist, aus was das Spielzeug besteht: Finger weg”, sagt Cross. In ihrem Shop gebe es nur Toys aus Silikon, ABS-Kunststoffen, Glas, Metall, Holz und Keramik. Wie sicher dagegen thermoplastische Elastomere (TPR) sind, ist nicht klar: Sie sind phthalat-frei, aber porös. Manche ethische Sexshops verkaufen sie, aber warnen, dass diese Toys nicht zum Teilen geeignet sind. Die Sextoy-Rezensentin Emmeline Peaches hatte ein Erlebnis mit einer Sexmaschine, die nur Besorgnis statt Lust erregte. Die Maschine sollte mit einem Dildo zustoßen und Wasser spritzen können. “Sie spritzte nicht. Ich drehte dieses riesige Teil um und versuchte ewig, das Wasser rauszuschütteln, das da hervorgetröpfelt kam”, sagt sie Broadly. Letztendlich habe sie aufgeben müssen. Die Dildos, die mit der Maschine geliefert wurden, seien außerdem aus unsicheren Materialien gewesen. “Erst als ich die Materialien recherchierte, verstand ich, warum meine Maschine so giftig nach Chemie stank.” Der Hersteller, von dem Peaches die Maschine hatte, hat das Produkt inzwischen aus dem Sortiment genommen. Billig-Toys aus schlechten Materialien sind häufig auch in anderer Hinsicht gefährlich. Die Muskeln im Gesäß spannen sich reflexhaft an, das heißt, wenn du Gegenstände anal einführst, können sie von dieser Bewegung “angesaugt” werden und in deinem Darm verschwinden. Das solltest du dir merken, wenn du keine Lust auf einen ziemlich peinlichen Besuch in der Notaufnahme hast. “Anal-Spielzeug sollte immer einen breiten Griff oder eine breiteren Fuß haben”, sagt Cross. So könne nichts verlorengehen. “Es gibt Toys, die als Buttplugs für Anfänger vermarktet werden, und dann haben sie unten nur einen Ring, der gar nicht als Stopper fungieren kann!”, warnt sie. Diese Ringe sind nämlich oft kein bisschen breiter als das Toy selbst. Girl on the Net ist Sextoy-Aktivistin und eine der Organisatorinnen der Sexblogger-Convention Eroticon UK. Bei ihrem ersten Sextoy-Kauf wählte sie Liebeskugeln aus Kunststoff, die mit einer Schnur verbunden waren. “Als ich damit spielte, merkte ich auf einmal, dass die Schnur gerissen war.” Sie habe schon Panik bekommen, doch der Krankenhausbesuch blieb ihr erspart: Ihr Freund habe sie mit einem langstieligen Teelöffel von der Kugel befreien können. “Ohne Aufklärung über die Stoffe, mit denen wir in Berührung kommen, können wir keine informierten Entscheidungen für unser Sexleben treffen”, sagt Sarah Brynn Holliday, die als Beraterin für Sextoy-Hersteller agiert. “Ich versuche, die Firmen zur Verantwortlichkeit zu bewegen und ethische Standards in der Branche zu fördern.” Holliday klärt außerdem Studierende darüber auf, wie gefährlich giftige Sextoys sein können. Vor Kurzem hat sie einen Vortrag an einer Universität in Boston gehalten. “Die queere Studierendengruppe hat mich eingeladen, um über Sextoy-Basics, Sicherheit und ethische Firmen zu referieren.” Seit ihrer Erfahrung mit der tröpfelnden Sexmaschine will auch Peaches in ihren Rezensionen warnen und aufklären. “Ich sage den Leuten, dass sie bestimmte Produkte, Materialien und Firmen meiden sollen”, sagt sie. “Für gelungenen Aktivismus ist wichtig, dass die Menschen Informationen kriegen.” Körperliche Schäden wie sexuell übertragene Krankheiten oder Krebs sind nicht der einzige Grund, warum das Thema Aktivistinnen wichtig ist. “Sex ist ein Lebensbereich, in dem wir sehr verletzlich sind”, sagt Peaches. “Wenn ein Sextoy jemandem schadet, hat die Person vielleicht danach nie mehr Lust, ein Toy auszuprobieren. Oder schlimmer noch, womöglich denkt sie, sie und ihr Körper wären daran schuld.” Die Tendenz auf dem Sextoy-Markt stimmt allerdings zuversichtlich. “Mehr Hersteller versprechen, nur noch sichere Materialien zu verwenden”, sagt Cross. “Wenn wir die Kundinnen und Kunden genug aufklären, werden sie mit ihrer Kaufkraft den Rest erledigen.” Folgt Broadly bei Facebook, Twitter und Instagram.
Paisley Gilmour
[ "Broadly Sex", "Dildo", "Feminisme", "Gesundheit", "Jelly", "Liebeskugeln", "Sex", "sexspielzeug", "sextoys", "Vibrator" ]
Identity
2018-03-06T11:09:59+00:00
2024-07-30T18:24:27+00:00
https://www.vice.com/de/article/so-stellst-du-fest-ob-dein-sextoy-gefaehrlich-ist/
Die 10 klügsten Sätze aus dem neuen Album der Sportfreunde Stiller
Was ist das Leben doch wundervoll: Es ist ein neues Album der Sportfreunde Stiller erschienen! Sturm & Stille heißt das neueste Werk unserer liebsten Berufsjugendlichen. Wie nicht anders zu erwarten, haben sie wieder einen erstklassigen Soundtrack für das nächste Vereinsfest abgeliefert. Egal, ob ekstatischer Mitklatscher oder bedächtiger Schmusetanz, für jede Situation, von Super-Gaudi bis angenehm unerträglich stehen die Fußballpastoren mit einem passenden Song zur Seite. Zwischen all dem rührseligen Nichts sind wir jedoch auf zehn überraschend kluge Sätze gestoßen. Vergesst Glückskekse, vergesst Motivationsseminare, vergesst Kontra K—das hier ist der Stoff, aus denen Sprüche-Tattoos gemacht sind: Und das Schlimmste stets für die Schlechtsten. Zum Beispiel die Maxi-CD von „’54 ’74 ’90 2006″? Denn wenn du ganz fest an etwas glaubst, wird es wahr! Soweit wir wissen, ist irgendwie immer Wetter. Angesichts der dauerhaft guten Laune der Sportis hat das Glück auch schon oft den Abzug gedrückt. Zweckreime heiligen eben alles. > Hier Pipi-Kaka-Witz einfügen < Wer A sagt, muss auch B sagen. Und nur das Schwere ist ein Gegengewicht. – Andreas, 24, kurz bevor er Michas „Wundermische” durch die Bong inhaliert. Manche Dinge sollte man sich nicht bildlich vorstellen … Zu spät.
Noisey Staff
[ "lyrics", "Music", "Noisey", "rock", "Sportfreunde Stiller", "weisheit" ]
2016-10-10T12:39:49+00:00
2024-07-30T21:36:37+00:00
https://www.vice.com/de/article/die-10-klugsten-satze-aus-dem-neuen-album-der-sportfreunde-stiller/
Wie es ist, ohne Geruchssinn zu leben
Wenn du erkältet bist und nichts riechst, schmeckst du dein Essen kaum noch. Schlimm genug, wenn das eine Woche so geht. Jetzt stell dir vor, das ist dein ganzes Leben lang so. Mit diesem Problem leben Menschen, die an Anosmie leiden. Der Geruchssinn kann chronisch oder nur vorübergehend fehlen, manche riechen von Geburt an nichts, bei anderen tritt die Anosmie erst später auf. Valeria Torres ist Mexikanerin, lebt in Paris und riecht absolut nichts. Mit VICE spricht sie über die Herausforderungen und Vorteile eines Lebens ohne Gerüche. Auch bei VICE: Diese Faultiere können vielleicht dabei helfen, Krebs zu heilen VICE: Wie hast du gemerkt, dass du Anosmie hast? Valeria Torres: Ich wusste schon von klein auf, dass bei mir etwas seltsam ist, aber es gab einen bestimmten Tag, an dem es mir auffiel. Ich war mit meinem Vater in einer Bäckerei, und ich konnte spüren, wie dick dort der Geruch des frischen Gebäcks in der Luft hing. Mein Vater sagte: “Das Brot duftet doch wunderbar, oder?” Ich holte so tief Luft, wie ich konnte, und roch absolut gar nichts. Selbst danach dauerte es noch ein paar Jahre, bis mein Vater mir glaubte, dass ich absolut keinen Geruchssinn habe. Dann erst untersuchten mich die Ärzte. Wie weißt du, ob du selbst schlecht riechst? Ich benutze alle möglichen Parfüms – ich liebe das Gefühl, frisch und sauber zu sein. Weil ich nichts riechen kann, kümmere ich mich besonders gut um meine Hygiene. Aber meine engsten Freunde und Verwandten sind gewohnt, dass ich sie ständig nach Gerüchen frage, ob von meiner Kleidung, meinen Haaren oder was auch immer. Bei Deodorants traue ich nur denen, die mein Dermatologe mir schickt. Meine Mutter hilft mir, die Parfüms auszusuchen. Ich gehe immer nach den schönsten Flakons, aber mit der finalen Entscheidung, welchen Duft ich trage, traue ich nur meiner Mutter. Gibt es etwas, dass du riechen kannst?Nein, nicht wirklich. Aber wenn etwas stark riecht – ob gut oder schlecht – dann habe ich das Gefühl, die Luft wird vorübergehend dichter. Einmal habe ich eine Akupunktur ausprobiert, in der Praxis haben sie mir Vitamine injiziert, die meine Nerven stimulieren sollten. Für eine Sekunde habe ich tatsächlich einen Geruch wahrgenommen. Ich kann ihn nicht beschreiben und er war auch extrem flüchtig. Was ist das Gefährlichste an Anosmie, das du bisher erlebt hast? Ich habe schon ein paar Gaslecks erlebt. Bei einem davon war ich allein, ich schlief im Obergeschoss meines Hauses und im Erdgeschoss hatte mein Herd ein Leck. Ich habe nichts davon gemerkt, aber ich wurde wach und hatte ausgerechnet in dem Moment Lust auf eine Zigarette. Vielleicht war es Schicksal, vielleicht auch nur Zufall, aber ich konnte mein Feuerzeug nicht finden. Ein bisschen später kamen meine Eltern vorbei und schrien sofort, ich solle bloß keine Flamme anzünden – sie konnten das Gas riechen. Ich hatte auch schon eine Lebensmittelvergiftung, weil ich dem Essen nicht ansehen konnte, dass es verdorben war. Was ist das Leckerste, das du je gegessen hast? Da muss ich gar nicht überlegen: Die Chilaquiles meiner Oma. Keinen Geruchssinn zu haben, beeinträchtigt den Geschmackssinn, trotzdem gewinnen Omas Chilaquiles. Beim Essen wähle ich einfache Geschmäcker und achte sehr auf die Textur. Was würdest du gern mal riechen? Ich würde gern einen kühlen Abend riechen können, an irgendeinem ruhigen Ort auf der Welt, und dazu einen Früchtetee, ein altes Buch und eine Zigarette. Hast du den Eindruck, dass deine anderen Sinne schärfer sind? Eigentlich hat es keinen Zweck, Sinne zu vergleichen, aber was das Sehen angeht … Schon seit ich klein bin, spiele ich mit mir selbst ein Spiel. Ich versuche immer, den am weitesten entfernten Buchstaben in meinem Sichtfeld zu entziffern. Das schaffe ich fast immer. Ich schätze also, mein Sehvermögen ist ein bisschen besser entwickelt. “Ich genieße meine restlichen Sinne so sehr, dass ich mir nicht vorstellen könnte, einen davon einzutauschen.” Wenn du den Geruchssinn gegen einen anderen eintauschen könntest, welcher wäre das? Von allen fünf Sinnen haben die meisten Menschen am wenigsten Angst davor, ihren Geruchssinn zu verlieren, und mir geht es genauso. Ich genieße meine restlichen Sinne so sehr, dass ich mir nicht vorstellen könnte, einen davon einzutauschen. Gibt es Situationen, in denen du dich freust, nichts zu riechen? Es gibt hier und da Vorteile. Manchmal stinkt die Stadt einfach, und wenn ich mit meinen Freunden spazieren gehe, leiden sie alle darunter, während ich die Entspannteste von allen bin. Was ist das Interessanteste daran, keinen Geruchssinn zu haben?Wenn Leute in der Literatur oder in Gesprächen Gerüche beschreiben, dann können sie das kaum, ohne dafür den Geruch von etwas anderem herzunehmen. Wenn mir jemand einen Geruch beschreiben will, geht das nur schwer, ohne sich auf Sachen zu beziehen, die mir auch nichts sagen. Aber ein paar Menschen haben es schon geschafft, indem sie mir Gerüche mit Gefühlen und Metaphern erklärt haben. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
[ "anosmie", "Geruchssinn", "Gesundheit", "Interview", "Krankheit", "Sinne" ]
2018-04-16T09:40:47+00:00
2024-08-12T08:15:53+00:00
https://www.vice.com/de/article/wie-es-ist-ohne-geruchssinn-zu-leben/
Ralf Rangnicks falsche Interpretation von RB Leipzigs Beliebtheit
„Wir sind in Mitteldeutschland hinter Bayern München und Borussia Dortmund mittlerweile der drittbeliebteste Klub”, so wurde Rangnick die vergangenen Tage häufig nach seinem Kicker-Interview zitiert. Für das Feinbild vieler Fußballanhänger eine recht steile These. Wie kommt er zu einer solchen Behauptung? Auf Nachfrage bei Rasenballsport Leipzig verwies man auf eine in der Bild veröffentlichten Studie. Darin wurden 1.259 Fußballfans in ganz Deutschland nach ihrem Lieblingsverein befragt. Das Ergebnis: In Sachsen und Thüringen gaben 17% der Befragten RB Leipzig an. Damit liegt der Verein hinter Bayern München mit 28% und Borussia Dortmund mit 21% auf dem dritten Platz. Doch wie viel ist Rangnicks Aussage wirklich wert? Zum einen kann er nicht für ganz Mitteldeutschland sprechen. Nach der Wende hat sich die Bezeichnung für Sachsen, Thüringen UND Sachsen-Anhalt durchgesetzt. Laut Studie muss man Sachsen-Anhalt aber rausnehmen. Kritisch zu sehen ist außerdem der geringe Stichprobenumfang. Wenn es in ganz Deutschland lediglich 1259 Teilnehmer gab, dann entfallen auf die Bundesländer Thüringen und Sachsen—wenn man es auf die Einwohnerzahlen runterbricht—96 Befragte. Wahlforscher Prof. Frank Brettschneider erläutert, dass es für Umfragen unterschiedlichste Vorgaben gibt. Für repräsentative Tendenzen sollte jedoch eine Anzahl von 1.000 eingehalten werden. Zusammengefasst: Es wurden also weniger als 100 „Fußballinteressierte” in Sachsen und Thüringen gefragt, wer ihr Lieblingsverein ist. 16 Seelen müssten sich für den RBL ausgesprochen haben. Selbst Hoffenheim hat mehr Fans. Unabhängig von Umfrageergebnissen ist die von Rangnick angesprochene Beliebtheit ein schwer greifbarer Index. Bedeutet Beliebtheit ins Stadion zu gehen oder reicht ein Jubelschrei auf dem Sofa vor der Sportschau. Bestimmen also Zuschauerschnitte, Mitgliedszahlen oder Social-Media-Follower diesen Wert der Beliebtheit mit? Wenn ja, wäre das für RB nur eingeschränkt positiv. Der Zuschauerschnitt von RB lag in der vergangenen Saison bei 29.000. Damit sind sie in Mitteldeutschland zwar auf Platz 1, aber Dynamo Dresden hat einen lediglich 2.000 Zuschauer geringeren Schnitt, obwohl sie eine Liga tiefer spielen und zudem an Kapazitätsgrenzen stießen. Ihr Stadion fasst nur 32.000 Zuschauer, bei RB ist Platz für insgesamt 44.000. Die Auslastung von Dynamo ist also deutlich besser als die der Leipziger, ohne überhaupt das Thema Auswärtsfahrer anzusprechen. READ MORE: Der ungeliebte Professor Ralf Rangnick Vereinsmitglieder zu vergleichen, macht fast keinen Sinn, denn RB schreckt seine Sympathisanten mit hohen Jahresbeiträgen ab und hat weniger als 300. Bei Dynamo sind mehr als 17.000 angemeldet. Auch beim Thema Social Media ist die Mannschaft aus Elbflorenz dem Brausekonzern überlegen—210.000 gegen 163.000 Likes auf Facebook. In einer anderen Studie wurde RB Leipzig zudem zum unbeliebtesten Verein in Deutschland gewählt. Wie sagt man doch so schön: „Trau keiner Studie, die du nicht selbst gefälscht hast.” Also Herr Rangnick, wenn die Fans der Roten Bullen irgendwann einmal Fußballdeutschland mit genialen Choreos verzücken und bei Auswärtsspielen mittwochabends in Freiburg für Stimmung sorgen, können wir auch über die Beliebtheit von RB reden.
