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2004-11-01 12:00:00
2024-03-28 09:19:09
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2024-07-30 13:08:02
2025-03-11 12:39:42
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Mathe-Nerds debattieren über das Atemberaubendste, was man von Mathematik lernen kann
Mit Mathe verbinden die Wenigsten gute Erinnerungen. In den meisten Fällen quälte man sich irgendwann in seinem Leben mit Logarithmen und Matrizen und weiß heute allenfalls noch den Dreisatz. Aber zum Glück gibt es auch Menschen, die sehen die Schönheit in Zahlen und erkennen, dass sie die Welt im Innersten zusammenhalten. Der Reddit-Thread Mathematicians, what’s the coolest thing about math you’ve ever learned? will auch diejenigen ins Staunen versetzen, die der Mathematik sonst gar nichts Bewusstseinserweiterndes abgewinnen können. In den vergangenen zehn Tagen haben sich hier Tausende Kommentare angesammelt. The Nerdism is strong with this one – es reicht schon ein Blick auf einige besonders verrückte Beispiele, damit uns der Kopf schwirrt und gleichzeitig klar wird, wie atemberaubend die Mathematik sein kann. Mathe erklärt, welches Tor du bei Geh auf’s Ganze hättest wählen sollen Der Moderator guckt dich durchdringend an und stellt dich vor die Wahl: Tor 1, Tor 2 oder Tor 3? Hinter jeder dieser Wahlmöglichkeiten könnte sich die Kreuzfahrt in die Karibik verbergen. Hinter den beiden anderen steckt der Zonk, also eine Niete. Du hast keinen Anhaltspunkt, wo sich genau die Traumreise versteckt. Der schnurrbärtige Moderator zwingt dich aber, ein Tor zu wählen. Links: Der Zonk. Bild: Imago Du sagst: „Tor 1″, woraufhin er ein anderes Tor öffnen lässt und ein Zonk zum Vorschein kommt. Nun hast du die Möglichkeit, dein Tor noch einmal zu wechseln, bevor beide geöffnet werden. Wirst du: So ähnlich beschreibt Redditor SomeGuyInSanJoseCa das Monty Hall-Problem, was im Deutschen eigentlich Jörg Draeger-Problem heißen müsste, da es nach dem Moderator der Quizshow mit den drei Toren benannt ist. Folgt Motherboard auf Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter Die Reddit-User im Thread um die schönsten Mathe-Erkenntnisse sind gespalten. Ein Redditor namens Varkoth ist überzeugt: Wechseln. „Wenn ich das erste Tor wähle, habe ich eine Gewinnchance von 1:3 und eine Chance zu verlieren von 2:3. Wenn der Moderator das Verlierer-Tor öffnet, welches ich nicht gewählt habe, habe ich immer noch eine Gewinnchance von 1:3. Wenn ich die Wahl auf das übrige Tor ändere, habe ich plötzlich die besseren Chancen.” Für Gpotato geht diese Antwort gegen die eigene Intuition: „Mein Problem ist, dass [die Antwort] die Eliminierung der anderen Tür ignoriert. Jedes übrige Tor hat eine 50/50 Gewinnchance. Das bedeutet jetzt nicht, dass man wechseln MUSS. Wähle ich einfach eine der beiden verbliebenen Möglichkeiten, habe ich eine 50/50 Chance!” Das Problem zeigt, wie leicht Menschen Wahrscheinlichkeiten überschätzen. Solange der Moderator nämlich das Zonk-Tor öffnet, ist es tatsächlich immer schlauer zu wechseln. Die Chance, eine der Nieten zu erwischen war von Anfang an größer als die für den Urlaub. Wiseguy erklärt das so: „Wenn deine ursprüngliche Wahl der Zonk ist, wirst du bei einem Wechsel immer gewinnen. Wenn deine Wahl die Kreuzfahrt ist, dann wirst du beim Wechseln verlieren. Aber du kannst nie wissen, ob deine erste Wahl richtig ist, also was ist wahrscheinlicher? Dass seine erste Wahl richtig oder dass sie falsch war? Antwort: Deine erste Wahl ist von Anfang an nur in 33 Prozent der Fälle korrekt.” Ein Wechsel erhöht deine Chance zu gewinnen also auf 66 Prozent. Die Unendlichkeit schert sich nicht um Inklusion In den irdischen Gefilden des Zählbaren verstehen wir unter Inklusion das Miteinbeziehen von Menschen in die Gesellschaft. Die Unendlichkeit allerdings schert sich einen Dreck darum, alle Zahlen mit einzubeziehen. Was paradox anmutet, erklärt Reddit-User loremusipsumus: Es gibt unendlich viele Zahlen zwischen 2 und 3, aber keine davon ist 4.” und landet mit dieser atemberaubenden Erkenntnis einen Top-Comment mit 6269 Upvotes.  Aber es geht noch weiter: Unendlichkeiten kommen nämlich in unterschiedlichen Größen vor und können zählbar sowie unzählbar sein. Das funktioniert so: Die unendliche Reihe ganzer Zahlen ist zählbar (1,2,3,4,…), aber alle unendlichen reellen Zahlen zwischen 2 und 3 wie zum Beispiel 2,2357862930 sind es nicht. Wenn man sich richtig den Kopf zerbrechen möchte, könnte man sogar zeigen, dass letztere Unendlichkeit größer ist als erstere. Aber da das zu weit führen würde, halten wir es mit Reddit-User xscott71x, der schreibt: „Ich kam, um was Lustiges zu lesen und jetzt raucht mir nur noch der Schädel.” Der Thread hat aber auch noch einen Service-Tipp parat, wie ihr dieses Wissen auf WG-Partys anwenden könnt, um deepe Gespräche über die Unendlichkeit in eine neue Richtung zu lenken. Pseudo-philosophische Aussagen wie „Wenn es unendlich viele Universen gibt, ist es doch auch möglich, dass…”, seien nämlich kompletter Quatsch. Vielleicht beinhaltet unser Universum die metaphorische Unendlichkeit zwischen zwei und drei. Aber: Nach der Vier können wir daher maximal in einem Paralleluniversum suchen. In der Unendlichkeit ist 0,99999… Eins Noch mehr bewusstseinserweiternde Mathematik mit der Unendlichkeit gefällig? Redditor Varkoth zeigt, dass 0,999… in der Unendlichkeit eigentlich Eins ist. Einfacher ausgedrückt: Wenn ⅓ gleich 0,3333… ist, ⅔ 0,6666…, dann sind 3/3 folgerichtig 0,9999… Jeder weiß allerdings, dass 3/3 auch ganz einfach Eins ist. Die totale Verwirrung, die wir darüber empfinden und User wie forgotusernameoften und OneTime_AtBandCamp regelrecht „anpisst” kann newtoon etwas entwirren: „Wir müssen anerkennen, dass es kein mathematisches Drittel in der Realität gibt; dass es nur eine Idealisierung, ein nie zu erreichendes Ziel ist, wenn wir einen Kuchen in drei Teile schneiden wollen.” Mathe weiß genau, wenn du dein Geld waschen willst Neben so vielen Gedanken zur Unendlichkeit haben User flyboyfl und ignotusvir auch ein paar handfeste Mathe-Erkenntnisse fürs Real Life™ – wichtig für kriminelle Geschäfte und ihre Aufdeckung. Der Star des Abends ist in diesem Fall das Benfordsche Gesetz. Das besagt nämlich, dass die Ziffern von Zahlenfolgen empirischer Datensätze nicht gleichmäßig verteilt sind. Wundersamerweise tauchen manche Ziffern öfter auf als andere. Das gilt zum Beispiel für Datensätze wie Einwohnerzahlen von Städten, Postleitzahlen oder aber auch bei Geldbeträgen in der Buchhaltung. Ignotusvir erklärt das am Beispiel der Buchhaltung so: „Wenn man die Anzahl jeder Ziffer zählt […] gibt es in ungefälschten Daten einen Trend. Es gibt viel mehr Einsen als Neunen – der Grund dafür ist: Wenn man hochzählt [etwa bei Geldbeträgen, Anm. d. Red.], muss man immer erst kleinere Zahlen überschreiten, bevor man zu den höheren kommt, also besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, kleinere Zahlen in einem Datensatz zu haben.” Wer jetzt kriminelle Energie in sich spürt und seine Familie mit Drogengeschäften absichern will, weil er ein brillanter Chemiker ist und an Krebs stirbt, sollte bei der anschließenden Geldwäsche seine fingierte Buchhaltung nicht mit zufallsgenerierten oder ausgedachten Beträgen füllen. So „zufällig” sie auch zu sein scheinen: Diese Datenreihen werden mit höchster Wahrscheinlichkeit vom Benfordschen Gesetz abweichen, sodass einen die eigenen, noch so sorgfältig gezinkten Bücher leicht überführen können. Gut, könnte man jetzt sagen, dann lässt man sich die Zahlen eben von einem Programm generieren, dass das Gesetz einhält. Falsch gedacht – Mathe hat dich schon am Schlawittchen. „Genau genommen,” wendet User helltank1 ein, „gibt es da noch eine Metaebene.” Es gibt nämlich Programme, die den Unterschied zwischen echten Datensätzen und gefälschten erkennen, die , versuchen, die Verteilung des Benfordschen Gesetz zu imitieren. „Das System auszuspielen, lässt dich also noch weiter in die Falle tappen,” schließt er. Bonus: Mathe liefert ein gutes Argument, warum es das Schicksal gibt Klar, handfeste Mathematik hat nichts mit Esoterik zu tun. Aber im Thread berichtet irgendwann ein Redditor von einem Gedankenexperiment, das sogar gestandene Mathe-Nerds dazu bringt, an einen vorherbestimmten Weg zu glauben. Alles beginnt mit dem Mischen von 2 Karten – doch schon bald ist im Thread von „transzendentalen Ziffern” und „Ouja-Brett-Taschenrechnern” die Rede. Wie Suck_A_Turd noch sehr nachvollziehbar beschreibt, gibt es genau zwei Möglichkeiten, einen Stapel von 2 Karten zu ordnen. Mathematisch ausgedrückt: 2! = 2 * 1 = 2. Das Ausrufezeichen bedeutet dabei die Fakultät, also das Produkt aus allen vorangegangenen Zahlen. Folgt man dieser Logik, ergeben sich für drei Karten 3! = 3 * 2 * 1 = 6, also sechs Möglichkeiten. Bei vier Karten sind es schon 24 und für fünf gibt es bereits 120 verschiedene Möglichkeiten, diese anzuordnen. Bei einem Standard-Deck von 52 Spielkarten gibt es demnach 80,658,175,170,943,878,571,660,636,856,403,766,975,289,505,440,883,277,824,000,000,000,000 verschiedene Kombinationen. In Worten: Achtzig Undezillionen und ein paar Zerquetschte. Diese einfache mathematische Tatsache führte in den Kommentaren dann dazu, dass den sonst so nüchternen Usern Tarot plötzlich nicht mehr als der Hokuspokus erscheint, der es ist. Denn ab einer Kartenanzahl von 69 streiken die meisten Taschenrechner bei der Berechnung der Sortierungsmöglichkeiten. Ein normales Tarot-Deck hat sogar noch mehr, nämlich 78 unterschiedliche Karten. Jeder Tarot-Zug wäre demnach eine einzigartige und persönliche Mischung, die höchstwahrscheinlich noch nie in dieser Reihenfolge gezogen wurde. „Wenn es Schicksal wirklich gäbe, wäre das ein gutes Pro-Argument,” schreibt, OpinionGuyHere angesichts der scheinbar unzählbaren Menge an Kombinationsmöglichkeiten. Der Zufall, dass gerade du in diesem Moment diese Kartenkombination gezogen hast, sagt nach dieser – zugegeben recht albernen – Logik vielleicht tatsächlich die Zukunft voraus. Alles was wir brauchen ist ein „esoterischer Taschenrechner”, wie Trollw00t schreibt. Der kann dann vielleicht auch ausrechnen, in welchem Universum wir Geh aufs Ganze gewonnen oder erfolgreich unsere Drogenmillionen gewaschen haben. Solange das aber nicht existiert, scrollen wir einfach noch weiter durch die Thread-Universen auf Reddit.
Juliane Görsch
[ "geldwäsche", "Kultur", "mathematik", "Motherboard", "Rechnen", "Reddit", "Tech", "Unendlichkeit", "Wissenschaft", "Zonk" ]
Tech
2017-03-31T05:00:00+00:00
2024-07-30T19:35:44+00:00
https://www.vice.com/de/article/ezwkk4/reddit-nerds-diskutieren-uber-die-genialste-mathe-erkenntnis-aller-zeiten
So überstehst du eine Clubnacht ohne Alkohol und Drogen
Wie wir alle wissen, sind Drogen und Clubs eng miteinander verbunden. Kleine, weiße Pillen, die in große, dunkle Räume geschmuggelt werden, sind einfach unbestreitbar sehr beliebt, es passt ja auch gut zusammen. Aber deshalb muss ja nicht gleich jeder mitmachen, oder? Es gibt niemanden in deinem Wohnzimmer, der dich dazu zwingt, einen selbstgemixten Gin-Cocktail aus einer Gießkanne zu trinken. Niemand nötigt dich in der Kneipe dazu, den sechsten Pitcher zu bestellen. Und niemand zwingt dich dazu, dich zum Geldautomaten zu begeben und mit klammen Händen darauf zu hoffen, dass er genug Geld ausspuckt, das du dann in einem Hinterhof durch das Rückfenster eines Autos schieben kannst. Ehrlich, du musst das nicht tun. Neben der Erkenntnis, dass ein Geschirrspüler kaputt geht, wenn man ihn nicht lieb hat und dass res auch manchmal gut tut, um 23 Uhr ins Bett zu gehen, gehört es zu den großen Lektionen des Erwachsenseins, dass du auch nüchtern in den Club gehen kannst, und sogar nüchtern wieder rauskommen, wenn du ein paar strenge Regeln befolgst. Die Vorstellung, in unvergiftetem Zustand in einem Raum voller schweißüberströmter Körper zu stehen und zuzusehen, wie Kiefer über den colaverklebten Boden schleifen, klingt für manche vielleicht so attraktiv wie ein Campingurlaub mit Pegida-Ex-Chef Lutz Bachmann, aber es geht, wenn du unseren Survival-Ratgeber befolgst. Dieser Typ ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen nüchternen Nacht. Vertraue ihm. (Foto: TimothyJ | Flickr.com | CC BY 2.0) OK, viele DJs wirken auf uns wie Treibgut, das auf der Oberfläche eines verschlammten Rauschmittel-Tümpels schwimmt. Der Ratschlag oben dürfte dich also zurecht verwirren. Doch höre auf meine Worte! Eine gute Beziehung zu einem DJ zu pflegen bedeutet, dass du dich wahrscheinlich mit ans DJ-Pult quetschen kannst. Sieh das Pult als einen Zufluchtsort, eine Oase der Ruhe, einen Ort der Rückbesinnung und Reflektion. Du kannst dich dort von den schwankenden Heerscharen westentragender Vollpfosten verstecken, die auf dem Dancefloor herumstolpern und sich dabei eine Vier-Euro-Flasche Evian klammern. Du kannst den Knalltüten mit Atzenbrille aus dem Weg gehen. Du wirst dich wie eine schillernde, allwissende Gottheit über ihnen fühlen. Und vor allem gibt es höchstwahrscheinlich auch noch eine freie Steckdose für dein Handy. (Foto: Ralph Thompson | Flickr.com | CC BY-ND 2.0) Ehrlich gesagt ist Rauchen ist nicht viel mehr als eine unattraktive und lebensgefährliche Art, jedes Wochenende 30 Euros auf die Straße zu husten. Aber auf deiner neuen Suche nach Verschnaufpausen von den kiefermahlenden Grabschern und all den Schreckensgestalten, die deine neuen besten Freunde sein wollen, ist die Kippe deine Freundin. Such dir ein Fleckchen unter einer Heizstrahlerlampe, verbringe eine gute halbe Stunde damit, erstklassige Zigaretten zu drehen, mach dir ordentlich Gedanken darüber, was du deinem Körper geradeantust, zünde gleich noch Eine an, vermeide Blickkontakt mit den tellergroßen Pupillen von allen, denen das Laufen gerade schwerfällt, übe deine beste „Ich lese gerade Nachrichten auf meinem Handy”-Mimik und bete, dass deine Freunde, wenn sie sich endlich ihren Weg durch die wackelbeinige Menge auf die zugeaschte Terrasse gebahnt haben, dich nicht bemerken. Du kannst hier draußen immer noch das Pulsieren der Kick-Drum hören, und mal ehrlich, viel mehr hört man drinnen auch nicht. Bis du dich in den Nachtbus schleppst, sehen deine Finger aus wie die von Bart Simpson und jeder Atemzug fühlt sich an, als würde er dich einem völlig zerstörten Brustkorb einen Schritt näher bringen, aber du wirst so beschäftigt damit gewesen sein, zunehmend schäbige Zigaretten zu drehen, dass du für Alk und Drogen gar keine Zeit hattest. Allerdings muss ich an dieser Stelle sagen, dass ich einmal völlig nüchtern zu einem Set von DJ Sprinkles aufgetaucht bin, wo ich dann mit einer bis zu den Augen zugezogenen Jacke auf einem Hocker in der Nähe vom Pult saß, bis mich jemand für einen Dealer hielt, mir sagte, dass ihre Freundin auf mich steht und mich zu besagter Freundin in den Raucherbereich brachte, wo ich dann vier Stunden lang neben ihr festsaß, während sie von einem Polen-Urlaub inklusive Auschwitz-Besichtigung erzählte. Seid vorsichtig da draußen, ihr Raucher für eine Nacht, auch auf Euch warten immer neue Gefahren. VICE/Nic Bezzina Deswegen bist du doch hier, oder? Nicht, um den beschissenen Seiten deines Lebens zu entkommen, nicht wegen eines schlaffen Fehlversuchs eines One-Night-Stands, nicht um dich selbst zu vergessen und in etwas viel Größerem aufzulösen—du willst etwas, das über die Einschränkungen des Selbst hinausgeht, richtig? Das ist die richtige Einstellung. Platzier dich schön nah an den Boxen und sag der Person neben dir, dass dieser Track—ein Track, der mit ein paar perfekt platzierten Klavierakkorden einen Raum voller Fremder in gemeinsame orgastische Wallungen zu versetzen scheint—der geilste Remix eines Tracks ist, den sonst alle schon totgespielt haben. Sie werden dir dein feines Gehör danken, indem sie gegen dich poltern und schreien WIE KRASS DAS HIER REINHAUT ALTER HAST DU DEN SCHON MAL GEHOERT??? DER GEHT JA NUR NOCH AB! WOOHOO!! VERKAUFST DU WAS NEE OK SORRY FRAGEN KOSTEEET JA NIX. (Photo: Flickr) Mit der körperlichen Bewegung ist das so eine Sache. Ich meine, du gehst in den Club, um etwas zu hören, das buchstäblich „Tanzmusik” heißt, also musst du wohl irgendwie auch diese Sache, dieses „Tanzen” machen. Nur ist Tanzen was für Angeber und Vollpfosten und verschwendet außerdem nur deine Energie. Allerdings gehört jeder Mensch, der eiskalt einfach nüchtern im Club auftaucht, zu einer der folgenden drei Kategorien: 1.) jemand, der dem DJ sexuell oder sonstwie hörig ist, 2.) eine arme Seele, die in ein Dreckloch im Industriegebiet geschleift wurde, um den Geburtstag einer Person zu feiern, die sie insgeheim hasst, 3.) die Art verstörte Gestalt, die keinen Tropfen Jägermeister oder auch nur den Hauch einer Line braucht, um auf dem Dancefloor zu gestikulieren wie Jürgen Klopp im Pokalfinale. Aber egal! Die einzige Person, die dich peinlich findet, bist du. OK, du musst diese Scham die ganze Woche wie einen verschluckten Stein herumschleppen, aber scheiß drauf. Rave on!!111!! VICE/Egle Trezzi Als das nüchterne Mitglied deiner Gruppe wirst du vermutlich aus dem bescheuerten Geschwalle ausgeschlossen, das alle nach acht Bier und ein oder sechs Näschen für Konversation halten, dafür darfst du Jacken halten und Plätze für deine Freunde besetzen, ist ja auch was. Die Minuten der immer längeren Rauch- und Pinkelpausen deiner Leute fühlen sich an wie Stunden. Jeder Übergang im Set ist, als würde man der tektonischen Plattenverschiebung in Echtzeit zusehen. Du fängst an, die Menge abzusuchen, mit verzweifelt aufgerissenen Augen, in der Hoffnung, die Silhouetten zu sehen, die vielleicht, vielleicht deine Freunde sind, auch wenn du weißt, dass du für sie nichts weiter bist, als der oder die Nüchterne, der oder die am Ende der Nacht noch genug Hirnsubstanz übrig hat, um ein Taxi zu rufen. Also scheiß auf sie. Scheiß auf deine Freunde. Hier geht es um dich—und die beste Art, dein Schicksal in die Hand zu nehmen, ist so zu tun, als seist du jemand anders. Wenn jemand in der Toilettenschlange lang genug die Gesichtszüge auseinanderknautscht, um dich mit einem Satz wie VOLL DIE GUTEN VIBES HIER anzuschreien, dann sag ihm, du seist mit Joko von Joko und Claas verwandt, oder du hättest mal Günther Jauch das Leben gerettet, oder sag ihm, du warst mal mit Markus Lanz einen trinken und er ist eigentlich ein ganz netter Kerl. Sei einfach alles, nur nicht du selbst. Du selbst sein ist nämlich ziemlich beschissen in diesen Situationen, ungefähr so beschissen wie Jürgen Drews sein, im echten Leben.
[ "DJs", "sobriety", "Thump", "vice" ]
2015-04-07T16:35:00+00:00
2024-08-12T05:47:57+00:00
https://www.vice.com/de/article/nuechtern-im-club/
Eric Weber nervt Basler mit Wahlkampf-Anrufen
Screenshot von YouTube Eric Weber ist zurück. Der Basler DJ Daniel Vogel veröffentlichte gestern via Facebook einen Anruf, den er unerwartet vom Basler Grossrat erhalten hatte. Darin ist zu hören, wie sich der Lokalpolitiker einer dreisten Werbemethode bedient, der telefonischen Kaltakquise. In der Nachricht bezeichnet sich Weber als einziger Grossrat, der die Probleme in Basel benennt. Die Probleme, das sind gemäss Weber Raubüberfälle, Drogen, zu viele Asylsuchende und Kriminelle. “Bitte, bitte, wählen Sie Liste 14,” schliesst Weber den ungebetenen Anruf ab. Dass auf der Liste von Webers rechtsextremer Partei “Volksaktion gegen zu viele Asylanten und Ausländer in unserer Heimat” auch eine Surprise-Verkäuferin mit schlechten Deutschkenntnissen gelandet ist, verschweigt der Grossrat jedoch in seiner Wahlkampagne. Anfang Monat bedrängte Weber die unwissende Verkäuferin so lange, bis die 68-Jährige den Zettel unterschrieb, den Weber ihr entgegenstreckte. Erst durch die Recherche von Schweiz am Sonntag hat die Frau erfahren, dass sie durch die Unterschrift gegen ihren Willen auf einer Kandidatenliste landete. Bei Weber haben unlautere Methoden Tradition. Seine Liste von wahlpolitischen Verfehlungen ist lang. Bereits 1988 wurde der damals jüngste—und nach eigenen Aussagen auch schönste—Grossrat Basels auf Grund von Unregelmässigkeiten bei den Wahlen wegen Urkundenfälschung verurteilt. Viel gelernt scheint der Querulant dadurch nicht zu haben, 2004 sowie 2008 wurde er sich abermals der Wahlfälschung bezichtigt. Zuletzt wurde der Politiker 2014 wegen Wahlbetrugs zu 340 Stunden gemeinnütziger Arbeit verdonnert. Im Sommer drohte dem Lokalpolitiker gar ein Ratshausverbot, weil er eine im Hof schlafende Frau mit einer Zeitung attackiert hatte. Dabei freute sich Basel einst, den politischen Störenfried los zu sein. Vor drei Jahren verkündete Eric Weber in einem legendären Videointerview mit bazonline seinen abrupten Rücktritt aus der Basler Politik. Nach fünf Monaten hatte der Grossrat in seiner dritten Amtszeit genug vom “Schweizer Verbrecherstaat“. Er wollte lieber nach Abu Dhabi, wo Immigranten nach eigenen Angaben noch die Hand abgehackt werde, wenn sie sich kriminell verhalten würden. Dort sollte er Pressearbeit für einen Scheich leisten. Der selbsternannte Schönling verabschiedete sich mit den Worten: “Staatsanwaltschaft leckt mich am Arsch.” Und klatschte sich dabei auf seinen entblössten Allerwertesten. Webers medial äusserst wirksam inszenierte Abreise führte ihn aber gar nie in die Arabischen Emirate. Wie er in der Basler Zeitung selber zugegeben hat, war das ganze Theater nur eine Show: “Ich fuhr damals mit dem Zug bis Freiburg im Breisgau, stieg aus und in den nächsten Zug zurück nach Basel.” Auch sein Rücktritt war bloss inszeniert. Das Rücktrittsschreiben habe Weber bloss vorgetäuscht, aber gar nie abgeschickt, erklärte er dem Basler Lokalblatt. Das Basler Parlament hatte sich zu früh gefreut. Nach seiner “Rückkehr” lamentierte der Rechtspopulist über 17 Stunden lang im Grossen Rat, lähmte dadurch die parlamentarische Kammer und verursachte Kosten von 120.000 Franken. Weber bezeichnete sich selbst als “durchgeknallt” und hatte sich zwischendurch auch schon freiwillig in psychiatrische Behandlung begeben. Eigentlich ist es unverständlich, dass der politische Albtraum Weber im Oktober 2016 weitergehen soll. Er scheint in Basel aber über eine treue Stammwählerschaft zu verfügen. Diese könnte ihm ein weiteres Mal ermöglichen, sein Theater auf der Basler Polit-Bühne weiter zu spielen. Philippe auf Twitter.VICE Schweiz auf Facebook und Twitter.
Philippe Stalder
[ "ABU DHABI", "basel", "eric weber", "Kampagne", "News", "Schweiz", "Telefon", "Vice Blog", "Wahlbetrug", "Wahlfälschung", "wahlkampf" ]
2016-09-28T10:00:00+00:00
2024-07-30T22:27:27+00:00
https://www.vice.com/de/article/eric-weber-nervt-basler-mit-solchen-wahlkampf-anrufen/
Isn’t she lovely: Dana Boulus
Blazer von Urban Outfitters, Shorts von PETIT LAPIN, Halsband von Wasteland, Vintage-BH. Diese Woche haben wir wieder keine Bilder von unserem Liebling Daniel Gebhart de Koekkoek, sondern direkt von unseren amerikanischen Kollegen. Das ist Dana. Den Tag mit ihr haben wir so verbracht, dass wir sie im Echo Park, in Little Tokyo und in Hollyweird in ihren Lieblingsoutfits abgelichtet haben. Ihr persönliches Lieblingsstück ist ein Top, das sie mit 12 Jahren von Limited Too geschenkt bekommen hat. Dana ist Fotografin und Videographin, außerdem spricht sie drei Sprachen: Französisch, Englisch und Arabisch. Damit nicht genug, sie verkauft auch noch supersüße Brillen über ihren Online-Shop Petiti Lapin. Links: Vintage-Kleid und Vintage-Pulli, Schuhe von Jeffrey Campbell. Rechts: Kleid von Fairground, Schuhe von Jeremy Scott for adidas ObyO, Halsband von Wasteland.     Links: Vintage-Top von Limited Too, Jeans aus dem Cobra Shop, Schuhe von Jeffrey Campbell. Rechts: Tank Top von ZARA, Vintage-Hose, Schuhe von Nine West, Vintage-Sonnenbrille.     EMPFOHLENE ARTIKEL Isn’t she lovely: Johanna Suryanto Stehen wir trotzdem drauf: Bärtige Damen Harald Glööckler: Willkommen im Glööckler-Land
VICE Staff
[ "Mädchen auf die wir stehen", "Mode", "Vice Blog" ]
2012-04-17T10:35:00+00:00
2024-07-31T06:34:23+00:00
https://www.vice.com/de/article/fashion-maedchen-auf-die-wir-stehen-dana-boulus-mode/
Mangina ist der neueste Selfie-Trend
Dieses Mangina-Selfie wurde der Autorin zugespielt Mangina klingt zwar wie eine Mischung aus Manga und Angina, ist aber eigentlich ein Trend unter japanischen Männern und hat viel mit einer Sache zu tun, die Burschen vielleicht aus ihrer Kindheit kennen: nämlich den Penis zwischen die Beine klemmen. Das Neue am aktuellen Schwanzeinziehen ist erstens, dass es unter Erwachsenen passiert und zweitens, dass Typen auch Selfies von ihren „Manginas” machen. Unter #mangina findet man das Phänomen auch auf Instagram. Rund 19.500 Einträge gibt es inzwischen. Zu sehen ist dabei eine Leerstelle, viel Lendengegend und gelegentlich ein bisschen Schamhaar. Der Anblick löst die unterschiedlichsten Reaktionen aus. Während viele beim Anblick des fehlenden Phallus loskichern, finden es andere zum Fremdschämen und können das Bild gar nicht rasch genug wegklicken. „Oh, my God. So ugly … my eyes …!” schreibt ein Instagram-User. Die Mehrheit findet es aber doch eher „so funny”. Ich bin vor allem der Frage nach dem Warum nachgegangen. Sigmund Freud hat uns vor vielen Jahren den Penisneid erklärt. Ein Jahrhundert später wirkt es, als ob Gender-Mainstreaming auch in das Feld der psychischen Befindlichkeiten Einzug gehalten hätte: Manginas sehen so aus, als hätte heute die Männerwelt Vaginaneid. Immerhin wissen wir, dass die weibliche Sexualität komplexer ist als die männliche und Frauen alleine durch die Tatsache, dass der weibliche Orgasmus nur dem Spaß dient und nicht der Fortpflanzung, einen klaren Vorteil (da es noch dazu zwei Orgasmus-Versionen gibt—den vaginalen und klitoralen—würde ich sogar sagen, es steht 2:0). Jedenfalls scheint es zwei unterschiedliche Gruppen von Mangina-Taggern zu geben. Zum einen fühlen sich Männer mit Transgender-Identität davon angesprochen, zum anderen junge Typen, die mit ihren Selfies einfach Aufsehen erregen wollen. Der Reiz ist für beide Gruppen naheliegend: Es wird etwas gezeigt, und auch wieder nicht, und dabei ist viel Raum für Fantasie—sowohl beim Betrachter als auch beim Schwanzeinzieher. Auch mein bester Kumpel Martin hat es ausprobiert und für mich knapp 40 Fotos von seiner Mangina geknippst. „Es tut weh.” Hat er mir gemailt. „Spaß macht das keinen. Meine Hoden werden jetzt noch tagelang drücken.” Einige Psychologen interpretieren den Mangina-Trend auch als eine Reaktion auf die gesellschaftliche Verunsicherung hinsichtlich ihrer eigenen Geschlechterrolle. „Man tut so, als ob man keinen Penis hätte und gibt sich weiblich und findet das total lustig”, meint Sexualforscherin Julia König in einem Interview. Sexualtherapeut und Sexualberater Kurt Koll sieht in dem Trend keine tiefere Botschaft, wie er mir im Gespräch erzählt. „Es hat sich ganz einfach aus der Tatsache, dass es soziale Netzwerke gibt, ergeben—ebenso wie normale Selfies.”, sagt Koll. „Jedes Selfie oder Mangina-Bild lebt davon, dass es jemand sieht. Manginas sind zusätzlich noch mit Erotik belegt.” Koll steht dem Schwanzeinzieh-Trend offen gegenüber. „Sexualwissenschaftlich stellt sich zwar die Frage: Sollte man es verbieten, obwohl es Selbstzensur ist? Man sieht genaugenommen ja gar nichts. Wir alle haben das als Buben irgendwann doch mal gemacht.” In meinem Freundeskreis und Instagram-Feed kommentieren die meisten weiblichen Nutzer die Manginas mit „peinlich und unsexy”. Aber möglicherweise spricht aus uns auch nur purer Neid—denn Instagram ist schnell mit dem Löschen von Frauenbildern, auf denen auch nur Ansätze von Schamhaar zu sehen sind. Die Logik dahinter erschließt sich vielleicht nicht einmal den Instagram-Betreibern selbst, vermute ich —schließlich war niemand auf Manginas gefasst. MOTHERBOARD: Diese YouTube-Videos versprechen Orgasmen ohne Handanlegen Gelassener sieht man den Trend im Mangina-Magazine, dem von Cindy Wonderful ins Leben gerufenen Online-Magazin, in dem alle Männer herzlich dazu eingeladen sind, ihre Mangina von der besten Seite zu zeigen. „Ich will die Mangina feiern. Ich will mehr über sie wissen, ich will mehr von ihnen SEHEN”, sagt er. Inzwischen werden Manginas, die einer richtigen Vagina zu sehr ähneln, auch schon wieder von den sozialen Netzwerken entfernt—zu viel Vagina-Mimikry geht den meisten Plattformen dann doch zu weit. Gelöscht zu werden dürfte demnach eine ganz eigene Disziplin im Mangina-Selfie-Machen sein. Aber auch das wird nicht das Ende sein. Denn am Ende zeigt der Trend vor allem eins: Sex findet immer einen Weg, um die Zensur in sozialen Netzwerken zu umgehen.
Andrea Walter
[ "Stuff", "Vice Blog" ]
2015-08-11T09:00:00+00:00
2024-07-31T01:21:47+00:00
https://www.vice.com/de/article/mangina-neuer-selfie-trend-434/
Wo sind all die bisexuellen Jungs?
Bild von Sam Taylor Letzte Woche war der Tag der Bisexualität. Was bei mir die Frage aufwarf: Wo sind denn bitte die ganzen bisexuellen Männer? Ich kenne so einige Typen, die mir gestanden haben, dass sie schon gleichgeschlechtliche sexuelle Erfahrungen gemacht haben, aber eben nur eine Handvoll, die offen zugibt, bi zu sein. Vielleicht deshalb, weil Bisexualität jahrelang als nichtsnutziger kleiner Bruder der Homosexualität gescholten wurde—so eine Art Zwischending zwischen heterosexueller Anständigkeit und vollendeter Schwulheit. Bisexuelle übertragen Krankheiten. Bisexuelle akzeptieren nicht, dass sie in Wirklichkeit schwul sind. Bisexuelle sind gierig, verwirrt, egoistisch. Schwachsinn. Kein Wunder, dass bisexuelle Männer mit ihrer Orientierung hinterm Berg halten. Wahrscheinlich habe ich diese dummen Dinge alle selbst einmal geglaubt. Ich, die ich in Nottingham aufgewachsen bin, hatte gar nicht bemerkt, dass ich mich von Männern und von Frauen angezogen fühlte. Das hing natürlich vom jeweiligen Mann oder der jeweiligen Frau ab. Generell stehe ich eher auf Männer. Aber ich würde lieber was mit einer attraktiven jungen Frau anfangen als mit einem fetten alten Mann. Vermutlich geht es nicht nur mir so. Um ehrlich zu sein, kenne ich nur wenige Frauen unter 30, die keine Lust auf beides hätten. Und auch, wenn das Wort „bisexuell” bei Weitem nicht so häufig in der Presse erwähnt wird, wie die Worte „schwul” oder „lesbisch”, gibt es trotzdem eine Vielzahl bekannter bisexueller Frauen: Angelina Jolie, Neneh Cherry, Drew Barrymore, Lady Gaga, Amanda Palmer, Sia. Also, wo stecken bloß die ganzen bisexuellen Männer? Es gibt sie. Sie outen sich bloß nicht. Aktuelle Untersuchungen haben gezeigt, dass nur etwas über ein Viertel aller Bisexuellen offen mit der eigenen Sexualität umgeht. Heutzutage verstecken sich vermutlich mehr Bisexuelle als Homosexuelle. Laut Alfred Kinsey, dem Vater unseres modernen Verständnisses von Sexualität, „haben 46 Prozent der männlichen Bevölkerung im Erwachsenenalter sowohl heterosexuelle als auch homosexuelle Erfahrungen gemacht oder fühlten sich von beiden Geschlechtern erregt.” Das war 1948, jedoch haben nur wenige darauf folgende Studien ähnlich hohe Zahlen angegeben. In der Popkultur gibt es einige Bespiele für männliche Bisexualität—Frank Ocean, Brian Molko, Bret Easton Ellis. Viele sind das aber nicht. Und während in den feuchten Träumen bisexueller Frauen Schönheiten wie Megan Fox die Hauptrolle spielen können, bleibt bisexuellen Männern nur, nun ja, Alan Cumming. Und fast jedes Mal, wenn ein etwas bekannterer Mann offen über seine gleichgeschlechtlichen Vorlieben spricht, macht er irgendwann einen Rückzieher oder stellt seine Äußerungen klar. Normalerweise immer dann, wenn er berühmt werden will. Die Liste großer Männer, die ihren Mut (und meinen Respekt) verloren haben, ist lang und deprimierend. Sie reicht von Byron bis Bowie. Auch Tom Hardy steht drauf—wobei ich mich trotzdem zu jeder Tages- und Nachtzeit von ihm vögeln lassen würde. Boy George erwähnte 1996 in seiner Autobiografie Take It Like a Man die sexuellen Eskapaden von Bush-Gitarrist Gavin Rossdale mit Marilyn, dem androgynen Popsänger aus den 80er Jahren. Rossdale bestritt, eine sexuelle Beziehung zu Marilyn gehabt zu haben, und drohte Boy George mit seinen Anwälten. 2010 hatte Rossdale seine Taktik dann aber geändert und die Beziehung als Teil seiner Experimentierphase abgetan. Natürlich ist es allein Gavin Rossdales Sache, mit wem er zusammen ist, und natürlich muss er über nichts sprechen, über das er nicht sprechen möchte. Aber ich bin einfach jedes Mal enttäuscht, wenn jemand wie er wegen der eigenen gleichgeschlechtlichen Beziehungen derart in die Defensive geht. Ich meine, er ist heiß, er ist erfolgreich, er ist mit Gwen Stefani zusammen. Was hat er zu befürchten? Wenn deine Bisexualität das einzige ist, was du zu verheimlichen versuchst, macht das den Eindruck, dass sie etwas ist, wofür man sich schämen müsste.  Schuld an der Misere sind aber nicht nur die Bisexuellen. Wir sind alle daran schuld. Wenn eine bisexuelle Person in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung ist, glauben viele von uns, dass sie in Wirklichkeit homosexuell ist. Wenn eine bisexuelle Person in einer heterosexuellen Beziehung ist, nehmen wir an, ihre Bisexualität war nur eine Phase und sie ist jetzt wieder auf der sogenannten richtigen Spur. Wir alle tun das. Ich tue das. Ihr habt das vermutlich auch schon getan. Es muss erdrückend sein, bisexuell zu sein, während alle Menschen um euch herum ihre eigenen stumpfsinnigen Vorstellungen von eurer Sexualität auf euch projizieren.  Viele Bisexuelle landen schließlich in heterosexuellen Beziehungen—weil es einfacher ist. Wer würde das nicht? Vor allem, wenn eine gleichgeschlechtliche Beziehung bedeuten würde, dass ihr euch mit all dem sinnlosen Geschwätz auseinander setzen müsstet, das mit dem Schwulsein in unserer ach so liberalen Gesellschaft einhergeht? Euer bisexuelles Begehren unter den Teppich zu kehren, ist aber auch keine Lösung. Untersuchungen, die von der LGBT-Organisation Stonewall durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass bisexuelle Männer ein größeres Selbstmordrisiko haben als schwule Männer. Ihr Risiko für selbstverletzendes Verhalten ist doppelt so hoch. Es ist auch weniger wahrscheinlich, dass sie sich auf sexuell übertragbare Krankheiten testen lassen. Das sind keine gesichtslosen Statistiken. Die Person, die sich ritzt oder darüber nachdenkt, sich das Leben zu nehmen, könnte euer Kollege sein, euer bester Freund, euer Bruder.  Vielleicht der Mensch, mit dem ihr schlaft. Wie viele Menschen leiden still vor sich hin und setzen sich—und ihre Sexualpartner—einem Risiko aus und das aus Angst vor Ablehnung oder Spott? Ich verstehe diese Angst. Für manche Männer ist es schwer genug, überhaupt jemanden zu finden. Auch ohne sich Sorgen darüber machen zu müssen, dass Frauen sie dafür verurteilen werden, dass sie mit Männern geschlafen haben. Aber mal ehrlich, jede Frau, die sich von eurer experimentierfreudigen Seite abschrecken lässt, wird es im Bett wahrscheinlich eh nicht bringen. Wenn sie so simpel gestrickt ist, dass sie nicht damit umgehen kann, dass ihr auch auf Männer steht, wie soll sie dann mit den ganzen anderen Fantasien umgehen, die ihr euch für eine vertraute und abenteuerlustige Partnerin aufgehoben habt? Die Art böses Mädchen, das ihr sucht, schert sich um so etwas nicht. Genau genommen wird es sie wahrscheinlich anmachen.  Und an alle Frauen da draußen: Lasst eure männlichen Freunde wissen, dass es in Ordnung ist. Sonst braucht ihr das nächste Mal gar nicht heulend angelaufen zu kommen, wenn ihr es mit zwei Typen gleichzeitig treiben wollt und sie ihre Schwänze sofort rausziehen, sobald sie durch euer Septum rectovaginale gegeneinander reiben. (Ja, so heißt das.) Ich behaupte ja nicht, dass alle Menschen bi sind oder sein sollten. Was Sex angeht, sollte sich niemand zu irgendetwas gedrängt fühlen. Genauso wenig sollte niemand das Gefühl haben, er dürfe nicht tun, was er unbedingt tun möchte. Alles natürlich immer unter der Voraussetzung, dass alle Beteiligten aufgeklärt sind und zugestimmt haben. Also, an alle bisexuellen Männer da draußen: Ich lasse euch nicht im Regen stehen. Ich treibe es mit euch. So wie viele andere Schlampen jeden Geschlechts im ganzen Land auch. Ich behaupte ja nicht, dass ihr herumlaufen und jedem erzählen müsst, dass ihr bi seid, nur weil ihr an der Uni mal einem Typen einen runtergeholt habt. Nicht, wenn ihr das nicht wollt. Wenn ihr aber, wie tausend andere, auf gleichgeschlechtlichen Sex abgeht, dann gibt es keinen Grund, das zu verheimlichen. Es ist alles wunderbar. Liebt, wen ihr lieben wollt, seid, wer ihr sein wollt, und schlaft, mit wem ihr schlafen wollt.
Paris Lees
[ "bisexualität", "Gender", "LGBT+", "Meinung", "queer", "Sex", "Stonewall", "Stuff", "Vice Blog" ]
Sex
2014-09-30T07:40:00+00:00
2024-07-31T03:47:55+00:00
https://www.vice.com/de/article/wo-sind-all-die-bisexuellen-jungs-lgbt-667/
Wenn du in panischer Angst davor lebst, dich übergeben zu müssen
Während ich hier sitze und tippe, meldet sich die kleine Stimme in meinem Hinterkopf zu Wort. Sie flüstert mir zu, mich jetzt auf gar keinen Fall zu übergeben. Ich versuche zwar, den Gedanken immer wieder von mir wegzuschieben, bekomme aber dennoch einen Kloß im Hals. Allein bei dem Gedanken daran, dass mir schlecht werden könnte, wird mir schlecht. Ich leide unter eine leichten Form von Emetophobie, der Angst vor jeglicher Form des Erbrechens. Das bedeutet, dass ich nicht nur Angst davor habe, mich übergeben zu müssen, sondern auch davor, zu sehen oder zu hören, wie sich andere übergeben. Außerdem habe ich echte Panik davor, zu ersticken. Mehr lesen: Wenn Männer krankhafte Angst vor Frauen haben Niemand mag das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Zu einer Phobie wird es allerdings dann, “wenn der Betroffene unverhältnismäßig viel Angst davor hat, sich übergeben zu müssen”, sagt Lorna Denton. Sie arbeitet als Psychotherapeutin und litt selbst mehr als 30 Jahre lang unter Emetophobie. “Außerdem fangen die Betroffenen an, sich Vermeidungsstrategien zuzulegen, wie zum Beispiel keinen Alkohol mehr zu trinken oder auf bestimmte Lebensmittel zu verzichten. Sie versuchen alles dafür zu tun, dass ihnen nicht schlecht wird.” Obwohl es sich bei Emetophobie um eine anerkannte Erkrankung handelt, ist die Störung nach wie vor weitestgehend unbekannt und wird auch nur sehr selten diagnostiziert. Wie viele Menschen von dieser speziellen Form der Angststörung betroffen sind, ist daher schwer zu sagen. Forscher gehen allerdings davon aus, dass bis zu sieben Prozent der Frauen sowie drei Prozent der Männer betroffen sein. “In der Regel tritt die Erkrankung in Verbindung mit anderen generalisierten Angst- und Zwangsstörungen in Erscheinung”, sagt Denton. Unterschätzt werden sollte sie nicht. “In besonders schlimmen Fällen kann sie sogar dazu führen, dass man es umbedingt vermeidet, schwanger zu werden. Betroffene bekommen keine Kinder, weil sie Angst vor der Morgenübelkeit haben oder sich nicht in der Lage sehen, sich um ein krankes Kind zu kümmern.” Mehr von: Unverheiratet mit 27: Chinas „übriggebliebene Frauen” Philippa Willitts leidet seit über 30 Jahren an Emetophobie. Als Teenager ging es ihr zeitweise so schlecht, dass die Ärzte eine Essstörung bei ihr diagnostizierten. Sie hatte solche Angst davor, sich übergeben zu müssen, dass sie überhaupt nichts mehr zu sich nahm. “Ich habe erst nach Jahren verstanden, was mit mir los ist. Meine Gedanken drehten sich ständig darum, ob mir übel war oder nicht. Ich hielt mich selbst deshalb lange Zeit für einen Hypochonder.” Niemand wusste, was ihr wirkliches Problem war. Die meisten Phobien haben ihren Ursprung in der frühesten Kindheit – so auch die Angst vor dem Erbrechen. Emetophobie steht oft in Verbindung mit einem geringen Selbstwertgefühl und einem hohen Maß an Perfektionismus. In den meisten Fällen haben die Betroffenen Angst davor, die Kontrolle zu verlieren. “Frauen sind stärker davon betroffen als Männer. Knapp 95 Prozent der Betroffenen, die mich kontaktieren, sind Frauen zwischen 18 und 24 Jahren”, erzählt Denton. Das liege auch darin begründet, dass Frauen ein ausgeprägteres Ekelgefühl haben. Sie sich also zum Einen schneller vor Dingen ekeln, sich zum anderen aber auch mehr Sorgen darüber machen, als ekelhaft empfunden zu werden, wenn sie sich beispielsweise übergeben müssen. Ein Punkt, den ich nur bestätigen kann. Vor ein paar Jahren ging mein schlimmster Albtraum schließlich in Erfüllung: Ich saß in U-Bahn auf dem Weg nach Hause. Das Geschaukel in der Bahn wurde mir irgendwann zu viel und die Angst, mich womöglich in der Öffentlichkeit übergeben zu müssen, hat meine Übelkeit nur noch zusätzlich verstärkt. Ich habe verzweifelt versucht, mich zur nächsten Haltestelle zu retten, doch in dem Moment, als die Türen aufgingen, musst ich mich schon in meine Hände übergeben. Das war kein unangenehmes Würgen mit ein bisschen Spucke. Wir sprechen hier von einem ziemlichen Schwall. Kurz danach begann ich zu hyperventilieren und wurde ohnmächtig. So dramatisch sich das auch lesen mag, im Vergleich zu anderen Betroffenen wirkt meine Geschichte noch vergleichsweise harmlos. Für manche hat Erbrechen etwas geradezu erlösendes. Für Menschen, die unter Emetophobie leiden, ist es der absolute Worst-Case. Foto: Duncan Hill | Flickr | CC BY 2.0 Angela Smith litt über 40 Jahre lang unter Emetophobie. “Als kleines Mädchen lag ich nachts regelmäßig wach, weil ich Angst hatte, dass ich mich übergeben muss”, erzählt sie. “Flugreisen sind unmöglich, weil es immer zu Turbulenzen kommen könnte, wovon mir dann wiederum schlecht wird. Meine Angst war zeitweise so schlimm, dass ich ohne Ingwer, Probiotika und Magentabletten überhaupt nicht mehr aus dem Haus gehen konnte.” Katrina Fouracre erwartet gerade ihr erstes Kind und hat tagtäglich mit ihren Ängsten zu kämpfen. Mit der Schwangerschaft erreichte die Angststörung ihren Höhepunkt. Zwar hatte sie schon immer Angst davor, wie und ob sie mit der Morgenübelkeit umgehen könnte. Das blieb allerdings nicht ihre einzige Sorge. “Inzwischen geht es soweit, dass ich nicht weiß, was ich tun soll, wenn mein Kind zur Schule geht und sich bei anderen Kindern ansteckt. Wie soll mich um mein Kind kümmern, ohne selbst krank zu werden? Ich merke aber auch, dass die Angst nachlässt, je größer mein Bauch wird.” Emetophobie verschwindet nicht über Nacht. Doch mit den entsprechenden Mitteln kann man die psychische Belastung reduzieren. “Mit einer kognitiven Verhaltenstherapie kann den Betroffnen in der Regel geholfen werden”, erklärt Denton. “Ich gebe meinen Patienten praktische Methoden an die Hand, die sie nutzen können, um mit ihren Gedanken zu managen und ihre Ängste zu kontrollieren.” Mehr lesen: Warum haben so viele Männer Angst vor einer Vasektomie? Einer der problematischsten Aspekte ist der permanente Kampf gegen das eigene Verdauungssystem, der immer wieder durch den bloßen Gedanken ans Erbrechen befeuert wird. “Die meisten Betroffenen haben Schwierigkeiten, zwischen nervöser Übelkeit und tatsächlicher Übelkeit zu unterscheiden”, erklärt Denton. “Es fällt ihnen schwer, sich zu entspannen und den Gedanken [an ihre Angst] loszulassen.” Im Unterschied zu anderen, im ersten Moment irreal anmutenden Phobien können Emetophobiker nie sicher sein, dass ihr schlimmster Albtraum nicht vielleicht doch in Erfüllung geht. Das trägt dazu bei, dass sich die Gedanken der Betroffenen im Alltag ständig um ihre Phobie drehen. Auch Fouracre wird jeden Tag mit ihrer Angst konfrontiert. “Ich gebe mein Bestes, um mein Leben nicht von der Angst bestimmen zu lassen. Wenn mir schlecht wird, habe ich eine Methode, die mich davon abhalten soll, mich zu übergeben. Meistens vergeht meine Angst danach schnell wieder: Ich lasse kaltes Wasser über meine Hände laufen und gehe – wenn möglich – kurz raus an die frische Luft oder öffne ein Fenster. Das gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Im Moment arbeite ich jeden Tag daran, meine Gedanken nicht von meinen Ängsten kontrollieren zu lassen.” Folgt Broadly bei Facebook, Twitter und Instagram. Titelfoto: imago | Westend 61
[ "Angststörung", "Broadly Health", "Emetophobie", "erbrechen", "Gesundheit", "Kultur", "psyché", "Psychische Gesundheit", "Psychologie", "Übelkeit", "Zwangsstörung" ]
2017-05-15T08:18:20+00:00
2024-08-12T09:34:04+00:00
https://www.vice.com/de/article/wenn-du-in-panischer-angst-davor-lebst-dich-uebergeben-zu-muessen/
Uri Geller vs. Kadabra: Die bizarre Geschichte hinter der verschwundenen Pokémon-Karte
Warum verschwand Kadabra? Bis heute fragen sich Pokémon-Fans, was mit ihrem geliebten Psycho-Monster passiert ist. Zwar taucht die Kreatur immer wieder in Videospielen auf, doch aus dem beliebten Sammelkartenspiel ist sie seit fast 15 Jahren verschwunden. Die Karte wird nicht mehr gedruckt. Immerhin zwölf Jahre lang liegt der letzte Auftritt Kadabras im Pokémon-Anime zurück. Was hat Kadabra in Ungnade fallen lassen? Wer ist Schuld am Verschwinden? Für viele Fans ist die Antwort klar: Es war Uri Geller, der weltbekannte israelische Mentalist und Löffelverbieger. Immer wieder erscheinen Videos und Artikel, in denen Journalisten und Fans versuchen, die wahre Geschichte hinter dieser Pokémon-Legende zu ergründen. Bisher scheiterten sie an fehlenden Informationen. Zwar dokumentieren Presseberichte aus der Zeit einen Rechtsstreit zwischen Geller und Nintendo, doch wie er wirklich ausgegangen ist und wie Geller heute darüber denkt, war nicht bekannt. Motherboard konnte nun die Gerichtsakten einsehen und mit Geller und seinem damaligen Anwalt bestimmte Ereignisse verifizieren. Wir haben Nintendo und die Pokémon Company seit dem 10. Oktober über ihre Pressestellen via E-Mail und Telefon Fragen zum Fall gestellt. Wir wollten ihre Seite der Geschichte hören, die Folgen des Rechtsstreits für die Firmen erfahren – und wissen, ob es vielleicht eine außergerichtliche Einigung gab. Unsere Fragen beantworteten diese Firmen bis heute nicht. Doch die Informationen, die wir aus Gerichtsakten und Gesprächen mit Beteiligten erfahren haben, helfen, einen Teil der Pokémon-Geschichte zu rekonstruieren – und geben Hoffnung auf eine Rückkehr Kadabras. Es muss kurz vor der Jahrtausendwende sein, als Uri Geller bemerkt, dass er nicht der einzige Geller in Tokyo ist. Die anderen Gellers, die Uri Geller bei seinen Weihnachtseinkäufen 1999 in Tokyo findet, sind Pokémon. Auf einer Pokémon-Sammelkarte sieht Geller ein merkwürdiges Wesen: Gelber Körper, buschiger Schnurrbart, intensiver Blick, in der Hand hält das Monster einen verbogenen Löffel. Es ist das Pokémon Kadabra, doch die japanischen Katakana-Schriftzeichen auf der Karte ergeben nicht “Kadabra”, sondern etwas, das an Uri Gellers Namen erinnert: Un-Geller. In diesem Moment entscheidet Geller: Er muss den Kampf gegen die Pokémon aufnehmen bevor es zu spät ist, bevor Un-Geller ihn als den bekanntesten Geller der Welt verdrängt. Es gibt wohl kaum Fantasiefiguren, die so schnell bekannt und kulturell einflussreich wurden, wie Pokémon. Seitdem die knuffigen Kampfmonster 1996 in zwei Gameboy-Spielen erschienen, sind sie aus Pop- und Nerdkultur nicht mehr wegzudenken. Mit einem geschätzten Umsatz von laut eigenen Angaben umgerechnet fast 70 Milliarden Euro seit 1996 ist Pokémon als Medienmarke stärker als Hello Kitty, Winnie Puuh und Star Wars. Um die Spiele, Cartoons, Sammelkarten und Spielzeuge des Medienimperiums ranken sich zahlreiche Mythen: Von der Anime-Folge, die epileptische Anfälle auslöste; oder von einer gruseligen Musik, die Suizide verursachen sollte. Viele dieser Geheimnisse sind inzwischen gelöst, so ist heute etwa klar, dass die Geschichte um die Suizid-Musik nur von Fans ausgedacht wurde. Doch ein Geheimnis beschäftigt Pokémon-Liebhaber bis heute: Uri Gellers Kampf gegen Pokémon. “Ich war so wütend”, das erzählt der 71-jährige Uri Geller im Motherboard-Interview – jetzt, fast 20 Jahre später. Mit uns spricht er am Telefon, während er in einem Flughafen auf den Anruf eines US-Radiosenders wartet. “Ruf mich unter dieser Nummer an”, das steht in der Mail, die Geller an die Redaktion schickt, kurz nachdem die Anfrage an ihn gegangen ist. “Ich war so wütend, dass ich Nintendo verklagt habe”, sagt Geller am Flughafen. Geller erzählt: Er habe im Jahr 1999 die Karte des Pokémons gesehen, das auf Deutsch und Englisch Kadabra heißt. Kadabra, ein “Psycho”-Pokémon, das einen verbogenen Löffel schwingt und Gegner mit übersinnlichen Attacken besiegt, existiert schon seit den ersten Pokémon-Spielen. Aufmerksam wurde Geller aber erst, als der Hype um Pokémon kurz vor der Jahrtausendwende mit Sammelkarten ein neues Level erreichte. Die Löffel-Parallele ist sofort klar: Uri Geller wurde ein weltberühmter TV-Star, als er vor laufenden Kameras – scheinbar nur mit der Kraft seiner Gedanken – Löffel verbog. Doch das Äußere des Pyscho-Pokémons mit dem Löffel war nicht, was ihn stutzig machen sollte. Es war der Name. Alle Pokémon haben im japanischen Original andere Namen, so auch Kadabra. In Japan wird es “Yungerer” oder “Un-Geller” ausgesprochen, doch es ist vor allem die Schreibweise, die interessant ist. Die japanischen Schriftzeichen, die “Yungerer” buchstabieren (ユンゲラー), sehen fast so aus wie die Schriftzeichen für Uri Gellers Namen auf Japanisch: ユリゲラー. Besonders gut sichtbar macht das der YouTuber Chris Chapman, der ein ausführlich recherchiertes Video zu den öffentlich bekannten Hintergründen des Falls gemacht hat. Und dieses Wortspiel, so argumentiert Chapman, kann kein Zufall sein. Denn auch die anderen Evolutionsstufen des gelben Löffelverbiegemonsters spielen im Japanischen mit den Namen real existierender Personen. So heißt die dritte Evolutionsstufe des Pokémons im Deutschen zwar Simsala, im Japanischen aber “Foodin” – und zwar mit Schriftzeichen, die fast genauso aussehen wie die eines anderen, weltberühmten Bühnenmagiers: Entfesslungskünstler Harry Houdini. “Nintendo hat mich in eine böse, okkulte Figur verwandelt”, zitiert die L.A. Times Geller in einem Artikel aus dem November 2000. “Nintendo hat meine Identität gestohlen, indem sie meinen Namen und meine Erkennungsmarke, den verbogenen Löffel, gestohlen haben.” Völlig unüblich dürfte die Promi-Referenz dabei nicht gewesen sein. Kadabra ist nicht das einzige Pokémon, dessen Namen wohl auf berühmten Persönlichkeiten basiert. Am bekanntesten dürften die beiden Kampf-Monster Kicklee und Nockchan sein. Ihre Namen sind klare Verweise auf die Kampfkünstler und Schauspieler Jackie Chan und Bruce Lee. Im japanischen Original bezieht sich der Name von Nockchan übrigens auf den japanischen Boxer Hiroyuki Ebihara, so das Fan-Wiki Bulbapedia. Vor Gericht gezogen sind die betroffenen Kampfkünstler oder ihre Familienangehörigen aber offenbar nicht. Vor allem eine spezielle “böse” Kadabra-Variante sei ein Problem für Uri Geller und seinen Anwalt, so die L.A. Times. Und antisemitisch sei das Pokémon möglicherweise auch, heißt es in dem kurzen Bericht der Zeitung. Auf der Stirn des Monsters prange schließlich ein Stern und auf dem Bauch Schlangenlinien, die man als SS-Runen interpretieren könne, so Geller und sein damaliger Anwalt gegenüber der Presse. Für diese Vorwürfe braucht es aber viel Fantasie: Der Stern erinnert allenfalls entfernt an einen Davidstern, die Schlangenlinien auf Kadabras Bauch haben eine andere Form als SS-Runen. Auf Blogs und Fan-Seiten machen Pokémon-Fans immer wieder Witze über Gellers Vorwürfe. Inzwischen beschreibt Geller sein Problem anders: “Nintendo hat mich einfach nicht gefragt”, sagt der Mentalist im Gespräch mit Motherboard. “Sie hätten mich nur fragen müssen. Ich hätte gesagt, ‘na klar, warum nicht?’ Aber niemand hat gefragt.” Abra, Kadabra und Simsala gehören zu den bekannteren der 151 Pokémon der “ersten Generation” der GameBoy-Spiele. Für die meisten Spielerinnen von Pokémon Rot/Blau dürfte Abra das erste Monster der “Psycho”-Kategorie sein, das ihnen im Spiel begegnete. Unter Fans galten die übersinnlich begabten Pokémon damals als besonders mächtig. Bis heute versuchen Fans in langen YouTube-Videos mit komplexen Berechnungen zu beweisen, ob das wirklich stimmt. Doch die Macht der Psycho-Monster hatte ihren Preis: Das Pokémon zu fangen war schwer. Beim ersten Anzeichen von Gefahr konnte sich das kleine Abra aus dem Kampf teleportieren. Wer es doch schaffte, es zu fangen, wurde nach Abras Verwandlung zu Kadabra und Simsala mit einem der stärksten Monster im Spiel belohnt. Mit Attacken wie Psychokinese und Psystrahl konnten diese Monster ganze Gegner-Teams auseinandernehmen. Und über dieses unter Fans schon damals heiß geliebte Monster beschwerte sich nun ein weltbekannter Mentalist. Angeblich, weil es ihm zu ähnlich sei. Für einige wirkten Gellers Aussagen damals wohl wie ein abstruser Versuch, sich wieder zum Gesprächsthema zu machen. Das zeigt sich etwa in der Berichterstattung aus dieser Zeit, als nicht Kadabra oder Nintendo kritisiert wurden, sondern vor allem Geller selbst. Als “Irren” bezeichnet das Spielemagazin IGN Geller für seine Aussagen und witzelt über das Psychomonster und den israelischen Mentalisten: “Die Ähnlichkeit ist wirklich frappierend.” Auch Nintendo versucht Geller offenbar klein zu reden: “Ich kann mir nicht vorstellen, dass Uri Geller so viele Fans in Japan hätte, dass sie eine Pokémon-Karte nach ihm benennen”, sagt ein Nintendo-Sprecher dem britischen Guardian in einem der ausführlichsten Berichte zum Fall. Doch Geller ist nicht nur ein bekannter Name in Deutschland, den USA und vielen anderen Ländern, sondern auch in Japan. Zum Land habe er sogar eine besondere Verbindung. “Ich habe in Japan gelebt, für ein Jahr”, sagt Geller im Motherboard-Interview. “Ich war auf einem Egotrip, mir war alles egal, ich war völlig skrupellos. Dann hat mich John Lennon überzeugt, meine Spiritualität in Japan zu suchen.” Ende der 70er zieht Geller mit seiner Familie nach Japan. Er sagt, er hätte von der Außenwelt abgeschottet in einem Wald gelebt. Im japanischen Fernsehen war er aber auch zu sehen. “Die Japaner kennen mich seit 1973. Es vergeht keine Woche, dass ich nicht in Japan erwähnt werde”, sagt Geller am Telefon. Ein Google Alert würde ihn über jede Erwähnung seines Namens in japanischen Medien informieren. Von den abschätzigen Kommentaren lässt er sich damals nicht vom Kurs bringen. Geller ist 1999 überzeugt: Nintendo hat seinen Namen gestohlen, sein Markenzeichen, ihn unerlaubt als zwielichtiges Monster karikiert. Geller verklagt Nintendo. Die Forderung, so der Guardian, 100 Millionen Dollar Schadensersatz. An die 100-Millionen-Dollar-Forderung kann sich der Mentalist heute nicht mehr erinnern. “In meinem Leben passieren Hunderte Dinge, jeden Tag”, sagt Geller am Telefon. Gerade arbeite er etwa an der Eröffnung seines Museums in Jaffa, hier soll später “der größte verbogene Löffel der Welt” zu sehen sein. “Es fällt mir sehr schwer, mich an gerichtliche Sachen zu erinnern”, sagt Geller. Dem Guardian sagt Geller 1999, er habe Nintendo in Japan verklagt, sein Anwalt Yoichi Kitamura würde eine Klage vorbereiten. Wir haben versucht, Hinweise auf diese Klage zu finden – was weder uns, noch unseren japanischen VICE-Kollegen gelang. Auch ein Kontakt zu Yoichi Kitamura ließ sich im Netz nicht finden. Einen Rechtsstreit gab es aber auf jeden Fall, und zwar in den USA. Geller und sein Anwalt, Jeffrey C. Briggs, reichen eine Klage im kalifornischen Bundesgericht ein, dem Central District Court of California in Los Angeles. Motherboard liegen die Gerichtsakten vor, die den Fall zwischen 2001 und 2003 dokumentieren. Aus den Gerichtsakten geht hervor, dass es Geller um gleich mehrere Punkte geht: Nintendo verletze mit der Pokémon-Karte seine Privatsphäre, indem das Unternehmen seinen Namen und sein Bild für seine Zwecke einsetze. Außerdem würde Nintendo Uri Gellers “Marke” verwässern. Dahinter steht die Befürchtung, dass das Löffel-Pokémon dem Löffelverbieger Geller auf seine Kosten Konkurrenz macht. Geller klagt gemeinsam mit der Liechtensteiner Firma Sambracal AG, die ihn als Angestellten beschäftigte, sowie die Rechte an seinem Namen und seinem Bild inne halte, wie aus den Akten hervorgeht. Die Klage richtet sich gegen Nintendo und Nintendo of America, 2001 beginnt der Rechtsstreit. Doch für Geller nimmt die Gerichtsverhandlung eine enttäuschende Wendung. “In diesem Fall geht es um eine japanische Pokémon-Karte, sie trägt die Nummer 64″, heißt es in den Gerichtsakten vom 17. August 2001, die zum ersten Mal die Einzelheiten des Rechtsstreits erklären. “Der Name der Figur auf der Karte ist in japanischen Katakana-Schriftzeichen geschrieben, die eine verblüffende Ähnlichkeit zu Uri Gellers Namen aufweisen. Die Ähnlichkeit des Namens, sowie die Darstellung der Figur mit dem gebogenen Löffel, führte zur aktuellen Verhandlung.” Doch verhandelt wird diese “verblüffende” Ähnlichkeit nie. Im Rechtsstreit geht es um etwas anderes. Nämlich um Gellers Staatsangehörigkeit. Aufgrund der kalifornischen Rechtslage dieser Zeit ist die Staatsangehörigkeit entscheidend darüber, welche Rechtsprechung angewandt wird. Geller möchte, dass die kalifornischen Persönlichkeitsrechte gelten. Aber das ist kompliziert, denn “Geller ist ein Bürger Israels und des Vereinigten Königreichs (UK)”, so die Gerichtsdokumente. “Weil Geller in Großbritannien lebt, muss das Gericht berücksichtigen, ob es dort ähnliche Persönlichkeitsrechte gibt. Es gibt sie nicht.” Das Gericht gibt Nintendo Recht. Ein Teil der Klage, die Verletzung von Uri Gellers Persönlichkeitsrechten, wird am 16. August 2001 abgelehnt. Bei VICE: Das Leben innerhalb der alternden Biker-Gangs von Japan “Das hat den Rest des Falls schwierig gemacht”, schreibt Gellers damaliger Anwalt Jeffrey C. Briggs in einer E-Mail an Motherboard und bestätigt die damaligen Vorgänge. Doch Geller und sein Anwalt geben an dieser Stelle nicht auf. Noch fast zwei Jahre geht der Rechtsstreit weiter. Die Frage, die sie klären wollen: Verletzt Pokémon die Markenrechte von Uri Geller? Könnte also die Existenz von Kadabra dazu führen, dass mehr Menschen ein Psycho-Monster mit dem Namen “Geller” assoziieren als einen israelischen Löffelverbieger? Auch hier wird es kompliziert. Denn es lässt sich gar nicht so einfach klären, wer für Kadabra wirklich zuständig ist. Da gibt es natürlich Nintendo, das die Pokémon-Spiele vertreibt. Aber für die Sammelkarten, um die es im Rechtsstreit ja geht, ist ein Geflecht aus japanischen und amerikanischen Firmen zuständig. “Es gibt nicht genügend Beweise, dass Nintendo of America am Import, der Herstellung und dem Verkauf japanischer Pokémon-Karten beteiligt ist”, lautet das Urteil der Richterin Florence-Marie Cooper im November 2002, nachdem Geller und Briggs eine Reihe von Erklärungen vorstellen, warum doch Nintendo belangt werden sollte: Es gäbe offizielle Pokémon-Magazine, in denen die japanischen Sammelkarten gezeigt werden; die Karten seien auch außerhalb Japans in eBay-Auktionen erhältlich. Aber das Gericht erklärt: Der Großteil japanischer Pokémon-Sammelkarten würde in Japan verkauft werden. Und diese Einschätzung ist es, die Gellers Ansprüche auf Schadensersatz nichtig macht. Denn jetzt müsse japanisches Markenrecht angewendet werden, um festzustellen, ob ein Pokémon an Gellers Ruhm kratzen könnte, also seine Marke “verwässern” könnte. Aber in Japan hat Geller den Gerichtsakten zufolge kein Markenrecht angemeldet. “Geller muss darstellen, dass seine Marke bekannt oder berühmt ist, um nach japanischem Recht Schadensersatz zu fordern”, heißt es in den Akten. Geller gilt als weltberühmt, doch das Gericht sieht das offenbar anders. Also verliert Geller den Kampf gegen Kadabra. Das Gericht entscheidet zugunsten von Nintendo. Am 3. März 2003 wird Gellers Klage abgewiesen. Anwalts- und Gerichtskosten muss jede Partei selbst tragen. Im Spiel beherrscht Kadabra die “Teleport”-Attacke. Wenn es brenzlig wird, kann es sich einfach aus dem Kampf teleportieren. Doch Kadabra verschwand nach dem Prozess nicht nur aus den Gerichtsakten, es verschwand auch aus dem Kartenspiel. Zuletzt gedruckt wurde eine Kadabra-Karte laut dem Fan-Wiki Bulbapedia 2003, in der offiziellen Liste aller Pokémon-Karten ist Kadabra nicht mehr gelistet. Im Pokémon-Anime sah man Kadabra zuletzt in einem kurzen Gastauftritt in einer Folge aus dem Jahr 2006, so Bulbapedia. War es Gellers größter Trick, ein Pokémon verschwinden zu lassen? Viele Fans mutmaßen bis heute, dass Geller die Schuld an Kadabras Schicksal trägt. Dass er vielleicht in einer außergerichtlichen Einigung seine Forderungen durchsetzen konnte. Befeuert wird das von einem zehn Jahre alten Interview mit einem Regisseur der Pokémon-Serie, Masamitsu Hidaka: “Wir haben Kadabra im Moment beiseite gelegt”, so der Regisseur, es liege an einem Rechtsstreit. Ob das wirklich stimmt, lässt sich heute nicht klären. “Keine Ahnung”, sagt Geller am Telefon. Und sein damaliger Anwalt Jeffrey C. Briggs schreibt in einer E-Mail an Motherboard: “Die Klage wurde abgewiesen. Was darüber hinaus passiert ist, kann ich nicht sagen”. Nintendo antwortet nicht auf wiederholte E-Mails zur Frage, wie der Fall genau zu Ende ging. Heute sieht Uri Geller vieles anders: “Vielleicht habe ich damals einen Fehler gemacht”, sagt Geller im Gespräch mit Motherboard. “Ich hatte einfach keinerlei Zweifel, dass der Mensch, der das Pokémon entwickelt hat, mich im japanischen Fernsehen gesehen hat. Wenn ich in der Zeit zurückreisen könnte… wahrscheinlich hätte ich einfach mit Nintendo reden sollen.” Uri Geller erzählt in Interviews, er habe mal ein Fußballspiel beeinflusst, indem er den Ball mit seiner Gedankenkraft bewegt hat. Er habe auch schon mal ägyptische Schätze auf einer schottischen Insel gespürt, sagt er Zeitungen. Doch Zeitreisen übersteigen seine Fähigkeiten. Bis heute verfolgt Geller der fast 20 Jahre alte Rechtsstreit. Erst vor zwei Jahren erschien ein Post auf der verifizierten Facebook-Fan-Page von Uri Geller: “Freunde, glaubt ihr Kadabra basiert auf mir? Schicke euch Liebe und positive Energie, Uri xxx”. Und nicht nur Geller lässt die Geschichte nicht los: “Jede Woche kriege ich zwischen fünf und zehn E-Mails von jungen Menschen deswegen. Viele sind gemein”, so Geller. “Sie sagen: ‘Du hast mir meinen geliebten Kadabra weggenommen!’ Andere Nachrichten dagegen sind sehr philosophisch. Ich antworte immer.” Mit Nintendo habe Geller bis heute keinen Kontakt mehr. Doch er möchte. “Wenn Nintendo mich heute kontaktieren würde und mich fragen würde, ob sie diese Karte wieder drucken können, ich hätte nichts dagegen, ich würde mein OK geben”, sagt Geller im Gespräch mit Motherboard. Auf dem Spiel steht nun nicht mehr Gellers Marke, sondern das Schicksal eines Pokémon. Folgt Dennis auf Twitter und Motherboard auf Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter
Dennis Kogel
[ "Evergreens", "Features", "Gaming", "Motherboard", "nintendo", "Pokemon", "Tech", "uri geller" ]
Tech
2018-10-19T10:11:11+00:00
2024-07-30T18:57:37+00:00
https://www.vice.com/de/article/pa947m/uri-gellers-kampf-gegen-pokemon-kadabra-nintendo
Free Music Friday
Es ist mal wieder Freitag und ihr wisst was das bedeutet: Gier ist gut. Spectrals – Big Baby Was soll man über diesen Jungen noch groß Worte verlieren – der Engländer Louis Jones alias Spectrals hat die 50er erst verstanden und dann inhaliert. Und dann Musik gemacht, die in jedem Takt mehr Gefühl und Stil versprüht als, sagen wir, Arnie während seiner ganzen Karriere. Bevor wir uns in weiteren lahmen und unangebrachten Vergleichen verzetteln, hier nur noch kurz: Jones’ Debüt „Bad Penny“ erscheint am 25. Oktober bei Slumberland. High Places – Year Off Jenes Duo namens High Places wird von Album zu Album offenbar auch immer poppiger, aber wir würden nie wagen, das als falsch zu bezeichnen. „Year Off“ rumpelt munter und sonnig vor sich hin und lässt uns fast vergessen, dass es draußen schon wieder zu regnen angefangen hat. Fast. Aber reden wir nicht mehr übers Wetter, macht ja eh keinen Sinn. „Original Colors“ kommt am 11. Oktober bei Thrill Jockey heraus. CFCF – Cometrue (Physical Therapy Remix) In seinen Anfangstagen, so grob vor zwei bis drei Jahren, wurde der kanadische Producer CFCF vor allem als begnadeter Remixer gefeiert. Inzwischen bringt er hauptsächlich eigenes Zeug heraus, und andere lechzen um die Möglichkeit, seine Werke auseinander zu nehmen und neu zu interpretieren. In heutigen Zeiten ist das vermutlich der ultimative Beweis dafür, es geschafft zu haben. Das (soweit wir wissen) noch namenlose Wunderkind Physical Therapy ist heute da, wo CFCF damals war, und zurzeit wahrscheinlich einer der talentiertesten Remixer. Nach Arbeiten unter anderem für Sleep ∞ Over und Laurel Halo durfte er hier über „Cometrue“ herfallen, die jüngste Single des Kanadiers, die als 12“ soeben auf dem New Yorker Label UNO Records erschienen ist. Born Gold – That Way Apropos namenlose Producer: Born Gold geistert mit seinem ziemlich extravaganten, absolut tanzbaren Elektro seit wenigen Wochen durch die Blogs und macht dabei ein großes Geheimnis aus seiner Identität. Damit ist er weder der erste noch der zurzeit einzige, aber der ziemlich grandiose Ohrwurm „That Way“ deutet an, dass es sich in diesem Fall lohnen könnte, das Spielchen mitzuspielen. Bite Marks – Swarm Ach ja richtig, und noch einer. Auch Bite Marks lässt nicht durchblicken, wer sich hinter dem Projekt verbirgt (gähn), aber in diesem Fall könnte es auch einfach daran liegen, dass er noch nicht dazu gekommen ist, bislang existiert nämlich auch nur ein einziger einsamer Track. „Swarm“ hat es dafür aber in sich mit diesen leicht derangierten Streichern, dem synkopierten Beat und dem leicht verzweifelten Gesang, der sich in den weiten des akustischen Raumes verliert. Dem Blog Get Off The Coast fiel dazu „tropischer Karneval“ ein, und ja doch, das trifft es. Bite Marks – Swarm by felixnicklas HENNING LAHMANN
VICE Staff
[ "Musik", "Vice Blog" ]
2011-08-05T11:40:00+00:00
2024-07-31T07:28:05+00:00
https://www.vice.com/de/article/free-music-friday-17/
So kommt illegales Cannabis nach Deutschland
Banks muss aufpassen, was er sagt. Gegen den ersten Gast des neuen VICE-Podcasts Grasland läuft aktuell ein Ermittlungsverfahren wegen 1,3 Kilo Cannabis. Deshalb erwähnen wir seinen richtigen Namen nicht. In Grasland spricht er über seine Erfahrung in der Untersuchungshaft, das Geschäft von Cannabis-Dealern und seine Pläne für die Zeit, wenn Cannabis legal ist. Außerdem haben wir mit ihm über synthetische Cannabinoide gesprochen. Vor ihnen hatte Banks schon einmal in einer VICE-Dokumentation gewarnt. Mit Chemikalien pimpen manche Dealer die Wirkung von minderwertigem Cannabis. Menschen, die es konsumieren, drohen Panikattacken, Ohnmacht oder Herzversagen. Das Zeug, sagt Banks im Podcast, sei immer noch weit verbreitet. Was man am besten dagegen tun kann? Auch darüber sprechen wir. Grasland, der VICE-Podcast über die Legalisierung von Cannabis, erscheint wöchentlich am Donnerstag auf allen bekannten Podcast-Plattformen. Wenn ihr mögt, lasst uns ein Like da oder abonniert uns. Spotify: https://spoti.fi/3XlUcSP Apple Podcast: https://apple.co/3HfsPVc Google Podcasts: https://de.vice.com/Grasland_Google_Podcast Acast: https://shows.acast.com/grasland Folgt VICE auf TikTok, Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.