VICE Sports
[ "Deutschland", "Dynamo Dresden", "Fußball", "ralf rangnick", "RB Leipzig", "Sports", "VICE Sports" ]
2016-07-15T13:40:00+00:00
2024-07-30T23:36:16+00:00
https://www.vice.com/de/article/ralf-rangnicks-falsche-interpretation-von-rb-leipzigs-beliebtheit/
VICE und der 11. September
Jetzt haben sie es geschafft. Ein paar Irre haben den Jackpot der Dummheit geknackt, indem sie uns vorwerfen, das Blut von Tausenden an unseren neokonservativen Händen kleben zu haben. 2009 haben wir zu unserem 15. Geburtstag ein „verschollenes“ Magazin veröffentlicht, das wir angeblich schon 1994 verfasst hatten. Ein Artikel in der US-Ausgabe unseres Magazins trägt die Überschrift „What is Al-Qaeda?“ und hat nun die Aufmerksamkeit von Verschwörungstheoretikern, die nichts von der offiziellen Version der Ereignisse des 11. Septembers 2001 halten, auf sich gezogen. Um es kurz zu machen: Sie glauben ernsthaft, dass wir Bescheid wussten, dass Terroristen Flugzeuge in das World Trade Center steuern werden. Und das sieben Jahre bevor sie es tatsächlich taten. Sie glauben auch, dass Beavis and Butthead etwas damit zu tun haben könnten. Seht euch diesen Schwachsinn bitte mal an. Hier ein paar Zitate: „Hey Leute schon wieder sind verdächtige Bilder aufgetaucht die ziemlich genau den elften September beschreiben noch bevor er geschehen ist. Der Artikel im Vice Magazin wurde 1994 gedruckt und enthält eine Cartoondarstellung von Beavis und Butthead die in Flugzeugen sitzend um die Zwillingstürme kreisen. Gekleidet als Araber mit weißen Turbanen” „Beavis hält eine Bombe mit einer Zündschnur in der Hand aber das eigenartigste daran ist dass das Szenario auch noch in einem Artikel vertieft wird, der wie ein Interview aufgebaut ist…” Das Interview und den Artikel, findet ihr in der vollständigen Version hier.
VICE Staff
[ "News", "Vice Blog" ]
2011-02-24T11:49:00+00:00
2024-07-31T07:26:26+00:00
https://www.vice.com/de/article/vice-und-der-11-september-2001/
10 Jahre Gefängnis: Erstmals wird ein Mann für &#8220;Online-Vergewaltigung&#8221; verurteilt
Achtung: Dieser Text und darin enthaltene Links enthalten Beschreibungen von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigungen. Die öffentliche Debatte um sexuelle Belästigung im Internet ist so alt wie Avatare und Chatrooms selbst: Wie geht man mit Übergriffen im Online-Bereich um? Kann eine Vergewaltigung auch online stattfinden? Schon bevor es grafisch ausgefeilte Multiplayer-Games gab, fanden sexuelle Übergriffe bereits in textbasierten Rollenspielen statt – der vielleicht erste und bekannteste Fall wurde 1993 von Julian Dibbell in seinem Essay “A Rape in Cyberspace” festgehalten. 2007 geriet ein Second Life-Nutzer wegen “virtueller Vergewaltigung” ins Visier der belgischen Polizei. Auch World of Warcraft hat ein Vergewaltigungsproblem. Folgt Motherboard auf Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter Doch sexuelle Belästigung und übergriffiges Verhalten beschränken sich nicht nur auf Nutzer von Videospielen, Täter benutzen auch Soziale Netzwerke und digitale Hilfsmittel wie Webcams, um im Internet Kontakt zu möglichen Opfern aufzunehmen, Vertrauen aufzubauen und sie im im realen Leben zu Handlungen zu zwingen, die ihnen psychisch wie physisch schaden. Vor allem Kinder und Jugendliche werden häufig Opfer sexueller Übergriffe über das Netz. Am vergangenen Donnerstag hat nun ein schwedisches Gericht zum ersten Mal einen Mann wegen Vergewaltigung über das Internet schuldig gesprochen. Er hatte Minderjährige in Kanada, den USA und Großbritannien dazu genötigt, sexuelle Handlungen vor der Webcam zu vollziehen, während er ihnen dabei zusah. Er machte die Kinder gefügig, indem er drohte, ihnen oder ihren Familien etwas anzutun, berichtete Associated Press und betitelte den Fall als “Online-Vergewaltigung”. Die Anklage warf dem 41-jährigen Schweden vor, dass er damit gedroht habe, “Bilder der 26 Mädchen und einem Jungen auf Pornografieseiten zu posten oder ihre Verwandten umzubringen, wenn sie nicht sexuelle Handlungen ausführten, während er zusah”. Zu seinen Opfern, die alle unter 15 Jahren alt waren, hatte der Verurteilte zwischen 2015 und Anfang 2017 Kontakt aufgenommen. Da er die Kinder während der Handlungen auch auf Video aufnahm, wurde er zusätzlich wegen des Besitzes von Kinderpornografie angeklagt. Insgesamt wurde der Schwede zu 10 Jahren Haft und einer Schadensersatzzahlung von umgerechnet 110.377 Euro verurteilt. Ans Licht kam der Fall, weil dem Verurteilten ein anderes Sexualdelikt vorgeworfen wurde, und die Ermittler in seiner Wohnung auf Videoaufnahmen von Mädchen stießen, die Englisch sprachen. Ebenfalls auf Motherboard: Totalüberwachung für 150 Euro Das Besondere an diesem Urteil: Der Täter, der nun wegen Vergewaltigung verurteilt wurde, hat seine jugendlichen Opfer nie persönlich getroffen. Doch nach dem schwedischen Strafgesetz muss bei einer “Vergewaltigung” nicht zwingend ein Eindringen in den Körper des Opfers stattfinden. Stattdessen können auch Handlungen, die gleichermaßen verletzen, juristisch als Vergewaltigung gelten. Die schwedische Rechtsprechung hebt sich damit in Bezug auf Vergewaltigung von anderen Ländern deutlich ab. Auch in Deutschland gab es schon verschiedene Gerichtsverfahren wegen des sogenannten “Cyber-Groomings”. So wird der Vorgang bezeichnet, wenn ein Erwachsener über das Internet Kontakt zu Minderjährigen aufnimmt und sie dazu bringt, ihm explizite Bilder von sich zu schicken oder sexuelle Handlungen vor der Kamera auszuführen. Erst im Juni wurde beispielsweise ein Angeklagter vom Landgericht Osnabrück wegen sexuellem Missbrauch von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt: Er hatte Minderjährige per Chat dazu angeleitet, sich vor der Webcam auszuziehen und selbst zu befriedigen. Laut Paragraph 177 des Strafgesetzbuches wird eine sexuelle Nötigung in Deutschland jedoch erst dann als Vergewaltigung definiert, wenn sie mit dem Eindringen in den Körper verbunden ist. “In fast allen Gesetzen über Vergewaltigung steht, dass der Angeklagte das Opfer sexuell penetriert haben muss. Daher wäre es in fast allen anderen Ländern unmöglich, diesen Tathergang strafrechtlich als Vergewaltigung zu verfolgen”, erklärte James Chalmers, Professor der Rechtswissenschaft an der University of Glasgow, gegenüber Motherboard. “Für Schweden schafft das definitiv einen Präzedenzfall, auch wenn schon vorher feststand, dass ein solcher Fall theoretisch als Vergewaltigung verurteilt werden könnte.” Somit wird das Urteil in Schweden wohl keine weiteren Verurteilungen wegen Vergewaltigung in anderen Ländern nach sich ziehen. Trotzdem hofft Chalmers, dass das Urteil die Gesetzgeber in anderen Ländern zumindest dazu anregt, darüber nachzudenken, wie sie eine Vergewaltigung in ihrer Gesetzgebung neu definieren, um so die Opfer von Cyber-Grooming noch besser zu schützen. Falls du Opfer einer Vergewaltigung oder sexueller Belästigung geworden bist und etwas unternehmen willst, findest du hier und hier Hilfe und nützliche Hinweise.
Samantha Cole and Sandra Sauerteig
[ "Gesetz", "Haftstrafe", "Kinder", "Minderjährige", "Motherboard", "Schutz", "Schweden", "Sexueller Missbrauch", "Tech", "Urteil", "Verbrechen", "Vergewaltigung", "Videospiele" ]
Tech
2017-12-04T13:22:01+00:00
2024-07-30T21:07:02+00:00
https://www.vice.com/de/article/10-jahre-gefangnis-erstmals-wird-ein-mann-fur-online-vergewaltigung-verurteilt/
Kraftklub auf Höhenflug: Bei Circus HalliGalli erreicht ihr Auftritt ein komplett neues Level
Foto: Screenshot von YouTube aus dem Video “Kraftklub – Fenster | Circus HalliGalli | ProSieben” von Circus HalliGalli Joko und Klaas befinden sich mit ihrer Show Circus HalliGalli auf der Zielgeraden. Bis im Juni die allerletzte Sendung laufen wird, ziehen sie deswegen nochmal alle Fäden, um uns mit kurzfristigen Highlights zu beglücken. Gestern Abend hatten sie die Jury von Germanys Next Topmodel zu Gast – OK, Heidi Klum hatte wohl keinen Bock –, legten selbst einen übertriebenen Party-Auftritt im Diskokugel-Outfit hin und ließen Kraftklub eine schwindelerregende Performance abliefern. Die Chemnitzer waren mit ihrer aktuellen Single “Fenster” am Start – der Auftritt fand allerdings in ca. 60m Höhe statt und sie hingen wie Marionetten an Seilen in der Luft. Dadurch mussten sie zwar auch auf Playback zurückgreifen, aber dafür sah das ganz schön spektakulär aus. Hm, Marionetten … Warum müssen wir da nur an die Söhne Mannheims und deren kruden neuen Song denken? Zufall oder vielleicht auch verflucht gutes Timing. Folge Noisey auf Facebook, Instagram und Snapchat. Aus dem VICE-Netzwerk: K.I.Z.
Noisey Staff
[ "Circus HalliGalli", "fenster", "Joko Winterscheidt", "Klaas Heufer-Umlauf", "Kraftklub", "Music", "Noisey", "Noisey News" ]
2017-05-03T14:07:52+00:00
2024-07-30T19:51:47+00:00
https://www.vice.com/de/article/kraftklub-auf-hohenflug-bei-circus-halligalli-erreicht-ihr-auftritt-ein-komplett-neues-level/
Warum ein Fax-Bot US-Gefängnissen ihre erbärmlichen Yelp-Reviews schickt
Wenn ein Hotel eine schlechte Yelp-Beurteilung bekommt, dann ​wird der unliebsame Kritiker im Zweifel einfach verklagt. Was aber passiert, wenn ein Gefängnis eine miese Rezension erhält? Die beiden ​New Yorker Programmierer Sam Lavigne und Fletcher Bach wollen nun dafür sorgen, dass die Haftanstalten von dem negativen Feedback ihrer „Nutzer” zumindest erfahren und lassen einen Fax-Bot die Zustellungen der Beurteilungen übernehmen: Jedes Mal, wenn eines der zwölf bisher von ihnen erfassten amerikanischen Gefängnisse eine Yelp-Bewertung bekommt (ja, das passiert wirklich), schickt ihr fleißiges Robo-Fax dem Gefängnispersonal die Review zu. Unser Konzept ist es, die Gefängnisse mit dem „Nutzer”-Feedback zu konfrontieren. „Wir selbst hatten keine Ahnung, dass es Gefängnis-Seiten bei Yelp gibt. Und wenn wir das schon nicht wissen, dann werden die Haftanstalten erst recht keine Ahnung davon haben”, erzählte mir Lavigne. „Unser Konzept ist es, sie mit dem Feedback der Insassen zu konfrontieren.” Bleibt zu hoffen, dass die unterhaltsame Bot-Programmierung auch zu positiven Veränderungen führen wird. Es wäre beispielsweise zu begrüßen, dass die Insassen des ​Willacy Detention Centers keine Angst mehr davor haben müssen, „von den Wärtern vergewaltigt oder in einer dunklen Ecke zusammen geschlagen zu werden”. Bild: Yelp Prison Review Faxbot „Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, ob wir mit unserer kleinen Idee eine Veränderung erreichen können. Die Probleme des amerikanischen Gefängnissystems sind so zahlreich und schwerwiegend, dass die Menschen tatsächlich beginnen, Yelp-Reviews schreiben”, sagte Lavigne. „Alle Maßnahmen, die die Zustände auch nur irgendwie thematisieren, sind wichtig. Allein deswegen war unsere Aktion den Aufwand wert.” Für die Faxzustellung entschieden sich die New Yorker auch wegen des sympathischen Retro-Charmes: Nimm eine veraltete ​Technik, programmiere sie ein bisschen um, und mache sie wieder politisch relevant. Außerdem kann eine E-Mail per Mausklick ungelesen gelöscht werden, während ein Fax mit seiner unübersehbaren Präsenz nicht so leicht zu ignorieren ist: „Faxe kannst du nicht einfach bei Seite schieben wie eine E-Mail”, erzählte er mir. „Und außerdem ist der automatisierte Papier-Spam auch einfach ziemlich cool.” Die Ursprungsidee der Programmierer war eigentlich eine Abwandlung der sogenannten ​„Black Faxes”, einer Art Steinzeit-Version heutiger DDoS-Attacken. Die „Angreifer” faxten damals komplett schwarze Seiten an eine Firma oder Behörde und verbrauchten damit die gesamte Tinte und setzten die Faxgeräte so zeitweise außer Betrieb. Lavigne und Bach begannen zunächst damit, jedem Gefängnis, das eine Yelp-Seite und ein einfach zugängliches Faxgerät hat, manuell eine Yelp-Kritik zu schicken. Inzwischen bekommen die Vollzugsanstalten jedes Mal automatisch ein Fax, wenn eine neue Yelp-Review online geht. Die beiden Hacker denken auch darüber nach, das Prinzip auf klassischen Brief-Spam auszudehnen und wollen schon bald die Anzahl an erfassten Gefängnissen vergrößern. „Wie du dir vorstellen kannst, ist die Schnittmenge zwischen Gefängnissen, die ein öffentliches Fax besitzen (bzw. eine öffentlich einsehbare Nummer) und über die es gleichzeitig Yelp-Reviews gibt, überschaubar”, erzählte mir Lavigne. „Bisher haben wir noch keine Fax-Antworten der Gefängnisse erhalten. Aber unser Programm kann feststellen, ob sie die Faxe bekommen haben.”