Tim Geyer
[ "Cannabis", "Cannabis-Legalisierung", "dealer", "Grasland", "Podcast" ]
Drogen
2023-01-19T10:14:49+00:00
2024-07-30T13:09:29+00:00
https://www.vice.com/de/article/so-kommt-illegales-cannabis-nach-deutschland-grasland-podcast/
Darth Vader mischt die ukrainische Politik auf
Darth Vader und Chewbacca von der Ukrainischen Internetpartei vor ihrem Kleinbus in Odessa | Foto vom Autor Chewbaccas Festnahme in Odessa hatte mehr virales Potential als jede andere Story aus der Wahlsaison 2015 in der Ukraine. Die Geschichte ist an Absurdität einfach nicht zu übertreffen: Die berühmte Figur aus Star Wars wurde verhaftet, als sie versuchte, ihren Freund Darth Vader zu unterstützen, der sich als Mitglied der Internetpartei zur Bürgermeisterwahl von Odessa aufstellen lassen hatte. Die Meinungen über die Internetpartei sind geteilt. Manche sehen sie als eine Gruppe von Trollen mit einer avantgardistischen Botschaft über den Zustand der ukrainischen Politik: „Seit ein paar Jahren ergänzt die Ukrainische Internetpartei die angespannte Politik des Landes um ein wenig Humor und Leichtherzigkeit”, berichtet die Tech-Website CNET. Andere sehen sie als ein Symptom des ukrainischen Hacker-Problems: „Das Thema ist hier so tief verwurzelt, dass es sogar eine politische Partei gibt, die für die Hacker-Kultur wirbt.” Die Washington Post sieht es noch einmal anders: „In Wirklichkeit geht es hier darum, dass der falsche Vader die echte dunkle Seite der modernen ukrainischen Politik repräsentiert: Wahlbetrug und Manipulation.” MOTHERBOARD: Die DIY-Drohnenschmiede der Ukraine Meine Quellen in der Ukraine stimmen dieser letzten Einschätzung zu. „Die Internetpartei wurde gegründet, um den Wahlvorgang in Verruf zu bringen”, sagte der politische Analyst Olexandr Paliy. Außerdem, so fügte er hinzu, sei die Partei von Oligarchen gegründet worden, um die Regierung schwach aussehen zu lassen. Paliys Schätzungen nach haben diese Oligarchen bereits Millionen für Werbung und Star Wars-Zubehör ausgegeben. „Es ist einfach alles viel zu teuer, um nur ein Witz zu sein”, sagte Paliy. Fedir Sydoruk, Chefredakteur von Slidstvo.info, einer ukrainischen Seite, die Korruption überwacht, ist der Meinung, die Partei sei in ihren Zielen möglicherweise noch ein wenig genauer. „Es ist kein lustiges Projekt, sondern ein politisches Werkzeug”, sagte mir Sydoruk. „Ihre Aufgabe ist es, die Wählerschaft der Opposition aufzubrechen. Denke mal darüber nach: Wer hat am meisten von all dem?” In Odessa wäre das wohl der amtierende Bürgermeister, Hennadij Truchanow. Truchanows Hauptgegner, Sascha Borowik (der den zweiten Platz belegte), beschuldigt die Internetpartei, Stimmen von jungen Wählern abgeschöpft zu haben—für Borowik eine der wichtigsten Bevölkerungsgruppen. Auf meiner Suche nach Antworten unterhielt ich mich mit Darth Vader (der von Chewbacca begleitet wurde) in einem edlen Café in Odessa mit Blick aufs Schwarze Meer. Das Duo erschien in Darth Vaders mattschwarzen Mercedes-Kleinbus, machte mit Fans und Schaulustigen Fotos, diskutierte mit einem Mann über die Absichten der Internetpartei und sprach von Darth Vaders Hoffnung für ein ukrainisches Parlament, das vollständig von Computern kontrolliert wird. VICE: Danke, dass Sie heute zu diesem Interview erschienen sind. Es ist eine Ehre, mit einem Sith-Lord zu sprechen.Darth Vader: Freut mich. Also, wie alt ist Chewbacca eigentlich?[Darth Vader wendet sich Chewbacca zu.] Wie alt bist du? [Chewbacca gestikuliert mit den Händen.] Es tut mir leid, er will es nicht verraten. Er will nicht mit der Presse reden. Chewbaccas rechtlicher Ärger hat ihn in eine schlechte Stimmung versetzt. Aber es wird Gerechtigkeit für ihn geben. Nur dann wird Chewbacca seine Geschichte erzählen können—und sein Alter verraten. OK. Wie schneidet die Erdenpolitik im Vergleich zur Politik in einer weit, weit entfernten Galaxie ab?Im Vergleich zur Weltraumpolitik ist die Politik in der Ukraine reine Zeitverschwendung. Sie beweisen immer wieder, dass sie ihre Jobs nicht gut machen können. Deswegen schlage ich vor, das Parlament zu computerisieren. In der Ukraine kommt es häufig vor, dass Politiker den Verstand verlieren, Bestechungsgelder annehmen oder einander verprügeln. Computer hingegen werden ihre Arbeit ordentlich machen. Computer?Wir haben ein Problem. Es ist kein Geheimnis, dass Politiker in den letzten Wahlen Stimmen gekauft haben. Selbst ich habe Stimmen gekauft. Ich wollte wissen, wie die Ergebnisse aussehen würden. Es war ein Experiment. Aber die Stimmen der jungen Wähler musste ich nicht kaufen; die haben aus freien Stücken für mich gestimmt. Sie wollten Veränderung. Sie wollten Darth Vader. Aber das bedeutet nicht, dass morgen die gesamte Ukraine computerisiert wird. Bei Wahlen sollten die Leute mit ihren Pässen hingehen, eigene Ausweise bekommen und den Computern sagen, für wen sie stimmen. Ich wiederhole, ich schlage vor, dass wir die Parlamentsabgeordneten durch Computer ersetzen. Es wäre wie ein großer Server, der mit den Wünschen der Leute verbunden ist. Im Moment haben wir ein System, in dem wir Politiker wählen, aber nachdem wir sie gewählt haben, vergessen sie, was die Leute von ihnen wollen. Sie sind dermaßen korrupt. Die Computer und Server werden alle Probleme lösen. Wir hatten eine Liste—wenn jemand für Darth Vader gestimmt hat, dann hat die Person ein Foto geschossen und es uns gesendet, und wir haben sie dann bezahlt. Sie haben also Stimmen gekauft?Ja. Wir hatten online gute Reaktionen. Wir haben Geld für Stimmen geboten, und die Leute meldeten sich an. Wir hatten eine Liste—wenn jemand für Darth Vader gestimmt hat, dann hat die Person ein Foto geschossen und es uns gesendet, und wir haben sie dann bezahlt. Wir haben in Odessa 18.000 Stimmen gekauft, aber die Gesamtzahl der Direktstimmen lag am Ende bei 7.000. Wir wollten wissen, ob das Wahlbüro ehrlich sein würde, aber es hat gelogen. Wir hatten definitiv 18.000 Stimmen. Die Regierung ist schuld, sie lässt uns nicht unsere ehrlich verdienten Stimmen. Wir schlagen einzigartige Reformen vor, welche die Ukraine zu einem stärkeren Land machen werden, mit dem andere Länder zu tun haben wollen, und deswegen fürchten sie uns. Die Regierung will nicht, dass der Status Quo sich ändert. Sie will die Macht behalten. Wir verstehen, dass pensionierte Menschen bereit sind, für Buchweizen zu wählen [eine ukrainische Redewendung, die dafür steht, dass ältere, arme Einwohner ihre Stimme gegen Essen verkaufen]. Das machen sie meistens. Die Hauptsache, die wir über diese Wahl wissen, ist, dass nicht all unsere Stimmen gezählt wurden. Es gab letztes Jahr Regionalwahlen in Kiew und ich war unter den Kandidaten. Mir fehlten 0,2 Prozent, um meine Partei in den Wahlausschuss zu bekommen. Sie haben die Ergebnisse eindeutig gefälscht—dem Wahlausschuss ist klar, dass Darth Vader zu andersartig ist, um ihn reinzulassen. Aber warum sollte die Bevölkerung Darth Vader anderen Kandidaten vorziehen?Ich bin der einzige in der Ukraine, der ein neues Wahlkonzept vorschlägt. Ich will nicht, dass die Menschen ihre Stimme einem Gesicht geben, sondern dass sie für Taten stimmen. Ich habe kein offizielles Amt oder etwas dergleichen, aber ich habe den Drogenhandel hier in Odessa unterbunden. Ich bin der einzige, der gegen die Drogenmafia kämpft. Ich kämpfe auch darum, Grundstücke am Meer vor gierigen Bauträgern zu schützen. Es ist wichtig, dass wir das Land bewahren, damit die Bürger sich daran erfreuen können. Das ist schon seit geraumer Zeit ein Problem. Wir müssen dieses Land bewahren. [An dieser Stelle lief der Besitzer des Restaurants vorbei und winkte.] Das ist ein Freund von mir. Er ist ein toller Typ—einer der erfolgreichsten Gastronomen in Odessa. Er hat sehr schöne Restaurants, und er investiert Geld und gibt den Leuten berufliche Chancen, was die Stadt zu einem besseren Ort macht. Das ist es, was Politiker machen sollten: Arbeitsplätze schaffen, für Wirtschaftszuwachs sorgen. Aber sie scheinen unfähig zu sein. Wir könnten Sie als Bürgermeister einer Stadt wie Odessa dienen, die einen so korrupten Ruf hat?Odessa hat keinen korrupten Ruf. Alle wollen in Odessa leben. Es ist ein Nest, in dem sich spektakuläre Beziehungen entwickeln. Wir haben viele Nationalitäten, Religionen und Ethnien hier. Alle leben friedlich zusammen, weil es so bequem ist. Selbst für [Micheil] Saakaschwili [den ehemaligen georgischen Präsidenten, der vor kurzem zum Gouverneur des ukrainischen Odessa-Oblast ernannt wurde], gegen den in Georgien ermittelt wird. Der Dieb. Aber es ist nicht perfekt. Ich möchte gerne hinzufügen, dass das Vorgehen der Polizei gegen Chewbacca rechtswidrig war. Sie haben Gewalt gegen Chewbacca eingesetzt und der Welt damit gezeigt, wie tief Sicherheitskräfte sinken können. Sie sind Barbaren, alle miteinander. In den Medien werden Darth Vader und die Internetpartei oft als Antihelden dargestellt, die sich gegen den korrupten Wahlprozess auflehnen, aber ich habe auch schon gesehen, wie Leute Sie als politisches Werkzeug bezeichnen, das den traditionelleren Politikern die Wähler abtrünnig machen soll. Was steckt wirklich hinter all dem hier?Meine Taten sprechen für sich. Ich denke, die nächsten Wahlen werden produktiver sein. Sie sollten wissen, dass ich in die Politik eingestiegen bin, um das gesamte Spiel zu ändern. Sehen Sie sich Sascha Borowik an—er ist neu in Odessa und er war Saakaschwilis Mann, aber ein Gouverneur sollte nicht offen einen Bürgermeisterkandidaten unterstützen, wie er es tat. Borowik startete seine Kampagne drei Wochen vor der Wahl und belegte am Ende den zweiten Platz, einfach nur wegen seiner Verbindung. Die Leute haben nicht für einen Kandidaten gestimmt, sondern für eine Marke, wie Adidas oder Nike. Die Solidaritätspartei [Borowiks Partei] wirkt neu, aber in Wirklichkeit ist sie einfach nur voller alter ukrainischer Politiker. Die Leute denken, sie würden für eine neue Marke stimmen, aber sie bekommen dieselben alten Politiker. Deswegen ändern diese Wahlen rein gar nichts. Sie sind also mehr als nur ein politisches Werkzeug?Ich weiß, was die Leute sagen. Sie sagen, ich sei kein seriöser Kandidat. Sie haben alle nur Angst vor meinen Gesetzen. Ich beachte sie nicht. Ich höre stattdessen auf die Bürgerinnen und Bürger. Ihre Meinungen sind mir viel wichtiger. Wie stehen Sie zu Hennadij Truchanow [dem amtierenden Bürgermeister, der angeblich von Vaders Agitation am meisten profitiert]?Ich meine, er ist mein Schwiegersohn. Was soll ich noch sagen? Es gibt offensichtlich Meinungsverschiedenheiten, vor allem gab es die während der Wahlen, aber damit werden wir intern fertig, als Familie. Es ist eine Familienangelegenheit. Bürgermeister Truchanow ist mit Ihrer Tochter verheiratet?Ja. Reden wir über Geld. Eine Quelle hat geschätzt, Ihre Kampagnenkosten würden sich inzwischen auf mehr als eine Million Dollar belaufen. Woher nimmt die Internetpartei ihr Geld?Ein Teil unseres Geldes kommt von Michail Gorbatschow. Er hat uns das Geld 1992 gegeben. Doch wir haben es komplett verschwendet. Gorbatschow bekam Wind davon und hat uns nie wieder etwas gegeben. [Lacht] Aber im Ernst, wir haben Geld von Imperator Palpatine bekommen, der einen Platz im Stadtrat von Odessa gewonnen hat. Wir hoffen, dass uns mit seiner Hilfe immer mehr Menschen zustimmen werden. Bald wird der gesamte Stadtrat auf die dunkle Seite wechseln. Wünschen Sie sich für die Zukunft, dass die Ukraine der EU beitritt?Es geht nicht darum, irgendwo beizutreten. Ich denke, unser Ziel für die Ukraine sollte völlige Unabhängigkeit sein, sodass andere Länder zu uns kommen und mit uns Bündnisse eingehen wollen. Ich verspreche, unter meiner Führung wird dieser Fall eintreten. Alles klar. Mal etwas ganz anderes: Wer hat das beste Lichtschwert im Universum?Das beste Lichtschwert im Universum liegt in meinem Auto. Einmal hat sich ein Jedi mit mir angelegt, doch ich war zu stark. Das Video gibt es im Internet. Ich musste aber auch wirklich meine gesamte dunkle Macht einsetzen, um den Kampf zu gewinnen. Wie trinken Sie ihren Kaffee?Latte. Wie trinken Sie physisch ihren Kaffee?Ich verwende einen Strohhalm. Wenn wir nun einen Blick auf die US-Politik werfen, was halten Sie von Donald Trump?Nun, als Mann ist er sehr ansehnlich, was ihm sicherlich viele Vorteile einbringt. Er hat definitiv eine Zukunft als Politiker. Es gibt eine neue Tendenz auf der Welt: Mit Schönheit und Eloquenz lassen sich die Menschen kontrollieren. Sehen Sie ihn als guten Präsidentschaftskandidaten?Yoda wäre besser. Er legt Geduld, Mut und Verantwortung an den Tag—alles wichtige Tugenden für einen Präsidenten. Welche ist Ihre liebste Eissorte?Vanille. Vanille und Pistazie. Welcher ist ihr Lieblingsfilm?Jede Episode von Star Wars. Diese Filme wurden auf die Erde gesandt, um die Pläne der Internetpartei umzusetzen. Sie sind großartig für Menschen aller Altersgruppen, auch wenn die Filme relativ betrachtet schon alt sind. Vielleicht sieht man ihnen das ein wenig an, aber es handelt sich um zeitlose Filme. Da die USA sich seltsamerweise als Urheberland der Filme verstehen, haben Sie vielleicht eine Botschaft an die Einwohner dieser Nation?Ja. Ich möchte gerne meine Großmutter grüßen, die in New York City lebt. Wenn jemand ihr den Wasserkasten in den dritten Stock tragen könnte, wäre das wunderbar.
Alex Lubetkin
[ "¿Darth Vader?", "chewbacca", "Korruption", "Odessa", "Politik", "Star Wars", "Stuff", "Ukraine", "Vice Blog", "wahlen" ]
2015-11-23T05:00:00+00:00
2024-07-31T01:17:17+00:00
https://www.vice.com/de/article/darth-vader-mischt-die-ukrainische-politik-auf-553/
Unterwegs in Japans Footwork-Szene
Footwork, der vielleicht schwierigste und schnellste Tanz im Clubkosmos, entstand ursprünglich in den 80ern in Chicago. Doch mittlerweile hat er seinen Weg auch auf die andere Seite der Welt gefunden. In den letzten Jahren ist Footwork für enthusiastische japanische Tänzer und DJs zu einer besonderen Form des Ausdrucks geworden. Intensiv haben sie sich mit dem energiegeladen musikalischen Export der Windy City auseinandergesetzt und daraus ihre eigene einzigartige Szene aus Battle-Tänzen und pochenden Bassdrums erschaffen. Wir sind letztes Jahr nach Tokio gereist, um einige der Künstler und Tänzer zu besuchen, die die Geschwindigkeit und die gefühlvollen Klänge dieser Kultur in neue Kontexte übertragen – ob in Tanzschulen oder durch Dance Battles. Entstanden ist ein intimer Einblick, wie interkontinentaler Austausch von Ideen eine künstlerische Community auf der anderen Seite der Welt inspiriert hat. Schau dir hier die Dokumentation in voller Länge an: Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP erschienen. ** Folgt Noisey bei Facebook, Instagram und Twitter.
Noisey Staff
[ "Chicago", "Clip!", "do not use", "doku", "Dokumentation", "footwork", "japan", "Manhattan Records", "Music", "Noisey", "video", "Τόκιο" ]
2017-03-02T12:56:16+00:00
2024-07-30T19:24:17+00:00
https://www.vice.com/de/article/unterwegs-in-japans-footwork-szene/
Malaysische Männer und ihre gefährliche Obsession mit Kopi-Jantan-Kaffee
“Ich bin so schon unfassbar geil, wenn ich Meth nehme. Der Kaffee hilft mir dabei, ihn hochzukriegen”, sagt Ezra. Seinen richtigen Namen will der 37-jährige Autor verständlicherweise nicht angeben, schließlich werden selbst kleinste Drogenvergehen im orthodox-islamischen Malaysia hart bestraft – auch mit dem Tod. Im Gegensatz zu Crystal Meth ist das Heißgetränk, das Ezra mit Vorliebe für seine drogengeschwängerten Sexmarathons konsumiert, in dem konservativen Land allerdings legal und überall erhältlich, egal ob in Geschäften oder Schnellrestaurants. Ein kleineres Problem als die Droge ist es trotzdem nicht. Die Rede ist von Kopi Jantan, sogenanntem Männerkaffee, Kräuterkaffeemischungen in kleinen Päckchen, die man mit heißem Wasser aufgießt. Sie sollen Müdigkeit bekämpfen, Schmerzen lindern, Hirnzellen wachsen lassen, den Stoffwechsel anregen und dem Altern entgegenwirken. Vor allem aber sollen sie die sexuelle Leistungsfähigkeit steigern. Auch auf VICE: Thailands Meth-Epidemie und Kotz-Reha Laut Ezra macht seine Lieblingsmarke Kopi Panggung Al-Ambiak das so gut, dass sie selbst die Potenzprobleme ausgleicht, die sein regelmäßiger Drogenkonsum verursacht. Außerdem ist der Kaffee viel leichter zu bekommen als Viagra und obendrein auch noch aus rein natürlichen Zutaten. Das behaupten jedenfalls die Hersteller. Auch wenn Al-Ambiak die Wirkungsweise seiner Kaffeemischung als eine Art Rohrreiniger für die Blutgefäße beschreibt, die einem die “Teenager Power” zurückgeben soll, ist angeblich alles rein pflanzlich. Neben Maca und Guarana schreibt der Produzent – wie viele andere Kopi-Jantan-Hersteller – die Wirkung seines Getränks vor allem Tongkat Ali zu. Studien haben gezeigt, dass das Wurzelextrakt des in Malaysia und Indonesien heimischen Urwaldgewächses den Testosteronspiegel bei Männern anheben und die Spermienzahl erhöhen kann. Mit diesem Versprechen werden entsprechende Kapseln auch in Europa beworben. Allerdings entfaltet der Wirkstoff diese Wirkung nur in hohen Dosen – Mengen, die in einem Päckchen Kräuterkaffee kaum enthalten sein können. “Können Sie sich vorstelle, dass ein normaler Kaffee damit wirbt, ihnen heftige Erektionen zu verpassen?”, fragt sich auch der Androloge Dr. Isamel Tamby. “Von was für Kaffee sprechen wir denn hier? Welcher Inhaltsstoff soll so eine Wirkung haben? Ist es das Koffein oder doch etwas anderes?” In der Regel ist es etwas anderes, weitaus weniger natürliches als Urwaldwurzeln: nämlich variierende Mengen Sildenafil, den meisten eher unter dem Markennamen Viagra bekannt. Gelistet sind Sildenafil oder ähnliche Mittelchen unter den Inhaltsstoffen der Heißgetränke nicht. Natürlich nicht, schließlich ist es für die Hersteller illegal, ihren Kaffee mit pharmazeutischen Potenzmitteln anzureichern. “Diese Getränke enthalten illegale Stoffe wie Viagra oder Cialis, die angegeben werden müssten”, sagt Dr. Tamby. “Wenn es nach dem Gesundheitsministerium geht, handelt es sich dabei um Gifte, die nur kontrolliert abgegeben werden dürfen. Sie können einem nur von einem Arzt verschrieben werden.” 2016 wurde in den USA ein ähnliches Produkt mit dem nicht sonderlich subtilen Namen Stiff Bull aus dem Handel genommen, nachdem die Lebensmittelbehörde FDA Spuren von nicht aufgelisteten Inhaltsstoffen entdeckt hatte. Darunter auch Desmethyl Carbodenafil, eine chemische Verbindung, die Sildenafil strukturell stark ähnelt. Auch in Malaysia wurden einige der Produkte aus dem Verkehr gezogen. Diverse Kopi-Janta-Marken befinden sich jetzt auf der Schwarzliste des Gesundheitsministeriums, neben dubiosen Diätpillen und quecksilberhaltigen Bleichungscremes. Trotzdem boomt das Geschäft mit den Potenzkaffees in Malaysia. Genaue Zahlen zur Kopi-Jantan-Industrie gibt es keine, allerdings bezifferten lokale Behörden den Wert sichergestellter Sex-Stimulanzien 2016 auf umgerechnet fast 10 Millionen Euro. Und das sind nur die Produkte, die vom Markt genommen wurden. Die gesamte Industrie dürfte um ein Vielfaches größer sein. Aber wie können diese Substanzen in einem Land mit einer derartig strengen Drogenpolitik als pflanzliche Nahrungsmittelergänzung durchgehen? Laut Koris Atan, dem Präsidenten der Verbrauchervereinigung des Bundesstaats Penang, hat das damit zu tun, dass die Regierung die Durchsetzung der bestehenden Gesetze in dem Bereich sträflich vernachlässigt – und möglicherweise sogar korrupt ist. “Die Durchsetzung liegt bei Null”, so Atan gegenüber VICE. Die Abteilung des Gesundheitsministeriums, die Lebensmittel überwacht, ist sehr klein und Atan schätzt, dass es nur je einen einzigen Beamten gibt, der für zehn verschiedene Produktkategorien zuständig ist. Sowohl das Gesundheitsministerium, als auch das Department of Islamic Development Malaysia haben nicht auf eine Anfrage von VICE reagiert. Dabei sind die Kaffeemischungen nicht ganz ungefährlich. Bislang ist ein Todesfall im Zusammenhang mit Männerkaffees bekannt, zwei weitere Personen wurden ohnmächtig ins Krankenhaus eingeliefert, und mehrere Personen erlitten einen Herzinfarkt. Lebensbedrohliche Nebenwirkungen seien aber nicht das einzige Problem mit solchen Kaffees, sagt Dr. Tamby. Laut ihm würden malaysische Männer durch Potenzgetränke vermeiden, sich mit tieferliegenden Problemen auseinandersetzen. Die Allgegenwärtigkeit und leichte Verfügbarkeit Männerkaffees würde malaysische Männer davon abhalten, mit ihren “Performance-Problemen” zum Arzt zu gehen und an den eigentlichen Ursachen zu arbeiten, sagt der Experte. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
[ "Drogen", "Drugs", "Erektionsstörung", "Kaffee", "kopi jantan", "malaysia", "Potenz", "Sex" ]
Sex
2018-06-03T05:30:00+00:00
2024-08-12T07:57:33+00:00
https://www.vice.com/de/article/kopi-jantan-malaysische-manner-und-ihre-gefahrliche-obsession-mit-einem-potenzfordernden-kaffee/
Wie DHL versucht, Versandbetrug unter den Teppich zu kehren
Foto: imago | STTP “Kampfzone Wedding“: So steigt der Berliner Kurier in seinen Text ein. Ein Paketbote beschreibt darin, wie drei Leute ihn im Bezirk Wedding mit einem Messer angriffen. DHL bestätigt gegenüber VICE: In manchen Gegenden im Wedding liefern DHL-Boten Pakete nicht mehr an die Tür. Im Fokus: der Soldiner Kiez, ein Problemviertel. Plattenbauten neben Altbauten, Sozialwohnungen über Shisha-Bars, überquellende Mülleimer. Die Osloer Straße im Süden und die S-Bahn-Schienen im Norden ziehen die Grenze. Hier geht man nicht hin, wenn man hier nicht wohnt. Wie oft es zu Angriffen auf Paketboten kam, behält die DHL für sich. Das Unternehmen spricht von “absoluten Einzelfällen”. Mehr können sie aus “sicherheitsrelevanten Gründen” dazu nicht zu sagen, so DHL. Auch die Polizei kann keine konkreten Zahlen nennen. Durchs Hintertürchen, am Ende des Statements, erklärt der Konzern, warum er in einigen Fällen nicht bis zur Tür liefert: “Bei diesen Ausnahmen hatten wir Hinweise auf mögliche Betrugsversuche, denen wir nachgingen.” Betrugsversuche also. Im Soldiner Kiez gab es rund 4.300 Polizeieinsätze im letzten Jahr. Die häufigsten Delikte: Ladendiebstahl (546 Fälle), Körperverletzung (486 Mal) und—auf Platz drei —Betrug: 455 Fälle verzeichnet die Polizei für 2015. Das Grundprinzip ist ganz einfach: Betrüger bestellen im Namen anderer Menschen teure Elektronik, Uhren, Markenklamotten. Kriminelle können die Pakete leicht abfangen, da DHL Express und auch vergleichbare Anbieter erstens garantieren, dass die Ware am Folgetag geliefert wird, und zweitens sogar die Wahl bestimmter Zeitfenster zulassen. Bei DHL Express gibt es gegen Aufpreis drei solcher Zeitfenster: vor 9 Uhr, vor 10 Uhr und vor 12 Uhr. Wer ein Paket abfangen will, weiß also ziemlich genau, wann er sich wo hinstellen muss, um sich als Empfänger auszugeben. Die konkreten Tricks: Verbrecher bringen falsche Namensschilder an extra angemieteten Wohnungen an—dann brauchen sie nur Name und Geburtsdatum (wollen die Versandhäuser bei der Bestellung wissen), um Waren zu ordern. Andere arbeiten mit gefälschten Ausweisen oder Vollmachten. Und wieder andere behaupten, die Empfänger zu sein, und gerade auf dem Sprung zu sein. Es ist nicht im Interesse von DHL, dass jeder weiß, dass es potenziell jeden treffen kann. Dass es kein hausgemachtes Problemviertel-Problem ist. Denn das schreckt Kunden ab. “Alle Berlinerinnen und Berliner können beruhigt sein”, heißt es in einem schriftlichen Statement von DHL. Und das Unternehmen hat noch einen viel triftigeren Grund, nicht mit dem Betrug hausieren zu gehen: Versandhandelsbetrug ist teuer. Im Zweifel haftet DHL, wie eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage bestätigt. Die Boten sind verpflichtet, sich die Identität bei Auslieferung bestätigen zu lassen. Paketzusteller stehen allerdings unter enormem Zeitdruck und bekommen bei manchen Unternehmen pro ausgeliefertem Paket nochmal eine extra Provision: Jedes Paket, das wieder im Depot landet, bedeutet weniger Geld auf dem Gehaltszettel. Gibt es also eine No-Go-Area Wedding, No-Go-Area Soldiner Kiez? “Nein.” Das sagt zumindest der SPD-Politiker Ralf Wieland. Für den Bezirk Gesundbrunnen sitzt er im Berliner Abgeordnetenhaus, sein Bürgerbüro ist direkt gegenüber des Gesundbrunnen-Centers. “Wir wollen unsere Probleme nicht kleinreden, auch der Soldiner Kiez ist nicht umsonst Quartiersmanagement-Bereich. Aber ein No-Go-Bezirk, das sind wir ganz sicher nicht.” Tatsächlich ist das Problem nicht der Wedding und auch nicht der Soldiner Kiez. Das Problem ist der Versandhandelsbetrug—und der kann überall passieren, nicht nur im Soldiner Kiez. Er trifft vor allem auch Politiker, die normalerweise nicht in Problemvierteln leben. Im Oktober kam raus, dass fraktionsübergreifend bis zu 50 Berliner Abgeordnete selbst Opfer von Versandhandelsbetrug geworden sind. Deren Namen und Geburtsdaten stehen im Netz, leichtes Spiel für die Betrüger. Ein betroffener Abgeordneter ist Benedikt Lux von den Grünen. In drei Fällen bestellten Versandbetrüger in seinem Namen Luxusgüter, etwa eine Lederjacke im Wert von 399 Euro oder Sneaker für 159 Euro, bis heute hat keiner dafür gezahlt. Geliefert wurde nach Schöneberg (nicht in den Wedding!), an eine Adresse, die Lux nicht kennt. Seine Einschätzung: “Das war keine Aktion, die gegen uns als Politiker gerichtet war. Das war Versandbetrug im großen Stil, unsere Namen und Daten sind leicht im Netz zu finden.” Man muss es nun noch einmal ganz deutlich fragen: Spielt es DHL in die Karten, dass kein “solventerer” Kiez im Fokus steht? Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass DHL-Express-Kunden wohl eher finanzstarke und zeitlich beanspruchte Geschäftsleute als Hartz-4-Empfänger sind. Dazu die DHL-Sprecherin: “Wir nehmen keine Wertung verschiedener Berliner Bezirke vor.” Ob es auch Betrugsvorfälle in Schöneberg gegeben habe? Kein Statement mehr von der Unternehmenssprecherin. Kurz zuvor beeilte sie sich jedoch, noch darauf hinzuweisen, dass die Berliner Weihnachtspakete sicher zugestellt würden. Nur halt eben nicht für alle Bewohner des Weddings. Einzelne Ecken sind seit neuestem No-Go-Areas—für DHL-Express-Boten jedenfalls.
Lea Albring
[ "Banden", "Berlin", "Betrug", "DHL", "News", "No Go Area", "SCAM", "Vice Blog", "WEDDING" ]
2016-11-30T05:00:00+00:00
2024-07-30T22:31:44+00:00
https://www.vice.com/de/article/wie-dhl-versucht-versandbetrug-unter-den-teppich-zu-kehren
[Explizite Bilder] Jonathan Leder lässt die alte Kunst des Pin-Ups neu aufleben
Dieser Artikel enthält explizite Bilder.  Noch im August hatte Fotograf Jonathan Leader 92 erotische Abzüge in der Superchief Gallery in Los Angeles ausgestellt. Aufgenommen zwischen 2011 und 2015 präsentieren Leders verträumte Bilder die Models Britany Nola und Kayslee Collins sowie die eher unbekannte Emily Ratajkowski und Leders Muse Amy Hood. Leders Fotos sind so eindrucksvoll wie intim und rufen die fantastische Welt des Mädchens von nebenan, das mit unserem Herzen spielt, hervor. Diese Wirkung entsteht natürlich nicht rein zufällig. Leder ist mit seinen Models alleine, wenn er sie persönlichent Umgebung, meistens in Wohnungen oder Hotels, ablichtet. >> Fotografin Sophie Ebrard hat vier Jahre lang bei Pornodrehs hinter die Kamera geschaut „Fotografiert zu werden, ist ein sehr intimer, fast schon invasiver Prozess. Es erfordert eine Menge an Vertrauen und Offenheit. Du darfst nicht nervös sein, warum würdest du also zehn Leute um dich herumstehen haben wollen? So fühlt sich niemand bequem“, erklärt Leder gegenüber The Creators Project seinen unkonventionellen Ansatz. „Es funktioniert besser, wenn nur ein Koch in der Küche steht.“ Leders Fotografien sind definitiv stimulierend und erinnern an die alte Ära der Pin-Ups. Er gibt die kontroverse erotische Statue Verzückung der Heiligen Theresa von Giovanni Lorenzo Bernini als Inspirationsquelle für seine Arbeit an. „Diese Form der Sinnlichkeit hat in der Kunstgeschichte schon immer existiert“, erklärt er. „Ich denke, es ist spannend, die Macht der weiblichen Sinnlichkeit zu erforschen.“ Seht hier ein paar Auszüge aus Leders Werk:  >> Seht mehr von Jonathan Leders Arbeiten auf seiner Website und checkt den kompletten Katalog bei Imperial Publishing. 
Beckett Mufson
[ "AKT", "Aktfotografie", "Creators", "Fotografie", "Jonathan Leder", "Pin-up", "schwarz-weiß" ]
2015-10-22T07:29:00+00:00
2024-07-31T01:55:37+00:00
https://www.vice.com/de/article/jonathan-leder-laesst-die-alte-kunst-des-pin-ups-neu-aufleben-423/
Ich war bei einem Seminar, um zu lernen, ohne meine Hände zum Orgasmus zu kommen
Ich liege auf dem Boden, bewege mein Becken im Halbkreis hin und her und stelle mir dabei vor, wie ein rotes Licht aus meinem Damm scheint. Um mich herum stöhnen zwölf fremde Menschen, während sie die gleichen Bewegungen ausführen wie ich. Ich nehme an einem sogenannten „Energygasm”-Workshop teil und versuche, ohne die Hilfe meiner Hände (und damit nur durch reine Gedankenkraft) zum Orgasmus zu kommen. Gayatri Beegan, unsere Kursleiterin, schreitet in einer schwarzen Spitzenbluse und gemusterten Leggins barfuß durch den Raum. „Konzentriert euch auf die Rundheit eurer Atmung! Durch die Nase einatmen, durch den offenen Mund wieder ausatmen!” Ich starre an die geweißte Holzdecke und versuche, nicht zu hyperventilieren. Mehr lesen: Wie bekomme ich einen vaginalen Orgasmus? Ich wurde an einem stürmischen Nachmittag losgeschickt, um über diesen tantrischen Workshop zu berichten. Wir nähern uns dem Höhepunkt der Session und die Visualisierung des roten Lichts, das aus unserem Basis-Chakra (dem Damm) herausscheint, ist dabei der erste Schritt in Richtung Energie-Orgasmus. Aber trotz der Tatsache, dass ich in einem Raum voller Menschen sexuelle Geräusche von mir gebe, fühle ich mich irgendwie nicht peinlich berührt. Der Kurs dauert nun schon drei Stunden und die meiste Zeit davon wurde dazu genutzt, zu den anderen Teilnehmern Vertrauen aufzubauen. Außerdem wurden uns die Techniken beigebracht, die zum Energie-Orgasmus führen sollen. Ich fühle mich also tatsächlich ganz entspannt. Kurz vor Beginn des Workshops ist mir allerdings noch etwas anders zumute und ich nehme Gayatri beiseite. Ich gestehe ihr, dass ich verdammt viel Schiss vor dem Ganzen habe und auf dem Weg zum Workshop die ganze Zeit darüber nachdachte, wie ich mich vor dem Kurs drücken könnte. Gayatri—eine zierliche Frau Mitte 40—widmet sich meinen Sorgen mit einem wohlklingenden schottischen Akzent und gibt dabei auch oft ganz unerwartet ein wunderbar herzliches Lachen von sich.„Bei mir war es vor meinem ersten Energie-Orgasmus genauso!”, versichert sie mir. „Das Ganze war Teil meines Trainings mit der berühmten Tantra-Fachfrau Barbara Carrellas und ich hatte richtig Angst davor. Ich war so eingeschüchtert, dass ich einfach nur regungslos dalag, während die Leute um mich herum total ekstatische Erfahrungen machten. Das war mir richtig peinlich. Aber dann legte der Energie-Orgasmus in mir irgendwie einen Schalter um und ich hatte einen Vision, wie ich selbst ganze Menschengruppen zum Orgasmus führe. Seitdem mache ich diese Workshops und konnte schon über 400 Teilnehmer verzeichnen.” Schließlich schauen wir ihr dabei zu, wie sie ohne jegliche Berührungen einen intensiven Orgasmus erlebt. Ich bin mir auch hundertprozentig sicher, dass sie uns nichts vorspielt. Ich frage sie nach ihrem bisher größten Kurs. „Das waren so 50 Leute, die alle gleichzeitig zum Höhepunkt kamen. Mann, das hatte schon was.” Ihre Augen glänzen bei der Erinnerung an diesen Moment. Ich trinke weiter meinen Chai-Tee.Zu diesem Zeitpunkt stoßen auch andere Teilnehmer zu uns und legen ihre Yoga-Matten im Halbkreis aus. Ich unterhalte mich mit einer rothaarigen Frau, die Hand-der-Fatima-Ohrringe trägt. Sie erzählt mir von ihrem Wunsch, dass die Leute dem Thema Orgasmus gegenüber offener sein würden. Danach schwärmt sie noch von den anderen Tantra-Sessions, die sie schon mit Gayatri erleben durfte.Wie sich herausstellt, kennen die meisten Teilnehmer (altersmäßig ist dabei von Anfang 20 bis Mitte 60 alles vertreten) Gayatri bereits von Festivals oder speziellen Tantra-Workshops. Sie werden von ihr persönlich begrüßt und umarmt—zweiteres meiner Meinung nach ungewöhnlich lange. Die Session beginnt damit, dass wir im Halbkreis dasitzen und uns gegenseitig vorstellen. Ich erzähle davon, dass ich einen Artikel über den Workshop schreibe, dabei aber ausschließlich meine Erfahrungen das Thema sein werden—ansonsten dürfte ich hier auch gar nicht teilnehmen. Nachdem die Einführung vorbei ist, legen wir die Ziele fest, die wir erreichen wollen. Ich schließe meine Augen. „Ich schwöre, für das Ganze hier offen zu sein.”Es folgen Übungen zur Vertrauensbildung. Wir werden dazu aufgefordert, Augenkontakt mit einem anderen Teilnehmer zu halten. „Heißt sie mit euren Augen willkommen!”, meint Gayatri eindringlich. Einer komplett fremden Person in die Augen zu schauen, ist auf eine komische Art und Weise total intim. Ich kämpfe gegen meinen Drang an, nervös loszulachen, während ich eine junge Frau mit grünen Haaren durch meinen Augenkontakt begrüße. Mehr lesen: Auf der Suche nach der Wahrheit über multiple Orgasmen Uns wird dazu noch die Chakra-Atmung beigebracht und wir lernen, wie wir unsere Energie auf die individuellen Chakren unseres Körpers fokussieren. Das heißt: Ohne Pausen durch die Nase ein- und durch den Mund wieder ausatmen. Gayatri nennt das die „runde Atmung”. Nachdem wir unsere Chakra-Atmung geübt haben, schließen wir erneut die Augen und stellen uns vor, wie ein komplettes Universum durch die Spitze unseres kleinen Fingers wirbelt.An diesem Punkt habe ich doch schwer mit mir zu kämpfen. Konzentration und Tantra sind nicht gerade meine Steckenpferde und ich bin es nicht gewohnt, so lange still dazusitzen. Besorgt mache ich mir Gedanken darüber, dass ich meine Tasche zu nahe an der Heizung abgestellt haben könnte und der darin verstaute Krabbensalat deswegen schlecht wird. Dann schiebe ich diesen Gedanken jedoch ganz weit von mir weg—so als ob ich die Tür eines übervollen Kleiderschranks zupresse—und konzentriere mich wieder auf die Milchstraße in meinem kleinen Finger. Nach zwei Stunden folgt eine Teepause. Danach geht es direkt mit dem Bewegungsübungen los. Dazu legt Gayatri Marvin Gayes Hit „Let’s Get It On” auf.„Fahrt mit euren Hüften eine Acht nach!”, ruft sie energetisch. „Und wiederholt meine Worte: Ich bin sexy!” „ICH BIN SEXY!”, brülle ich, während ich mein Becken wie wild herumstoße. Wir tanzen unseren hektischen Hüfttanz weiter um Gayatri herum.„Jetzt dreht euch zu der Person neben euch und ruft: DU BIST ORGASMISCH!” Wie ein wildgewordener Flummi hüpfe ich auf und ab und schreie dabei einem unscheinbaren Mann mit Brille die Worte „DU BIST ORGASMISCH!” ins Gesicht. Jetzt habe ich richtig viel Spaß.Demnach bin ich dann auch etwas enttäuscht, als Gayatri die Musik ausmacht und uns darum bittet, uns wieder hinzusetzen.Neben der Atmung, der Energie und den Bewegungen sind Geräusche die letzte Komponente eines Energie-Orgasmus. Das heißt, dass wir unsere orgasmischen Laute in der Gruppe üben—angeführt von Gayatri. Gayatri läuft umher und zeigt uns, wann genau wir atmen und unseren PC-Muskel anspannen müssen. Dabei weist sie uns auch an, immer intensivere Orgasmus-Laute von uns zu geben. Ich könnte das Ganze jetzt zwar schon für euch beschreiben, aber was würde das bringen? Es klingt genau so, wie ihr euch das gerade vorstellt. Ich schließe meine Augen und gebe ein monotones Stöhnen von mir. Ich meinem Kopfkino sehe ich dabei, wie ich die Tonspur für einen Porno aufnehme.Nachdem uns jetzt auch noch der letzte Schritt zum Energie-Orgasmus beigebracht wurde (das Anspannen des PC-Muskels), sind wir endlich dafür bereit, unseren ersten eigenen Energie-Orgasmus zu erleben. Zuerst demonstriert Gayatri das Ganze aber noch mal. Sie legt ihren Schafsfell-Teppich in die Mitte des Kreises und alle warten gespannt darauf, was nun passieren wird. Schließlich schauen wir ihr dabei zu, wie sie ohne jegliche Berührungen einen intensiven Orgasmus erlebt. Ich bin mir auch hundertprozentig sicher, dass sie uns nichts vorspielt.Die Stimmung ist ziemlich unerotisch und das Ganze kommt auch nicht wirklich versaut rüber. Ich denke darüber nach, wie cool es eigentlich ist, dass sich Gayatri so wohl in ihrem Körper fühlt, und wie uns gesellschaftliche Normen annehmen lassen, dass allein das Reden über das Thema Sex falsch ist. Mir fällt wieder ein, was die Frau mit den Hand-der-Fatima-Ohrringen über das Brechen des Orgasmus-Tabus gesagt hat. Jetzt weiß ich, was sie damit meint. So langsam spüre ich, wie mein Körper von einem wohltuenden Gefühl durchdrungen wird. Ich bin leicht benommen und spüre, wie ich mich von allem löse. Inzwischen ist es draußen dunkel geworden. Wir legen uns in dem durch das schummrige Kerzenlicht erleuchteten Raum auf unsere Decken und bereiten uns auf den Energie-Orgasmus vor. Schamanische Heilmusik ertönt aus den Lautsprechern. Wir bewegen unsere Becken hin und her und stellen uns vor, wie ein rotes Licht aus unserem Basis-Chakra scheint. Gayatri läuft umher und zeigt uns, wann genau wir atmen und unseren PC-Muskel anspannen müssen. Dabei weist sie uns auch an, immer intensivere Orgasmus-Laute von uns zu geben.So langsam spüre ich, wie mein Körper von einem wohltuenden Gefühl durchdrungen wird. Ich bin leicht benommen und spüre, wie ich mich von allem löse. Der Raum kommt mir plötzlich sehr warm und einladend vor. Ich bilde mir ein zu schweben. Ich kenne und liebe dieses Gefühl. Und schon bin ich eingeschlafen. Als ich wieder aufwache, deckt mich Gayatri gerade lächelnd zu. Ich frage mich, ob sie weiß, dass ich geschlafen habe. Die restlichen Kursteilnehmer sind währenddessen ganz der Post-Energie-Orgasmus-Glückseligkeit verfallen. Aber auch ich fühle mich fantastisch, denn ein schönes Nickerchen macht mich einfach glücklich. Als ich nach der Session mit den Teilnehmern rede, erzählen mir alle, dass sie etwas Tiefgreifendes verspürt haben. Allerdings muss man hier auch erwähnen, dass ein Energie-Orgasmus nicht mit einem sexuellen Orgasmus vergleichbar ist. Als Mann saut man sich zum Beispiel nicht die Hose ein.Ganz ehrlich: Ich gehe stark davon aus, dass eine Person, die dieser Erfahrung gegenüber offener eingestellt ist als ich (obwohl ich wirklich mein Bestes gegeben habe), wohl auch ein besseres Ergebnis erzielt hätte. Zwar kann ich wirklich überall einschlafen, aber ich habe die Nacht zuvor auch ordentlich gezecht und deswegen die Augen nicht wirklich zugekriegt.Der Workshop endet mit einem Friedensgebet. Als ich so dastehe und die Hände von mir völlig fremden Personen halte, wird mir plötzlich etwas klar: Es liegt etwas quasi Greifbares in der Luft, das die Leute zusammenwachsen lässt. Dabei handelt es nicht wirklich um Freundschaft, sondern eher um gemeinschaftliches Mitgefühl.Bevor ich mich auf den Nachhauseweg mache, umarme ich noch alle Anwesenden fest und lange. Dabei habe ich nicht den Eindruck, dass sich die Situation irgendwie komisch oder unangenehm anfühlt, sondern eher ziemlich gut. Wenn ich heute irgendetwas gelernt habe, dann auf jeden Fall eine schöne Umarmung.
Sirin Kale
[ "Broadly Sex", "Feminisme", "London", "Orgasmus", "Sex" ]
Identity
2016-11-05T15:00:00+00:00
2024-07-30T23:49:06+00:00
https://www.vice.com/de/article/ich-war-bei-einem-seminar-um-zu-lernen-ohne-meine-hnde-zum-orgasmus-zu-kommen/
Sei keine Pussy, sei Papst
Papstsein ist wie AIDS, außer wenn man Magic Johnson ist, hat man das lebenslänglich. Man kann nicht einfach sagen, dass man nicht mehr mag, weil die päpstlichen Pradaschuhe drücken und dann in ein Kloster ziehen, wo man mit Jesus’ Harem alle Teile von Sisteract nachspielt. Könnt ihr euch noch an Johannes Paul II erinnern. Er war schon so alt, so fertig, so ausgelutscht, dass er sich beim Bodenküssen kaum noch runterbeugen musste. Aber er hat trotzdem einfach weiter gemacht, bis zum bitteren Ende. Und trotzdem kaufen alle lieber einen Merzdes als einen Syrena. Deutsche Arbeitsmoral I am disapoint. Nachdem der Quitter gequittet hat, stellt sich jetzt die Frage, wer denn in den nächsten paar Jahren, bis er/sie nicht mehr mag (eine der wenigen Innovationen von Benedikt XVI) Kinderschädungsskandale vertuschen und dabei einen schönen Hut tragen darf. Madonna 80er Madonna wäre die perfekte Wahl, mit einem schwarzen Jesus und Gospelchören rennen weiße, obere Mittelschicht (nicht zu weit oben) Kleinfamilien Kirchen weltweit die Westtore ein. 2000er Madonna sollte diesen Job aber auf keinen Fall übernehmen. Habt ihr gesehen wie fanatisch sie schon wegen einem roten Faden geworden ist. Wenn die ihr einen purpurnen Talar geben, gibt’s Kreuzzüge. Kanye West “I made Jesus walk I’ll never go to hell” Ich liebe Kanye West, wirklich, aber man muss sich schon ein bisschen fremdschämen, wenn man bedenkt, dass Kanye diese Zeile absolut ernst meint. In Kanyes Kanyeverse hören Jesus, Gott und der heilige Geist jeden Sonntag College Dropout beim chillen. Aber wenn Papst Kanye den Vatikan übernimmt und sich dort größer als bei den VMAs oder im Power Video inszeniert, dann würde ich jedes Jahr nach Rom pilgern, um Papst Yeezy I den Fischer(pinky)ring zu küssen. Mel Gibson Weil die Kirche zwar eh nie ihre konservativen Einstellungen ändert, aber trotzdem noch einen Ruck nach hinten braucht. Im Fernsehn läuft nur Schund. Unter Papst Melius Gibson gibt’s Liveübertragungen von Steinigungen. Selbstkasteiung und richtig harte Sitzbänke brauchen auch ein Comeback. Und die Schilder auf denen “Niggers, Chinks und Kikes müssen leider draußen bleiben” schlägt er höchstselbst an jedes Kirchentor dieser Welt. Stephen Colbert Weil er der beste Mensch überhaupt ist und zufällig auch Katholik. Wir wünschen euch ein gesegnetes Wochenende. Donnerstag: Bleibt daheim. Es ist der Scheiß-Valentinstag. Freitag: Wurstbattle im Kiosk, Fluxuskompensator im Hundsturm & Apparat bei hart aber herzlich Samstag: Soli-Demo mit den Refugees und natürlich der großartige Fairlight Club
VICE Staff
[ "Benedikt XVI", "Papst", "Stuff", "Vice Recommends" ]
2013-02-14T12:47:00+00:00
2024-07-31T05:10:17+00:00
https://www.vice.com/de/article/sei-keine-pussy-sei-papst/
Ein Mann hat zwei Frauen in einem Bierzelt homofeindlich beleidigt und angegriffen
Es ist 2018 und offenbar verfallen einige Leute noch immer in eine cholerische Schnappatmung, weil Teile der Weltbevölkerung nicht nach dem biblischen Adam-und-Eva-Prinzip lieben und Sex haben. Rund eine Woche nach dem Berliner Christopher Street Day soll ein 35-jähriger Mann in der Nacht zum Sonntag zwei Frauen homofeindlich beleidigt haben. Dann wurde der mutmaßliche Täter offenbar handgreiflich – und verletzte eine Frau, die eigentlich helfen wollte, so schwer, dass sie im Krankenhaus versorgt werden musste. Der Berliner Polizei zufolge ereignete sich der Vorfall kurz nach Mitternacht in einem Bierzelt an der Berliner Biermeile, einem 2,2 Kilometer langen Bierfestival an der Karl-Marx-Allee in Berlin-Friedrichshain. Wie eine Sprecherin der Berliner Polizei gegenüber VICE erklärte, sei der Mann der Auffassung gewesen, die beiden Frauen “als Lesben erkannt zu haben”. Diese Erkenntnis hat dem Mann offenbar so zugesetzt, dass er die 18- und 19-jährigen Bierzelt-Besucherinnen beschimpft und mit einer Plastikflasche beworfen haben soll. “Er bezeichnete die Frauen als ‘scheiß Lesben’”, so die Pressesprecherin. Laut der Polizeimeldung entwickelte sich daraus ein größeres Gerangel – mit Folgen: Eine dritte Frau und Freundin des Pärchens soll versucht haben, den Angreifer zu treten. Dabei habe sie ihr Ziel verfehlt. Der Typ habe daraufhin allerdings ebenfalls versucht, die 21-jährige Frau zu treten, habe aber ebenfalls nicht getroffen. Doch offenbar hatte er sich so in Rage getreten, dass er zu härteren Waffen griff: Der Mann habe anschließend ein Bierglas gegriffen und es der 21-Jährigen an den Kopf gehauen, schreibt die Polizei. Sie erlitt eine Platzwunde und musste ins Krankenhaus gebracht werden, konnte es nach der Behandlung aber wieder verlassen. Auch bei VICE: Homosexuelle “heilen” – hinter den Kulissen der sogenannten Reparativtherapie Der Berliner Polizei zufolge ist die Zahl der angezeigten homo- und transfeindlicher Straftaten seit zwei Jahren konstant hoch. Mit 164 registrierten Straftaten gegen queere Personen wurden in Berlin demzufolge 2016 so viele Vorfälle zur Anzeige gebracht wie noch nie zuvor, im vergangenen Jahr waren es nur drei weniger. Auch in diesem Jahr rechnet das LSBTI-Team der Berliner Polizei nicht damit, dass Straftaten gegen queere Menschen abnehmen, wie Polizeioberkommissarin Anne Grießbach-Baerns dem rbb Anfang des Jahres erklärte. Es gebe zudem “ein großes Dunkelfeld”, weil 80 bis 90 Prozent der Fälle nicht angezeigt werden, so Grießbach-Baerns. In Berlin werden mögliche homo- oder transfeindliche Motive bei Straftaten anders als in anderen Bundesländern von der Polizei öffentlich gemacht. Der Angreifer aus dem Bierzelt wurde nach seiner Attacke festgenommen und in eine Gefangenensammelstelle gebracht. Dort wurden seine Personalien festgestellt und ihm wurde Blut abgenommen. Ob er einen erhöhten Alkoholpegel hatte, konnte eine Sprecherin der Polizei am Montag noch nicht sagen. Der hätte ihm als Ausrede für seine Homofeindlichkeit allerdings ohnehin nicht geholfen: “Gegen den Mann wurde Anzeige erstattet”, so die Polizeisprecherin. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
VICE Staff
[ "Bier", "Homofeindlichkeit", "LGBTI", "Verbrechen" ]
2018-08-06T09:39:04+00:00
2024-07-30T18:47:29+00:00
https://www.vice.com/de/article/biermeile-berlin-lgbti-ein-mann-hat-zwei-frauen-in-einem-bierzelt-homofeindlich-beleidigt-und-angegriffen/
Aktivkohle ist der neueste Gesundheitstrend aus den USA
In Deutschland dauert es vermutlich noch eine Weile, aber in Amerika ist bereits jede größere Stadt mit unzähligen Saftläden übersät, in denen alle möglichen Rote-Bete- oder Kohlsäfte und Spinat-Ingwer-Shots zu Wucherpreisen zur Auswahl stehen und sich loyale Kunden mit ihren Yogamatten herumtummeln, die trotz der offensichtlichen, regelmäßigen Preiserhöhung immer wieder kommen. Bald sind wir es alle gewöhnt, unsere Salate nur noch zu trinken und wenn du dich mit deiner Tante in einer Kleinstadt triffst, dabei einen Rote-Bete-Smoothie in der Hand hältst und ihr erklärst, warum kaltgepresste Säfte so toll sind, bist du bald kein Trendsetter mehr. In der Kolumne „This Is Now a Thing” des TIME Magazine wurde kürzlich Aktivkohle als die neueste angesagte Zutat für Gesundheitsfanatiker angepriesen. Plötzlich ist es ein häufiger Zusatz in grünen und anderen Säften von großen amerikanischen Herstellern wie Project Juice oder Juice Generation, in Eiweißshakes und kokosnussbasierten Nahrungsergänzungsmitteln. Holistische Gesundheitsblogs wie WellnessMama empfehlen es für alle möglichen Dinge: für weißere Zähne, als Stimmungsaufheller oder um deine Kinder zu beruhigen. Der Gründer von Juice Generation, Eric Helms, sagte kürzlich zur New York Post, die „Aktiv”-Produkte des Unternehmens—eine Produktlinie von Getränken mit Aktivkohle zu je 9,95 Dollar [ca. 9,15 Euro]—zählen zu den „beliebtesten Produkten”, die sie je auf den Markt gebracht haben. Gwyneth Paltrow verkündete ihren Anhängerinnen via GOOP, dass sie die acht Dollar teuren Aktivkohle-Limonade—ein angeblicher „Leberentgifter” und „Katerhelfer”—des Unternehmens JUICE Served Here aus L.A. für gut befindet. Dave Asprey, „Biohacker” aus dem Silicon Valley und Autor von The Bulletproof Diet, wirbt auf seiner Website ebenfalls dafür: „Aktivkohle ist das älteste Entgiftungsmittel der Welt und ist jetzt als wirksames und praktisches Ergänzungsmittel verfügbar, das dir dabei hilft, die Gifte in deinem Essen und deiner Umgebung, die dich dick, schwach und benebelt machen, zu eliminieren.” Obwohl es nur wenig wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die die scheinbar „entgiftende” Eigenschaft belegen, auf die die Gesundheitscommunity so fixiert ist, gibt es dennoch einen vernünftigen Grund, weshalb Aktivkohle damit in Verbindung gebracht werden kann. Wenn du zurück an deine Kindheit denkst, als du oder deine Geschwister noch öfter aus Versehen mal „Gift” gegessen haben, kannst du dich vielleicht noch erinnern, wie deinem Bruder jedes Mal Aktivkohle verfüttert wurde, nachdem er Glasreiniger getrunken oder Prozac gefuttert hatte. Das liegt daran, dass Aktivkohle die Aufnahme von toxischen Substanzen stoppen kann—aus dem gleichen Grund, warum sie auch in Wasserfiltern vorkommt. Es handelt sich im Grunde um ein negativ geladenes Magnet, das an Fremdstoffe und Medikamente bindet und somit verhindert, dass der Körper sie aufnimmt. Das bedeutet aber nicht, dass sich ständig undefinierbare Giftstoffe in deinem Körper befinden, die hinausgespült werden müssen. Tim Caulfield, Forschungsleiter des Instituts für Gesundheitsrecht an der University of Alberta und Autor von Is Gwyneth Paltrow Wrong About Everything?, will die Besessenheit über das „Entgiften” endlich als Mythos entlarven. „In unserer heutigen Zeit denken wir alle, wir müssen uns von den bösen Geistern befreien”, sagt er mir per E-Mail. „Obwohl diese Industrie immer größer und der Trend immer beliebter wird, gibt es keine Beweise, die belegen, dass wir alle unsere Körper entgiften sollten. Für das haben wir Organe. Wenn du pinkelst, entgiftest du. Das ist gratis und braucht auch nicht viel Zeit.” Er bestätigt, dass Aktivkohle seine Vorteile hat, obwohl sie nicht unbedingt in der Saftindustrie am besten zum Tragen kommen: „Kohle wird im medizinischen Bereich für sehr bestimmte Zwecke verwendet, wie wenn sich eine Person vergiftet hat. Aber es gibt keinen Beweis dafür, dass wir regelmäßig Aktivkohle konsumieren sollten.” In zu großen Dosen kann Kohle zu Erbrechen, Diarrhö und Verstopfungen führen—letzteres ist die wahrscheinlichste Nebenwirkung, besonders wenn sie in Verbindung mit gewissen Medikamenten eingenommen wird. Außerdem verhindert sie nicht nur die Aufnahme von „Giftstoffen”, sondern auch von den Nährstoffen in deinem Essen, des Ibuprofen, das du mit deinem Kaffee eingenommen hast, oder deiner Antidepressiva, die dich vor den nächsten Panikattacke bewahren. Im Grunde sollte man sich Aktivkohle nicht leichtsinnig selbst verabreichen, wie es bei den meisten Medikamenten der Fall ist. Und wenn man sich die Bevölkerung ansieht, wird es früher oder später Leute geben, die dumm genug sind, sich die Holzkohlebriketts aus dem Grill zu futtern im Glauben, sie befreien ihren Körper jetzt von jeglichen unbestimmten Giftstoffen. Caulfield sieht den Kohle-Wahn eher als Möglichkeit, dem Konsumenten das Geld aus der Tasche zu ziehen, ohne einen Beweis für die gesundheitsfördernden Eigenschaften erbringen zu müssen. „Hier wird einfach ein alter Trick—Säfte—mit einem neuen veredelt: Aktivkohle. Die Leute sind ständig auf der Suche nach einer magischen Formel für Gesundheit und Ernährung. Aber wann hat sich so ein Wahn auf lange Sicht schon als berechtigt herausgestellt? Ernährt euch einfach bewusst und ausgewogen, mit viel Obst und Gemüse. Vergesst diese ganzen Werbetricks.” Während ich über diese ganze Aktivkohle-Welle lese, muss ich unweigerlich an eine Phase denken, die ich vor ein paar Jahren hatte, als ich jeden Morgen Chia-Pudding zum Frühstück aß, weil ich von den „zahlreichen gesundheitlichen Vorteilen” gelesen hatte, mit denen jedes neue Superfood beworben wird. Mein morgendliches Ritual gab ich aber ziemlich plötzlich auf, als mir mir eine Arbeitskollegin von einer ihrer Freundinnen erzählte, die mit Unterleibsschmerzen in die Notaufnahme eingeliefert wurde, wo sie operiert werden musste und die Ärzte einen riesigen Darmverschluss bestehend aus Chia-Samen entdeckten (das passiert anscheinend hin und wieder …). Manche Leute müssen einfach lernen, sich weniger Sorgen zu machen (und weniger besessen von irgendwelchen Superfoods sein) und Giftstoffe lieben lernen.
[ "Aktivkohle", "amerika", "Chia-Samen", "Denken", "Food", "Gesundheit", "gift", "kohle", "medikamente", "Munchies", "nahrungsergänzungsmittel", "smoothies", "Superfood", "Time", "Trend", "usa" ]
2015-03-10T07:40:20+00:00
2024-08-12T05:08:47+00:00
https://www.vice.com/de/article/aktivkohle-ist-der-neueste-gesundheitstrend-aus-den-usa-682/
Wie du als kleine Band auf Tour kein Geld verlierst
Letzte Nacht habe ich einen extrem ärgerlichen Artikel einer Hype-Band gelesen, die zu Protokoll gab, dass sie auf ihrer 28 Tage langen US-Tour insgesamt 140.000 Dollar ausgegeben hätte und trotz vieler Einnahmen 12.000 Dollar im Minus gelandet sei. Natürlich sind einige Ausgaben auf Tour unvermeidlich. Aber jeder, der mal mit einer Band unterwegs war, wird sofort sehen, dass sie einfach Geld für unnötige Scheiße ausgegeben haben. Punkt. So etwas regt mich auf, weil es kleinen Bands wie meiner (und wahrscheinlich deiner, falls du in einer spielst) das Gefühl gibt, es wäre finanziell unmöglich auf eine längere Tour zu gehen. Es stigmatisiert diese Idee und gibt dem Ganzen den Geruch eines großen Risikos. Die Wahrheit ist aber: Als ich mit meiner Band Direct Hit das erste Mal durch die USA getourt bin, haben wir jeden Abend in irgendwelchen Kellern vor 15-25 Leuten gespielt. Und wir haben alle trotzdem genug Geld mit nachhause gebracht, um unsere angepissten Freundinnen ausführen zu können. Wie haben wir es als winzige Band geschafft, mehr Geld rauszuholen als die Jungs mit ihren 100 Millionen Youtube-Views? Nun, es war eigentlich verdammt einfach. Es ist prinzipiell eh cool, dass die erwähnte Band ihren Mitgliedern Lohn zahlt, die richtigen Hotelzimmer bucht und so insgesamt 25.000 Dollar an „Produktionskosten“ in den Wind bläst. Aber wenn man sich durch ihre Tour-Buchhaltung liest, sieht man sofort einige Stolperfallen, die sich problemlos vermeiden lassen. Wenn man sich auf Tour ein bisschen auf den gesunden Menschenverstand verlässt, ist es eigentlich egal welche Größe deine Band hat—du wirst dich dabei nicht in den Ruin stürzen müssen. Wurscht ob du Beyoncé, ein DJ in einer 1000er Venue oder eine Punk-Band bist, die vor 9 Leuten spielt, die euch noch dazu hassen. Lass uns einen kurzen Blick auf die Buchhaltung unserer 2013-Tour werfen: Tage auf Tour: 37 ( 20. Juni bis 28. Juli 2013) AUSGABEN Benzin: $3,488.45 Van-Reperaturen: $494.15 Bankgebühren: $92.00 Parken: $26.00 Hotels: $122.00 Autobahngebühren: $148.05 Kosten insgesamt: $3,096.24 EINKOMMEN Ticketverkäufe: $4,225.00 Merch-Einnahmen: $4,373.00 Einnahmen insgesamt: $8,598.00 WTF? Wie haben wir das gemacht? Relativ einfach. Hier sind ein paar leicht zu befolgende Tipps: „Geld interessiert uns nicht! Wir wollen nur herumfahren und einen Party-Urlaub machen.“ Das ist häufig das, was man von kleinen Bands hört, die auf Tour gehen. Das ist natürlich großartig und auch richtig, weil niemand mit der Scheiße, die wir machen, reich wird. Aber mal ehrlich: Wann hast du das letzte Mal vor einem Urlaub nicht wenigsten 5 Minuten drüber nachgedacht, was dich das Ganze kosten wird? Es braucht knapp 20 Minuten, ein Basis-Budget für eine Tour zu erstellen. Ihr wisst, in welchen Städten ihr spielt oder spielen wollt. Ihr wisst ungefähr, wie viel Benzin euer Tourbus verbraucht. Also geht auf Google Maps, setzt euer Zuhause als Start- und Zielpunkt und tippt eure Stops ein. Dann multipliziert ihr das mit 1,15—damit habt ihr relativ genau die Entfernung, die ihr zurücklegen werdet, plus einen Puffer. Das setzt ihr dann in Relation zum Verbrauch eures Vehikels und teilt es durch die Zahl der Shows. Das Ergebnis ist dann das, was ihr pro Show für den Transport einnehmen müsst. So einfach ist das. Benzin ist die größte Ausgabe, die ihr als DIY-Band auf Tour haben werdet. Alles andere sind relativ gesehen Peanuts. Wenn ihr also wisst, wie viel Geld ihr für Benzin brauchen werdet, kennt ihr schon mal den Löwenanteil eurer Ausgaben. Und das ist viel wert. Niemand will das Arschloch sein, das Promoter nach mehr fragt als man sollte. Und das solltet ihr auch nicht. Aber wenn ihr eine Tour plant, erwähnt trotzdem immer, was ihr für den Stop an Benzin ausgebt und fragt nach einer Einschätzung, ob eure Band das wieder einspielen wird. Nach Geld fragen hat nichts mit Gier zu tun. Es gibt euch die Sicherheit, dass der Booker sich zumindest ein bisschen dafür interessiert, ein paar Leute zu der Show hinzubekommen. Als ich unsere erste Tour geplant habe, habe ich den Fehler gemacht und den Bookern erzählt, dass es uns nicht ums Geld ginge—alles, was wir wollten, sei ein Platz zum Schlafen. Das Resultat: In 50% der Fälle wusste der Barkeeper bei unserer Ankunft nicht mal, dass es an dem Abend ein Konzert geben würde, weil es ihm der Promotor nicht mitgeteilt hatte. Warum auch? Wenn er euch nichts versprochen hat, hat er auch keinen Grund sich darum zu kümmern, dass wenigstens 10 Leute auftauchen. Es muss nicht viel sein: Selbst wenn ihr 25 Dollar vereinbart, wird er zumindest drei Gedanken an den Abend verschwenden. Wenn er euch nicht mal das garantieren kann, geht davon aus, dass er eigentlich nur das Geld der Leute abgreifen will, die ihr selbst mobilisiert. Und scheißt auf ihn. Dasselbe gilt für einen Schlafplatz. Nach einem Platz auf irgendeiner Couch zu fragen zeigt ihm, dass ihr wirklich Ausgaben habt, selbst wenn ihr nur 20 Minuten spielt. Hotels sind scheiße teuer—nichts bläst ein Mini-Budget unnötiger auf als Hotelzimmer für eine komplette Band, selbst wenn es nur an ein oder zwei Tagen die Woche ist. Wenn ihr mal irgendwo keinen Schlafplatz kriegt, schlaft im Van. Ich meine das ernst. Selbst wenn ihr irgendwo campt, ist das immer noch billiger als das billigste Motel. Es ist verlockend, in einer Art voll ausgestatteten mobilen Wohnung zu reisen, wenn man auf Tour ist—tatsächlich ist es aber eine der dümmsten Entscheidungen, die man als Band überhaupt treffen kann. Je größer das Equipment und Gepäck, desto höher die Ausgaben für Sprit, Instandhaltung, Reparaturen, Parken etc. Es ist verkehrstechnisch um einiges gefährlicher, weil es fast unmöglich ist, ordentlich in die Bremse zu treten, und weil es schwieriger ist, bei schlechten Wetterbedingungen, durch enge Passagen, hügelige Strecken oder um Kurven zu fahren. Es mag vielleicht wie eine gute Idee wirken, sich für einen Tausender einen Extra-Anhänger zu checken, aber Parken wird damit beinahe zur Unmöglichkeit. Vom rückwärts Einparken ganz zu schweigen. Und es bedeutet, dass ihr in keiner Parkgarage Platz finden wirst, und in Folge die drei mal so teure, kostenpflichtige Großparkplätze verwenden musst. Wenn ihr nicht gerade so derartig viel Merch verkauft, dass ihr einen eigenen Anhänger haben MÜSST, dann vergesst es lieber. Wenn ihr in einer 2-köpfigen Formation spielt, dann tourt in einem Ford Escort. Wenn ihr in einer 4-köpigen Band spielt, tourt in einem Minivan. Wenn ihr einen Haufen Merch verkauft, dann checkt euch einen 12-Sitzer-Van. Egal in welcher Ausgangssituation: Versucht euer Bestes, um euren Transport zu minimieren. Nutzt wenn möglich die Boxen oder das Drumset von den anderen Bands, die bei euren Shows spielen. Je kleiner ihr euer Equipment haltet, desto mehr Kosten könnt ihr vermeiden. Verwendet euer Riesenequipment nur dann, wenn ihr auch wirklich Riesenshows spielt. Trefft eure Equipment-Entscheidungen anhand der Fakten, und nicht anhand eures Egos. „Es ist so einfach! Wir haben bei der Show 110 Dollar verdient, und das, obwohl nur 14 Zuschauer gekommen sind!“ Ja, so etwas höre ich oft. Die meisten Bands verdienen auf Tour mit zwei verschiedenen Quellen Geld: 1. Eintritt und 2. Merchandise. Es ist wichtig im Auge zu behalten, dass Merch im Gegensatz zum Eintritt auch mit Ausgaben verbunden ist, deshalb sollte man beide Kassen getrennt von einander behandeln und aufzeichnen. Wenn du Zeug verkaufst, dann zeichne nach jedem Abend auf, wie viel du einerseits mit den Shirts und andererseits mit der Musik verdienst. Es ist ziemlich einfach sich einzubilden, dass man On Top sei, wenn man 40 Dollar pro Nacht verdient hat, einfach weil man dabei gerne mal vergisst, dass man ja im Vorhinein auch Kohle in das Zeug investiert hat. Dafür muss man eigentlich nicht der Wirtschafts-Oberfuzzi sein. Wenn du keine Lust hast, penibel genaue Aufzeichnung von deinen Ein- und Ausgaben zu führen, ist das ja eh auch okay. Du solltest aber zumindest eine grobe Richtzahl davon im Kopf haben, wie viel du einerseits an Merch verkauft hast, und wie viel die sechs Zuschauer im Gegenzug in den Hut geworfen haben, der während eures Konzertes durchs Publikum gereicht wurde. Wenn du zuhause ankommst, rechne zusammen, wie viel du mit deinem Merch verdient hast, und ziehe davon die Summe ab, die du schon im Vorhinein in die Produktion gesteckt hast. So weiß der Typ, der die Shirt für euch hat drucken lassen im Nachhinein zumindest, wie schlimm er über den Tisch gezogen worden ist. Ganz simpel: Erdnussbutter, Marmelade, Dosen-Thunfisch, Vollkornbrot, Multivitaminsaft und Kräutertee sind günstiger als Fast Food-Menüs. Du gibst im Drive-Through zwar vielleicht nur 5 Dollar und im Supermarkt 10 Dollar aus, aber mit dem Zeug, dass du dir im Supermarkt kaufst, wirst du 5 Tage auskommen statt 10 Minuten. Und wenn ihr das Glück habt, für einer Show tatsächlich Gage zu bekommen, dann könnt ihr die Kohle zum Eintrittsgeld werfen, anstatt sie für pampigen Fraß auszugeben, den ihr im Nachhinein am liebsten auf die Bühne kotzen würdet. Indem ihr ab und zu mal beim Supermarkt halt macht, schafft ihr es, gerade mal die Hälfte des Geldes zu benötigen, das ihr für Fast Food benötigen würdet. Und wenn ihr jeden Tag einen Multivitaminsaft oder Smoothie zu euch nehmt, werdet ihr nicht mal auf die Nährstoffe verzichten müssen, die euch bei dem labbrigen Salat und der verrunzelten Tomate in einem Burger entgehen.
Nick Woods
[ "Bandleben", "Features", "Music", "Noisey", "Noisey Blog", "Tour", "Tourleben" ]
2014-11-28T12:38:00+00:00
2024-07-31T02:56:56+00:00
https://www.vice.com/de/article/wie-du-als-band-auf-tour-garantiert-kein-geld-verlierst-826/
Wir haben deutsche Bahnhöfe nach Hässlichkeit sortiert
An Bahnhöfen verbringt niemand freiwillig mehr Zeit als unbedingt nötig. Da ist es konsequent, dass viele so hässlich sind. Aber es ist auch tragisch. Denn oft prägen Bahnhöfe den ersten Eindruck, den Reisende von einer Stadt gewinnen. Wenn man danach geht, scheinen viele deutsche Städte ihren Besucherinnen und Besuchern entgegen zu rufen: “Herzlich willkommen, bei uns bist du richtig, wenn du auf Tristesse, Belanglosigkeit und Uringeruch stehst.” Es wird Zeit, dass jemand auf diesen Missstand hinweist. Denn dass euch Ästhetik am Herzen liegt, habt ihr schon in den Kommentaren zu unseren beiden Rankings der hässlichsten Unis Deutschlands gezeigt. Auch hier erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit und freuen uns auf weitere Hinweise zu erwähnenswerten Bausünden. Lasst euch nicht täuschen von der Pracht der Bahnsteighallen aus Glas und Stahl. Wer zu lange staunend stehen bleibt, wird vom nächsten Schwall Fahrgäste umgerempelt. Wo die Bahnsteige zur Bahnhofspromenade münden, entsteht ein unfreiwilliger Moshpit. Die Regeln zum Durchqueren des Bahnhofs lauten: Stechschritt, Tunnelblick und bloß keine freundlichen Gesten. Das hat einen Grund. In Frankfurt sind Armut und Reichtum besonders sichtbar. Das ist ehrlich, und das ist hart. In einer idealen Welt würde das zu gegenseitigem Respekt führen. Im Hauptbahnhof Frankfurt führt das dazu, dass alle zutiefst voneinander abgefuckt sind. Auch bei VICE: Die Rohfleischfresser Im Bahnhof verbringen auch Menschen ihren Tag, denen es sehr dreckig geht. Eigentlich brauchen sie Geld, aber was sie bekommen, ist Verachtung. Viele reagieren mit Traurigkeit. Sie sitzen in den Katakomben der B-Ebene, einem fensterlosen, von Mäusen und Ratten bewohnten Ort mit niedrigen Decken, in dem es nach Urin und faulen Eiern riecht. Andere reagieren mit Wut. In der B-Ebene gibt es eine Drogerie, die den Tag wohl nicht ohne Security überstehen würde. Auf der Rückkehr von einer Silvesterfeier am Neujahrsmorgen sah ich einmal auf einem Frankfurter Bahnsteig, wie ein Mann abwechselnd aus einem Tetrapack Weißwein trank und den Wein direkt wieder auskotzte. Prost Neujahr. Noch verzweifelter fühlt man sich nur als BahnComfort-Kunde in der DB-Lounge. Dort kann man auf roten Kunstledersesseln in konservativen Tageszeitungen blättern, Gratis-Kaffee schlürfen und – von oben bis unten angekotzt von den eigenen Privilegien – durchs Panoramafenster herabschauen. Auf Hunderte entnervte Menschen in der Bahnsteighalle, die zwischen den von Tauben vollgeschissenen Dächern der Imbissbuden drängeln. Vielleicht haben die Planer einfach etwas missverstanden und glaubten, Bahnhöfe müssten besonders zugig sein. In dieser Hinsicht haben sie ganze Arbeit geleistet: Am Berliner Hauptbahnhof zieht es wirklich ÜBERALL. In der obersten Ebene wirbeln einem die S-Bahnen kalte Ostluft um die Ohren, von der Spree fegt russischer Wind rüber. Im Wirrwarr aus Treppen und Aufzügen tropft es regelmäßig von der Decke. Ganz unten hat man das Gefühl, man sei in ein Schweizer Tunnelbauprojekt geraten. Das gemütlichste an diesem Bahnhof ist der Starbucks. Das will doch was heißen. So sieht der Lageplan auch nicht aus wie ein ordentlicher Lageplan, sondern eher wie der Querschnitt eines sehr komplizierten Gelenks. Berlin-Bashing nervt. Aber diesen Bahnhof – den kann man nur verachten. Abreißen. Neu bauen. Den Stuttgarter Bahnhof kann man alleine schon deswegen hassen, weil er die Wutbürger in die Welt gebracht hat. Aber wir analysieren hier nur nach ästhetischen Gesichtspunkten. Da holt das Hauptgebäude – der “Bonatzbau” – auch keinen Beautypreis. Bevor jetzt Architekturnerds “Wegbereiter der neuen Sachlichkeit, toll, toll, toll!” und Lokalpatrioten “Wahrzeichen Stuttgarts, MERCEDESSTERN!” in die Kommentare hacken, bitte einmal kurz durchatmen. Nüchtern betrachtet erinnert das Hauptgebäude eher an NS-Ordensburgen als einen Bahnhof: geradlinig, grau, germanisch. Gemacht für 1.000 Jahre Verzögerung im Betriebsablauf. Als der Vorgängerbahnhof im Renaissance-Stil zu klein wurde, schrieben die Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen 1910 einen Architekturwettbewerb für einen Neubau aus. Heraus kam ein in Stein gemauerter Stechschritt, den weder die Fliegerbomben der Royal Air Force noch Stuttgart21 ganz klein kriegen konnten. Es würde einen nicht wundern, wenn hier der Zugang zur Hohlerde läge, in der inzestuöse Nazi-Nachfahren ihre Reichsflugscheiben polieren. Stattdessen liegt hier nur eine gigantische Baustelle für den neuen Bahnhof, der – verborgen unter Glasdächern – zumindest die ästhetische Lage über der Erde nicht gravierend verschlimmern kann. Dies ist ein Nachruf. Wo 60 Jahre lang das Empfangsgebäude des Münchner Hauptbahnhofs das Auge beleidigte, klafft seit 2019 eine herrliche, die entsetzliche Vergangenheit vergessen machende Lücke. Die abgerissene Eingangshalle macht Platz für einen Neubau. Erinnern wir uns also ein allerletztes Mal an dieses architektonische Schlafmittel in der, laut Münchnern ohne Reiseerfahrung, “schönsten Stadt der Welt”. Bei der Einfahrt in den Bahnhof begrüßt Reisende noch immer ein als Flakturm getarntes Weichenstellwerk. Ab hier hört der Spaß auf, scheint es zu signalisieren. Die inzwischen verschwundene Straßenfassade des Hauptgebäudes dagegen nahm in seiner geradlinigen Einfallslosigkeit 1960 den mehr als zehn Jahre später errichteten Palast der Republik in der DDR vorweg. Wer hier ausstieg, betrat eine für München einmaligen Anarchie-Zone. Der riesige Vorplatz zwischen Gleisen und Ausgängen machte es während der Rushhour fast unmöglich, nicht gegen orientierungslose Touristen zu laufen. Hoffentlich wird der Neubau das ändern. Dessen Entwurf sieht einen weißverkleideten Bau vor, der im nordwestlichen Teil in einen Turm mündet. Das sieht dann so aus, als habe ein russischer Oligarch auf Einkaufstour seine Superyacht im Stadtzentrum geparkt – also sehr münchnerisch. Die Einwohner einer Stadt geben ihren Wahrzeichen oft die Namen, die sie verdienen. Und so heißen die pisseglitschigen Rampen, auf denen man jahrzehntelang von der Fußgängerzone in die 70er-Jahre-Unterwelt des Hauptbahnhofs der ehemaligen Hauptstadt schlittern musste, völlig zu Recht “Bonner Loch”. Unten wurden Reisende von kaltem Licht aus Neonröhren, klaustrophobisch niedrigen Sichtbeton-Decken und einem Bodenbelag aus Gummi empfangen, der wahrscheinlich schon zu Helmut Kohls Zeiten klebrig ausgeliefert wurde. Bestialischer Gestank waberte durch die Tunnel, kein Tageslicht. Zwischen dem namenlosen Asia-Imbiss (geschlossen) und der Trinkhalle (immer offen) hallten Schreie von Menschen, die sich wegen einer zerbrochenen Flasche Doppelkorn prügeln. Wer heute den Hauptbahnhof betreten will, ohne das Bonner Loch zu durchqueren, muss an der Straße ein gutes halbes Jahr auf eine Grünphase und drei Trams im Schneckentempo warten. Aber bis auf einen Brezelstand gibt es eh nichts im Hauptgebäude. Selbst bei minus fünf Grad lässt man sich also lieber am Gleis einschneien, als sich tatsächlich im Bahnhof aufzuhalten. Mittlerweile – man muss genau hingucken – hat eine Großbaustelle das Bonner Loch abgelöst. Dort entsteht jetzt ein “Lifestyle House”, heißt es, irgendwas mit einem MotelOne und einem Starbucks unter dem Projektnamen “Urban Soul”. Unten schließen die Ratten schon Wetten ab, was sich Bonn diesmal ausdenkt, um seinen Bahnhof in eine Hölle zu verwandeln. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
VICE Staff
[ "Architektur", "Bahnhof", "Berlin", "hässlichkeit", "Reisen" ]
Menschen
2020-10-14T08:16:05+00:00
2024-07-30T13:41:09+00:00
https://www.vice.com/de/article/wir-haben-deutsche-bahnhofe-nach-hasslichkeit-sortiert/
Narcos-Fans graben alte Werbeanzeigen für Koksutensilien aus den 1970ern aus
Als Carlos Lehder 1975 das erste Mal mit seinem eigenen Sportflugzeug ein paar Kilo kolumbianisches Koks von Medellin nach Miami flog, legte er den Grundstein für die berüchtigte Kokainwelle, die in der zweiten Hälfte der 70er Jahre über US-amerikanische Großstädte rollte. Der gigantische Markt, der in Hochzeiten zu bis zu 80 Prozent von Kolumbiens Drogenmogul Nr.1, Pablo Escobar, kontrolliert wurde, etablierte Koks als Lifestlye-Droge der Reichen und Schönen, die sich fortan mit der Frage beschäftigten, ob sie das weiße Gold lieber durch ein vergoldetes Röhrchen oder von einer abgeschliffenen Glasplatte in Einzelanfertigung schniefen sollten. IRL-Narcos: Die grausame Pathologie des Body-Packing Dass es in den USA eine regelrechte Industrie für Paraphernalien aller Art zwischen luxuriös und praktisch gab, stellen folgende Werbeanzeigen der Jahre 1976 bis 1981 eindrucksvoll unter Beweis, die Fans der neuen Netflix-Serie Narcos in liebevoller Detailarbeit gesammelt, gescannt und auf Theworldsbestever veröffentlicht haben. Während Narcos die gängigen Klischees des lateinamerikanischen Drogensumpfs von schönen Frauen über schießfreudige Auftragskiller bis zu kartellinternen Machtspielen bildgewaltig ausreizt und sich gespickt mit historischen Fakten vor allem auf Aufstieg und Hochzeit von Pablo Escobar und seinem Medellín-Kartell konzentriert, geben die künstlerisch designeten Webeanzeigen Zeugnis von der Welt am anderen Ende der verhängnisvollen kolumbianisch-amerikanischen Supply Chain. In einer Mischung aus Glorifizierung, pseudowissenschaftlichem Pragmatismus und purer Lifestyle-Euphorie wurde dem geneigten Konsumenten anscheinend alles an die Hand gegeben, was den Drogenkonsum irgendwie angeblich eleganter machte. Von den schädlichen Wirkungen der Droge ist auf den Anzeigen, die in bestem Werbesprech gehalten sind, nichts zu lesen. „Tu es zivilisiert” oder „sei nett zu deiner Nase” heißt es da ohne weitere pharmazeutische Legitimation—andere Produkte versprechen „Schnee statt Matsch” oder „nie wieder Klumpen in der Line”. Vor allem aber spricht man dem gestressten Großstädter seine wohl verdiente Erholung nach der Arbeit: „Gönn dir mal was!”, „du verdienst es!”. Ein Produkt geht sogar soweit, zu behaupten, es diene dazu, die Streckmittel im Kokain zu identifizieren—für 180 US-Dollar. Auch heute noch sind Werbeanzeigen für Utensilien des Drogenkonsums in den meisten Bundesstaaten tatsächlich legal, allerdings weht anno 2015 wohl definitiv ein anderer Zeitgeist durch die Welt der Produktvermarktung—zumindest im Clearweb. Weitere Originalanzeigen findet ihr unter folgendem Link.
Johannes Hausen
[ "Drogenhandel", "drogenkonsum", "Kokain", "Kultur", "Motherboard", "motherboard show", "Narcos", "PABLO ESCOBAR", "Tech", "Werbung" ]
Tech
2015-10-14T15:27:00+00:00
2024-07-31T01:49:28+00:00
https://www.vice.com/de/article/narcos-fans-graben-alte-werbeanzeigen-fr-koksutensilien-aus-den-1970ern-aus-423/
Eli Manning hat die perfekte Antwort für den Party-Ausflug seiner Receiver
Skandal, Skandal! Die New York Giants Wide Receiver Odell Beckham Jr., Victor Cruz and Sterling Shepard haben, nachdem sie mit einem 19:10-Sieg gegen die Washington Redskins, die Playoff-Träume des Rivalen endgültig begraben haben, einen kleinen Ausflug gemacht. Nach Miami. Auf eine Yacht. Mit Justin Bieber und Trey Songz. Eine Woche vor dem ersten Play-Off Spiel. SKANDAL! Was in New York allerdings am meisten für Gesprächsstoff sorgt ist ein Foto der Jungs. Stilecht oben ohne auf dem Yacht-Deck. In Jean$ und Winterboot$. Währenddessen paukt ihr Quarterback Eli Manning im eisigen New York Spielzüge und feilt an der perfekten Taktik für das kommende Spiel gegen die Green Bay Packers. Aber schreit Eli deswegen „SKANDAL”? Nein, der zweifache Super Bowl Champ Manning nimmt die feiernde Rasselbande sogar in Schutz. Ihr Verhalten sei nicht zu kritisieren, erklärt er, wohl aber ihre Fähigkeit, Koffer zu packen: „Ich glaube das Team konnte bisher stolz darauf sein, sich immer richtig vorbereitet zu haben. Als ich die Bilder gesehen habe, war ich schon enttäuscht. Offensichtlich haben sie nicht richtig gepackt. Sie hatten T-Shirts vergessen.” Vielleicht ist Manning aber auch einfach ein bisschen neidisch, dass seine Boys ihn nicht mit nach Miami genommen haben. Vielleicht ja deswegen, weil der dreifache Vater Eli nicht gerade den passenden Beach-Body am Start hat … Der 36-jährige Manning mag zwar nicht ganz das Swaglevel seiner Kollegen haben, dafür aber eine ganze Menge Humor. Danke Eli!
[ "eli manning", "Highlights", "New York Giants", "ODELL BECKHAM JR.", "Sports", "sterling shepard", "VICE Sports", "Victor Cruz" ]
2017-01-04T11:29:10+00:00
2024-08-12T09:42:30+00:00
https://www.vice.com/de/article/eli-manning-hat-die-perfekte-antwort-fr-den-party-ausflug-seiner-receiver/
Interpol ist nach 50 Stunden endlich wieder frei—so halb
Finally just started making a move. 50+ hours later. Hoping for some luck today.-DK Heftige Schneestürme bringen derzeit an der Ostküste der USA die dortige Wirtschaft zum Erliegen, fordern Menschenleben und haben jetzt auch noch die heiß erwartete Comeback-Tour von Interpol versaut. Die Band Interpol ist gerade in Nordamerika unterwegs, um ihr neues Album El Pintor zu promoten, und saß 50 Stunden im Tourbus fest. Vor wenigen Stunden hat sich dann endlich etwas getan und sie sind befreit worden, dann sind sie in ​eine Straßenabsperrung geraten und hängen jetzt in Buffalo fest. Hier ihr aktuellstes Lebenszeichen: Holding pattern: Buffalo.-DK So sah es noch gestern aus: Snow plows trapped in the snow.-DK — Interpol (@Interpol)19. November 2014 Unter diesem ganzen weißen Zeug befanden sich eine Stadt, mehrere Fahrzeuge, Straßen, Briefkästen und einige ungeöffnete Kartons voller Interpol-Merchandise. Ein paar tapfere Räumfahrzeuge versuchten, deine Lieblingsband vor dem verfrühten Karriereende zu bewahren. Doch wie kam es zu dem ganzen Schlamassel? Alles begann, als die Band ihre Show in Toronto absagen musste, weil sie wegen des schlechten Wetters in Buffalo festsaß.  ​Folgendes Statement wurde für die kanadischen Fans veröffentlicht: „Liebe Fans aus Toronto, ​ wegen eines Schneesturms steckt unser Tourbus kurz vor Buffalo fest. Seit über neun Stunden stehen wir auf der Stelle. Leider müssen wir das heutige Konzert im Kool Haus absagen. Wir haben uns sehr auf diese Show gefreut, aber der heftige Wintereinbruch ist dieses Jahr wohl ziemlich früh gekommen. Wir werden so schnell wie möglich einen Ersatztermin bekanntgeben.” Natürlich haben sich die Dinge von da an nur noch verschlimmert. Die Bandmitglieder betrinken sich sinnlos, beten für eine Befreiung aus ihrem verschneiten Grab und versuchen, sich nicht ( ​wie in diesem Film) gegenseitig aufzuessen. Hour 13 trapped in the snow. Dry goods and vodka. We will make it. -DK — Interpol (@Interpol)18. November 2014 Aber selbst mit Schnaps und Fertiggerichten lässt sich das langsame Verrücktwerden nicht aufhalten. Falls du jemals Shining, Panic Room oder diese Simpsons-Folge gesehen hast, in der Homer und Mr. Burns in einer Berghütte unter einer Lawine begraben werden, dann weißt du, wie leicht man durchdrehen kann, wenn man länger als 20 Minuten auf engem Raum eingesperrt ist. Und jetzt stell dir das Ganze mit ein paar stinkenden und Alkohol ausdünstenden Typen vor. Pablito banks keeping productive during our times.-DK — Interpol (@Interpol)20. November 2014 Vielleicht konnten die Mitglieder von Interpol diese Situation dazu nutzen, wieder zueinander zu finden. Vielleicht erinnerten sie sich so daran, warum sie die Band damals überhaupt gegründet haben, und widmen sich wieder der Kunst statt dem Kommerz. Sie haben die Zeit im Schnee hoffentlich dazu genutzt, ein brandneues, kostenlosen Album zu schreiben und aufzunehmen, das sie nun der Weltöffentlichkeit präsentieren. Heutzutage ist alles möglich. Das ist Interpols Chance, eine Überraschung aus dem Hut zu zaubern—Beyoncé hat das damals auch gemacht, nur war sie halt nicht in einem Schneesturm gefangen. Du fragst dich jetzt vielleicht, woher sie den Strom für ihre Instrumente hätten bekommen sollen. Nun ja, anstatt einer richtigen Session hätten sie ja mal ein wenig mit den Sachen herumexperimentieren können, die ihnen zur Verfügung standen. Wenn man eine Schachtel Süßigkeiten schüttelt, dann klingt das doch fast wie Maracas. Ein Schlagzeug? Hoffentlich haben sie sich einfach richtig hart selbst ins Gesicht geschlagen. So kommt nicht nur der Sound von Trommeln zustande, man bleibt auch bei Bewusstsein. Eine Gitarre? Es geht doch auch akustisch und ein Instrument aus einer leeren Cracker-Schachtel und langgezogenen Schamhaaren ist schnell gebastelt. Auto-Tune? Wenn man in einen leeren Eimer singt, dann ist das genau das Gleiche. Ich will damit nicht sagen, dass ein Spaziergang ist, ein ganzes Album im Inneren eines Tourbusses inmitten eines apokalyptischen Schneesturms aufzunehmen. Ich meine bloß, dass Interpol das Beste aus dieser Situation hätte machen sollen. Die Fans sind schließlich hungrig! Wir hoffen auch euch, Jungs!
VICE Staff
[ "Interpol", "Musik", "schnee", "schneesturm", "Vice Blog" ]
2014-11-20T14:23:00+00:00
2024-07-31T03:54:01+00:00
https://www.vice.com/de/article/interpol-ist-nach-50-stunden-endlich-frei-444/
Wie sich der “Vater der Stressforschung” von der Tabakindustrie kaufen ließ
Hans Selye ist vielleicht kein so bekannter Name wie Albert Einstein oder Marie Curie. Doch der ungarisch-stämmige Mediziner, Bio-Chemiker und Endokrinologe gilt als einer der renommiertesten Forscher des letzten Jahrhunderts. Auch heute noch wird er als “Vater der Stressforschung” bezeichnet, Zeit seines Lebens wurde er ganze 17 mal für den Nobelpreis nominiert. Am besten bekannt ist Selye für seine Forschungsarbeiten zum Thema Stress; durch ihn wurde dieses Feld überhaupt erst zu einem eigenständigen Forschungsgebiet. Selye veröffentlichte hunderte Artikel zu dem Thema, die bis heute zitiert werden, und gründete das Internationale Institut für Stress in Kanada. Folgt Motherboard auf Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter Ein Aspekt von Selyes Karriere ist jedoch weitaus weniger bekannt: In den letzten 20 Jahren seines wissenschaftlichen Wirkens finanzierte die Tabakindustrie seine Arbeiten wesentlich mit. Denn die Zigarettenkonzerne hatten ein großes Interesse daran, dass die Wissenschaft eine Verbindung zwischen Stress und chronischen Krankheiten wie Herzerkrankungen und Krebs herstellte – so konnte man überzeugend von den fatalen gesundheitlichen Folgen des Rauchens abzulenken. Tatsächlich beeinflussen diese von der Tabakindustrie geförderten Studien zur mentalen und körperlichen Gesundheit bis heute unsere Definition von Stress. Selye half nicht nur dabei, eine Kausalität zwischen Stress und schweren Erkrankungen herzustellen. Er vertrat auch die Ansicht, dass Tabakkonsum ein wirksames Gegenmittel gegen die vermeintlich tödlichen Stressfaktoren des Alltags sei – ein Irrglaube, der sich unter Rauchern bis heute hartnäckig hält. Schaut man sich die lange Tradition der Zusammenarbeit zwischen angesehenen Medizinern wie Selye und der Tabakindustrie an, muss man auch hinterfragen, wie objektiv die heutige Stressforschung agiert. 2005 brachte eine ausführliche Studie im American Journal of Public Health zum Vorschein, dass auch 60 renommierte deutsche Forscher und Mediziner lange Zeit auf den Gehaltslisten der Tabakindustrie standen. Selyes enge Verbindung zur Tabakindustrie wäre beinahe völlig in Vergessenheit geraten, wäre da nicht Mark Petticrew gewesen. Der Leiter des Public Health Research Consortium an der London School of Hygiene and Tropical Medicine veröffentlichte 2011 ebenfalls im American Journal of Public Health einen Bericht, der aufzeigte, wie die Tabakindustrie zu einem bedeutenden Förderer der Stressforschung wurde. Er beschreibt darin, wie die Konzerne aktiv versuchten, die Zusammenhänge zwischen Tabak, Stress und chronischen Krankheiten zu verwischen. “Ich denke, es wird oft übersehen, wie viel Aufwand und Geld die Tabakindustrie investierte, um die Öffentlichkeit zu beeinflussen”, sagte Petticrew gegenüber Motherboard am Telefon. “Sie wollten im Grunde folgende Botschaft vermitteln: Das Leben ist rasant, sehr stressig, und diese Faktoren könnten Krebs verursachen. Mach dir also wegen der Zigaretten nicht zu viele Sorgen.” 1936 veröffentlichte Selye einen inzwischen berühmten Brief an den Herausgeber des Wissenschaftsjournals Nature . In diesem beschrieb er zum ersten Mal einen Zustand, der später als Allgemeines Anpassungssyndrom bekannt werden sollte, also die Reaktion des Körpers auf anhaltenden Stress. Selye beschrieb außerdem seine frühen Experimente mit Ratten. Bei den Nagern äußerte sich die “Alarmreaktion des Organismus” in Form von vergrößerten Nebennierendrüsen und Lymphknoten sowie Magengeschwüren. Vielleicht war es ihm damals gar nicht bewusst, aber durch seine ausführliche Beschreibung von Stressreaktionen stieß Selye die Tür zu einem ganz neuen medizinischen Forschungsgebiet auf: Stressforschung. In den nächsten 15 Jahren erlangte Selye als Wissenschaftler internationale Berühmtheit und erhielt den Spitznamen “Einstein der medizinischen Forschung“. In den 1950er Jahren wurde dann auch die Tabakindustrie auf Selyes Arbeit aufmerksam. Die großen Zigarettenkonzerne suchten zu diesem Zeitpunkt händeringend nach Möglichkeiten, um sich von neuen Untersuchungsergebnissen zu distanzieren, die Tabakwaren mit Lungenkrebs und anderen tödlichen Krankheiten in Verbindung brachten. Damals begann die Tabakindustrie, Selye und andere führende Stressforscher anzuwerben. Sie sollten als Experten bestätigen, dass diese Krankheiten viel mehr mit dem Stress des modernen Lebens, als mit dem steigenden Zigarettenkonsum zusammenhingen. Das geht aus Dokumenten hervor, die in den letzten zwanzig Jahren auf gerichtliche Anordnung in den USA veröffentlicht wurden. “Selye argumentierte damals, dass Tabak eine Methode zum Stressabbau sei”, erklärte Petticrew gegenüber Motherboard. “Noch lieber mochte die Tabakindustrie aber das Argument, dass Stress selbst Krebs verursachen könne.” Es ist zwar bekannt, dass Wissenschaftler als Experten engagiert wurden und werden, um die Auswirkungen des Tabakkonsums zu verharmlosen. Vor Petticrews Bericht war jedoch kaum bekannt, wie sehr sich die von der Tabakindustrie geförderten Wissenschaftler auf das Thema Stress einschossen. Selyes Zusammenarbeit mit der Tabakindustrie begann 1958, als er die American Tobacco Company um finanzielle Unterstützung bat. Obwohl seine Anfrage abgelehnt wurde, wurder er im darauffolgenden Jahr von einem Anwalt engagiert, der Tabakkonzerne vor Gericht vertrat. Mit Selyes Hilfe wollte man aufzeigen, dass die statistischen Korrelationen von Rauchen und Krebs keine Kausalität bewiesen. Acht Jahre später, 1966, wurde Selye erneut von Anwälten angeheuert, die große Tabakfirmen wie Philip Morris und Lorillard vertraten. Von ihnen erhielt Selye 2.000 US-Dollar für das Verfassen eines Berichts. Aus einem internen Memo der Anwälte geht hervor, dass Selye bereit war, einen Bericht über Tabak und Stress zu verfassen, aber dass man ihn noch anleiten müsse, was er genau zu schreiben habe. Ebenfalls auf Motherboard: DIY Hirnschock-Therapie Die Anwälte einigten sich, dass der Bericht darauf eingehen sollte, “wie unwahrscheinlich es sei, dass Rauchen eine Herz-Kreislauf-Erkrankung verursachen könnte”. Außerdem sollte Selye am besten noch erwähnen, welchen Stress Nichtraucher-Kampagnen in der Öffentlichkeit auslösen könnten. Tatsächlich schrieb Selye später in einer Broschüre des Tobacco Institutes: “Es ist erschreckend, dass niemand die Vorteile von Tabakwaren erwähnt. Ich bin mir sicher, dass oft mehr Schaden dadurch angerichtet wird, dass durch gut-gemeinte Kreuzzüge gegen das Rauchen unzählige Hypochonder geschaffen werden.” Aus dem internen Memo von 1966 geht hervor, dass Selye zuerst einen Fünf-Punkte-Plan vorgeschlagen hatte, “um die Idee weiterzuentwickeln, dass Stress mit Krankheiten in Verbindung steht, dass ein ‘Ausgleich’ zum Stress nötig sei und dass Rauchen ein angemessener Ausgleich sei.” Über die nächsten zehn Jahre wurde Selyes Beziehung zur Tabakindustrie noch enger. Er trat auf “wissenschaftlichen Konferenzen” auf, die von der Tabakindustrie organisiert worden waren, um die Vorteile des Rauchens zu bewerben. Außerdem veröffentlichte er mehrere Berichte, die Formulierungen enthielten, die zuvor von Mitarbeitern der Tabakkonzerne verfasst worden waren. Er sprach sich vor dem Gesundheitsausschuss des kanadischen Unterhauses gegen Nichtrauchergesetze aus und trat in beliebten Radio– und Fernsehsendungen auf, wo er ebenfalls die Standpunkte der Tabakindustrie vertrat. In den Höchstzeiten seiner Kollaboration mit der Tabakindustrie erhielt Selye jährlich 50.000 US-Dollar Fördergelder für “spezielle Projekte” von dem Council for Tobacco Research, um die Zusammenhänge von Stress, Krankheiten und Tabak zu untersuchen. Diese Förderung entspricht heute einem Wert von etwa 210.000 Euro. “Ich glaube, dass Selye bewusst war, was er da tat”, sagt Petticrew. “Du kannst nicht eine derartige Summe erhalten, ohne zu wissen, dass du eine Branche unterstützt, die die Öffentlichkeit hinters Licht führen möchte.” Als die lukrative dreijährige Fördervereinbarung mit dem Council for Tobacco Research 1975 jedoch auslief, schien es ganz so, als ob die Tabakindustrie keine Verwendung mehr für Selye und seine Arbeit hätte. 1977 bat der Stressforscher den Tabakriesen RJ Reynolds um eine weitere Förderung von 50.000 US-Dollar, um eine Kampagne zur Stressbewältigung zu starten. Diese Anfrage wurde abgelehnt. Das lag allerdings nicht daran, dass die Tabakindustrie komplett das Interesse an der Stressforschung verloren hatte – das Forschungsfeld hatte sich lediglich verändert. Laut Petticrew wandten sich in den 1970er Jahren immer mehr Stressforscher von Selyes Model des Allgemeinen Anpassungssyndroms als Reaktion auf Stress ab. Stattdessen konzentrierte sich die Forschung nun auf verschiedene Persönlichkeitstypen, die unterschiedlich auf Stress reagieren. Vor allem ein Konzept der Kardiologen Friedman und Rosenman fand viel Beachtung. Sie unterteilten Menschen in Typ-A- und Typ-B-Persönlichkeiten. Laut dieser Definition stehen Menschen mit einer Typ-A-Persönlichkeit ständig unter Strom, sind ungeduldig, ehrgeizig und regen sich schnell auf. 1976 begannen US-amerikanische Stressforscher zu untersuchen, ob dieser Persönlichkeitstyp ein Anhaltspunkt für Herzerkrankungen oder andere chronische Krankheiten sein könnte. Kurz nachdem die ersten Forschungsergebnisse zu diesem Thema veröffentlicht worden waren, fing die Tabakindustrie an, diese Untersuchungen zu fördern. Petticrew ist der Meinung, dass man auch heute noch die moderne Stressforschung wegen Selyes enger Verbindung zur Tabakindustrie kritisch betrachten sollte. “Die Tabakindustrie warf den renommiertesten Wissenschaftlern in diesem Gebiet sehr viel Geld hinterher”, sagte Petticrew. “Daher kann man diese Forschungen heute nicht lesen, ohne darüber nachzudenken, welcher Teil der Stressforschung vom Geld der Tabakindustrie beeinflusst wurde.” Zwar bedeutet das nicht, dass Selyes Forschungsergebnisse deswegen ungültig sind – schließlich hatte er sich bereits als Stressforscher einen Namen gemacht, bevor er auch nur einen Cent von der Tabakindustrie erhielt. Trotzdem fällt es schwer, die gekaufte Meinung von der Wahrheit zu unterscheiden, wenn es um Stress und Krankheiten geht.
Daniel Oberhaus
[ "Gesundheit", "Hans Selye", "Herzerkrankung", "Herzinfarkt", "Mark Petticrew", "Motherboard", "Stress", "tabak", "Tech", "Under Pressure", "Wissenschaft", "zigaretten" ]
Tech
2018-01-02T13:33:39+00:00
2024-07-30T14:56:51+00:00
https://www.vice.com/de/article/wie-sich-der-vater-der-stressforschung-von-der-tabakindustrie-kaufen-liess/
Achtung, Dino-Aids!
Zweimal im Monat ziehen sich ein Haufen Jungs wie Mädchen und Mädchen wie verrücktere Mädchen an und feiern am Karlsplatz, dort wo früher die Junkies herumjunkten, bei Rhinoplasty im Club U. Die Gratispartys haben Themen wie „Eyebrow Cancer Charity“, „Boy Beats Girl“ oder „Vorhaut“ und sind angelehnt an die Club-Kids-Szene, die auch in Macaulay Culkins ausschweifendem Ich-bin-jetzt- erwachsen-und-arty-Film Party Monster (2003) porträtiert wird. Rhinoplasty ist Club-Kids-Kultur auf Wienerisch, ein bisschen gemütlicher und mit etwas weniger Drogen, aber auf Trash und Crossdressing wird nicht verzichtet. Mit ihren Specials, die sich um Wortspiele, Subkulturen und Schockthemen drehen, wird seit 7 Jahren dem Exploitation-Kitsch gehuldigt und ein popkultureller Bildungsauftrag erfüllt. Nach einem „Chola“-Rhinoplasty weiß jeder, der da war, wie sich Innercity-Latinas ihre Augenbrauen zupfen und wie es bei einer Goa-Party riecht. (Sub-)Kulturtourismus, für den einen Abend lang eine gesamte Party in ein Thema getaucht wird. Auch die Grenzen des guten Geschmacks reizen die stets verkleideten Gastgeber aus. Themen wie „Kinder, warum sie so sexy sind—Thomas Brezina Special“ oder ein „Natascha Krampus—Kellerkinder-Special“ schockieren das Rhinoplasty-Publikum kaum noch. 20 Jahre nach rotten.com scheinen Männer in Röcken und Nackte auf der Tanzfläche keinen mehr zu stören. So wird sich hier nur noch auf das Feiern konzentriert. Wir haben uns mit den Rhinoplasty Hosts Andreas Reiter, Bernd Eischeid und Marius Valente zusammengesetzt und sie uns ein bisschen was über Verkleidungskonventionen als Frau und Mann, langweilige Coolness und schmusende Hetero-Männer erzählen lassen. Auf der nächsten Seite sprechen die Rhinoplasty-Hosts über Drag, Geschlechter und Verkleidungen. VICE: Wie würdet ihr eure Art des Drag beschreiben? Rhinoplasty: Wir würden nicht sagen, dass wir Drag machen. Das wäre eine Beleidigung für jede ordentliche Drag Queen. Früher ging es bei Rhinoplasty mehr in diese Richtung, aber mittlerweile bestimmen die Themen die Partys. Wir verkleiden uns als irgendwas, aber ob das dann wirklich eine Frau ist … High Heels gehören trotzdem immer dazu. Aber das hat weniger mit Drag zu tun. High Heels machen einen größer und irgendwie geben hohe Schuhe einem das Gefühl, dass man stolz auf seine Titten und seinen Arsch ist. Was würdet ihr sagen, welches Geschlechterbild habt ihr eigentlich von euch selbst? Wir stecken zwischen den beiden Geschlechtern. Da ist auch schon egal, wie wir uns über Kleidung definieren. Alles ist Verkleidung. Das ist wahrscheinlich der größte Unterschied zwischen dem, was wir machen, und klassischem Drag. Es ist eine Form von Trash Drag, aber in Wirklichkeit wollen wir vor allem Spaß haben und treiben jedes Konstrukt auf die Spitze. Wenn es männlich sein soll, dann gleich supermännlich. Wenn wir als Boyband gehen, malen wir uns extra ein Sixpack auf. Hauptsache viel von allem. Außerdem wollten wir nie eine Drag Party machen, sondern eher eine Verkleidungsparty. So eher nach Londoner Club-Kids-Vorbild. Habt ihr euch immer schon verkleidet? Wir kommen alle aus wahnsinnigen Familien. In den 80ern war Fasching in Österreich noch viel größer—und da sowieso jeder verkleidet war, hat sich an unseren Outfits auch keiner gestoßen. Einige von uns hatten ihr erstes Mal in Drag schon an ihrem ersten Geburtstag, als ihnen das rosa Babykleid der Mutter angezogen wurde. Einer von uns kommt aus einer Clownfamilie in Köln, die auch dem FKK frönte, und wurde schon mit 6 Monaten verkleidet. Andere wurden sehr jung als Teddybär verkleidet und waren dann mit der Familie im Demel Kuchen essen. Ist Drag sexistisch? Sind Drag Queens frauenfeindlich, weil sie ein völlig überzeichnetes, fast schon lächerliches Bild einer Frau darstellen? Wir sehen es eher als sozialkritischen Zugang zu den Geschlechterrollen. Eine Drag Queen, die sich als Britney Spears verkleidet, glaubt nicht, dass sie tatsächlich als Britney Spears wahrgenommen wird. Und wenn man es weiterdenkt, ist ja auch Britney Spears selbst schon Drag. Zumindest ist sie keine Frau, sondern ein Kunstprodukt, eine Karikatur. Drag funktioniert genauso. Klassische Drag Queens machen meistens Hollywood Stars oder irgendwelche Sängerinnen nach. Dabei imitieren sie nicht diese Person als Frau oder ihre Persönlichkeit, sondern das öffentliche Bild. Das ist ein bewusster Zugang und kein sexistischer. Warum Rhinoplasty keine reinen Schwulenpartys veranstaltet, erfahrt ihr auf Seite 3. Bei euch sind Verkleidungen als Frauen nie entmännlichend, sondern vor allem ermächtigend. Ab welchem Punkt schlägt das bei euch ins Positive um? Das ist bei jedem anders. Dadurch, dass man verkleidet ist, reagieren andere auch anders auf einen. Verkleidet kann man machen, was man will. Man kann sie ausgreifen und niederknutschen—ob sie hetero oder homo sind, ist denen egal. Weil „in Verkleidung zählt das nicht“. Sie sehen es als Spiel und so hat das für sie selber keine Konsequenzen. Wenn man sich beispielsweise bei einer Wohnungsparty als Transe oder eben als Frau im entferntesten Sinn verkleidet, kann man super mit Heteros rummachen. Das ist wie Fasching im Mittelalter, eine Zeit, in der alle gesellschaftlichen Normen aufgehoben sind. Und wenn es vorbei ist, ist es einfach vorbei, ganz ohne Konsequenzen. Meist sind auf schwulen Partys ein paar Frauen und ihr bester Freund. Warum sieht das bei euch anders aus? Weil wir Homos verbieten, zu kommen. (lacht) Wir haben vor Jahren schon all den schwulen Online-Portalen gesagt, dass sie keine Werbung für uns machen sollen und dass wir da nirgendwo erwähnt werden wollen. Wir sind keine Schwulenparty. Warum wollt ihr das nicht sein? Wenn bei einer Party nur Schwule oder hauptsächlich Schwule sind, dann bekommt die Party eine andere Dynamik und es geht nur mehr ums Aufreißen. Ab da wird Weggehen Arbeit und das ist dem Spaß nicht zuträglich. Durch die Hetero/Homo-Mischung fällt der Druck weg. Es geht dann nicht mehr nur ums Aufreißen, obwohl das ja trotzdem noch passiert. Es gibt da draußen sicher ein paar Rhinoplasty Babys. Würde Rhinoplasty funktionieren, wenn ihr nicht verkleidet herumlaufen würdet? Leigh Bowery hat gesagt, dass seine Aufgabe im Club Taboo sei, betrunken zu sein und sich zum Affen zu machen, um den Leuten zu zeigen, dass das im Club erwünscht ist. Dadurch, dass wir bei den Partys herumlaufen, betrunken in die Büsche springen und sehr albern aussehen, ist den Gästen klar: Man muss nicht cool in der Ecke stehen. Eine „echte“ Drag Queen würde so was nie mitmachen—alleine schon wegen der wertvollen Kostüme. Was wir tragen, sind dagegen Einwegkostüme, die wir genauso wie die Personas für einen Abend annehmen und dann wegwerfen. Ein einziges Mal ist die Polizei auf einer Rhinoplasty-Party aufgetaucht. Was das mit AIDS zu tun hatte, könnt ihr auf der letzten Seite lesen. Die Kleidung macht viel, wenn nicht alles aus. Heißt das, dass Frauen in ihrer Abendkleidung, in Kleidern generell oder geschminkt auch in Drag sind? Naja. Drag heißt nichts anderes als „Dressed As A Girl“. Und eigentlich sind Frauen immer als Frau verkleidet. Es gibt tausend verschiedene Geschlechter beziehungsweise genauso viele Geschlechter und Sexualitäten, wie es Menschen gibt. Die Geschlechter Frau und Mann sind soziale Konstrukte und beides Rollen, die man entweder bewusst oder unbewusst spielt. In dem Sinn sind Frauen schon in Drag—aber zum Konstrukt Frau gehört ein gewisser Kleidungs- und Schminkstil im Alltag meistens dazu. Beim Mann ist es das Gegenteil. Männer müssen nichts machen, um ein Mann zu sein. Sie definieren sich über das, was sie nicht sind, und das ist nicht verkleidet. Dafür verkleiden sich Frauen seltener als hässlich, weil sie immer hübsch sein sollen. Man muss sich ja nur die Kostüme in Kostümläden anschauen. Jedes weibliche Kostüm hat „sexy“ im Titel und es gibt kein männliches Pendant dazu. Aufgrund eurer Lage direkt an der U-Bahn-Station Karlsplatz kommen sicher oft Leute zufällig an euren Partys vorbei. Was für Reaktionen erlebt ihr da? Wenn Leute nicht dezidiert zu den Partys kommen, dann finden sie sie seltsam. Einmal hat jemand versucht, einem von uns das Kleid anzuzünden. Das hört sich aber schlimmer an, als es ist. So was kann einem überall passieren. Wir hatten in sieben Jahren Rhinoplasty ein einziges Mal die Polizei bei uns. Das war bei unserer 5-Jahres-Feier mit Dinosaurier-Thema—eine Anspielung auf unser Alter. Einer von uns war dafür als Teergrube verkleidet, wofür er sich mit dunklem, dickflüssigem Kunstblut übergossen hat und einen roten Spielzeug-Dinosaurier unterm Arm hatte. So verkleidet ist er zwei Studentinnen im Vorbeigehen etwas zu nahe gekommen und hat die Jeansjacke von einer etwas eingesaut. Die waren daraufhin extrem wütend, sind zur Polizeistation gegangen und kamen mit zwei Polizisten zurück. Wir mussten dann als zwei Meter großer sexy Triceratops und sexy Pterodactylus verkleidet mit der Polizei sprechen. Die Mädchen haben völlig aufgelöst den Tathergang geschildert und dabei meinte eine, dass sie eine „schwarz-braune Flüssigkeit“ ins Ohr bekommen hätte und dass man „in Zeiten von AIDS“ unbekannten Flüssigkeiten nicht zu nahe kommen dürfte. Die Polizisten merkten, dass die Mädchen einen Schuss hatten, gaben der Teergrube und den crossdressenden Dinosauriern recht und zogen ab. Wir haben daraufhin mit Klebeband vor den Club groß „Achtung DINO-AIDS“ geklebt und auf die Geburtstagstorten zum 5-jährigen Jubiläum „AIDS“ geschrieben und sie in die Menge geworfen.
Dalia Ahmed, Fotos von Daniel Gottschling
[ "DRAG", "dragqueen", "Jahrgang 8 Ausgabe 3", "LGBT+", "Party", "Rhinoplasty", "schwul", "Stuff", "The Fashion Issue 2014", "verkleidung", "Vice Blog", "VICE Magazine" ]
2014-04-23T14:27:00+00:00
2024-07-31T03:32:14+00:00
https://www.vice.com/de/article/achtung-dino-aids-v8-n3/
Der exklusivste Kampf aller Zeiten? Scheich will Fury und ​Klitschko auf seiner Yacht kämpfen lassen
Als Tyson Fury vor zwei Monaten gegen Wladimir Klitschko den WM-Titel im Schwergewicht erkämpfte, fieberten Millionen von Fans mit. Was wäre aber, wenn keine Kameras, Reporter und Fans beim Rückkampf dabei wären und nur ein paar Millionäre den Exklusiv-Fight zu sehen bekämen? Was nach einem Plot eines miesen Gangster-Thrillers klingt, spann wirklich im Kopf eines Scheichs aus Dubai herum. Schwergewichts-Weltmeister Tyson Fury plauderte nun über dieses scheinbare Angebot für seinen Rückkampf gegen Wladimir Klitschko. Der arabische Milliardär wollte den Kampf ganz privat auf einer Yacht stattfinden lassen—ohne Kameras oder Box-Fans. Dabei gewesen wären nur 120 exklusive Zuschauer. „Der Scheich wollte, dass wir während einer exklusiven Kreuzfahrt boxen. Es hätten nur 120 Millionäre bei dem Kampf zugeschaut, jeder von ihnen hätte 1 Million US-Dollar (Anm. d. Red.: 900 000 Euro) als Eintritt zahlen sollen”, erzählte der 27-Jährige dem Mirror. „Wladimir fand die Idee gut. Ich fand die Idee sogar super gut, denn ich hätte den Löwenanteil der 110 Millionen Euro eingestrichen”, wird Fury alles andere als abgeneigt zitiert. Laut Bild-Zeitung soll Klitschko von dem Angebot jedoch gar nichts wissen. Fury sagte dem Scheich ab. Der Brite träumt eher von einem Rückkampf im Sommer vor 80.000 Zuschauern im Londoner Wembley Stadion. Die Idee des Scheichs fand er trotz Millionen-Gagewohl doch etwas unfair. „Es wäre von diesen Typen ziemlich egoistisch, das alles nur für sich selbst zu haben.” Hoffentlich bleibt eine solche Klubschiff-Kreuzfahrt mit goldenen Eintrittstickets für eine Millionen Dollar auch weiterhin nur Material für irgendwelche Filme…
VICE Sports
[ "andere sportarten", "Boxen", "dubai", "Highlights", "Kampfsport", "Money Money Money", "scheich", "Sports", "Tyson Fury", "VICE Sports", "Wladimir Klitschko" ]
2016-02-04T15:24:45+00:00
2024-07-30T23:39:25+00:00
https://www.vice.com/de/article/der-exklusivste-kampf-aller-zeiten-scheich-will-fury-und-klitschko-auf-seiner-yacht-kmpfen-lassen/
Wie es ist, ein Kind mit Behinderung alleine großzuziehen
Meine Schwangerschaft verläuft eigentlich problemlos. Mein Kind entwickelt sich gut, die Feindiagnostik ist unauffällig, und ich habe bis auf einige Panikattacken keine Beschwerden. Den ersten Tritt meiner Tochter spüre ich pünktlich in der 20. Woche. Sogar den errechneten Geburtstermin hält sie ein: Am 22. Oktober 2017 gegen Mittag kommt Klara auf die Welt. Doch schon einige Sekunden später erwartet mich der erste Schock: Die Hebamme untersucht mein Baby und sagt: “Ihre Tochter hat an der einen Hand eine Vierfingerfurche. Das kann Trisomie 21 bedeuten.” Die Vermutung stellt sich als falsch heraus: Klara wird von der Ärztin untersucht, die keine weiteren Hinweise auf Anomalien feststellt. Dennoch wird mir zum ersten Mal etwas bewusst, über das ich bis dahin nie nachdenken musste: Ich reagiere auf die mögliche Behinderung meines Kindes nicht mit bedingungsloser Liebe und Gleichgültigkeit, sondern mit Angst und Unsicherheit. In meiner überheblichen Vorstellung habe ich immer gedacht, dass mir alles egal sei, solange mein Kind körperlich gesund ist. Doch als die Ärztin Trisomie 21 ausschließt, bin ich erleichtert. Bis sich zeigt, dass mit Klara vielleicht doch etwas nicht stimmt. Klara ist vier Monate alt, als ich mit dem Verdacht zur Kinderärztin gehe. Sie hat bis dahin nicht versucht, sich zu drehen oder nach Spielzeug zu greifen. Dafür schläft sie viel und ist ein sehr ruhiges Kind. Zu ruhig? Die Kinderärztin sagt, ich solle mir nicht so viele Gedanken machen. Jedes Kind habe seinen eigenen Rhythmus. Doch ich bestehe darauf, Klara in die Physiotherapie zu schicken. Sie soll spielerisch lernen, sich zu drehen und ihren Körper zu spüren. “Klara wird vielleicht nie alleine laufen können” Dort wird klar: Klara hat einen niedrigen Muskeltonus, auch muskuläre Hypotonie genannt. Sie wird immer motorische Schwierigkeiten haben und vielleicht nie alleine laufen können. Auch drei Monate nach Therapiestart gibt Klara keine Silbenlaute von sich und zeigt weder Interesse an ihrem Spielzeug, noch an ihrem Umfeld. Von Anfang an ist sie vor allem auf mich fokussiert, lächelt mich an und quiekt. Doch selbst der Kinderärztin fällt nun bei der Untersuchung auf, dass Klaras Entwicklung tatsächlich verzögert ist. Als Klara schlaff daliegt und kaum reagiert, wirkt die Ärztin nervös. Dann schreibt sie mir die Nummer des sozialpädiatrischen Dienstes auf, der herausfinden soll, was genau mit Klara los ist. Bis dahin lebe ich in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung im Prenzlauer Berg in Berlin. Ich habe viele Freundinnen, die mich in der Situation unterstützen. Als das Start-up, bei dem ich arbeite, Insolvenz anmeldet, ziehe ich allerdings zurück in meine Heimat Saarbrücken. Ich möchte näher bei meiner Familie sein. Hier kann ich auch eine größere Wohnung mit Aufzug und eigenem Zimmer für Klara beziehen. Weil Klara sich weiterhin sehr langsam entwickelt, beantrage ich Pflegegeld und Hilfsmittel wie einen Badesitz, einen Rehabuggy und einen Therapiestuhl. Kurz vor ihrem ersten Geburtstag bewilligt die Krankenkasse den Antrag. Mir wird klar, dass mein Kind eine Behinderung hat. Und es tut weh. “Ich merke, dass man bedingungslose Liebe manchmal erst lernen muss.” Ich trauere um das Kind, das ich nie haben werde, und merke, dass man bedingungslose Liebe manchmal erst lernen muss. Ich finde mein Leben und meine Tochter nicht immer inspirierend. Manchmal bin ich einfach nur traurig oder genervt. Ich muss in diese Situation hineinwachsen. Und das ist OK. Selbstverständlich liebe ich mein Kind, wie es ist. Dennoch: Würde jemand kommen und Klara “heilen”, ich würde Ja sagen. Das macht mich nicht zum Monster. Auch bei VICE: Dieser Schönheitswettbewerb gibt Mädchen mit Behinderungen eine Bühne Jeden Tag muss ich Klara fördern, jeder kleine Fortschritt in ihrer Motorik ist ein wochenlanger Lernprozess. Andere Kinder entdecken die Welt; Klara liegt auf dem Rücken. Andere Kinder planschen im Becken; Klara braucht einen Badesitz. Sie selbst stört das wenig. Sie kennt es nicht anders. Obwohl sie mental aufgeweckt wirkt und jeden mit ihrem unwiderstehlichen Lächeln anstrahlt, wird immer klarer, dass sie nicht nur körperlich, sondern auch kognitiv beeinträchtigt ist. Alleine ein Kind mit Behinderung großzuziehen, isoliert. Ich merke, dass Klara weniger Fortschritte macht als die jüngeren Kinder in Krabbelgruppen oder bei Freunden. Ich kann nicht mitreden, wenn andere Mütter erzählen, wie anstrengend es ist, wenn das Kind ständig nach Mama ruft oder durch die Wohnung rennt und alles in den Mund nimmt. Und ich möchte oft weinen und schreien, wenn sie stolz erzählen, wie toll der Nachwuchs mithilft, spricht, tanzt, läuft, liest oder malt. Manchen ist es unangenehm, wenn ich ihnen sage, dass mein Kind all das nicht kann und vielleicht auch niemals können wird. Doch Mitleid und peinliche Berührtheit machen es für mich oft noch schlimmer. Ich habe mich aus der Mama-Community zurückgezogen, weil mir diese Reaktionen unangenehm sind. Ich wünsche mir mehr ehrliches Interesse an Klara selbst, statt über ihre Fähigkeiten reden zu müssen. Und manchmal würde ich mich auch einfach freuen, wenn andere Eltern mich nach meinem eigenen Alltag fragen würden. Ich wünsche mir auch mehr Ehrlichkeit von meinen Freundinnen, die selbst Kinder haben. Ich bin niemandem böse, wenn er offen zugibt, froh über sein neurotypisches Kind zu sein. Aber es bringt mir nichts, wenn jemand sagt: “Mein Kind hat auch erst spät laufen gelernt.” Das ist nicht das Gleiche. “Eine Behinderung zu haben, bedeutet in vielen Fällen auch Armut und soziale Isolation.” Die Zukunft meiner Tochter ist ungewiss: Wahrscheinlich wird sie keine reguläre Schule besuchen, nie einen Job haben und auch im Erwachsenenalter Hilfe brauchen. Viele Erwachsene mit Behinderung müssen Grundsicherung beantragen. Sie können in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen arbeiten. Die 200 Euro, die sie in Vollzeit höchstens verdienen, werden allerdings zu der Grundsicherung angerechnet. Eine Behinderung zu haben, bedeutet in vielen Fällen auch Armut und soziale Isolation. Und auch ich weiß nicht, ob ich neben Klaras Pflege wieder regulär arbeiten kann. Ob ich wieder einen Partner finden werde, ob Klara jemals ausziehen wird oder ob ich mich jedes Mal schuldig fühlen werde, wenn sie alleine ist. Es ist nicht so, dass Klara und ich ein von Ängsten und Leid geprägtes Leben führen. Wir lachen viel. Klara verzaubert die Menschen um sich herum mit ihrem liebenswerten und zarten Wesen. Meine Familie unterstützt mich. Wenn wir können, gehen wir ins Schwimmbad, spazieren oder ins Café Kuchen essen. Ich musste mich vielleicht davon verabschieden, mit Klara zusammen meine alten Lieblingsbücher zu lesen oder mit ihr draußen zu toben. Unglücklich bin ich dennoch nicht. Ich habe Zeit für mich, wenn Klara schläft, und versuche, mit Freundinnen auszugehen und mich von schlechten Gedanken abzulenken. Ich bin Mitglied in einigen Online-Selbsthilfegruppen für Eltern mit Kindern, die eine Behinderung haben. Ich wünsche mir, dass Menschen wie Klara in ihrem Leben mehr Akzeptanz erfahren. Dass sie sich barrierefrei durch die Stadt bewegen können und ihre Eltern nicht für jedes Hilfsmittel gegen die Krankenkasse kämpfen müssen. Aktuell werden Menschen mit Behinderungen und ihre Familien an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Dem Verein Indiwi zufolge gibt es in Deutschland rund neun Millionen Menschen mit einer schweren Behinderung. Doch allein die Hälfte aller deutschen Bahnsteige ist nicht barrierefrei, und nur zwei Prozent aller Allgemeinarztpraxen haben eine für Patientinnen mit Behinderung zugängliche Toilette. In der Gesellschaft werden Behinderungen selten thematisiert. Meistens kommen Menschen mit Behinderungen nicht zu Wort. Das schließt sie aus und macht sie unsichtbar. Und gibt Menschen ohne Behinderung keine Chance zu lernen, wie sie damit umgehen sollten. Ich erwarte von niemandem, dass er zusammenzuckt, wenn er von Klaras Behinderung hört. Im Gegenteil: Wir brauchen den Dialog, wir brauchen mehr Anerkennung für Menschen, die sich der Pflege ihrer Angehöriger widmen. Finanziell und emotional. Ich bekomme zusätzlich zu meinen monatlichen Bezügen 316 Euro Pflegegeld im Monat. Arbeiten oder gar eine Ausbildung anfangen kann ich momentan nicht. Meine Arbeit mit Klara wird nicht als solche anerkannt, Hilfsmittel gibt es oft erst viele Monate nachdem ich sie beantrage. Ich habe von vielen Eltern gehört, die erst vors Sozialgericht ziehen mussten, damit ihr Antrag auf ein Pflegebett bewilligt wird. Und durch den Pflegenotstand ist es ungewiss, ob jemand mich ersetzen könnte, wenn ich selber einmal ins Krankenhaus müsste. “Ich habe durch die Behinderung meiner Tochter viel über mich selbst gelernt.” Klara ist heute 17 Monate alt und hat bisher keine verbalen Fortschritte gemacht. Sie brummt und quiekt, aber spricht nicht. Es wird immer unwahrscheinlicher, dass sie irgendwann verbal kommunizieren kann. Aber warum das so ist, weiß ich auch nach unzähligen Bluttests, mehreren Krankenhausaufenthalten oder einer Messung ihrer Gehirnaktivitäten nicht. Ich habe durch die Behinderung meiner Tochter viel über mich selbst gelernt. Das eigene Ego existiert auch, wenn man ein Kind bekommt. Viele Eltern definieren sich darüber, was und wie gut ihr Kind lernt und wie toll sie es erzogen haben. Wenn ich Eltern über ihre Kinder sprechen höre, geht es oft nur darum, wie klug sie sind oder wie weit sie anderen voraus sind. Und wer weiß: Vielleicht wäre ich auch so eine Angebermutti geworden, hätte mir die Natur nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht. So bin ich befreit von diesen Wertungen und kann Klaras liebenswerte Art auch ohne Wettbewerb genießen. Meine Familie und ich freuen uns über jeden ihrer Fortschritte und versuchen, ihr eine möglichst sorgenfreie Kindheit zu ermöglichen. Und das ist am Ende wichtiger als alles andere. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Jasmin Dickerson
[ "alleinerziehend", "Behinderung", "diagnose", "Kinder", "Mutterschaft", "pflege" ]
2019-04-08T12:46:22+00:00
2024-07-30T14:00:44+00:00
https://www.vice.com/de/article/wie-es-ist-ein-kind-mit-behinderung-alleine-grosszuziehen/
Museumsdirektorin nennt Kunstwerk zu schwuler Sexualität “abartig”
Farid Bang und Kollegah bekommen einen Echo, trotz antisemitischer Auschwitz-Line, und ganz Deutschland fragt sich: Hat Kunstfreiheit Grenzen? Berechtigte Frage, wenn Musiker sich rassistisch, sexistisch oder antisemitisch äußern. Komplett daneben allerdings, wenn es um die Darstellung von Homosexualität geht. Nur scheint sich das noch nicht bis Sachsen-Anhalt herumgesprochen zu haben: Dort hat eine Museumsdirektorin gerade ein Kunstwerk, das schwulen Sex thematisiert, als “abartig” bezeichnet und aus einer Ausstellung entfernt. Unter dem Titel “Generell frisch” stellen seit einigen Tagen 14 Künstlerinnen und Künstler am Kulturhistorischen Museum Schloss Merseburg in Sachsen-Anhalt ihre Werke aus. Darunter auch Silas Schmidt von Wymeringhausen. Die Text- und Foto-Collagen des Absolventen der Kunsthochschule Halle mit dem Titel “Cruising” beschäftigen sich unter anderem mit der künstlerischen Darstellung von Sex zwischen Männern. Katrin Heise, der Museumsdirektorin, ging das zu weit. A post shared by Silas Schmidt v.Wymeringhausen (@von_wymeringhausen) Zunächst habe die Direktorin seine Werke komplett aus der Ausstellung verbannen wollen, schreibt Schmidt von Wymeringhausen auf seiner Homepage. “Mehrfach, deutlich und vor verschiedenen Personen” habe sie seine Arbeit in diesem Zusammenhang als “abartig” bezeichnet. Am Tag der Ausstellung habe er schließlich zugestimmt, dass seine Collagen-Hefte nur noch in einer Glasvitrine gezeigt würden. Zwei der Hefte, die vorher zum Durchblättern an der Wand gehangen hatten, waren nun nur noch zugeschlagen zu sehen. Daraufhin habe er, so der Künstler weiter, den Bundesverband Bildender Künstler, Mitveranstalter der Ausstellung, gebeten, die anderen Künstler und Künstlerinnen von der Zensur zu unterrichten. Das sei nicht geschehen. Stattdessen habe der stellvertretende Landrat im Saalekreis, Hartmut Handschak, in seiner Rede einen Vergleich zur Echo-Verleihung gezogen und gesagt: “Kunstfreiheit hat sehr wohl Grenzen.” Auch bei VICE: Du willst nach deinem Studium Geld verdienen? Dann geh nicht auf die Kunsthochschule Das Wort “abartig” wird häufig von Homophoben benutzt. Laut Queer.de zum Beispiel 2009 vom katholischen Bischof Heinz Josef Algermissen, bei einer Veranstaltung mit 40 Jugendlichen zum Thema Homosexualität. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron schrieb erst im vergangenen Juni auf Facebook, wie “abartig” er die Forderung der Grünen nach der “Ehe für Alle” findet. Wenig überraschend also, dass Silas Schmidt von Wymeringhausen den Vorfall als “homophob und diskriminierend” bezeichnet und von “Zensur” spricht. Die Museumsdirektorin Katrin Heise war für eine Stellungnahme am Freitag nicht zu erreichen. Dafür wies Kerstin Küpperbusch, die Pressesprecherin des Museums, den Vorwurf der Diskriminierung gegenüber Queer.de zurück. Es handele sich lediglich um eine Präventionsmaßnahme, “bei der der Jugendschutz im Hinblick auf die Kinder- und Jugendarbeit des Museums gewährleistet ist”. Dass das Wort “abartig” gefallen sei, bestätigte sie allerdings. Im März hatte Silas Schmidt von Wymeringhausen seine Collage übrigens schon auf der Leipziger Buchmesse ausgestellt – unzensiert. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Yannah Alfering
[ "diskriminierung", "homophobie", "Homosexualität", "kunstwerk", "museum", "sachsen-anhalt" ]
2018-05-04T13:41:30+00:00
2024-07-30T18:34:13+00:00
https://www.vice.com/de/article/museumsdirektorin-nennt-kunstwerk-zu-schwuler-sexualitat-abartig/
Die Geschichte hinter dem Fake-Artikel des ‘Tagesanzeigers’
Was der Journalist Constantin Seibt schreibt, wird gelesen. Der preisgekrönte Tagesanzeiger-Journalist gilt in der Schweizer Medienszene als Edelfeder und geniesst eine hohe Glaubwürdigkeit: Ihm gelingt es immer wieder, auf amüsante und leicht verständliche Weise, Themen wie Russlands Politsystem, die Finanzkrise oder das Phänomen Trump einem breiten Publikum zu erklären. Am Dienstag war es wieder soweit. Ein von Constantin Seibt verfasster Artikel flutete die sozialen Netzwerken. Er generierte allein auf Facebook über 1.300 Likes, Shares und Kommentare. Auch zig Journalisten verschiedener Medienhäuser teilten ihn. Das Thema des Artikels war dieses Mal Gewalt an Frauen. Er rief dazu auf, dass Männer Frauen im Kampf für Gleichberechtigung endlich unterstützen sollten. Begeisterte Leser gratulierten Seibt zum gelungen Wurf. Es gab nur ein kleines Problem: Da wo Seibt drauf stand, war nicht Seibt drin. Der Beglückwünschte weilte gerade in den Ferien und teilte am Nachmittag mit, dass er den Artikel gar nicht geschrieben habe. In den Ferien. Handy eingestellt. Und gesehen, dass ich was geschrieben hab, was ich gar nicht geschrieben hab. Das: — Constantin Seibt (@ConstSeibt)November 30, 2016 Stück für Stück kam ans Licht, was es mit dem Artikel auf sich hatte. Die URL gehörte bei genauer Betrachtung nicht dem Tagesanzeiger: dem Medium fehlte im Link das zweite “A”. Die Seite, auf der der Artikel gehostet war, sah nur so aus, als gehöre sie zum Online-Auftritt der Zeitung. Bald kursierte auf Twitter der Name des Inhabers der Domain. Sie konnte Dimitri Rougy zugeordnet werden. Dieser meldete sich kurz darauf auf Facebook zu Wort. In einem Post erklärte der 19-Jährige, dass er mit der Schweizer-Aufschrei-Mitinitiatorin Franziska Schutzbach den Artikel geschrieben habe, um für das Thema Gleichberechtigung zu sensibilisieren. Der Journalisten-Hack ist mutig, scharfsinnig und hat einen Nerv getroffen. Er wirft aber auch viele Fragen auf. Den Internetauftritt des Tagesanzeigers zu kopieren und zu behaupten, Constantin Seibt sei der Urheber eines Textes, ist justiziabel. Auf Drängen von Tamedia ist der Artikel inzwischen nur noch auf dem Online-Portal Medium abrufbar. Und egal wie man es dreht und wendet, egal ob der gesamte Inhalt des Artikels stimmt und Constantin Seibt den Artikel auf Twitter gutheisst—er ist eine gezielte Irreführung der Öffentlichkeit. Man könnte daher argumentieren, dass sich die Aktion mit der Rolle von Franziska Schutzbach als Wissenschaftlerin der Universität Basel beisst. Und auch Dimitri Rougy, mit seinem Amt als SP-Gemeinderat hat seine Glaubwürdigkeit riskiert. So richtig und wichtig es ist, auf die alltägliche Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen, die Aktion schadet der bereits angeschlagenen Glaubwürdigkeit des Journalismus und somit der Demokratie. Wenn ein fingierter Artikel nicht einmal von Journalisten des eigenen Medienhauses auf den ersten Blick erkannt wird, wie soll ihn dann ein Leser erkennen? Was kann man ihm noch entgegnen, wenn er Lügenpresse schreit? Der Fall zeigt, dass sich Journalisten damit abfinden müssen, dass sich in Zeiten von Fake-News und Hacks ihre Rollen rasant ändern. Die Schweizer Medienlandschaft ist im postfaktischen Zeitalters angekommen. Vanessa auf Twitter.VICE Schweiz auf Facebook und Twitter.