Jason Koebler
[ "Gefängnisse", "Motherboard", "motherboard show", "Politik", "Schwarmintelligenz", "Social Media", "Tech", "usa", "yelp" ]
Tech
2014-11-25T13:49:00+00:00
2024-07-31T04:15:48+00:00
https://www.vice.com/de/article/bot-faxt-gefaengnissen-ihre-erbaermlichen-yelp-beurteilungen/
Julia Seemanns inspirierendste Locations in Zürich
Julia Seemann – blaue Daunenjacke, Samtrucksack, helle Turnschuhe und Jeans – ist eine international erfolgreiche Fashion-Designerin: Ihre Diplomkollektion präsentierte sie an der New York Fashion Week, kurz danach trug Rihanna einen ihrer Looks. Die 27-Jährige wohnt in Zürich, seit sie zehn Jahre alt ist. Zu den Einflüssen auf ihre bisherigen Kollektionen zählt sie unter anderem kreative und subkulturelle Strömungen wie den Dadaismus, das “Züri-brännt”-Movement in den 80er Jahren sowie Underground-Musik-Bewegungen, die in Verbindung zu Zürich oder der Schweiz stehen. Ihr Stil zeichnet sich durch Gegensätze wie Kitsch und Workwear oder Seide in Kombination mit Denim aus. Generell findet sie: “Man sollte die Dinge im Leben nicht so ernst nehmen, deshalb sind auch meine Kreationen stets mit einem gewissen Augenzwinkern zu verstehen.” Was hält eine international erfolgreiche Designerin aber überhaupt noch in Zürich, einer übersichtlichen Stadt mit 400.000 Einwohnern? “Es hat sich bis jetzt so ergeben und passt eigentlich ganz gut”, sagt Julia. Allerdings könne sie sich gut vorstellen, in der Zukunft in einer Grossstadt wie London, New York oder Berlin zu leben und zu arbeiten. Aber bis dahin, bietet ihr auch die Minimetropole genug Inspiration. Auf einem Streifzug durch Zürich hat sie uns ihre fünf inspirierendsten Orte gezeigt: Beinahe in der Agglomeration, Shoppingcenter Letzipark: dunkelblaue Fassade, auf dem Dach thront eine Palme. “Früher dachte ich, das sei ein Hallenbad. Zumindest von aussen sieht es so aus”, sagt Julia und fügt hinzu: “Der Letzipark ist Bestandteil meines Alltags”. Ihr Atelier befindet sich ganz in der Nähe und sie komme oft für das Mittagessen hierher – “weil es in der Umgebung sonst nichts gibt und es einfach gäbig ist.” Der Letzipark gefalle ihr, weil er im Vergleich zum Sihlcity nicht so herausgeputzt sei: “Aber sie geben sich ziemlich Mühe mit der Deko”, sagt sie und deutet auf die unzähligen Lichterketten, die von den Emporen herunterhängen und zu einer Winterwonderland-Landschaft im Erdgeschoss führen. “Hier kann man auch gut auf Bänkchen sitzen und Leute beobachten”, sagt Julia. So habe sie letzthin Eltern gesehen, die ihr Kind auf einem Spielauto deponiert haben, während sie selbst Shoppen gingen. Julia wohnt im Kreis 3 in der Nähe des Lochergut. Der Weg zu ihrem Atelier führt am Albisriederplatz vorbei, wo sich auch ein Lieblingsort von Julia befindet: das Café Bauer. Rechts im Schaufenster stehen pastellfarbene Torten – sie harmonieren gut mit der rosa Leuchtschrift des “Bauer” – links gibt es chinesisches Essen. Ein verlassener, motorbetriebener Rollstuhl steht vor der Glastür. “Das Bauer hat 365 Tage im Jahr offen. Das ist sehr praktisch für Leute wie mich, die viel arbeiten. An Sonntagen gehe ich hier auch gern ein Kaffee trinken”, sagt sie. Besonders gut gefalle ihr die Kombination aus Bäckerei, chinesischem Restaurant und Take Away. “Fast ein bisschen asozial”, stellt sie belustigt fest. Das Café Bauer sei ein spannender Ort: “Mich ziehen solche – sagen wir ‘Unorte’ – eher an als irgendein Hipster-Café”, sagt sie. Die unterschiedlichen Leute, die hier aufeinandertreffen und Kaffee trinken, seien für sie eine hervorragende Inspirationsquelle. Ab und zu besucht Julia Seemann am Mittwoch das X-tra: “Ich habe auf Facebook gesehen, dass hier mittwochs Dark- und New-Wave-Partys stattfinden und gedacht, da müsse ich hin”. Seit sie 15 Jahre alt war, hat sie das X-tra zuvor nicht mehr besucht – bis sie die ‘More Than Mode’-Party entdeckt hat. Es sei etwas komplett anderes, viele der Partygäste seien “dressed up” und jede Woche sehe sie hier die gleichen Leute. “Der Eintritt ist gratis, ich trinke ein Bier, schaue den Leuten zu und geniesse die Musik”, sagt sie und fügt an: “Ich stelle mir dann gerne vor, was die Leute in ihrem Alltag machen, wenn sie nicht gerade gestylt an Goth-Partys abgehen.” Gleich neben dem Hooters an der Langstrasse liegt der Laden “Aelita – Fashion with Fantasy”: Kleiderladen, Nagel- und Enthaarungsstudio in einem. “Dieser Laden ist gut für den Research”, erklärt Julia. Sie gehe dort ab und zu wegen Schuhen für ihre Shows gucken. In den Regalen stehen Lackschuhe mit Absatz, vorne spitz oder rund, und auch Overknees. Allerdings seien die meisten Exemplare schon “an der Grenze des guten Geschmacks”. Sie sei mal zufällig am Geschäft vorbeigekommen, es gebe ja viele in dieser Art, aber das hier sei der Beste, auch wegen der freundlichen Angestellten. Gleich schräg gegenüber vom X-tra, am Limmatplatz, befindet sich der Millenium Grill. Die Schaufenster sind mit farbigen Angeboten zugepappt, es riecht nach gebratenem Fleisch. Julia hatte ihr Atelier früher an der Heinrichstrasse, in Gehnähe. “Der Millenium Grill war meine letzte Rettung”, sagt sie. Wenn sie lange gearbeitet hatte, ging sie vor dem Nachhausegehen in diese Imbissbude und holte sich einen Millenium Burger: “Ein Burger für 5.50 Franken, da kannst du nix sagen”, meint Julia. Julia Seemanns Designs findest du im “Eastpak Playground Pop-up Store Zurich“. Folge VICE auf Facebook und Instagram.
Seraina Manser
[ "Eastpak", "explore", "Julia", "playground", "Schweiz", "Seemann" ]
2017-12-05T11:51:59+00:00
2024-07-30T21:07:13+00:00
https://www.vice.com/de/article/julia-seemanns-inspirierendste-locations-in-zurich/
Ist die britische Königsfamilie endgültig am Arsch? Wir haben eine Britin gefragt
Seit einer Woche brennts so richtig bei den britischen Royals. Auf dem Laufenden zu bleiben, während man die langsame Implosion der Monarchie beobachtet, ist gar nicht so einfach. In kurz: Prinz Harry und Meghan Markle haben zum ersten Mal erklärt, warum sie ins Exil in die USA gegangen sind. Die Vorwürfe sind ziemlich hart: Rassismus, Depressionen, Lügen und Heimlichkeiten. Harry nannte den Palast ein “giftiges Umfeld”. Meghan überlegte während ihrer Schwangerschaft, sich das Leben zu nehmen. Jemand aus der Königsfamilie habe währenddessen über Baby Archies mögliche Hautfarbe spekuliert. Und dann war da noch ein frustrierter, weißer TV-Moderator, der nach seiner seltsamen Obsession mit Meghan gefeuert wurde. Damit ihr nicht wie wir jeden einzelnen Boulevardartikel zum Thema abgrasen müsst, um diese komplizierte Matrix halbwegs zu entwirren, haben wir unserer britischen VICE-Kollegin Helen Thomas die drängendsten Fragen gestellt. VICE: War Harry nicht der Nazi-Prinz? Helen Thomas: Irgendwie komisch, mit Deutschen über dieses Thema zu reden, aber ja, Prinz Harry hat sich für eine schicke Kostümparty mal als Nazi verkleidet. **Ist die Queen der Bösewicht in dieser Story? **Eigentlich haben Meghan und Harry nur Gutes über sie gesagt. Meghan hat zum Beispiel erzählt, dass die alte Dame auf dem Rücksitz eines Autos eine Decke mit ihr geteilt hat und allgemein immer super drauf ist. Außerdem haben die beiden abseits der Kameras betont, dass es nicht die Queen und ihr Mann waren, die die rassistischen Kommentare bezüglich der Hautfarbe ihres Babys gemacht haben. VICE-Video: Der furchteinflößendste Schuldeneintreiber Großbritanniens Man weiß nicht genau, wer diese Kommentare abgelassen hat, aber die Internetgemeinde scheint sich ziemlich sicher zu sein, dass es Harrys Vater, also Prinz Charles war. Zur aktuellen Beziehung zu seinem Vater sagte Harry nur, dass es da “viel Arbeit” gebe. **Ist Meghan die neue Diana? **Meghan und Diana sind beide absolut wundervolle Frauen, sie haben die Steifheit und die Kälte des Palasts offenbart. In ihrem Interview mit Oprah hat Meghan verraten, dass sie während ihrer Zeit in der königlichen Familie oft an Suizid gedacht hat. 1995 gab Diana ein ähnliches Enthüllungsinterview, in dem sie offen ihre psychischen Gesundheitsprobleme – inklusive Bulimie und postnatalen Depressionen – ansprach. Sowohl Meghan als auch Diana hatten nicht das Gefühl, die nötige Hilfe und Unterstützung von Seiten der königlichen Familie zu erhalten. Gewisse Parallelen sind also nicht von der Hand zu weisen. **Ist es kein Grund zu feiern, eine schwarze Prinzessin zu haben? **Doch, natürlich. Aber ein Großteil der britischen Medien hat entschieden, dass das eine schlechte Sache war. Warum sollten uns die Royals überhaupt interessieren?Berechtigte Frage. Ich glaube, der britischen Bevölkerung ist die königliche Familie aus zwei Gründen wichtig. Erstens wird sie zum Teil mit öffentlichen Geldern finanziert und ist das Gesicht des Establishments. Und zweitens ist sie unglaublich reich und lebt in riesigen Anwesen – ähnlich wie die Kardashians. Soll heißen: Die Royals sind Promis, und Briten lieben Promis. So wie Deutsche Wurst und Techno lieben, glaube ich. **Würdest du empfehlen, dass wir in Deutschland die Monarchie wieder einführen? **Nein. Obwohl die Royals bei uns genug spannenden Stoff für vier exzellente Staffeln von The Crown geliefert haben. Und es ist auch ganz schön, dass hier Leute, die keiner politischen Partei angehören, Auszeichnungen verleihen und neue öffentliche Gebäude einweihen können. Aber ihr habt in Deutschland doch einen Bundespräsidenten? Ich habe mir gerade den Wikipedia-Eintrag zu diesem Amt angeschaut, der würde sich ohne seine politische Macht doch dafür eignen? Oder ihr nehmt jemanden, der unterhaltsamer ist. Heidi Klum zum Beispiel. Macht es euch wütend, Steuern für eine alte Familie zu zahlen, die eigentlich nur lahm in Schlössern rumsitzt? Die Leute, die diesen Zustand aktiv ändern wollen, sind leider hoffnungslos in der Unterzahl. Ich persönlich bin auch kein Fan der Monarchie, aber gerade gibt es hier wirklich dringendere Probleme, etwa die Klimakrise oder diesen nutzlosen, rassistischen Egomanen, der unser Land regiert. Was die Steuern angeht: Ja, wir zahlen quasi für die königliche Familie, aber das ist nur eine ihrer vielen Einkommensquellen. Die Royals besitzen beispielsweise auch viel Geld, das sie in private Anwesen angelegt haben, und zahlen selbst Steuern. 2019 haben die Royals jeden Briten und jede Britin ungefähr 1,24 Pfund in Steuern gekostet. Eigentlich sind es nur rund 70 Pence, aber derzeit wird der Buckingham Palace renoviert. **Gibt es jetzt mehr Menschen, die die Monarchie endlich abschaffen wollen? **Ich glaube, in der jüngeren Generation ist eine anti-monarchistische Einstellung weiter verbreitet. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass trotzdem nur 17 Prozent der Briten glauben, dass das Land ohne die Monarchie besser dran wäre. Das ist zwar ein kleiner Anstieg von den 15 Prozent im Jahr 2018, aber immer noch recht wenig. Hier in Großbritannien lässt man lieber alles beim Alten, deshalb wählen auch so viele Leute weiter Fast-Faschisten, die den Bedürftigen das Geld wegnehmen. **Warum verteidigen die Briten die königliche Familie auch noch nach Jahrzehnten voller Skandale? **Es heißt einfach immer: “Die Royals bringen uns durch den Tourismus so viel Geld, dass sie sich quasi von selbst finanzieren!” Das Problem bei diesem Argument: Das meistbesuchte Land der Welt ist Frankreich – und dort haben sie die königliche Familie damals geköpft und den Palast in ein Museum verwandelt. Vielleicht sollten wir das Gleiche tun. Obwohl ich ja eine riesige Bäckereifiliale im Buckingham Palace besser fände. **Abgesehen von pompösen Hochzeiten und dekorativen Souvenir-Kaffeetassen: Was haben die Royals jemals Gutes für euch getan? **An dieser Stelle muss ich auch mal ein gutes Wort über die königliche Familie verlieren, denn die Royals haben ja auch gewisse Aufgaben: Sie kümmern sich um Staatsgäste, Botschafter und wichtige öffentliche Personen, sie zeichnen Leute aus, die im Sport, in der wohltätigen Arbeit oder im Entertainment-Bereich Großes geleistet haben und sie setzen sich auch selbst viel für wohltätige Zwecke ein. Über 3.000 Wohltätigkeitsorganisationen führen ein Mitglied der königlichen Familie als Schirmherr oder Schirmherrin an. Viele der Mitglieder haben auch selbst Wohltätigkeitsorganisationen gegründet. Ein Artikel aus dem Jahr 2012 besagt, dass Charitys mit der Queen als Schirmherrin in einem Jahr 1,4 Milliarden Pfund an Spenden gesammelt haben. Der Think Tank Giving Evidence hat 2020 jedoch herausgefunden, dass 74 Prozent der britischen Wohltätigkeitsorganisationen mit königlichen Schirmherren 2019 kein einziges Mal von ihnen öffentlich beworben wurden. Außerdem bringt es nur etwas, einen königlichen Schirmherren für Status und Ansehen vor die eigene Wohltätigkeitsorganisation zu spannen, wenn dieser Royal in der Öffentlichkeit steht, beliebt ist und keine Probleme mitbringt. Vergleichen wir hier mal Diana und Prinz Andrew. Diana war extrem beliebt, hatte einen hohen Bekanntheitsgrad und brachte keine Probleme mit. Sie nutzte ihre Position, um eine Brücke zwischen dem Establishment und der normalen Bevölkerung zu schlagen. Sie umarmte AIDS-Patienten und Leprakranke, um der Welt zu zeigen, dass man diese Menschen nicht fürchten muss. Prinz Andrew hingegen ist – obwohl er ein komplett blaublütiges Mitglied der königlichen Familie ist – extrem unsympathisch und problematisch. Die meisten Wohltätigkeitsorganisationen würden wohl nicht mal mehr im Traum an eine Zusammenarbeit mit ihm denken. **Wer zum Teufel ist Piers Morgan und warum hasst er Meghan Markle? **Ich sage es mal so: Piers Morgan ist eine Bettwanze, die britischen Medien sind die Matratze, in der er lebt, und die Einschaltquoten sind das Blut, an dem er sich nährt. Angefangen hat er als Journalist für verschiedene Revolverblätter, später war er der Herausgeber der Boulevardzeitung News of the World und arbeitete während des Telefonhack-Skandals für die Daily Mirror. Er hat bei Britain’s Got Talent als Juror fungiert und schleimte sich bei jeder Gelegenheit bei Donald Trump ein – bis der bei der Präsidentschaftswahl 2020 den Kürzeren zog. Morgans aktuellster Job war Moderator bei Good Morning Britain, einer der beliebtesten Morgenshows im britischen Fernsehen. Aber eigentlich ist er da immer nur seiner Co-Moderatorin Susanna Reid und den Gästen ins Wort gefallen. Was man bei Piers Morgan wissen muss: Er braucht immer ein Thema, über das er sich aufregen und mit anderen Leuten streiten kann. Das bringt gute Einschaltquoten. Und die Produzenten schlachten Morgans krude Ansichten dann gnadenlos aus. Einmal war dieses Thema zum Beispiel Transmenschen. Zuletzt hat sich Morgan auf Meghan und Harry eingeschossen, er bezeichnete die beiden als die “verwöhntesten Gören überhaupt” und pushte die natürlich haltlose Verschwörungstheorie, dass der Austritt aus der königlichen Familie von der bösen amerikanischen Hexe Meghan eingefädelt worden sei. Als dann das Oprah-Interview ausgestrahlt wurde, war Morgan richtig sauer: Er sagte, dass er Meghan kein Wort glaube, und warf ihr vor, die ganze Geschichte mit der ausbleibenden Hilfe von Seite der königlichen Familie nur erfunden zu haben. Das alles gipfelte darin, dass Morgan – nachdem ein Morgenshow-Gast erwähnte, dass Meghan ihn seit ihrer Beziehung mit Harry “ghostet” (das behauptet Morgan) – wie ein wütendes Kleinkind aus dem Fernsehstudio stapfte. Es folgte ein Shitstorm und Morgan verkündete, die Sendung nicht mehr zu moderieren. Später schrieb er noch einen Tweet über Redefreiheit und verglich sich mit Winston Churchill. Sehr witzig. **Wird Alex Beresford, der smarte Wetteransager, der Piers Morgan live im Fernsehen angeprangert hat, jetzt befördert? **Ich drücke die Daumen. Folge Helen auf Instagram und VICE auf Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.
Helen Thomas and VICE Staff
[ "großbritannien", "Meghan Markle", "Monarchie", "Prinz Harry", "Queen Elisabeth" ]
Menschen
2021-03-12T12:09:53+00:00
2024-07-30T13:22:21+00:00
https://www.vice.com/de/article/harry-und-meghan-britische-konigsfamilie-erklart/
Make It Wearable | The Concepts: Pauline van Dongens Mode erzeugt Solarenerige
The Creators Project widmet sich in seiner neuen Serie The Concepts den sogenannten Wearables, tragbarer Technologie. Wir treffen verschiedene Experten, Künstler und Kreative und sprechen mit ihnen darüber, wie Wearables die menschliche Intelligenz erweitern, neue Kunstformen hervorbringen und wie sie sich die Zukunft tragbarer Technologie vorstellen. In Folge 4 treffen wir die niederländische Modedesignerin Pauline van Dongen in ihrem Studio in Arnheim. Sie entwirft Kleidungsstücke mit integrierten Stromkreisen und Solarzellen und weist der tragbaren Technologie so den Weg in eine modische und energieeffiziente Zukunft. Pauline startete 2010 nach ihrem Abschluss an der Academy of Arts ihre eigenes Label für Damenbekleidung. Fast fünf Jahre (und fünf Kollektionen) später steht sie an der Spitze einer Bewegung, die die Synthese zweier Industrien anstrebt, die unterschiedlich scheinen, aber gleichermaßen kreativ sind: Modedesign und Solarenergie.  „Solartechnologie entwickelt sich schnell und wird immer kleiner und flexibler“ erzählt van Dongen. „Damit ergeben sich natürlich neue Möglichkeiten für die Mode. Es gibt so viele Materialien da draußen in der Welt, die wir nicht auf effiziente Art und Weise nutzen. Textilien haben viele Eigenschaften, die andere Materialien nicht haben, wie die Flexibilität. Die Biegsamkeit. Da ist noch viel Potenzial nach oben.“ >> Make it wearable | The Concepts: Tragbarer Sound mit Richie Hawtin Auf ihrer Webseite beschreibt Pauline die Philosophie ihres Designs folgendermaßen: Es gibt nichts Natürliches in der Natur; Durch Technologie verleihen wir unserem Menschsein in unserer Umgebung Ausdruck. [sic] Der menschliche Lebensraum offenbart eine von Technologie geformte Struktur, die nicht länger hinter den Überresten einer natürlichen Welt versteckt werden kann. Als die junge Designerin zum ersten Mal auf Wearables traf, war ihr sofort klar, dass sie den perfekten Raum gefunden hatte, um ihre Ideen zu verwirklichen. „Tragbare Technologie ist in der Lage, verschiedene Industrien miteinander zu verknüpfen, die vorher keinen Bezug zueinander hatten. Ich stelle Kontakt zu Leuten aus der Solarenergiebranche her und wir schauen, wie wir für den anderen von Nutzen sein könnten, um unsere Idee von Mode voranzubringen und zu sehen, wie Mode in der Zukunft sein könnte.“ Eines von van Dongens aktuellen Kleidungsstücken ist in der Lage, innerhalb von zwei Stunden in der Sonne ein Smartphone vollständig aufzuladen. „Wir sind alle abhängig von unseren Smartphones und wollen, dass sie permanent laufen“, erklärt sie. „Unsere Kleidung haben wir immer dabei, wenn wir auch unser Smartphone dabei haben–es war also eine logische Schlussfolgerung beide zu verbinden. Man braucht so keine Batterie mehr. Es ist nachhaltig und man erzeugt durch die Kleidung seine eigene Energie.“ >> Make it wearable | The Concepts: Tragbarer Sound mit Richie Hawtin Ein Großteil von Paulines Arbeit zielt auf die Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Bekleidungsindustrie, die derzeit als zweitverschwenderischste überhaupt gilt. „Wir können uns nicht für immer auf Batterien verlassen“, warnt sie. „Wenn man bedenkt, wie schnell der Markt für tragbare Technologien wächst, brauchen wir eine etwas nachhaltigere Lösung.“ Der  Heilige Gral der nachhaltigen Solarmoden wären sicherlich in Garn und Wolle integrierte Solarzellen, erklärt sie. Dies würde es möglich machen, Energie zu speichern und den Transport am Körper unsichtbar zu machen. Es entstünde nachhaltige Kleidung aus Wolle, die von innen nach außen arbeitet.  Die Waschbarkeit der Textilien zu gewährleisten ist für van Dongen eine große Herausforderung. Aber sie sieht dies nur als Anlass, noch enger mit anderen Industrien zusammenzuarbeiten. „Die Integration von Technologie in Kleidung macht Mode wieder wertvoller für Leute, die ihre Kleidung längere Zeit tragen möchten. Tragbare Technologie macht die Modewelt für mehr Leute interessant und hilft uns, mit neuen Erfindungen das System besser zu machen.“ Van Dongen arbeitet bereits mit Unternehmen aus der Solarbranche, um „eingekapselte Solarzellen“ zu entwickeln, die es ermöglichen würden, die Kleidung einfacher zu waschen. Paulines Arbeit ist nur mit Leidenschaft und dauerhaftem Engagement möglich. Sie wird Einfluss auf eine Industrie ausüben, die ständig nach revolutionären Denkansätzen sucht, aber mit veralteten Modellen arbeitet. „Bei der Mode geht es immer um das Neue, die Industrie selbst aber ist seit Jahrzehnten dieselbe. Es ist wirklich Zeit, dass sich etwas ändert.“ Seht mehr von Pauline van Dongens Arbeiten auf ihrer Webseite: http://paulinevandongen.nl
The Creators Project
[ "Creators", "Design", "Fashion", "Mode", "Nachhaltigkeit", "Pauline Van Dongen", "Solarenergie", "Solarzellen", "the concepts", "Tragbare Technologie", "wearables" ]
Popkultur
2014-06-25T09:20:00+00:00
2024-07-31T04:25:01+00:00
https://www.vice.com/de/article/make-it-wearable-the-concepts-pauline-van-dongens-solarzellen-mode/
Bei uns könnt ihr das neue Foster The People-Album streamen
Die kalifornischen Sunnyboys Foster The People waren DIE Indie-Helden des Jahres 2011. Kaum ein Alternative-Radiosender der Welt, der „Pumped Up Kicks“ oder „Helena Beat“ nicht gespielt hat. Am Freitag erscheint das Zweitwerk Supermodel, das an den Erfolg anknüpfen dürfte.  Laut Bandleader Mark Foster ist die Platte ein Konzeptalbum, das sich mit der „ugly side of capitalism“ beschäftigt. Supermodel führt den Sound des Erstlings weiter, fügt ihm aber einige fast wütende Facetten hinzu. In Kombination mit dem immer noch fast süßlichen Gesang von Foster ergibt das eine Kombination, die nicht mehr so auf die Tanzfläche abzielt, aber immer noch sehr gefällt.  Streamt das komplette Album auf Noisey.
Noisey Staff
[ "Foster The People", "Noisey", "Premiere", "stream", "Vice Blog" ]
2014-03-12T09:19:00+00:00
2024-07-31T03:14:46+00:00
https://www.vice.com/de/article/streamt-das-neue-foster-the-people-album-exklusiv-bei-uns/
DJ Gloria Viagra—Berlins größte, bekannteste Drag Queen
Wenn du regelmäßig auf Partys in Berlin bist, stehen die Chancen gut, dass dir Gloria Viagra bereits über den Weg gelaufen ist. Wenn ja, wirst du dich auf jeden Fall daran erinnern. Die bekannteste Drag Queen der Stadt ist eine 1,95m—in Stilettos sogar über 2,10m—große Granate mit voluminösem Haar. Letzteres trägt sie entweder glatt oder als ein riesiges Durcheinander aus Locken samt eines charakteristischen und ebenso gut gepflegten Schnurrbarts. Du erkennst sie auf den ersten Block; manche Leute nennen sie sogar “das Empire State Building des Drag”. Gloria steht in den VIP-Schlangen der Clubs ganz vorne, hängt mit Punk-Ikone Nina Hagen ab und hat ihre letzten Geburtstage mit der berühmten New Yorker Drag Queen Sherry Vine und der Electropop-Musikerin Peaches gefeiert. Außerdem ist sie politische Aktivistin und Leadsängerin einer Queer-Rockband namens Squeezebox. Am wahrscheinlichsten ist es jedoch, dass du die glorreiche Miss Viagra hinter einem DJ Pult in den Himmel ragen siehst. Sei es in der Wilden Renate, im SchwuZ, im Klub International oder bei den sonntäglichen GMF-Queer Partys im Weekend, wo sie Resident ist. Als wir uns zum Kaffee treffen, ist Gloria kaum als die imposante Person zu erkennen, die sie im Club abgibt. Vor mir steht ein großer Typ, der eine Schiebermütze und enge Jeans sowie Unmengen an silbernen Ringen an seinen Fingern trägt. Seinen vollständigen Namen verraten wir auf eigenen Wunsch nicht, doch Berlins größte Drag Queen identifiziert sich im alltäglichen Leben als Mann namens Michel. Michel hat stechend blaue Augen, die perfektesten Augenbrauen, die du je gesehen hast, und natürlich diesen dichten Schnurrbart. Sein Hund Jamal liegt artig unter dem Tisch, während er erzählt, dass er gerade bei einer Anzuganprobe für die Hochzeit mit seinem langjährigen Partner war. Aufgeregt zeigt er mir das Schmuckstück aus rotem Samt auf seinem Handy. Drag Queen Viagra hat ein Talent dafür, dass andere sich wohlfühlen—sie ist irgendwie überlebensgroß, ohne eine Diva zu sein. Nachdem wir Espresso bestellt haben, fängt Michel an zu erzählen, wie alles begann. Foto mit Genehmigung der Künstlerin 1972 zog der fünfjährige Michel mit seiner Mutter aus Bernkastel-Kues—einer idyllischen Weinregion, die für ihre mittelalterlichen Kirchen und schönen Weinberge bekannt ist—nach Berlin. Für ein Kind, das bis dahin auf dem Land aufgewachsen war, war West Berlin mit seinen psychedelischen Rockkonzerten und politischen Unruhen eine Offenbarung. “Wir sind vor meinem Vater geflüchtet”, sagt er und verrät später, dass sein Vater gewalttätig gegenüber ihm und seiner Mutter war. “Meine Tante lebte [in Berlin]. Sie war sehr politisch. Selbst als kleine Kinder sind wir zu Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg gegangen. Aber das war halt Berlin—immer schon sehr politisch.” Michel lebte mit seiner Mutter in einer WG, sie ermutigte ihn laut eigener Aussage auch dazu, den Freak in sich auszuleben. “Meine Mutter war ein großer Fan von Romy Haag”, sagt er und grinst bei dieser Erwähnung einer weiteren Berliner Ikone, der extravaganten Transgender-Performerin, die in den späten 70ern mit David Bowie zusammen war. “Sie ging gerne in Romys Club, da die Männer dort alle schwul waren und sie nicht anmachten. Sie mochte den Glitzer, die Kleidung, die Shows und alles.” Musik war im Leben des jungen Mannes omnipräsent und das Radio in der Wohnung lief ununterbrochen. “Ich schätze, meine erste Platte, [die ich selbst kaufte], war irgendwas von Baccarat, irgendeine Disco-Sache. Vielleicht war es sogar ‘Sorry I’m a Lady’.” Diese Liebe zur Musik führte ihn letztendlich zum Ballet und ließ ihn von einer Opernkarriere träumen. Doch ein Meniskusriss machte alle Hoffnungen, Tänzer zu werden, zunichte. Stattdessen machte Michel eine Ausbildung zum Schneider und fand einen Job an der Deutschen Oper. Anfang der 90er küsste er das erste Mal einen Mann. Dieses Jahrzehnt verbrachte er auch damit, über Hinterhöfe zu Techno-Raves zu klettern und sich neue, wilde Ideen für Partys im subkulturellen Zentrum Kreuzberg auszudenken. Manchmal rasiere ich den Schnurrbart ab. Aber inzwischen fühlt sich das nicht richtig an. 1999 war Gloria geboren—damals allerdings noch als Ein-Frau-Shows als Gloria von Tunten und Blasen an. Den Namen Viagra legte sie sich erst bei einem Auftritt in Ibiza zu, kurz nach ihrem Durchbruch in der Szene. “Die Spanier konnten [den ursprünglichen Namen] einfach nicht aussprechen”, so Michel, also änderte er ihn zu Ehren der kleinen blauen Pille, die damals gerade auf den Markt gekommen war. Michel sagt, dass das Projekt durch die Liebe, auf der Bühne zu stehen, entstand, aber auch als Form von politischem Aktivismus. “[In den 90ern war] Drag in Berlin sehr queer, sehr politisch, und es gab eine gewisse Ironie”, erklärt er. “Dieses klassische Zeug mit Pailletten und Federn war nie unser Ding. Klassische Travestie war sogar irgendwie tabu. Das hat sich mittlerweile sehr geändert und dadurch, dass ich auf Reisen andere Stile sehe, versuche ich, meinen eigenen Weg zu finden. Meine Wurzeln in Berlin sind immer noch queer und politisch, aber ich habe sie mir auf meine Weise zu eigen gemacht.” In all den Jahren ist Gloria diesen Wurzeln treu geblieben, hat auf einem Event gegen Rassismus im Berghain aufgelegt oder für die Opfer der Finanzkrise und von AIDS demonstriert. Doch als Michel im Jahr 2000 als einer von Berlins ersten DJs in Drag auflegte, war er überrascht, welche Herausforderung es war, die Welten von Drag und DJing zu vereinen. “Eine Drag-DJ muss gut aussehen”, sagt er lachend. “Für eine DJ gilt generell aber, dass du noch vor