Vanessa Sadecky
[ "Aktionismus", "Constantin Seibt", "fake news", "Feminismus", "gleichberechtigung", "Lügenpresse", "Medien", "Schweiz", "tagesanzeiger", "Tech", "Vice Blog", "Views My Own" ]
2016-12-02T06:00:00+00:00
2024-07-30T22:27:28+00:00
https://www.vice.com/de/article/die-geschichte-hinter-dem-fake-artikel-des-tagesanzeigers-von-constantin-seibt-ueber-frauen-ch/
Wie Boko Haram Hunger verursacht
Schon seit 2009 überfällt und plündert die Extremistengruppe Boko Haram Dörfer in Nigeria, Kamerun und anderen Nachbarländern. Die bisher wohl größte Aufmerksamkeit erlangte die Terrorgruppe vor zwei Jahren durch die Entführung von 276 Schulmädchen aus Nigeria. Daraufhin entstand auch die Kampagne #BringBackOurGirls, die unablässig die Freilassung der entführten Mädchen fordert—von diesen bleibt aber der Großteil weiterhin verschwunden. Boko Harams Angriffe haben einen unglaublich großen Schaden verursacht und dieser holt die Mitglieder jetzt ein. Die Gruppe terrorisiert die Region schon so lange, dass selbst Boko Haram mittlerweile unter einer Nahrungsmittelkrise leidet—einer Krise, die sie eigenhändig verursacht hat. Wie die New York Times berichtet, sind die Überfälle durch Boko Haram so tödlich wie eh und je. Die Kämpfer erschießen von ihren gestohlenen Trucks aus jeden, der ihnen auf dem Weg zum nächsten Dorf in die Quere kommt. Doch nun überfällt Boko Haram die Dörfer immer öfter, um vorrangig die Essensvorräte zu plündern statt Geiseln zu nehmen. „Sie brauchen Lebensmittel. Sie müssen essen”, so Midjiyawa Bakari, Gouverneur der kamerunischen Region Hoher Norden. „Sie stehlen alles.” Schätzungen zufolge hat Boko Haram in Kamerun mehr als 4.000 Rinder gestohlen. Laut der Times gab es sogar einen Vorfall, bei dem die Kämpfer von Boko Haram zuerst 150 Ziegen und andere Kleintiere aus einer kamerunischen Stadt gestohlen haben und geflohen sind, dann aber zurück kamen, um sechs Leute zu entführen, die ihnen dabei helfen sollten, die Tiere nach Nigeria zu treiben. Jetzt droht tausenden Menschen im Nordosten Nigerias und in Kamerun eine Hungersnot. Die Märkte wurden aufgrund fehlender Nahrungsmittel geschlossen. Als sie noch funktionierten, wurden viele der Kunden durch die häufigen Selbstmordanschläge von Boko Haram jedoch vom Einkaufen auf dem Markt abgeschreckt. Die Times berichtet, dass die Kämpfer mitten in der Trockenzeit im bereits abgeernteten Sambisa-Wald nach Nahrung suchen mussten und jedes Dorf in der Nähe überfielen, das Nahrungsmittel haben könnte. Auf der Suche nach Nahrung scheint Boko Haram tiefer nach Kamerun vorgedrungen zu sein, so das US-Außenministerium. Am Mittwoch sollen im Nordosten Nigerias 76 „abgemagert aussehende” Boko Haram Mitglieder um Essen gebettelt und sich schließlich ergeben haben, teilte die Associated Press mit. Nigerias Informationsminister, Lai Mohammed, sagte Vanguard Nigeria, dass der Anstieg der Selbstmordanschläge und Angriffe auf weiche Ziele ein Zeichen dafür sei, dass Boko Haram langsam schwächer werde und verzweifelt sei. Nigeria ist auch das Land, das am stärksten unter Boko Haram gelitten hat. Mehr als 2,5 Millionen Menschen mussten aus ihrem Zuhause flüchten und laut dem Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) ist für insgesamt 4,6 Millionen Nigerianer die Ernährungssicherheit nicht gewährleistet. Der seit mehr als sechs Jahren andauernde Konflikt hat in der gesamten Region mehr als 20.000 Tote gefordert. Ende letzten Jahres wurde Boko Haram mit 6.664 Todesopfern im Jahr 2014 als die weltweit tödlichste Terrorgruppe sogar vor dem IS genannt, auf dessen Konto 6.073 Tote gingen Eine multinationale Streitmacht aus kamerunischen und nigerianischen Soldaten, unterstützt von Zusatzkräften aus dem Tschad und Niger, hat vor kurzem erfolgreich Einsätze gegen Boko Haram geführt, doch die Gebiete zu halten erweist sich als schwierig. Das amerikanische Militär, das eine eher beratende Rolle eingenommen hat, hilft den Koalitionstruppen dabei, das Hoheitsgebiet Boko Harams zu verkleinern und ihre Versorgungslinien abzuschneiden. Noch ist aber keine Lösung in Sicht und so lange Boko Haram unter der Nahrungsmittelknappheit leidet, werden auch und vor allem die Zivilisten darunter leiden.
Matthew Zuras
[ "Denken", "Food", "hunger", "Kamerun", "Munchies", "new york times", "NIGERIA", "Not", "terror", "Terrorismus", "Vereinte Nationen" ]
Food
2016-03-07T15:00:47+00:00
2024-07-30T23:15:46+00:00
https://www.vice.com/de/article/wie-boko-haram-hunger-verursacht-241/
35 Millionen Dollar für Gott – und Pop
Vergangenen Freitag wurde einer der Gründungspastoren einer Singapurer Megachurch zu acht Jahren Haft verurteilt, weil er des Betrugs und der Unterschlagung von Spendengeldern in Höhe von 35 Millionen Dollar schuldig gesprochen wurde. Das Geld hatte Kong Hee dazu genutzt, die Popmusikkarriere seiner Frau zu finanzieren und das Ganze anschließend zu verschleiern. Neben Pastor Hee wurden noch fünf andere Vorsitzende der evangelikalischen City Harvest Church verurteilt, aber Hees Strafmaß fiel dabei am höchsten aus. Die anderen Angeklagten müssen nun zwischen einem und sechs Jahren ins Gefängnis, heißt es bei der Associated Press. Das Gericht verurteilte Kong und die anderen Vorsitzenden in drei Anklagepunkten der Untreue, die sich alle auf die Unterschlagung von 17 Millionen Dollar beziehen. Die Summe war eigentlich für Bauprojekte und andere Investments gedacht. Der Staatsanwaltschaft zufolge nutzte Hee dann weitere 18,5 Millionen Dollar dazu, das erste Verbrechen vor den Wirtschaftsprüfern zu verschleiern. Während der Verhandlung behaupteten Hee und seine Kollegen durchgehend, dass der Sinn und Zweck des sogenannten Crossover Projects darin lag, die Attraktivität der Kirche durch säkulare Popmusik zu erhöhen. Die Sängerin Ho Yeow Sun, die ebenfalls zum Kirchenvorstand gehört und als Sun Ho—die chinesische Geisha des Pops—berühmt wurde, gehörte nicht zu den Angeklagten. Über mehrere Jahre hinweg hat sie diverse Alben und Musikvideos veröffentlicht—unter anderem auch eins, in dem sie sich sexy gekleidet neben HipHop-Künstler und Songwriter Wyclef Jean räkelt. Vor Gericht sagte Hee aus, dass der Erfolg seiner Frau in den USA der Schlüssel für einen größeren Einfluss des Crossover Projects gewesen wäre und der City Harvest Church „überall auf der Welt eine größere Plattform für das Predigen seiner Botschaft” geschaffen hätte. Dazu behauptete er noch, dass die Kirchenmitglieder sehr dankbar und glücklich darüber gewesen wären, dass Gott die Sängerin nutzen konnte, und sie für den Popstar und das Crossover Project gebetet hätten. So haben einige Mitglieder den Kirchenvorstand während des Verfahrens, das 2012 begann, tatsächlich fortwährend unterstützt und gemeint, dass das Crossover Project ihrer Meinung nach dazu beigetragen hätte, mehr Nichtgläubige zu erreichen. Letzten Monat sprach die 43-jährige Sun mit dem Nachrichtenportal der City Harfest Church über ihre Rolle in der ganzen Geschichte und erzählte dabei, dass sie in eine Welt gezwungen wurde, deren Werte und Moralvorstellungen mit denen der Kirche absolut nichts gemeinsam haben. Die Kirche der City Harvest Church | Foto: Wikimedia Commons | gemeinfrei „Die Leute der Kirche waren sauer auf mich und fragten, wie die Frau eines Pastors so etwas machen könnte. Und die Leute aus der Welt des Entertainments trauten mir nicht über den Weg”, erzählte Sun. „Oftmals habe ich Gott gefragt, wie lange ich das Ganze noch machen muss.” Sun meinte außerdem, dass sie mehrere Male ans Aufhören gedacht hätte. Wenn sie nach einem Konzert jedoch von Fans angesprochen wurde, war es die ganze Sache doch wieder wert. „Während Crossover ist so viel passiert, aber an eine Sache kann ich mich noch ganz genau erinnern: Ich stand Abend für Abend auf der Bühne und wenn die Leute nach den Auftritten auf mich zukamen, sagte ich mir immer, dass es das alles wert sei.” Noisey: Die Faszination für die japanische Band Babymetal ist durchaus etwas creepy 1989 gründeten Hee und Sun die City Harvest Church und bis heute hat die Kirche ungefähr 17.500 Mitglieder angesammelt. Die Werte und Moralvorstellungen der Megachurch basieren dabei auf den Lehren der Pfingstkirchler und der Charismatischen Bewegung. Die Vereinigung hat dazu noch mehrere angeschlossene Kirchen in den USA, in Malaysia, in Indonesien, in Taiwan und in Australien. Hees Anwälte reichten zwar einen Antrag auf ein mildes Urteil ein, aber der wurde vom vorsitzenden Richter See Kee Onn abgelehnt. „Bei dieser Verhandlung ging es nicht nur um Leichtsinnsfehler in der Geschäftsführung”, meinte der Richter vor einem Gerichtssaal, in dem sich viele Unterstützer Hees versammelt hatten. „Die Angeklagten haben Kirchengelder effektiv in die eigene Tasche gesteckt, um sie für eigene Zwecke auszugeben.”
VICE News
[ "Asien", "Betrug", "City Harvest Church", "Crossover Project", "Gerichtsverhandlung", "Kirche", "Kong Hee", "Megachurch", "Musik", "News", "Popmusik", "Religion", "singapur", "unterschlagung", "Verbrechen", "Vice Blog" ]
2015-11-23T14:59:00+00:00
2024-07-31T01:18:18+00:00
https://www.vice.com/de/article/ein-pastor-aus-singapur-muss-ins-gefaengnis-weil-er-die-musikkarriere-seiner-frau-mit-unterschlagenem-geld-angekurbelt-hat-462/
Unprätentiöse Imbisse: RIS A Chicken
Street Food ist meine Schwester und ich schütze ihre Ehre. Für Munchies bin ich deswegen ab sofort regelmäßig auf geheimer Mission in Berlin unterwegs, um genau die Spots ausfindig zu machen, die für kleines Geld perfektes Essen bieten. Unprätentiös, kostengünstig und schmackhaft–das wahre Street Food Berlins. Dieses Mal mit Hangover und Halāl Hähnchenkoma in Neukölln. Deutschland ist also angeblich geil, zumindest wenn man den 80 Millionen Sprallos glauben soll, die hier leben. Wie aber kann ein Land bitte geil sein, wenn es dort nur genau einen Anbieter für Fried Chicken gibt? Viele Mitbürger kennen frittiertes Hühnchen nur noch aus amerikanischen Soaps. Das nenne ich eine ernstzunehmende Bildungsmisere! Es wäre also eigentlich mehr als dringend angezeigt, in diesem Bereich fundierte Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Politik sieht währenddessen natürlich einfach weg. Also habe ich mich höchstpersönlich dazu entschlossen, ehrenamtlich Lobbyist für frittierten Geflügelschrott zu werden und meinen ersten Arbeitstag direkt in Neukölln gestartet. Machen wir uns nichts vor, das Essen bei KFC schmeckt nach altem, ranzigem Fett, ist viel zu teuer für den frittierten Geflügelwust, den es eigentlich darstellt, und als Pommes gehen die im Frittieröl eingelaufenen Kartoffelsiffos auch nicht wirklich durch. Kein Wunder also, dass Frittiertes in diesem Land einen so unsäglich schlechten Ruf genießt. Mitverantwortlich dafür ist meiner Meinung nach die Öko-Bewegung und der weit verbreitete Antiamerikanismus, der Fastfood als den personifizierten Teufel auserkoren hat. Da können einem Chicken Wings ja schon fast leid tun, zumindest dachte ich mir das letzten Sonntag und machte mich in enormer Katerstimmung auf den Weg, um die Ehre des Frittierten wiederherzustellen. Gesund? Ach komm! Müssen wir darüber jetzt ernsthaft diskutieren? Ja, zugegeben, es ist nicht gerade Raw Food oder eine entschlackende Detox-Kur, aber wer genau das möchte, kann ja gerne mit seinen langweiligen und superschönen Freunden bei Daluma in Mitte rumsitzen und sich nachher einreden, dass er sich jetzt supergut fühlen kann! Dabei weiß im Grunde jeder, dass es eine Lüge ist, denn sich aufrichtig und dauerhaft gut fühlen, das kann man nur, wenn man sich Frittiertes gestatten kann! Das hat etwas mit Selbstliebe zu tun. Der Akt sich ein fetttriefendes Hähnchenteil in den weit aufgerissenen Mund zu stecken und nachher die Hände an der Hose abzuwischen, fühlt sich in Zeiten von Ernährungsstörungen und Gesundheitswahn schon fast kriminell an. Man muss es sich aber einfach nur trauen. Wie gesagt, ich glaube, man muss der Typ Mensch für diese Art Wagnis sein. Aber das bin ich: jung, verroht, etwas aggressiv und leicht übergewichtig. Sowohl meinen guten Teint als auch meinen weiblichen Booty habe ich in erster Linie dem Frittiertem zu verdanken. Man kann also durchaus so weit gehen und den Akt des Fried Chicken-Verzehrs als Fitness und Wellness für die Seele verbuchen. Machen leider nur viel zu wenige. Nun ist es aber Gott sei Dank so: In Neukölln scheint es eine Szene von Menschen wie mich zu geben, die ebenfalls auf frittiertes Geflügel abfahren und wo eine Nachfrage ist, da gibt es bekanntermaßen auch ein Angebot. Wenn das Angebot dann noch wie hier eine hervorragende Qualität hat, dann ist es ein Foodparadies. Die beiden Giganten City Chicken und RIS A Chicken leisten sich an der Sonnenallee einen erbitterten Kampf um die Vorherrschaft im Geflügel-Business und wir können, als große Profiteure, an erster Front sitzen, Passanten beobachten und dabei Chicken genießen. Der Ort: Wenn man die Sonnenallee entlangschlendert, fällt einem das im Ladenlokal beherbergte Hähnchenkarusell gleich ins Auge. Dabei handelt es sich um ein LKW-großes Eisengebilde, das wie die gigantische Zahnspange einen Riesen wirkt, in dem sich einzelne Hähnchen verfangen haben. Nun hat aber ein findiger Mensch dieses kieferorthopädisch anmaßende Gebilde nicht in einen Mund gesetzt, sondern über rote, unfassbar heiße Glut. Es dreht sich immerzu und transportiert mit jeder Runde etwa vierzig zischende Hähnchen im Kreis, die dabei knusprig anbraten und dann und wann von einem schwitzenden Mitarbeiter mit etwas Öl eingepinselt werden. Dabei harren sie einfach nur bis zum perfekten Zeitpunkt aus, drehen geduldig Runde um Runde, um dann ihr saftiges Inneres unanständig im Rahmen der kulinarische Entjungferung zu entblößen. Der Laden ist immer gut gefüllt. Zu Stoßzeiten muss man damit rechnen auch mal zehn Minuten auf seine Bestellung warten zu müssen. Am besten kauft man sich dann ein Ayran, das hier einen Euro kostet, setzt sich auf eine der Sitzgelegenheiten am Fenster und beobachtet die Kollisionen von Fahrrädern und Autos auf der belebten Sonnenallee. Die Klientel: Die meisten Menschen sind mir eigentlich sehr ähnlich. Diese Tatsache ist spannend, den optisch unterscheiden sich die Menschen hier stark nach ihrer Herkunft. Ich als langweilige Deutsche, etwas angespeckte Mitte-Ende-Zwanzig-Jährige gehe in der Pluralität also auch einfach unter. Am Ende eint uns alle der Appetit auf Chicken und die Entscheidung Jogginghosen als Alltagskleidung wertzuschätzen. Das Gericht: Für Veganer ist der Laden eher nicht geeignet, es sei denn man ist ein veganer Masochist. Für rund 10 Euro haben wir so lange feinstes Frittiertes gegessen bis uns nur noch schlecht war. Und damit meine ich eine genussvolle Übelkeit. Die Brotbeilage, die in Form von leckeren arabischen Fladenbroten daherkommt, konnten wir am Ende nur noch nutzen um unsere fettverschmierten Finger abzuputzen, so satt waren wir. Für 1,50 Euro bekommt man einen Salat. Alles wird Halāl direkt im Laden zubereitet. Tipps: Unbedingt den Hummusdip ordern, denn der ist hausgemacht und wird supercremig mit einem schmackhaften Olivenöl abgerundet. Am besten kommt man gleich zu zweit her und teilt sich ein Grillhähnchen und ein paar Geflügelteile. Man will sich einfach nicht zwischen Grillhähnchen und Frittiertem entscheiden müssen. Übrigens sind die Wings besser als die Fried Chicken Crossis. Folgt einfach eurer Intuition! Preis: Pi mal Daumen habe ich für ein halbes Grillhähnchen, eine Hummus Bowl, zwei riesige, frittierte Chickenklumpen (Chicken Kross), sechs Wings, scharfe Sauce, Toum (libanesische Knoblauchpaste) und drei arabische Fladenbrote etwa zehn Tacken bezahlt und möchte mich nicht beschweren. RIS A Chicken Sonnenallee 25 12047 Berlin
Ada Blitzkrieg
[ "Ada Blitzkrieg", "Berlin", "Essen", "Food", "Imbiss", "Munchies", "neukölln", "Textkrieg" ]
2015-04-21T13:19:21+00:00
2024-07-31T02:06:51+00:00
https://www.vice.com/de/article/unpratentiose-imbisse-ris-a-chicken/
Als Italo-Disco-Cover hört sich jeder Pop-Hit einfach besser an
Dieser Artikel ist zuerst auf THUMP Australia erschienen. Hast du dir auch schon mal Billy Idols Schmachtfetzen „Eyes Without A Face” angehört und gedacht: „Scheiße, das würde sich auf Italienisch gut machen?” Da bist du nicht allein! Die beiden hochdekorierten DJs Dr Smith und Doctor Hysteric—zusammen bekannt als Dr. Doctor—haben für den nachfolgenden Mix einige der rarsten und überzeugendsten Italo-Disco-Cover von 80er-Hits zusammengestellt, von denen du nicht wusstest, dass sie in deinem Leben fehlen. Korrigiere: Fehlten! Der Mix mit dem Titel „Italo Cover Lover” ist ein einstündiger Ritt durch die großartige Welt der Italo-Disco-Cover, mit Interpretationen einiger der größten Songs von Künstlern wie Diana Ross, Billy Idol und Stevie Wonder sowie einer wunderbaren und unerwarteten Tenor-Version von Madonnas „Get Into The Groove” mit einer Gary-Byrd-ähnlichen Rap-Strophe. DJ Hysteric ist der Mann hinter dem australischen Label Mothball, das sich auf Italo Disco spezialisiert hat. Der Mix wird als LP in einer limitierten Auflage von 100 Stück erscheinen. ** Get into the groove: Folge THUMP auf Facebook und Twitter.
[ "80er", "billy idol", "disco", "Hören", "Italo-Disco", "Madonna", "mix", "News", "Stevie Wonder", "thump exclusive mix" ]
2016-06-06T09:35:00+00:00
2024-08-12T11:03:46+00:00
https://www.vice.com/de/article/hoer-dir-diesen-einstuendigen-mix-mit-italo-disco-covern-deiner-lieblings-80er-hits-an/
Der kroatische Tattoo-Oma Kult
Das kleine Mädchen in der Mitte ist Tea Turalija. Sie ist im früheren Jugoslawien großgeworden, umgeben von tätowierten Frauen. Jeden Tag pflanzte sie Küsse auf die Hand ihrer Großmutter und dachte sich nichts bei all den Zeichnungen auf deren Armen. Als sie älter wurde, entdeckte Tea, dass die vielen mit Tattoos verzierten Leute um sie herum der letzten Generation eines geheimen katholischen Kultes angehörten, der sich entwickelt hatte, während ihre Heimat vom osmanischen Reich besetzte war. Die Mitglieder des Kultes erkannten einander mit Hilfe der Tätowierungen auf Händen und Armen, für die sie eine Tinte verwendeten, die teilweise aus menschlicher Muttermilch bestand. Der Kult verschwand, als das kommunistische Jugoslawien kurz nach dem zweiten Weltkrieg beschloss, Religion weitestgehend abzuschaffen. Aber weil all das jetzt vorbei und Geschichte ist, versucht Tea diese traditionelle Körperkunst zu reanimieren. Diesen Entschluss fasste sie während eines Urlaubs in Australien. Sie traf da draußen jede Menge pazifische Inselbewohner, die eine Stammestradition aufrecht erhielten indem sie jeden Zentimeter ihres Körpers mit Tinte bedeckten. Ich vermute, das ist besser als sich in Byron Bay in irgendeinen blondierten Penner mit beschissenen Tribal-Schnörkeln auf seinem hawaiianischen Shirt zu verlieben. Auch wenn die Symbole der Omas wahrscheinlich schon von irgendwelchen Künstler-Idioten in St. Petersburg geklaut worden sind, sollten Artikel wie dieser hoffentlich dazu beitragen, dass sich die Geschichte noch ein bisschen weiter verbreitet, damit Studenten überall in Europa was zu erzählen haben, wenn es darum geht, wovon sie sich beim Design ihres Körperschmucks haben inspirieren lassen. Folkloristische kroatisch-katholische Gemeinden in Bosnien mussten während der osmanischen Herrschaft teuflisch unter den Türken leiden und die Mehrheit von ihnen konvertierte zum Islam. Mädchen wurden vergewaltigt, Kinder wurden von den türkischen Besetzern als Sklaven gehalten und die türkischen Kommandeure hatten das Recht, mit christlichen Frauen in ihrer Hochzeitsnacht zu schlafen, noch bevor der Ehemann auch nur einen Blick riskieren durfte. Als Reaktion auf derartigen Missbrauch tätowierten sich die Frauen gegenseitig Kreuze und andere historische Ornamente auf die Hände, Finger, Brust und Stirn. Sie glaubten, dass solche Praktiken einen spirituellen Schutz schaffen würde um die Türken abzuwehren – oder die Menschen wenigstens wissen zu lassen, dass sie einst katholisch waren bevor ihnen eine Konvertierung aufgezwungen wurde. Als der Kult seinen Höhepunkt erreicht hatte, tätowierten Mütter zuhause ihre Kinder bevor sie zehn Jahre alt waren. Der Tätowierungsprozess wurde mit einer primitiven Nadel und einer speziellen Lösung durchgeführt, die aus Holzkohle, Ruß, Honig und der Milch aus der Brust einer stillenden Frau bestand, die bereits ein männliches Kind geboren hatte. “Wir benutzten Muttermilch von einer Frau mit einem männlichen Kind, weil sich nur diese Milch wirklich gut zum Tätowieren eignet”, behauptet Tea. “Wir glauben außerdem, dass diese Art von Milch Augenkrankheiten heilen kann.” Auch wenn der Kult das osmanische Reich überdauert hat, machten kommunistische Machthaber tätowierte Frauen zum Ziel von Hasskampagnen. Bedroht und behandelt wie kriminelle, verloren sie aufgrund ihrer religiösen Loyalität häufig ihre Jobs. Letzten Endes hörten die Frauen aus Angst damit auf, ihre Kinder zu tätowieren, und die Praxis war in den 50ern mehr oder weniger ausgestorben. Eine Frau erzählte Tea in mystischem Ton über den Tätowierungsprozess. “Da war eine Paraffin-Lampe”, begann sie. “Die Milch wurde von den Frauen genommen, die ein männliches Baby stillten und dann mit dem Ruß aus der Lampe gemischt. Dann nahmen sie eine Nadel, tauchten sie hinein und tätowierten ein Kreuz auf die Hände, bis dort Blut floss. Meine Hand war taub, also fühlte ich nichts. Sie verbanden es und ich musste es für einen Tag so lassen ohne es zu waschen.” Eine andere Frau wurde im Alter von sechs Jahren tätowiert. “Ich war noch ein kleines Mädchen, das nicht zur Schule ging. Mein Tattoo wurde bei einer Feier gemacht – meine Schwester sollte eigentlich ihres bekommen aber sie fürchtete sich und schob mich stattdessen vor.” Verarscht! Laut Tea waren die Tattoos während der türkischen Besetzung von Bosnien-Herzegowina notwendig, damit die Kinder bei Entführungen geschützt waren. Viele von ihnen hatten ihre Namen oder Initialen in die Haut gestochen, um sich ihre Identität zu bewahren. Tea selbst ist noch nicht tätowiert. “Ich hätte eines Tages wahnsinnig gerne eins”, sagte sie mir. “Aber wenn überhaupt, dann nur eins der Tattoos meines Volkes, weil sie ein Teil meiner Identität sind und eine Bedeutung tragen, die kein anderes Tattoo für mich haben könnte”. Wenn ich eines Tages Kinder habe, sollen sie diese Tattoos beschützen, damit sie wissen wer sie sind. Ich würde sie auch gern mit Muttermilch tätowieren, wie es seit jeher gemacht wurde. Das einzige Problem ist, dass wir etwas Hilfe von einem professionellen Tatookünstler bräuchten, weil die Leute, die wissen wie es auf die traditionelle Art gemacht wird, heute nicht mehr am Leben sind.”
ALEX HOBAN
[ "kroatien", "Reisen", "Tattoo", "Vice Blog" ]
2011-04-12T12:40:00+00:00
2024-07-31T07:21:00+00:00
https://www.vice.com/de/article/der-kroatische-tattoo-oma-kult/
Contra a Copa: Die andere Seite der WM (Teil 3)
Auch wenn es auf den ersten Blick wie eine gute Idee aussah, die Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien stattfinden zu lassen—zweifelsohne einem der fußballverrücktesten Länder der Welt—haben im Vorfeld der Spiele massive soziale Unruhen das Land im Sturm erobert. Die brasilianische Regierung gibt Schätzungen zufolge mehr als 8 Milliarden Dollar für die Ausrichtung des Turniers aus und macht es damit zu der bis dato teuersten Weltmeisterschaft aller Zeiten. Das hat den Unmut vieler Brasilianer auf sich gezogen, von denen die Meisten der Regierung Korruption vorwerfen, und nun mitbekommen, wie Unsummen für Fußballstadien und Polizeikräfte ausgegeben werden, während die grassierende Armut und die sozialen Probleme des Landes ignoriert werden. Der wachsende Unmut führte im Juni 2013 zu gewalttätigen Protesten gegen die Regierung, die bis heute andauern und sich immer weiter zuspitzen, je näher die Weltmeisterschaft rückt. Brasiliens Regierung hat als Antwort darauf riesige Polizei- und Militäraufgebote im Land verteilt, die die Unruhen im Zaum halten sollen. Ungeachtet des harten Vorgehens finden weiterhin große Demonstrationen in den Städten des Landes statt. Im dritten Teil besuchen wir eine von Rios größten Favelas, die seit zwei Jahren ununterbrochen unter polizeilicher Videoüberwachung steht. Wir haben mit den Bewohnern der Favela gesprochen und ebenfalls mit den Polizisten, die sie überwachen.
VICE Staff
[ "Brasilien", "contra a copa", "fifa", "News", "proteste", "VICE News", "WM 2014" ]
2014-06-16T08:37:00+00:00
2024-07-31T03:28:34+00:00
https://www.vice.com/de/article/contra-a-copa-die-andere-seite-der-wm-teil-3/
Wir haben mit den einzigen Schweizern gesprochen, die ein Grundeinkommen bekommen
Den ganzen Tag am Pool liegen und sich lächelnd mit Hunderternoten Wind zufecheln – so zu leben, kann man den ersten zwei Schweizern, die ein bedingungsloses Grundeinkommen bekommen, schon mal nicht vorwerfen: Konrad ist für unser Videointerview nur am Wochenende verfügbar, da der gelernte Zimmermann zu beschäftigt ist, mit seinem Foodtruck brasilianische Spezialitäten zu verkaufen. Auch Carole, die Zweite mit uneingeschränktem Grundeinkommen, ist nur schwer erreichbar. Sie befindet sich gerade in Peru, wo sie mit Einheimischen an einem Projekt für nachhaltige Schokolade arbeitet und dafür bald in den Dschungel abtauchen wird. Dass die Schweizer für ein Jahr ein bedingungsloses Grundeinkommen von monatlich je 2.500 Franken ausbezahlt bekommen, haben sie dem Zürcher Verein “Grundeinkommen für dich” zu verdanken. Dieser sammelte im Mai 2016 in einem Crowdfundig erfolgreich Geld für den Pilotversuch. Konrad und Carole wurden zufällig als Begünstigte aus einem Topf von Interessenten ausgewählt. Weitere Verlosungen sind geplant. Obwohl das Schweizer Stimmvolk einen Monat danach eine Initiative zum bedingungslosen Grundeinkommen mit einer Mehrheit von 77 Prozent ablehnte, ist das Interesse am Konzept ungebrochen, denn die praktische Umsetzung kann in unzählige Richtungen gehen. Es stellen sich Fragen wie: Kann das Grundeinkommen die Pension ersetzen? Macht es glücklich? Sollten ein Kind und ein Erwachsener gleich viel Grundeinkommen bekommen? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, gibt es in Österreich, Deutschland, Finnland und der Stadt Zürich mehr oder minder ausgereifte Pilotprojekte. Die beiden Grundeinkommen-Gewinner aus der Schweiz haben im Gespräch mit VICE erzählt, welches Fazit sie nach über einem halben Jahr Grundeinkommen ziehen. VICE: Hi Carole, du bekommst seit dem Sommer 2016 jeden Monat einfach so 2.500 Franken ausbezahlt. Was hast du bis jetzt mit deinem bedingungslosen Grundeinkommen angestellt?Carole: Kurz nachdem ich diesen unglaublichen Gewinn gemacht hatte, leistete ich mir ein neues schönes Velo. Mein alter Drahtesel war am verlottern und da ich jeden Tag mit dem Velo unterwegs bin, war dies eine dringende Investition. Geplant war sie sowieso, aber das Grundeinkommen hat den Kauf etwas beschleunigt. Aktuell bezahle ich meine Lebenskosten mit dem Grundeinkommen, weil ich seit September wieder Studentin bin. Bis im Februar war ich in Zürich, nun lebe ich für acht Monate in Peru und mache hier einen Projekteinsatz im Rahmen meines Studiums “Entwicklung und Zusammenarbeit”. Was für ein Einsatz ist das genau?Ich arbeite hier in Peru mit der Bauernkooperative “Choba Choba” im nördlichen Amazonasgebiet. Die 36 Kleinbauernfamilien, welche im Moment Teil des Projekts sind, leben sehr abgeschieden und sind umgeben von fast unberührtem Urwald. Sie produzieren Bio-Kakao und verkaufen diesen an die gleichnamige Berner Schoggi-Firma. Meine Aufgabe besteht darin, die aktuelle sozio-ökonomische Situation im Alto Huayabamba-Tal systematisch zu erfassen, damit die Veränderung der kommenden Jahre mit der Situation kurz nach Projektbeginn verglichen werden kann. Ich lebe also im Moment zusammen mit den Bauern in ihren Dörfern fernab von Internet, Handynetz und Strassen, stapfe in hohen Stiefeln mit ihnen durch die Kakaofelder und lerne sehr viel über ihre aktuellen und vergangenen Lebens- und Arbeitsumstände. Das Leben hier ist natürlich nicht vergleichbar mit dem urbanen Dasein in Zürich, aber sehr beeindruckend und lehrreich. “Das Grundeinkommen ist die einzige sinnvolle Antwort darauf, dass arm und reich immer weiter auseinanderdriften.” Hi Konrad, auch du bekommst ein bedingungsloses Grundeinkommen, für was hast du es bis jetzt verwendet?Konrad: Ich bin selbständiger Zimmermann und betreibe nebenbei zusammen mit meiner Frau und einem Freund einen Foodtruck in Genf. Dafür habe ich bis jetzt den Grossteil des Grundeinkommens verwendet. Es kam gerade zur richtigen Zeit. Meine Frau ist nun schwanger und kann nicht mehr voll arbeiten, darum ist das jetzt gerade sehr praktisch. Was zieht ihr für ein Fazit aus eurer bisherigen Zeit mit dem Grundeinkommen? Carole: Es kam genau zum richtigen Zeitpunkt! Zwei Wochen nachdem ich vom Gewinn erfahren hatte, wurde ich in das Studienprogramm an der ETH aufgenommen. Es hat mir mein Leben als Studentin enorm erleichtert. Mit Anfang 20 arbeitete ich neben meinem ersten Studium rund 40 Prozent im Gastgewerbe, um über die Runden zu kommen. Das hat mir zwar gefallen, war aber auch wahnsinnig streng. Nun bin ich nach ein paar Jahren im Erwerbsleben erneut Studentin und kann es mir leisten, mich voll aufs Studium zu konzentrieren.Konrad: Es ist super! Ich war schon vorher ein grosser Fan des Grundeinkommens. Es ist die einzige sinnvolle Antwort darauf, dass arm und reich immer weiter auseinanderdriften. In manchen Ländern Südamerikas ist die Lage teilweise so dramatisch, dass du nicht auf die Strasse gehen kannst, ohne Angst haben zu müssen, gleich ausgeraubt zu werden. Viele Menschen leben in blanker Not und sind von der Gesellschaft ausgeschlossen. Hierzulande gibt es zwar Sozialsysteme, die solche Zustände verhindern sollen, diese sind aber extrem verwaltungsaufwändig und zumindest in meinem Heimatland Deutschland oft stigmatisierend. Gibt es etwas, das ihr im Nachhinein anders machen würdet? Carole: Nein, eigentlich nicht. Wären meine Lebensumstände anders gewesen, hätte ich den Gewinn vielleicht weitergegeben oder mit meinem Freund eine grosse Reise gemacht. Aber letztes Jahr habe ich meine ganze Zeit und Energie in unser Start-up-Projekt “Crowd Container” gesteckt, bei dem es darum geht, dass Konsumenten direkt von Lebensmittelproduzenten kaufen können und ein Studium begonnen, da konnte ich diesen Zustupf wahnsinnig gut gebrauchen.Konrad: Ich bin mit all meinen Entscheidungen zufrieden. Wie denkt ihr, würde sich die Schweizer Gesellschaft verändern, wenn jeder ein bedingungsloses Grundeinkommen bekommen würde? Carole: Zuerst möchte ich klarstellen: Ich habe ein einjähriges Grundeinkommen gewonnen, nicht ein lebenslängliches. Wie sich unsere Gesellschaft verändern würde, hängt von unzähligen Faktoren ab. Inwiefern würde das Grundeinkommen unsere Sozialsysteme ersetzen? Wie würde das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und -nehmer neu definiert werden? Und vor allem: Wer hätte Anrecht auf ein Grundeinkommen? Es gäbe eine ganze Reihe an politischen Herausforderungen. Doch ich bin überzeugt, dass die meisten Schweizerinnen und Schweizer weiterarbeiten würden. Auf der faulen Haut liegen ist super für ein paar Tage oder Wochen, nicht jedoch für Monate oder Jahre. Dass die Notwendigkeit besteht, soziale Ungleichheit zu reduzieren, davon bin ich absolut überzeugt. Vielleicht ist das bedingungslose Grundeinkommen ein mögliches Instrument dafür. Die Problematik der sozialen Ungleichheit ist aber natürlich nicht national, sondern global.Konrad: Die Mehrheit der Schweizer würde sicher weiterarbeiten, aber sicher gäbe es auch solche, die nicht mehr arbeiten. Die gibt es ja immer. Aber ich bin davon überzeugt, dass der Mensch nicht damit zufrieden ist, einfach auf der Couch zu sitzen. Ausserdem würde es vielleicht helfen, dass man sich in der Schweiz nicht mehr so extrem über seine Arbeit definiert. Das Sein könnte in den Vordergrund treten. Und echte produktive Arbeit, die einen Mehrwert für die Gesellschaft oder den Einzelnen bringt, bekommt dann vielleicht mehr Wert. Ich denke da an Krankenschwestern, Handwerker, Bauern und alle die dafür arbeiten dass wir gesund sind, ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen haben. VICE auf Facebook Vanessa auf Twitter
Vanessa Sadecky
[ "ahv", "Bedingungsloses Grundeinkommen", "gesellschaft", "Schweiz", "Zukunft der Arbeit" ]
2017-04-16T05:00:00+00:00
2024-07-30T19:40:28+00:00
https://www.vice.com/de/article/wir-haben-mit-den-einzigen-schweizern-gesprochen-die-ein-grundeinkommen-bekommen/
Journalist täuscht Hinrichtung vor – und taucht plötzlich wieder auf
Turns out not even Babchenko's own wife – to say nothing of his six adopted children – knew about it. "Olechka, I am sorry, but there were no options here," Babchenko says. "I'm sorry for making you live through this. I've buried my own friends and colleagues many times myself." Die weltweite Empörung war groß, die Schlagzeilen hatten es in sich: “Mord an einem kompromisslosen Kreml-Kritiker“, “Journalist und Putin-Kritiker Arkadi Babtschenko in Kiew erschossen”. In einem Artikel der Welt heißt es: “Der Killer streckte ihn mit drei Kugeln in den Rücken nieder.” Veröffentlicht wurde er Mittwochnachmittag. “Die Täter und ihre Hintermänner dürfen nicht ohne Strafe davonkommen wie in so vielen anderen Fällen”, mahnte die Organisation Reporter ohne Grenzen. Wieder wurde ein Kritiker der russischen Politik umgebracht – hatte es den Anschein. Sogar der russische Außenminister Sergej Lawrow äußerte sich und stritt ab, dass Russland hinter dem Mord an dem Kriegsreporter stecke. Und plötzlich tauchte Arkadi Babtschenko am Mittwochabend auf einer Pressekonferenz in Kiew auf. Hinter der Wendung in dem Doch-nicht-Mordfall-Babtschenko soll der ukrainische Geheimdienst SBU stecken. So bizarr der Fall anmutet, so ernst soll der Hintergrund sein. Babtschenko ist russischer Staatsbürger und Kriegsveteran, er hat für Moskau in Tschetschenien gedient. Später avancierte er zu einem gefragten Kriegsreporter und zunehmend auch zum Kritiker der russischen Machtelite. Wegen Drohungen gegen ihn, seine Frau und seine Tochter hat er Russland verlassen und lebt nun in Kiew, wie viele russische Dissidenten. Mehrere Mitglieder dieser Community sind in den vergangenen Jahren ermordet worden, darunter auch Journalisten. Laut ukrainischem Geheimdienst soll Moskau nun geplant haben, Babtschenko umzubringen. Deshalb hätten ukrainische Agenten seinen Mord vorgetäuscht, um die Hintermänner zu schnappen, was auch gelungen sei. Diese Angaben lassen sich aktuell nicht überprüfen, wobei auch in Zukunft wohl nur der Geheimdienst selbst wissen wird, ob diese Version der Geschichte stimmt. Der 41-jährige Journalist selbst entschuldigte sich auf der Pressekonferenz bei seiner Frau für die Todesnachricht. Nicht einmal sie habe gewusst, dass er noch am Leben war. Sicher ist, dass durch solche Manöver viel Vertrauen verloren geht. In dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, in dem ohnehin oft nicht klar ist, was stimmt und was nicht, ist journalistische Glaubwürdigkeit besonders wichtig. Fürsprecher von Kreml-Kritikern werden daher künftig wohl besonders gut abwägen, wie schnell sie jemandem zur Seite springen, der sich gegen Moskau stellt. Sorry, guys, to me, it's crossing a line big time. Babchenko is a journalist not a policeman, for Christ sake, and part of our job is trust, whatever Trump&Putin say about fake news. I'm glad he is alive, but he undermined even further the credibility of journalists and the media Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
VICE Staff
[ "mord", "Russland", "Ukraine" ]
2018-05-30T16:15:18+00:00
2024-07-30T18:37:48+00:00
https://www.vice.com/de/article/journalist-tauscht-seine-eigene-ermordung-vor/
Vom Genetiker zum Beatkünstler: Max Cooper
Während einige ihre Kohle damit verdienen, deine wöchentliche Ration Wurstwaren durch den Kassenscanner zu ziehen, ist Max Cooper ein echter Wissenschaftler. Seine Produktionen aus zerhackten Noisefetzen gepaart mit Electronica sind nämlich ebenso beeindruckend wie sein Ph.D.-Abschluss in Bioinformatik, einem Fachbereich der Genetik. Das macht sich wirklich schön in jedem Lebenslauf. Sein gerade erschienenes Debütalbum Human erforscht die Untiefen menschlicher Interaktion mittels einer angemessenen Dosis Glitch und ungeschminkter Emotion. Wir empfehlen auch den Mix anzuhören, den der Ire für uns zusammengestellt hat. YNTHT: Wie ich hörte arbeitest du gerade an einer ziemlich abgefahren Sache?Max Cooper: Ja, ich tüftle gerade an so einem 4D-Soundprojekt. Das ist eine spezielle Installation in Amsterdam, die aus einer Anordnung von Lautsprechern in verschiedenen Höhen, Breiten und Tiefen besteht. Man kann sich dann frei zwischen diesen Lautsprechern bewegen und eine Software sorgt dafür, dass Klänge aus allen Ecken des Raums auftauchen. Ich versuche mir vorzustellen, wie abgefahren so etwas für Filme wäre …Eins unserer Projekte versetzt dich inmitten eines riesigen Sturms. Das ist schon etwas gruselig, weil du die Blitzeinschläge und das Tosen von allen Seiten mitbekommst. Schon mal über Texas Chain Saw Massacre in 4D nachgedacht?Um genau so etwas geht es. Es könnte auch bei Computerspielen eingesetzt werden und dich dazu bringen, dass du dich komplett in der virtuellen Welt verlierst. Das erinnert mich an die eine Folge von The Gadget Show, als sie diesen Battlefield 3-Simulator bauten, der es dem Spieler ermöglichte, mit dem ganzen Körper in das Spiel einzutauchen.Die sind da also physisch rumgelaufen? Genau, und die Bewegungen der Personen wurden an das Spiel übermittelt.Ja, so etwas kann auch mit Sound in dem 4D-Projekt gemacht werden. Darf ich die Pilotversion deiner Erfindung dann auch mal ausprobieren?Klar, ich schreib dich auf die Liste. Wunderbar! Jetzt aber zurück zu deiner Musik: Human wurde letzten Montag veröffentlicht.Ich war zwischenzeitlich auch viel auf Tour und habe auch schon an ein paar neuen Sachen gearbeitet. Schwer beschäftigt wie immer … Inwiefern hat sich die Arbeit an einem kompletten Album von der an deinen Singles und EPs unterschieden?Ich musste mich nicht mit den ganzen Einschränkungen herumschlagen, die ich sonst immer habe. Dance-DJs brauchen Tracks, die sie gut in ihren Sets unterbringen können. Also muss zum Beispiel der Anfang und das Ende für Übergänge brauchbar sein. Mit dem Album konnte ich jetzt die Songs schreiben, wie ich sie wollte—und lauter komische Sachen einbauen, ohne dass ich mir Sorgen machen musste, wer das auflegen möchte. Gibt es ein Konzept hinter dem Album?Jeder Track behandelt einen unterschiedlichen Aspekt davon, was es bedeutet, Mensch zu sein. Es gibt zum Beispiel den Track „Automaton“, in dem es darum geht, dass Menschen wie Roboter sind. In dem Song gibt es viele abgehackte Soundschnipsel, wie halt bei einem Roboter, und die Vocals wiederholen immer „I can’t stop it“. Es sind alles Konzepte, die jeder Mensch nachempfinden kann, aber du musst auch nicht alles verstehen, um das Album genießen zu können. Es funktioniert auch einfach als Musik, egal ob du dich mit den Inhalten beschäftigst oder nicht. Wird es davon auch eine 4D-Version geben?Ich habe eine Show mit der Anlage gemacht, aber das Problem ist einfach, dass du es nur in 4D hören kannst, wenn du auch da bist. Es gibt nur eins von diesen 4D-Systemen, weil es ein sehr experimentelles Projekt ist. Eine Möglichkeit, wie du etwas in der Art machen könntest, wären binaurale Aufnahmen. Dazu steckst du dir Mikrophone in deine Ohren und fängst so ein, wie Sound in 3D aufgenommen wird, anstatt wie üblich in Stereo. Ich habe das auf dem Album verwendet. In dem ersten Track hörst du ein par Field Recordings, die ich im Foyer des Natural History Museum gemacht habe. Gehören Field Recordings zum Standardrepertoire bei deinen Aufnahmen?Ich habe sie in mindestens drei Tracks verwendet, alle wurden binaural aufgenommen. Es geht also auch um die Idee, dass du als Hörer eine überzeugendere Sounderfahrung bekommst. Wenn du dir irgendeinen Sound aus dem Universum aussuchen könntest, welchen würdest du aufzeichnen?Der Urknall wäre wohl der ultimative Sound. Epischer geht’s auch nicht … Welche Software/Hardware-Kombinationen hast du für die Albumaufnahmen verwendet?Ich habe fast alles mit Ableton aufgenommen. Ich verwende viel von dem Native Instruments-Zeug und einen Moog Minotaur auf einem der Tracks, aber im Großen und Ganzen war alles digital. Die Streicher und das Klavier habe ich selber mit Samples komponiert. Dann gibt es da natürlich noch die Sänger und die Field Recordings, die für mich dem Ganzen ein natürliches menschliches Gefühl geben. Es ist immer noch in meinem üblichen Stil gehalten, aber fügt ihm eben noch eine menschliche Ebene hinzu. Das ist etwas, dass ich schon immer verfolgt habe, diese Kombination von Computern und echten Emotionen. Und du hast ja auch diesen wissenschaftlichen Hintergrund in der Genetik. Kombinierst du die beiden Sachen noch?Ich habe jetzt seit drei oder vier Jahren nicht mehr in der Genetik gearbeitet. Seitdem mache ich Vollzeit Musik aber vorher lief beides parallel. Ich kam aber zu dem Punkt, an dem ich mich entscheiden musste, einer von den beiden Sachen wirklich zu 100% geben. Ich habe mich für die Musik entschieden, also ist die Genetik leider auf der Strecke geblieben. Ich lese zwar noch viele wissenschaftliche Arbeiten, aber ich betreibe keine richtige Forschung mehr. 11.04. Hamburg – Uebel & Gefährlich25.04. Ravensburg – Druckpunkt Folge Errol auf Twitter: @Errol_And ** Folgt YNTHT bei Facebook und Twitter. MEHR VON YOU NEED TO HEAR THIS
Errol Anderson
[ "Features", "Fields", "genetics", "Interview", "Max Cooper", "Music", "Noisey", "Touching Bass", "YNTHT", "You Need to Hear This" ]
Music
2014-03-17T13:00:00+00:00
2024-07-31T02:58:31+00:00
https://www.vice.com/de/article/youneedtohearthis-touching-bass-max-cooper/
Emoticons statt Spritzbesteck
Die unendliche Geschichte des Rock’n’Roll am Beispiel Guns’n’Roses. Dem letzten dicken Ding des 20. Jahrhunderts. Axl Rose, Slash, Duff McKagan, Matt Sorum und die unterwegs verloren gegangenen Izzy Stradlin und Steven Adler: Ein König und seine Fürsten beherrschten die Welt. Das war vor 20 Jahren. Und heute? Heute spielt Slash in Bangkok.Er hat sein erstes Soloalbum veröffentlicht und ist auf Welttournee. Mit McKagan, Sorum und Stradlin bildete er in den vergangenen Jahren Velvet Revolver, also Guns’n’Roses ohne Rose. Die Band feierte Respektserfolge. Aber eigentlich hat es auch niemanden Interessiert. Im Nebenberuf ist er auch Computerheld. Bei Guitar Hero kann man in seine Haut schlüpfen, das Videospiel ist ein Verkaufsschlager. In die Haut von Slash schlüpfen, das bedeutet, einen Herzschrittmacher tragen. Mit 35 bekam er das Gerät eingepflanzt. Er hat es überlebt, so wie er das Koks, das Heroin, den Wodka und Axl Rose überlebt hat. Heute ist er sogar Nichtraucher. Für sein Soloalbum hat er Freunde ins Studio eingeladen, von Fergie, der Schönen von den Black Eyed Peas bis zu Lemmy Kilmister, dem Biest von Motörhead. Zusammen mit Fergie ist er in der Halbzeitpause des Super Bowl aufgetreten. Slash ist gut im Geschäft. Er war ja immer irgendwie sympathisch. Ein Mann der Tat, ohne große Worte. Gib ihm eine Gitarre, stell ihn auf die Bühne, dann ist er zufrieden – das ist auch die Quintessenz seiner fast 500 Seiten dicken Autobiografie. Der schweigsame Held erzählt darin von seinem jahrelangen Junkie-Dasein und gibt dem Leser einen Backstage-Pass für die alten G’n’R-Tage. Am Ende steht die Erkenntnis, dass es eine Wiedervereinigung der Band so schnell nicht geben wird und man Slash auch bitteschön nicht darauf ansprechen darf, sollte man ihm auf der Straße begegnen. Außerdem wird folgende Weisheit notiert: Pinkelt man sich nach einem Alkoholexzess selbst an, ist es ratsam, Lederhosen zu tragen. Zitat Slash: „Sie vergeben Dir schneller als Jeans“. Die Show in Bangkok: Slash steht auf der Bühne und alles ist wie immer, also Zylinder, Sonnenbrille, Gitarre, Krauselocken, Lederhosen. Das ganze Kostüm eben. Nur ohne Zigarette. Um ihn herum stehen vier andere Musiker, der Rhythmusgitarrist und der Drummer erledigen präzise und unspektakulär ihren Job, der Bassist scheint einfach nur glücklich zu sein, mit Slash spielen zu dürfen und wirft Plektren ins Publikum als bekäme er für jedes Teil einen Dollar. Myles Kennedy, der Sänger, klingt nach Axl Rose und sieht ihm auch ein bisschen ähnlich, aber seinen Part gibt er brav mit der von ihm erwarteten Zurückhaltung. Die Regel lautet: Der Slash ist der Star. Und so gibt es an diesem Abend 21 Songs mit 21 Gitarren-Soli. Myles Kennedy kann sich ein leises Lächeln nicht verkneifen, als er die Bühne zum zwölften Mal für Slash und sein Gitarrengewitter räumen muss. Auf der Set-Liste stehen Velvet-Revolver-Songs und Stücke vom neuen Album und natürlich ein paar Guns’n’Roses-Klassiker. Es dauert, bis das Publikum zum ersten Mal Lärm macht, aber der Moment ist dann umso großartiger: Einer Gitarrensolo-Version von dem Titelstück aus „Der Pate“ entschlüpft „Sweet Child of Mine“. Mehr Glückseligkeit im Mosh Pit herrscht nur beim allerletzten Stück des Abends: „Take me down to the Paradise City/ Where the grass is green and the girls are pretty/ Oh won’t you please take me home”. Paradise City steht immer noch, aber die Bewohner haben sich geändert. Statt blanken Brüsten werden in den vorderen Reihen Mobiltelefone in die Höhe gehalten, einer filmt sogar mit seinem iPad. Nicht auszudenken, was die Kuttenträger früher mit diesem Typen angestellt hätten. Auf der Facebook-Seite von Slash erscheint unterdessen hinter jedem Eintrag ein eigens für den Star erfundenes Emoticon – wohl eine Reminiszenz an seinen Job bei Guitar Hero. Der Slash aus Fleisch und Blut ist sich treu geblieben. Er ist der Sohn, den Keith Richards niemals hatte. Macht keine großen Worte und lässt die Saiten sprechen. Zum Schluss des Konzerts noch eine Durchsage am Mikrofon: Danke Bangkok, du warst natürlich „fucking awesome”.
Christoph Stockburger
[ "Musik", "Vice Blog" ]
2011-03-23T18:09:00+00:00
2024-07-31T07:27:11+00:00
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Ich habe 20 Stunden in einem Walmart verbracht
Vor ein paar Jahren bin ich aus England in die USA gezogen. Die meiste Zeit in diesem Land habe ich bislang in Großstädten verbracht. Da es in den meisten Großstädten allerdings keinen Walmart gibt, wusste ich eigentlich nie so recht, was in ihnen vor sich geht. Klar, bei längeren Ausflügen mit dem Auto bin ich schon mal in einem gelandet, aber ich bin mir nicht ganz sicher, was Walmart von den anderen großen Supermarktketten unterscheidet. Dank des Internets kenne ich natürlich Meldungen wie die über das aktive Methlab in den Walmart-Toiletten und den Mann, dem vorgeworfen wurde, im Walmart Frauen die Füße abgelutscht zu haben. Ich habe auch gemerkt, dass diese Storys für Menschen noch lustiger sind, weil sie in einem Walmart passiert sind. Warum das aber so ist, habe ich nicht wirklich verstanden. Walmart ist anscheinend anders als Target, K-Mart, Costco und wie sie alle heißen—ich weiß aber einfach nicht warum. Um ein besseres Verständnis für diese eine Sache zu bekommen, die ein so elementarer Teil der amerikanischen Erfahrung zu sein scheint, entschied ich mich dafür, 24 Stunden im nächstgelegenen Walmart Supercenter, in Santa Fe Springs, Kalifornien, zu verbringen. Ich nahm mein Handy mit, aber nur um Fotos zu schießen und Notizen zu machen. Ich habe weder das Internet benutzt, noch irgendwelche Podcasts gehört oder andere Sachen gemacht, um mich abzulenken. Ich wollte Walmart so sehr verbunden sein, wie es nur geht. Und das hier habe ich erlebt: 04:00 Uhr Direkt mal vorweg: Laut seiner Website ist das Walmart Supercenter in Santa Fe Springs 24 Stunden geöffnet. Das stimmt aber nicht. Als ich um 4:00 Uhr morgens dort ankomme, ist der Laden ziemlich sehr geschlossen. 04:10 Uhr Ich sehe eine Frau in dem Gebäude. Ich frage sie, wann der Laden aufmacht. Sie sagt um sechs. Ich entscheide mich dazu, mir die Zeit bis zur Öffnung damit zu vertreiben, über den großen Parkplatz zu latschen. 05:30 Uhr Es gibt hier nichts, worüber ich schreiben könnte. Außerhalb eines Walmarts gibt es einfach nichts zu sehen. Es ist bloß ein gigantischer, fensterloser, beigefarbener Klotz umgeben von anderen gigantischen, fensterlosen, beigefarbenen Klötzen mit leicht abweichenden Logos auf der Vorderseite. 05:40 Uhr Verdammt, mir ist langweilig. Alle Fotos vom Autor 05:52 Uhr Die ersten Kunden stellen sich vor dem Eingang an. Es gibt auch wirklich keinen Grund, dass ich die einzige Person sein sollte, die morgens um 05:52 Uhr darauf wartet, dass der Walmart aufmacht, oder? Was läuft bei diesen Menschen falsch? 06:01 Uhr Die Türen öffnen sich und ich beginne, durch den Laden zu schlendern. Schon ziemlich bald fange ich an, mein Vorhaben zutiefst zu bereuen. Ich bin die wahrscheinlich am schnellsten gelangweilte Person, die ich kenne. Ich brauche ständig irgendeine Ablenkung. Wenn ich ein öffentliches Verkehrsmittel betrete und merke, dass ich meine Kopfhörer vergessen habe, reagiere ich so, wie die meisten Menschen reagieren würden, wenn sie merken, dass sie ihr Kind vergessen habe. Was zur Hölle mache ich eigentlich hier? 06:05 Uhr Ich laufe an den Fernsehern in der Elektronikabteilung vorbei. Darauf läuft irgendeine Werbung, in der Katie Holmes irgendetwas anpreist. Warum sollte irgendjemand etwas kaufen wollen, das von Katie Holmes empfohlen wird? Sie hat jetzt nicht gerade die besten Entscheidungen in ihrem Leben getroffen. 06:12 Uhr Ich mache mir langsam Sorgen darüber, was ich den Angestellten hier sagen soll, warum ich mich so lange in dem Laden aufhalte. 06:18 Uhr Ich merke, dass meine Sorgen unbegründet waren. Keiner der Angestellten hier scheint überhaupt zu merken, dass ich existiere, wenn ich an ihnen vorbeigehe. 06:20 Uhr In der Abteilung für Herrenbekleidung fällt mir eine Flasche Sauce Tartare auf, die auf einem Gürtelständer steht. Ich finde das schon etwas sonderbar, da der Laden ja gerade erst aufgemacht hat. Die Soße muss die ganze Nacht dort gewesen sein. 06:48 Uhr Ich komme wieder an den Fernsehern vorbei und wieder flimmert Katie Holmes über die Bildschirme. Ich beschließe, auf das Ende der Werbung zu warten, um zu sehen ob hier vielleicht irgendetwas Gutes läuft. Irgendwie muss ich die Zeit ja rumkriegen. 06:51 Uhr Die Werbung läuft immer noch. Dauert Werbung in diesem Land immer so lang? 06:55 Uhr Wie kann es bitte sein, dass diese Werbung immer noch läuft? 06:58 Uhr Ich merke, dass hier nichts anderes mehr kommt. Die Werbung läuft in Dauerschleife. Ist das in allen Walmarts so? Die Menschen, die in der Abteilung für Unterhaltungselektronik arbeiten, müssen doch wahnsinnig werden. 06:59 Uhr Mein Plan, die meiste Zeit meines Tages damit zu verbringen, in der Abteilung von den Fernsehern abzuhängen, wurde gerade brutal zu Nichte gemacht. Ich fühle mich wie der Typ, dem am Ende dieser einen Twilight Zone Folge seine Brille kaputtgeht. 07:01 Uhr Dieser Walmart ist gigantisch. Ich werde den Laden jetzt an seinen äußersten Rändern umrunden, um zu sehen, wie lange ich dafür brauche. 07:05 Uhr Ich habe etwas weniger als fünf Minuten gebraucht. Das muss mehr als ein halber Kilometer gewesen sein. Für ein Gebäude ist das verdammt groß. Ich erinnere mich daran, wie jemand mir mal erzählte, dass es ein NASA-Gebäude gibt, das so groß ist, dass es sein eigenes Wetter hat. Ich frage mich unweigerlich, wie viel größer dieser Raum noch sein müsste, um sein eigenes Wetter zu haben? 07:11 Uhr Ich gehe wieder in die Elektronikabteilung, um die Zeit damit totzuschlagen, an den ausgestellten Konsolen zu zocken. 07:13 Uhr Keine der Konsolen funktioniert. Das wird ein langer Tag. 07:46 Uhr Die Sauce Tartare steht noch immer bei den Gürteln. Irgendwie hat es was Schönes, dass sie noch da ist. Ein Hauch von Chaos in einer ansonsten sterilen und durchsortierten Umwelt. Ich murmle im Vorbeigehen ein leises „Hallo”. 08:06 Uhr Ich fasse den Entschluss, meine Zeit im Walmart sinnvoll zu verbringen. Ich bin hier ein Immigrant und es gibt eine Menge Sachen, die ich nicht über Amerika weiß. Ich verstehe nur etwa 70 Prozent der Referenzen bei Family Guy. Ich habe keine Ahnung, wer Katie Couric ist. Ich weiß nicht, warum die Menschen hier den Ausspruch „on accident” in Situationen verwenden, in denen er überhaupt keinen Sinn ergibt. Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, was die Three Stooges oder Full House ist. Diese Tag könnte also durchaus zu einer wertvollen Lernerfahrung für mich werden. Alles, was man je über Amerika wissen können wollte, findet man in einem Walmart Supercenter. Ich werde mich jetzt Gang für Gang durch diesen Laden arbeiten und die Verpackung jedes einzelnen Produkts studieren. 08:07 Uhr Ich beginne in der Tiefkühlabteilung, weil sie sich direkt am Haupteingang befindet. 08:08 Uhr Ich lerne, dass „Supreme” in diesem Land eine Pizza-Geschmacksrichtung ist. 08:09 Uhr Ich lerne, was ein „Toaster Strudel” ist—ein Begriff, den ich schon oft in Filmen gehört habe. 08:14 Uhr Ich sehe ein Produkt, das „Pillsbury Maple Burst’n Mini Pancakes” heißt. Warum sollte jemand etwas Warmes essen wollen, das einem um die Ohren fliegt? 08:26 Uhr Verdammt, ist das langweilig, 20 Minuten damit zu verbringen, die Verpackung von jedem einzelnen Produkt in der Tiefkühlabteilung durchzulesen. Ich gebe meinen Plan wieder auf, alles in diesem Laden zu studieren, und setze mich stattdessen in der hauseigenen McDonald’s. 08:30 Uhr Der McDonald’s hat seinen eigenen Fernsehsender. Dort läuft ein Interview mit einem Fotografen, der eine Serie über „Sheeple” gemacht hat, in der Models prothetische Schafsmasken tragen und dazu teure Säfte trinken und Yoga machen. Im Interview erklärt der Fotograf, dass er damit ein Statement darüber machen wollte, wie Menschen zu Sklaven der kapitalistischen Maschinerie werden. Ein McDonald’s-Sender scheint mir ein sonderbares Medium zu sein, um derartige Ansichten zu äußern. 08:40 Uhr Besorgt, dass ich mich verdächtig mache, weil ich bei McDonald’s nichts gekauft habe, begebe ich mich zurück in den Laden. 08:44 Uhr Die Sauce Tartare ist noch immer an ihrem Platz. 08:59 Uhr Ich sehe dieses Buch aus meinem Augenwinkel und schrecke innerlich kurz zusammen. Wäre ich Schriftsteller und mein Name wäre „Neggers”, ich würde ich ihn sehr wahrscheinlich ändern. 09:01 Uhr Der Kelly-Clarkson-Song, in dem sie „What doesn’t kill you makes you stronger!” singt, läuft über die Walmart-Lautsprecher. Mir ist es peinlich zuzugeben, wie bewegt ich von diesen Worten angesichts meiner momentanen Misselage bin. Nein, dieser Tag hier wird mich nicht umbringen, er wird mich stärker machen. 09:12 Uhr Für meinen Brunch kaufe ich mir eine Schachtel Ritz Cracker und einen Dip. Wenn man ihrer Namensbrosche Glauben schenken darf, dann heißt die Frau, die mich an der Kasse bedient „Msedith”. Ich überlege, sie zu fragen, wie man das ausspricht, entscheide mich dann aber dafür, es als großes Mysterium zu belassen. Vielleicht ist es ja auch einfach „Ms. Edith”? 09:13 Uhr Zum essen setze ich mich auf eine Bank vor dem Laden. Der Dip schmeckt in etwa so, wie Katzenfutter riecht. 09:41 Uhr Eine Weile lang beobachte ich den Begrüßer am Eingang. Er grüßt die Kunden, aber niemand reagiert—und trotzdem bleibt er freundlich. Es ist ein älterer Mann und er sieht meinem Vater gar nicht mal so unähnlich, was die ganze Sache noch trauriger macht. Ich nehme mir fest vor, die Walmart-Begrüßer von nun an immer zurückzugrüßen. 09:42 Uhr Mir fällt auf, dass der Redbox-Automat [DVD-Verleihautomat] blau ist. Sind alle Redbox-Automaten blau? Sollte dem so sein, dann läuft in der Designabteilung von Redbox ganz gehörig was schief—dieser Automat ist eine Box und darauf steht Redbox. 10:00 Uhr Ich merke, dass ich jetzt fast 20 Minuten auf den Redbox-Automaten gestarrt habe. Bin ich eingeschlafen? Nein, das glaube ich nicht. Aber ich erinnere mich an nichts, was in den letzten 20 Minuten passiert ist. Wurde ich von Aliens entführt? 10:20 Uhr Ich merke, dass der Gürtelbestand aufgestockt wird. Das Ende der Sauce Tartare scheint gekommen zu sein. Ich bin überraschend traurig darüber. 11:00 Uhr Ich begebe mich in die Pflanzen- und Gartenabteilung. Dabei handelt es sich um eine wunderschöne Oase fernab der Neonlichter und der erschlagend öden Innenarchitektur des Ladens. Ich mache fast augenblicklich wieder kehrt, denn ich fürchte, dass mich die Schönheit der Pflanzen- und Gartenabteilung übersättigen könnte. Ich nehme mir jedoch fest vor, in den nächsten Stunden nicht mehr hierher zurückzukommen, um diese Schönheit richtig schätzen zu können. 11:06 Uhr Der Gürtelständer ist jetzt zwar leer, aber die Sauce Tartare ist immer noch da. Die Sauce Tartare ist tatsächlich der einzige Gegenstand, der sich jetzt noch auf dem ansonsten leeren Gürtelständer befindet. 11:20 Uhr Ich drehe wieder eine Runde durch den Laden und erblicke das obige Produkt. Ich frage mich, wie viele Menschen den Namen wohl während der Entwicklung gesehen haben, ohne zu merken, dass er einem unweigerlich Bilder von Oralsex mit Katzen in den Kopf pflanzt. 11:26 Uhr Ich bin jetzt mindestens dreimal in jeder Abteilung dieses Ladens gewesen. Es gibt nichts Neues mehr zu entdecken. Ich drehe eine weitere Runde. Lebensmittel. Elektro-Artikel. Garten. Sport. Haushaltswaren. Und wieder von vorne. 11:47 Uhr Zum ersten Mal seit Jahren stellt sich mir die Frage „Ist es noch zu früh, um sich zu besaufen?” 11:49 Uhr Ich habe ja keine Ahnung, dass einem so schnell so langweilig werden kann. Die Zeit vergeht langsamer als sonst. Ich kehre wieder zu der Bank vor dem Laden zurück. Ich setze mich hin und versuche zu raten, wann 15 Minuten vergangen sind. 11:53 Uhr Ich schaue auf die Uhr. Scheiße. Das waren nur fünf Minuten. 11:54 Uhr Ich habe mal im Verkauf gearbeitet. Wie zur Hölle habe ich das nur gemacht? 11:55 Uhr Ich kaufe zwei lächerlich große Dosen Bier, da sie das einzige Produkt sind, dass man einzeln und nicht in Multipacks kaufen kann. 11:57 Uhr In der Toilette trinke ich das Bier viel zu schnell und bekomme Hirnfrost. 12:00 Uhr Ich fühle mich betrunken und schlendere wieder durch den Laden. Tagsüber betrunken zu sein, ist super. Ich sollte immer morgens trinken. 12:03 Uhr Selbst betrunken ist mir langweilig. Mir ist so langweilig, dass ich es sogar körperlich in meinem Brustkorb spüren kann. Es fühlt sich an, als hätte ich einen Tennisball verschluckt. Gibt es irgendeine Wohltätigkeitsorganisation, die sich dem Kampf gegen die Langeweile verschrieben hat? Ich würde ihr sofort spenden, sobald ich aus diesem Laden komme. 12:14 Uhr Wie schaffen es nur Menschen, die in einem Brunnen feststecken, sich in der Wildnis verirrt haben oder in einem Bunker eingeschlossen sind, zu überleben? Ich meine gehört zu haben, dass Chelsea Manning in Einzelhaft sitzt und nicht lesen darf. Sie sollten aufhören, ihr so etwas anzutun. 12:23 Uhr Ich mache mich mit dem Vorhaben, jeden Tester zu testen, auf dem Weg in die Kosmetikabteilung. 12:25 Uhr Es gibt keine Tester. Scheiße. 12:45 Uhr Ich bemerke, dass sich die Sauce Tartare nicht länger auf dem Gürtelständer befindet. Ich bin am Boden zerstört. Dann merke ich, dass die Flasche nur ein paar Meter entfernt in einen Einkaufswagen voll mit irgendwelchem Krempel verlegt wurde—wahrscheinlich, um sie zurück zum Soßen-Regal zu bringen. Betrunken und mutig, wie ich mich gerade fühle, nehme ich schnell die Soßenflasche und platziere sie wieder auf dem Gürtelständer. Es ist das Aufregendste, was den ganzen Tag passiert ist. Mein Adrenalin kocht förmlich. 12:05 Uhr In der Videospielabteilung stelle ich fest, dass es tatsächlich noch immer Cheat-Bücher und Walkthrough-Guides gibt. Haben diese Menschen kein Internet? 12:11 Uhr Ich beginne damit, mich durch den Behälter mit den 5-Dollar-DVDs zu wühlen. Vielleicht finde ich am Boden ja ein paar verlorene Schätze. 12:12 Uhr Es gibt fünf Ein Hund Namens Beethoven-Filme??? 12:13 Uhr Es gibt vier Garfield-Filme??? 12:14 Uhr Das Carrie-Remake mit Chloe Grace Moretz ist im 5-Dollar-Eimer? Ich habe das Gefühl, der Film sei erst letzte Woche rausgekommen. Wo geht die Zeit nur hin? Bin ich alt? 12:15 Uhr Ich frage mich, wann ich wohl sterben werde. 12:16 Uhr Ich frage mich, wann Chloe Grace Moretz stirbt. Ich frage mich, ob sie vor oder nach mir sterben wird. 12:17 Uhr Ich stelle fest, dass es absolut unmöglich ist, den Boden des 5-Dollar-DVD-Wühltisches zu erreichen. Jedes Mal, wenn ich eine Girls Club-DVD rausnehme, rutscht eine von Joyful Noise nach unten, um den leeren Raum zu füllen. Ich denke angestrengt nach, wie ich daraus wohl eine pointierte Metapher für meinen Aufenthalt bei Walmart machen könnte. Mir fällt nichts ein. 12:30 Uhr „Rosanna” von Toto erklingt über die Lautsprecher. Der Song ist so unglaublich gut. Der Walmart DJ ist so unglaublich gut. In den ganzen sechseinhalb Stunden, die ich hier bin, hat mich die Musik noch kein einziges Mal gestört. Ich frage mich, wo die so viel harmlose Musik auftreiben. Ob dafür wohl extra Fokusgruppen aufgestellt wurden? 12:50 Uhr Die Sauce Tartare ist noch immer bei den Gürteln. Ich bin unglaublich froh darüber. Die Flasche Sauce Tartare ist mein persönlicher Wilson aus Cast Away. 12:49 Uhr Ich bemerke einen Gesundheitscheckautomaten bei der Apotheke. 12:50 Uhr Der Automat kontrolliert meinen Blutdruck. 105/70. Auf dem Bildschirm lese ich, dass das gut ist. 12:59 Uhr Der Automat sagt mir, dass mein BMI und meine Sehfähigkeit auch gut sind. Langweilig. 13:08 Uhr Ich trinke noch ein Bier. 13:36 Uhr Ich lasse noch einmal meine Gesundheit kontrollieren. Es ist noch immer alles gut. Das Bier hatte anscheinend keine Auswirkungen auf meinen Blutdruck, meine Sehfähigkeiten oder meinen BMI. 13:44 Uhr „Drops of Jupiter” läuft über die Anlage. Verdammt, der Song ist so unglaublich gut. 14:18 Uhr Ein Katergefühl setzt ein. 14:36 Uhr Ich bemerke ein Kind ohne Begleitperson, das anscheinend versucht, eine der Kassen zu öffnen. Ich schaue dem Jungen dabei zu und hoffe insgeheim, dass er es schafft. Leider schickt ihn jemand weg. 14:59 Uhr Obwohl ich ursprünglich ziemlich froh war, dass ich die ganze Zeit recht anonym durch den Laden schlendern konnte, nehme ich es langsam etwas persönlich, dass sich anscheinend niemand hier an mich erinnern kann. Ich bin jetzt seit neun verfickten Stunden in diesem Laden und die Zahl der Personen, mit denen ich Blickkontakt hatte, beläuft sich auf eine satte eins. Vielleicht sollte ich mir flottere Klamotten zulegen. 15:43 Uhr Vom Alkohol ist eigentlich nichts mehr zu spüren. Für 15:43 Uhr in einem Walmart fühle ich mich viel zu verkatert. 15:50 Uhr Der Kater wird immer schlimmer, ich begebe mich auf die Suche nach irgendetwas in dem Laden, auf dem ich ein Nickerchen machen kann. Ich erinnere mich an diese Nachrichtenmeldung vor einiger Zeit über einen Jugendlichen, der von zu Hause abgehauen ist und dann in einem Walmart lebte. Er schlief gerade in der Kinderwagenabteilung hinter eine Reihe riesiger Kartons, als man ihn erwischte. 15:51 Uhr Ich gehe zu den Kinderwagen und suche nach einer Möglichkeit, um hinter die Kartons zu klettern, aber sie sind alle bis zum Ende durchgeschoben. Ich drehe eine weitere Runde durch den Laden, um ähnlich große Kartons zu finden, die ein akzeptables Übergangsschlafzimmer hergeben würden. Ohne Erfolg. 15:55 Uhr Ich entscheide mich dafür, mich für ein Nickerchen auf der Hollywoodschaukel in der Gartenmöbelabteilung niederzulassen. 15:59 Uhr Ich komme zu dem Schluss, dass ich es trotz unerträglicher Langeweile und in einem zunehmend schlimmer werdendem Kater nicht schaffe, mitten im Walmart ein Nickerchen zu halten. Ich fange wieder an umherzulaufen. 16:05 Uhr Im Spielzeuggang drücke ich den Test-Knopf von jedem testbaren Spielzeug. Die Geräusche, die dadurch entstehen, sind ausnahmslos nervtötend. Menschen, die Kinder haben, müssen verrückt sein. 16:16 Uhr Kelly Clarkson erklingt wieder über die Lautsprecher und ich merke, dass die Playlist von vorne angefangen hat—also offensichtlich eine zehn Stunden Playlist. Während mich Kelly wieder daran erinnert, dass das, was mich nicht umbringt, mich nur stärker macht, kommen mir fast die Tränen. 16:17 Uhr Ich traue mich kaum, es zu sagen, aber Kelly hat mir am Ende ihres Songs neuen Schwung gegeben. Ich fühle mich geradezu verjüngt. 16:25 Uhr Mir fällt auf, dass auf mindestens 20 Prozent aller Produkte in diesem Laden diese Minions von Ich—Einfach unverbesserlich, irgendwas von Frozen oder Duck Dynasty gedruckt ist. 16:30 Uhr Ich fange damit an zu zählen, auf wie vielen Produkten in diesem Walmart Minions abgebildet sind. 17:00 Uhr Ich habe 33 Produkte mit Minions gefunden. Darunter Schlafanzüge, Rucksäcke, Teppiche, Cracker, T-Shirts, Spielzeug, Blue-Rays, Joghurts, Cupcakes, Osterzeug und Handtücher. Das ist dann doch weniger, als ich vermutet hatte. 17:10 Uhr Ich habe mal irgendwo gelesen, dass Dolly Parton die Songs „Jolene” und „I Will Always Love You” an ein und demselben Tag geschrieben hat. Ich habe gerade 30 Minuten damit verbracht, alle Minion-Produkte in diesem Walmart zu zählen. Was zur Hölle mache ich hier eigentlich? 17:23 Uhr Was machen eigentlich Leute, die im Knast sitzen? Gefängnis muss so langweilig sein. 17:25 Uhr Ich begebe mich wieder zu den Büchern, um zu sehen, ob sie dort irgendwelche über Leute im Gefängnis haben. Vielleicht finde ich darin ja etwas Inspiration dafür, wie man die Zeit schneller totschlägt. 17:40 Uhr Es gibt keine Bücher über Gefängnisse—nur Liebesromane und spanischsprachige Bücher über Religion. 17:42 Uhr Nachdem ich jetzt darüber nachgedacht habe, wie Menschen im Gefängnis die Zeit totschlagen, ist alles, was mir einfällt: Jesus finden (kommt nicht in Frage) und Linda Hamilton, wie sie in Terminator 2 Klimmzüge an ihrem umgedrehten Bett macht. Ich entscheide mich dafür, meine ‚Haftzeit’ dafür zu verwenden, mich körperlich etwas in Form zu bringen. 17:43 Uhr Ich lade eine Schrittzähl-App für mein Handy runter und fange an, Power-Walking Runden durch den Laden zu drehen. Um nicht die Aufmerksamkeit der Angestellten auf mich zu ziehen, wechsle ich ständig meine Route. 18:00 Uhr Die Appp kann mir irgendwie sagen, wie viele Schritte ich getan haben, bevor ich sie überhaupt runtergeladen habe. Laut App habe ich 22 Kalorien verbrannt. Ich weiß nicht wirklich, was das bedeuten soll, aber es klingt nicht besonders beeindruckend. 18:20 Uhr Ich gehe in die Abteilung mit dem ganzen Trainingsequipment und stemme einige der zahlreichen Kurzhanteln und Kugelhanteln, die es hier zu kaufen gibt. Nach ein paar Minuten mache ich mir Sorgen, dass ich vielleicht zu viel Aufmerksamkeit auf mich ziehe und höre damit auf. 18:30 Uhr Es ist einfach unmöglich, in einem abgesteckten Bereich unbemerkt zu trainieren. Ich entscheide mich dafür, mich weiterzubilden. Mir fällt auf, dass ich keine Ahnung von Glühbirnen habe. Hier gibt es einen ganzen Gang, der voll davon ist! Ich fange an, die Verpackung jeder einzelnen Glühbirne zu lesen. 18:39 Uhr Nachdem ich die Beschreibungen aller Produkte in diesem Gang gelesen habe, weiß ich immer noch nichts über Glühbirnen. 18:41 Uhr Weiter geht es in die Werkzeugabteilung. Ich weiß nämlich auch nichts über Werkzeug. Nachdem ich alles im Werkzeuggang gelesen habe, weiß ich jedoch auch weiterhin nichts über Werkzeug. 18:49 Uhr Ich überlege, dass ich vielleicht ein Musikvideo mit mir selber drehen könnte—wie dieser Typ, der über Nacht in einem Flughafen eingesperrt war. Dann aber erinnerte ich mich daran, wie sehr ich dieses Musikvideo gehasst habe, und ich lasse den Gedanken wieder fallen. 18:50 Uhr So. Lang-weil-ig. So. Lang-weil-ig. So. Unglaublich. Lang-weil-ig. 18:57 Uhr Die Sauce Tartare ist noch immer da. 18:58 Uhr Der Typ aus 127 Hours muss es echt beschissen gehabt haben. 18:59 Uhr Ich sehe einen Angestellten, auf dessen Namensschild „Joshebed” steht. Die Leute hier haben komische Namen. 19:00 Uhr Über Zeit nachzudenken, lässt die Zeit langsamer vergehen. Ich muss mich irgendwie ablenken. Oder wieder besaufen? Allein schon der Gedanke an Alkohol lässt mich würgen. 19:05 Uhr Ich fange an, mir zu wünschen, rausgeschmissen zu werden, und entscheide mich dafür, von nun an jeden Angestellten anzulächeln, wenn ich an einem vorbeigehe—in der Hoffnung, dass sie mich wiedererkennen und auffordern zu gehen. 19:07 Uhr Oh Gott, die Angestellten halten mich wahrscheinlich für einen verdammten Loser. 19:09 Uhr Ich versuche in der Bastelabteilung, aus den Holzbuchstaben versaute Wörter zu bilden. Die hier zur Auswahl stehenden Buchstaben machen das aber unmöglich. Vielleicht absichtlich? Das Beste, was ich hinbekomme, ist ein „KKK”. 19:30 Uhr Mir fällt auf, dass es hier Beileidskarten im 12er-Pack zu kaufen gibt. Wer hat denn so viel mit dem Tod zu tun, dass er Beileidskarten in so großer Menge kaufen muss? 19:38 Uhr Mir wird klar, dass jeder, der ein bestimmtes Alter erreicht, derartig regelmäßig mit dem Tod konfrontiert wird. Oh Gott! 19:44 Uhr Ich werde eines Tages sterben. 19:50 Uhr Jeder, den ich kenne und jemals kennengelernt habe, wird eines Tages sterben. 19:55 Uhr Mit diesem Gedanken im Hinterkopf frage ich mich, ob ich mit meinem Tag im Walmart meine Zeit wirklich sinnvoll nutze. 20:16 Uhr Ich drehe noch immer meine Runden durch den Laden. In der Babyabteilung entdecke ich, dass Nick Lachey ein Album mit Musik für Babys bei Fisher Price Records veröffentlicht hat. Er tut mir ein wenig Leid. 20:18 Uhr Dann erinnere ich mich aber wieder daran, dass ich für meine Arbeit jetzt schon über einen halben Tag in einem Walmart verbracht habe. Nick Lachey tut mir weniger leid. 21:19 Uhr Ich schaue noch mal auf meine Notizen aus der letzten Stunde und sehe, dass ich vier Wörter aufgeschrieben habe: Übelkeit, Laufen, Zahnweh und Target. Mir will beim besten Willen nicht mehr einfallen, was ich eigentlich mit irgendeinem dieser Wörtern ausdrücken wollte. 21:30 Uhr Die Angestellten haben jetzt angefangen, zweimal hinzuschauen, wenn ich an ihnen vorbei gehe, aber keiner von ihnen fragt mich, warum ich seit dem Beginn ihrer Schicht im Laden bin. Das ist mir unglaublich peinlich. Die müssen denken, ich bin verrückt. 21:43 Uhr Ich sehe eine Flasche Worcestershire Sauce. Darauf ist eine Ausspracheanleitung abgebildet: „(wus-te(r)-sher)”. Ich versuche, mich daran zu erinnern, ob wir das in England wirklich so aussprechen, aber ich bekomme es nicht hin. Ich habe Heimweh. 21:54 Uhr Ich bin jetzt in dem Gang mit den Toilettenartikeln: Was zur Hölle soll der ganze Scheiß sein, von dem die Hersteller behaupten, dass er in ihren Produkten sei? „Marula Oil”, „Yoghurt Proteins”, „omega packed sea berries”, „diamond dust”? Wass soll denn der Unsinn? 21:58 Uhr Ich frage mich, wie lange ich wohl in diesem Land leben muss, bis ich aufhöre, es lustig zu finden, dass auf allen Duschgels „gel douche” steht. 21:59 Uhr Und alle Unternehmen, die „lube” in ihrem Namen haben. 22:01 Uhr Ich sitze in eine Ecke und starre Löcher in die Luft. Als einer der Angestellten mich anlächelt, ist mir das peinlich, und ich fange wieder an, mich zu bewegen. 22:10 Uhr Mein Freund hat mir eine SMS geschickt, dass er als Überraschung hier in diesen Walmart kommt, um seine Einkäufe zu erledigen und um mich zu sehen. Ich bin wieder guter Dinge. 22:41 Uhr Vor lauter Aufregung, dass ich gleich eine bekannte Person treffe, werde ich ganz unruhig und fange an, ziellos durch die Gegend zu laufen. Ich bewege mich einfach vorwärts und lese Sachen, an denen ich vorbeikomme. Dieses Produkt hier hat beinahe „boner” und „hardwood” in seinem Namen. 22:47 Uhr Ich probiere aus, ob die ausgestellten Laptops mit dem Internet verbunden sind. Sind sie nicht. Ich habe damals tagtäglich stundenlang vor dem Rechner gesessen, bevor meine Eltern überhaupt Internet hatten. Was habe ich da bloß gemacht? 22:56 Uhr Ich begutachte jedes Produkt im Werkzeuggang, um etwas über Werkzeug zu lernen. Als ich fertig bin, fällt mir ein, dass ich das vorhin schon gemacht habe. 23:00 Uhr Mein Freund betritt den Laden. Ich war noch nie so froh, ein anderes menschliches Wesen zu sehen. Ich fühle mich wie eine der befreiten Geiseln aus dem Iran beim Anblick der Familie. 23:30 Uhr Während meiner letzten Runde durch den Laden folge ich einfach meinem Freund beim Lebensmitteleinkauf. Ich bin körperlich und mental total erschöpft. Jedes Mal, wenn ich versuche, mich mit ihm zu unterhalten, klingt meine Stimme total verkrampft. 23:59 Uhr Mein Freund bezahlt seinen Einkauf und es ist endlich an der Zeit zu gehen. 00:00 Uhr Bevor wir den Laden verlassen, schaue ich noch ein letztes Mal mal bei der Sauce Tartare vorbei. Sie ist immer noch da. Als wir auf dem Weg nach draußen in der Lobby sind, hält mein Freund bei der automatischen Schlüsselmaschine an und sagt, dass er einen seiner Schlüssel kopieren möchte. Ich versuche, ihm mitzuteilen, dass wir das ein anderes Mal machen sollten. Da ich aber emotional total am Ende bin, platzt nur ein „Neinbittewirklichwirklichjetztnichtichkannnichtmehrichwillnichtmehrbittebitteichmussausdiesemscheißladenraus” aus mir heraus. Wir verlassen das Geschäft mit der gleichen Anzahl an Schlüsseln, mit der wir hergekommen sind. 00:01 Uhr Ich bin mental total am Ende—nach etwas, das viele Amerikaner wohl einfach als einen langen Tag bei der Arbeit abtun würden. Ich bin unglaublich dankbar, dass ich nicht mehr im Verkauf arbeite, aber auch traurig darüber, dass ich so ein Weichei bin. 00:02 Uhr Auf dem Nachhauseweg überlege ich mir im Auto, was ich in den letzten 20 Stunden in und um den Walmart gelernt habe: absolut nichts. Als Autor hat man immer die Sorge, dass man sich in eine Situation begibt und am Ende mit nichts wieder herauskommt. Keine Schlussfolgerung, keine Erkenntnis. Keine Epiphanie, die das ganze Erlebte umfasst und für den geneigten Leser irgendwie interessant macht. Ich schätze, ich kann zusammenfassend sagen, dass ein ganzer Tag bei Walmart ungefähr so langweilig ist, wie ich mir einen ganzen Tag bei Walmart immer vorgestellt habe? Das sollte ausreichen.