der Technik, dem Mixen und alledem, in der Lage sein musst, den Raum zu fühlen und Leute herauszufordern. Es muss immer einen Flow geben. Drag-DJs versuchen die ganze Sache natürlich zu sehr auszureizen, versuchen zu unterhalten, in das Mikrofon zu labern. Ich gehe überhaupt nicht mehr ans Mikrofon. Ich hasse das. Für mich ist das wie in der Dorfdisco.” Das Dasein als Drag-DJ birgt allerdings seine ganz eigenen Tücken. Ob es nun darum geht, sich in Pumps über die Decks knien zu müssen oder darum, Kopfhörer zu tragen, ohne sich die Perücke vom Kopf zu reißen. “Gloria lässt ihre Haare kurz und sexy”, verrät Michel. “Es muss praktisch sein. Zum Auflegen sind lange Haare einfach scheiße; sie hängen in deinem Make-up oder in deinem Bart. Aber das ist eigentlich auch egal; ich finde Perfektionismus furchtbar.” Glorias Markenzeichen, der große, natürlich braune und dichte Schnurrbart, versinnbildlicht die unkonventionelle Herangehensweise des DJs an Drag. Anfangs gab es für den Schnurrbart einiges an Gegenwind, nicht nur im Nachtleben generell sondern auch in der queeren Szene. “Die Reaktionen waren zu dieser Zeit ziemlich furchtbar. Es gab Kommentare wie: ‘Oh, hast du vergessen, dich zu rasieren, oder was?’”, erinnert er sich. “Die Leute haben sich letztendlich daran gewöhnt. Mittlerweile ist es akzeptiert. Manchmal rasiere ich ihn ab, aber inzwischen fühlt sich das nicht richtig an.” Foto von Peter Dobias mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin. Heutzutage wird Viagra normalerweise nur noch gebucht, um in Drag aufzulegen. “Ich muss sagen, es fühlt sich sehr merkwürdig an, es ohne [die Frauenkleider] zu machen”, sagt er. “Ich habe das drei oder vier Mal gemacht und mich total nackt und ungeschützt gefühlt. Mit Drag fühle ich mich sicherer.” Viagra stimmt ihre Musikauswahl auf die Party ab. Im berühmten Berliner Sexclub KitKat funktionieren zum Beispiel alte Hits und R&B am besten. Andere Queer-Partys verlangen nach einem sehr deutschen Sound: Folk-Musik, Umpapa-Klänge oder sehr schlechtem Pop. Viagras Lieblingssound ist sanfter Electro. “Kein Bumm Bumm Bumm”, so Michel, “eher alte Klassiker aus dem Berghain-Garten, ein wenig Soul. Garten-Electro.” Michel ist vor Kurzem 50 geworden und sagt, dass er sieht, wie Glorias Position im Berliner Nachtleben sich verändert. “Als Drag Queen kann ich mir mich noch mit 70 auf einer Bühne vorstellen—aber als DJ, ich weiß nicht”, erklärt Michel. “Beim Auflegen geht es so viel ums Publikum, was sich immer weiter von dir entfernt, je älter du wirst. Ich spiele kein Justin Bieber, aber als ich es mal gespielt habe, war der ganze Dancefloor glücklich. Wenn du älter wirst, kannst du nicht mehr alles machen, egal ob Partylöwe oder nicht.” Michel findet auch, dass sich die Drag-Szene mit der Zeit verändert hat. “Drag ist nicht mehr so politisch, was Vor- und Nachteile hat”, sagt er. “Es gibt auch nicht mehr so einen starken Sinn für Solidarität oder Dankbarkeit gegenüber denen, die den Weg geebnet haben. Es gibt leider einen Trend, immer oberflächlicher zu werden. Es existiert noch eine Bewegung, die versucht, dieses [politische] Gewissen zurückzuerobern, aber ich vermisse das ein wenig.” Ein paar Tage nach unserem Treffen wird Michel eine Woche lang seine Hochzeit feiern; in typischer Gloria-Manier beinhalten die Festivitäten eine Privatparty für Freunde, Cocktails in der Panorama Bar (wo Michel und sein Mann sich vor sieben Jahren kennenlernten) und eine große Hochzeitsparty im SchwuZ, bei der DJs Electro, Pop und orientalische Beats spielen. Einige der Einnahmen der Party werden an Flüchtlingskinder gespendet, die im türkischen Izmir ankommen. Fürs Erste verschwindet er jedoch wieder in Berlin-Mitte, in Richtung der lebhaften Straßen der Stadt, die ihn geformt haben. “Ich habe immer gesagt, dass wir eines Tages den Preis für den Hype um Berlin zahlen müssen”, sagt Michel. “Aber obwohl ich die Welt bereist habe, habe ich keinen Ort gesehen, der so ähnlich ist.” Header: Foto mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin. Dieser Artikel ist ursprünglich bei THUMP erschienen. ** Folgt Noisey bei Facebook, Instagram und Twitter.
Barbara Woolsey
[ "Berlin", "dj", "do not use", "DRAG", "gay", "Gloria Viagra", "LGBT+", "Music", "Noisey", "Party", "queer", "SchwuZ" ]
2016-10-10T09:11:35+00:00
2024-07-30T21:36:34+00:00
https://www.vice.com/de/article/dj-gloria-viagraberlins-grosste-bekannteste-drag-queen/
Was passiert eigentlich in den Foren von &#8216;Standard&#8217; und &#8216;Krone&#8217;?
Collage von VICE Media “Danke ihr GRÜNwählenden Mädis. Ich hoffe sehr für euch, dass ihr nicht irgendwann so einem testerongesteuerten Mann über den Weg läuft. Dankt drann: die sind seit Monaten ohne ‘Liebe’……………” Das ist der erste von 2701 Kommentaren, der zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Artikels unter der Meldung zum Wahlergebnis der Bundespräsidentenwahl vom 4. Dezember auf krone.at zu sehen ist.  Sieht man sich die Community-Richtlinien an, sollte der Kommentar hier eigentlich nicht stehen, denn unter anderem seien auf krone.at sowohl in den Storykommentaren als auch im Forum “Provokationen jeglicher Art” verboten, heißt es im Regelwerk. Ein Begriff, der viel Spielraum lässt.  Unter einem vergleichbaren standard.at-Artikel zum Wahlergebnis finden sich 1694 Kommentare. Der erste, der angezeigt wird, beschäftigt sich mit der Frage, ob und warum Norbert Hofer seine Behinderung oftmals “versteckt”, zum Beispiel in TV-Auftritten im ORF. Mit dem Thema des Artikels hat der Kommentar nicht unbedingt zu tun, weshalb er laut den Community-Regeln von standard.at, die Themenbezug der Kommentare verlangen, theoretisch gelöscht worden sein sollte. Sowohl das standard.at– als auch das krone.at-Forum sind kleine Mikrokosmen und wohl zwei der wichtigsten Foren in der österreichischen Medienlandschaft, in denen sich Diskussionen abseits von Facebook abspielen—mit dem bedeutenden Unterschied, dass die Diskussionen hier moderiert, also Kommentare hier freigegeben und gelöscht werden, wenn sie den jeweiligen Community-Regeln nicht entsprechen.  Immer wieder wird auch international die Frage diskutiert, ob nicht nur die Kommentarfunktionen unter bestimmten Artikeln, sondern generell Foren von großen Medienanbietern deaktiviert werden sollten. Manche finden das Abdrehen fast schon antidemokratisch, andere halten es für das gute Recht eines jeden Mediums. Beispielsweise schloss das Wissenschaftsportal Popular Science seine Kommentarfunktion, nachdem eine Studie belegt hatte, dass sich negative Kommentare unter einem Artikel auch negativ auf die Wahrnehmung des Artikels auswirken. Auch auf VICE gibt es seit dem Redesign der Website im Dezember 2016 keine Kommentarfunktion mehr. Aber was passiert in diesen Foren eigentlich? Sind sie wichtig für den gesellschaftlichen Diskurs oder dank Facebook längst überflüssig?  Die meisten von uns wissen mittlerweile—nach zahlreichen medialen Debatten—was auf Facebook eigentlich passiert. Man weiß aufgrund des Filterblasen-Phänomens meist, welche Kommentare einen auf welcher Page und unter welchem Posting erwarten. Man weiß auch, dass Facebook in Hinblick auf Löschung von verhetzenden und anderweitig kritischen Inhalten mehr als lasch agiert. Aber wie geht es im krone.at– und standard.at-Forum zu? Worüber wird hier diskutiert, wer diskutiert und wie streng wird hier wirklich von den Community-Managern eingegriffen? Wir haben uns die beiden Foren näher angesehen und nachgefragt.  Laut Christian Burger, Leiter des Community Managements bei derstandard.at, beteiligen sich 1,3 Prozent der 2 Millionen Unique User des Online-Angebots vom Standard im Forum. Das macht 25.000 aktive Poster und 765.000 Postings monatlich. Laut Peter Zeilinger, Teamleiter Community bei krone.at, gebe es mehrere tausend aktive User pro Monat; die Anzahl der Kommentare würde stark nach aktuellen Themen variieren. Im November 2016 sei man in den Storykommentaren unter Artikeln, dem krone.at-Forum und den Social Media-Kanälen auf 450.000 Kommentare gekommen, so Zeilinger gegenüber VICE.  Sowohl für das standard.at-Forum als auch für das von krone.at gelten bestimmte Community-Regeln, die eine sachliche und respektvolle Diskussion sicherstellen sollen. Im Forum von standard.at müssen Kommentare zum Beispiel Themenbezug haben und relevante Aspekte des Textes ansprechen, respektvoll anderen Usern gegenüber, sachlich formuliert und rechtlich unbedenklich sein. Außerdem dürfen sie weder rassistische noch sexistische, frauenfeindliche, homophobe, antisemitische oder anderweitig menschenfeindliche Aussagen beinhalten, müssen verständlich formuliert und dürfen nicht doppeldeutig oder obszön sein.  Postings, die freigeschalten wurden, obwohl sie den Community-Regeln widersprechen, sollen von anderen Usern gemeldet werden. Gelöscht wird ein Posting meist dann, wenn es gegen die Richtlinien verstößt. “Es kommt aber durchaus vor, dass ein grenzwertiges Posting online bleibt, aber vom Moderator entsprechend kommentiert wird”, so Burger weiter.  Auch in der krone.at-Netiquette finden sich grundlegende Richtlinien, die rassistische Äußerungen, Rufschädigung oder pornografische Inhalte verbieten. Außerdem sind, wie schon eingangs erwähnt, “Provokationen jeglicher Art”, Propaganda für verfassungsfeindliche Organisationen und die Verherrlichung von Drogen und Straftaten verboten.  Auch die ständige Verwendung von Großbuchstaben und Emojis ist verboten, außerdem seien öffentliche Diskussionen über die Netiquette nicht gestattet. “Wir haben versucht, in den vorliegenden Punkten die grundlegenden Richtlinien unserer Community abzubilden, natürlich befinden sich gewisse Punkte im stetigen Wandel und werden mit der Zeit angepasst”, erklärt Zeilinger. Genauere Auskünfte zu den Hintergründen einzelner Richtlinien und was beispielsweise alles als “Provokation” gesehen werden kann, bekommen wir auf Nachfrage nicht.  Auf krone.at werden laut Peter Zeilinger an starken Tagen bis zu 15.000 Storykommentare verzeichnet, zusätzlich gibt es dann noch das krone.at-Forum. Die Relation von gelöschten und freigegebenen Kommentaren unterscheide sich je nach Thema: “Je nachdem, ob eine Story ’emotionalisiert’, bemerken wir eine größere Anzahl an Kommentaren und somit auch Löschungen. Auch sind da die verschiedenen Foren-Plattformen, die wir bedienen, sehr unterschiedlich. Wo bei den Storykommentaren eher pointiert Meinungen abgegeben werden, bieten wir in unserem Forum die Möglichkeit, ausführlicher über gewisse Aspekte zu diskutieren.” Auf derstandard.at wurden im Jahr 2016 5,06 Prozent der insgesamt 9,1 Millionen Postings gelöscht, so Burger auf Nachfrage. Die schlimmsten Kommentare seien gefährliche Drohungen gewesen. Diese würden auch zur Anzeige gebracht.  Um herauszufinden, wie in den beiden Foren unter Artikeln diskutiert wird, haben wir uns jeweils die ersten hundert Kommentare unter Artikeln zum selben Thema angesehen. Beim Durchlesen der ersten hundert Kommentare unter der Meldung des Ergebnisses der Bundespräsidentenwahl auf derstandard.at entsteht der Eindruck, dass größtenteils sachlich diskutiert wird. Verschwörungstheorien zur Wahl oder etwaige Beleidigungen sind nicht zu finden.  Ob alle Kommentare etwas mit dem Kern des Artikels zu tun haben, ist fraglich, jedoch bleibt auch bei dieser einen bestimmten Community-Regel viel Spielraum für Interpretationen. Ein Punkt der Community-Regeln von derstandard.at regelt die Sachlichkeit der Diskussion und legt fest, dass die im Forum geäußerten Meinungen sinnvoll untermauert sein müssen. Dennoch finden sich Kommentare wie “Sie könnten froh sein, wenigstens 10 Prozent von der Intelligenz von VdBellen zu haben, aber wirklich—im Ernst” auf der Seite.  