Jamie Lee Taete
[ "erlebnis", "Experiment", "gesellschaft", "Kalifornien", "Kultur", "Langeweile", "Sauce Tartare", "Stuff", "Supermarkt", "usa", "verrückt", "Vice Blog", "WALMART" ]
2015-04-13T04:00:00+00:00
2024-07-31T00:42:37+00:00
https://www.vice.com/de/article/ich-habe-20-stunden-in-einem-walmart-verbracht-915/
Das Rapgeschäft und der Refrain
HipHop muss sich derzeit um wenig Dinge Sorgen machen. Eine bedeutende Sorge schleift er aber dafür schon seit Dekaden hinkend mit sich rum. Die Unmengen an Platinplatten, Chartplatzierungen und der Erfolgsdruck lassen es bereits länger offen zu Tage treten: Für eine ordentliche Hitsingle muss ein Rapper die Zwangsehe mit dem Popschema eingehen. Die Zeiten, in denen man drei Minuten auf denselben Beat kloppt und einfach ein paar Zeilen ab und an wiederholt, sind vorbei. Ein gestandender Refrain ist das Herzstück eines Songs, mitgrölen muss man können, die Lines müssen leicht von der Zunge gehen, es muss sich im Kopf festkrallen. Der gemeine Rockstar kennt sich in diesem Metier bestens aus: Fans, die bei jeder Gelegenheit und an jedem Tresen der Welt die Hymnen ihrer Helden singen, Arm in Arm, Krug an Krug—Stadien voller Irrer, die die Phrasen aus der eigenen Feder durch ihre Münder pressen. Das eigentliche Problem für die Könige des Sprechgesangs allerdings: Singen. Hier nun ein Potpourri aus Möglichkeiten dieses Dilemma zu lösen und dabei zu versagen. Die einzige Möglichkeit der Gesangsschule fern zu bleiben und vielleicht doch irgendwann einmal in den Genuss des Chors der Massen zu kommen, ist auch gleichzeitig die minimalistische. Ein Refrain? Das hat es doch früher nicht gegeben und wenn, dann dürfen sie maximal ein oder zwei Wörter haben. Alles was ringsherum noch passiert ist Staffage, bloßes Füllmaterial für Wörter wie „Big Bang“ oder „Quotentürke“. Das ist für Partytracks praktikabel, doch gerade im Gangsterrap kann man sich bei dieser kleinen Entscheidung leicht vertun, dann war alles für die Katz. Der Unterschied zwischen Wörtern wie „Bang“ und „Aura“ ist auf dem Papier so gering—denkste. Ich sehe bereits die tosende Arena vor mir mit gespielter Wut: „Aura“. Phonetik, Dramaturgie, Phrasierung, Emotion—das ist auf mehr als nur einer Ebene ein Griff ins Klo für Essah. Das Konzept der Ein-Wort-Refrains muss früher oder später versagen, weil Schummeln halt einfach nicht gilt. Augen zu und durch. Einfach machen. Wer sich der Notwendigkeit eines Refrains mit knallender Hook für Gänsehautatmosphäre bewusst ist, der beißt häufig in den sauren Apfel und stellt sich selbst in die Gesangskabine. Was da aufgefahren wird, um unseren angehenden Rap-Gott nicht seiner Würde zu berauben: Melodyne, Auto-Tune, Vocal Pitching—das komplette Waffenarsenal digitaler Stimmnachbearbeitung, tausendmal gedoppelt, weil sie einfach keinen Funk haben. Shady kann davon auch auf der neuen Platte im wahrsten Sinne mehr als nur ein Lied singen und Cro gibt sich bei „Whatever“ live gar nicht erst die Mühe, sondern lässt das Tonband ran. Noch schlimmer als auf diese Weise totproduzierte Stars sind allerdings die Kindermelodien, auf die unerfahrene Sänger kommen. Als hätte eine KITA kurz vor Feierabend noch ein Lied geschrieben: Nur nicht zu viele Töne, schön in der kompromittierenden mittleren Lage singen, keine stimmlichen Ausbrecher wagen und die eigene Street Credibility mit jedem Ton weiter unterwandern. Aber Sido sagt ja selbst: „Auf dem Weg nach oben ist noch vieles zu lernen“—also bitte. Das Konzept des auf Teufel komm’ raus gesungenen Refrains muss versagen, weil es halt einfach scheiße klingt. Savas hat seinen Xavier, Eminem hat seine Rihanna, Jay Z hat seinen Justin, Marteria hat Yasha und Miss Platnum, Samy hat seine Liebe für Matteo jüngst entdeckt und auch Sido hat erkannt, dass 19 Gastrapper nicht gegen einen Mark Forster ankommen. Die Liste ist beliebig erweiterbar. Gott sei Dank gehören Features zum guten Ton im Rapbiz. Doch im Gegensatz zur üblichen Sausage Party, bei der jedes Label-Mate und jeder Jünger des Stars zwölf Zeilen durchziehen darf, ist Gastgesang heutzutage meist von jemandem angesagt, der es wirklich kann. Die bizarrste Zusammenarbeit in dieser Hinsicht ist gleichzeitig Sinnbild dafür, wie ernst die Lage ist und wie stark die Verzweiflung unter der scheinbar unantastbaren Rapfassade brodelt: Bushido und Karel Gott. Das Konzept des Features versagt an dieser Stelle, denn wenn das zentrale Element des Songs, das an was sich jeder erinnert, das was jeder mitsingt, was im Ohr stecken bleibt, nicht von einem selbst kommt, dann ist das—gelinde gesagt—ein Armutszeugnis. Außerdem: Wer kann die Horden an Gastgesängen schon live immer mit dabei haben, da wird es eng auf Tour im Nightliner. Das will man ja nicht. Kommt es hart auf hart besinnt man sich auf seine Wurzeln. Für den HipHop bedeutet das, einmal mehr in der Soulkiste zu kramen und dort liegt für männliche Rapper immer eine tiefe Bassstimme bereit, die Mutter aller faulen Ausreden. Hat man doch just bewiesen, dass einem das Mundwerk steht wie die Knarre am Halfter, kann man jetzt vom exaltierten Künstler zum Schmusebären degradiert werden, dass es dem Hörer die Hand vor die Stirn klatscht. Auf keinen Fall merkbar singen, niemandem in die Augen schauen, einen Hybrid aufbauen aus Sprechen und Summen und vor allem hoffen, dass es schnell vorbei geht. Auch wenn Marteria einem als erstes in den Kopf schießt: Samy ist Großmeister dieser Ambiguität, die in der Strophe orgiastisch nach vorne drücken will, nur um dann im Refrain voll in die Eisen zu steigen. Das Konzept des Barry White Gesangs scheitert, weil der Vers halt einfach mehr knallt als der Chorus. Die sichere Bank: ein Sample. Ebenfalls Standardzutat in jeder guten Rap-Küche, erspart einem das Sample eines Refrains diverse Unannehmlichkeiten, wie lästige Mails schreiben, mit noch lästigeren Popmusikern abhängen. Bei einem echten Klassiker klauen, sichert einem auch die Liebe von Schwiegermutti. Und das allerbeste: Die resultierende Chartplatzierung ergibt sich als Mittelwert der eigenen momentan Position und Platzierung des Klassikers. Es gibt nur eine einzige Aufgabe, die unser Rapper—schwer genug fällt sie ihm meist—dann zu tun hat: Er muss das Erbe halbwegs diskret verwalten, sonst wird die Grabschändung von der gesellschaftlichen Raison als fieses Nachtreten empfunden, dann hat man den Skandal. Im Falle von SIDO und Rio schaut jeder Punker und Hausbesetzer sofort betroffen zu Boden, aber Hit bleibt eben Hit. Und deswegen scheitert das Konzept des gesampleten Refrains auch, weil dieses play it safe halt eine Feigheit offenbart, die von der Szene sofort geahndet werden müsste. ** Folgt YNTHT bei Facebook und Twitter. MEHR VON YOU NEED TO HEAR THIS
Sören Frey
[ "Bushido", "Casper", "Dendemann", "Eminem", "Jay Z", "Marteria", "Music", "Noisey", "Rapper", "samy deluxe", "sido", "You Need to Hear This" ]
2013-11-21T09:00:00+00:00
2024-07-31T05:00:59+00:00
https://www.vice.com/de/article/das-rapgeschaft-und-der-refrain/
Wie Majlinda Kelmendi dem Kosovo das erste Olympia-Gold bescherte
„Ich bin Europameisterin und Weltmeisterin. Das einzige, was mir jetzt noch fehlt, ist der Olympiasieg. Den möchte ich mir in Rio holen.” Das waren die Worte von Majlinda Kelmendi in einem Interview mit VICE Sports im letzten Jahr. Die Kosovarin war schon damals die Nr. 1 der Welt in ihrer Gewichtsklasse und gefeierte Heldin in ihrer Heimat. Aber vor allem war sie eins: heiß auf Rio. Gestern hat Kelmendi in Rio de Janeiro Geschichte geschrieben und dem Kosovo—dessen Fahnenträgerin sie bei der Eröffnungsfeier war—die allererste Medaille seiner noch jungen Geschichte beschert. Gold. Bei ihrer ersten Olympia-Teilnahme für ihr Heimatland, nachdem sie vor vier Jahren noch für Albanien auflaufen musste, um überhaupt auflaufen zu dürfen. Im 52-Kilo-Finale besiegte die 25-Jährige die Italienerin Odette Giuffrida und ergänzte ihre Medaillensammlung aus zwei WM-, drei EM-Titeln sowie einer olympischen Bronzemedaille um das wichtigste Edelmetall ihrer Karriere. Und einer wird still und heimlich besonders darüber abgekotzt haben: Wladimir Putin. Rückblick: Vor zwei Jahren fand die Judo-WM in Russland statt und Kelmendi stand im WM-Finale. Als sie ihre rumänische Gegnerin mit der obligatorischen Verbeugung begrüßte, konnten sowohl die Zuschauer am Fernseher als auch die Judo-Fans in der Arena drei Buchstaben, IJF, auf der Rückseite ihres Judogi lesen. Auch auf der Wettkampfkarte neben der Matte standen dieselben drei Buchstaben geschrieben. Die russischen Organisatoren hatten es Kelmendi untersagt, während des Wettkampfes den Namen ihres Heimatlandes Kosovo auf ihrem Anzug und anderswo zu zeigen. Nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens kam es zur Abspaltung des Kosovo von Serbien und infolgedessen zu zwei Jahrzehnten bewaffneten Konflikts und politischer Unruhen, die ein Eingreifen der Vereinten Nationen erforderlich machten. Auch heute befindet sich der Kosovo noch immer in einem geopolitischen Schwebezustand: Die USA und viele ihrer Verbündeten haben den Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt, im Gegensatz zu Serbien, Russland und einigen anderen Staaten. Aus diesem Grund musste sich Kelmendi auch mit IJF, dem Kürzel für „International Judo Federation”, auf ihrem Judogi begnügen. Kelmendi war eigentlich nach Russland gekommen, um für den Kosovo zu kämpfen—nur dass während der Siegerehrung weder die Fahne des Kosovo noch dessen Nationalhymne, „Evropa”, gespielt wurde. Gegenüber von ihr saß der russische Präsident Wladimir Putin—der wohl berühmteste Judo-Fan der Welt—, der erst wenige Monate vor Turnierbeginn erneut betont hatte, dass sein Land immer an der Seite Serbiens stehen und darum niemals den Kosovo anerkennen würde. In diesem Moment, in dem sie hilflos mitansehen musste, wie man ihre nationale Identität mit den Füßen trat, sprach Kelmendi ein leises Gebet: „Möge ich nie wieder eine solche Demütigung erleben müssen.” Ende 2014 hat das Internationale Olympische Komitee (IOK) seinen Teil dazu beigetragen, dass Kelmendis Gebet erhört wird. Das Nationale Olympische Komitee (NOK) des Kosovo hatte nämlich vonseiten des IOK die vollständige Anerkennung erhalten, was es dem Kosovo erlauben sollte, an allen IOK-Veranstaltungen teilzunehmen. Und eben auch bei den Olympischen Spielen in Rio. Noch im letzten Jahr erzählte uns eine aufgeregte Kelmendi: „Seit so vielen Jahren habe ich davon geträumt, mit Kosovo auf meinem Rücken für mein Land kämpfen zu dürfen. Dass es jetzt kein Traum mehr ist, sondern Wirklichkeit, ist eine riesige Motivation für mich.” Majlinda Kelmendi weiß, wie sie dich umhauen kann. „18 lange Jahre haben meine Kollegen und ich darauf hingearbeitet, dass das eintreffen würde, was uns am 22. Oktober 2014 vonseiten des IOK mitgeteilt wurde: dass das NOK des Kosovo eine vorläufige Anerkennung erhält”, sagte Besim Hasani, Präsident des kosovarischen NOK, vor einem Jahr gegenüber VICE Sports. Die IOK-Anerkennung des Kosovo war ein langwieriger Prozess, der juristisch gesehen auf wackligen Beinen stand. Damit ein NOK von der IOK anerkannt werden kann, muss es einem „unabhängigen Staat angehören, der von der internationalen Gemeinschaft anerkannt wird”. Genau diese Wortwahl hat Hasani lange Zeit verrückt gemacht. „Was genau ist denn bitte mit internationaler Gemeinschaft gemeint?”, formulierte er die Gretchenfrage. Der einfachste Weg, dieses Kriterium unstrittig zu erfüllen, wäre eine Mitgliedschaft bei der UN. Doch dafür hätte der Kosovo eine schier unmögliche Hürde überwinden müssen: den Widerstand Russlands. Denn Moskau hat der Weltgemeinschaft sehr klar zu verstehen gegeben, dass man jeglicher UN-Debatte um eine Mitgliedschaft des Kosovo mithilfe seines Vetorechts umgehend einen Riegel vorschieben würde. In den letzten zwei Jahrzehnten sind gerade einmal zwei Staaten—der Südsudan und Montenegro—in die Vereinten Nationen aufgenommen worden. Und Befürworter einer Olympiateilnahme des Kosovo wussten stets, dass man nur dann von einer Anerkennung der „internationalen Gemeinschaft” sprechen könnte, wenn die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten einer Unabhängigkeit des Kosovo zustimmen würden. Doch angesichts der gewalttätigen und turbulenten Geschichte des Landes war Hasani und seinen Kollegen klar, dass es nicht leicht werden würde, das Ausland zur Anerkennung der Eigenstaatlichkeit zu mobilisieren. Der historische Konflikt um den Kosovo ist mehrere hundert Jahre alt. Serben und Albaner erheben gleichermaßen Anspruch auf die Region. In den Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion brach im ehemaligen Jugoslawien ein Bürgerkrieg um das Kosovogebiet aus. Während des Krieges führte der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević ethnische Säuberungen durch, bei denen mindestens zehntausend Kosovo-Albaner ums Leben kamen und Hunderttausende vertrieben wurden. Auch Kelmendis Heimatstadt Peć an der Grenze zu Montenegro wurde schwer in Mitleidenschaft gezogen. Am Ende wurde der Kosovo unter die Verwaltung der Vereinten Nationen gestellt. Die Stadt Peć mit dem Rugova-Gebirge im Hintergrund. Foto von Leonardnikaci1 via WikiMedia Commons Kelmendi gehört zu einer Generation, die mit dem Bewusstsein aufwuchs, dass der erste wichtige Schritt für den Kosovo und sein Volk die Ausbildung einer eigenen Identität darstellen würde. Darum begann man auch damit, eine eigene soziale Infrastruktur aufzubauen: ein kosovarisches Schul- und Polizeiwesen sowie Gesundheitssystem. Außerdem setzte man vermehrt auf Leute, die den Kosovo auf der internationalen Bühne positiv in Szene würden: seine Athleten. Aus diesem Grund hat das kosovarische NOK die Jugend des Landes regelmäßig aufgefordert, mehr Sport zu treiben, sei es in Stadien, Feldern oder maroden Fitnessstudios. Die größte Herausforderung war dabei, die Jugendlichen bei Laune zu halten. Doch ohne Aussicht darauf, sein Land bei internationalen Sportveranstaltungen vertreten zu dürfen, fehlte es der Jugend an Anreizen, mit gleichbleibendem Engagement weiter zu trainieren. „Nach einigen Jahren haben viele unserer Athleten schlicht und einfach die Motivation verloren und mit dem Sport aufgehört. Viele von ihnen haben mir und meinen Kollegen dann vorgeworfen, dass wir nicht genügend getan hätten, um etwas an der Situation zu ändern”, erzählte uns Hasani. Trotz aller Bemühungen vonseiten des kosovarischen NOKs sah sich das Land noch immer großen bürokratischen Hürden gegenüber. Selbst als sich der Kosovo 2008 offiziell von Serbien abgespaltet und seine Unabhängigkeit erklärt hat, folgte der IOK-Präsident Jacques Rogge der Logik der Vereinten Nationen und erkannte den Kosovo weiterhin nicht an. Kurz vor den Olympischen Spielen in London unternahm das NOK noch einen letzten Versuch. Doch auch dieses Mal wurde Hasanis Hoffnung auf eine Teilnahme seines Landes enttäuscht, weswegen auch Kelmendi verwehrt blieb, den Kosovo auf olympischer Bühne zu vertreten. Nicht einmal als „unabhängige Athletin” durfte sie antreten, obwohl es dafür einen Präzedenzfall gab—denn im Jahr 2000 durften vier Athleten aus Osttimor genau unter diesem Titel bei den Spielen in Sydney an den Start gehen. „Für die Athleten muss das extrem hart sein. Jeden Tag trainiert man mit dem Ziel, sein Land international vertreten zu können. Und nach vier Jahren heißt es dann: Sorry, die Olympischen Spiele werden wieder ohne euch stattfinden”, so Hasani weiter. Als schon vieles darauf hindeutete, dass der Kosovo auch die Olympischen Spiele in London verpassen würde, hat Aserbaidschan versucht, Kelmendi abzuwerben. So versprach man ihr beispielsweise, alle anfallenden Kosten zu übernehmen. Am Ende aber fiel ihre Wahl auf Albanien—nicht zuletzt deswegen, weil der Kosovo in großer Mehrheit von Albanern bewohnt wird. Außerdem hoffte sie, in Zukunft nicht mehr erklären zu müssen, warum denn „IJF” auf ihrem Judogi stehe. Denn Fragen wie „Was soll das sein?”, „Ist das ein Land?” „Warum trägst du das auf deinem Rücken?” standen laut Aussage von Kelmendi bei Wettkämpfen auf der Tagesordnung. „Ich habe nie verstanden, warum sich die Politik in alles einmischen muss. Haben die Athleten auf der Welt nicht das Recht, überall mit gleich viel Respekt behandelt zu werden?”, meinte Kelmendi vor einem Jahr. „Für einige mag der Kosovo ein kleines, unbedeutendes Land sein, das nicht so schön ist wie viele andere Länder in Europa. Doch für mich ist es einfach das beste Land der Welt.” Die Nationalbibliothek in Pristina, Kosovo. Foto von Hipi Zhdripi via WikiMedia Commons Der Kosovo, mit seinen zwei Millionen Einwohnern, liebt seine Athletin gleichermaßen. Denn Kelmendi war schon vor ihrem Olympiasieg die populärste Sportlerin ihres Landes. Wenn sie durch ihre Heimatstadt lief, sah sie an vielen Ecken Plakate von sich und musste in einer Tour Autogrammwünsche erfüllen. Eltern kamen auf sie zu und meinten, dass sie sich wünschen, ihre Tochter werde auch mal so wie sie. Welchen Stellenwert sie jetzt, als frisch gebackene Goldmedaillengewinnerin, in ihrem Heimatland hat, kann man nur erahnen. Ihr Erfolg geht auf verdammt viel Arbeit und noch mehr Verzicht zurück. „Trainieren, trainieren, trainieren. Sonst gibt es nichts in meinem Leben. Für den Erfolg habe ich alles andere aufgegeben.” Ihr Coach, Driton Kuka, hat auch vieles dafür aufgegeben, damit sein Schützling zur besten Judokämpferin der Welt werden konnte. Denn als Kelmendis Karriere unbedingt finanzielle Unterstützung brauchte, ist Kuka eingesprungen und hat begonnen, ihre Rechnungen zu bezahlen. Er hat sämtliche Kosten, etwa für ihr Training, ihre Ernährung und die vielen Reisen, aus eigener Tasche bezahlt. Er wollte durch sie und ihre Erfolge das Leben leben, das ihm selber nicht vergönnt war. Auch Kuka hat nämlich Medaillen bei Jugendwettkämpfen gewinnen können. Bis sich dann der Kosovokonflikt zuspitzte. Da gab er Judo auf, um für die Unabhängigkeit seines Landes zu kämpfen, und schloss sich der UÇK an. Nach dem Krieg eröffnete Kuka dann einen Judoclub und bot den Kindern und Jugendlichen in seiner Nachbarschaft Schnupperkurse an. Sein Club lag ganz in der Nähe von der Straße, wo Kelmendi viele Stunden am Tag mit ihren Freunden Fußball gespielt hat. Kelmendis Schwester hat ihr dann mal vorgeschlagen, eine Judoprobestunde zu nehmen. Da war Kelmendi sieben. Liebe auf den ersten Blick war es aber nicht. Ihr war anfangs nicht mal wirklich klar, mit was für einer Art Sport sie es da eigentlich zu tun habe. Kelmendis Eltern hielten ihre Tochter für ein ruhiges und introvertiertes Mädchen. Sie dachten nicht, dass ihr der Judosport groß zusagen würde. „Alle haben damit gerechnet, dass ich nach einem Monat wieder das Handtuch schmeiße”, erzählt sie. Doch als Kelmendi dann mit dem Training begann, lernte sie auf einmal eine ganz andere Seite von sich kennen und spürte eine nie gekannte Kraft. Schon nach wenigen Trainingseinheiten schickte Kuka seinen Schützling zu einem Wettkampf nach Sarajevo. Die dortigen Organisatoren überreichten ihr für ihren dritten Platz sogar eine Bronzemedaille, obwohl in ihrer Gewichtsklasse eh nur drei Wettkämpfer angetreten waren. Zurück in Peć beschloss sie, dass es etwas Großartiges war, reisen zu dürfen und Medaillen zu sammeln. Sie hatte endgütig Blut geleckt. In den darauffolgenden Jahren hat sie ihr Leben komplett nach dem Sport ausgerichtet und dabei auf all das verzichtet, was eigentlich typisch für Jugendliche ist: einen großen Freundeskreis, erste Partys und Beziehungen. Und selbst als viele ihrer Mitstreiterinnen aufgaben, weil sie nicht mehr an eine IOK-Anerkennung glaubten, hat sie weiter gemacht und an ihrem großen Traum gearbeitet. Dieser Traum ging gestern in Erfüllung. „Ich bin so glücklich”, erzählte sie Reportern kurz nach ihrem Olympiasieg. „Ich bin glücklich für mich, meinen Coach, für mein gesamtes Land. Ich habe meinen Landsleuten gezeigt, dass sie trotz des Krieges alles erreichen können, wenn sie es wollen. Wenn sie Olympiasieger werden wollen, können sie das schaffen. Auch wenn wir aus einem kleinen und armen Land kommen.”
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2016-08-08T14:55:57+00:00
2024-08-12T11:05:12+00:00
https://www.vice.com/de/article/judo-star-majlinda-kelmendi-die-hoffnung-des-kosovos-271/
Warum der Papst früher noch wollte, dass Frauen abspritzen
Eine Tasse voll Squirt, das war die Voraussetzung für die Teilnahme an der letzten heiß diskutierten Studie zur weiblichen Ejakulation. Die erste Debatte ums Squirten gab es in Deutschland aber schon in den 1980ern und die ersten Bilder und Gedichte über squirtende Frauen sind um einiges älter als die Bibel. Stephanie Haerdle hat 20 Jahre lang alles gesammelt, was ihr zum Thema weibliches Ejakulieren in die Hände fiel. Seit genauso unfassbaren zehn Jahren schreibt sie an einem Buch darüber. Vor Kurzem ist es erschienen und heißt: Spritzen. Geschichte der weiblichen Ejakulation. Hauptberuflich betreut Stephanie Studierende für ein Begabtenförderwerk. Stephanies Buch enthält sehr viele, sehr lustige historische Beschreibungen von Ejakulat, die man eher nicht im Sauna-Ruheraum in Brandenburg laut vorlesen sollte. Aber man kann. Zum Beispiel die vom indischen Gelehrten Kokkoka aus dem 11. Oder 12. Jahrhundert, der Frauen danach klassifizierte: “Die yoni der hastinī ist ‘derb, rothaarig, grausam’, ihr Ejakulat ‘ein stark nach Elefantenbrunstsaft riechendes Wollustsekret’”. Nicht zu verwechseln sei sie mit der vāḏāvā (Stutenfrau). Die “hat nicht nur starke, längliche Ohren, ‘üppige, pralle Brüstekrüge’, ein unbeständiges Herz, sondern auch einen ‘zu Anfang und zuletzt überreichen Samenstoff, wohlriechend wie Sesambrei und gelblich’.” Stephanie hat uns ihre Lieblings-Schaubilder von Klitorides gezeigt (“Die hier sehen aus wie fliegende Vögel”) und erklärt, ob du noch ejakulierst oder schon squirtest. Außerdem ist sie der Meinung, dass die allermeisten Bücher im Medizinstudium lügen: Du hast definitiv eine Prostata. Egal, ob darüber auch ein Penis ist oder nicht. VICE: In deinem letzten Buch ging es um Zirkusartistinnen. Wie kamst du jetzt aufs Squirten?Stephanie Haerdle: Ich saß Ende der 90er im Kino mit Freundinnen und habe gesehen, wie eine Frau über die ganze Breite der Leinwand ejakulierte. Ich dachte: Frauen spritzen? Warum weiß ich nichts darüber? Das hat mich erschüttert. Ist Squirten überhaupt das richtige Wort?Die neuere Forschung sagt, dass es zwei Flüssigkeiten gibt. Eine weißliche, dickflüssige, die in kleineren Portionen – ein paar Tropfen oder ein Teelöffel voll – aus der weiblichen Prostata kommt. Und eine dünnflüssige, die Frauen in großen Mengen verspritzen. Die kommt wahrscheinlich aus der Blase und enthält Kreatinin und Harnstoff – ist aber kein Urin. Manche nennen das Erste Ejakulieren und das Zweite Squirten. Ein paar französische Forscher haben für eine kleine Studie Ultraschall-Untersuchungen gemacht und sind sich ziemlich sicher, dass Squirten ein Mythos ist – und manche Frauen beim Kommen eben einfach pinkeln.Nein, das ist nicht so einfach. Frauen pinkeln nicht, wenn sie squirten. Ich sage übrigens einfach spritzen. Also nochmal: Warum ist Spritzen denn so politisch?Weil es mit der Mainstream-Vorstellung, die wir von Frauen haben, bricht. Es zeigt, dass Männerkörper und Frauenkörper sich einfach sehr ähnlich sind. Wo ziehen wir da die Grenze – und ist das überhaupt sinnvoll, eine zu ziehen? Ist Spritzen nicht ein Hinweis darauf, dass wir uns wahnsinnig ähnlich sind und diese Geschlechtskategorien wenig Sinn machen? Auch bei VICE: Warum ich eine Lolita bin Du schreibst, dass es in Sanskrit – der Originalsprache des Kamasutra – nur ein Wort für Sperma und weibliches Ejakulat gibt …… śukra … … beide Flüssigkeiten sollen zusammen ein Kind zeugen. Wie soll das gehen?Die Idee des weiblichen Samens gab es bis ins 18. Jahrhundert. In Indien, aber auch im mittelalterlichen Europa und der griechisch-römischen Antike war das total gängig. Man sah, dass Kinder sowohl ihren Müttern als auch ihren Vätern ähnlich sehen. Bei den Männern hatte man irgendwann die Verbindung hergestellt zwischen Zeugung und dem cremigen Saft. Bei Frauen musste das was Ähnliches sein. Also dachte man: Diese beiden Samen ergeben das Kind. Selbst die katholische Kirche hat bis ins 18. Jahrhundert gesagt, dass die Frau auch zum Orgasmus kommen soll, weil dann der weibliche Samen freigesetzt wird, der nötig für die Fortpflanzung ist. Und die Entdeckung der Eizelle hat alles kaputtgemacht?Noch nicht gleich. Die Samenzelle und das, was man damals für die Eizelle hielt – heute wissen wir, es war das Eibläschen – , wurden im 17. Jahrhundert entdeckt. Dann hat es noch ziemlich lange gedauert, bis man verstanden hat, dass die Eizelle nicht beim Orgasmus springt, sondern zyklusbedingt freigesetzt wird. Als das klar war, musste die Frau nur noch da liegen und ihren Eisprung haben. Ab da war weibliche Lust überflüssig. Und heute gibt sogar die Cosmopolitan Anleitungen zum Squirten und man kann in jeder großen Stadt einen Kurs buchen. Ist das Empowerment oder kapitalistischer Bullshit?Ich finde das positiv. Und wenn jemand damit Geld macht, ist das auch in Ordnung. In den 90ern und 00ern hätte das niemanden interessiert und jetzt haben manche Vulva-Watching-Kurse reißenden Absatz. Hast du diese Gwyneth-Paltrow-Doku auf Netflix gesehen? Nee …Ich hab mir die Folge angeschaut, in der es um weibliche Lust und Sex geht. Das ist der Hammer! Betty Dodson, die seit den frühen 70ern in New York Masturbationskurse gibt, erklärt Gwyneth Paltrow, dass sich jede Frau mal zwischen die Beine gucken und möglichst viel masturbieren sollte. Und Paltrow scheint das ziemlich befremdlich zu finden, 50 Jahre nach dem Beginn der feministischen Frauengesundheitsbewegung. Aber es gibt doch sowieso krass viel Druck auf Frauenkörper. Und jetzt muss ich beim Sex auch noch spritzen?Im Mainstreamporno ist Spritzen schon in den 2000er Jahren angekommen. Das sehe ich auch kritisch, weil das oft gefakte Ejakulation ist. Das kann Angst machen und verunsichern. Und es gibt ja auch Frauen, für die das Ejakulieren unangenehm ist. Die sagen: Das brennt, fühlt sich nicht gut an und hinterher muss ich das Bettzeug wechseln. Hat Spritzen mit Emotionen zu tun und ist es das Tor zu meiner Seele oder ist es einfach ein richtiger Handgriff und knallharte Biologie?Ejakulieren wird immer mit Bedeutung und Geschichten aufgeladen. Es gibt ein italienisches Tantra-Paar, die schreiben, in der G-Fläche seien ganz viele Traumata abgespeichert und es sei wichtig, die zu lösen, um zu einer tiefen Weiblichkeit zu finden. Ich bin da skeptisch. Die Künstlerin und Professorin Shannon Bell würde sagen, es geht nicht um Gefühle, sondern um Politik. Spritzen ist etwas, womit sie die Männer angreift: Ich spritze mehr und weiter als ihr! Ich finde, das kann jede Frau für sich selbst herausfinden. Du zitierst Autorinnen, die glauben, dass die Unkenntnis der weiblichen Ejakulation Beziehungen zerstören kann. Glaubst du das auch?Nehmen wir einen Extremfall: Eine Frau ejakuliert und weiß nicht, was das ist, denkt, dass sie nicht gesund ist, dass sie pinkelt oder anders ist. Dann stell ich mir vor, fühlt sie sich beim Sex nicht besonders wohl, ist angespannt und hat vielleicht überhaupt keine Lust mehr darauf. Das belastet eine Beziehung schon. Und heute? Du schreibst, dass das Spritzen zum Beispiel in Medizinbüchern eher nicht vorkommt.Manche schreiben ein bisschen was, manche gar nichts, und nirgendwo ist die weibliche Prostata als vollwertiges, funktionierendes Organ beschreiben. Das ist absurd, weil 2002 die FICAT, deren Ziel die Festlegung einer international einheitlichen, verbindlichen medizinischen Terminologie ist, bestimmt hat, dass es “female prostate” heißt. Nicht “Skene-Drüsen” oder “Harnröhrenschwellgewebe” oder sowas. Das hat sich aber noch nicht durchgesetzt – total verrückt. Wusstet ihr bis gerade eben, dass Frauen eine Prostata haben? (Kopfschütteln bei Autorin und Fotografin)Eben. Und wenn man das nicht weiß, kann man auch nicht drauf achten. Die sitzt in der dicken Wand zwischen Vaginalkanal und Harnröhre. Könnt ihr ja mal drauf achten. Hast du mal deine Gynäkologin nach dem Spritzen gefragt?Die wusste nichts darüber. Ich stelle mir immer vor, was zu anderen Zeiten passiert wäre. In den 50ern hätte man gesagt: Gibt’s nicht, kann nicht sein, vielleicht ist was mit Ihrem Beckenboden, eine Blasenschwäche, vielleicht muss man operieren? Um 1900 hätte der Gynäkologe gesagt: Wir nennen das Pollution, kann schon passieren. Ist nicht schlimm, machen Sie sich keine Sorgen – aber lesen Sie vielleicht keine aufregenden Romane mehr, bevor Sie Abends ins Bett gehen. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Thembi Wolf
[ "Ejakulation", "Feminismus", "Orgasmus", "Sex", "Squirting" ]
Sex
2020-04-15T07:31:06+00:00
2024-07-30T13:33:46+00:00
https://www.vice.com/de/article/stephanie-haerdle-weibliche-ejakulation-spritzen/
Wer zur Hölle ist VICE Austria?
Offenlegung: Dieser Artikel ist ein Experiment. Sein Autor Jonas Vogt ist nicht nur ein langjähriger (mittlerweile frei für uns tätiger) VICE-Mitarbeiter, sondern war auch Chefredakteur unserer Musikplattform Noisey. Die Idee des Beitrags war, uns in den Spiegel zu schauen und Jonas dabei komplette Freiheit zu lassen. In diesem Sinne haben wir ihm zugesichert, den Text genauso zu belassen, wie er ihn uns abgibt – mit der Ausnahme von Rechtschreib- und Grammatikfehlern und dem Überprüfen der Zitate (zum Beispiel haben wir beim Lesen bemerkt, dass Hanna gar nicht keinen Schreibtisch hatte, sondern ihn einfach nur kurz nach ihrem Einstieg schon wieder mit der ersten Praktikantin teilen musste). Das Ergebnis ist keine Lobhudelei und auch kein Diss, sondern eine ehrliche Aufarbeitung mit ernstzunehmenden Kritikpunkten – und ich möchte mich an dieser Stelle bei allen entschuldigen, die sich hier ein “Warum VICE das Beste/das Letzte ist” erwartet haben. Also: Jetzt könnt ihr noch aufhören, zu lesen. Weiter unten wird es dann schon schwieriger, weil der Text wirklich gut geworden ist, finde ich. Nicht, dass es in dem Fall für die Veröffentlichung einen Unterschied machen würde, was ich denke, aber trotzdem. – Markus Lust, VICE Austria Es gibt Partys, bei denen wird die Liste an Gästen länger, je weiter sie zurückliegen. Das müssen gar nicht immer böse Lügen sein: Persönliche Erinnerungen verblassen mit der Zeit, und manchmal gehen Ereignisse ein bisschen ins kollektive Gedächtnis von Menschen einer bestimmten Altersgruppe an einem bestimmten Ort ein, bis es irgendwann nicht mehr so wichtig ist, ob man da jetzt wirklich dabei war oder nicht. Eine dieser Partys, auf denen irgendwie jeder angeblich war, ist die VICE Launch-Party im Fluc, die mittlerweile zehn Jahre zurückliegt. Der Autor dieser Zeilen war nicht auf dieser Party. Er stieß 2009, zwei Jahre später, als freier Autor zu VICE und ist dem Medium seitdem mal enger, mal mit ein bisschen mehr Entfernung verbunden. 2009 war VICE eine kleine Klitsche mit knapp vier Angestellten, die sich irgendwo in der Ecke eines Großraumbüros des Agenturmischkonzerns rund um Niko Alm gegenseitig auf dem Schoß saßen, ein Heft rausgaben, einen Blog und Partys machten und viel feiern gingen. 2017 gehört der Agenturmischkonzern zu VICE International (OK, das ist alles ein bisschen komplizierter, aber soll an dieser Stelle mal reichen), hat 139 Mitarbeiter (davon 15 in der Redaktion, Teilzeit- und geringfügig Angestellte eingerechnet) und erreicht jeden Monat online über 700.000 Unique Clients. Das ist, egal wie man zu VICE stehen mag, eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Eine der wenigen, die Österreichs Medienlandschaft im 21. Jahrhundert geschrieben hat. Es ist ein Montagnachmittag, irgendwann im Mai, im zweiten Stock eines Eckhauses mit Blick auf das Wien Museum. Von der Wand herab starren dann doch recht hipsterige Dinge (ein Drake-Plakat, die Titelseite einer Ausgabe Heute, ein Brief vom Presserat, der VICE für die Fotostrecke vom Donauinselfest 2014 rügte) auf acht Menschen, die zwischen weißen Tischen hängen und über die grobe Themenplanung des zweiten Halbjahres reden. Die Namen dieser Menschen kennt man, sofern man regelmäßiger VICE-Leser ist. Sie heißen Hanna Herbst, Markus Lust, Verena Bogner oder Tori Reichel. Die Kernredaktion halt. Zumindest der Teil, der an diesem Tag anwesend ist. Wenn das Drake-Plakat, das Heute-Cover und der Brief des Presserats Augen hätten, würden sie eine im Grunde völlig normale Szenerie beobachten. Themen werden solange vorgeschlagen und verteilt beziehungsweise aus den üblichen Gründen verworfen (“Hatten wir schon”, “Interessiert keinen”, “Kann das wirklich NIEMAND hier schreiben?”), bis der Sauerstofflevel gefährlich niedrig ist und alle die Lust verlieren. Die Redaktionssitzung unterscheidet sich nicht wesentlich von allen anderen Redaktionssitzungen auf dieser Welt. Nur dass hier alle zwischen Anfang 20 und Anfang 30 sind, ein paar mehr schmutzige Witze fallen und gelegentlich Sätze wie “Nein, das ist zu Feuilleton” gesagt werden. VICE bildet die Lebenswelt junger Menschen ab, die in klassischen Medien lange Zeit kaum einen Platz fand. Der Themenmix, der auch an diesem Nachmittag durch den Raum fliegt, wirkt wild. Zumindest, wenn man das aus der Perspektive klassischer Medien betrachtet. VICE hat keine Ressorts, kein Schema, nach dem Themen abgearbeitet werden müssen. Man habe schon Themen, die abgedeckt gehörten – zum Beispiel Studententhemen. Aber bei den Artikeln, die in Österreich geschrieben werden – zwei Drittel der Artikel werden aus der internationalen Ausgabe übersetzt – sei grundsätzlich immer die Frage, was den individuellen Autoren interessiert. “Meine persönliche Freiheit ist riesig”, sagt Verena Bogner. “Wenn ich mit der Bim ins Büro fahre und ich seh einen idiotischen Manspreader, dann kann ich darüber schreiben. Und der Artikel funktioniert, weil es einfach sehr viele Menschen genauso sehen.” Das ist wohl tatsächlich das Rezept für gut funktionierende VICE-Artikel: Sie bilden streng subjektiv und direkt eine Lebenswelt junger Menschen ab, die in klassischen Medien lange Zeit kaum einen Platz fand. In ihrer ganzen Breite – oder zumindest, was man für ihre ganze Breite hält. “Für unsere Leser ist es vollkommen klar, dass Artikel über Analsex gleichberechtigt neben Reportagen über die FPÖ stehen”, sagt Verena. VICE funktioniert seit einigen Jahren nach diesem Credo. Politikgeschichten, die auch schon mal die Grenze zwischen Aktivismus und Journalismus verschwimmen lassen, sollen gleichberechtigt neben Drogengeschichten und persönlichen Storys über die Landjugend stehen. Und Geschichten, die gemeinhin als “unseriös” gelten, sollen keinen Einfluss auf die Glaubwürdigkeit der anderen haben. Ein Medium wie eine Trafik, nur dass die Nachrichtenmagazine eben direkt neben den Pornoblättern stehen. Inwieweit die Leser das auch so sehen und wie viel davon Selbstbehauptung ist, lässt sich schwer sagen. Im Zweifelsfall gilt wohl, dass es funktioniert, aber nicht so gut wie es sich die Beteiligten wünschen. Manche Beobachter bleiben eher skeptisch. “Wenn auf der VICE-Startseite ein gut aufbereiteter, medienkritischer Kommentar zum Rücktritt des ÖVP-Chefs angeboten wird und darunter das ‘VICE-Headline Quiz zu Analsex und Pipikacka’ steht, gilt das Wiener Diktum: Des geht sie net aus”, sagt Andy Kaltenbrunner, Medienwissenschaftler vom Medienhaus Wien. “VICE ist ein bisschen ein Rorschach-Test”, sagt Chefredakteur Markus. Wie jemand VICE beschreibe, hänge davon ab, wen man fragt. “Bei vielen ist ‘Auf LSD am Christkindlmarkt’ hängengeblieben. Bei anderen ist die Identitären-Berichterstattung viel präsenter. Wenn ich es zusammenfassen müsste: Die Leute kennen unseren politische Fokus auf der einen, den ‘Bullshit-Content’ auf der anderen Seite.” Das sei schade, weil vieles, was nicht zu diesen beiden Extremen gehöre, ein wenig untergehe. Für Anna Wallner, Medienjournalistin bei der Presse, ist VICE eine Art “Netflix der Online-Medien: Es ist immer noch irgendwie neu und frisch, daher aufregend, es unterhält auf angenehme Art und Weise und viele können sich darauf einigen.” Allerdings würde der Unterhaltungsaspekt auch dazu führen, dass viele VICE keine wichtige Rolle zuschreiben würden, sondern eher denken: “Schön, dass es das gibt, aber irgendwie auch egal.” Nicht allen Leuten ist VICE so egal. Die Redakteure erzählen durchaus davon, dass ihnen neben viel Lob auch immer wieder Ablehnung gegenüber dem Medium (weniger gegenüber ihrer persönlichen Arbeit) entgegenschlägt. VICE lässt sich leicht hassen und viele Leute posaunen das auch mit Freude heraus. VICE abzulehnen ist ein Statement, während einem andere Medien halt im Normalfall höchstens wurscht sind. “Was am häufigsten an Kritik kommt: Warum wir immer nur über Drogen und Sex schreiben würden”, sagt Hanna Herbst. “Ich sag dann immer: Ja, wir haben auch solche Artikel. Schockierend. Wenn du sie nicht lesen willst, lies sie halt nicht.” Es gebe ja noch viel anderes. Grundsätzlich gibt es für die Sichtweise der Redaktion ein paar gute Argumente. Ein schlecht recherchierter Sex-Artikel auf VICE ist ja nicht besser oder schlechter als ein schlecht recherchierter Lifestyle-Artikel im Kurier, sondern behandelt nur ein Thema, das in klassischen Medien lange sehr schwierig war. Die Artikel auf VICE sind eine krude Mischung. Doch wer seichte Geschichten dort kritisiert, müsste auch die Modegeschichten in der Presse oder die Kochrezepte auf standard.at kritisieren. Dass in Tageszeitungen Politreportagen, Opernkritik und Gerüchte über Eishockey-Tranfers nebeneinander stehen, ohne dass das jemand komisch findet, liegt ja auch nur daran, dass diese seltsame Mischung irgendwann mal kanonisiert wurde. Dass VICE, aber mittlerweile auch andere Medien, den Kanon in Frage stellen, ist grundsätzlich begrüßenswert. VICE startete als Partyblog und entwickelte sich zu einem ernstzunehmenden Medium Wenn man sich die VICE-Redaktion anschaut, fällt einem sofort das relativ junge Alter der Redakteure auf. Es wäre ein bisschen ungerecht, sie darauf zu reduzieren, aber es ist dann eben doch ein ganz entscheidender Unterschied zu vielen Redaktionen des Landes. VICE bietet jungen Menschen viele Freiheiten und rasante Aufstiegschancen. Man kann sich in einem Alter einen Namen machen, eine eigenen Reichweite aufbauen und in Führungspositionen kommen, in dem man bei Tageszeitungen meist eher noch Praktikantenstatus genießt. Verena Bogner zum Beispiel kam mit 21 zu VICE und ist mittlerweile CvD von VICE und dem Frauenkanal Broadly. Zuletzt wurde die 24-Jährige bei der Wahl von Werbeplanung.at zur “Innovatorin des Jahres” gewählt. Sie glaubt nicht, dass diese Karriere bei einem klassischen Medium so möglich gewesen wäre. Und hat damit wahrscheinlich recht. “Bei VICE hast du die Chance, dich zu beweisen und dass das auch sofort erkannt wird. Bei uns kannst du schnell aufsteigen.” Auf der anderen Seite bietet VICE allerdings auch nicht die Benefits klassischer Medien. Auch wenn sich in den letzten Jahren die Arbeitsbedingungen und die Gehälter verbessert haben, sind die Redakteure bei VICE nicht nach dem Journalisten-KV angestellt. “Die faire Bezahlung der Redaktion ist ein großes Anliegen für uns, ganz unabhängig vom KV”, sagt die Geschäftsführung. Das hat sie allerdings auch schon einmal 2014 im Falter gesagt. Es gibt da wie so oft eine wohlwollende und eine weniger wohlwollende Lesart: VICE bietet jungen Talenten Chancen, die sie so woanders nicht bekommen würden. Es bezahlt sie dafür allerdings auch teilweise in Coolnesspunkten. Im Jahr 2007 holten Niko Alm und Stefan Häckel VICE nach Österreich. Es klappte nicht beim ersten Versuch, aber irgendwann dann doch. Die Geschichte der ersten Jahre wurde schon einige Male erzählt und ist mittlerweile wahrscheinlich ein wenig mystifiziert. VICE entstand zu dieser Zeit aus einer losen Redaktion heraus, zu der Menschen wie Daniel Eberharter oder Eva Brunner gehörten. Der erste “richtige” Angestellte wurde David Bogner, der später Stefan Häckel als Chefredakteur beerbete und mittlerweile in der Geschäftsführung sitzt. Redaktionell entstammte VICE in den Anfangsjahren tatsächlich dem Kern der Wiener Hipster-Szene. Es ging um Partys, Alkohol, Drogen. Viceland, wie der Blog damals noch hieß, kündigte hauptsächlich Partys an und stellte ziemlich abgefuckte Fotos von ebendiesen Partys online. Es war alles noch ziemlich klein. Das höchste der Gefühle war damals, mit einer Geschichte in die internationale VICE-Ausgabe zu kommen. “Es mag ein bisschen seltsam klingen, aber der erste Meilenstein für mich war, als VICE im Falter erwähnt wurde, den ich als Student abonniert hatte”, erzählt David Bogner. Später kamen dann andere dazu: die ersten Geschichten in den internationalen Ausgaben, die intern sehr wichtige Syria Issue, irgendwann die ersten Videos. “Wir haben uns zuerst vom Thema Party zum Thema Culture entwickelt”, erinnert sich David. Themen wie Mode, Musik, Kultur. Immer noch hedonistisch, aber mehr Aussage als nur Drogen, Sex und Feiern. “Der nächste Schritt war dann erst mal politischer Content. Da war in Österreich vor allem die Akademikerball-Doku extrem wichtig.” Man zog mehrfach um: vom Super-Fi-Büro in eine nahe, ehemalige Garage; von der nahen, ehemaligen Garage in eine leerstehende, ziemlich abgefuckte Wohnung; von der leerstehenden, ziemlich abgefuckten Wohnung dann ins heutige Büro im ehemaligen Western-Union-Gebäude in der Lothringerstraße. Es ist schwierig, einen Moment zu bestimmen, wann VICE in Österreich begann, online richtig aufzudrehen und sich vom Blog in ein Medium zu verwandeln. Vielleicht 2013, vielleicht auch schon früher. Irgendwann nahm alles Fahrt auf. Es kamen – nicht unbedingt in der Reihenfolge – Reputation, Reichweite, Mitarbeiter. Markus Lust, Hanna Herbst, Isabella Khom, Fredi Ferkova, Franz Lichtenegger, Christoph Schattleitner. Ebenfalls nicht in dieser Reihenfolge und ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Andere, wie Stefan Häckel, David Bogner oder Ole Weinreich, wechselten kontinuierlich von der Redaktion in die Management-Ebene. Es entwickelte sich fortlaufend. Nicht ohne Rückschläge, aber doch. Für die einen ist VICE ein linkes Medium, für die anderen ein “neoliberales” Projekt. Politik ist für VICE in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Und das wird auch wahrgenommen. “Ich hab die empirisch keineswegs bewiesene Vermutung, dass mehr Österreicher unter 20 Innenpolitik via VICE wahrnehmen als über die meisten Online-Portale der Legacy-Medien”, sagt Andy Kaltenbrunner. David Carr, der Medienkritik der New York Times, der VICE lange Jahre extrem kritisch gegenüber stand, hatte kurz vor seinem Tod im Jahr 2015 aus genau diesem Grund seinen Frieden mit dem Medium gemacht: Es sei besser, junge Leute informierten sich bei VICE, als sie informierten sich überhaupt nicht. VICE positioniert sich in Österreich (wie auch in der Schweiz und mit Abstrichen in Deutschland) im politischen Teil als linkes Medium. Es geht gegen die Identitären, gegen die FPÖ. Berichterstattung über Demos wird ein relativ breiter Raum gegeben. Manches davon sind intensive Recherchen, vieles funktioniert aber auch einfach über die Schiene der Empörung oder des Lustigmachens. Das ist legitim, aber gelegentlich von überschaubarer Komplexität. Die Autorin Ronja von Rönne drückte das in einer Kolumne für die Welt mal folgendermaßen aus: “Die politische Orientierung jeder Glosse, jeder Kolumne, jedes Meinungsartikels ist schon vor dem Anklicken (…) vorhersehbar.” Das mag übertrieben sein und für viele Texte, inklusive die von Rönnes (“Warum mich der Feminismus anekelt”) ebenfalls gelten. Ganz von der Hand zu weisen ist es nicht. Auch Chefredakteur Markus sieht bei VICE einen klaren politischen Überhang, sieht es aber ein bisschen differenzierter. “Ich glaub, dass vieles eher im Nachhinein bewertet wird. Wenn wir Mitterlehner dissen, werfen uns alle vor, wir wären erwartbare, linke Hipster.” Wenn VICE das Gegenteil mache, käme der Vorwurf, man müsse unbedingt gegenbürsten. Seine Kollegin Hanna sieht VICE nicht als zu einseitig, kann sich aber vorstellen, dass die Außenansicht da eine andere sei. Es gäbe da aber keine Ansage von oben, sondern liege mehr an den beteiligten Personen. “Ich rege mich sehr oft über das auf, was FPÖ-Politiker sagt. Und darüber schreibe ich dann. Ich habe einfach ein viel geringeres Bedürfnis, etwas über den Plan A zu schreiben.” Aber auch sie würde sich grundsätzlich wünschen, dass VICE auch öfter die kritisch betrachtet, die etwas weniger Angriffsfläche als der RFS biete. Die Österreich-Ausgabe von VICE ist also, auch aufgrund der Autoren, deutlich politischer als viele andere Büros. In vielen anderen Ländern wären Kurzmeldungen über Angriffe auf linke Zentren eher undenkbar. Grundsätzlich hat VICE International nur eine überschaubare politische Ausrichtung, sondern nur einige wenige, unverrückbare Werte. VICE ist gegen Rassimus, VICE ist gegen Homophobie, VICE ist für die Freiheit, mit sich und seinem Körper machen zu können, was man will. Es gibt kaum einen Zweifel, dass diese Werte ernsthaft vertreten werden. Und doch ist das mit VICE und der Politik vielleicht ein bisschen komplizierter. Gavin McInnes – Mitbegründer von VICE Media, der das Unternehmen allerdings bereits 2007 verließ – tat sich im letzten Jahr plötzlich als vehementer Trump-Unterstützer hervor. Man sollte das nicht überbewerten – VICE stellte sich grundsätzlich ziemlich klar auf die Seite Hillary Clintons –, aber ob das purer Zufall ist, darüber scheiden sich die Geister. Es gibt durchaus die These, dass die radikale Individualisierung von VICE im Kern ein durch und durch liberales Projekt sei, das mit Punk eigentlich nur die Liebe zu Tätowierungen gemeinsam habe. Armin Thurner, seit jeher nicht unbedingt als Fan bekannt, nannte VICE im Falter unlängst einen “medialen Versuch, die konservative Idee der kreativen Klasse mit zahnlosem digitalem Radical Chic” aufzuputzen. In den letzten Jahren ist viel passiert bei VICE. Das Medium hat sich in manchen Bereichen an klassische Medien angenähert, auf der anderen Seite sind klassische Medien an VICE-Content und Tonalität herangerückt. Kritiker wie Martin Blumenau haben sich zu Fans oder zumindest wohlwollend-kritischen Begleitern entwickelt. In Kombination mit dem Agenturgeschäft läuft es auch finanziell sehr gut. Mit den Zugriffszahlen ist man sehr zufrieden, auch wenn die Wachstumsraten der letzten Jahre mittlerweile so nicht mehr möglich sind. Die Redaktion ist gewachsen und hat eine rasante Professionalisierung durchgemacht. Intern wie extern. “Als ich angefangen habe, hatte ich nicht mal einen eigenen Schreibtisch – beziehungsweise nur solange, bis die erste Praktikantin nach mir kam und wir ihn uns teilen mussten”, erinnert sich Hanna. “Wir saßen in einem schnell viel zu kleinen Büro, und es sind manchmal einfach Freaks reingekommen, um uns Geschichten anzubieten.” Das ist jetzt dann doch ein wenig anders. Jeder hat seinen eigenen Schreibtisch, eine Buchhaltung bezahlt die Rechnungen pünktlich, ein eigenes Videodepartment sorgt für das “Bewegtbild”, wie es heute gerne heißt. Und Freaks mit Themenvorschlägen müssen erst mal am Empfang vorbei. Professionalisierung ist allerdings ein zweischneidiges Schwert. Man gewinnt, verliert aber auf der anderen Seite natürlich auch etwas. “Gewonnen haben wir sicher Reichweite und Relevanz”, sagt Markus. Man werde immer öfter von anderen Medien aufgegriffen, in APA-Meldungen zitiert. “Das ist gewissermaßen ein ‘Ankommen’ in der Medienbranche, wo wir vor drei Jahren noch nicht als Player gesehen wurden.” Das ist sicher richtig. Mitglieder der VICE-Redaktion sitzen auf Podiumsdiskussionen oder bei Barbara Stöckl. Geschichten wie die vermehrte Nutzung von .at-Adressen von IS-Propagandaseiten werden von anderen Medien ganz selbstverständlich aufgegriffen, Storys wie “Wer zur Hölle ist Tanja Playner?” werden nicht nur wie wild geteilt, sondern auch für Journalismus-Preise nominiert. “Wir waren früher vielleicht pointierter, ein bisschen überspitzer, haben uns stellenweise mehr getraut. Es ist halt heute berichterstattender”. Verloren ging über dem Ganzen vielleicht ein wenig die Leichtigkeit. “Wir waren früher vielleicht pointierter, ein bisschen überspitzer, haben uns stellenweise mehr getraut. Es ist halt heute berichterstattender”, sagt Markus. Die Erwartungen von außen an das Medium haben sich stark verändert, aber auch die internen Erwartungen. Früher wurden einfach Meinungsartikel geschrieben. Heute wird mehr darüber nachgedacht, welchen Experten man befragen kann, und ob man jemanden findet, der zu dem Thema einen Erlebnisbericht beisteuern könne. VICE ist jetzt ein Medium, kein Blog mehr. Auf der Meta-Ebene droht vielleicht auch ein anderer Aspekt verloren zu gehen. Gerade in den Anfangstagen hat VICE aus der Not, keinen Zugang zu den Etagen der Macht zu haben, eine Tugend gemacht. Wenn du nicht mit dem Präsidenten reden kannst, redest du halt mit Prostituierten. Oder noch besser: Lässt sie selbst reden. Im Jahr 2017 hat VICE den Zugang zur Macht. Politiker geben dem Magazin durchaus Interviews, weil man bei VICE relativ zielgenau eine junge Zielgruppe erreicht. Bundeskanzler Kern lobte VICE auf Ö1 zuletzt für seinen “Beitrag zum Diskurs”. Die Gefahr dabei ist halt, dass man über den Stolz, sich neue Zugänge zu erarbeiten, die andere Seite vergisst. Das wäre schade. Wenn man eine relevante Aufgabe von VICE im Mediendiskurs benennen müsste (neben Unterhaltung, was auch eine wichtige Aufgabe ist), wäre es wahrscheinlich genau das: Die Stimme und Sichtweise derer abzubilden, die in klassischen Medien zu oft ausgeblendet werden. Zehn Jahre, nachdem VICE auch in Österreich aufgeschlagen ist, ist es nicht mehr die Hipster-Bibel, keine Blaupause mehr, was man als junger, urbaner Mensch tun und lassen sollte, wenn man zur In-Clique gehören will. Sofern es das überhaupt je war. VICE ist im Grunde genommen nicht mal mehr cool. Auf den Partys laufen Popsongs zum Mitgrölen, nicht mehr der heißeste Hipster-Scheiß aus Los Angeles. Und bei einer Studie von Google, wo Vertreter der Generation Z Marken nach Coolness und Wahrnehmbarkeit sortieren sollten, landete VICE auf dem letzten Platz. Hinter dem Wall Street Journal. Es ist fast ein bisschen einfacher, darüber zu reden, was VICE nicht ist, als Positivbestimmungen, was es sein kann und will. VICE macht heute viel gesehene Videos, VICE macht viel gelobten Journalismus mit aufwendigen Recherchen, VICE macht immer noch eine ziemliche Menge Bullshit. Es sucht ein bisschen seine Rolle, was natürlich auch eine Chance ist. “VICE muss aufpassen, nicht dem Neon-Effekt zu unterliegen”, sagt Anna Wallner. “Die Zielgruppe von einst wächst und zieht weiter. Die Marke muss mitwachsen, thematisch und auch von der Geschichtensprache her.” Oder sich neue erarbeiten. In den Schubladen des VICEler liegen eine Menge Pläne für die Zukunft. Vor allem Video, aber auch Fernsehen sind große Themen. Die Entscheidungen werden verglichen mit früher weitreichender, haben größere Risiken und Fallhöhen. Zehn Jahre nachdem VICE in Österreich mit einer Party im Fluc startete, ist alles mehrere Hausnummern größer. Der Erfolg, der Druck. Und eben auch die Fragen, wo es als nächsten noch hin gehen könnte. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Jonas Vogt
[ "10 Jahre", "Medien", "Österreich", "Redaktion", "VICE Austria", "VICE wird 10" ]
2017-06-01T04:00:00+00:00
2024-07-30T20:07:17+00:00
https://www.vice.com/de/article/wer-zur-holle-ist-vice-austria/
Student würde wieder Postillon-Artikel liken – obwohl die Polizei deswegen gegen ihn ermittelt
Gut, dass es in Bayern strenger zugeht als im Rest der Republik, ist kein Geheimnis. Dass man mit seinem Joint nicht gerade die Münchner Leopoldstraße entlang spazieren sollte, dürfte wohl jedem klar sein. Doch anscheinend muss man sich gar nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Manchmal reicht es der bayerischen Polizei schon, dass jemand einen offensichtlich satirisch gemeinten Artikel likt, um Ermittlungen einzuleiten. Genau das ist passiert. Weil ein Münchner Student auf Facebook einen Artikel des bekannten Satire-Magazins Postillon gelikt hat, auf dem auch Hitler zu sehen war, vermutete die Polizei eine rechte Straftat und leitete Ermittlungen gegen den 27-jährigen Johannes König ein. Die Schlagzeile über dem besagten Artikel hieß “Björn Höcke dreht Hitler-Foto auf seinem Nachttisch um”, darunter ein entsprechendes Bild, auf dem außer Höcke auch ein gerahmtes Foto von Hitler zu sehen ist. Johannes König saß vor seinem PC, kicherte vermutlich ein bisschen, schickte den witzigen Artikel vielleicht noch an ein paar Freunde, gab dem Post einen Like – und lag wenig später als Verhandlungssache dem Kommissariat 44 des Münchner Polizeipräsidiums vor. Das kümmert sich um mutmaßlich rechte Straftaten. Wie absurd das ist, wird noch klarer, wenn man den Fall näher betrachtet. Auch bei VICE: Aufstand der Rechten: Unterwegs bei Europas größtem Nationalisten-Treffen Denn Johannes König ist schon länger im Visier der Münchner Polizei. Im Februar teilte er einen Artikel des Bayerischen Rundfunks, bei dem eine Fahne der YPG zu sehen war. Die YPG gilt als bewaffneter Arm der Kurden und ist Teil der internationalen Koalition gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Da sie als Nachfolgeorganisation der kurdischen Arbeiterpartei PKK gilt, die seit 1993 in Deutschland verboten ist, dürfen die Fahnen zwar in Artikeln von Medien genutzt werden, die Verbreitung kann aber unter Umständen als Straftat gelten. So also auch wenn man den Beitrag einfach nur auf Facebook teilt. “Vor Kurzem habe ich meine Akte bekommen. Fast 50 Seiten, auf denen mein komplettes Facebook-Profil zu sehen ist. Alles, was ich öffentlich gepostet habe, wurde abfotografiert und gesichert”, sagt König gegenüber VICE. Die Polizei untersuchte im Zuge der Ermittlungen nicht nur, was der Musiker aus München selbst postete, sondern auch, was er auf anderen Seiten likte. Und sah somit auch Königs Like unter dem Postillon Artikel. Ermittelte bisher das Kommissariat, dass Straftaten von ausländischen Extremismus verfolgte, wurde das neue Ermittlungsverfahren gegen Johannes König nun wegen einer mutmaßlich rechten Straftat eingeleitet. “Es ist lächerlich, dass ich mich wegen einer angeblich rechten Straftat verantworten soll, während so viele Straftaten von Nazis einfach fallengelassen werden”, sagt er. Neben Johannes König haben noch fast 22.000 andere Menschen den Post des Postillon geliket. Müssen diese nun auch befürchten, von der bayerischen Polizei zu hören? “Grundsätzlich ja”, sagt der Anwalt von Johannes König. Denn stufe die Polizei im Falle von König das Liken des Postillon Artikels als Straftat ein, müsse die Polizei jedem nachgehen, der diese Straftat auch begehe. Das verlangt das Legalitätsprinzip. “Wir sind hier in Bayern. Ich halte gar nichts mehr für unwahrscheinlich”, sagt Königs Anwalt. Es ist nicht das erste Mal, dass die Polizei die Verbreitung oder Zustimmung von eindeutiger Satire verfolgt. Es kam auch schon zu ernsthaften Gerichtsentscheidungen, so Königs Anwalt. Außerdem gäbe es allein in seinem Büro über 100 Ermittlungsverfahren wegen YPG-Fahnen. Dass die Münchner Polizei diese Ermittlungen so schnell einleitet, ist nicht nur absurd und in vielen Fällen unberechtigt, sondern führt auch zu einer Verfälschung der Kriminalstatistiken. Im Sicherheitsreport für das Jahr 2017 behauptete die Münchner Polizei etwa, dass die Ausländerkriminalität um 75 Prozent gestiegen sei. Später kam raus, dass diese Zahl zustande kam, weil sie sich auf 49 Verfahren bezog, die wegen eines einzigen Facebook-Posts eingeleitet wurden. Und dieser Facebook-Post kam von einem Deutschen. Für König heißt es nun erst einmal abwarten. Vorsichtiger auf Facebook wird er wegen dieser Sache nicht sein, sagt er. Und mal ganz ehrlich: Noch vorsichtiger wäre es ja nur gar nichts mehr zu liken. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Lidia Polito
[ "Bayern", "Cop Watch", "München", "polizei", "Satire" ]
2018-09-14T03:56:00+00:00
2024-07-30T18:52:57+00:00
https://www.vice.com/de/article/student-wurde-wieder-postillon-artikel-liken-obwohl-die-polizei-deswegen-gegen-ihn-ermittelt/
Auch ohne Skandale ist der Bundesvison Song Contest sehr schockierend
(Anm. d. Red.: Es ist inzwischen zur Tradition geworden, dass wir bei jedem wichtigen Musikspektakel im Fernsehen jemanden dazu zwingen, sich die Show von vorne bis hinten anzuschauen und das Ganze zu dokumentieren. Glücklicherweise gibt es nicht allzu viele und wir können nachts noch ruhig schlafen. Nach dem Eurovision Song Contest und den VMAs stand gestern der Bundesvision Song Contest auf dem Programm.) Es ist 20.15 Uhr, der geladene Besuch hat seine Plätze eingenommen, der Wein steht bereit und ich habe mir gerade zum ersten Mal die Liste der Acts durchgelesen, die heute Abend performen werden. Was soll ich sagen…Das wird ein ganz furchtbarer Abend. Xavas treten auf. Sie spielen ihren „Mach den Kopf hoch beim Wandern, Homie, während wir im Benz zu gottesfürchtiger Gospelmusik an dir vorbeifahren”-Song und es bleibt eigentlich nur eine Frage: Wann gibt es endlich einen Dubstep-Remix von diesem „Warum liebst du keine Möse?”-Track? Stefan Raab und eine mir unbekannte Person. Mega Mega sehen aus, als hätte man Club Mate, vier Jutebeutel und Polaroid-Kameras in einen Mixer geworfen. Rheinland-Pfalz ist das Bundesland der Hipness und meine TV-Gesellschaft äußert vollkommen zu Recht: „Die sind kacke, oder?” Update: Der Song ist ok. Update 2: Ihre Anzüge blinken. Ich bekomme einen epileptischen Anfall und der Screenshot ist verwackelt. Gar kein Problem. Wir sind sehr professionell hier bei Noisey. Sing um dein Leben kommen aus Hessen, sehen aus wie Aldi-Destiny’s Child und wollen supergeheimnisvoll rüberkommen. Superdeep. Wusstet ihr eigentlich, dass man in Bayern nicht als Lehrer arbeiten darf, wenn man in Hessen studiert hat… OH MEIN GOTT! DAS SIND DIESE GEISTESKRANKEN LEUTE AUS DER XAVIER NAIDOO PROSIEBEN-SENDUNG. Alles wird sofort unangenehm. Ich glaube, Xavier berührt sich gerade intim, während Moses Pelham seine unendlich tiefe Trauer in ordentlich Whiskey ertränkt. „Ich wäre so gerne mysteriös” singen, während neben einem Männer mit aufgemalten Weltraumhemden schunkeln, muss man auch erst mal bringen. Wow. Klickt hier zur nächsten Seite: Nickelback-Klone, Witze aus Bayern und „behinderte Hippies”. Für Mecklenburg-Vorpommern treten laut meinem Besuch „behinderte Hippies” an, die „ungepflegt aussehen”. Ich würde gerne googlen, wie man sie schreibt, bin aber zu fasziniert von dem gezeigten Desinteresse an jeglicher Art von Haarhygiene. Im Hintergrund schlagen Menschen ihre Köpfe gegen Computerbildschirme, bevor das Bühnenbild zerstört wird. Bestimmt irgendwie sozialkritisch. Ich will es gerade aber auch nicht verstehen. Hannes Kinder aus Thüringen waren vorher schnell fesche Klamotten bei Primark einkaufen, haben ihre Lieblings-Clueso-Songs und die aktuelle Single von den Sportfreunden Stiller parallel laufen lassen und performen das Ganze jetzt auf die am wenigsten euphorische Art und Weise, auf die sich ein Mensch mit Hirnfunktion überhaupt auf der Bühne bewegen kann. Dejavuedejavue (kecker Finger) dejavuedejavue. Gleich werfen die Großmütter aus der ersten Reihe ihre figurformende Unterwäsche auf die Bühne. Hamburg—das Mini-Bundesland, das wohl einige der besten Musiker Deutschlands hervorgebracht hat. Hamburg, das Bundesland das sich für jemanden namens Johannes Oerling entschieden hat. Er ist relativ hübsch, aber ich zeige lieber die dramatische Eingangsszene aus seinem Auftritt. Er ist ziemlich traurig. Wir schenken uns kollektiv Alkohol ein. Ich merke gerade, dass ich die schlechteste Musikjournalistin der Welt bin. Ich kenne quasi niemanden der Leute, die bisher aufgetreten sind. Charly Bravo sind derweil „stolz auf Bayern, weil in Bayern das Wort Eier vorkommt”. Ich glaube, es steht unentschieden zwischen uns. Die Vertreterin aus Schleswig-Holstein hat sehr schöne Haare und verliest gerade die Tagesschau mit den Gesten der letzten drei Kanzler-Duelle. „Guter Arsch!” ertönt es von meiner Rechten und neidvoll muss ich zugeben: Ja. Stimme gut, bisschen langweilig noch, vielleicht macht sie dann in drei Jahren auch mal richtig gute Musik. Nordrhein-Westfalen wird von dem Frontmann von Nickelback vertreten. Herbe Enttäuschung direkt am Anfang: seine Angetraute Avril Lavigne tanzt nicht im Gothic-Dress über die Bühne. Dafür gibt es lustige Wortspiele. Ich nehme den letzten Atem-Zug. Ha. Hahahaahaha. Anschlussfrage: Im wievielten Kreis der Hölle landet man, wenn man auch 700 Jahre nach dem Mittelalter noch Lederarmbänder trägt? Klickt hier zur nächsten Seite: Backstage-Report, die Müdder von Fettes Brot und MAX HERRE. Elton interviewt die Küstenwacht, während alte affektierte Damen sich aus dem Off nähern und behaupten, mit den Kandidaten verwandt zu sein. Sie wurden offensichtlich bezahlt. Warum sie nicht mit im Bild sind: weil ich den Screenshot zu früh gemacht habe. Ich brauche die jetzige Werbepause so sehr. Ich muss mich emotional auf den soeben angekündigten „Special Auftritt von Xavier Naidoo” vorbereiten. DCVDNS tritt für das Saarland an und ist mein persönlicher Favorit. Wie auch das Saarland. Jedes Bundesland, das aus dem Wort Marmelade „Sießschmier” macht, hat sowieso gewonnen. Und die beste Bühnenshow gibt’s zu „Eigentlich wollte Nate Dogg die Hook singen” auch. Endlich ist absolut niemand auf der Bühne niedergeschlagen, verzweifelt promiskuitiv oder hat mit seinem Leben schon komplett abgeschlossen. Sachsen Anhalt. Ich lasse einfach mal das Bild für sich sprechen. Fettes Brot lobpreisen ihre Müdder. Ich weigere mich, sie bei ihrem echten Namen zu nennen. Zirkusmusik mit Dubstep und Sprachfehler. Die Menge rastet komplett aus. Entgegen diesbezüglicher Hoffnungen über die Länge des kompletten Auftritts, stolpert niemand über seinen gelben Regenmantel. MC Fitti taucht urplötzlich auf. Die Kamera schwenkt panisch weg. Seitdem Sera Finale kein Rapper mehr ist, trägt er immer T-Shirts, die ein bisschen zu kurz sind, und genau damit bringt er womöglich alles auf den Punkt, was Brandenburg ausmacht. Für die Bühne hat er sich allerdings in einen Smoking geworfen, während der Band Ohne Namen-Typ ein Brautkleid trägt und Jahre nach seinem Boyband-Hit endlich „Girl 4 A Day” sein darf. Fassungslosigkeit unter allen Anwesenden. Erstmals wird vor dem Fernseher die Frage gestellt, ob in der gerade geleerten Flasche überhaupt Alkohol war. MAX HERRE trägt einen kecken Hut und wir alle wissen schon jetzt, dass er den ganzen Scheiß gewinnen wird. Und dass er der wiedergeborene Jesus ist, der irgendwann unsere Herzen fressen und sie Joy Denalane in den Wanst kotzen wird, auf dass der Antichrist geboren wird, der Stuttgart wieder an die Spitze der deutschen Rapszene führt. Weil er außerdem mit seinen tiefen, leeren Blicken ins Off die Welt kontrollieren kann, ist mein Stream gerade abgekackt, und ich musste meinen Fernsehbildschirm abfotografieren. Max Herre ist WIRKLICH gruselig. Niemand von The Toten Crackhuren im Kofferraum spricht richtig sächsisch und das macht mich traurig. Entgegen ihrem Namen und ihrem Image haben sie den bisher am wenigsten geisteskranken Auftritt und das bei einer Veranstaltung, bei der bisher ungefähr jeder Song so aufregend wie ein Streichelzoo-Livestream war. Klickt hier zur nächsten Seite: Der Sieger, MC Fitti und die unfassbare Preisverleihung. Ich dachte bisher immer, Bosse wären mehrere Personen, vielleicht habe ich ihn aber auch mit Revolverheld verwechselt. Oder den Sportfreunden Stiller. Oder jemand anderem mit sehr akkurat gescheiteltem Haar. Er tritt in jedem Fall für Niedersachsen vor dem Logo von Werder Bremen auf und hält sich mit einer Hand an seiner Deutschlehrer-Hose fest, weil sein Song so schnell und schmissig ist, dass er sonst wahrscheinlich umfallen würde. MC Fitti kommt. Ich hasse es, dass in seinem Bart keine Vögel leben. Ich glaube, er ist Cindy aus Marzahn, die sich die Rückenbehaarung von Michael Mittermeier im Gesicht drapiert hat. IST DAS VOKALMATADOR? Aber ich muss zugeben: ich finde das gut mit diese abstrusen 80er Jahre Lichteffekten. So muss die Ejakulation von Magnum aussehen. Bester Auftritt bisher und ich wollte es eigentlich nicht zugeben. In einer unerträglich langen Sequenz wird erklärt, wie man für seinen Favoriten abstimmt. Denn wir alle können weder lesen, noch Telefone bedienen. Um mich herum wird diskutiert, wer den beschissensten Auftritt hatte. Können uns nicht zwischen den Hippie-Terroristen, dem Bodypainting-Kollektiv oder Hannes Fucking Kinder entscheiden. Es ist noch Rosé da. Elton kürt den am geschmacklosesten gekleideten Künstler. Alle haben gewonnen und freuen sich. Es wird getrunken. Wann wird eigentlich geklärt, wer die Co-Moderatorin ist? Die kurzzeitig aufgeflammte Alkoholeuphorie ist weg. Xavier Naidoo tritt auf, ist supercreepy und trägt wie immer eine Sonnenbrille, die seine Alienaugen verbergen. Gerne denke ich an sein eigenes Pro7-Format „Sing um dein Leben” zurück, dessen blutige Nachgeburt vorhin einen der ersten Auftritte beim Bundesvision Song Contest abgeliefert hat. Ein Format, das primär daraus bestand, dass Xavier Naidoo Müttern während den Wehen ungefragt ins Ohr gesungen hat. Seinen Song „Der Letzte Blick”, in dem er einem erklärt, dass er den Weg zu einem kennt, könnte ich mir übrigens gut in einem Werbespot für Alarmanlagen vorstellen. Giovanni, der mal bei Bro’Sis war, verkündet aus einem Schwimmbad heraus die Punkte, die sein Bundesland vergeben hat. Es ist unwichtig welches Bundesland. Es ist unklar, warum er in einem Schwimmbad steht. Vielleicht ist es aber auch egal. Schweigen wir die Radio-Punktevergabe-Ansager doch einfach tot. Ich habe keine Kraft mehr. In meinem Kopf läuft seit mehreren Minuten der Hannes Kinder-Song in Dauerschlaufe. Tötet. Mich. Eine Frage: Warum?! (Ernsthaft. Ich erspare euch hier gerade den langatmigsten Scheiß der Fernsehgeschichte.) Bosse hat gewonnen und freut sich, während ein Stück Mortadella, rechts im Bild, ihn auf die Bühne begleitet. Er tritt jetzt noch mal auf, aber haben wir ja schon alles gesehen. Niemand hat getwerkt, es gab keine größeren Skandale und es wurde auch keine zutiefst erschütterte Schauspielerfamilie eingeblendet. Halten wir also fest: Wenn die VMAs Koks sind, ist der Bundesvision Song Contest der Kuchennachmittag mit der langsam vor sich hinverwesenden Großmutter samt Katzen. Danke für meine Aufmerksamkeit. Gute Nacht. Folgt Lisa bei Twitter: @antialleslisa ** Folgt YNTHT bei Facebook und Twitter. MEHR VON YOU NEED TO HEAR THIS
Lisa Ludwig
[ "Bundesvision Song Contest", "Features", "Music", "Noisey", "Review", "Reviews", "Stefan Raab", "YNTHT", "You Need to Hear This" ]
2013-09-27T10:30:00+00:00
2024-07-31T04:57:52+00:00
https://www.vice.com/de/article/bundesvison-song-contest-2013-review/
Wie Kampfsport die moderne Hooliganszene dominiert
Geil auf Gewalt: Unter Hooligans von Bill Buford ist ein sehr unterbewertetes Buch – vor allem, wenn du Probleme hast, dir deine eigene Faszination für regelfreie Gewalt zu erklären. Das 1992 erschiene Werk ist eine Odyssee durch die ultrabrutale, nationalistische und alkoholgeschwängerte Welt britischer Hooligans der 80er – der zweifelhaften Hochphase der Szene. Durch die Nähe des Autors zu erwachsenen, gar nicht mal so schlecht situierten Männern, die ihre Freizeit damit verbringen, ihren Vereinen durch Europa nachzureisen, nur um sich mit Menschen zu prügeln, die andere Clubs mögen, wirft sein Buch einen subjektiven Blick auf den Anreiz solcher Massengewalt. Es ist schon ein Weilchen her, dass ich Geil auf Gewalt gelesen habe, aber ich erinnere mich sehr gut an fette Suffköppe, die durch die Straßen fremder Städte marodieren und Schlägereien mit allem und jedem anzetteln; an apolitische Politik, die manchmal in ausgewachsenem Rassismus eskaliert; an den lustigsten Erfahrungsbericht darüber, von der Polizei zusammengeschlagen zu werden, den ich je gelesen habe, und ich erinnere mich an einen Autor, der in die tiefe Leere solcher Massengewalt blickt und aufschreibt, was er dort sieht. Hooliganismus ist Kämpfen aus dem nichtigsten aller Anlässe: Anhänger von verschiedener Vereine prügeln sich, weil sie … andere Vereine unterstützen. Es gibt keine geopolitischen Gewinne oder Verluste, keine Fragen der Ehre oder gar Noblesse und weder technische Finesse noch Kompensation eines Preiskampfes. Es ist Prügeln zum stumpfen Selbstzweck. Einst galten die Briten als Goldstandard für die hässliche Seite des schönen Sports, aber mittlerweile dürften russische Hooligans diese zweifelhafte Ehre für sich reklamieren. Lest weiter auf VICE Sports.