Sieht man sich die ersten hundert Kommentare unter dem krone.at-Artikel zum Wahlsieg von Alexander van der Bellen an, findet man bereits auf der ersten Seite Kommentare, die ziemlich sicher als Provokationen durchgehen und auch Theorien zu Verschwörungen rund um die Wahl werden stehen gelassen. Außerdem findet man Kommentare, die sinngemäß ausdrücken, dass die Krone von nun an keine Horrormeldungen über Sexattacken mehr bringen solle, denn schließlich wolle man es ja nicht anders und außerdem stehe uns in Österreich ohnehin bald die Einführung der Kinderehe bevor. “Österreich wach auf!” Unter dem standard.at-Artikel zur Alt-Right-Versammlung nach Donald Trumps Wahlsieg stehen insgesamt 123 Kommentare, größtenteils mit kritischer und schockierter Tonalität. Es sind zwar auch hitzige Diskussionen zwischen Usern zu lesen, jedoch kommt es zu keinen Beleidigungen oder anderen untergriffigen Postings.  Unter dem krone.at-Artikel zum selben Thema finden sich 107 Kommentare, die sich weitaus vielfältiger gestalten. In den Kommentaren findet man so ziemlich alles von “Lügenpresse” bis “widerlich” und jede erdenkliche Nuance dazwischen. Verschwörungstheorien oder andere keineswegs untermauerte Äußerungen werden stehen gelassen.  Zur Meldung, dass Österreich im Jahr 2016 die viertmeisten Asylanträge in der EU hatte, gibt es auf derstandard.at 245 Kommentare. Schon im zweiten Kommentar ist die Rede davon, dass Österreich sich selbst zerstöre. Scrollt man durch die restlichen Kommentare, entsteht jedoch durchaus der Eindruck, dass hier sachlich diskutiert würde, ohne dass die Diskutanten sich beschimpfen oder anderweitig respektlos behandeln. Auch etwaige Gefühls- oder Unmutsäußerungen ohne Argumente findet man nur selten, einmal liest man das klassische “Danke Merkel”.  Die krone.at-Kommentare zum Thema sehen etwas anders aus. Hier findet man keine sachlichen Diskussionen. User sprechen beispielsweise davon, dass das “Deutsche” langsam ausgerottet werde und wir alle auf dem besten Weg seien, uns selbst abzuschaffen.  Der Standard verzeichnet jährlich 14.000 Stunden Moderationsaufwand, die sich auf 12 Mitarbeiter verteilen. Unterteilt wird in regulierende Moderation und aktivierende Moderation, die die Mitleser ansprechen und konstruktiven Beiträgen Aufmerksamkeit schenken soll. Regulierende Moderation bedeutet, dass die Moderatoren aktiv nachfragen und einzelne User ansprechen. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn ein Moderator auf einen User-Beitrag antwortet und fragt, was denn der erste Satz zum Inhalt des restlichen Postings beitrage.  Täglich beschäftigen sich zwei Moderatoren mit der Post-Moderation, so Burger. “Wir lesen Diskussionen mit und melden uns zu Wort—sowohl wenn Regeln verletzt werden als auch, und das immer mehr, um User zu aktivieren, nachzufragen und noch mehr interessante Aspekte in die Diskussion zu holen.” Das macht den Kern der oben angesprochenen aktivierenden Moderation aus. Das Community-Management-Team des Standard arbeitet außerdem nicht nur manuell, sondern nutzt zusätzlich eine Software zur Moderation.  Das Community-Management-Team von krone.at besteht aus 10 Personen, 7 davon arbeiten als Forenmanager. Diese Manager prämoderieren manuell—das bedeutet, die User-Kommentare werden ähnlich wie auf derstandard.at erst gelesen und anschließend freigeschalten. Aufgrund der großen Anzahl von Postings könnten jedoch auch Kommentare wie der eingangs genannte durchrutschen, so Zeilinger auf Nachfrage. Welche Kommentare letzten Endes gelöscht werden, liegt im Ermessen der Forenmanager.  Gegen eine generelle Schließung der Kommentarfunktion äußern sich sowohl Krone als auch Standard im Gespräch mit VICE. Zeilinger von krone.at meint dazu: “Wir versuchen grundsätzlich immer, die Kommentarfunktion ‘offen’ zu lassen, da wir die Meinungen unserer Leser sehr schätzen und wir auch eine Diskussion über tagesaktuelle Themen sehr wichtig finden.”  Christian Burger vom Standard sieht diese Entscheidung als Positionierung: “Obwohl es Zeiten gibt, in denen uns in der Moderation sehr viel abverlangt wird, sind wir bisher immer dabei geblieben, unser Forum als Diskussionsort offen zu halten. Damit positionieren wir uns bewusst anders als die meisten Medien, zum Beispiel Spiegel Online.” Wühlt man sich durch die Foren von krone.at und derstandard.at, wird einem schnell klar, dass man es hier mit zwei kleinen Facebook-Parallelwelten zu tun hat. Vor allem ist der Umgangston—vermutlich aufgrund der Tatsache, dass die Diskussionen moderiert werden—ein völlig anderer. Die Diskussionen laufen hier merklich sachlicher ab, wobei im krone.at-Forum doch ein eindeutig rauerer Ton herrscht als im Forum von derstandard.at.  Hier sieht der Journalismusforscher Fritz Hausjell einen der positivsten und wichtigsten Aspekte von derartigen Foren, wie er auf Nachfrage von VICE erzählt: “Je nachdem, wie sorgfältig die Foren von Onlinemedien moderiert werden, besteht die gesellschaftliche Bedeutung darin, eine digitale Kommunikationskultur abseits von Hate-Speech und anderen destruktiven Interaktionen weiterzuentwickeln.” Außerdem generieren die Medien anhand ihrer Foren und aufgrund des User-Engagements Traffic auf ihren Seiten, was die Foren wiederum medial relevant werden lässt, so Hausjell weiter. Dass Medien, die sich dazu entschließen, derartige Foren zu betreiben und mit großem Aufwand zu moderieren, dafür auch immer mehr Geld aufwenden müssen, steht außer Frage. Generell seien Foren wichtige Verhandlungsplätze für Kritik und können auch eine Ventilfunktion erfüllen: “Wenn jemand nach verrauchtem Grant und Ärger die Möglichkeit hat, seine heftigen Postings ein Stück zurückzunehmen, können Foren von Onlinemedien ein guter Ort dafür sein. So wie wir durch ein ‘sorry’ oder eine Relativierung des mitunter lautstark Gesagten das face-to-face ja auch immer wieder einmal schaffen—und dadurch das Klima entgiften.” Moderierte Foren von etablierten Online-Medien wie krone.at oder derstandard.at sind wichtig. Sie sind vielleicht der letzte Ort im Internet, an dem man andere nicht beschimpfen oder beleidigen und seinem Hass zumindest theoretisch nicht ohne Konsequenzen freien Lauf lassen darf. In solchen Foren geht es um Meinungsaustausch und das gegenseitige Verstehen. Das sind Dinge, die auf unseren restlichen Kommunikationsplattformen deutlich zu kurz kommen.  Wichtig ist nur, dass die Moderation funktioniert und das Augenmerk auf die richtigen Punkte gelegt wird—oder wie Hausjell sagt, sorgfältig moderiert wird. Das passiert sowohl bei auf krone.at als auch auf standard.at—mal mehr und mal weniger, denn auch, wenn immer wieder Kommentare stehen gelassen werden, die grenzwertig sind, sind sie im Vergleich zu Beiträgen in anderen Foren oder auf Facebook wohl mehr als harmlos. Und auch dadurch, dass die Einschätzung einzelner Kommentare im Ermessen des jeweiligen Community Managers liegt, kann es hier immer wieder zu unterschiedlicher Auslegung der Richtlinien kommen. Außer in Hinblick auf temporäre Schließungen auf Artikelbasis wäre es laut Hausjell ein großer Fehler, Foren zu schließen: “Eine Schließung treibt die Poster und Posterinnen in die Arme dubioser Forenanbieter. Klare Spielregeln, die für alle transparent gemacht und eingehalten werden, sind ein Segen für das Erreichen einen fairen, demokratischen Dabattenkultur.” Verena auf Twitter: @verenabgnr Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Verena Bogner
[ "Diskussionskultur", "Features", "Internet", "Kronen Zeitung", "Medien", "Österreich", "standard" ]
Popkultur
2017-01-18T03:00:00+00:00
2024-07-30T19:10:02+00:00
https://www.vice.com/de/article/foren-von-standard-und-krone/
Wie die AfD Lügen über London verbreitet
Es ist ein Skandal, den die AfD da aufgedeckt hat: Der Nachrichtensender CNN hat eine komplette Demonstration erfunden! Das Ganze ist am Tag nach dem Anschlag von London vom Samstag passiert: Plötzlich tauchte am Tatort nämlich eine Gruppe von Muslimen mit Blumen und selbstgemachten Schildern auf, um ihre Solidarität mit den Opfern zu demonstrieren. Oder stimmt das gar nicht? “Diese Demonstration fand nie statt”, verkündet die AfD in einem Facebook-Video. “Es handelt sich um gestellte Szene, die CNN gedreht haben soll”, erklärt der Begleittext, und dann auch gleich, wie das alles abgelaufen ist: “Ein ganzes Set wurde aufgebaut, die Statisten mit traditionell islamischer Kleidung ausgestattet. Schilder und Blumen lagen bereit, die augenscheinlichen Schauspieler wurden professionell platziert.” Als einzigen Beweis für diesen ungeheuerlichen Vorwurf führt die AfD an, dass einer der Demonstranten sowohl in den später von CNN veröffentlichten Fotos als auch in einem Handy-Video zu sehen ist, das jemand von derselben Szene gedreht hat. Was genau der Skandal sein soll, versteht man hier noch nicht so richtig – dafür muss man das Gerücht von der gefälschten Demo an seinen Ursprung verfolgen. Das Handy-Video stammt nämlich von einem Blogger, der zufällig dabei stand, als die kleine Gruppe von Muslimen sich vor den Kameras von CNN aufbaute, um ihre mit #turntolove und “Isis will lose” beschrifteten Schilder zu zeigen. In dem Video ist zu sehen, wie die CNN-Produzenten der Gruppe Anweisungen geben, wie sie sich aufstellen sollen, damit sie alle aufs Bild passen. Auf den ersten Blick sieht das Video auch tatsächlich so aus, als fände hier eine Inszenierung statt, bei der Polizei und Journalisten zusammenarbeiten, um die Demonstration in Szene zu setzen. Was daran stimmt: Die Kameraleute der CNN erklären den Demonstranten, wie sie sich hinstellen müssen, um ein gutes Bild abzugeben, und die Reporterin Becky Anderson wartet, bis die Demonstranten bereit sind, bevor sie die Szene anmoderiert. Das wirkt zwar auf Laien etwas künstlich, ist aber im Nachrichtenfernsehen normal. Die Presseabteilung von CNN hat später erklärt, dass diese Demonstranten von der Polizei durchgelassen wurden, damit sie den Medien ihre Plakate präsentieren konnten – genau dafür waren sie ja auch gekommen. Das bestätigt ein anderer Journalist vor Ort, den die FAZ nach den Umständen des Videos gefragt hat. Die Behauptung der AfD, die Demonstration habe nie stattgefunden und die Gruppe sei von der CNN beauftragt und ausgestattet worden, ist also offensichtlich frei erfunden. Warum die AfD sich solche Verschwörungen ausdenkt, liegt natürlich auf der Hand: Es erscheint ihr einfach immer noch glaubhafter als die Tatsache, dass echte Muslime auf eigene Faust das Bedürfnis haben könnten, ein Zeichen gegen den Terror zu setzen. Und das, obwohl das nach solchen Anschlägen immer wieder passiert. Dabei ist ziemlich klar, wessen Botschaft die AfD mit solchen Aktionen weiterträgt: die der Terroristen. Wer mit einem Transporter in eine Menge fährt und dann wahllos auf Menschen einsticht, will vor allem eins: ein Zeichen des Hasses setzen. Die Botschaft: Verschiedene Kulturen können nicht friedlich in einem Land zusammenleben, Nicht-Muslime müssen Angst vor Muslimen haben. Diese Botschaft hat die AfD gerne geglaubt. Als andere Muslime ein anderes Zeichen setzen wollten, konnte die Partei gar nicht schnell genug “Fake News!” schreien. Dabei sind sie es selbst, die Lügen verbreiten. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
VICE Staff
[ "AfD", "cnn", "demonstration", "London", "Muslime" ]
2017-06-06T10:59:27+00:00
2024-07-30T20:09:58+00:00
https://www.vice.com/de/article/wie-die-afd-lugen-uber-london-verbreitet
Schlimmstes Album des Monats: Deerhoof—‚La Isla Bonita‘
DeerhoofLa Isla BonitaAltin Village & Mine Ich kann nicht glauben, wie sehr ich diese Typen auf der Uni geliebt habe. Deerhoof ist eine dieser Bands, die unter „künstlerischer Freiheit” versteht, dass jedes Bandmitglied zu jeder Zeit tun und lassen kann, was er oder sie will (Man könnte das auch autistische Freiheit nennen). Der Sängerin steht es frei hoch-gepitchte Piepgeräusche zum Thema Pandas abzulassen und das Tourette vom Drummer macht es ihm unmöglich, etwas anderes zu tun, als sich sinnentleert an seinem Schlagzeug zu vergehen. Das Problem ist, sie sind alle so niedlich und unangepasst, dass keiner was über ihre schlechte Musik sagen will. Das wäre als würde man Tigger deepthroaten. Holt euch La Isla Bonita bei Amazon oder iTunes. ** Folgt Noisey bei Twitter und Facebook.