Jeff Harder
[ "Fußball", "gewalt", "Hooligans", "Kampfsport", "Russland", "VICE Sports", "wm" ]
2017-05-04T12:33:27+00:00
2024-07-30T19:52:06+00:00
https://www.vice.com/de/article/3dxn5n/httpssportsvicecomde_dearticlewie-mma-die-moderne-hooliganszene-dominiert-235
Kampf im All: Tausende Gamer haben in ‘EVE Online’ eine Million Dollar riskiert
EVE Online ist nicht Mario Kart. Das MMORPG (Massively Multiplayer Online Role-Playing Game) ist kein Spiel, dass man mal eben für eine halbe Stunde zockt. Der Titel des isländischen Entwicklers CCP Games verlangt von seinen Abonnenten viel Zeit, Hingabe – und echtes Geld. In EVE Online kämpfen und wirtschaften Spieler in einer riesigen Galaxie, die 7.500 Sonnensysteme umfasst. Am 23. Januar fand der größte Kampf der 15-jährigen Spielgeschichte statt, der “Million-Dollar Battle”. Mehr als 6.000 Gamer waren an der Schlacht beteiligt. Und die hätte sie teuer zu stehen kommen können. Will the biggest fight in history happen tonight? Will the wrecking machine be brought? Stay tuned!#tweetfleet #streamfleethttps://t.co/WtKuYUc9hy pic.twitter.com/cq0Bic0zoT Spieler können echtes Geld gegen die In-Game-Währung ISK eintauschen und damit Upgrades für ihre Schiffe und Charaktere kaufen. Die unzähligen Raumschiffe, die an dem Gefecht beteiligt waren, hatten einen geschätzten Wert von einer Million US-Dollar. Reddit-Nutzer CSMprogodlegend zufolge gab ein Unterstützer der chinesischen Spielergruppe Fraternity Coalition allein in den vergangenen zwei Monaten 70.000 Dollar für die Flotte seiner Gruppe aus. Bei der zuvor größten Schlacht der EVE-Geschichte, dem “Blutbad von B-R5RB” in 2014, zerstörten 2.000 Spieler Schiffe im Wert von circa 300.000 Dollar. Aber letztendlich endete die groß angekündigte Rekord-Schlacht in diesem Jahr ein wenig enttäuschend. Schätzungen zufolge gingen nur Schiffe im Wert von 3.300 Dollar zu Bruch. Dass der Kampf alles andere als episch verlief, lag wohl am Spiel selbst: Anders als bei anderen MMORPGs laufen die Interaktionen der Spieler über ein zentrales Serversystem – ein Vorteil, wenn man eine glaubhafte Welt möchte, aber ein Nachteil, wenn extrem viele Nutzer auf einmal online sind. Here is a screenshot that was taken by a player in the system of all of the Titans near Keepstar. So cool. (cc: @EveOnline @ScienceGroen) pic.twitter.com/v2fQNVkUUD Wie GameStar berichtet, löst das Spiel die Belastung durch zu viele Nutzer mit einer Methode namens “Time Dilation” – vereinfacht gesagt verläuft dadurch die Spielzeit für alle Spieler langsamer. Die Weltraumzitadelle, um die zwei Fraktionen in der Millionen-Schlacht kämpften, regenerierte sich aber weiterhin mit normaler Geschwindigkeit. Somit hatte die Angreiferseite eigentlich von vornherein keine Chance, den “Keepstar” zu erobern. Andere konnten sich erst gar nicht am Kampf beteiligen, weil der Server überlastet war. Selbst Vertreter der Siegerseite waren unzufrieden. “Heute Abend haben alle verloren”, schrieb ein Nutzer auf Reddit. Dass Spieler deswegen EVE Online an den Nagel hängen, dürfte trotzdem so gut wie ausgeschlossen sein. Die Fanbase ist vermutlich eine der treusten der Gaming-Welt. Jedes Jahr versammeln sich Spielerinnen und Spieler in Reykjavik zum FanFest und feiern EVE Online, indem sie cosplayen, sich das Logo ihrer Flotte tätowieren lassen und heiraten – oder zusehen, wie die Entwickler gegen einen UFC-Champion antreten. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
David Gilbert
[ "CCP Games", "Eve Online", "Gaming", "MMORPG", "Online gaming", "Weltraum" ]
2018-01-25T10:33:53+00:00
2024-07-30T18:18:30+00:00
https://www.vice.com/de/article/kampf-im-all-tausende-gamer-haben-in-eve-online-eine-million-dollar-riskiert/
Das verstörende GoPro-Video eines russischen Hooligans aus Marseille
Die Krawallen von englischen, französischen und russischen Hooligans in Marseille bestimmten in den ersten Tagen die TV-Bilder dieser EM. Die französische Polizei zählte dutzende mitunter schwere Verletzte und nahm am Ende zehn Hooligans fest, unter ihnen sechs Briten. Von den etwa über 100 russischen Randalierern konnte jedoch keiner gefasst werden. Wie gezielt und brutal diese durch die Gassen von Marseilles Altstadt zogen, zeigt nun ein GoPro-Video aus der Ich-Perspektive. Ein Russe hatte sich die Kamera an die Brust geschnallt und sich beim feigen Treten, Schlagen und Stühle werfen gefilmt. Im Hintergrund trällert derweil ein russischer Gold-Digger-Remix und macht die Szenen völlig verstörend…
[ "EM 2016", "england", "fans", "Fußball", "Highlights", "Hooligans", "Hools", "Marseille", "Russland", "Sports", "VICE Sports" ]
2016-06-14T09:40:00+00:00
2024-08-12T11:23:08+00:00
https://www.vice.com/de/article/das-verstrende-gopro-video-eines-russischen-hooligans-aus-marseille/
Das alte New York ist tot, lang lebe die Gentrifizierung!
Wollt ihr wissen, was das Schlimmste an New York ist? (Kleiner Tipp: Es sind nicht die Cronuts oder Gentrifizierung.) Es sind die Menschen, die sich noch immer an die Idee eines „alten New Yorks“ klammern, und Sachen sagen wie, dass selbst die Kriminalität nicht mehr das ist, was sie früher mal war. Das sind Leute wie Spike Lee (der jedesmal jammert, wenn irgendwer in seine alte Nachbarschaft zieht) oder David Byrnes von den Talking Heads (der jede Chance nutzt, um seine Meinung über die grassierende „unterdrückte Kreativität“ in der Stadt kundzutun).  Das sind die wahren Arschlöcher New Yorks. Es sind die Leute, die einfach nicht loslassen können.
Bobby Viteri
[ "Brooklyn", "Fotos", "früher war alles besser", "ist ein Paradies", "New New York", "New York", "Vice Blog" ]
2014-06-10T10:30:00+00:00
2024-07-31T03:34:37+00:00
https://www.vice.com/de/article/brooklyn-ist-ein-paradies/
The Noisey Guide to Silvesterparty
Kinder, bald ist es soweit! 2016 neigt sich mit einer Fülle an unheimlich wichtigen Best-Of-Listen und Jahresrückblicken endlich dem wohlverdienten Ende zu, in Kürze könnt ihr auf seinem Grab tanzen. Und das bitte im großen Stil, denn ihr wisst schon: Die letzte Nacht des Jahres kommt erfahrungsgemäß mit einer absolut hausgemachten Portion an falschen Erwartungen daher. Es ist nämlich nicht nur irgendeine der jährlichen 50+ Nächte, an denen ihr euch aus reiner Gewohnheit sowieso die Birne wegballert, NEIN! Aus Gründen, die nur das Team von Galileo Mystery weiß, ist Silvester DIE Nacht des Jahres. Quasi die Glitzerversion eurer sonstigen Exzesse, die Mutter aller Partys, der letzte Tropfen, der eure Sunny Road in Richtung Betty-Ford-Klinik befeuchtet. Kurz: Es wird in jedem Fall unheimlich scheiße, weil die abnormalen Hoffnungen an diese Nacht niemals erfüllt werden können. Wir, die Weisen aus dem Noiseyland, bringen euch daher den ultimativen Guide aka deppensicheren Plan, wie diese Nacht trotzdem zumindest halbwegs erträglich werden könnte—natürlich inklusive Musik für jede Tätigkeit. Die Situation: Ihr wollt euch gepflegt mit Freunden zuhause umhacken? Kein Ding. Aber bitte mischt euch nicht unter die Menge jener Wahnsinnigen, die am 31.12. um 13:53 in der Lebensmittel-Konsumhölle wie wahnsinnig vor dem Sektregal herumflattern und sich mit irrem Blick gegenseitig Knabbereien aus dem Einkaufswagen klauen. Ernsthaft. Geht einfach einen Tag früher einkaufen, das kann doch um Himmels Willen nicht zuviel verlangt sein. Selbiges gilt für jedwede Reparatur-Maßnahmen: Ihr möchtet umwerfend aussehen? Auch kein Ding. Aber bitte! Probiert das schicke Glitzerkleidchen doch vor dem 30.12. mal an, um nicht hysterisch ob der weihnachtlich angefressenen Speckrolle tränenüberströmt den Reißverschluss zu sprengen, wenn die ersten Gäste bereits vor der Türe stehen. Es hat auch keiner Bock, euch beim Beglitzern, Haare eindrehen und Wimpern aufkleben zuzusehen, also macht das gefälligst schon am Nachmittag. Seid professionell. Was ihr dazu hören solltet: Alles, was euch entspannt. Spart euch eure Kraftreserven für die restliche Nacht auf und geht euch selbst und allen in eurer unmittelbaren Umgebung nicht schon am Nachmittag auf den Wecker. Die Situation: Ihr streitet seit dreieinhalb Monaten darüber, wer denn jetzt wann und wo und mit wem was machen wird? Es ist doch komplett bescheuert, in einer Gruppennachricht mit 40 Leuten wochenlang zu diskutieren, ob man sich gemeinsam am All-You-Can-Eat-Buffet des lokalen Asia-Dealers überfrisst, auf eine Berghütte fährt oder irgendjemandem die Bude in Grund und Boden feiert. Wenn der kleinste gemeinsame Nenner immer noch unbefriedigend ist, dann teilt euch eben auf. Das neue Jahr wird nicht weniger toll, nur weil der Exfreund deiner Gymnasiumsfreundin diesmal nicht mit hineingefeiert hat. Was ihr dazu hören solltet: Alles, was in die Situation passt. Wobei Helene Fischer niemals eine gute Idee ist, selbst wenn ihr euch für Jagatee und Skifahren in den Alpen entschieden habt. Einigt euch auf Musik, die jeder liebt. Die Situation: Natürlich seid ihr schon total aufgeregt, das vestehen wir ja. Aber zwischen dem fröhlichen Anprosten und dem Kotzen zwischen Mülltonnen liegen oft nur drei Sekt-Orange. Damit euch eure Leber nicht endgültig den Dienst verweigert, solltet ihr immerhin etwas ordentliches im Magen haben. Und das darf ruhig ein bisschen spießig sein—Fondue, Raclette, Braten, Kartoffelsalat, belegte Brötchen. Mutti wusste damals eben schon, was gut für euch ist, also haltet euch doch einmal daran, ihr verzogenen Bälger. Was ihr dazu hören solltet: Am besten gar nichts. Nehmt euch doch mal die Zeit, um das Jahr Revue passieren zu lassen und euch zu unterhalten, die restliche Nacht wird ohnehin scheiße laut. Wenn ihrs aber gar nicht lassen könnt, dann beschränkt euch zumindest auf dezente Hintergrundmusik, bei der man nicht umgehend das Lachscarpaccio wieder erbrechen möchte. Die Situation: Im Ernst, so scheiße ist das alles eigentlich gar nicht, zumal ihr ansonsten noch wesentlich unsinnigere Alltagsrituale kultiviert. Da ihr euch sowieso für und auf nichts und niemanden festlegen wollt, könnt ihr doch wenigstens am Ende des Jahres immer die gleichen paar Dinge machen, damit zumindest irgendeine Konstante in eurem sonst so unheimlich kreativen und freien Lebensstil besteht. Also, packt euer Bleigieß-Set aus und kreiert ein paar undefinierbare Brocken, in denen eh kein Mensch etwas erkennen kann. Seht euch zum tausendsten Mal „Dinner For One” an und erhebt jedes Mal solidarisch euer Glas, wenn Butler James einen für Sir Toby, Admiral von Schneider, Mr. Pommeroy und Mr. Winterbottom saufen muss. Tragt bescheuerte Partyhüte und 2015-Spaßbrillen und verziert alles und jeden mit Konfetti. Und tanzt, Kinder! Zumindest einmal im Jahr könnt ihr euch doch bitte ein paar Schritte im Takt drehen, bevor das Niveau wieder unters Sofa getwerkt wird. Was ihr dazu hören solltet: Irgendeine Playlist mit Neujahrs-Songs. Ihr wisst schon, sowas in Richtung „What Are You Doing New Year’s Eve” von Ella Fitzgerald, „Let’s Start the New Year Right” von Bing Crosby oder auch „New Year’s Eve” vom guten alten Snoop Lion Tiger Puma Anteater Dogg. Mal ein bisschen Klasse in die Bude bringen. Ja, richtig gelesen. Geht aus. Aber erst weit nach Mitternacht, also gegen vier oder fünf und dann bitte nicht auf die Silverster-Sause in der Großraumdisco mit Autobahnabfahrt, sondern in euren Stammclub. Silvester ist vorbei, das neue Jahr liegt vor euch in all seiner jungfräulichen Pracht—Zeit, um es im dunklen Club mit alten Gewohnheiten gebührend einzusauen. Hängt ab, tanzt ab und vergesst eure Freunde, ihr habt ja heute schon genug Zeit mit Konversation verbracht. Atmet tief ein, genießt den ganzen verschwitzten, verrauchten Hexenkessel, erfreut euch an der Musik und den Rauschmitteln eurer Wahl—auf ein großartiges neues Jahr! Das ist eigentlich in jeder Lebenssituation ein geeigneter Ausweg. Ihr seid doch eh blau wie die Haubitze und im Grunde nur froh, diese Nacht irgendwie mit Anstand hinter euch gebracht zu haben. Es gab keine allzu verheerenden Dramen, niemand hat Omis gutes Porzellan zerdeppert oder vom Balkon gepinkelt und aufgrund der massiv überlasteten Telefonnetze wurden die bemitleidenswerten SMS an eure Exen zum Glück gar nicht erst gesendet. Also. Hört auf zu saufen, legt euch ins Bett, Fuß raus, damit sich das Karussel nicht ganz so schnell dreht, und Äuglein zu. Morgen ist auch noch ein Tag und eigentlich beginnt das Jahr doch viel angenehmer, wenn man nicht vollgepumpt mit Aspirin den Kater des Todes an den Toilettenrand geklammert übersteht oder im hellsten Nachmittagsgrau vollkommen verstrahlt aus dem Club stolpert. ** Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.
Annabella Kittel
[ "Features", "guide", "Music", "Neujahr", "New Years Eve", "Noisey", "Noisey Blog", "Party", "silvester" ]
2014-12-30T09:30:00+00:00
2024-07-31T02:56:44+00:00
https://www.vice.com/de/article/the-noisey-guide-to-silvesterparty-772/
Neutrinojagd in der Arktis
Carlos Pobes, ein Physiker, musste einen Haufen medizinische und psychologische Tests bestehen, um zu beweisen, dass er mit mehreren Monate totaler Dunkelheit und Isolation, extremer Kälte, Trockenheit und der Höhenlage klar kommt. Nicht nur, weil Physik ein physisch brutales und anspruchsvolles Fachgebiet ist, sondern insbesondere, weil er sicherstellen musste, dass er sich für beinahe ein Jahr in der Antarktis eignet. Dort wird er mit dem „IceCube Project“ auf der Amundsen-Scott Basis am Südpol Neutronen untersuchen. Letzten Monat ist er angekommen und wird bis zum nächsten September bleiben. Im Sommer (der dort gerade mit einer Durchschnittstemperatur von -20°C herrscht) leben etwa 250 Menschen auf der Basis. Den -70°C kalten Winter genießen dann nur noch um die 50 Menschen. Das letzte Flugzeug verlässt die Basis am 15. März und während der sechs Monate dauernden Nacht, bis Mitte September, ist sie dann von der Außenwelt abgeschottet. Carlos ist der erste Spanier, der einen Winter in der Antarktis verbringt. VICE: Bitte versuche, uns mal in einfachen Worten zu erklären, was du jetzt ein Jahr in der Antarktis machst. Carlos Pobes: Na ja, es zeigt sich, dass das Universum so freundlich ist und uns, nur um den Physikern ihre Jobs zu sichern, massenweise unsichtbare Partikel zuschickt, die offenbar völlig unbrauchbar sind. Eins dieser Partikel ist das Neutrino. Neutrinos sind fundamental für unser Verständnis davon, wie das Universum im kleineren Maßstab funktioniert und sie beinhalten grundlegende Informationen, die uns beim Lösen solcher Mysterien wie zum Beispiel der Entstehung  hochenergetischer kosmischer Strahlung oder der Beschaffenheit dunkler Materie helfen. Selbst, wenn es kaum zu glauben ist, auch Menschen produzieren Neutronen. Das Problem ist, dass Neutronen im Vergleich zu anderen Partikeln sehr hinterhältig sind. Sie können die Erde durchqueren, ohne irgendwo anzustoßen. Um sie zu schnappen, muss man ihnen eine große Falle stellen. Neutrino-Teleskope wie IceCube benötigen einen mindestens einen Kubikkilometer langen Detektor (denkt eine Sekunde darüber nach, ein Kilometer in jede Richtung: Länge, Breite und Höhe). Man kann so etwas nicht bauen, also nutzen wir den Umstand aus, dass die Eisschicht am Südpol ungefähr drei Kilometer tief ist ist. Es wurden über 5.000 Sensoren im Eis verteilt, wozu man fast 100 Löcher, jeweils 2,5 Kilometer tief, machen musste. So wird das Eis selbst zum Detektor. Im letzten Jahr wurde der letzte Sensor installiert, jetzt sammelt der Detektor mit voller Power Daten. Das Problem ist, dass natürlich vieles schief gehen kann. Manches kann über das Internet repariert werden, manches nicht und es ist elementar, dass der Detektor konstant Daten sammelt, denn einige der astrophysischen Phänomene, die für uns interessant sind, dauern nur Minuten oder Sekunden. Daher brauchen wir permanent Mitarbeiter auf der Basis. Im Prinzip besteht mein Job hier also darin, sicherzustellen, dass das Gerät ständig voll funktionsfähig ist. Wie sieht der Auswahlprozess für einen Job wie diesen aus? Seltsam. Es gab keinen Moment, in dem ich nicht glaubte, ich würde es überhaupt schaffen, also habe ich voll auf das  Bewerbungsschreiben gesetzt und nicht darüber darüber nachgedacht. Ich schätze, sie mochten das. Außerdem, weil du nicht wirklich weißt, worauf du dich da einlässt, gibst du dir alle Mühe, so dass derjenige, der dich auswählt dich schon gut genug einschätzen kann—also wenn sie dich nehmen, dann, weil sie glauben, dass du es kannst. Musstest du irgendein spezielles Training absolvieren? Eine Nacht im Kühlschrank verbringen, zum Beispiel? Ha! Das haben mir alle gesagt, bevor ich mit dem Training in den USA begonnen habe. Ich wurde ständig gefragt, ob man mich in einen Kühlschrank stecken würde. Sonderbarerweise gibt es kein spezifisches Training für die Kälte. Die einzigen spezielleren Übungen (neben dem, was nötig war, um das Experiment durchzuführen) drehten sich um Erste Hilfe und Feuerbekämpfung. Ich persönlich habe kein Konditionstraining oder so gemacht, auch wenn ich gern in den Bergen laufen gehe. Ich kann nicht aufhören, daran zu denken, dass man etwas von einem mentalen und physischen Superman haben muss, um am Südpol zu leben. Definitiv nicht. Na ja, wenn du zu Fuß dort hinkommen musst, dann ja, aber für den Rest von uns ist es schon genug, keine Angst vorm Fliegen zu haben. Die Wahrheit ist, die meisten der Leute hier laufen keine Marathons, das sind normale Menschen. Die einzige Anforderung ist, gesund zu sein. Und verrückt genug, hier sein zu wollen, aber nicht so verrückt, um es in das Overlook Hotel aus The Shining zu verwandeln. Je besser dein Sinn für Humor ist, umso besser kommst du hier zurecht. Wie sieht so ein normaler Tag auf der Station aus? Ich denke nicht, dass ich einen normalen Tag hatte, aber Stück für Stück wird es zur Routine. Das Essen wird nach einem bestimmten Zeitplan selbst gemacht, jeder tut, was für ihn funktioniert. Bisher haben wir die meiste Zeit damit verbracht, die Feinheiten des Experiments kennen zu lernen. Ich zum Beispiel bin in der Brandschutzeinheit, wir treffen uns einmal pro Woche. Nach dem Essen schauen die Leute Filme, spielen Fußball, Basketball oder Volleyball, besuchen Tanzkurse oder Üben im Musikzimmer. Wenn ich etwas Zeit finde, laufe ich auf dem Laufband oder draußen. Was die Hygiene betrifft, so dürfen wir zweimal zwei Minuten pro Woche duschen. Da ich drei Tage die Woche laufe, habe ich dafür gesorgt, diese vier Minuten auf drei Duschen zu verteilen. Aber, um realistisch zu sein, schwitzt man hier bei normaler Aktivität sehr wenig, weil die Luftfeuchtigkeit in der Station bei unter 10% liegt. Das bedeutet, dass wir alle sehr trockene Hände haben. Wir müssen ständig ein Radio bei uns tragen. Neben generellen Nachrichten, wird ein Alarm an das Funkgerät gesendet, wenn es innerhalb des Experiments irgendwelche ernsthaften Probleme gibt. Man muss darauf reagieren, egal zu welcher Uhrzeit. Im Prinzip ist das Experiment wie ein riesiges Tamagotchi. Auf deiner Facebook-Seite und deinem Blog habe ich gesehen, dass die Leute auf der Base Bingospiele organisieren, Maskenbälle und Zombie-Kurzfilme… Ich bin ziemlich davon beeindruckt, dass es Menschen gibt, die an Zombie-Masken denken, wenn sie für die Antarktis packen. Hier herrscht eine wahnsinnige Atmosphäre. Die Leute senden Pakete mit Kram und der Großteil davon ist zum Überleben nicht notwendig. Es gibt Räume für Kunst und Handwerk, also können wir das, was wir nicht haben, selbst machen. Zum Beispiel organisieren wir ein Filmfestival und die Leute machen beeindruckende Dinge. Und beim „Around the World“-Rennen an Weihnachten laufen die Leute auch in Kostümen. Das ist Wahnsinn. Wie sieht es mit Sex aus? Ich stelle es mir echt heiß vor, in der kältesten, isoliertesten menschlichen Siedlung des Planeten jemanden abzuschleppen. Da gab es mal einen Artikel darüber, das tausende Kondome an eine Basis wie eure geschickt wurden. Um ehrlich zu sein, ist mein Liebesleben noch genauso, wie es in Spanien war. Und das war nicht existent. Aber was das Abschleppen betrifft, das mache die Leute hier schon. In jedem Badezimmer gibt es ein Körbchen mit kostenlosen Kondomen, das ziemlich oft aufgefüllt werden muss. Sie sagen „Was am Südpol passiert, bleibt am Südpol.“
Juanjo Villalba
[ "Reisen", "Vice Blog" ]
2012-01-26T00:00:00+00:00
2024-07-31T06:18:14+00:00
https://www.vice.com/de/article/neutrinojagd-in-der-arktis/
Fotos von glücklichen Menschen, die aus Fahrgeschäften kommen
An wenigen Orten ist die Phrase vom “Spaß für die ganze Familie” so wahr wie auf einem Jahrmarkt. Zuckerwatte für die einen, Alkohol für die anderen und dann alle zusammen auf den Free Fall Tower. Rausch, Exzess und Adrenalin im Neonlicht. Auch bei den Neuköllner Maientagen ist das so. Wenn sie stattfinden, ist das in dieser Vergnügungsstadt wie ein kleines Berlin in Berlin. Die Maientage sind Datingplattform und zugleich Bühne für Dramen. Für kleine und für richtig schlimme wie Ende April, als hier ein Mann erstochen wurde.  Nach 55 Jahren suchen die Maientage jetzt einen neuen Standort. Sie müssen raus aus der Hasenheide, der arg ramponierte Park muss sich erholen. Die Fotografin Shirin Esione war noch einmal da, um die Essenz dieses Ortes einzufangen. Am letzten Rummeltag hat sie Menschen fotografiert, direkt nachdem sie aus wilden Fahrgeschäften kamen – und kurz nachdem ein Platzregen über das Volksfest zog. Herausgekommen sind Fotos, die das schöne Gefühl einfangen, für einen Moment noch mal Kind zu sein. “Das war bis jetzt das beste Fahrgeschäft. Das hat Spaß gemacht!” “Ich fühle mich super, man lebt nur einmal, scheiß auf alles! Versuche einfach, das Beste daraus zu machen und mach’, worauf du Bock hast.” Sadia: “Das war ein nicht endender Freudensprung!”Sara: “Ich fand’s auch richtig, richtig gut, vor allem auch sehr emotional, weil es ja das letzte Mal war.” “Mein ganzer Körper hat sich taub angefühlt und meine Beine zittern. Ich wusste gleich, dass ich das nicht noch mal machen könnte.” “Mir macht das gerade mega Spaß, ich wohne schon voll lang in Berlin und wusste gar nicht, dass es diesen Rummel gibt. Deswegen bin ich glücklich, noch einmal hinzugehen, bevor es vorbei ist.” Moana: “Ich fühle mich besser denn je, because I did this motherfucking thing! Ich dachte, ich sterbe. Ich war mir ganz sicher. Aber als ich unten angekommen bin, war ich noch am Leben.”Alex: “Ich fühle mich grandios! Ich habe gedacht, ich bin kurz davor mich einzukacken, aber am Ende war alles OK.” Georg kam zwar nicht gerade aus einem Fahrgeschäft, als ihn Shirin Esione fotografiert hat, aber als echten Maientage-OG wollten wir ihn trotzdem unbedingt dabei haben. “Ich finde es schade, dass es aufhört nach so vielen Jahren. Ich kenne den Rummel seit 35 Jahren und war mindestens 30-mal hier.” Folge Shirin Esione auf Instagram und VICE auf TikTok, Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.
[ "Foto", "Fotos", "Jahrmarkt", "kirmes", "spaß", "Volksfest" ]
Menschen
2022-05-25T14:23:15+00:00
2024-08-12T11:51:28+00:00
https://www.vice.com/de/article/fotos-von-gluecklichen-menschen-die-aus-fahrgeschaeften-kommen-maientage-neukoelln/
Oliver Huntemann: Wie du als DJ jung bleibst
Bisher habe ich mir eigentlich nicht viele Gedanken über mein Alter gemacht. „Läuft bei dir!” würde ich wohl selber zu mir sagen—wenn ich jünger wäre. Und nun kommt THUMP und möchte eine Story „Wie du es vermeidest, alt zu werden”. Fickt euch, ich habe den Wink mit dem Zaunpfahl, ach quatsch, mit dem ganzen Lattenzaun, schon verstanden. Nur weil ich mit meinen frischen siebenundvierzig Jahren in englischen Magazinen schon mal „Veteran DJ” genannt werde, heißt das lange nicht, dass ich zum alten Eisen gehöre und auf dem Schlachtfeld elektronischer Musik nicht noch an vorderster Front zu kämpfen weiß. Ok, etwas seltsam war es schon, als mein Sohn mir vor mehr als drei Jahren eröffnete, dass er nun als DJ im Metro in Oldenburg anfängt. Dem Club, in dem ich anno 1990 auch schon meine ersten Übergänge versemmelt habe. Ich will mal ehrlich sein: Vom Prinzip kann ich mir immer noch vorstellen, auf dem Schulhof mit meinen Kumpels Mathias und Selcuk Maxi-Singles von Afrika Bambataa, Shannon oder Egyptian Lover zu tauschen, ohne dass wir auffallen. Wie gesagt, vom Prinzip und von der inneren Stimme her, aber da hört es dann auch auf. Mit Vinlys auf dem Schulgelände wird man heutzutage wohl eher mit einem „Du Opfer, die Teile feiert mein Opa auch noch…” in die Wüste geschickt. Uncooler geht es wahrscheinlich nicht und zwar zu Recht. Jung sein ist keine Altersfrage, sondern fängt mit kontinuierlicher Neugier an. Vinyl war cool und gerade als DJ sollte man sich mit dem Handling auskennen, aber wichtiger ist es doch, stetig Dinge zu lernen und technischen Inventionen mit Offenheit und Interesse zu begegnen. Bemitleidenswert diese alten Kollegen, die Vinyl für den heiligen Gral guter DJ-Sets halten und sich über Laptop, Sync und USB auslassen, als sei es die Pest, ohne auch nur jemals einen Blick auf die Vor- und Nachteile eines modernen Profi CD-Players oder Laptop-Controllers geworfen zu haben. Im Übrigen muss ich hier kurz erwähnen, dass es doch primär um die Selektion und Dramaturgie der Musik gehen sollte. Dem Arbeitsmaterial wird gerne zuviel Aufmerksamkeit gewidmet. Vinyl garantiert kein gutes Set und Ableton Live kein schlechtes—umgekehrt natürlich genau so. Man mag sich wundern, aber auch bei Maschinenmusik wie Techno und House geht es um den Transport von Emotionen. Für mich persönlich ist das ein Schlüssel zum Jungbleiben. Solange mich jede Woche frische Tracks und Songs emotional erreichen, fühle ich mich lebendig und am Puls der Zeit. Auch Reisen sind nicht zu unterschätzen, um die Mission Forever Young für Körper, Seele und Geist voranzutreiben. Wer sich dabei aber ständig für ein Deutsch geführtes Hotel auf Mallorca entscheidet und die Tage am Pool verbringt, muss sich nicht wundern, wenn er früh alt aussieht. Nichts gegen einen Relax-Urlaub, aber das Entdecken anderer Kulturen, Traditionen und exotischer Speisen öffnet das Bewusstsein. Sich dem Unbekannten zu widmen, fordert volle Aufmerksamkeit und macht den Kopf frei. Im Allgemeinen wird auch Sport immer wieder empfohlen, um den Körper auf Zack zu halten, aber man muss ja auch nicht jeden Trend mitmachen. Stattdessen kann ich empfehlen, zwischendurch auch mal kräftig durch den Tisch zu treten. Das Recht auf Rausch sollte man sich ab und zu herausnehmen, aber nicht zur Gewohnheit werden lassen. Ich denke, das wäre eher kontraproduktiv. Einige meiner gleichaltrigen Freunde aus Jugendtagen haben ihre Unbeschwertheit verloren und scheinen desillusioniert. Trotz oder wegen Festanstellung/Beamtenstatus, Reihenhaus, Familie und dicker Karre vor der Tür wird sich nur über den Chef, die Frau und zu wenig Knete beklagt. Manchmal denke ich, ich bin am Set von Stromberg gelandet und meine alten Kumpels spielen die Hauptrolle. Hoffentlich taucht nicht einer demnächst bei Frauentausch auf. Das Tragische daran ist, dass das tatsächlich Erreichte zu wenig gewertschätzt wird. Seine eigenen Erfolge erkennen und sich darüber zu freuen, würde jedem ohne teures Serum die Sorgenfalten aus dem Gesicht treiben. Es lohnt sich, etwas Naivität zu wahren und nicht jedes Problemchen zu ernst zu nehmen. Wir DJs kommen nicht drum herum uns mit jungen Menschen und deren Vorlieben auseinanderzusetzen. Eine super Möglichkeit sich immer wieder selbst zu verjüngen. Sei es mental, modisch oder künstlerisch. Bei mir im Büro arbeiten mittlerweile drei Raver-Generationen zusammen und diese Mischung bietet die beste Voraussetzung, am Puls der Zeit zu sein und trotzdem aus einem großen Pool an Erfahrung zu schöpfen. Sich mit Jüngeren zu umgeben, hält automatisch jung. Wenn ich jetzt für diesen Text meine alten Fotos durchgehe, kann ich wenig Gründe erkennen, nochmal zurück zu wollen. Fremdschämen wäre das richtige Wort, wenn es sich nicht tatsächlich auf diesen Bildern um mich selbst handeln würde. Vom 80er Mittelscheitel über die runde rote Brille bis hin zur Matrosenuniform mit Schnurrbart Flaum war alles dabei. Dann doch lieber in Würde altern, als peinlich jung zu sein. Aber mit diesen Tipps hier wird dir das sowieso nicht passieren.
Oliver Huntemann
[ "dj", "oliver huntemann", "Thump" ]
2015-08-20T13:25:00+00:00
2024-07-31T02:21:36+00:00
https://www.vice.com/de/article/oliver-huntemann-wie-du-als-dj-jung-bleibst/
Ein Transmann erzählt von seiner Schwangerschaft
Trystan Reese ist schon eine Weile Vater, aber schwanger zu sein ist für ihn trotzdem neu. Er ist 34 und lebt mit seinem Partner Biff in Portland im US-Staat Oregon – und er ist im achten Monat schwanger. Das Paar hat schon zwei Adoptivkinder, nämlich Biffs Neffen und Nichte, die ein neues Zuhause brauchten. Die Entscheidung dazu fällten sie nach nur einem Jahr Beziehung. Das erste Jahr war hart, doch Reese sagt, er und Biff fänden das Elterndasein inzwischen toll. Vor ein paar Monaten verkündeten sie, dass ihnen ein leibliches Kind ins Haus steht. Reese kam weiblich zur Welt und trägt das Kind selbst aus. Er betont, er sei bei Weitem nicht der erste schwangere Transmann. Seine Geschichte hat einfach international mehr Schlagzeilen bekommen als andere. Wir haben Reese gefragt, wie die Schwangerschaft läuft und wie er mit der vielen Aufmerksamkeit zurechtkommt. VICE: Warum habt ihr euch entschieden, ein leibliches Kind zu bekommen? Trystan Reese: Unsere Kinder sind wundervoll und wir lieben es, Eltern zu sein. Eine Adoption hatten wir ja schon hinter uns, also wussten wir, wie schwierig das finanziell und emotional ist. Wir wollten wissen, wie es ist, alles selbst zu entscheiden. Ich bin transgender, er ist es nicht, also haben wir alle nötigen Körperteile, um unsere eigene Familie zu machen. Wir kennen viele Transmänner, die Kinder zur Welt gebracht haben. Wir haben hier in Portland mit einem Ärzteteam geklärt, dass das medizinisch ohne Komplikationen möglich ist. Es ist ein bisschen, wie wenn man die Pille absetzt. Bei mir haben alle Systeme sich wieder eingeschaltet. Das war gewöhnungsbedürftig, aber bei der Schwangerschaft läuft auch bisher alles super. Wie lange hattest du da schon Hormone genommen? Sehr lange. Dreizehn Jahre. Auch VICE: Hinter den Kulissen des Schönheitswettbewerbs für indigene Transfrauen in Kolumbien Und wie war es, die Hormone abzusetzen? Ich hörte mit dem Testosteron auf und sie machten Ultraschallbilder, um zu schauen, ob alles gesund aussieht und funktioniert. Ich hatte es schon so lange genommen, dass die meisten kosmetischen Auswirkungen jetzt auch nicht mehr verschwinden. Meine Stimme bleibt tief, mein Bart fällt nicht aus. Ich sehe noch total männlich aus, abgesehen davon, dass ich im achten Monat schwanger bin. Für mich war es hauptsächlich eine Umstellung, wieder einen Zyklus zu haben, nachdem der über ein Jahrzehnt lang weg war. Wie vereinbarst du die Schwangerschaft mit deiner Identität als Mann? Ist das ein Problem? Es ist kompliziert. Viele Transmänner, die ich kenne, haben Babys zur Welt gebracht. Und sie sind großartige und liebe Menschen, die ich als Vorbilder sehe. In gewisser Weise habe ich für mich den Vorgang der Geburt vom Frausein getrennt. Ich weiß natürlich, dass in der Regel Frauen die Babys kriegen. Ich bin aber schon transgender und mache damit etwas außerhalb der Norm. Also fühlt es sich für mich auch nicht so in Stein gemeißelt an, dass Männer keine Babys kriegen sollen. Hast du für die Einstellung schon mal Kritik geerntet? Ich kann mir vorstellen, dass viele Frauen es nicht so gut finden, wenn du sagst, dass Kinder zur Welt bringen und Frausein getrennt ist. Von Frauen habe ich tatsächlich bisher kaum negative Reaktionen gesehen. Ich denke, die meisten Frauen wissen, dass es gut wäre, wenn Männer daran arbeiten, wie sie mit Babys und Kindern umgehen. Und wenn mehr Männer Zugang zum Geburtsvorgang kriegen, dann würden sich auch mehr Männer an der Familie beteiligen. Ich versuche auch, respektvoll zu sein. Wenn ich zum Beispiel zum Schwangerschaftsyoga will, frage ich vorher die Kursleiterin. Manchmal wollen Frauen auch einfach unter Frauen sein. Aber bisher hat mich noch nie jemand abgewiesen. Es sind hauptsächlich eher Männer, die ein Problem mit mir haben. Was ist ihr Problem, meinst du? Ich glaube, die meisten könnten so halbwegs Transgender-Personen akzeptieren, solange wir niemals erwähnen oder eingestehen, dass wir ein bisschen anders sind. Wenn ich aber sage: “Ja, ich bin ein Mann” und “Ja, ich werde ein Baby kriegen”, dann hat das etwas an sich, womit die Leute nur schwer umgehen können. Ich will nicht wie ein biologischer Mann sein. Ich bin in einer einzigartigen Situation, die ich für wertvoll halte und nicht aufgeben will. Und ich dachte wirklich, dass wir es kulturell schon so weit gebracht haben, dass wir die Vorstellung von “Transgender” erweitern können. Es heißt immer, wir würden unsere Körper hassen und verändern wollen. Die Erfahrung haben viele Transgender-Leute, aber nicht ich. Manche akzeptieren einfach ihren einzigartigen Weg und gehen ihn. Wie gehst du mit Online-Belästigung um? Mein Partner hat mir früh gesagt, dass es für uns gefährlich werden könnte, wenn wir unsere Geschichte erzählen. Ich habe ihm nicht geglaubt, bis sich alles zugespitzt hat. Das Unheimlichste finde ich, wenn Leute uns schreiben, wie ekelhaft und widerlich wir sind, oder wenn Leute sagen, sie hoffen, unser Baby wird totgeboren, weil das immer noch besser wäre, als unser Kind zu sein. Und dazu kommt natürlich das Übliche: “Das ist kein Mann, das ist eine bärtige Frau, das ist ein Zirkusfreak.” Und dann hat auch noch eine Neonazi-Gruppe unsere Geschichte besprochen, was wirklich unheimlich war. Wir haben unsere Schlösser erneuert und wir passen wirklich gut auf, wenn wir unsere Kinder abholen oder ausgehen. Wie reagiert die Trans-Community? Ich habe erwartet, dass aus der LGBT-Community viel Kritik kommt. Ich dachte, andere Transmänner finden vielleicht, dass ich es ihnen damit erschwere, als Männer akzeptiert zu werden. Stattdessen ist es das totale Gegenteil. So viele LGBT-Leute haben mir schon dafür gedankt, dass ich diese Diskussion anführe und die Definition von “Mann” erweitere. Wie empfindest du die aktuelle Lage in den USA? Für Transgender lief es einige Jahre lang sehr gut. Wir konnten Gesetze durchbringen, die uns nicht nur vor Angriffen und Diskriminierung schützten, sondern auch so grundlegende Dinge wie die freie Wahl zwischen Jungen- und Mädchentoilette an Schulen. Aber jetzt schwingt das Pendel in den USA nach rechts und wir sind mehr im Verteidigungsmodus. Wir versuchen, den Leuten klarzumachen, dass wir noch genau die Menschen sind, die wir vor einem Jahr waren – nur das politische Klima hat sich etwas geändert. Es gibt auch inzwischen mehr aus Hass motivierte Verbrechen. Wie reagieren eure Kinder auf deine Schwangerschaft? Ziemlich normal. Manchmal sind sie aufgeregt, weil sie einen kleinen Bruder kriegen, und manchmal sind sie neidisch, weil alle wegen des Babys so aufgeregt sind. Ich glaube, sie haben Angst, dass sie ihre Spielsachen mit ihm teilen müssen. Sie sind sechs und neun, das ist also das, wozu sie aktuell fähig sind. 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Manisha Krishnan
[ "familie", "gesellschaft", "Kinder", "LGTBQ", "Partnerschaft", "schwangerschaft", "Sexualität", "Transmann", "Transsexualität" ]
2017-06-29T10:51:02+00:00
2024-07-30T20:19:10+00:00
https://www.vice.com/de/article/wir-haben-uns-mit-einem-schwangeren-transmann-unterhalten/
Was die Bundeswehr euch in der coolen YouTube-Serie über das KSK verschweigt
Das Video beginnt mit einer Art Kriegsschrei und dem Schattenwurf eines Helikopters über dem Dschungel. Dann stampft ein aggressiver Bass los, in dessem Takt martialische Bilder aufflackern: maskierte Kommandosoldaten, die durch einen Sumpf stapfen; ein Arm, der eine Granate wirft; türkises Gas, das den Dschungel einhüllt; ein Kämpfer, der mit seinem in Zeitlupe repetierenden Sturmgewehr eine Kugel nach der anderen abfeuert. In einem Satz: Es sieht ziemlich geil aus. Und das soll es auch. Denn dieses Feuerwerk ist der Auftakt zur neuesten YouTube-Serie der Bundeswehr, die sich ausschließlich dem Kommando Spezialkräfte (KSK) widmet, der Elite-Einheit der deutschen Armee. Seit sie Anfang November gestartet ist, wird die Serie aber auch genau deshalb kritisiert: Sie glorifiziere den Dienst, sie lasse den harten Soldaten-Alltag zu sehr wie einen Ego-Shooter aussehen. “Ich habe die YouTube-Serien schon öfter kritisiert”, sagt auch Agnieszka Brugger zu VICE. “Mich hat immer gestört, dass die wirklich kritischen Aspekte – und damit auch ein realistisches Bild – viel zu kurz kommen.” Brugger weiß ziemlich genau, wovon sie spricht, denn sie kennt die Arbeit des KSK besser als die meisten Menschen in Deutschland. Weil sie vier Jahre lang als Obfrau für die Grünen im Verteidigungsausschuss saß, war sie eine der wenigen Abgeordneten, die über die streng geheimen Einsätze der Spezialeinheit informiert wurde. Brugger weiß also, wie die Realität der Elitesoldaten aussieht. Das Problem: Sie darf uns fast nichts davon erzählen. Von außen ist es überhaupt ziemlich schwierig, einen Einblick in die Arbeit von KSK-Soldaten zu bekommen. Wir haben es trotzdem versucht. Hier ist das Ergebnis: alles, was die Bundeswehr dir über den Dienst im KSK verschweigt. Gut, das ist vielleicht keine Riesen-Überraschung, aber du solltest trotzdem mal in Ruhe darüber nachdenken, was das heißt: Du hast dich angestrengt wie ein Wahnsinniger, bist völlig über dich und 99 Prozent all deiner Mitmenschen hinausgewachsen und hast es am Ende geschafft, in eine der besten Elite-Einheiten der Welt aufgenommen zu werden – und dann darfst du es keinem erzählen? Was ist denn das für ein Scheiß-Deal? Auch auf VICE: Riding for Jesus Und das geht dann immer so weiter. Egal, was du erlebst, egal, wie gefährlich es war, egal, wie stolz du auf alles bist, was du erreicht hast: Du wirst nie damit angeben dürfen. Außer vielleicht vor deiner Freundin oder deinem Freund, aber die werden es irgendwann nicht mehr hören können. Die einzigen, mit denen du deine Erfahrungen wirklich teilen kannst, sind also deine Kameraden. Und das bringt uns gleich zum nächsten Punkt: Awkward! Ja, das kommt in der YouTube-Serie so natürlich nicht vor. Leider ist aber wahr, dass das KSK gerade ein massives Image-Problem hat. Das liegt vor allem an: – Der Abschiedsparty. Im April 2017 versammelten sich über 70 KSK-Mitglieder auf einem Schießstand, um den Abschied des Oberstleutnants Pascal D. zu feiern. Die Party ist offenbar ein bisschen aus dem Ruder gelaufen: Eine dazugeholte Escort-Dame erzählte später, die Soldaten hätten Schweineköpfe-Weitwerfen gemacht, laut Rechtsrock gehört und vor allem Pascal D. habe mehrmals den Hitlergruß gezeigt. Was wirklich passiert ist, wird immer noch heiß diskutiert, aber Mitte November hat ein Gericht wegen der Hitlergrüße einen Strafbefehl gegen D. erlassen und ihn zu einer vierstelligen Summe verdonnert. – Dem Prepper-Netzwerk. Um es ganz kurz zu machen: Es existiert möglicherweise ein Netzwerk von Rechtsextremen, Doomsday-Preppern und andere Verschwörungstheoretikern, die sich zusammen in diversen Chatgroups über ihre Vorbereitungen auf den “Tag X” austauschten. Die Mitglieder der “Schattenarmee”, wie die taz sie nennt, sprachen auch davon, an dem Tag linke Politiker zu verhaften, zu internieren und systematisch zu ermorden. Unter den Teilnehmern sollen nicht nur normale Soldaten, Polizisten und Verfassungsschützer gewesen sein, sondern auch einige KSK-Angehörige. Zumindest von einem, Andre S., weiß man sicher, dass er aus der KSK-Kaserne im baden-württembergischen Calw heraus mehrere dieser Chatgruppen geleitet hat. War Andre S. der einzige oder gibt es noch mehr aus dem Kommando, die Bock haben, ihre “besonderen Fähigkeiten” auch mal gegen den Staat einzusetzen? “Derzeit haben wir keine Erkenntnisse über die Existenz eines Netzwerks gewaltbereiter Extremisten in der Bundeswehr”, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums auf Nachfrage. Weil das ungefähr zu der Zeit bekannt wurde, als die neue YouTube-Serie “Kämpfe nie für dich allein” herauskam, nennt die Grüne Brugger es “maximal unsensibel, gerade jetzt so eine Serie an den Start bringen”. Als Kommandosoldat erhältst du zusätzlich zum ganz normalen Sold nochmal um die 900 Euro Gefahrenzuschlag monatlich. Zusammen mit dem normalen Lohn, den du zum Beispiel als Feldwebel verdienen würdest, kommst du auf geschätzt 3.300 Euro brutto. Klingt vielleicht erstmal nicht schlecht – bis dir klar wird, dass du dafür, dass du zu den besten Soldaten der Welt gehörst und permanent dein Leben riskierst, ungefähr genauso viel verdienst wie ein durchschnittlicher Social Media Manager bei Zalando – und der wird nicht mal erschossen, wenn er Scheiße baut. OK, das wissen wir eigentlich nicht. Weiß man bei den Start-ups ja nie so richtig. Das ist eigentlich ein ganz normales Feature des Soldatenlebens, aber beim KSK ist das, wie alles andere, noch viel intensiver. Beispiele: Auf ihre erste Mission in Afghanistan 2002 wurden die KSK-Soldaten geschickt, weil man den Amis nach den Anschlägen auf das World Trade Center zeigen wollte, dass man auch was tut. Weil aber niemand eine Ahnung hatte, was genau die Jungs dort tun sollten, saßen sie offenbar die meiste Zeit vor Ami-Kasernen Wache und betranken sich. Ein paar Jahre später, nachdem Afghanistan völlig außer Kontrolle geraten war, hatten die Männer des KSK plötzlich alle Hände voll damit zu tun, Taliban “gezielt zu jagen und auszuschalten”, wie ein Brigadegeneral das damals ausdrückte. Dabei wurde der Verband offenbar so an die Belastungsgrenze gebracht, dass in den Jahren 2014 und 2015 gleich zwei verschiedene KSKler an die Presse gingen und sich beklagten, sie würden “verheizt” oder “verschlissen“. Im Mai 2013 verkündete die deutsche Regierung zum ersten Mal, dass ein KSK-Soldat im Kampf in Afghanistan getötet worden sei. Die ISAF-Mission endete 2014, und seitdem ist relativ unklar, wie oft das Kommando noch zum Einsatz kommt. Offiziell ist nichts herauszubekommen, im Verteidigungsministerium wollen sie nicht mal sagen, ob es jetzt mehr oder weniger Einsätze sind als noch vor fünf Jahren. Von Leuten, die sich damit auskennen, hört man aber eher, dass einige KSK-Soldaten sich aktuell wundern, “wozu sie eigentlich noch da sind”. Aber man weiß ja nie – vielleicht hast du Glück und gerätst genau in die Phase, die du dir wünschst! Ist so: Bis heute hat es noch keine einzige Frau in eine Kommando-Kompanie geschafft. Nicht, weil sie es nicht dürften, sondern weil einfach noch keine das berüchtigte “Eignungsfeststellungsverfahren” bestanden hat. Aber hey – vielleicht bist du ja die Erste, die es schafft, Vasquez! Reiten wir zu viel auf dem Geld herum? Na gut, wir sind halt Journalisten, wir denken permanent ans Geld, weil wir keins haben! Und du wirst dann eben auch nicht wirklich viel haben, wenn du mit Ende 30 einfach zu ausgelaugt bist, um weiter aus Helikoptern auf Ziegen zu springen – dafür aber höchstwahrscheinlich eine Menge kaputter Gelenke. Das berichtet zumindest der anonyme Veteran in seinem Interview mit der FAZ, in dem man erfährt, dass “so gut wie jeder” Kommandosoldat irgendwann Probleme mit den Gelenken bekomme. Aber immerhin hat er auch einen Tipp parat: “Wir haben gelernt, Schmerzen auszuhalten.” Kann sich ja nur noch um Jahrzehnte handeln. Bist du wahnsinnig? Erstens: Jeder weiß, dass die Panzergrenadiere der absolute Albtraum sind (“Es ist kein Mensch, es ist kein Tier …”). Und zweitens: Irgendjemand muss es doch machen – warum nicht du? Jetzt mal ernsthaft: Wenn keine normalen Leute mehr in solche Einheiten gehen wollen, dann muss man sich vielleicht auch nicht wundern, wenn die langsam von bekloppten Preppern mit Claudia-Roth-Dartscheiben unterwandert werden. Wenn du 1) nicht aus Prinzip gegen die Armee und 2) brutal sportlich und hart bist, dann ist das vielleicht kein schlechter Weg für dich. Denn unsere Demokratie, die wird ja nicht nur am Hindukusch verteidigt. Sondern vielleicht auch in Calw. Los geht’s! Liegestütze! Folge Matern auf Twitter und VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Matern Boeselager
[ "Afghanistan", "bundeswehr", "Franco A.", "ksk", "Prepper" ]
2018-11-23T14:48:57+00:00
2024-07-30T19:02:12+00:00
https://www.vice.com/de/article/nep7jk/ksk-was-die-bundeswehr-euch-in-der-coolen-youtube-serie-verschweigt
Seht hier die faszinierende Kombination von Projection Mapping und Robotern
Mit seinem Film Box hat das Produktionsstudio Bot & Dolly ein bisher beispielloses Projection-Mapping-Projekt auf die Beine gestellt. Denn die Projektionen laufen auf Objekten, die von Robotern bewegt werden. Ein Darsteller spielt mit einer sich ständig bewegenden Kulisse, ein flaches Brett verwandelt sich in einen Würfel und eine grafische Welt voll sich biegender und krümmender Formen beamt sich durch den Raum. Für Box wurden die hochmodernen Kamerasysteme Iris und Scout verwendet, die den Roboterarmen milimetergenaue Präzision ermöglichen. Das Team von Bot & Dolly hat dabei zum ersten Mal Roboter benutzt, die normalerweise beim Fahrzeugbau eingesetzt werden. Sie entwickelten eine Software, um über das 3D-System Maya eine Schnittstelle zwischen den Robotern herzustellen. In Box vereinen sich verschiedene Technologien, wie sechsachsige Industrieroboter, Projection Mapping und Softwareentwicklung. Virtuelle und physikalische Welt vereinen sich so auf beeindruckende Weise. 
The Creators Project
[ "Creators", "Film", "Installation", "Projection Mapping", "Roboter", "Technologie", "video" ]
Popkultur
2014-07-01T17:04:00+00:00
2024-07-31T04:25:52+00:00
https://www.vice.com/de/article/seht-hier-die-faszinierende-kombination-von-projection-mapping-und-robotern/
MUNCHIES Guide to Norway – Teil 1
In Oslo holen wir unseren Host Halaigh Whelan-McManu im Maaemo ab. Er arbeitet in dem Drei-Sterne-Laden als Sous-Chef. Nach einem kleinen Gespräch mit dem Chef des Restaurants über die Natur Norwegens und das kulinarische Potenzial des Landes kommt die Sprache darauf, wie das Land eigentlich isst (es ist Tiefkühlpizza). Halaigh macht sich aus Oslo dann auf an die Westküste, um nach Jakobsmuscheln zu tauchen. Auf dem Boot probiert unser Host sie zunächst roh und lebendig, am Ende laden die Fischer ihn ein, mit ihnen zu Hause ein Jakobsmuschel-Gratin zu essen, Jakobsmuscheln in Speck und eine Menge kaltes Bier zu trinken. In Stavanger, an der Südküste, geben wir diese Muscheln an einen Sushi-Meister. In dem Restaurant Sabi Omakase gibt Chefkoch Roger Asakil Joya Halaigh eine Lektion darin, Fisch zu schneiden, bevor er ihn das Sushi probieren lässt. Das kommt natürlich mit norwegischem Einschlag, inklusive geräuchertem Rentier-Herz.
Munchies Staff
[ "Food", "Jakobsmuscheln", "Maaemo", "Michelin-Sterne", "Munchies", "munchies guide to", "Norwegen", "Oslo" ]
2017-10-02T10:10:59+00:00
2024-07-30T20:50:25+00:00
https://www.vice.com/de/article/munchies-guide-to-norway-teil-1/
Panama Papers: Messi und ein ranghohes FIFA-Mitglied sollen Gelder verheimlicht haben
Seit gestern Abend bestimmen die „Panama Papers” die internationale Berichterstattung. Neben Politikern, Diktatoren, Waffenhändlern und Superreichen scheint auch die Sportwelt in das obskure Netzwerk aus Verdunklungs- und Verschleierungspraktiken über Briefkastenfirmen in Panama verwickelt zu sein. Unter den Beschuldigten ist—welch’ Überraschung—auch ein hochrangiger FIFA-Funktionär, der zu allem Überfluss Mitglied der Ethikkommission ist. Und dann wäre da noch der Name eines absoluten Superstars, der in Spanien eh schon mit Vorwürfen der Steuerhinterziehung zu kämpfen hat: Lionel Messi. Bei dem betroffenen FIFA-Funktionär soll es sich um den Uruguayer Juan Pedro Damiani handeln, der neben seiner Tätigkeit in der Ethikkommission als Anwalt arbeitet. Ihm kann Medienberichten zufolge eine Verbindung zu dem früheren FIFA-Vizepräsidenten und im Korruptionsskandal geständigen Eugenio Figueredo nachgewiesen werden. Laut BBC-Angaben soll Damianis Anwaltskanzlei mindestens sieben von Figueredos dubiosen Offshore-Firmen in Rechtsfragen beraten haben. Außerdem soll aus den „Panama Papers” hervorgehen, dass Damiani Geschäftsbeziehungen zu den ebenfalls im FIFA-Skandal verstrickten argentinischen TV-Rechtehändlern Hugo und Mariano Jinkis gepflegt hat. Auch wenn die „Panama Papers noch nicht beweisen, dass Damiani durch seine Zusammenarbeit mit Figueredo gegen das Gesetz verstoßen hat, deuten die Enthüllungen doch zumindest auf mangelnde Transparenz und einen Interessenkonflikt hin. Ein Sprecher der Ethikkommission bestätigte gegenüber der dpa, „dass wir eine sogenannte Voruntersuchung in die Wege geleitet haben”. Und dann wäre da noch Messi—der Zauberflo, der langsam, aber sicher Riesenprobleme mit der Justiz bekommen könnte. In Spanien ist er schon vor einigen Jahren ins Visier der Steuerfahnder geraten, weil er die Rechte an seinen Bildern zum Schein an verschiedene Briefkastenfirmen übertragen haben soll, um so den spanischen Fiskus ins Leere laufen zu lassen. In den aktuellen „Panama Papers” geht es jetzt um die Firma Mega Star Enterprises, in deren Verträgen sein Name samt Unterschrift auftauchen. Gut möglich, dass Messi auch in diesem Fall den Messi macht (oder den Beckenbauer) und wie in seinem Steuerhinterziehungsprozess einfach erklärt: „Ich schaue nicht, was ich unterschreibe. Wenn mein Vater es sagt, unterschreibe ich mit geschlossenen Augen.” Man könnte auch sagen: Messi for FIFA President 2036!