Bones Justice
[ "Deep Throat", "Deerhoof", "La Isla Bonita", "Music", "Noisey", "Noisey Blog", "Review", "Reviews" ]
2014-12-10T12:00:00+00:00
2024-07-31T03:03:58+00:00
https://www.vice.com/de/article/deerhoof-la-isla-bonita-review-669/
Die besten Kochbücher, die uns 2018 in die Hände gekommen sind
Jedes Jahr beschert uns der Herbst eine ganze Reihe an wunderschönen neuen Kochbüchern von renommierten Köchen und Köchinnen. Häufig ist das Essen auf den Hochglanzfotos dieser Werke so hübsch angerichtet, dass wir die Bücher lieber auf unserem Wohnzimmertisch zum Durchblättern liegen lassen würden, anstatt sie in der Küche beim Kochen versehentlich zu besudeln. 2018 bildet da keine Ausnahme: Viele unserer Lieblingsrestaurants, -Kochlöffelschwinger und -Food-Autorinnen haben dieses Jahr ein Buch veröffentlicht, das wir direkt verschlungen haben. Also sprichwörtlich. Aus diesem Berg an Literatur haben wir nun die besten Kochbücher des Jahres herausgepickt und in diesem Artikel zusammengetragen. Und glaubt uns, jedes dieser Werke ist eine Bereicherung für eure Kochbuchsammlung. Video: Kochen auf stürmischer See My third child and my first book, Bottom of the Pot – Persian Recipes and Stories, comes out in less than two weeks on September 18th! Please help spread the tahdig love! https://t.co/ICnMzqifbH pic.twitter.com/ucKgbUx8co Naz Deravian erzählt die Geschichte ihrer Reise vom Iran über Italien und Kanada bis nach Los Angeles, wo sie derzeit wohnt. Essen ist dabei der rote Faden, der sich durch die Geschichten rund um das Familienleben und den häuslichen Alltag zieht. Meine Lieblingsrezepte aus Bottom of the Pot? Tahchin (ein herzhafter Reiskuchen mit Berberitzen), Dschudsche Kabāb (Hühnchen und Safran!) sowie die ganzen Eintöpfe. Wenn du das Buch zum ersten Mal aufschlägst, kannst du die vielen Gewürze und Kräuter direkt riechen. – Farideh Sadeghin, kulinarische Leiterin bei MUNCHIES Ich würde wahrscheinlich eine gepfefferte Nachricht bekommen, wenn dieses Buch nicht in dieser Liste auftauchen würde. Und das zu Recht. Mattys Werk ist nämlich ein Kochbuch für herzhafte Kost, dessen Rezepte wirklich jeder nachkochen kann. Außerdem hat man beim Lesen direkt das Gefühl, dass irgendjemand in der Küche herumschreit. Typisch Matty eben. – John Martin, Publisher A post shared by Nancy Singleton Hachisu (@nancyhachisu) A post shared by Nancy Singleton Hachisu (@nancyhachisu) Japan: The Cookbook ist elegant, durchdacht und vollgepackt. In dem Buch wird die japanische Küche systematisch in ihre leckeren Einzelteile aufgeteilt: Suppen, Nudeln, Reisgerichte, eingelegtes Essen, Eintöpfe, Süßspeisen und Gemüse. Letztendlich findet man in dem Werk über 400 Rezepte sowie einen umfassenden Überblick über die Tradition des Kochens in Japan. – Ike Rofe, Produktionsleiter A post shared by Zahav (@zahavrestaurant) OK, ich empfehle hier ein Kochbuch, aus dem ich noch nichts nachgekocht habe, aber lasst mich erstmal ausreden. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass es in der US-Metropole Philadelphia die beste Gastroszene der Welt gibt. Diese Ansicht kann ich seit 2008 auch untermauern, denn damals hat Michael Solomonov dort sein Restaurant “Zahav” eröffnet. Dieses Jahr hat er zusammen mit Steven Cook das Kochbuch Israeli Soul veröffentlicht, eine Zusammenstellung klar gehaltener Rezepte für grundlegende israelische Gerichte inklusive einiger Zeilen zur kulturellen Geschichte sowie einem Guide für das beste Essen in Israel. Als ich das Buch in den Händen hielt, fing ich sofort an zu lesen – und zwar von der ersten Seite bis zur letzten, wie einen richtigen Roman. In Zeiten, in denen für ein Rezept oft nur Google geöffnet wird, kommt so ein Kochbuch wirklich super, das einen mal wieder richtig neugierig auf das Essen darin macht. – Hannah Keyser, Redakteurin A post shared by Molly DeCoudreaux (@mdecoudreaux) Dieses nützliche Kochbuch stammt aus der Schmiede des Messerladens Bernal Cutlery in San Francisco. Wie der Titel schon verrät, dreht sich darin alles um die Auswahl, die Pflege und den Gebrauch von hochwertigen Messern. Ich selbst habe mich viel zu lange mit diesen stumpfen Kackmessern abgegeben, die immer im 12er-Set daherkommen. Irgendwann habe ich dann endlich in einige wirklich gute Messer investiert. Und der Unterschied ist wirklich gewaltig. Mit Sharp bekommst du aber nicht nur einen nützlichen Guide zum Einstieg in die Welt der scharfen Klingen, sondern auch einige lecker klingende Rezepte von renommierten Köchen wie Traci Des Jardins oder Chris Kronner. – Hilary Pollack, leitende Redakteurin A post shared by Yasmin Khan (@yasminkhanstories) Die Food-Autorin Yasmin Khan ist durch Palästina gereist, um dort mit Leuten aus allen Schichten und Altersklassen zu kochen und so Material für ihr aktuelles Kochbuch zu sammeln. Gegenüber MUNCHIES sagte sie: “Dieses Projekt hatte alles. Es hat Spaß gemacht, war teilweise aber auch beängstigend und stressig. So ist der Alltag dort jedoch nun mal. Und ich wollte ja realitätsgetreu dokumentieren, was die Leute in dieser Region erleben. Deshalb erzähle ich ihre Geschichten.” Das lässt Zaitoun jetzt vielleicht nicht ganz so lecker wirken, aber das genaue Gegenteil ist der Fall. In dem Kochbuch wird alles abgedeckt, von den Olivenhainen in Burqin über im Vollmondlicht verspeiste Teller voller Moussaka bis hin zu schmackhaftem Sumach-Hühnchen. Und ihr wollt davon alles probieren, versprochen! – Phoebe Hurst, Redakteurin A post shared by MUNCHIES (@munchies) Ich weiß, ich weiß. Ich mache mit dieser Empfehlung schamlose Eigenwerbung. Aber jetzt mal ernsthaft, Leute, das hier ist das einzige Kochbuch, das Weed-Aficionadas und -Aficionados wirklich brauchen. Und da ich nicht an dieser großartigen und absolut erlesenen Publikation mitgewirkt habe, kann ich sie anpreisen, so viel ich will! Wir leben immer noch in einem freien Land – jedenfalls, wenn du irgendwo lebst, wo Gras legal ist.In diesem Buch steckt so viel Wissen über Cannabis und wie du dessen verschiedene Terpene und die unterschiedlichen Potenzen extrahieren kannst. Und das beste daran? Es ist so erklärt, dass es auch ein Cannabis Cuisine Noob wie ich schnallt. Bong Appétit schenkt dir und dem besonderen Stoner in deinem Leben die nötige Inspiration für selbstgekochte Gerichte – mit oder ohne Gras. Aber es bringt dir auch die Welt der positiven und geschmackvollen Eigenschaften von Cannabis näher und hilft so dabei, den schlechten Ruf von Weed ein für alle mal zu eliminieren. – Katinka Oppeck, Redakteurin A post shared by Julia Turshen (@turshen) Ich bin immer wieder davon überwältigt, was für ein durch und durch guter Mensch Julia Turshen zu sein scheint. Nach der US-Wahl 2016 veröffentlichte sie im Handumdrehen Feed the Resistance, ein Buch voller protestinspirierter Gerichte von denjenigen, die an vorderster Front für Gerechtigkeit kämpfen und gekämpft haben. Die Einnahmen kamen der Wohltätigkeitsorganisation ACLU zugute. Ich habe allen Freunden eins zu Weihnachten geschenkt. Turshen half außerdem dabei, Equity At The Table (EATT) ins Leben zu rufen, eine Datenbank mit Frauen, nicht-Weißen und LGTBQ-Personen im professionellen Restaurant- und Gastronomieumfeld, die dabei helfen soll, in Küchen, Kochbuchverlagen und Medien die Diversität unserer Welt widerzuspiegeln. Ich folge ihr auf Instagram und mich inspiriert ihre Hingabe, mit der sie regelmäßig ehrenamtlich in ihrer lokalen Suppenküche in Upstate New York aushilft. Ihr neustes Buch, Now & Again, beeindruckt ähnlich durch ihren unbedingten Willen, das Meiste aus jedem Gramm Lebensmittel in der heimischen Küche rauszuholen. Als überzeugte Geizhälsin fühle ich mich natürlich sofort angesprochen von der versprochenen Resteverwertung. Die Tatsache, dass diesen Reste-Ideen allerdings Dinnerpartys oder Festtagsessen vorausgegangen sein müssen, macht das Ganze noch praktischer für mich. Immerhin liebe ich es, Menschen zu ausschweifenden Essen einzuladen. Dieses Buch ist es für Köche, die nicht viel Wert darauf legen, irgendwas besonders Hübsches oder Exklusives zu zaubern. Es ist für Menschen, die andere satt machen wollen. – Danielle Wayda, Redaktionsassistentin Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das Zeug dazu hätte, eine Apokalypse zu überleben. Ich dürfte wohl zum zweiten Drittel der Menschen zu gehören, die an die Wand gestellt werden, wenn es soweit ist. Aber genau deswegen liebe ich Joe Beef: Surviving the Apocalypse wahrscheinlich auch so sehr. Das zweite Buch des in Montreal lebenden Teams ist eine Ode an die großen Weiten der Wildnis und an rustikale und unprätentiöse Leckereien. Außerdem enthält es Grundlagen für alle Dinge, die du brauchst oder zumindest haben willst, wenn die Welt um dich herum zusammenbricht. Die Rezepte bewegen sich von unfassbar unpraktisch bis lediglich etwas unpraktisch. Die Texte sind durchsetzt mit der Joe-Beef-typischen Ironie. Falls ihr mich sucht, wenn die Kacke am Dampfen ist: ich hocke in meinem Bunker und esse eine Schüssel Fischsalat mit kunstvoll arrangiertem Stör und dekorativen Brandteigschwänen. – Rupa Bhattacharya, Chefredakteurin Dieser Artikel ist zuerst bei MUNCHIES US erschienen. Folge MUNCHIES auf Facebook und Instagram.
Munchies Staff
[ "Best Of", "Cannabis", "Drogen", "Essen", "Food", "israel", "japan", "Kochbuch", "Kochen", "Marihuana", "Matty Matheson", "Messer", "Munchies", "Rezept", "rezepte" ]
Food
2018-12-26T05:00:00+00:00
2024-07-30T19:04:48+00:00
https://www.vice.com/de/article/die-besten-kochbuecher-des-jahres-2018-kochen-best-of-rezepte/
Ein Besucher des Rock in Vienna ist letzte Nacht ertrunken
Das Rock in Vienna ist vergangenes Wochenende zum zweiten Mal über die Bühne gegangen und eigentlich sollte man hoffen, dass die Unterbrechung des Festivals am Sonntag der einzige Grund war, warum das Festival nicht perfekt ablief. Leider hat sich heute herausgestellt, dass in der Nacht ein Besucher des Festivals und ein weiterer Mann in der Neuen Donau ertrunken sind. Bei dem Besucher des Festivals soll es sich laut Presseaussendung der Polizei um einen 47-jährigen Schweden handeln. Laut Angaben seiner Freundin wollten sie in der Donau baden gehen. Der Mann wurde ins Krankenhaus gebracht, ist aber in der Nacht auf Montag verstorben. Am selben Abend konnte auch ein 19-jähriger somalischer Asylwerber nur noch bewusstlos aus dem Gewässer geborgen werden und starb wenig später ebenfalls im Krankenhaus, wie aus einer weiteren Presseaussendung zu lesen ist. Laut dem Pressesprecher der Polizei, Patrick Maierhofer, haben die beiden Vorfälle nichts miteinander zu tun. Oe24 schreibt, dass der der Schwede alkoholisiert gewesen sein soll. Wie so oft wirft sich die Frage auf, ob solche Fälle bei Festivals vermieden werden können und wie Festivals damit umgehen. Der Veranstalter des Rock In Vienna war leider nicht erreichbar, wir werden euch aber am Laufenden halten. ** Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.
Noisey Staff
[ "Donauinsel", "Features", "Music", "Noisey", "Noisey Blog", "rock in vienna" ]
2016-06-06T10:04:00+00:00
2024-07-30T21:22:31+00:00
https://www.vice.com/de/article/rock-in-vienna-todesfall/
Arsène Wenger fordert Fans auf, so wie die Tottenham-Anhänger zu sein
Arsène Wenger, Arsenal-Trainer seit fast immer schon, muss in London mal wieder unruhige Zeiten überstehen. Und wieder lautet der Vorwurf: Wenger habe zu wenig in Transfers investiert, die Meisterschaft sei schon jetzt nicht mehr möglich und außerdem kenne nach 20 Jahren seiner Amtszeit jeder, aber auch jeder Verein die Spielweise der Londoner. Soweit nichts Neues. Nun hat der „Professor” allerdings einen Satz gesagt, der viele eh schon verstimmte Fans vollends auf die Palme bringen dürfte. Auf den schwindenden Zuschauer-Ansturm angesprochen, forderte Wenger in der Pressekonferenz vor dem kommenden Heimspiel gegen Hull City von der eigenen Anhängerschaft, sich an den Spurs-Fans ein Beispiel zu nehmen. An Tottenham-Hotspurs-Fans wohlgemerkt, den größten Rivalen Arsenals. „You have Tottenham, everyone is behind their team, we need to do the same”, erklärte er und wollte damit wohl lediglich seinen Wunsch nach mehr Unterstützung und mehr Liebe äußern. Auch wenn die Aussage harmlos daherkommt: 1. Kann man nicht einfordern, dass die Fans alles schlucken, wenn Verein, Trainer und Mannschaft sich seit Jahren nicht entwickeln. 2. Man lobt nicht völlig aus dem Kontext die Fans des größten Rivalen. Bei einer Niederlage gegen Hull City am Samstag, dürfte folgender Disstrack „Wenger-Out” noch einige Klicks dazubekommen …
VICE Sports
[ "Arsene Wenger", "fc arsenal", "Fußball", "London", "North London", "premier league", "rivals", "Sports", "tottenham hotspurs", "VICE Sports" ]
2017-02-10T10:15:00+00:00
2024-07-30T19:48:33+00:00
https://www.vice.com/de/article/arsne-wenger-fordert-fans-auf-so-wie-die-tottenham-anhnger-zu-sein/
Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Attentat
Wenn man erstmal jahrelang im Gefängnis sitzt, hat man sehr viel Zeit über seine Taten nachzudenken. Allerdings kann man diese Gelegenheit auch produktiver nutzen und Dinge basteln, die einem den Aufenthalt hinter Gittern versüßen oder einem den Ausbruch ermöglichen. Dabei kann man sich aus Krimskrams, den man sich im Laufe der Zeit zusammenhamstert, den unglaublichsten Knastkrams basteln. Das meiste davon erfordert ein hohes Maß an Kreativität und Flexibilität, da man im Knast natürlich nicht immer die richtigen Materialien zur Hand hat. Also muss man sich natürlich etwas einfallen lassen. Die Ganoven aus der JVA Hamburg-Fuhlsbüttel („Santa Fu genannt“), zum Beispiel bauten sich Ende der 80er aus Teilen eines Radiorekordes einen funktionierenden Abhörsender, um Dienstzellen zu verwanzen. Zwei Inhaftierte aus der JVA Celle hingegen haben sich damals lieber einen Schussapparat gefertigt, den sie auf ihrer Flucht benutzen wollten. Der Fotograf Marc Steinmetz hat diese und andere bemerkenswerte Objekte von Insassen verschiedener Justizvollzugsanstalten von den 70er bis 90er Jahren für seine Fotoserie „Fluchtstücke“ abgelichtet, die wir euch jetzt hier präsentieren möchten. VICE: Wie sind Sie zu diesem Projekt gekommen? Der Schlüssel dazu war ein Schlüssel. Über den war ich eines Tages im Spiegel gestolpert, als er in einem Artikel über Strafvollzug erwähnt wurde. Ein Häftling hatte den Dietrich aus dem Kunststoff einer Klobrille geschnitzt oder gefeilt. Das machte mich neugierig, und ich begann zu recherchieren, was sich Häftlinge noch alles einfallen lassen. Die haben ja alle Zeit der Welt, um ihre Kreativität und ihre technischen Fähigkeiten auszuleben. Ausgerechnet dieses Initialartefakt durfte ich dann leider nicht fotografieren. Aus Sicherheitsgründen. Die Gefängnisleitung hatte tatsächlich Angst, dass die Veröffentlichung einer Abbildung dieses primitiven Werkzeugs die Sicherheit einer großen JVA gefährden könnte. Was sagt uns das über Sicherheit und technischen Standard dieser Anstalt? Welche Waffe oder Fluchtwerkzeug fanden Sie besonders eindrucksvoll? Die doppelläufige Schrotflinte und den Mauerhaken. Aber vor allem die Wanze hat mich fasziniert. Dass Häftlinge in der Lage sind, heimlich elektronisches Überwachungsgerät zu bauen und in der Wachstube zu installieren, um auf Zellenrazzien vorbereitet zu sein, hätte ich nie vermutet. Ich warte noch darauf, dass ein Hollywood-Ausbrecherfilm diese Idee aufgreift. Wie haben Sie die Fluchtstücke gefunden? Klassische Recherchearbeit, viele Telefonate und Faxe. Ich brauchte zunächst grünes Licht von der übergeordneten Justizbehörde, und danach waren die JVAs meist sehr kooperativ. Einige haben kleine, inoffizielle Sammlungen solcher Artefakte angelegt, die sie mir bereitwillig gezeigt haben. Waren Sie selbst schonmal inhaftiert? Wer ist schon frei? Aber im Knast? Nein, nie. Sind Gefängnisse, Ihrer Meinung nach, tatsächlich sicherer geworden oder kann man heute noch einfach ausbrechen, wenn man clever genug ist? Es ist sicher nicht zu bestreiten, dass aufgrund vieler Erfahrungen und technischen Fortschritts die Knäste generell sicherer geworden sind. Aber, wie heißt es so schön in „Jurassic Park“: Die Natur findet immer einen Weg! Es ist ja keine ganz neue Erkenntnis, dass es niemals absolute Sicherheit gibt, gerade in lebendigen Systemen. Zwar haben Überwachungstechnologie, hohe Mauern, verbesserte Kontrollen usw. Ausbrüche erschwert und viele Fluchtversuche vereitelt. Der menschliche Faktor allerdings wird sich nie eliminieren lassen, und Eigenschaften wie Kreativität, Gewalttätigkeit oder Korruption werden selbst im sichersten Gefängnis dazu führen, dass auch in Zukunft Menschen die Flucht gelingt. Bloß, mit der Säge im Kuchen und einem Seil aus Bettlaken wird man nicht mehr weit kommen. Man muss sich schon etwas Schlaueres einfallen lassen. Wie würden Sie aus einem Gefängnis ausbrechen? Meine Strategie: Gar nicht erst hineinzugeraten. Und wenn ich doch mal drin wäre, wäre meine Flucht vielleicht eher eine innere. Zum Ins-Gefängnis-gehen und zum Ausbrechen fehlt mir die kriminelle Energie. Im Gegensatz zu mir würden einige der Urheber meiner „Fluchtstücke“ wohl über Leichen gehen bei einer Flucht. Der gewaltfreie, minutiös ausgeklügelte Plan à la „Flucht von Alcatraz“ wäre eher mein Ding.