Liam Daniel Pierce
[ "eugenio figueredo", "fifa", "Fußball", "fußball highlights", "geldwäsche", "Highlights", "juan pedro damiani​", "Korruption", "Messi", "Skandal", "Sports", "Steuerhinterziehung", "Steueroase", "Verschleierung", "VICE Sports" ]
Sports
2016-04-04T11:03:12+00:00
2024-07-30T23:31:23+00:00
https://www.vice.com/de/article/panama-papers-messi-und-ein-ranghohes-fifa-mitglied-sollen-gelder-verheimlicht-haben-271/
Der Mörder Charles Manson stirbt und wird auf Twitter natürlich mit Marilyn Manson verwechselt
Vorgestern ist der siebenfache Mörder Charles Manson im Alter von 83 Jahren in Kalifornien gestorben. Seit 1971 war der Mann aus Cincinnati / Ohio durchgängig im Gefängnis, nachdem sein ursprüngliches Todesstrafen-Urteil zu lebenslanger Haft umgewandelt wurde. Mansons Tod zeigte im Netz mal wieder, wie nah dort Troll-Kultur und echte Trauerbekundungen bei Todesfällen liegen. Ja, es gab tatsächlich Trauerbekundungen von Anhängern oder Fans des 83-jährigen Killers – zu deren Motiven und geistiger Verfassung man sicherlich Nachfragen stellen könnte. Zum Beispiel beim Posting des System of a Down-Gitarristen Daron Malakian. Neben den ernst gemeinten “RIP Charles Manson”-Posts, schienen eine ganze Menge Menschen allerdings den genauen Unterschied zwischen ihm und dem teilweise nach ihm (und Marilyn Monroe) benannten Sänger MARILYN MANSON nicht zu kennen. Lest den ganzen Artikel bei Noisey.
Noisey Staff
[ "Charles Manson", "marilyn manson", "Noisey", "RIP" ]
2017-11-21T16:22:45+00:00
2024-07-30T21:04:04+00:00
https://www.vice.com/de/article/der-morder-charles-manson-stirbt-und-wird-auf-twitter-naturlich-mit-marilyn-manson-verwechselt-2/
Diese Schleimpilze können rechnen
Stell dir vor, du planst eine Dienstreise. Du möchtest verschiedene Städte besuchen und die Reiseroute so legen, dass die Strecke möglichst kurz ist, kein Ort zweimal besucht wird und du am Ende wieder in deinem Büro ankommst. Mathematiker nennen diese Aufgabe das “Problem des Handlungsreisenden”. Sie gilt als Benchmark-Test für Optimierungsalgorithmen und eignet sich sogar zur Entschlüsselung von DNA. Ein Forschungsteam aus Japan hat nun herausgefunden: Physarum polycephalum kann das Problem lösen – ein Schleimpilz. Schleimpilze sind Einzeller. Sie leben in Wäldern und wuchern am liebsten auf Totholz. Und offenbar sind sie schlauer als man denkt. Zumindest haben Forschende der Keiō-Universität in Tokio bewiesen, dass sie mit etwas technischer Hilfe rechnen können. Dabei verfügen sich nicht einmal über ein zentrales Nervensystem. Aber für das Problem des Handlungsreisenden finden sie eine annähernd perfekte Lösung. Die Berechnung wird mit jeder zusätzlichen Stadt komplizierter. Bei vier Städten gibt es nur drei mögliche Lösungen, bei sechs Städten schon 360, und bei zehn Städten sogar 181.440. Seit Beginn der 90er-Jahre nähern sich Computerwissenschaftler der optimalen Lösung für Millionen von Städten an. Die Schleimpilze finden die perfekte Reiseroute nur für bis zu acht Städte. Erstaunlich daran ist aber, dass die Zeit, die der Schleimpilz braucht, um das Problem zu lösen, linear ansteigt – obwohl die Anzahl der möglichen Lösungen exponentiell wächst. Der Schleimpilz braucht also etwas über 20 Minuten, um die optimale Route zwischen vier Städten zu finden. Für acht Städte braucht er in etwa 50 Minuten – eine starke Leistung, wenn man bedenkt, dass die Zahl der möglichen Routen mal eben von drei auf 2.520 gestiegen ist. Wie die Pilze rechnen, beschreiben die Forschenden in einem Paper im Magazin Royal Society Open Science, das am 19. Dezember 2018 erschienen ist. Der Schleimpilz Physarum polycephalum ist aus zwei Gründen besonders gut für die Versuche geeignet: Er verformt sich, um an Nahrung zu gelangen, und er hasst Licht. Um diese natürlichen Eigenschaften für ihr Computer-Experiment zu nutzen, platzieren die Forschenden den Schleimpilz auf einen speziellen Chip mit 64 Kanälen, in die er seinen Körper ausdehnen kann. Anschließend wird der Chip auf ein nährstoffreiches Plättchen gesetzt. Der Schleimpilz streckt sich nun nach allen Seiten aus, um möglichst viel Nahrung aufzunehmen. Wenn man die Kanäle beleuchtet, zieht der lichtscheue Schleimpilz sich wieder zurück. Um das Problem des Handlungsreisenden zu imitieren, wurde jedem Kanal ein Buchstabe für eine Stadt zwischen A und H, und eine Nummer zwischen eins und acht zugeteilt, die für die Reihenfolge der besuchten Städte steht. Wenn der Schleimpilz sich also beispielsweise in die Kanäle A3, B2, C4 und D1 ausstreckt, würde die Antwort zum Problem des Handlungsreisenden D, B, A, C, D heißen. Ganz allein schafft der Schleimpilz das allerdings nicht: Damit er denken kann, setzten die Forschenden ein neuronales Netzwerk ein, das die Position des Schleimpilzes und die Entfernung zwischen den Städten nutzt, um bestimmte Kanäle zu erleuchten. Das Netzwerk ist so programmiert, dass Städte mit einer größeren Entfernung zueinander mit höherer Wahrscheinlichkeit beleuchtet werden als andere Kanäle. Indem der Algorithmus die Plattform, auf der der Schleimpilz sitzt , manipuliert, drängt er ihn praktisch in Formen, die eine annähernde Lösung des Problems darstellen. Video: Pilze – Das Plastik der Zukunft Das Experiment bildet die Grundlage für energiefreundliche biologische Computer. Diese Geräte sollen für ihre Berechnungen die natürlichen Eigenschaften von Schleimpilzen und anderen Mikroorganismen nutzen. Die Hoffnung dahinter: Biocomputer sollten viel weniger Strom brauchen. Das Problem: Bisher reicht ihre Leistung bei Weitem nicht an die eines üblichen Computers heran. Folgt Motherboard auf Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter Dieser Artikel ist zuerst auf der englischsprachigen Seite von Motherboard erschienen.
Daniel Oberhaus
[ "biologie", "computer", "japan", "mathematik", "Motherboard", "pilze", "Tech", "Wissenschaft" ]
Tech
2019-01-09T06:00:00+00:00
2024-07-30T13:45:28+00:00
https://www.vice.com/de/article/gy7994/schleimpilze-koennen-rechnen-bio-computer-problem-des-handlungsreisenden
Mars auf Erden
Nur zwanzig Minuten von der kleinen Stadt Hanksville entfernt, steht in einem Tal mitten in der kargen Wüste Utahs, ein zylinderförmiges Gebäude. Das ist die Mars Desert Reseach Station, die wie ein abgespactes Raumschiff aussieht. Diese Station wurde von der Mars Society, einer florierenden Non-Profit-Organisation entworfen. Sie beschäftigen sich damit, die Umsiedlung der Menschen auf den roten Planeten zu erforschen. Das San Rafael Tal in Utah wurde deshalb als Ort der Simulation ausgewählt, weil es eine ähnliche Beschaffenheit mit dem Mars aufweist und den Wissenschaftlern die Möglichkeit bietet, dort so realitätsnah wie nur möglich zu leben und zu arbeiten. In der Mars Analog Station lebt eine kleine Gruppe Mars-Nerds und Wissenschaftler, die ihre Sache sehr, sehr ernst nehmen. Wenn sie aus der Station rausgehen, ziehen sie ihre Kostüme an, die den originalen Anzügen nachempfunden sind, sie verzehren ausschließlich nur selbsthergestelltes Essen und leben im Bezug auf Flüssigkeiten nach dem Motto: „ist es gelb-ist es schlecht.“ Unsere Motherboard Kollegin Kelly Loudenberg hat neulich die Station besucht um zu erfahren, wie es sich auf dem irdischen Mars so lebt. Im Gegensatz zu den staatlichen Experimenten wie dem Unterwasser NEEMO Projekt der NASA und dem Isolationstest Mars 500 der ESA, sieht das Leben in der Wüste wie ein netter Picknickausflug aus. Aber es ist mehr, als eine bloße theoretische Übung, denn laut dem Crewmitglied Nori Cassman ist es eine gute Vorbereitung auf das Leben auf dem Mars.
VICE Staff
[ "Tech", "Vice Blog" ]
2010-09-16T10:06:00+00:00
2024-07-31T07:59:06+00:00
https://www.vice.com/de/article/vdnd49/mars-auf-erden-menschen-die-bereits-den-roten-planeten-bewohnen
Jahrelang vermisster Ehering taucht an einer Möhre wieder auf
Manchmal ist es eine Möhre, die der Welt wieder Hoffnung und Liebe gibt. Vor drei Jahren hat ein 82-Jähriger aus Bad Münstereifel seinen goldenen Ehering verloren. Doch seine Frau schimpfte nicht mit ihm, wie man es bei einem älteren Paar erwarten würde, sondern machte ihm stattdessen Mut, dass der Ring schon wieder auftauchen würde. Leider verstarb sie vor einem halben Jahr, doch jetzt bekam sie posthum Recht: Der Ring tauchte in der Tat wieder auf—aneiner Möhre. Wie der WDR berichtete, hatte der Mann seinen Ehering nur kurz nach der goldenen Hochzeit verloren. Unsere intensiven forensischen Untersuchungen legen nahe, dass der Mann den Ring wohl bei der Gartenarbeit verlor. Doch zum Glück hat ihn eine Möhre jetzt wieder ans Tageslicht befördert. „Man erntet nun mal, was man sät”, meinte der glückliche Gärtner gegenüber dem WDR. Die Liebe, die er in die Pflege seines Gartengemüses steckte, bekommt er nun zurück. Doch nicht jeder verlorene Ehering taucht wieder im Essen auf: Letzte Woche hat eine verwitwete Frau aus Kanada den Diamanten ihres Verlobungsrings verloren, als sie an Halloween Süßigkeiten verteilt hat. Noch gibt es keine Spur des vermissten Steins, doch wenn uns die Geschichte aus Bad Münstereifel eines gelehrt hat, dann dass Hoffnung und Liebe am Ende siegen.
[ "Denken", "Deutschland", "ehering", "Food", "garten", "gartenarbeit", "Munchies", "Verlust", "WTF" ]
2016-11-10T10:00:07+00:00
2024-08-12T10:23:42+00:00
https://www.vice.com/de/article/jahrelang-vermisster-ehering-taucht-an-einer-moehre-wieder-auf/
Fotos aus Dortmunds “No-go-Area”
Angstraum, No-go-Area, polizeifreie Zone: Mit diesen Themen hat Armin Laschet (CDU) in NRW Wahlkampf gemacht – und die Wahl gewonnen. Eine dieser angeblich gefährlichen Problembezirke: die Dortmunder Nordstadt. 60.000 Menschen leben hier, 140 Nationen. “Viele sind davon erstmal abgeschreckt, reden über die Nordstadt, ohne sie wirklich zu kennen”, sagt der Fotograf Adriano Vannini (23). Er lebt seit eineinhalb Jahren in dem Stadtteil. Weil in Brasilien, seiner Heimat, Unis oft monatelang bestreikt werden, ist er zum Fotografie-Studium nach Deutschland gekommen – und in der Nordstadt gelandet. Die ersten Wochen hat er hier gelebt, ohne das schlechte Image des Viertels zu kennen. Gehört hat er davon dann erst von einer Dame vom Unisekretariat. Sie sagte: “Geh’ mal nicht in die Nordstadt, da ist es gefährlich! Die ziehen dich ab.” Danach wollte er seinen Stadtteil erst recht besser kennenlernen. “Ich wollte meine Umgebung mit der Kamera erforschen”, sagt er. Mit dem Ergebnis: Bis heute weiß er nicht, wer ‘die’ sind. Und abgezogen wurde er auch noch nicht. Auch bei VICE: Königreich Deutschland Seine Bilder zeigen die Nordstadt unverstellt: Leute, die den ganzen Tag aus dem Fenster glotzen, Dauerbaustellen und Graffiti-Wände. Ein anderes Bild zeigt ein Nordstadt-Original, ein alter Mann mit Adler-Mütze, “den jeder hier kennt”, wie Adriano sagt. Mit seinen Bilder wollt er Momente sammeln, Eindrücke festhalten. Auch deshalb in Schwarz-Weiß: “Farben sollen nicht vom Moment ablenken.” “Klar kommt der schlechte Ruf auch daher, dass es hier echte Probleme gibt, Drogenhandel und Prostitution zum Beispiel”, meint Adriano. Aber er hat eine Botschaft, die er mit seinen Bildern transportieren will: “Die Nordstadt ist ein Eintopf”, sagt er: “Sieht erstmal wie eine komische Mischung aus, wenn man dann aber probiert, merkt man: Schmeckt besser als gedacht.” Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
VICE Staff
[ "Dortmund", "Dortmunder Nordstadt", "Fotografie", "Wirklichkeit" ]
2017-06-06T11:35:29+00:00
2024-07-30T20:09:52+00:00
https://www.vice.com/de/article/ev4x5k/fotos-aus-dortmunds-no-go-area
Die Abtreibungsgegner des “Marsch fürs Läbe” flüchten aus Zürich und Bern in die Provinz
Nach mehreren Jahren in Zürich und dem Umzug nach Bern letztes Jahr verlässt der “Marsch fürs Läbe” – eine internationale Veranstaltung fundamentaler Christen und Rechtskonservativer gegen Abtreibungen – die Städte und wird diesen Herbst voraussichtlich im Kanton Obwalden stattfinden, wie die Organisatoren auf ihrer Webseite bekannt geben. Gegendemonstrationen versuchten regelmässig den Marsch zu stören. Die Märsche in Zürich und Bern konnten nur mit Grossaufgeboten der Polizei durchgeführt werden. Bereits 2015 berichtete eine Gegendemonstrantin auf VICE, wie sie wegen ihres Protests nackt in eine Ausnüchterungszelle gesteckt wurde. Auf Anfrage von VICE liess Christoph Gnägi, Mediensprecher der Kantonspolizei Bern zwar mitteilen, dass die Polizei die “aus bewilligten Anlässen erwachsenen Aufgaben jeweils auch entsprechend umsetzt”, weil sich diese aus dem gesetzlicher Auftrag ergeben würden – trotzdem dürften die Berner Behörden über den Umzug des Marsches wohl froh sein. Schliesslich bewilligten sie die letztjährige Demonstration erst beim vierten Gesuch und erlaubten nur eine Platzkundgebung auf dem Bundesplatz. Einen Marsch durch die Innenstadt lehnte die Stadt Bern wegen Sicherheitsbedenken ab. Linke Gegendemonstranten scheinen die letztjährige Demo derart gestört zu haben, dass den Veranstaltern die Lust an ihrem Marsch verging: “Wir haben einen Riesenaufwand, weil eine wachsende linksradikale Szene anderen ihre Meinungsfreiheit nicht zugesteht”, beschwerte sich die Mediensprecherin Beatrice Gall bei 20 Minuten nach dem letztjährigen Marsch. Am 17. September findet der “Marsch fürs Läbe” neu als reiner Gebetsmarsch durch die kleinen Dörfer St. Niklausen und Flüeli-Ranft im ländlichen Obwalden statt. Das Bündnis “Bern stellt sich que(e)r”, welches die Berner Gegendemo anführte, wertet in einem Facebook-Post den Rückzug des Marsches aus der städtischen Aufmerksamkeit in die ländliche Abgeschiedenheit als einen Erfolg ihrer langjährigen Proteste. Gegenüber VICE begründet Beatrice Gall, Medienverantwortliche vom “Marsch fürs Läbe”, die Verlegung nach Obwalden heute damit, dass der Bundesplatz zum Wunschdatum nicht verfügbar war und die Organisatoren den Schwerpunkt wieder mehr auf das Gebet setzen möchten. Dass der Marsch dadurch einen grossen Teil der Aufmerksamkeit verliert, sei den Organisatoren bewusst und würde für die Sache auch in Kauf genommen werden. Somit scheinen die Gegendemonstranten nun wirklich auf der Siegerseite zu stehen: Die reaktionären Abtreibungsgegner haben zumindest vorerst die Städte verlassen. VICE auf Facebook und Instagram.
Kamil Biedermann
[ "Abtreibung", "Abtreibungsgegner", "bern", "Marsch fürs Läbe", "Schweiz", "Zürich" ]
2017-05-22T16:41:35+00:00
2024-07-30T20:04:47+00:00
https://www.vice.com/de/article/die-abtreibungsgegner-des-marsch-furs-labe-fluchten-aus-zurich-und-bern-in-die-provinz/
Soldat will Urlaub – und erzählt, seine Freundin sei tot
Jeder von uns lügt durchschnittlich zweimal am Tag. Das hat ein internationales Forscherteam vor zwei Jahren herausgefunden. Das eigentliche Geheimnis des Lügens ist aber nicht die Quantität, sondern die Qualität. Für die Notlüge “Ich hab den letzten Schokoriegel nicht gegessen” schüttelt der eigene Partner wahrscheinlich nur genervt mit dem Kopf. “Meine Freundin ist gestorben, kann ich Urlaub bekommen?”, bringt jedoch sechs Monate auf Bewährung ein. Das musste ein Bundeswehrsoldat nun erfahren. Im Juli letzten Jahres soll der 29-Jährige diese Lüge seinem Vorgesetzten vorgetragen haben für “ein paar Tage Sonderurlaub”, wie die B.Z. berichtet. Dafür fälschte er sogar eine Sterbeurkunde. Der Soldat hatte sich bereits zwei Wochen vorher vom Oberstabsarzt vom Dienst befreien lassen, um sie zu pflegen. Auch bei VICE: Auf ein Bier mit Schwester Doris Der Pinocchio in Uniform hatte jedoch eine Sache vergessen: seine quicklebendige Freundin. Als sich der Stabsunteroffizier nämlich wenig später ein Bein brach und vier Wochen nach dem angeblichen Todesfall einen Krankenbesuch vom Vorgesetzten bekam, öffnete die Freundin die Tür – kerngesund. Wir wissen nicht, ob der Soldat noch versuchte, eine Auferstehung seiner Partnerin zu inszenieren, jedenfalls flog die Lüge auf. “Ich war damals mit meiner Arbeit maßlos überfordert. Die Materialbewirtschaftung war chronisch unterbesetzt”, sagt der Soldat laut B.Z. vor einem Berliner Amtsgericht. Zum Truppenarzt habe er nicht gehen wollen, da er nicht als unbelastbar abgestempelt werden wollte. Sein Vorgesetzter sagte aus, dass er den Angeklagten als ehrlichen, zuverlässigen Soldaten eingeschätzt habe. Der aber erklärte vor Gericht, dass er seit seiner Kindheit versuche, sich durch Lügen vor Strafen zu drücken. Wegen seiner pathologische Lügerei besuche er jetzt einen anonymen Selbsthilfekreis. Er wurde zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt, seine Soldatenkarriere dürfte damit beendet sein. Als die Richterin wissen wollte, ob er von dem erschwindelten Urlaub wenigstens etwas gehabt habe, schüttelte der Angeklagte laut B.Z. nur den Kopf: “Nee. Nichts. Nur ein schlechtes Gewissen.” Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
VICE Staff
[ "Berlin", "bundeswehr", "Justiz", "Lügen", "pinocchio" ]
2018-02-16T11:44:09+00:00
2024-07-30T18:22:11+00:00
https://www.vice.com/de/article/soldat-will-urlaub-und-erzahlt-seine-freundin-sei-tot/
Wie die ‘Bild’-Zeitung eine Massenschlägerei unter Linken erfand
“Sie dachten, es wären Rechte: Linke verprügeln aus Versehen Linke!”, berichtete die Bild-Zeitung am Sonntag. Stattgefunden haben soll die Massenschlägerei Freitagnacht in Leipzig-Connewitz, das als linksautonomes Zentrum der Stadt gilt. “20 Vermummte mit Schlagstöcken und Pfefferspray” – mutmaßlich Linke – hätten eine Gruppe von sechs Personen angegriffen – ebenfalls mutmaßlich Linke – und das alles aufgrund eines Missverständnisses. Die skurrile Meldung wurde auf Facebook über 20.000 Mal geteilt, auch vom AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier. Er wittert die Antifa dahinter und kommentierte: “In […] Leipzig herrscht seit Längerem die rote SA.” Maiers Berliner AfD-Kollege Carsten Ubbelohde schrieb auf Twitter: “Solche Geschichten kann man sich nicht ausdenken … #Antifa”. Kann man sich eben doch, denn der Bild-Bericht ist mehr als fraglich. Am Freitag spielte die Oi!-Punk Band Stomper 98 im Connewitzer Club Conne Island. Sänger Sebastian “Sebi” Walkenhorst und die anderen Mitglieder kommen aus der Skinhead-Szene: kahle Köpfe, schwere Stiefel, Karohemden. Viele in der Szene wollen mit Politik nichts zu tun haben, andere sind dezidiert links – oder rechts. Als Außenseiter sehen sie sich aber alle. Weil Walkenhorst als Jugendlicher Kontakt zu rechten Skins hatte, stehen Stomper 98 in der Kritik, selbst eine rechte Band zu sein oder sich zumindest in einer “rechtsoffenen Grauzone” zu bewegen. Die Gruppe selbst bezeichnet sich als unpolitisch bis antirassistisch. Ihre Konzerte in dem von einem linken Kollektiv organisierten Club begleiten dennoch immer wieder Diskussionen. Auch bei VICE: Aufstand der Rechten: Unterwegs bei Europas größtem Nationalisten-Treffen Eine solche Auseinandersetzung endete dieses Mal weniger glimpflich. Wie ein Sprecher der Polizei Leipzig gegenüber VICE sagte, wollte eine Gruppe von Fans aus Thüringen im Alter von 17 bis 26 Jahren das Konzert besuchen. An der Clubtür soll es zum Streit mit der Security des Conne Islands gekommen sein. Grund waren ein Aufnäher, den alle sechs trugen, und ein T-Shirt – beide Motive seien mit der Clubpolitik nicht vereinbar gewesen. Die Gruppe aus fünf Männern und einer Frau will daraufhin ihre Jacken und das T-Shirt abgelegt haben. Dem Polizeibericht zufolge verließen sie jedoch wenig später den Club, um die Klamotten in einen in der Nähe geparkten Kleinbus zu packen. Die Security soll sie jedoch nicht ein zweites Mal in den Club gelassen haben. Kurz darauf sollen dann 15 bis 20 Vermummte die Gruppe angegriffen haben. Es kam zu schweren Verletzungen, eine Autoscheibe ging zu Bruch. Die Polizei ermittelt nun wegen Landfriedensbruch gegen unbekannt. Welche Parolen bei den Auseinandersetzungen gefallen sind, welcher Aufnäher und welches T-Shirt für die politische Einordnung herhalten mussten – all das konnte der Polizeisprecher nicht sagen. Gesprochen hat man bislang nur mit den sechs Angegriffenen. VICE konnte eine davon auf Facebook ausfindig machen. Sie möchte anonym bleiben, schrieb aber, dass sie und ihre Freunde “definitiv nicht rechts seien”, sondern “unpolitische Skinheads […] Wir sind gegen Links- und Rechtsextremismus, aber keinesfalls gegen Ausländer.” Bei den T-Shirts habe es sich um Merchandise der Oi!-Band Prolligans gehandelt. Die will sich nicht als “unpolitisch” verstanden wissen, veröffentlicht Musik auf einem Neonazi-Plattenlabel und rief vor einer Südstaatenflagge zum Trinken von deutschem Bier auf. Ansichten, die im Conne Island alles andere als mehrheitsfähig sind. Die Security hätte zudem ihren Aufnäher einer rechten Gruppierung zugeordnet. Weil die Angreifer vermummt waren, glaubt die Frau zudem, dass es sich um Mitglieder der Antifa gehandelt hat. Eine Person soll sich ihr zufolge zu dieser Szene bekannt haben. Die sechs Thüringer waren nicht die einzigen Gäste, für die der Abend anders verlief als gedacht. Calle, ein weiterer Besucher, musste das Conne Island verlassen, bevor das Konzert begann. Er war mit zwei Freunden angereist und erzählte von mehreren Auseinandersetzungen an dem Abend: “Der Türsteher hat mir meine 20 Euro zurückgegeben, im selben Moment hat mich jemand geschlagen und aus dem Hof geschubst”, sagte er gegenüber VICE. Seine Freunde erfuhren später, dass sein Jacken-Aufnäher der Grund gewesen sei. “Good Night Any Sides” steht auf diesem. “Es heißt, Nazis aus Leipzig und Berlin würden die Patches verkaufen”, so Calle, “aber ich habe meinen von einem Oi!-Punk-Label aus Magdeburg.” Calle selbst bezeichnet sich als “unpolitischen, aber eher linksorientierten Skinhead”. Später sei auch ein “unpolitischer Punk” mit Pali-Tuch rausgeworfen worden, sagte er. Antifaschisten sehen in solchen Tüchern einen Ausdruck von Antisemitismus. Es war sicherlich kein Halma-Abend mit Rhabarbersaftschorle, der sich da in Connewitz abgespielt hat. Aber Linke, die “aus Versehen” Linke verprügeln, wie Bild schreibt – das hat es so nicht gegeben. Es ist nicht klar, wer die Angreifer waren, die Polizei konnte bislang nur mit den Opfern sprechen. Die wiederum lehnen es ab, als “links” bezeichnet zu werden. Das Conne Island hat sich zu den Vorfällen bislang nicht geäußert. Richtigstellung: In einer früheren Version des Artikels hatten wir geschrieben, Prolligans hätten sich aufgelöst. Die Band ist weiterhin aktiv. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
VICE Staff
[ "Antifa", "Bild Zeitung", "conne island", "Connewitz", "Leipzig", "Linke Gewalt", "Musik", "OI!", "Politik" ]
2017-10-23T15:47:58+00:00
2024-07-30T20:57:02+00:00
https://www.vice.com/de/article/wie-die-bild-zeitung-eine-massenschlagerei-unter-linken-erfand/
Wie es ist, mit einem Mikropenis zu leben
Ein Mikropenis wird als solcher bezeichnet, wenn das Geschlechtsorgan in seiner ausgestreckten und schlaffen Form 2,5 Standardabweichungen unter dem Durchschnittspenis liegt; die tatsächliche Länge liegt dabei oftmals unter sieben Zentimetern. Etwa 0,6 Prozent aller Männer sind davon betroffen. “Das ist sehr selten”, sagt mir Dean Elterman, Urologe und Chirurg am Toronto Western Hospital in Kanada. Elterman erklärt, dass ein Mikropenis im Säuglingsalter diagnostiziert werden kann; er entwickelt sich in den meisten Fällen, wenn Testosteron im Mutterbauch Probleme hat, zum Fötus zu gelangen. Wenn das sehr früh festgestellt wird, ist es theoretisch möglich, mithilfe von Testosteronspritzen das Peniswachstum anzuregen. Nach der Pubertät sei das laut Elterman allerdings nicht mehr effektiv. Genau so wenig seien das die Cremes, Injektionslösungen und Tabletten, die man im Internet kaufen kann. Operative Penisvergrößerungen würden wiederum nicht zwangsläufig die vom Patienten erwünschten Resultate erzielen, so Elterman. Da sich der körperliche Zustand oft auch auf das Leben der Betroffenen auswirkt, “Beziehungsängste, Depressionen und ein geringes Selbstwertgefühl” auslösen können, würden auch damit die psychischen Probleme der Männer nicht gelöst werden. “Man muss sich wirklich mit der kompletten Person und nicht mit dem Penis allein auseinandersetzen.” VICE hat mit ein paar Männern mit Mikropenissen gesprochen, um herauszufinden, wie die kleine Größe ihres Gemächts ihr Leben beeinflusst hat. VICE: Wie groß ist dein Penis? Jack: Das variiert etwas, aber in letzter Zeit ist er bei etwa siebeneinhalb Zentimetern—im erigierten Zustand kommt er auf knapp neun. Er besteht quasi nur aus Eichel, wenn er schlaff ist. Dann ist er kürzer als zweieinhalb Zentimeter, mit einer Hautfalte obendrauf. Seltener ist er auch mal nach innen gekehrt. Wann hast du gemerkt, dass du einen Mikropenis hast? Ich muss etwa elf gewesen sein. Ich hatte alle meine Freunde nackt gesehen und gemerkt, dass das bei mir viel kleiner war als bei ihnen. Er dürfte wohl immer noch die gleiche Länge haben wie damals, als ich elf oder zwölf war. Wie fühlst du dich damit? Ich erinnere mich daran, wie ich Scary Movie gesehen habe. Darin gibt es diese Babyschwanz-Szene und ich dachte mir: “Wow, meiner ist noch viel kleiner als der von ihm.” Gleichzeitig fühlte ich mich durch diese Erkenntnis erregt. Der Spitzname “Babyschwanz” ist bei mir ziemlich hängengeblieben und ich habe mich wohl immer selbst als “Babyschwanz” gesehen. Aus einer Art Horrorszenario oder Albtraum wurde mit der Zeit eine erregende Fantasie, in der jemand meinen winzigen Schwanz bloßstellt und mich “Babyschwanz” nennt und mir andere erniedrigende Spitznamen gibt. In meinen Fantasien sagt ein Mädchen dann immer: “Oh, selbst der von meinem zweijährigen Bruder ist größer als deiner.” Es ist also zu einem Fetisch geworden? Ich glaube wirklich, dass sich das als eine Art unterbewusste Reaktion entwickelt hat, um mit der Unsicherheit und dem Ganzen umzugehen. Es dürfte auch eine Rolle spielen, dass Männer mit ihrem Penis Aufmerksamkeit erzeugen wollen. Und wenn du einen sehr kleinen Penis hat, würde es sehr unglaubwürdig rüberkommen, die Größe zu loben. Also konzentrierst du dich auf die Winzigkeit. Ich war früher mit einer Domina zusammen und liebte es, mich von ihr fesseln und für meinen “Babyschwanz”, “winzigen Schwanz”, “Minischniedel”, “nutzloses Würmchen” verspotten zu lassen. Ich habe mich sogar von ihr mit einem Strap-on in den Arsch ficken lassen, um zu beweisen, dass sie mehr Mann war und einen größeren Schwanz hatte als ich mit einem lächerlich kleinen Babyschwanz. Wann hattest du deine erste sexuelle Erfahrung? Ich war etwa 18, als ich zum ersten Mal einen geblasen bekam, und 19, als ich das erste Mal Sex hatte. Als ich das erste Mal einen geblasen bekam, war das ziemlich unangenehm, als ich meinen Penis auspackte. Ich habe gemerkt, dass sie über die kleine Größe wirklich überrascht war. Sie musste sich das Lachen quasi verkneifen. Das erste Mal, als wir Sex hatten, wusste sie schon länger, dass ich eher klein bestückt bin, und es war dann eine entsprechend schöne Erfahrung. Du hast es ihr also vorher gesagt? Ja, ich habe hier und da ein paar Anspielungen gemacht und wir hatten schon darüber gesprochen, bevor sie ihn zu Gesicht bekam. Ich schätze, sie war in erster Linie fasziniert davon. Ist er eine Behinderung beim Sex? Das würde ich schon sagen. Ich würde aber auch sagen, dass die meisten Typen, die eher kleiner ausgestattet sind, das anderweitig wieder ausgleichen—oral, mit den Händen und so weiter. Sie sind sich darüber bewusst, dass sie im Nachteil sind. Ich habe definitiv überkompensiert. Wie sieht dein Sexleben heute aus? Ich bin seit fünf Jahren verheiratet. Es ist etwa zwei Monate her, dass wir das letzte Mal Sex hatten. Aufgrund meines Peniserniedrigungsfetisches ist es etwas gemischt. Manchmal hilft mir meine Frau auch mit Rollenspielen aus. Sie sagt dann so etwas wie “Dein Schwanz ist so klein” und macht sich über meine subjektive Unzulänglichkeit lustig. Ich habe tatsächlich versucht, meine Frau dazu zu bringen, über mich zu tratschen. Davon ist sie aber nicht wirklich angetan. War das Leben mit einem Mikropenis jemals die Ursache für psychische Probleme? Als ich noch jünger war, hatte ich schon mit Depressionen zu kämpfen. Ich habe auch mehrmals versucht, mir das Leben zu nehmen. Ich habe definitiv mit ein paar Problemen zu kämpfen gehabt, die aber wahrscheinlich nur indirekt mit meinem Mikropenis zu tun haben. Wie groß ist dein Penis? Er ist im erigierten Zustand circa fünf bis sechseinhalb Zentimeter lang. Etwa so groß wie ein Bic-Feuerzeug. Wann hast du gemerkt, dass dein Penis unterdurchschnittlich klein ist? Ich war sechs und mit einem Freund unterwegs, der sieben war. Wir rannten beide viel im Wald rum. Einmal mussten wir beide urinieren und standen dabei Hüfte an Hüfte nebeneinander. Ich merkte selbst in diesem Alter, dass seiner erheblich größer war als meiner. Was wäre deine Idealgröße? 13 Zentimeter. Hattest du aufgrund deines Mikropenis jemals schlechte Erfahrungen beim Sex? Bei der ersten Frau, mit der ich was hatte. Ich war 17, als ich meine Jungfräulichkeit mit ihr verlor. Ich hatte sie vorher gewarnt, dass er ziemlich klein sein könnte. Nachdem es passiert war, sagte sie mir die ganze Zeit, wie groß er ist, und, dass ich untenrum richtig gut bestückt sei—nur, damit ich mich besser fühle. Etwa eine Woche später haben wir Schluss gemacht und sie ging herum und erzählte jedem, der es wollte, von der Beschaffenheit meines Geschlechtsteils. Sie hat sogar Bilder rumgezeigt. Ich wurde deswegen ziemlich fertiggemacht. Schränkt er dich beim Sex ein? Definitiv. Für viele Positionen, die durchschnittlich gebaute Menschen machen können, bin ich zu klein. Ich kann überhaupt keinen Sex im Stehen haben und mir bleiben insgesamt nur drei oder vier Positionen, die ich erfolgreich absolvieren kann. Die wären? Missionarsstellung mit mir oben, Missionarsstellung mit ihr oben, von hinten und … ich glaube, das war’s. Das sind die einzigen, bei denen ich eine Penetration hinbekomme. Wie oft masturbierst du und ist es schwierig? Alle paar Tage. Es ist nicht unbedingt schwierig, nur anders. Ich muss ihn die meiste Zeit zwischen meinen Fingerspitzen halten. Wie ist dein Sexleben heute? Ich bin verheiratet. Ihr gefällt meine Größe sogar. Aber ehrlich gesagt swingen wir auch. Ich glaube, das hilft unserer Beziehung ungemein. Inwiefern? Sie schaut mir gerne dabei zu, wie ich es mit Männern treibe, und sie hilft ihnen auch gerne selbst aus. Mir gefällt es wiederum zu wissen, dass sie auch hin und wieder einen normalgroßen Penis abbekommt, da ich es auch nicht immer bringe. Seit wir swingen, halten wir uns sexuell generell nicht mehr zurück. Sie sagt, dass sie auch schon mit sehr üppig ausgestatteten Typen was hatte und da hätte ihr der Sex wehgetan. Sie sagt zwar, dass sie sich zwischendurch wünscht, dass meiner größer wäre, letztendlich ist sie aber froh, dass er nicht so groß ist, dass er ihr wehtut. Hast du jemals über eine Penisvergrößerung nachgedacht? Nachdem ich ein paar Nachforschungen betrieben habe, habe ich erkannt, dass die meisten nicht funktionieren. Und diejenigen, die etwas bringen, sind unbezahlbar. Irgendetwas, das du sonst noch über deinen Penis loswerden möchtest? Nun, zusätzlich zu meinem Mikropenis bin ich auch noch das, was man teilweise Beschnitten nennt. Ich habe also eine misslungene Beschneidung hinter mir, was bedeutet, dass etwa die Hälfte meiner Vorhaut noch da ist. Untenrum habe ich in vielerlei Hinsicht also definitiv den Kürzeren gezogen, könnte man sagen. Wann hat dein Penis zu wachsen aufgehört? Mein Penis ist immer schon winzig gewesen, seit ich denken kann. Er hat nie aufgehört zu wachsen, er ist einfach nie gewachsen. Wie groß ist er? Erigiert drei Zentimeter und schlaff nichtexistent. Er lässt sich nur messen, wenn er erigiert ist. Er ist so groß wie eine Zwei-Pence-Münze. Wie sieht dein Sexleben aus? Ich bin bisexuell. Ich habe bislang nur zwei Mal versucht, Sex zu haben. Es war aber unmöglich. Frauen haben mich deswegen auch ausgelacht. Deswegen habe ich das mit dem Dating aufgegeben. Kannst du masturbieren? Ich kann masturbieren, aber es ist schwierig. Ich kann ihn nicht halten, nur reiben. Wie hat sich deine körperliche Beschaffenheit auf deine Psyche ausgewirkt? Es deprimiert mich und führt dazu, dass ich mich unzulänglich fühle. Ich habe über eine Vergrößerung nachgedacht. Es wäre wundervoll, einen richtigen Penis zu haben. Wie groß ist dein Penis? Erigiert etwa zehn Zentimeter—also nicht mikro, aber sehr klein. Schlaff variiert die Größe zwischen null und vielleicht drei Zentimetern. Mit zwei, drei Zentimetern mehr wäre ich ganz glücklich. Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass deiner unterdurchschnittlich klein ist? Das war in der Grundschule. Wir hatten einmal die Woche Schwimmunterricht und wir zogen uns in der öffentlichen Umkleide um. Ich merkte also sehr bald, dass mein Penis anders aussah als die der anderen Jungs. Die anderen Jungs merkten das auch. Wann hat er zu wachsen aufgehört? Etwa zu meinem zwölften Geburtstag. Wie war deine erste sexuelle Erfahrung? Als ich etwa zwölf war, masturbierte ich zusammen mit einem guten Freund. Durch ihn erkannte ich, dass ein Penis mehr kann, als nur pinkeln. Meinen ersten richtigen Sex hatte ich mit 26—bis dahin war ich Jungfrau. Hattest du jemals ein besonders peinliches Sexerlebnis durch deinen Mikropenis? Das war bei meinem ersten Sex. Ich habe mein Kondom verloren und es war sehr schwierig, es in der Vagina der Frau zu finden. Kondome zu verlieren, ist gar nicht ungewöhnlich, also habe ich angefangen, kleinere zu kaufen. Die gibt es im Internet. Wie hat das deine sexuelle Leistung beeinflusst? Es hat meine sexuelle Leistungsfähigkeit eigentlich nicht beeinflusst. Seit ich kleinere Kondome verwende, verliere ich sie auch nicht mehr und kann mit meiner Frau Safer Sex betreiben. Meine Leistung im Bett ist OK, da meine Frau es sowieso bevorzugt, nicht das komplette Kamasutra nachzustellen. Wir probieren nicht groß Stellungen aus. Das liegt aber nicht an meinem kleinen Penis. Sagst du deinen Partnerinnen vor dem Sex, dass du einen Mikropenis hast? Das habe ich nie gemacht. Das konnten die selbst herausfinden. Keine hat sich jemals darüber beschwert.
Manisha Krishnan
[ "Artikel", "Fetische", "Interview", "klein", "Kondome", "MASTURBATION", "mikropenis", "NSFW", "penis", "Penisvergrößerung", "Safer Sex", "Selbstbefriedigung", "Sex", "Verhütung", "Vice Blog" ]
Sex
2016-11-08T10:00:00+00:00
2024-07-30T22:24:19+00:00
https://www.vice.com/de/article/wie-es-ist-mit-einem-mikropenis-zu-leben
Polaroids von Papua-Neugineas jungen Hanfbauern
​ Als der australische Fotograf ​Joel Bouchier dieses Jahr nach Papua-Neuguinea reiste, landete er in einem Dorf im Hochland, dessen Wirtschaft fast ausschließlich von Cannabis-Anbau lebt. Vor etwa zehn Jahren gab es eine schwere Auseinandersetzung in der Gemeinschaft, was dazu führte, dass viele Kinder zu Waisen wurden. Ältere Kinder übernahmen dann die Erziehung und brachten den Kleinen außerdem bei, Gras zu rauchen, anzubauen und zu verkaufen. Diese Tätigkeit beschert dem Dorf ein Einkommen, ohne das es wahrscheinlich wesentlich schlechter dastehen würde. Gleichzeitig verstärkt es aber auch das Problem, dass im ganzen Land sehr viele Kinder Drogen nehmen. In der Zeit, in der er mit dieser Gemeinschaft lebte, hat Joel eine Serie von Polaroids geschossen, die er nun als Teil des Independent Photography Festivals 2014 in Melbourne ausstellt. VICE: Hallo Joel, warum Papua-Neuguinea?​Joel Bouchier: Das Land stand schon immer auf meiner Liste. Es ist nicht weit von Australien entfernt, aber bislang habe ich noch nicht viele Veröffentlichungen darüber gesehen. Ich wollte einfach unbedingt in das Hochland, hatte aber keine Ahnung, was ich dort vorfinden würde. Ich habe mir also meine Kamera geschnappt und bin, ohne zu wissen, was mich erwartet, losgezogen. Wie bist du auf die jungen Männer und Kinder gestoßen, die dort Cannabis anbauen?​Die erste Woche, die ich dort umherreiste, hatte ich weder vernünftige Bilder, noch sonst irgendwas machen können. Ich war irgendwo im Nirgendwo und hatte noch nicht mal mehr genug Geld übrig, um mir eine Übernachtung leisten zu können—und ich musste noch zwei Wochen dort überstehen. Ich wartete auf die Dämmerung und ein Typ stolperte quasi auf mich zu und fing an, mit mir zu reden. Ich fragte ihn, wo er wohnt. Er sagte es mir und lud mich ein, mitzukommen, damit ich es mir mit eigenen Augen sehen kann. Ich nahm meine Taschen und wanderte mit ihm durch ein paar Flüsse, rauf auf Berge, durch den Dschungel und kam dann schließlich bei seinem Dorf an. Da der Typ gerade einen Weißen, also mich, in das Dorf gebracht hatte, waren alle total aufgeregt. Ich wollte eigentlich nur für eine Stunde bleiben, aber sie überredeten mich, eine Nacht zu bleiben. Ich entschied mich dann dafür, einen Monat dort zu wohnen. Ich fing nicht direkt an zu fotografieren, sondern nahm mir Zeit und verhielt mich respektvoll. Als ich dann mein erstes Foto machte, sahen es sich alle an und wollten unbedingt selber eins. In gewisser Weise war es also sehr einfach. ​Zack​ Arais hat mal über die sozialen Qualitäten von Polaroids gesprochen, da man sie der anderen Person direkt zeigen und geben kann.​Ich wollte immer schon ausschließlich mit Polaroid arbeiten. Ich zeigte ihnen die Bilder und sie hatten sich selber noch nie auf solchen Fotos gesehen. Das hat mir vieles ermöglicht. War es schwierig, die Story so aufzuziehen? Eine Geschichte über Drogen und Kinder, die aber nicht übertrieben negativ ist.​Man muss diese Gegend dort in einem größeren Kontext betrachten. Auch wenn die Regierung das Gebiet offiziell kontrolliert, ist es doch seit Hunderttausenden Jahren mehr oder weniger unberührt geblieben. Erst in den letzten 50 Jahren ist der Einfluss der Regierung dort spürbar geworden, aber eigentlich herrschen noch die alten Traditionen und Sitten. Die Geschichte, auf die ich dann dort gestoßen bin, war die, dass viele der Kinder dort keine Eltern mehr haben. Acht oder neun Jahre zuvor hatte es in dem Dorf einen großen Streit über eine Kaffeeplantage gegeben. Die ganzen Jugendlichen sind damals sechs oder sieben Jahre alt gewesen, als sie ihre Eltern verloren haben. Es gab dort ein paar ältere Jungs, das waren so 20 oder 30, die diese Kinder dann großgezogen habe—und sie alle rauchten Marihuana. Sie sind alle das Produkt ihrer Umwelt. Das ist einfach die Art, wie sie dort großwerden. Sie lernen den Anbau und mit ein oder zwei Pflanzen können sie mehr verdienen als mit einem ganzen Kartoffelfeld. Sie können so ein recht entspanntes Leben führen. So lauteten in etwa die Narrative, die ich versucht habe, hervorzuheben. Wird Marihuana dort anders verwendet als in der westlichen Welt?​Ich hatte den Eindruck, dass es für sie noch mehr mit Eskapismus zu tun hat. Sie rauchen es, um ihr Leben angenehmer zu machen. Sie machen es nicht zum Spaß, wie wir bei Partys oder bei der Arbeit. Sie rauchen es einfach—es tendiert schon mehr in Richtung Abhängigkeit. Sie machen das schon so lange, dass es für sie ungefähr so wie für uns das Tabakrauchen ist. Es ist etwas, das dort seit Jahrhunderten praktiziert wird. Ich glaube allerdings, dass einige hier eine falsche Vorstellung davon haben. Es ist tatsächlich eine Droge, die schädlich sein kann—vor allem in den Mengen, in denen sie dort geraucht wird. Es gab dort acht—oder neunjährige Kinder, die von morgens nach dem Aufstehen bis abends zum Schlafengehen geraucht haben. Sie rauchen wirklich den ganzen Tag lang Marihuana und in der Hinsicht ist das schon ziemlich beängstigend. Ich bin in einer ländlichen Gegend Neuseelands großgeworden und habe dort ähnliche Zustände erlebt. Es gab dort Kiffer, die gerade mal sechs Jahre alt waren.​Ich würde sagen, dass es auf jeden Fall damit zu tun hat, dass man den Tag schneller rumbekommt. In Teilen dieser Gegenden ist Alkohol sehr teuer und schwer zu bekommen—vor allem in Gemeinschaften, in denen es kein monetäres System gibt. Cannabis ist die erste Wahl, weil es dort so leicht zugänglich ist. Wahrscheinlich hat aber auch die Tradition damit zu tun. Hast du dich dort jemals unsicher gefühlt?​Ich würde sagen, Port Moresby ist schon … da passiert schon einiges. Ich habe gesehen, wie dort ein Auto geklaut wurde. Leute sind einfach aus einem Busch gesprungen und haben einen Lastwagen angehalten. Ich habe gesehen, wie Menschen eine Frau und ihre Familie aus der Stadt gejagt haben, weil sie dachten, dass sie Hexen oder Zauberer sind. Zum Teil geht es dort noch zu wie im Mittelalter. In der Stadt kann es schon gefährlich werden, aber ich bin es auch dementsprechend angegangen. Ich war sehr vorsichtig, aber dann triffst du natürlich diese komische weiße Person vor Ort, die dich dann ermahnt, dass du unbedingt aufpassen musst, und dir diese ganzen furchtbaren Geschichten erzählt. Ich habe versucht, nicht zu genau hinzuhören—ich war ja schließlich eh schon da.
Ben Thomson
[ "Cannabis", "Fotos", "hanf", "Kiffen", "Marihuana", "Marihuana-Plantage", "Papua-Neuguinea", "Vice Blog" ]
Drogen
2014-11-10T10:12:00+00:00
2024-07-31T03:54:52+00:00
https://www.vice.com/de/article/polaroids-von-den-hanfplantagen-im-hochland-papua-neuguineas-613/
Auf der Suche nach dem Filmproduzenten, der seine Freunde um Millionen betrog und nun auf der Flucht ist
Felix Vossen, links oben | Screenshot von YouTube aus „Miss You Already — Hollywood producer disappears with millions” von Vossen Manhunt Am Morgen des 3. März 2015 verließ der 41-jährige Deutsche Felix Vossen seine Wohnung in der Jermyn Street mitten in London und verschwand. Er hatte all seine Sachen in seiner Wohnung gelassen, als habe er gehofft, sein Verschwinden würde von den Freunden und Angehörigen, die Millionen Pfund in seine Geschäfte investiert hatten, unbemerkt bleiben. Er stieg am London City Airport in ein Flugzeug nach Zürich, wo er dasselbe Ritual durchführte: Er hinterließ seine dortige Wohnung, als habe er vor, irgendwann zurückzukehren. Vossen sendete nach seinem Verschwinden ein paar letzte Nachrichten. Eine ging an die Frau, mit der er 20 Jahre lang eine On-Off-Beziehung geführt hatte, Model und TV-Moderatorin Sophia Raafat. „Es tut mir sehr leid”, schrieb er. „Ich wollte dir niemals wehtun und habe immer gedacht, ich könnte alles am Ende noch hinbiegen, aber stattdessen wurde es einfach immer schlimmer.” Die anderen Nachrichten gingen an Kollegen in seiner Filmproduktionsfirma Embargo Films, wo er neben seiner angeblichen Arbeit als Händler US-amerikanischer Tech-Aktien eine aufkeimende Karriere als Produzent hatte. Die Leute fingen vor 14 Jahren an, Felix Vossen Geld zu geben, und seine Investoren waren immer Angehörige oder Freunde (laut meinen Quellen nahm er nur Geld von Leuten, die er kannte). Vossen sagte seinen Kunden und Freunden, seine Firma arbeite „mit einer risikoarmen Strategie an kurzfristigen Investition an der New Yorker Börse”. Die stand in einem Pressedokument, das seine Opfer veröffentlicht haben und in dem von extrem guten Renditen von 18 bis 20 Prozent für kurzfristige Anlagen die Rede war. Selbst Menschen, die sich mit dem Finanzwesen auskannten, überzeugte er mit dieser Taktik. „Er bot nie weniger als 15 Prozent Kapitalertrag, was jetzt nicht die Welt ist, aber wenn man in Großbritannien lebt und die Banken bieten einem ein halbes oder Viertelprozent an, dann ist das sehr attraktiv”, sagt Tom Trotter, ein pensionierter Sicherheitsberater, der fast seine gesamten Ersparnisse an Vossen verloren hat, VICE gegenüber in einem Telefoninterview. Vossen ist wie vom Erdboden verschluckt. 26 seiner Investoren haben sich zusammengeschlossen, um nach ihm zu fahnden. Sie haben eine Kampagnen-Website erstellt, ein YouTube-Video veröffentlicht , in dem sie um Unterstützung bitten, und mit einer erfolgreichen Klage wegen Veruntreuung haben sie eine Gerichtsanordnung erwirkt, laut der er ihnen 45 Millionen Pfund [ca. 64 Millionen Euro] zahlen muss. Der High Court of Justice in England and Wales hat seine Konten in London, der Schweiz und New York eingefroren. Das FBI und die Betrugsabteilung von Scotland Yard ermitteln im Fall seines Verschwindens und in der Schweiz wurde ein Haftbefehl auf ihn ausgestellt. Doch Vossens Kollegen haben der Daily Mail erzählt, er habe kurz vor seinem Verschwinden eine Faszination dafür entwickelt, wie Verbrecher auf der Flucht mithilfe von plastischer Chirurgie und Prothesen der Festnahme entkommen können, also besteht eine realistische Möglichkeit, dass das Gesicht, das vor acht Monaten London im Flugzeug verlassen hat, inzwischen ziemlich anders aussieht. Vor seinem Verschwinden war Felix Vossen ein stämmiger Mann mit dickem braunem Haar, das er manchmal kurz und manchmal lang trug. Er war um die Taille und Hüfte ein wenig füllig und trug teure Kleidung, Hemden mit Kaschmirpullovern und hochwertigen Jeans. Er ist Gelegenheitsraucher und hat eine breite Nase, mit der er aufgrund seiner schiefen Nasenscheidewand ständig schnieft. Mehrere Bekannte von ihm, mit denen ich mich über sein Verschwinden unterhalte, erzählen mir von der Lücke zwischen seinen Schneidezähnen, seiner dröhnenden Stimme und seinem starken deutschen Akzent beim Englischsprechen. Sie erwähnen außerdem, wie „charmant” er ist—ein Charme, der 26 seiner Freunde und Angehörige dazu verleitete, ihm ihre Ersparnisse zu überreichen, in dem Glauben, er werde das Geld für sie gewinnbringend investieren. Ein Opfer war Katherine Crawley, deren Geschichte ziemlich typisch ist. Die ehemalige Dokumentarfilmerin lernte ihn in London kennen, als beide in den 20ern waren und in denselben Kreisen verkehrten. „Ich mochte ihn sofort. Er war ein charmanter Typ—sehr intelligent. Ich habe unsere Unterhaltungen sehr genossen”, sagt sie VICE, während sie bei ihrer Mutter in Mexiko zu Besuch ist. „Er schien ein sehr ehrlicher Kerl zu sein … und da habe ich ihm einfach vertraut.” Dass Katherine Vossen Geld für Investitionen geben sollte, sei ziemlich bald erwähnt worden, nachdem die beiden eine Freundschaft aufgebaut hatten, sagt sie. Zu diesem Zeitpunkt habe er bereits seiner Freundin und deren Freunden dabei geholfen, ihr Einkommen mit seinem Finanz-Zauber zu vergrößern. VICE SPORTS: Wettbetrüger müssen Spiele gar nicht manipulieren, sie erfinden sie einfach Die Zwei lernten sich kennen, als Katherine eine sehr schwierige Phase durchmachte. Ihr Vater hatte ihre Mutter verlassen, als sie 17 war, und die Scheidung war kompliziert und schmerzhaft. Vossen war für sie da, ein „sehr liebevoller und beruhigender” Freund während einer unglücklichen Zeit. Diese Nähe brachte Katherine dazu, Vossen ihrer Mutter Barbara vorzustellen, so dass Vossen schließlich „ein Teil der Familie” wurde. Nicht all seine Investoren waren Finanz-Anfänger. Madhu Grover, die eine riesige Summe verloren hat, hat einen MBA in Finanzwesen und hat jahrelang an der Börse und für Banken gearbeitet. Sie sagt, Vossens Strategie „ergab Sinn” und er habe theoretisch gute Entscheidungen getroffen. Allerdings ist Madhu überzeugt, dass Vossen niemals wirklich investierte, sondern einfach Geld zwischen verschiedenen Konten herumschob, um seine Spuren zu verwischen—ein typisches Merkmal sogenannter Pyramiden- oder Schneeballsysteme. Sie macht sich Vorwürfe, dass sie nicht besser aufpasste, als er mit seinen Rückzahlungen in Verzug geriet, und weil sie seine allgemeine Unzuverlässigkeit kaum zur Kenntnis nahm. Doch wie alle Opfer von Vossen war sie verletzlich: Der schlechte Gesundheitszustand ihrer Tochter hatte sie dazu gezwungen, aus dem Börsengeschäft auszusteigen. Felix Vossen war ein erfolgreicher Mann mit einem privilegierten Leben. Er mietete teure Wohnungen, lebte bequem, aber ohne Exzess und machte oft Jagdausflüge oder Auslandsurlaube mit Freunden, die ihm die endlosen Ausreden zum Verbleib ihres Geldes glaubten. So war er nun einmal: ein wenig desorganisiert, aber sicher kein Betrüger, oder? 2010 gründeten Vossen und ein paar Geschäftspartner eine Filmproduktionsfirma, Embargo Films, die den Film The Crime — Good Cop//Bad Cop sowie Miss You Already, eine Tragikomödie mit Drew Barrymore, finanzierte. Dadurch gewann er noch mehr Glaubhaftigkeit und Kontakte. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass seine Partner bei Embargo Films wussten, was er trieb, doch es hatte vor seinem Verschwinden Spannungen am Set gegeben, weil er die versprochenen Mittel nicht rechtzeitig bereitgestellt hatte. „Selbst Profis, die ihm im Filmgeschäft begegneten, wie Buchhalter und Anwälte, haben gesagt, er sei der letzte Mensch gewesen, den sie je des Betrugs verdächtigt hätten”, sagt eines der Opfer, das anonym bleiben wollte. „Er schien alle in seinen Bann zu ziehen.” Doch im Laufe der Jahre scheffelte er Millionen. Vossen war es immer gelungen, seine Spuren zu verwischen, und er baute ein System der Täuschung auf, mit dem er sicherstellte, dass niemand allzu lange kein Geld sah—doch diesen Trick konnte er am Ende wohl nicht mehr aufrechterhalten. Ein Anzeichen dafür, dass etwas nicht in Ordnung war, gab es laut Katherine Crawley im Januar. Vossen hatte im Vorjahr ihre Mutter überredet, ihm das Geld zu geben, das sie als ihr „Hausgeld” beschrieb, um eine lukrative kurzfristige Anlage damit zu machen. Er versprach, die Hälfte des Betrags sobald wie möglich zurückzuzahlen. Es wurde Januar und Katherines Mutter sah keinen Cent von dem Geld. Zwei Monate lang telefonierten Vossen und Barbara fast jeden Tag. „Meine Mutter bekam zu diesem Zeitpunkt schon große Panik—sie schrie ihn an und weinte am Telefon”, sagt Katherine. Barbaras Bank bot daraufhin an, nachzuforschen, warum diese große Zahlung nicht ankam. „Das erzählte sie Felix, und es bereitete ihm große Sorgen”, sagt Katherine. „Ich würde sagen, das war das erste Mal, dass sein Verhalten für uns völlig unerwartet kam und wir uns deswegen sehr unwohl gefühlt haben.” „Miss You Already — Hollywood producer disappears with millions”, ein Video, das eine Gruppe von Vossens betrogenen Investoren auf YouTube hochgeladen hat Seit Vossens Verschwinden ist für die Betrogenen kaum etwas gut gelaufen. Viele seiner Opfer wollen nicht namentlich genannt werden, weil sie öffentliche Bloßstellung und weiteren Schaden befürchten, und es gibt unter ihnen große Uneinigkeit, wie das Geld am besten wiederzubeschaffen ist—und inwieweit die Öffentlichkeit in diesen Prozess eingebunden werden sollte. Tom Trotter ist der Meinung, sie hätten mit einer aggressiveren Kampagne mehr Erfolg gehabt und sie hätten sobald wie möglich an die Öffentlichkeit gehen und nicht bis letzten Oktober warten sollen. Auch ist man sich uneinig, ob eine Belohnung für Erfolg bringende Hinweise versprochen werden sollte. Privatermittler sind als zu teure Option verworfen worden. Felix Vossen könnte überall sein, und er hat sich alle Mühe gegeben, keinen Hinweis darüber zu hinterlassen, wohin er geflohen sein könnte und wie viel Geld er zu dem Zeitpunkt noch zur Verfügung hatte. Laut Kreditkartenabrechnungen, die in der Woche nach seinem Verschwinden bei Embargo Films eintrafen, hatte Vossen einen Lagerraum, mit dessen Leerung er eine Umzugsfirma beauftragt hatte. Außerdem bezahlte er sie dafür, „genau um die Zeit seines Verschwindens eine Menge Dokumente zu vernichten”. VIDEO: Wakaliwood — Die neue Welle des ugandischen Actionkinos Ob Vossen für immer auf der Flucht bleiben kann, ist eine Frage, auf die bisher niemand eine Antwort hat, doch aktuell scheint er damit gut zu fahren. Er wurde in der gesamten Zeit erst einmal gesichtet, und dieser Vorfall wird noch von der Polizei untersucht, weswegen sie dazu keinen Kommentar abgeben kann. Seine Opfer sind sich uneinig, was die Wahrscheinlichkeit einer Festnahme angeht. Manche meinen, natürlich werde Vossen irgendwann gefunden, immerhin sei es das 21. Jahrhundert und es gebe immer einen Weg, jemanden zu verfolgen, ob durch ausgegebenes Geld, verwendete Telefone oder besuchte Websites. Irgendwann muss Vossen doch einen Fehler machen! Andere sind da nicht so optimistisch. Für viele dreht sich alles nun um den langen Prozess, ihr Leben wieder aufzubauen. Sie werden ständig von der Erinnerung an Felix Vossen heimgesucht, einen Mann, den sie geliebt und in ihr Leben gelassen hatten und der sie dafür manipuliert und betrogen hat. „Ich träume ziemlich häufig von ihm”, sagt Katherine Crawley. „Ich sehe in meinen Träumen, wie er lächelt. Sein Gesicht war wie zum Lächeln gemacht.”
Oliver Hotham, Collagen von Marta Parszeniew
[ "Betrug", "Deutschland", "Embargo Films", "Felix Vossen", "Filmproduzent", "geld", "großbritannien", "Investitionen", "schneeballsystem", "Schweiz", "Stuff", "Vice Blog" ]
2015-11-23T05:00:00+00:00
2024-07-31T01:18:30+00:00
https://www.vice.com/de/article/nn5mew/dieser-filmproduzent-hat-seine-freunde-um-millionen-betrogen-und-ist-nun-auf-der-flucht-000
Dank Corona: Das Geschäft mit Sexpuppen boomt
Neben Amazon und Netflix gehören auch Hersteller von Sexpuppen zu den großen Pandemie-Gewinnern. Viele Menschen isolieren sich zu Hause, Sexarbeit ist verboten oder nur unter großen Einschränkungen möglich. Kein Wunder also, dass  das Interesse an hyperrealistischen Silikongefährtinnen und -gefährten so hoch ist wie noch nie. Aber es sind nicht nur einsame Singles, die der Branche einen Boom bescheren. Eine Reihe australischer Sexpuppenhersteller und Vertriebe bestätigt gegenüber VICE, dass die Verkäufe dort seit März gestiegen sind. Einige Händler verzeichnen sogar doppelt so viele Bestellungen pro Woche wie vor dem Corona-Ausbruch. Auch in Deutschland und Österreich sind die Puppen gefragt wie nie. “Seit Corona haben wir eine signifikanten Verkaufsanstieg unserer Sexpuppen bemerkt”, schreibt Matt vom Online-Sexshop Cherry Banana VICE in einer E-Mail. “Unsere Cherry-Doll-Verkäufe haben sich seit März verdoppelt. Wir verkaufen jetzt vier bis fünf Puppen pro Woche – das sind 20 bis 25 im Monat.” VICE-Video: Zu Besuch im ersten Sexpuppen-Bordell Europas Auch Andrew von Sex Doll Australia kann Ähnliches berichten. “Seit dem strengen Lockdown in Australien haben wir einen Verkaufsanstieg um 30 bis 40 Prozent erlebt. Das fing etwa im Mai an und hat sich seitdem gehalten.” Andrew ist auch eine überraschende Entwicklung aufgefallen: Immer mehr Paare und Menschen in Beziehungen kaufen Puppen für sich selbst und füreinander. “Verheiratete Männer kaufen weibliche Sexpuppen für sich selbst; Ehepaare kaufen sich gemeinsam Puppen, jeweils eine für jeden Partner, und immer mehr Frauen kaufen männliche Puppen”, beschreibt Andrew die Trends. Vor Corona war es zwar nicht unüblich, dass Paare ihre Beziehung um Silikongefährten erweitern, aber laut Andrew, hat es besonders in diesem Kundenkreis in den vergangenen Monaten ein gesteigertes Interesse gegeben. Matt von Cherry Banana hat in den vergangenen Monaten auch andere ungewöhnliche Kundenwünsche bemerkt: Sexpuppen ohne Genitalien, eine mit einem Schwanz und eine Puppe mit drei Brüsten. “Wir haben auch vermehrt Anfragen für speziell angefertigte Köpfe bekommen”, ergänzt er. Aber Corona hat nicht nur positive Auswirkungen auf das Geschäft. Kirk von Pleasure Dolls Australia sagt, dass zwar die Nachfrage gestiegen sei, die pandemiebedingten Störungen im Logistikbereich hätten jedoch einen großen Einfluss auf den Versand gehabt. Auch die verstärkten Zollkontrollen seit Beginn der Pandemie verzögerten die Einfuhr von Sexpuppen. Insgesamt haben das Coronavirus und die Lockdownregelungen das Geschäft mit lebensechten Partnerinnen und Partnern extrem angekurbelt – für explizit sexuelle Zwecke oder so etwas wie menschliche Nähe. “Wir haben Probleme, bei der Nachfrage hinterherzukommen; die verkaufen sich wie geschnitten Brot”, sagt Ryan vom Online-Sexshop Southern Treasures. “Wir glauben, dass Singles oder Menschen, die allein leben, in diesen Zeiten einfach ein menschenartiges Konstrukt in ihrer Nähe haben wollen. Durch Gespräche mit unseren Kunden wissen wir, dass unsere Puppen neben ihren sexuellen Einsatzmöglichkeiten tatsächlich emotionale Geborgenheit bieten.” Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
[ "Australien", "Coronavirus", "Sexpuppen" ]
Sex
2020-08-19T11:32:37+00:00
2024-08-12T07:24:53+00:00
https://www.vice.com/de/article/7kpmpb/dank-corona-das-geschaft-mit-sexpuppen-boomt
Hunderte kleine Kinder wurden seit dem Ausbruch der Gewalt in Myanmar getötet
Dieser Artikel ist zuerst auf VICE News erschienen. 734. Das sei allein die Zahl der Kinder unter fünf Jahren, die im ersten Monat seit Beginn der brutalen Offensive gegen die muslimische Minderheit in Myanmars Provinz Rakhaing-Staat getötet wurden, heißt es in einem Bericht der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Zwischen dem 25. August und dem 24. September sollen demnach mindestens 6.700 Rohingya gewaltsam ums Leben gekommen sein. Die Zahlen sind noch vorsichtige Schätzungen. Sie basieren auf sechs großes Umfragen, die die Hilfsorganisation unter den vertriebenen Rohingya in Cox’s Bazar, Bangladesch, durchgeführt hatte. Dort leben momentan über 600.000 Menschen, die vor den Sicherheitskräften ins nördliche Nachbarland geflohen sind. Ärzte ohne Grenzen sagt, dass die tatsächlichen Zahlen wahrscheinlich noch viel höher sind. Auch von VICE: Cash for Kim – Wie sich nordkoreanische Zwangsarbeiter in Polen zu Tode schuften können Um sich ein Bild vom Ausmaß der aktuellen Krise zu machen, befragte die Hilfsorganisation jeden Haushalt zu getöteten Familienangehörigen. Hochgerechnet auf die ganze Rohingya-Bevölkerung ergibt sich ein erschreckendes Bild der Gewalt, der die verfolgte Minderheit ausgesetzt war. Die Zahlen sind erschütternd. Der Großteil der gewaltsamen Tötungen – 69,4 Prozent – geschah durch Erschießen. Fast 9 Prozent wurden lebendig in ihren Häusern verbrannt, 5 Prozent zu Tode geprügelt, 2,6 Prozent starben durch sexuelle Gewalt und 1 Prozent durch Landminen. Auch kleine Kinder wurden nicht verschont. Fast 60 Prozent der getöteten Kinder unter fünf Jahren wurden erschossen, 15 Prozent verbrannten in ihren Häusern und über 2 Prozent starben durch Landminen. Diverse Berichte verschiedener internationaler Hilfsorganisationen – inklusive der Vereinten Nationen – kamen zu dem Ergebnis, dass Myanmars Sicherheitskräfte systematisch getötet, gefoltert, vergewaltigt und Brände gelegt haben, um die Rohingya permanent aus Rakhaing-Staat zu vertreiben. Der UN-Menschenrechtskommissar spricht von einem aufkeimenden Genozid. Fehlender Zugang zu den betroffenen Gebieten lässt den Vertretern nichts anderes übrig, als grobe Schätzungen über die wahren Ausmaße der Gewalt anzustellen. Ein führender UN-Vertreter geht davon aus, dass allein in den ersten zwei Wochen der Offensive mindestens 1.000 Rohingya getötet wurden – diese Zahl sei aber sehr wahrscheinlich noch viel höher. Ein Bericht von Human Rights Watch vom letzten Monat dokumentiert, wie Myanmars Sicherheitskräfte systematisch Vergewaltigungen von Rohingya-Frauen und -Mädchen als Teil ihrer Strategie einsetzten. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Tim Hume
[ "Ärzte ohne Grenzen", "Bangladesch", "Genozid", "Médecins Sans Frontières", "Menschenrechte", "Minderheit", "mord", "Myanmar", "News", "Politik", "Rakhaing-Staat", "Rohingya", "Vergewaltigung", "VICE News", "Völkermord" ]
2017-12-15T12:31:13+00:00
2024-07-30T21:09:55+00:00
https://www.vice.com/de/article/hunderte-kleine-kinder-wurden-seit-dem-ausbruch-der-gewalt-in-myanmar-getotet/
Wir haben mit Entwicklern von Spielen geredet, die nie jemand spielen sollte
Steam ist ein Schrottplatz. Fast 40 Prozent aller Spiele auf der weltweit größten Games-Download-Plattform sind erst im vergangenen Jahr erschienen. Den größten Teil der Spieleflut kann man getrost als absoluten Schund bezeichnen: ein Mayonnaise-Glas-Klickspiel, ständig abstürzende Zombie-Shooter, Panzer, die geräuschlos im Sand versinken. “Fake Games” und “Fake-Entwickler” seien eine echte Plage und müssten aufgehalten werden, da ist sich Valve, die Firma hinter Steam, sicher. Denn, so schreiben die Macher der Plattform: In der Schrottflut würden gute Spiele untergehen, während die Fake-Entwickler reich werden. Ihr Geheimnis: digitale Sammelkarten. Die Karten, die sich Gamer durchs Spielen verdienen, können nämlich auch über Steam weiterverkauft werden. Und genau so verdienen die Fake-Entwickler mit und scheffeln auch ohne ein halbwegs vernünftiges Produkt ordentlich Einkünfte, sagt Valve. Kann das stimmen? Wie die Spieleentwickler auf die Vorwürfe von Valve reagieren, lest ihr im vollständigen Artikel auf Motherboard.
Dennis Kogel
[ "Entwickler", "Fake Games", "Gaming", "Gewinn", "Motherboard", "Steam", "Valve" ]
2017-06-05T13:00:00+00:00
2024-07-30T20:09:16+00:00
https://www.vice.com/de/article/wir-haben-mit-entwicklern-von-spielen-geredet-die-nie-jemand-spielen-sollte1/
Alle wichtigen Ereignisse vom Urknall bis heute in einer interaktiven Timeline
Jeder von uns hat wahrscheinlich schon einmal einen Sonntagabend im Kaninchenbau Wikipedia verbracht und sich gefragt, wie zur Hölle man plötzlich über Absurditäten wie Titelmühlen Bescheid weiß, obwohl man doch nur schnell nachschauen wollte, wann der Tatortkommissar Geburtstag hat. Die Online-Enzyklopädie macht Spaß, aber einzelne Themenbereiche und ihre zeitliche Einordnung sind kontextuell oft schwierig zu greifen. Wäre es nicht schön, den Überblick zu behalten statt von einer fiesen Textwüste erschlagen zu werden? Interactive Designer Matan Stauber hat unsere Gebete erhört und in seiner Abschlussarbeit für die Jerusalemer Bezalel Academy of Arts and Design umgesetzt: Histography.io ist eine interaktiv aufbereitete Zeitleiste geschichtlicher Vorkommnisse, die Inhalte kontextualisiert, wunderschön aussieht und auch noch richtig Spaß bei der Benutzung macht (zumindest, wenn man die Browser Safari oder Chrome verwendet). Diese erschütternde Animation zählt alle Toten des 2. Weltkriegs Jedes Pünktchen auf Histography.io steht dabei für ein Ereignis aus Wikipedia, das es zu entdecken gilt und von audiovisuellem Material begleitet wird. Im Startmodus siehst du eine Ära von 400 Jahren auf einen Blick. Über die interaktive Leiste am unteren Rand des Bildschirms kannst du diese angezeigte Zeitspanne selbst verändern und bestimmte Epochen näher untersuchen. Inhaltliche Kategorien am linken Rand helfen euch, Ereignisse nach Gebieten zu sortieren. Guckt euch zum Beispiel nur das 19. Jahrhundert in den Kategorien Krieg und Entdeckungen an. Staubers brilliant visualisierte Arbeit lässt euch thematisch relevante Videos direkt in der Oberfläche anschauen (wie so oft empfiehlt es sich dabei, das in einem kostenlosen VPN wie Hotspot Shield zu tun, damit die GEMA nicht den Spaß verdirbt). In einem weiteren Modus namens „Stories” kannst du dann in die Geschichte wie in einen Tunnel eintauchen. Wann wurde die erste Disco eröffnet? Wie breitete sich die Pest in Europa aus und wie hieß das erste geklonte Schaf? Klickst du auf ein Ereignis, kannst du die Einträge anschauen, die mit dem Thema verwandt sind. Histography.io—nicht zu verwechseln mit dem biographischen Blogtool Histography.com— updatet sich ganz von selbst, erstreckt sich über 14 Milliarden Jahre und bleibt doch stets übersichtlich. Stauber hat ein brillantes Stück Content erschaffen, von dem sich dröge E-Learning-Oberflächen eine fette Scheibe abschneiden sollten. Viel Spaß!