Marc Steinmetz
[ "Foto", "Fotos", "Gefängnis", "Photo", "Vice Blog", "waffen" ]
2011-10-27T14:26:00+00:00
2024-07-31T07:22:04+00:00
https://www.vice.com/de/article/kommt-zeit-kommt-rat-kommt-attentat/
Druck von Politikern und Neonazis – ZDF sagt Konzert von Feine Sahne Fischfilet in Dessau ab
Das ZDF hat ein für den 6. November geplantes Konzert mit Feine Sahne Fischfilet abgesagt. Grund dafür sind offenbar sowohl Kritik der AfD und der CDU, vor allem aber des Bauhaus Dessau, in dem die Veranstaltung stattfinden sollte. Dieses hat von seinem Hausrecht gebrauch gemacht und das Konzert gegenüber dem ZDF schriftlich untersagt. So weit so unglaublich. Aber es wird noch viel besser. Als Grund für die Absage nannte das Bauhaus nämlich die Tatsache, dass Rechtsradikale zu dem Konzert mobilisieren. Man wolle nicht “zum Austragungsort politischer Agitation und Aggression werden”. Heißt im Klartext: Da Neonazis vorhaben, ein Konzert zu stören, sagen wir das Konzert einfach mal vorsorglich ab. Einen solchen Offenbarungseid hat es lange nicht gegeben. Zuvor hatten bereits verschiedene Politiker versucht, mit den immer gleichen Parolen das Konzert zu verhindern. “Es ist ein Skandal, dass ein von Zwangsabgaben finanzierter und zur Ausgewogenheit verpflichteter öffentlich-rechtlicher Sender einer linksextremistischen Band ein solches Forum bietet”, erklärte etwa der AfD-Bundestagsabgeordnete Andreas Mrosek. Als Begründung für den angeblichen “Linksextremismus” von Feine Sahne Fischfilet, wird von Gegnern der Band die ehemalige Beobachtung durch den Landesverfassungsschutz ins Feld geführt. Aber erstens gehört diese Beobachtung eben der Vergangenheit an und zweitens war sie auch damals schon mehr als hanebüchen, schließlich ging es dem Verfassungsschutz hauptsächlich um die antifaschistischen Texte der Gruppe. “Die Einladung der Band ist schwer bis nicht nachvollziehbar”, polterte dann allerdings auch der Regierungssprecher Sachsen-Anhalts, Matthias Schuppe von der CDU. Seine Partei hat allerdings kein Problem damit, Songs der Toten Hosen für den Wahlkampf zu nutzen, die auf der aktuellen Tour übrigens Feine Sahne als Vorband engagierten und zusammen mit Sänger Jan “Monchi” Gorkow & Co das #wirsindmehr-Konzert in Chemnitz spielten. Textlich nehmen sich beide Bands bekanntlich auch nicht viel, wenn es um “links-grün-versiffte” Statements geht. Das ZDF erklärte, dass die Sender-Verantwortlichen die “Entscheidung mit Bedauern zur Kenntnis nehmen”. Nun sucht man offenbar nach einem neuen Veranstaltungsort. Dabei wäre das einzig konsequente doch eine Absage der gesamten Veranstaltung, schließlich findet das Konzert anlässlich des 100. Bauhaus-Jubiläums statt. Das Jubiläum eines Hauses feiern, welches nicht bereit ist, etwas Druck von pöbelnden Neonazis stand zu halten und dem Veranstalter vorschreibt, wer eingeladen wird? Das hat dann doch einen etwas faden Beigeschmack. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Sebastian Striegel, sieht das ähnlich und erklärte gegenüber dem Spiegel: “Wenn Rechte eine Gefahr sind, dann muss man deren Aufmarsch verbieten – und nicht das Konzert.” Und schob in Anlehnung an einen Song der Band nach: “Ich baue darauf, dass in Sachen Kunstfreiheit Sachsen-Anhalt ‘noch nicht komplett im Arsch’ ist.” Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass in Sachsen-Anhalt AfD und CDU Händchen halten. Im August 2017 hatte die mitregierende CDU einen Antrag der AfD unterstützt, woraufhin eine Kommission zur Untersuchung von Linksextremismus eingesetzt wurde. Bisher gibt es von der Band selbst noch keine Stellungnahme. Wir updaten die Story, sobald es Neuigkeiten gibt. ** Mehr zum Thema: Folge Noisey auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Julius Wußmann and Juri Sternburg
[ "AfD", "Bauhaus", "CDU", "Dessau", "Feine Sahne Fischfilet", "Konzert", "monchi", "Music", "Noisey", "Noisey News", "Punk", "zdf" ]
2018-10-19T09:32:51+00:00
2024-07-30T18:57:35+00:00
https://www.vice.com/de/article/zdf-konzert-absage-feine-sahne-fischfilet-dessau-bauhaus-neonazis-politik-rechtsextreme/
Wie es ist, das Kind einer Sexarbeiterin zu sein
Ich erinnere mich zurück in die Schulzeit, andere Kinder erzählten stolz von den Berufen ihrer Eltern. Ärzte, Rechtsanwältinnen und Friseure. Meine Mama ist in der Pflege tätig. Zumindest habe ich das lange Zeit geglaubt. Zweifeln musste ich nie, ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen: In einem besonders tollen Pflegeheim, in dem meine Mutter zeitweise gearbeitet hat, durfte ich mit meinen Geschwistern im Schwimmbad plantschen. Manchmal habe ich sie zu den Bewohnern aufs Zimmer begleitet, die mir dann Schokolade oder Bonbons zugesteckt haben. Es gab Phasen, da hat meine Mutter wirklich und ausschließlich als Pflegerin gearbeitet. Aber es gab eben auch Phasen, in denen sie als Sexarbeiterin gearbeitet hat – nur das bekam ich damals nicht mit. Zuhause war sie immer einfach nur Mutter von drei Kindern. Es lag kein Sexspielzeug in der Wohnung, es kamen nie mysteriöse fremde Männer zu Besuch, es rannte niemand nackt durch die Wohnung. Selbst als Teenager, wenn ich abends meine jüngeren Geschwister Babysitten musste, war ich überzeugt davon, dass meine Mama einfach im Kino oder ausgegangen ist. Es war ja nur Mama, die schick angezogen und hübsch hergerichtet das Haus verließ. Manchmal war es auch einfach nur das. Und manchmal ging sie arbeiten. Welches Kind kann Sexuelles überhaupt richtig einordnen? Im Wohnzimmer meiner Eltern war ein sonderbares Holzkreuz wie ein X an die Wand montiert. Für mich war es einfach Deko. Nur die Befestigungshaken im Holz fand ich nicht so schön. Wozu waren die da? Im Flur hingen sonderbare Bilder: nackte Frauenrücken, vor denen Hände mit Seilen gefesselt waren, oder Frauenpos, auf denen eine Peitsche ruht. Für die meisten Kinder sind ihre Eltern Menschen ohne Sexualität – bis sie eines nachts ins Elternschlafzimmer platzen, weil sie glauben, unter ihrem eigenen Bett lebe ein Monster. Dass Eltern auch Sex haben, merken sie dann, wenn sie selbst anfangen, sich dafür zu interessieren. Bei mir war das anders. Ich saß manchmal heimlich an Mamas Computer, da war ich vielleicht 12 Jahre alt, und stöberte herum. Dabei bin ich bin auf die Online-Sexportale meiner Mutter gestoßen. Verlauf löschen, ausloggen oder zumindest den Browser schließen, kennt sie nicht. Ein Albtraum für jeden Datenschutzbeauftragten. Schon bevor ich wusste, dass meine Mutter als Sexworkerin arbeitet, war mir also klar, dass sie ihre Sexualität offen auslebt. Sie geht gerne zu Swinger-Stammtischen und in Swingerclubs. So habe ich es zumindest auf ihren diversen Profilen gelesen. Irgendwann wurde mir klar, wozu sie das Andreaskreuz braucht. Darauf angesprochen hätte ich sie aber niemals. Wir hatten nie eine besonders enge Mutter-Tochter-Beziehung, da ich eines dieser Kinder war, das ständig gegen ihre Eltern rebellierten. Über Sexualität hätte ich niemals mit ihr sprechen wollen. Ich war 15, als ich mit meinem ersten Freund zusammenkam. Meine Mama machte einen Termin beim Frauenarzt, um mir die Pille verschreiben zu lassen. Sie saß neben mir, hörte zu, wie ich mit hochrotem Kopf Fragen zu meiner Periode und meiner Jungfräulichkeit beantwortete. Ich selbst hatte keine Fragen, und auf diesen Stuhl wollte ich auch nicht. Sie hatte allerdings gar keine Beklemmungen. Also untersuchte der Arzt meine Mutter, die auch einen Termin hatte, und ich sah zu. Den Anblick meiner Mutter, mit gespreizten Beinen auf dem Gynäkologenstuhl, werde ich niemals vergessen. Erstens, habe ich davor noch nie eine andere Vagina so nah vor mir gesehen. Zweitens: HALLO, es ist meine MUTTER. Das Schöne war, dass ich nie Druck hatte: Druck keinen Sex zu haben, oder hetero sein zu müssen. Ich habe früh gemerkt, dass ich Männer und Frauen attraktiv finde. Aber auch bei sexuell offenen Eltern knallt man das nicht einfach so auf den Tisch – weil es eben Eltern sind. Als ich 17 war, zerstritt ich mich heftig mit meiner Familie. Den Kontakt zu meiner Mutter habe ich komplett abgebrochen. Sie zog mit meinen Brüdern und meinem Stiefvater ins Ausland. Zufällig fand ich zwei Jahre später meinen Studienplatz in derselben Stadt. Zur Geburtstagsfeier eines Freundes hielten meine Freunde und ich es für eine superoriginelle Idee, eine Stripperin zu engagieren. Ich übernahm die Organisation. Auf einem Portal auf dem sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, begann ich zu suchen. Ich scrollte durch die Profile. Auf Seite drei fand ich meine Mutter. Auf Ihrem Profilfoto räkelt sie sich mit einem roten Negligé bekleidet und in Strapsen auf einem Sofa. Ich klickte weiter. Das nächste Bild zeigt sie in einer schwarzen Corsage mit einem schwarzen Slip, die Hände vor ihrem Körper mit einem Seil gefesselt. Demütig kniete sie da. Ich klickte weiter und fand ein Bild, das nur ihre Brüste zeigt, die Nippel in Wäscheklammern geklemmt. “Leidenschaftliche Hobbyhure”, stand darunter. Ich war nicht wirklich geschockt. Ich glaube, weil ich schon wusste, in welcher sexuellen Richtung meine Mutter unterwegs ist. Natürlich lief sie zu Hause nicht in Dessous und Strapsen herum, oder wedelte mit Dildos um sich. Aber dass sie auf BDSM steht und diese Neigung auslebt, wusste ich schon. Überrascht hat mich nur, meine eigene Mutter auf einer Website zu entdecken, die sexuelle Dienstleistungen anbietet. Warum verkauft sie sich für Sex? Hatte sie Geldprobleme? Macht sie es deshalb? Ich las ihre Vorlieben und Tabus, scannte Kommentare und Bewertungen von Freiern, die sich für die tollen und geilen Stunden bedankten. Ich klickte mich durch Bilder, die man als Kind von seiner Mutter eigentlich nicht sehen möchte. Ich stellte mir vor, wie meine Mutter pornolike an Gangbangs oder Bukkake-Partys teilnimmt. Über Facebook fanden meine Mutter und ich ein Jahr später, nach knapp drei Jahren, wieder Kontakt zueinander. Die verstrichene Zeit hat mich reifen lassen. Meine Teenager-Trotzhaltung hatte ich abgelegt. Mama war nicht mehr Staatsfeind Nummer eins für mich. Einige Treffen und Gespräche später habe ich mich meiner Mutter näher gefühlt, als je zuvor. Das gab mir die Sicherheit und das Selbstbewusstsein, um sie zu fragen, was sie beruflich macht. Wir waren auf dem Weg zum Einkaufen, zu Fuß. “Mama, wo arbeitest du jetzt eigentlich?”, fragte ich. Sie grinste komplizenhaft, als ob sie wüsste, dass ich ihr Geheimnis kenne. “Hat die Oma dir das nicht schon erzählt?”, fragte sie. “Nein,” log ich sie an. Sie sollte nicht wissen, dass ich online bereits alles herausgefunden hatte. Die wenigen Sekunden Pause zwischen meinem “Nein” und ihrer Antwort darauf, kamen mir ewig vor. Ich war unglaublich angespannt. Sie begann zu erzählen: davon, dass sie als Sexworkerin arbeitet, und dass es ihr Spaß macht. Weil sie eben gerne mit Menschen arbeitet, sagt sie. Mit einer Freundin hat sie eine kleine Arbeitswohnung. Dort trifft sie sich mit ihren Freiern. Je mehr ich über die Arbeit meiner Mutter erfahre, desto mehr bewundere ich sie. Nein, ich selbst möchte diesen Weg nicht einschlagen. Aber Sexworker leisten einen Dienst für die Gesellschaft. Menschen mit Behinderung, alte Menschen, einsame Menschen, die wir von Zärtlichkeiten und Zweisamkeit ausschließen, bekommen von meiner Mutter das, was sie brauchen. Meine Mutter hat nicht nur Sex mit den Männern. Manchmal wollen sie nur gehalten werden oder wollen jemanden, der zuhört und der sie ernst nimmt. Daher werde ich mich keinen Tag meines Lebens dafür schämen, dass meine Mama als Sexarbeiterin tätig ist. Ich bin verdammt stolz. Kein Sexarbeiter-Kind muss sich für seine Eltern schämen. Zu meiner Mama habe ich heute eine viel intimere Beziehung als früher. Ich kann sie jederzeit fragen, warum ich beim Analsex Schmerzen habe, oder wie mein Freund wieder einen hochbekommt. Nach Stories über Freier muss ich gar nicht fragen. Für uns ist es normal geworden, einfach darauf los zu quatschen, egal worum es geht. Ihren Geschichten über Freier könnte ich stundenlang lauschen. Der Witwer, der seine Frau verloren hat und mit dem sie erst mal Kaffee trinkt und quatscht, bevor sie ihn in der Badewanne anpinkeln soll. Der Typ, der Kastrationsfantasien hat, und sich unbedingt den Schwanz amputieren lassen will. Oder der Spinner, der nachts anruft und ins Telefon stöhnt. Als ich kurzfristig eine Übernachtungsmöglichkeit in einer anderen Stadt gesucht habe, hat meine Mutter das möglich gemacht: Ich übernachtete eine Woche lang in dem SM-Studio einer befreundeten Domina. Vor Kurzem feierte mein kleiner Bruder seine heilige Kommunion. Meine Mutter und ich schlichen aus der Kirche, um eine zu rauchen. Ein Typ, Mitte 20, schlank gebaut, kommt in unsere Richtung. “Hallo”, sagte er schüchtern, ging weiter und stellte sich zu seiner Freundin. Beide trugen zueinander passende Outfits. “Was will der überhaupt von uns?”, habe ich meine Mama gefragt. “Ach”, sagte sie, und lachte, “das ist ein Kunde von mir.” Heute lebe ich in ein paar Stunden von meiner Mama entfernt. Wir sehen uns nicht täglich, aber wenn wir uns sehen, dann ist es, als wäre ich nie weg gewesen. Auf Mama kann ich mich immer verlassen. Folge VICE auf Facebook, Instagram, Twitter und Snapchat.
Anonyme Autorin
[ "familie", "Geheimnisverrat", "Mutter", "Österreich", "Sexarbeiterin" ]
2019-02-19T13:33:38+00:00
2024-07-30T13:55:10+00:00
https://www.vice.com/de/article/wie-es-ist-das-kind-einer-sexarbeiterin-zu-sein/