Theresa Locker
[ "Animation", "Daten", "Datenvisualisierung", "Digitalisierung", "geschichte", "Internet", "Kultur", "Motherboard", "motherboard show", "Tech" ]
Tech
2015-10-12T11:34:00+00:00
2024-07-31T01:48:22+00:00
https://www.vice.com/de/article/interaktive-timeline-zeigt-dir-alle-wichtigen-ereignisse-vom-urknall-bis-heute-555/
Rick Burger fotografierte drei Jahre lang die Berliner Fetisch-Szene
Der Fotograf Rick Burger lebt in Berlin und fotografiert meistens Mode. Die Models seines letzten Projekts waren aber Berliner Fetischisten. Drei Jahre lang fotografierte er Menschen in Ketten, Gummimasken, Latex und Leder. Herausgekommen sind sehr eindringliche Porträts, die an die berühmte Serie “In the American West” von Richard Avedon erinnern. Für dieses Projekt fotografierte Avedon—eigentlich ein Modefotograf—ungewöhnliche Menschen mit einer Großformatkamera in Schwarz-Weiß. Die Ähnlichkeit sei keine Absicht gewesen, sagt Rick Burger, aber auch er habe versucht, auf seinen Fotos vor allem die Persönlichkeiten der Menschen festzuhalten. Wir haben mit Rick darüber gesprochen, warum ihn die Fetisch-Szene fasziniert. Alle Fotos: Rick Burger VICE: Wo hast du die Leute kennengelernt, die du fotografiert hast?Rick Burger: In meinem Datingprofil auf GayRomeo stand die Beschreibung meines Projekts. Viele meldeten sich von sich aus bei mir, ein paar Menschen schrieb ich auch an. Ich habe mich aber auch auf Fetisch-Partys im Lab.Oratory rumgetrieben und mich bei Fetisch-Gruppen, wie dem Berliner Leder- und Fetischverein, gemeldet. Die Fetischisten sind sehr gut organisiert, es gibt für jede erdenkliche Vorliebe Gruppen: Leder, Gummi, Doggy, Sneakers, Skin, Windel, Kettenhemden, Wolle. Bist du auch privat in der Fetisch-Szene?Nein, aber ich bin schwul, wie die meisten meiner Protagonisten. Diese Menschen und ihre Fetische interessieren mich sehr, weil sie auf Fotos Tiefe, Ehrlichkeit und Verletzlichkeit zeigen—und damit Authentizität. Sie müssen oft ihre Vorliebe verstecken. Ein großer Teil unserer Gesellschaft versteht Fetische nicht. Die Fetischisten hatten sehr unterschiedliche Existenzen. Sie kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Einer trug seinen Keuschheitsgürtel aus Stahl unter seiner Anzugshose, wenn er zur Arbeit ging. Wie empfandest du die Fetisch-Szene?Ich fand sie sehr demokratisch. Der soziale Status und die Äußerlichkeit spielen eine untergeordnete Rolle. Was zählt, ist, worauf du stehst. Der Fetisch ist eine Art Magnet: Er zieht die unterschiedlichsten Kerle an. Gab es Fetische, die für dich schwer zu fotografieren waren?Ja. Einmal sollte ich eine Cock-Ball-Torture-Session fotografieren, übersetzt heißt es: Foltern von Schwanz und Eiern. Der Master holte ein Holzbrett, einen Hammer und einen dicken, zwölf Zentimeter langen Nagel. Der sollte in die Eichel des passiven Partners genagelt werden, in die Öffnung, wo sonst sein Prinz-Albert-Piercing war. Das konnte ich nicht mit anschauen. Ich habe selbst einen Penis, ich weiß, wie empfindlich er ist. Du hast die beiden also gar nicht fotografiert?Doch, aber ich habe zwei Jahre gebraucht, bis ich dafür bereit war. Dann habe ich es geschafft, die nötige Distanz aufzubauen, den Penis als ein Objekt zu sehen. Mit den beiden habe ich dann mein nächstes längeres Projekt gemacht. Ich habe fotografiert, wie der Mann sich Rosenstiele samt Dornen in die Harnröhre gesteckt hat, Brennnessel oder ein Messer. Oder eine ganze Aubergine in den Anus. Diese Bilder werde ich ab April in der Galerie Denker&Schneider zeigen. Zuvor ist dort mein 2 mal 4,8 Meter großes Gruppenbild von Fetischisten zu sehen. Du hast drei Jahre lang Fetische fotografiert. Was hast du in der Zeit gelernt?Ich habe gelernt, dass die Dinge oft nicht so sind, wie sie aussehen. Wenn man zum Beispiel einen Sadisten und einen Masochisten anschaut, nimmt man zuerst mal an, dass der Sadist derjenige mit mehr Macht ist. Aber so ist es nicht: Der Masochist ist es ja, der die Grenzen bestimmt. Er legt fest, wie weit der andere gehen kann und sitzt sozusagen am Steuer.
VICE Staff
[ "BDSM", "Berlin", "Fetisch", "Fotograf", "Fotografie", "Kunst", "Portrait", "Sex", "Stuff", "Vice Blog" ]
Sex
2016-11-10T09:46:00+00:00
2024-07-30T22:32:39+00:00
https://www.vice.com/de/article/dieser-mann-fotografierte-drei-jahre-lang-berliner-fetischisten/
Wie Ajax-Ultras ihr Team zum wichtigsten „Klassieker” seit Jahren verabschieden
Wie auch die niederländische Nationalmannschaft befindet sich Ajax Amsterdam zurzeit in einer Sinnkrise. Nachdem ihnen am letzten Spieltag der vergangenen Saison die Meisterschaft vom PSV Eindhoven entrissen wurde, scheint der Gedanke daran die Mannschaft weiterhin zu hemmen. Dass Auswärtsfans bei dem Derby nicht erlaubt sind, macht die Situation auch nicht gerade leichter. Daher wussten die Fans, dass ihr Team vor „de Klassieker” gegen Feyenoord Rotterdam nochmal eine Extramotivation gebrauchen könnte, wenn es im Stadion schon nicht möglich sein würde. Den Ajax-Anhängern schmeckte es nämlich überhaupt nicht, dass der verhasste Erzfeind nach neun Spieltagen sämtliche Begegnungen für sich entscheiden konnte und der Vorsprung auf die Hauptstädter bereits fünf Punkte betrug. Schon beim Abschlusstraining zeigten die Ajax-Supporter mit Pyros und Gesängen, dass sie nur einen Derbysieg erwarten Die Mannschaft um Davy Klaassen und Anwar El Ghazi schien auf Grund des gebotenen Spektakels einerseits beeindruckt, andererseits aber auch etwas irritiert. Schätzungsweise hatte die junge Mannschaft noch nie etwas Vergleichbares beim Training erlebt. Auf dem Weg nach Rotterdam gab es sogar noch eine Zugabe: Als der Mannschaftsbus das Vereinsgelände in Richtung „de Kuip” verlies, warteten dort wieder feiernde Fans mit Bengalos auf ihr Team. Am Ende half jedoch nichts. Ajax konnte dem Tabellenführer nur ein enttäuschendes 1:1 abringen. Dirk Kuyts Ausgleichstreffer in der 85. Minute wird die Euphorie vorerst gebremst haben. Allerdings konnte der 19-jährige Kaspar Dolberg mit seinem Führungstreffer in die Fußstapfen dänischer Toptalente im Ajax-Trikot, wie Christian Eriksen oder Viktor Fischer, treten.
VICE Sports
[ "Ajax Amsterdam", "de klassieker", "dirk kuyt", "eredivisie", "fans", "feyenoord rotterdam", "Fußball", "Highlights", "niederlanden", "Sports", "VICE Sports" ]
2016-10-24T09:20:00+00:00
2024-07-30T23:48:18+00:00
https://www.vice.com/de/article/wie-ajax-ultras-ihr-team-zum-wichtigsten-klassieker-seit-jahren-verabschieden/
Lehrer schaltet Schüler-Smartphones per Störsender aus und wird suspendiert
Wenn die Schüler mir nicht mehr zuhören und stattdessen ihre volle Aufmerksamkeit dem Smartphone widmen, dann drehe ich ihnen halt einfach den Saft ab, dachte sich Highschool-Lehrer Dean L. aus Florida. Der ehemalige Wrestler, der jetzt Naturwissenschaften unterrichtet, fackelte nicht lange und bestellte auf Amazon einen Störsender. Nach dem Studieren mehrerer YouTube-Tutorials wusste er dann auch schnell, wie man das Teil zu seinen Zwecken einsetzt und platzierte ihn in seinem Klassenzimmer. Eingestellter Radius: Zehn Meter. In der Klasse von Dean L. gab es fortan keinen Empfang mehr. Mehr übermotivierte Didaktik: Lehrer brennt Schülern Smileys in den Arm, um die Kraft der Teslaspule zu demonstrieren Drei Tage ging die Sache gut. Dann benachrichtigte der Mobilfunkanbieter die Schule. Drei Tage lang ging die Sache gut, dann bemerkte der Mobilfunkanbieter Verizon die Signalstörung des Funkturms auf dem Schulgelände und benachrichtigte die Schule. Deren Direktor wendete sich an die Schulbehörde, mit der Bitte, Mr. L. für fünf Tage zu beurlauben—unbezahlt. L. nutzte die Zeit, um sich schriftlich gegenüber Schule und Eltern zu erklären: „Ich habe das Gerät benutzt, damit sich die Schüler auf die akademischen Inhalte konzentrieren. Es ist kontraproduktiv, wenn ich einem Schüler sein Handy wegnehmen muss oder ihm sagen muss, dass er es weglegt. Die Schüler verlieren dann ihren Fokus. Es ist auch kontraproduktiv, wenn ich ein Handy einsammle, es dann in die Verwahrungsbox lege und dort lasse. So sagt es unsere Schulordnung. Wenn ein Schüler sich weigert, sein Handy herauszugeben muss ich einen Verweis schreiben. Wenn ein Schüler zu viele Verweise sammelt, kann er nicht mehr an außerunterrichtlichen Aktivitäten der Schule teilnehmen. Diese halte ich aber für die akademische Entwicklung sehr wichtig.” Foto: cellphonejammers.net Der Lehrer erklärte außerdem, er habe sich vor dem Einsatz des Störsenders bei der Polizei versichert, dass er mit der Anschaffung und dem Betrieb des Geräts gegen keine Gesetze verstoße. Sie würden in vielen Universitäten, Schulen, Kirchen und Geschäften eingesetzt. L. war bereits vor zwei Jahren von der Schulbehörde ermahnt worden, weil er die Frage eines Physiktests nach Meinung einiger Eltern etwas zu forsch formuliert hatte: „Ein Auto fährt mit einer Geschwindigkeit von 100 Metern/Sekunde und einer Bewegungsmenge von 800 kg pro Meter pro Sekunde über ein Baby. Welche Masse hat das Auto?”
Johannes Hausen
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Tech
2015-06-04T10:01:00+00:00
2024-07-31T01:43:33+00:00
https://www.vice.com/de/article/lehrer-schaltet-schueler-smartphones-per-stoersender-aus-und-wird-suspendiert-998/
Durch eine Krankheit bin ich dauererregt: So habe ich Sex
Es gibt eine medizinische Störung, die Menschen dauerhaft in sexuelle Erregung versetzt. Überwiegend sind Frauen davon betroffen. Was auf den ersten Blick wie die Rahmenhandlung eines Pornos klingt, ist für die Betroffenen ein Albtraum. Die fortbestehende genitale Erregung, Persistent Genital Arousal Disorder, kurz PGAD ist eine der wohl am meisten missverstandenen Störungen der Welt. In Wahrheit ist nämlich nichts daran sexy. Sexuelle Erregung ohne Lust ist in der Regel vor allem irritierend und kann, wenn sie länger anhält, schmerzhaft werden. Auch wenn manche Menschen mit PGAD masturbieren oder regelmäßig Sex haben, sind sie nicht hypersexuell, sondern versuchen, die Symptome zu lindern. Dabei verschaffen die Orgasmen Betroffenen selten mehr als ein paar Minuten Erleichterung. Bei manchen können sie das Gefühl sogar verschlimmern. Viele Menschen mit PGAD beginnen deswegen auch, sexuelle Erregung und Stimulation mit Angst und Schmerz zu assoziieren, manche hören sogar komplett auf, Sex zu haben. In der Medizin ist PGAD erst seit etwa 20 Jahren als eigenständige Störung anerkannt. Bislang gibt es noch keinen Konsens darüber, wie weit sie verbreitet ist, was sie verursacht oder wie man sie behandelt. Obendrein beschreiben Betroffene die Störung extrem unterschiedlich: Manche haben ständig spürbare Symptome, andere erleben sie in Episoden, die Stunden, Tage oder Wochen andauern können. Einige haben spontane Orgasmen, andere können gar nicht mehr kommen. Bei manchen sind nicht nur die Genitalien betroffen, sondern auch die Brüste, der Anus oder der ganze Schambereich. Es gibt Betroffene, die trotz Symptomen ihren Alltag bewältigen können, andere hingegen sind dadurch extrem eingeschränkt, können nicht arbeiten oder sind sogar unfähig, sich Essen zu kochen. Entsprechend schwer kann es sein, eine Ärztin zu finden, die mit der Störung vertraut ist – oder die Symptome überhaupt ernst nimmt. Die mentalen Auswirkungen der Störung sind potenziell immens und können schwere Folgen für die Beziehungen und das Sexleben der Betroffen haben. Bei Selena, die in Wahrheit anders heißt, wurde vor mehreren Jahren PGAD diagnostiziert. Hier erzählt sie mit ihrem Mann Greg, wie sich die Krankheit auf ihre Beziehung und ihr Sexleben ausgewirkt hat. Auch von VICE: Geschmackssinn oder Orgasmus – Auf was kannst du verzichten? Selena: Vor einigen Jahren bin ich ganz normal schlafen gegangen und dann mit einem extremen – also wirklich extremen – Erregtheitsgefühl aufgewacht. Ich spürte es vor allem in meiner Klitoris, genauer gesagt: der rechten Seite meiner Klitoris. Es war, als wäre ich ganz kurz vorm Orgasmus. Ich hatte keine Ahnung, was los war. Ich habe unter der Dusche versucht, die Erregung loszuwerden. Aber nachdem ich einen Orgasmus hatte, spürte ich überhaupt keine Erleichterung. Im Gegenteil, es wurde nur schlimmer. Ich habe 15-, vielleicht 20-mal probiert, die Erregung mit einem Orgasmus loszuwerden, aber es hat nie geholfen. Das Verlangen zu masturbieren ist unfassbar intensiv, aber es ist eine Falle. Danach habe ich mir Eis auf die Genitalien gelegt, um das Gefühl loszuwerden. Ich schnitt mir Lidocain-Pflaster klein, die ich eigentlich gegen Rückenschmerzen benutze, und habe sie draufgelegt. Aber nichts half, das Gefühl ging einfach nicht weg. Es war ständig da, den ganzen Tag und die ganze Nacht. Es war so schlimm, dass ich nicht schlafen konnte. Irgendwann bin ich schluchzend zusammengebrochen. Greg: Ich wusste, dass Selena irgendetwas Unangenehmes durchmachte. Aber sie sagte mir anfangs nicht, was los war. Ich verstand also nicht wirklich, was in ihr vorging oder was sie fühlte. “Nach dieser Erfahrung wollte ich sogar nie wieder zu einem männlichen Arzt.” Selena: Ich bin nicht religiös, aber ich bin in einem religiösen Haushalt aufgewachsen und habe eine Menge Scham zu allem eingetrichtert bekommen, was mit Genitalien zu tun hat. Das hat es mir schwer gemacht, darüber zu reden. Greg: Ich habe versucht, sie zu fragen, wie ich helfen kann. Ich habe ihr alles besorgt, wonach sie gefragt hat, aber am Ende konnte ich nicht viel mehr tun, als einfach für sie da zu sein – und zu versuchen zu verstehen, was los ist. Selena: Nachdem das mehrere Tage ohne Unterbrechung so weitergegangen war, entschied ich mich, einen Arzt aufzusuchen und ihm zu sagen, was los ist. Er lachte nur und sagte, dass mein Mann ein Glückspilz sei. Er wünschte, seine Frau würde auch kriegen, was auch immer ich da habe. Dann wurde er plötzlich sehr ernst und sagte, dass ich nicht mit Kindern arbeiten solle, ich sei eine Gefahr für sie. Natürlich bin ich nie wieder zu diesem Arzt gegangen. Nach dieser Erfahrung wollte ich sogar nie wieder zu einem männlichen Arzt. Das hat mich wirklich traumatisiert. Nach ein paar weiteren Tagen mit anhaltenden Symptomen zog ich ernsthaft in Erwägung, mich selbst zu verstümmeln. Ich wollte mir eine Schere nehmen und meine externen Genitalien abschneiden. Ich begann, über Sterbehilfe zu recherchieren. Ich wollte nicht sterben, aber ich wollte nicht für immer in diesem Zustand leben. Seitdem habe ich erfahren, dass Menschen mit dieser Störung tatsächlich häufiger Suizid begehen. Greg: Ich erinnere mich nicht mehr genau, wann Selena begann, mir zu erzählen, was in ihr vorging. Aber als sie dann von Sterbehilfe sprach, wurde mir klar, wie sehr sie litt. Selena: Zwei Wochen nach meiner schlechten Erfahrung mit dem Arzt nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und rief eine Ärztin aus der Gegend an. Um mit ihr sprechen zu können, musste ich natürlich erst ihrer Rezeptionistin sagen, was los ist. Ich konnte sie am anderen Ende kichern hören. Die Ärztin selbst hatte nie von einer derartigen Störung gehört, aber sie sagte zu mir: “Ich werde Ihnen jemanden suchen, der sich damit auskennt. Und Sie werden mit keinen Rezeptionistinnen mehr darüber sprechen. Sie werden deswegen keine weiteren Erniedrigungen mehr ertragen müssen.” Drei Tage später rief sie mich zurück und sagte, dass sie eine Ärztin gefunden habe, die mir vielleicht helfen könne. Da habe ich auch angefangen, offener mit Greg darüber zu sprechen, was bei mir vorging. Greg: Ja, weil diese Ärztin im Detail erklären konnte, was los war. Selena: Am Ende hatte ich ein dreiköpfiges Ärztinnen-Team. Es hat Monate gedauert und es war echt schwer, die Versicherung dazu zu bringen, die Kosten zu tragen. Aber sie konnten eine Ursache für meine PGAD feststellen: verlängerte Einnahme der Fluorchinolon-Antibiotika Cipro und Levaquin. Greg: Im Jahr davor hatte Selena eine schwere Divertikulitis, eine Dickdarmerkrankung, und musste mit Unterbrechungen zwei Wochen im Krankenhaus verbringen. Da hat sie intravenös diese Mittel bekommen. Und dann musste sie es noch einmal mehrere Tage nach einer Operation nehmen. Selena: Der Doktor, der über meine PGAD-Symptome gelacht hat, hat Cipro verschrieben wie Bonbons. Entzündete Nebenhöhlen? Hier ist Cipro. Harnwegsinfekt? Cipro! Ich bin besonders anfällig für Blasenentzündungen, entsprechend oft hat er mir Cipro verschrieben. Ich habe über die Jahre auch andere Nebenwirkungen gehabt wie Sehnenrisse, Verschlechterung meines Sehvermögens, Probleme mit den Zähnen. Meine Ärztinnen erklärten mir, dass die Medikamente die Markscheide um meinen Schamnerv zerstört hatten. Der Nerv war dadurch dauergereizt und sendete ständig Signale. “Ich kann keine enge Kleidung tragen oder Rad fahren, weil das meinen Schambereich stimuliert und meine Symptome wieder aufflammen lässt.” Die Ärztinnen haben mir dann ein Implantat zur Rückenmarkstimulation eingebaut, einen Medikamentencocktail verschrieben und mir empfohlen, oberflächlich Lidocain anzuwenden, um die Symptome zu mildern. Ich habe dazu noch mit Beckenbodentraining angefangen, weil die Symptome dazu führen, dass sich mein Beckenboden verkrampfte und ich einen Art Muskelkater hatte. Ich kann keine enge Kleidung tragen oder Rad fahren, weil das meinen Schambereich stimuliert und meine Symptome wieder aufflammen lässt. Acht Monate, nachdem meine Symptome begonnen hatten, fanden wir endlich die richtige Mischung aus Therapieansätzen, um mich auf der Schmerzskala von einer unerträglichen zehn auf eine aushaltbare zwei zu bringen. Meine Ärztinnen sagen zwar, dass ich wahrscheinlich den Rest meines Lebens mit diesen Symptomen leben werde, aber ich habe sie jetzt unter Kontrolle. In diesen acht Monaten war ich so fokussiert auf den Schmerz, dass ich nicht mal ansatzweise darüber nachdenken konnte, was dieser Zustand für meine Beziehung mit Greg und unser Sexleben bedeuten würde. Ich bin eine sehr leidenschaftliche Person und vor der Krankheit liebte ich es einfach, mit Greg Liebe zu machen. Sobald die Symptome besser wurden, begann ich, wieder über Intimität nachzudenken. Irgendwann entschieden wir uns dann, Sex miteinander zu versuchen. Ich hatte allerdings solche Angst davor, dass dadurch meine Symptome wieder aufflammen würden, dass ich einfach nur steif dalag. Greg ist das natürlich nicht entgangen. Greg: Ich hatte das Gefühl, unfassbar vorsichtig sein zu müssen und Selena nicht zu sehr zu stimulieren, um ihre Symptome nicht zu triggern. Aber es ist nicht leicht, auf diese Art Sex zu haben. Und ich merkte währenddessen, wie sie immer wieder zusammen zuckte und ihr Gesicht zu Grimassen verzog. Es war … Selena: Grob gesagt, es fühlte sich für Greg wahrscheinlich an, als würde er mich vergewaltigen. Es war für keinen von uns toll. Greg: Ja, das beschreibt es ziemlich gut. Selena: Ich habe solche Angst davor, dass durch Stimulation meine Symptome schlimmer werden, dass ich es nicht ertrage, in irgendeiner Art berührt zu werden, die mich erregen könnte. Wir können uns küssen und kuscheln, aber ich will nicht, dass meine Brüste berührt werden oder eine Hand zwischen meine Beine geht. Die Krankheit hat mir die Möglichkeit genommen, mit meinem Mann intim zu sein – einem Mann, den ich aus tiefstem Herzen liebe. “Und ich finde die Vorstellung, dass Greg unter der Dusche alleine masturbiert, beinahe abstoßend.” Vor der ganzen Sache hatten wir ein großartiges Sexleben. Ich habe mich relativ schnell damit abgefunden, dass ich nie wieder einen Orgasmus haben werde. Als mir allerdings klar wurde, dass ich nicht mehr wie gewohnt Sex haben kann, war ich am Boden zerstört. Mir fehlte die Intimität des Sex. Und ich finde die Vorstellung, dass Greg unter der Dusche alleine masturbiert, beinahe abstoßend. Ich will doch noch irgendwie an seinem Sexleben teilhaben. Ich habe dann alles der großartigen Ärztin erzählt, die mir so sehr geholfen hatte. Ich sagte ihr gleich, dass Oralsex bei uns nicht infrage kommt, weil … OK, also Greg ist wirklich gut ausgestattet. Er könnte in Pornos mitspielen. Wir haben in der Vergangenheit Oralsex ausprobiert, aber für uns ist das körperlich einfach nicht wirklich praktikabel. Sie hat dann vorgeschlagen, dass ich eine künstliche Vagina und Gleitgel besorge. Wenn wir jetzt miteinander intim werden, gehe ich nah an ihn heran, er legt seine Arme um mich und ich benutze die künstliche Vagina an ihm. Es ist nicht perfekt, aber es erlaubt uns, weiterhin miteinander intim zu sein, ohne Angst haben zu müssen, dass meine Symptome wieder aufflammen. Ich schätze mich da sehr glücklich, denn ich weiß, dass diese furchtbare Krankheit die Beziehungen und das Sexleben so vieler Menschen zerstört hat. Ich habe das Glück, einen einfühlsamen und hingebungsvollen Partner zu haben. Ich weiß, dass es ihm ernst mit mir ist und er den Willen hat, sich an alles anzupassen. Er ist ein echter Fels in der Brandung. Greg: Ich schätze, ich bin gut darin, Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind. Die Welt ist halt so, wie sie ist. Wenn etwas passiert, können wir immer einen Weg finden. Selena: Ich wünscht nur, es gäbe nicht so viel Stigma um PGAD. Dann könnte ich offen mit anderen Menschen darüber sprechen, ohne dass sie Religion oder anderes Zeug in die Unterhaltung einfließen lassen. Wenn ich Krebs hätte, könnte ich ganz offen darüber sprechen. Aber weil diese Krankheit sich in meiner Klitoris manifestiert, habe ich das Gefühl, einen falschen Namen verwenden und meinen Wohnort geheim halten zu müssen, wenn ich darüber reden will. Greg: Ja, es wäre gut, mit mehr Menschen darüber sprechen zu können, um zu erfahren, wie sie mit der Situation umgehen. Selena: Ich habe vor einigen Jahren eine Facebook-Gruppe von Betroffenen gefunden, die mir gezeigt hat, dass ich nicht allein bin. Viele Menschen mit PGAD denken nämlich genau das. Trotzdem muss unsere Gruppe geheim sein und alle neuen Mitglieder erst interviewen, bevor wir sie zulassen. Manche Menschen denken nämlich immer noch, dass PGAD sexy ist. Die glauben, dass wir ständig Sex brauchen, um uns Erleichterung zu verschaffen. Die Erotisierung dieser Krankheit ist einfach grauenvoll. Folge VICE auf Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.
[ "Beziehung", "Gesundheit", "Orgasmus", "PGAD", "Sexualität" ]
Sex
2022-02-02T14:50:48+00:00
2024-08-12T11:51:53+00:00
https://www.vice.com/de/article/y3vnv7/durch-eine-krankheit-bin-ich-dauererregt-so-habe-ich-sex
10 Fragen an eine Notfallsanitäterin, die du dich niemals trauen würdest zu stellen
Wenn Nora nicht gerade mit Blaulicht zu einem Einsatz jagt, darf sie während der Arbeit sogar schlafen. Auf ihrer Wache gibt es einen Ruheraum und mehrere Betten, in denen sich die Sanitäter während der Nachtschichten ausruhen können. Zu tief dürfe man aber nicht einschlafen, sagt sie. Denn sobald ein Notruf eingeht, muss man innerhalb einer Minute wieder im Krankenwagen sitzen. Nora ist seit fünf Jahren Sanitäterin. Sie hat schon in verschiedenen Städten gearbeitet. Die Probleme, sagt sie, sind aber überall die gleichen. Zu wenig Personal, zu lange Einsatzzeiten. Dafür bilden die Sanitäter unter sich eine verschworene Gemeinschaft. “Der Rettungsdienst ist eine sehr kleine Welt”, sagt Nora. Deswegen möchte sie auch nicht, dass ihre Arbeitgeber und ihre Kollegen hier ihren echten Namen lesen können. Ihr Alter will sie ebenfalls nicht veröffentlicht sehen und auch nicht die Stadt, in der sie im Einsatz ist. Als wir sie fragen, ob ihr ihre Arbeit Spaß macht, zögert sie erst. Dann sagt sie aber doch ja. Wir haben Fragen. VICE: Wie häufig schaltet ihr das Blaulicht ein, um schneller nach Hause zu kommen? Nora: Das habe ich noch nie getan. Es ist auch extrem verrufen. Aber ich habe von Kollegen gehört, die das nicht davon abhält. Ich frage mich immer, weshalb die nicht erwischt werden. Werden wir geblitzt, wird nämlich anschließend überprüft, ob wir auch tatsächlich einen Patienten im Wagen hatten. Das ist schon ziemlich riskant. Und für fünf Minuten meinen Job riskieren – ich würde es nicht tun. Seid ihr mit dem Krankenwagen schon einmal in einen McDrive gefahren?Die passen da nicht rein. Klaut ihr Drogen aus dem Medikamentenkoffer, um sie selber zu nehmen?Es gibt Kollegen, die das machen. Das ist aber viel weniger aufregend, als man denkt. Meistens geht es dabei nur um kleine Dosen Beruhigungsmittel. Mehr würde auffallen. Richtig schwere Sachen wie Morphine können wir sowieso nicht mitgehen lassen. Für die gibt es Übergabeprotokolle. Haben wir etwas verbraucht, müssen wir die leeren Ampullen aufheben und Patient und Medikament notieren. Großartig klauen kann man da nicht. Damit geliebäugelt habe ich aber natürlich schon einmal. Wenn ich sehe, wie Patienten auf die Medikamente reagieren, frage ich mich schon, wie sich die Wirkung wohl anfühlt. Wie viele Sanitäter sind schlechte Autofahrer?Blaulichtfahren muss man lernen. Fahre ich zu langsam, weiß keiner, wo ich hinwill. Fahre ich zu schnell, übersehe ich vielleicht einen Fußgänger, einen Hund oder Fahrradfahrer. Unsere Schlagregel lautet: in der 50er-Zone nicht schneller als 80. Am Schwierigsten ist die Müdigkeit. Nach einer 12-Stunden-Schicht bin ich völlig fertig. Und teilweise schieben wir diese Schichten an vier oder fünf Tagen hintereinander. Das ist körperlich harte Arbeit. Deswegen haben wir auch kaum Kollegen über 60. Am Ende eines Tages muss man sich auf das Autofahren schon ziemlich konzentrieren. Ich hatte einen Kollegen, der in den Sekundenschlaf gefallen ist und mit dem Krankenwagen einen Unfall gebaut hat. Dabei ist aber zum Glück niemanden etwas passiert. Gibt es Menschen, denen du nicht helfen willst?Ja, auf jeden Fall. Natürlich helfe ich jedem und behandle auch jeden gleich. Auch wenn es ein Arschloch ist. Jemand, der betrunken Auto gefahren ist und damit jemanden umgebracht hat, zum Beispiel. Auch dem Typen, der sich verletzt hat, weil er gerade ein kleines Mädchen geschlagen hat, will ich nicht helfen. Ich tue es aber trotzdem. Manchmal machen mich Menschen wütend, die unsere Hilfe gar nicht brauchen. Patienten, die sich Schmerzen einbilden oder panische Betrunkene. Wenn ich über Funk höre, dass jemand reanimiert werden muss, ich selber aber auf dem Weg zu so einer Scheiße bin, dann muss ich mich schon zusammenreißen. Es gibt auch alte Menschen, die anrufen, weil sie einsam sind. Die tun mir leid, aber der Rettungsdienst ist nicht das, was sie brauchen. Was war dein härtester Einsatz?Ich war recht neu im Job, da rief nachts eine Mutter an. Ihr Kind war vielleicht vier Monate alt. Abends hatte sie es noch gestillt und ins Bett gebracht. Als sie ein paar Stunden später nach ihm gesehen hat, hat es nicht mehr geatmet. Davor hat jeder im Rettungsdienst Angst. Kinderreanimationen sind das Schlimmste, was einem passieren kann. Als wir ankamen, haben wir nach dem Kind geschaut und mussten einsehen, dass wir nichts mehr tun konnten. Es war schon zu lange tot. Plötzlicher Kindstod. Ich wusste überhaupt nicht, was ich tun sollte. Die meisten Kollegen brauchen dann ein bisschen Zeit für sich und eine Zigarette. Ich rauche nicht. Ich habe mich also nur ins Auto gesetzt und geheult. An diesem Tag bin ich nach Schichtende nicht nach Hause, sondern zu meiner Mutter gefahren und habe mich von ihr trösten lassen. Sanitäter werden immer wieder angegriffen. Sollte man euch bewaffnen?Nein, auf keinen Fall. Ich glaube nicht, dass uns das helfen würde. Aber man sollte mehr Schutzmaßnahmen ergreifen. Ich habe Kollegen, die nachts mit einer Stichschutzweste arbeiten. Auch ich wurde schon von Besoffenen angepöbelt und Menschen haben gedroht, mich zusammenzuschlagen, sollte ich nicht ihren Anweisungen folgen. Einmal hat mir ein Patient an den Hintern gefasst. Aber ich wurde im Job noch nie verletzt. Einer meiner Kollegen wurde vor ein paar Monaten mit einer Axt angegriffen. Zum Glück ist der schnell genug gerannt. In solchen Situationen können wir nichts anderes machen, als die Polizei zu rufen und zu hoffen, dass die schnell genug ist. Findest du manche Patienten eklig?Ja, aber ich habe dann keine Wahl. Die Gerüche von Urin oder Kotze gehören einfach zum Job. Trotzdem fällt es mir jedes mal schwer, Messis aus ihren Wohnungen abzutransportieren. Bevor ich diesen Job begonnen habe, war mir nicht klar, in was für einem Schmutz Menschen hausen können. Müll und Dreck in allen Zimmern, teilweise kommt man kaum durch. Und mittendrin liegt irgendein Mensch. Häufig haben die offene, eiternde Wunden. Manche sind schon von Maden befallen. Einmal haben wir einen verwahrlosten, älteren Herren abgeholt, der seinen Katheter in einen schmutzigen Putzeimer laufen ließ. Offenbar waren ihm die Plastikbeutel ausgegangen. Dieses Bild hat sich mir eingebrannt. In welchen peinlichen Situationen findet ihr Menschen vor?Gerade bei Sexunfällen müssen mir die Patienten gar nicht mehr erklären, was passiert ist. Der Klassiker sind natürlich Gegenstände, die wundersamerweise im Hintern von Menschen verschwinden. Das passiert häufig. Und da muss man mir auch nicht erzählen, man sei nackt durch das Haus gewandert und habe sich ungünstig hingesetzt. Es gibt aber noch einen weiteren Standard-Unfall. Vielleicht ist das der richtige Moment, darauf aufmerksam zu machen: Mädels, ich weiß, Masturbation ist etwas Tolles. Aber nehmt dafür bitte, bitte keine Flasche. So entsteht nur ein Unterdruck und ihr bekommt das Ding nie wieder raus. Investiert ruhig das Geld in einen Vibrator. Es lohnt sich! Macht dir der Job erst Spaß, wenn es richtig eng wird?Die spannendsten Einsätze sind die, bei denen es den Menschen am schlechtesten geht. Das hört sich schlimm an. Aber es ist am erfüllendsten, zu einem Einsatz zu fahren, bei dem ich alle meine Fähigkeiten unter Beweis stellen kann. Ich werde zwar nicht high vom Adrenalin, aber dass es mir was gibt, muss ich schon zugeben. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Paul Hertzberg
[ "10 Fragen", "blaulicht", "Krankenwagen", "McDonald's", "Messies", "Notfall", "Sanitäter" ]
2018-03-12T08:47:54+00:00
2024-07-30T18:25:59+00:00
https://www.vice.com/de/article/10-fragen-an-eine-notfallsanitaterin-die-du-dich-niemals-trauen-wurdest-zu-stellen/
Der Attentäter von Orlando hatte laut seiner Ex-Frau “homosexuelle Neigungen”
Foto: via Myspace Durch ihren jetzigen Verlobten hat die Ex-Frau des Massenmörders Omar Mateen, der vergangenes Wochenende in einem Homosexuellen-Nachtclub in Orlando 49 Menschen erschoss und 53 weitere verletzte, einem brasilianischen TV-Sender mitgeteilt, Mateen habe “schwule Tendenzen” gehabt. Dies berichtet die New York Post. Sitora Yusufiy, die durch ihren portugiesischsprachigen aktuellen Partner mit dem Sender kommunizierte, behauptete, sie habe gehört, wie Mateens Vater ihn als schwul bezeichnet habe. Weiterhin sagte Yusufiys Partner, das FBI habe “sie gebeten, es nicht den amerikanischen Medien zu erzählen”. Yusufiy hatte zuvor mitgeteilt, Mateen sei “keine stabile Person” gewesen und habe sie regelmäßig geschlagen. Andere, die Mateen kannten, haben sich inzwischen mit Aussagen gemeldet, die zu Yusufiys Behauptungen zu passen scheinen. Unter ihnen war ein ehemaliger Mitschüler Mateens von der Polizeiakademie, welcher der Palm Beach Post gegenüber sagte, Mateen habe ihn um Verabredungen gebeten und sei mit ihm in Homoclubs gegangen. Einige Stammgäste des Pulse—des Nachtclubs, in dem Mateen sein Massaker verübte—behaupten, er sei regelmäßig in den Club gegangen und habe schwule Dating-Apps wie Grindr verwendet. Laut USA Today ermittelt das FBI allerdings noch, ob Mateen bei diesen Clubbesuchen “sein Ziel auskundschaften wollte, oder ob er wirklich Gast des Clubs war”.
VICE Staff
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2016-06-15T08:00:00+00:00
2024-07-30T22:02:18+00:00
https://www.vice.com/de/article/der-attentaeter-von-orlando-hatte-laut-seiner-ex-homosexuelle-neigungen/
“Hitler gefällt das”: So zersägt Böhmermann Xavier Naidoo
Seit einigen Jahren versucht Xavier Naidoo jetzt schon mit aller Kraft, uns darauf aufmerksam zu machen, dass er einen kompletten Knall hat. Jetzt hat er es vielleicht endlich geschafft, dass diese Information auch beim letzten Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ankommt – dank Jan Böhmermann. Die ersten Zeichen waren schon früh zu sehen: als er 2011 im ARD-Morgenmagazin erklärte, Deutschland sei immer noch ein besetztes Land. Oder als er ein Jahr später ein Lied aufnahm, in dem er davon sang, Menschen zu verstümmeln und zu töten, weil sie “keine Möse lieben” (also schwul sind) und sich deshalb wahrscheinlich an Kindern vergreifen. Am Ende des Songs rief er sehnsüchtig nach einem starken Mann, einem “Führer”. Da das offensichtlich aber noch nicht ausreichte, legte Xavier noch einen drauf und erschien 2014 auf diversen Verschwörungsveranstaltungen, allen voran bei einer Reichsbürger-Kundgebung in Berlin, auf der er in einem “Freiheit für Deutschland”-T-Shirt eine Rede hielt. Aber dass Naidoo eine rechte Verschwörungsschleuder geworden war, war einigen offensichtlich noch nicht deutlich genug: 2015 nominierte der NDR den Sänger, Deutschland beim Eurovision Song Contest zu vertreten. Konsequenterweise musste Naidoo noch mehr Gas geben, und mit dem neuen Album der Söhne Mannheims ist ihm endlich der Durchbruch gelungen. Das darauf enthaltene Lied “Marionetten” ist so offensichtlich von neurechtem Gedankengut der stumpfesten Sorte durchsetzt (er reimt “Volksvertreter” auf “Volksverräter” und droht Politikern mit Lynchmord), dass es sogar der Bild auffiel. Den echten Ritterschlag hat Naidoo aber am Donnerstagabend erhalten, als Jan Böhmermann ihm ein eigenes Parodie-Video gewidmet hat. Klar, der Fake-Album-Trailer der “Hurensöhne Mannheims” ist nicht unbedingt subtil. Das “nicht-antisemitische Hit-Album” hat den schönen Namen “Death to Israel”, enthält Lieder wie “20.000 Chemtrails über dem Meer” oder “Alles kann besser werden (Ohne all die Volksverräter auf Erden)”, und wird von Lutz Bachmann und Adolf Hitler empfohlen. Aber gerade weil Xavier Naidoo schon so lange versucht, seine antisemitischen Verschwörungstheorien an den Mann zu bringen, müsste er Böhmermann eigentlich dankbar sein: Die Botschaft ist endlich angekommen. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
VICE Staff
[ "Reichsbürger", "Satire", "verschwörungstheoretiker", "xavier naidoo" ]
2017-05-05T08:25:01+00:00
2024-07-30T19:52:25+00:00
https://www.vice.com/de/article/mgme74/hitler-gefallt-das-bohmermann-zersagt-xavier-naidoo
Ein illustriertes A bis Z der Drogen—Teil 5
​Letzte Woche: ​M b​i​s P ​ Nächste Woche kommt dann das Finale: U bis Z.
Tom Scotcher
[ "Comics!", "Drogen", "Kiffen", "Stoned", "Tom Scotcher" ]
Drogen
2014-11-18T07:40:00+00:00
2024-07-31T03:08:11+00:00
https://www.vice.com/de/article/an-illustrated-a-to-z-of-drugs-part-5-882/
Dogplay: Pfötchen geben im Fetisch-Shop
Pup Leicko, Mister Puppy Switzerland 2016, verkleidet sich nicht nur gerne als Hund, sondern gibt sich dann auch ganz in diese Rolle hinein: Apportieren, rumtollen, aus dem Napf essen, an der Leine gehen – all das gehört für ihn beim Dogplay dazu. Für Jeffrey, wie er eigentlich heisst, steht dabei aber nicht etwa der Sex im Vordergrund. Vielmehr geht es um eine spielerische Art, mit Dominanz und Unterwerfung umzugehen. Folge VICE auf Facebook und Instagram.
VICE Staff
[ "Dogplay", "Dominanz", "Fetisch", "no-ads", "NSFW", "puppy", "Schweiz", "short form", "shortform", "Shortie", "shorties", "video" ]
Sex
2017-06-22T14:58:29+00:00
2024-07-30T20:16:47+00:00
https://www.vice.com/de/article/dogplay-pfotchen-geben-im-fetisch-shop-ch/
Ein Monat unter Toten in einer nepalesischen Tempelanlage
Alle Fotos von Yani Clarke Achtung: Einige Bilder sind recht explizit. Die australische Fotografin Yani Clarke verbrachte einen Monat damit, das Leben und den Tod in Pashupatinath, einer nepalesischen Tempelanlage, zu dokumentieren. Jeden Tag werden dort mehr als 40 Leichen eingeäschert. Trotz der Allgegenwärtigkeit von Tod und Trauer ist Pashupatinath aber kein düsterer Ort. Ihre Fotos sind voll mit Priestern, Affen und Festen. Nichtsdestotrotz ist es natürlich eine große Herausforderung, mit 21 Jahren derartig drastisch und persönlich mit dem Tod konfrontiert zu werden. VICE: Warum hast du dich dafür entschieden, einen Monat in Pashupatinath zu verbringen? Yani Clarke: Ich habe vor ein paar Jahren schon einige Wochen in Pashupatinath verbracht, als ich meinem Mentor, Jack Picone, dabei half, einen Workshop in Kathmandu durchzuführen. Seitdem ging es mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Nachdem ich den Ort verlassen hatte, überkam mich dieses komische Schuldgefühl, nicht dort zu sein. Ich bin dann dieses Jahr dorthin zurückgekehrt, weil dort in ein paar Monaten ein elektrisches Krematorium eröffnet wird. Sobald das passiert, wird die Tradition dort wahrscheinlich aussterben. Es war deine erste unmittelbare Begegnung mit dem Tod—stellte das eine große Herausforderung dar? Ich erinnere mich noch an die erste Leiche, die ich sah—an den Geruch des Fleisches. Über die nächsten Wochen hinweg berührte mich das, was ich dort sah, langsam immer weniger und irgendwann stellte sich ein Gefühl der Normalität bei mir ein. In deinen Fotos geht es um mehr als nur den Tod. Kannst du mir etwas über die Priester auf deinen Bildern sagen? Es gibt eine Menge falscher Priester an dem Tempel, die einfach nur da sind, um etwas Geld zu verdienen und abzuhängen. Die verbringen ihre Tage draußen in der Sonne, rauchen Marihuana aus Shillums und lassen sich von Touristen fotografieren. Ich habe große Vorbehalte dahingegen, jemanden für ein Foto bezahlen zu müssen. Für mich hat eine finanzielle Transaktion da nichts zu suchen—dadurch verliert es eigentlich nur seinen tatsächlichen Sinn und Zweck. Diese Priester, echt oder falsch, sind aber nette Typen. Ein paar von ihnen haben mich sogar bei Facebook geaddet. Frauen sind von vielen der Zusammenkünfte ausgeschlossen, die du fotografiert hast. Wie hast du trotzdem Zugang bekommen? Es hat sehr viel damit zu tun, wie du reagierst. Sie testen dich. Sobald ich in eine Menge von etwa hundert Männer ging, kam einer der nackten Priester auf mich zu und legte seinen Penis auf meine Linse. Ich fotografierte das und lachte zusammen mit allen anderen, dann ging ich los und setzte mich zu den anderen nackten Männer. Stundenlang versuchten sie, mich zu testen, aber nachdem sie erkannt hatten, dass man mich nicht so leicht verschrecken kann, nahmen sie meine Anwesenheit kaum noch wahr. Welche Zeremonie beeindruckte dich am meisten? Das war eine buddhistische Einäscherung kurz vor meiner Abreise. Der Körper war in orangene Seidentücher eingewickelt und mit orangenen Ringelblumenblüten bedeckt. Im Buddhismus ist es die Tochter, die die Leiche anzünden muss. Ich war nur wenige Meter von dieser jungen Frau entfernt, die etwa so alt wie ich war, während sie ihre Mutter anzünden musste und weinte. Da kam dann plötzlich eine andere Frau zu mir rüber, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, und fing an mich zu umarmen. Wir schauten uns beide zusammen die Einäscherung an, die unglaublich grausam war. Dieser Frau war irgendetwas passiert. Es war, als ob ihre Wirbelsäule ihren Brustkorb durchstoßen hätte. Der Verwesungsprozess ihres Körpers war offensichtlich auch schon weit vorangeschritten—im Buddhismus werden die Leichen nämlich vier Tage lang einer spirituellen Reinigung unterzogen. Als sie die Seidentücher und den Plastiküberzog entfernten, fiel fast einer ihre Arme ab. Würdest du sagen, dass diese Erfahrungen deine Sicht auf den Tod beeinflusst haben? Wenn du nicht gerade tagtäglich mit dem Tod zu tun hast, dann ist es eine von diesen Sachen, die nur andere Menschen betrifft. Tod und Sterben finden bei uns im Verborgenen statt, wir sprechen noch nicht einmal wirklich darüber. Du hast einen interessanten Punkt bei mir getroffen, denn gestern Nacht habe ich erfahren, dass einer meiner Freunde in Australien bei einem Autounfall ums Leben kam. Das Leben ist flüchtig und es ist natürlich noch mal etwas anderes, wenn jemand Nahestehendes stirbt. Insgesamt hat mich diese intensive Konfrontation mit dem Tod recht ehrfürchtig gegenüber meiner Umgebung gemacht. Mehr denn je spüre ich den Drang, genau das zu tun, was ich in meinem Leben vorhabe—in all meinen Interaktionen offen und ehrlich zu sein und mich weniger an materielle Dinge zu binden. Alles ist vergänglich und am Tod selber ist auch nichts verkehrt—unser Verhältnis dazu allerdings schon. Das Interview führte Laura Rodriguez Castro.
Yani Clarke
[ "Beerdigung", "Bestattung", "Buddhismus", "Foto", "Hinduismus", "Nepal", "Pashupatinath", "Reisen", "Religion", "sterben", "tempel", "Tod", "Travel", "Vice Blog" ]
2015-04-03T04:00:00+00:00
2024-07-31T01:22:30+00:00
https://www.vice.com/de/article/jmn4w3/ein-monat-unter-toten-in-einer-nepalesischen-tempelanlage-157
Fremdscham in drei Akten: Donald Trumps Amtseinführungskonzert war unerträglich
Es gibt gewisse Gefühle, bei denen ich oft nicht weiß, ob ich sie nun angenehm finde oder lieber direkt aus dem nächsten Fenster springen möchte. Wenn jemand so ganz leicht mit den Fingerspitzen über die Innenseite meines Unterarms fährt zum Beispiel. Fremdscham ist auch so ein Gefühl. Sendungen wie das Dschungelcamp verdanken dem gehässig-wohligen Fremdschamgefühl die inzwischen elfte Staffel und gewohnt hohe Einschaltquoten. Andererseits rollen sich mir aber auch die Fußnägel beim Zusehen hoch. Apropos Fußnägel: Donald Trump (von Persönlichkeit her das menschliche Äquivalent zu einem eingerissenen, gelblichen Fußnagel) hat in der Nacht von gestern auf heute die Festivitäten zu seiner Vereidigung begonnen.  Traditionell ist das „Inauguration Concert” ein großes, prestigereiches Event, das die kommende  Regierungszeit des neuen US-Präsidenten symbolisch einläuten soll. Wenn ich also davon ausgehe, dass die Präsidentschaft so wird, wie deren Willkommenskonzert sie eingeleitet hat, dann Gnade uns Gott liebe Leser, düstere, unangehmene Zeiten stehen uns bevor. Spätestens, nachdem man die Auftritte von 3 Doors Down, DJ Ravi Drums und The Piano Guys gesehen habe, kann man das einfach nicht mehr leugnen.  Wenn ihr also starke Nerven und einen schwach ausgeprägten Würgreflex habt, dann seht euch hier die schönsten/schlimmen Dschungelcamp-Momente von Donald Trumps Amtseinführungskonzert an:  Alles an dem Auftritt von 3 Doors Down ist so unfassbar unangenehm, ich musste alle paar Sekunden stoppen und ein Welpenvideo ansehen, um wieder klar zu kommen. Wie alt ist bitte der Sänger geworden? Ein Blick in das verhärmte Gesicht von Brad Arnold und ich bin an meine Sterblichkeit erinnert—ein Nebeneffekt, den ich bei Konzerten, wo ich mich eigentlich lebendiger und nicht toter als sonst fühlen will, gar nicht willkommen heißen kann.  Wo wir gerade vom Tod reden: Selten durfte man den beruflichen Selbstmord einer Band in so quälender Länge und begleitet von Donald Trumps bemühtem Kopfnicken miterleben, wie bei diesem (vermutlichen letzten) 3 Doors Down-Konzert. Die seelenlose Delivery, das gequälte Grinsen, die LED-Amiflaggen … Rest in Pisse, 3 Doors Down.   Und überhaupt: Wie sich Donald Trumps sichtlich bemüht, die Musik zu fühlen und da einfach nichts passiert. Menschen, denen Musik „egal” ist, waren mir ja schon immer suspekt und Musik scheint in Donald Trumps Herzen (falls vorhanden) noch weniger Gefühle auszulösen als eine mexikanische Kinderleiche. Hier und da wird mit dem Kopf genickt—wohl mehr aufgrund von Pflichtbewusstsein als dem „Rhythmus, wo man mit muss”. Und dann plötzlich dieser Moment, wo Donald Trump tatsächlich mitsingt, der in mir einen Blutsturz auslöste und mich umbrachte. Wirklich. Mein Geist, heimgesucht von der Pflicht, auf dieser Erde noch etwas erledigen zu müssen (diesen Artikel fertig schreiben,) tippt diese Worte soeben auf seine durchsichtige Geistertastatur.  Als ich in die Grundschule ging, belegte ich auch mal einen Trommelkurs. Es sollte also klar sein, dass ich nicht grundsätzlich etwas gegen Trommeln habe, obwohl der Rest der Welt und vor allem jeder Parkbesucher das sehr wohl hat und ich das denen noch nicht mal verübeln kann. Ich war jedenfalls der Shit an den Bongos, kein Witz. Aber dennoch muss selbst ich leider zugeben, dass Trommeln selten die Funktion eines Soloinstruments erfüllen. Da helfen sogar die Dudelsäcke (DUDELSÄCKE AMK!) nichts. Trommeln haben nun mal den Effekt, dieses Gefühl zu vermitteln: „Und, wann gehts jetzt richtig los?” Oder eben: „Und, wann knallt das Ayahuasca?”  Es geht aber einfach nicht los. Stattdessen grinst sich DJ Ravi Drums einen ab und selbst die Trump’sche Blondinen-Armee setzt sich irgendwann verunsichert hin, weil auch ihnen langsam schwant, dass dies kein Intro ist. Das geht jetzt erstmal eine ganze Weile weiter so. Seht euch hier das Video an. Irgendwann muss wohl selbst DJ Ravi Drums eingesehen haben, dass Trommeln allein einfach nicht länger als 30 Sekunden funktionieren und holte sich ein Vocal-Sample und einige—von der  wirklich schlampigen Robot-Tanzchoreografie her zu urteilen—über 40-Jährige Breakdancer in silbernen Raumanzügen dazu, die mich abermals an meine Sterblichkeit erinnerten. Ach nee, ganz vergessen: Ich bin ja bereits tot.  Falls ihr die Piano Guys nicht kennt: Das sind vier ältere Herren, die auf YouTube Hits auf Klavier und Cello nachspielen und bei Trumps „Make America Great Again”-Konzert einen Track mit dem überaus zweideutigen Titel „It’s Gonna Be Okay” spielten und mich unweigerlich an dieses Meme erinnerten:  Irgendwann ist dann aber auch die Schmerzgrenze erreicht. Spätestens bei Känguruhoden, beziehungsweise deren Trump-Äquivaltent, dem 14-minütigen Auftritt von Country-Rübezahl Toby Keith. Ihr könnt euch das ja gerne anschauen. Oder hier die Kurzzusammenfassung von allem in 1:06 Minuten. Mein Auftrag auf dieser Erde ist hiermit mehr als erfüllt. Ab in die Gruft—falls 3 Doors Down die nicht schon besetzen.  Folge Noisey auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Nina Damsch
[ "3 doors down", "Donald Trump", "Feature", "Konzert", "Music", "Noisey" ]
2017-01-20T12:26:21+00:00
2024-07-30T19:10:38+00:00
https://www.vice.com/de/article/xyyxmd/fremdscham-in-drei-akten-donald-trumps-amtseinfuhrungskonzert-war-unertraglich
Eine Nacht in Berlins berühmtestem Sex-Club — dem Kit Kat
Fotos mit freundlicher Genehmigung des KitKat Weil die Berliner THUMP-Redaktion etwa 50 Meter vom Kit Kat entfernt liegt und uns deshalb fast stündlich nackte Latex-Fetischisten nach Zigaretten und Fisting-Sessions fragen, wüssten wir nicht, was an diesem Club so besonders sein soll. Deshalb haben wir unseren Kollegen John Lucas gebeten, nach Berlin zu kommen und all seine britischen Manieren und Kleidungsstücke abzulegen, um eine Nacht im berühmtesten Sex-Club der Welt, dem Kit Kat, zu verbringen. Lest hier, was er erlebt hat: “Lust auf einen flotten Vierer?” Jess starrt mich lasziv an. Wir sitzen bei dem Swimming Pool im Außenbereich des Berliner Clubs Kit Kat mit Jess’ Freundin Tia und ihrer Freundin Sylwia, die dieses Wochenende aus Warschau da ist. Jess hat in Los Angeles gelebt, ist anscheinend von meinem “heißen” britischen Akzent angetan und möchte die Dinge im Kit Kat Style voranbringen. Tia ist allerdings weniger enthusiastisch und die vorgeschlagene Ménage a Quattre kommt nicht zustande. Aber wenn es auf der Mitte des Dancefloors stattgefunden hätte, hätte das niemanden interessiert. Während in England schnoddriges Knutschen und heimliches Fingern das höchste der Nachtclub-Gefühle ist, feiern Berliner regelmäßig ihre Liebe zu Techno und House mit spontaner Liebe. Der Kit Kat Club wurde 1994 von Simon Thaur—einem österreichischen Porno-Produzenten—und Kirsten Kruger eröffnet, als das Berghain noch auf kleiner Flamme köchelte und Sven Marquardt kurze Hosen trug. Dave ist ein britischer Auswanderer, der seit den späten 90ern in Berlin lebt. Mit nichts als zwei Doc Martens und einem kleinen Lack-Tanga bekleidet steht er an der Bar und wirft seine blonden Locken zurück, um den öffentlichen Sex zu treibendem House zu erleben. “Ich komme jede Woche hierher,” sagt er, während er sich Schweiß von der Stirn wischt. “Die Frauen kommen aus der ganzen Welt und sie haben verdammt viel Bock. Es vergeht kaum eine Woche, in der mein Ding nicht im Dark Room gemolken wird.” Der Kit Kat Club, in der Nähe des Tresors, an der Brückenstraße in Berlin-Mitte, ist eine trügerisch große Location mit mehreren Räumen. Es gibt die Main-Area, einen zweiten, kleineren Floor mit Liebesschaukeln und eine versteckte Kellerbar, die man durch düstere, schwarze Tunnel erreicht. Außerdem gibt es einen Außenbereich, in dem sich ausgelaugte Freier unterhalten und rauchen. An diesen schließt der Swimmingpool an, wo nackte Männer und Frauen die Genitalien von anderen nackten Männern und Frauen zu Goa-Trance bearbeiten. Die Einrichtung sieht nach 90er-Rave und Hippie-Kultur aus, alles ist voller Neon-Graffiti und Acid-Trip Schriften. Die Crowd ist durchgemischter als in jedem anderen europäischen Club, in dem ich je war. Das Alter ist offensichtlich kein Hindernis, um jemanden auf dem Dancefloor anzurempeln. Ich sehe ein Pärchen Mitte 60, das zu Mori Kantes Yeke Yeke (im Hardfloor-Mix) tanzt, er komplett nackt, sie kokett ihr T-Shirt ausziehend, das sie als Kleid trägt. Aber es gibt auch jüngere Clubber. Die meisten Männer sind in Boxershorts aus Lack oder Leder gekleidet, während die Frauen Unterwäsche tragen oder oben ohne sind. Ihre Brüste sind mit großen Nippelpiercings durchstochen, Tattoos sind natürlich ein Muss. Wie bei allen Partys, bei denen Sex auf dem Menü steht, entwickeln sich die Dinge zunächst zögerlich, bevor sich die Leute näher kommen. Es gibt eine kleine Umkleide im Eingangsbereich, wo sich Leute ihrer Zivilkleidung entledigen. Sogar hier ist die Stimmung sexuell mit bedeutungsschwangeren Blicken und Augenkontakt zwischen den strippenden Berlinern aufgeladen. Einmal drinnen angekommen, sammeln sich die Gäste um die Bar um zu trinken und zu reden. “Sehr viel Talent heute Abend,” beobachtet Dave, während er sein Haar mit zitternder Hand zurückstreicht. “Du musst kein Mitglied sein, um reinzukommen—aber ich bin definitiv mitGlied / will rein kommen, wenn du verstehst, was ich meine.” Absolut. Bei der Tatsache, dass Berlin nach Ibizadas bekannteste europäische Clubbing-Ziel in Europa ist, was hält er von der Musik hier? “Musik?” Kurz sieht er irritiert aus. “Das ist alles diese Bum-Bum-Scheiße, oder? Ein bisschen schnupfen und ich bemerke es kaum noch, um ehrlich zu sein.” Als ich in den Dunst und die Kellerbar gehe, sehe ich in der Dunkelheit Manfred. Er ist dafür berühmt, sechs bis acht Stunden pro Nacht an der Treppe zu stehen und furios zu masturbieren, während sich andere Clubber an ihm vorbeiquetschen, um neuen Vodka-Mate zu holen. Ich frage ihn, warum er so viel Zeit mit Selbstbefriedigung verbringt. “Siehst du die Körper, die ganzen Körper hier?” stößt er atemlos heraus, während seine Hand weiterhin seine Männlichkeit in voller Pracht schüttelt. “All diese Körper!” Sicher sehe ich die. Aber es ist ein Sex-Club—warum also nicht auch mal mit jemandem reden? Manfred zeigt mit dem Kopf auf seinen Schwanz und seine schnell wedelnde Hand. “Ich habe keine Zeit,” winkt er ab. Vielleicht würde Manfred mit bestimmten Neigungen eine andere Party in der Stadt genießen, der liebevoll getaufte “Saturday Night Fuck” im Insomnia in Alt-Tempelhof. Hier werden bizarr animierte Pornos über den Dancefloor projiziert: Eine Frau, die eine gigantische Alienlatte in ihren Mund nimmt; zwei weibliche Aliens die eine seltsame humanoide Kreatur bumsen, bis diese implodiert und das Sperma zu Lava wird. All das wird von den Freiern auf dem großen Doppelbett in der Mitte des Dancefloors ignoriert. Sie sind mehr darauf aus, sich gegenseitig zu lecken und zu lutschen, als Filme zu sehen. Vom Berghain bis zum Kit Kat und sogar in den dunkleren Ecken des Tresor erscheinen die Berliner fickbegeisterten Clubber mehr als glücklich, ihren Techno zu genießen, während sie dazu öffentlichen Sex haben. Zurück im Kit Kat frage ich Sandra, eine Drag Queen mit rosa Haaren aus Hamburg, die grade aus einer Sexsession mit ihrem nicht-monogamen Freund Frieda und einer anderen Drag Queen kommt, warum ausgerechnet Berlin. “So ist es einfach,” sagt Sandra. “In Berlin finden wir Techno gut und wir finden Sex gut. Also warum nicht beides zusammen machen?” Warum eigentlich nicht? Als die Morgensonne die dunklen Ecken des Outdoor-Pools beleuchtet und ausgelaugte Clubber auf den Weg nach Hause aufbrechen, beobachte ich ein schwules Pärchen mit den Lederhosen in den Knien, wie sie romantisch neben der Bar zu hartem Techno vögeln. Es ist etwas herzerwärmendes in der Szene und in dem Wissen, dass Berlin, Europas dekadenteste Stadt, ihre Hingabe zu Nachtclub-Sex standhaft beibehält. Alle Namen—außer die von Simon und Sven—wurden geändert. Folge John Lucas bei Twitter Folge THUMP auf Facebook und Instagram.
[ "Ausgehen", "Berlin", "Sex" ]
2015-10-01T10:20:00+00:00
2024-08-12T05:40:34+00:00
https://www.vice.com/de/article/eine-nacht-in-berlins-berhmtestem-sex-club-dem-kit-kat/
Die musikalischen Probleme des WG-Lebens
Foto: David Bogner Wie überlebt man in einer WG, wenn der oder die Mitbewohner eine Beziehung zu Musik haben? Die Antwort ist relativ einfach: Schlecht. Man überlebt schlecht. WGs sind zarte Bündnisse mit vollkommen anders sozialisierten Menschen, da kann es schon passieren, dass Geschmäcker aufeinander treffen. Anders wie in der Freundschaft oder einer Beziehung, gibt es aber bei Mitbewohnern keine Liebe und Toleranz, die auf lange Sicht über den beschissen Musikgeschmack hinweg hilft. Nichts desto trotz gibt es verschiedenste Möglichkeiten zu koexistieren. Auch wir in der Noisey Redaktion haben schon den Typ Mitbewohner „Was hörst du, oida?!” gehabt. Und wir haben unseren besten Leidesgeschichten für euch niedergetippt. Nebst der Lösungen, die sich im Grad der Praktikabilität allerdings unterscheiden. Die Probleme und die Lösungen findet ihr auf Noisey.
Noisey Staff
[ "ausziehen", "druffis", "hölle", "laut", "MITBEWOHNER", "Musik", "Noisey", "wg" ]
2015-03-02T16:51:00+00:00
2024-07-31T00:35:33+00:00
https://www.vice.com/de/article/noisey-die-musikalischen-probleme-des-wg-lebens-736/
DJ Mugg Feat. Asap Rocky: „Dank“
Cypress Hills DJ Muggs macht diesen Track zu einem Dubstep-Stück durch Trap Mashup, was, wie ich schätze, nicht sonderlich überraschend ist, haben Cypress Hill doch erst kürzlich ein Dubstep-Album mit dem britischen Produzenten Rusko herausgebracht. Ein Album, das so ziemlich einer ganzen Generation von Kiffern die vernichtende Erkenntnis gab, dass ihre Helden immer Enttäuschungen sein werden, und dass die Musikindustrie voll von schamlosen Trendhuren ist. Aber das hier hat die taumelnden Vocals von Rocky, was Leben in etwas einhaucht, das wie sehr typischer Dubstep klingt. Das ist nicht gerade weltverändernd, doch verdient etwas Anerkennung für das durchgängige Hochhalten der Spannung und dafür, dass es sich nicht dem Drop unterwirft, denn, da bin ich mir sicher, Rusko würde einer abgehen wenn er etwas damit zu tun hätte.
Kieran Yates
[ "ASAP Rocky", "Cypress Hill", "DJ Muggs", "dubstep", "Music", "New music", "Noisey", "Noisey Blog" ]
2012-10-17T15:30:00+00:00
2024-07-31T06:06:26+00:00
https://www.vice.com/de/article/dj-muggs-feat-asap-rocky-dank/
Comedian Tedros „Teddy” Teclebrhan über Klischees, Pyjamas und grünen Tee
Als jemand, der seine Nächte vorzugsweise allein im Dunkeln weinend verbringt, befasse ich mich eigentlich nicht mit Comedy. Das ist vermutlich der Grund, warum ich bis vor drei Wochen nicht wusste, wer Tedros „Teddy” Teclebrhan ist. Im Gegensatz zu, wie mir Facebook mitteilt, mindestens 953,509 Menschen, die es wissen, und die bisher schon aufgrund dieser Tatsache ein fröhlicheres Dasein hatten als ich. Zehn Jahre länger leben werden als ich. Keinen Krebs kriegen werden. Ein erfüllteres Sexleben und geringeres Diabetesrisiko haben als ich. Wichser. Wie dem auch sei, für alle anderen: Tedros Teclebrhan ist Schauspieler und Comedian. Er wurde bekannt mit der Umfrage zum Integrationstest, hat dieses Jahr in Halbe Brüder mitgespielt und war jahrelang erfolgreich auf Tournee. Die DVD zur Tournee, Teddy Show – Was labersch Du…?!, die am 27.11. erschienen ist, war am Tag ihres Erscheinens ausverkauft. Vorletzten Mittwoch—einem sehr kalten, sehr hässlichen Mittwoch—traf ich Teddy in der Lobby eines Hotels, dessen Namen ich vergessen habe. Am Abend vorher hatte in besagter Lobby eine Pyjamaparty stattgefunden. Während ich auf Teddy wartete, sinnierte ich darüber, was schlimmer wäre: Der einzige zu sein, der versehentlich zu einer Pyjamaparty im Anzug kommt, oder der einzige zu sein, der versehentlich zu einer normalen Party im Pyjama auftaucht. In diesem Moment erschien zum Glück Teddy zum Interview und erlöste mich davon, Antworten auf die großen Fragen des Daseins zu suchen. VICE: Ich hab gehört, hier war gestern eine Pyjamaparty?Tedros Teclebrhan: Da war eine Frau, die sich plötzlich an unseren Tisch gesetzt hat und einen Freund, der neben mir saß, ins Ohr gebissen hat. Im Pyjama.Ja. Sie war voll laut: „Eeeeeey, ihr Arschlöcher! Ich komm aus Hamburg, ihr Arschlöcher!” Wir mussten voll darüber lachen. Ich saß hier, mein Freund da, und dann hat sie sich ihn geschnappt und ihm am Ohr rumgesaugt. Er hat versucht, sie wegzudrücken, und sie hat ihm versehentlich in den Schritt gehauen, weil sie so betrunken war. Das Beste war, heute Vormittag haben wir gedreht, sind die ganze Zeit im Aufzug hoch- und runtergefahren, und plötzlich kommt sie rein. Voll schön angezogen. Kommt und sagt: „Hallo.” Und ich sag: „Hallo.” Und sag ihren Namen, und sie starrt mich nur vollkommen entsetzt an. Hahaha.Sie schaut sich um, erkennt niemanden, erkennt nicht mal den Freund von mir, den sie abgeschlabbert hat. Fragt nur „H … hallo?”, gibt mir die Hand, total verwirrt, weil die Kamera auf sie gerichtet war. Auf einmal weiß ein fremder Typ mit Mütze im Aufzug ihren Namen, schon witzig. Haha. Du bringst gerade eine DVD raus, erzähl mal, was passiert auf der?Ich spiele mehrere Figuren. Auf der Bühne spiele ich fünf von den acht. Und jede Figur erzählt aus ihrem Leben. Hast du schon immer verschiedene Personen in deinem Kopf gehabt? So als Kind, „Ich bin der Otto”—„Nein, ich bin Sabine!”.Ich hab schon immer rumprobiert, schon immer eine starke Fantasie gehabt. Die erste Person, die ich nachgemacht habe, war von der Serie Munsters, Herman Munster, genau genommen seine Lache. Also begann alles mit Herman Munster.Herman Munster hat meine Karriere geebnet. Ich hab aber keine wirkliche Person gespielt, ich habe Stimmen ausprobiert, Dialekte, Körperhaltungen. Foto: Tyzian Masik Was ist dein Lieblingsdialekt?Schwäbisch. Ja also, mir kennet däs ganse Interview au auf Schwäbisch schwätza. Hattest du auch einen imaginären Freund? Oder mehr so echte?Ich hatte mehr so echte Freunde. Aber ich bin immer noch jemand, der, wenn ich im Bad bin, oder egal wo, allein mit mir rede. „Teddy, hast du Hunger, was machen wir denn heute?”—„Ja Teddy, ich weiß auch nicht.”Nee, nichtmal. Es beginnt einfach so. Weil es davor schon im Kopf stattfindet. Ich bring mich selber zum Lachen. Voll extrem. Machst du das nicht? Nein. Aber ich rede mit meinen Geräten. „Computer, bitte, mach doch schneller” oder wenn ich mein Telefon fallen lasse: „Sorry Telefon, tut mir leid.” Du nicht?Nein, also, ich rede schon mit Gegenständen. Aber ich fluche eher. Siehst du dich als YouTube-Star?Was ist denn ein YouTube-Star? Alles über fünf Klicks.Ja dann, klar! Nein, ich bin über YouTube bekannt geworden. Ich mach das immer, wenn ich Zeit habe, aber ich treffe die Leute lieber live. Ich hab Schauspiel studiert, und danach war ich auf der Bühne. Live ist das alles viel geiler, du hast mehr Spaß, kannst mit Leuten, die deine Videos schauen, direkt kommunizieren. Jetzt hab ich wieder angefangen zu schreiben … … ein Buch?Nein, an einer neuen Show. Aber wenn du willst, dass ich ein Buch schreibe, schreibe ich ein Buch. Worüber? Grünen Tee.Ja. das würde bestimmt funktionieren. Ich mach das. Und dann kommt es auf die Bühne. Wir sitzen dann da zwei Stunden und trinken Tee, schweigend. Überall so megaviele Wasserkocher. Sonst nichts. Und am Schluss stehen wir auf, verbeugen uns theatralisch. Standing Ovations. „Wooooaaah, ihr habt so großartig Tee getrunken.” Zur Autogrammstunde gibt es signierte Teebeutel. Benutzte.Ja. Die Leute wollen das haben. Sie reiben sich damit ein. Nee, im Ernst, es gibt ein paar Themen für die neue Show. Ich will diesmal ein bisschen persönlicher arbeiten, ein bisschen mehr Tiefe reinbringen. Du hast dieses Jahr in Halbe Brüder mitgespielt, was hältst du vom zeitgenössischen deutschen Film, wie geht’s dem?Ich glaub, dem geht’s immer besser. Eine Zeit lang habe ich ganz oft gehört „Ey, ich kann nichts anfangen mit deutschen Filmen” und ich hab das auch verstanden. Da war vieles nicht mutig. Aber gerade die neue Generation geht in eine gute Richtung. Da ist ganz viel Potential. Nur die Geldgeber müssen halt genau so entspannt sein und vertrauen. Man braucht mutige Leute an der Spitze. Ich hab manchmal das Gefühl, dass die Leute geblendet sind, keinen Bezug mehr haben zur Realität, zu den Leuten, die da draußen eigentlich sind. Ich hoffe, dass mir das nicht passiert. Weil das schwerer ist, wenn man älter wird?Das, und wenn du viel arbeitest, ist man machmal so in seiner Welt, dass man gar nicht mehr versteht, was so vor sich geht. Man trifft alte Freunde aus seiner Stadt und merkt, was da die Themen sind, und man fragt sich, wo bin ich eigentlich? Über was mache ich mir Gedanken? Man nimmt sich zu wichtig. Ich glaube, das machen fast alle.Ich schaue ganz wenige Filme, und mit denen, die ich nicht mag, halte ich mich nicht auf. Es gibt Leute, die kriegen aus negativen Sachen ihre kreative Energie, bei mir ist es genau das Gegenteil. Mir saugt das ganz viel Energie. Also kein leidender Künstler.Neee, überhaupt nicht. Es fühlt sich für mich in solchen Momenten manchmal an, als würde ich in Slow Motion laufen. Als würde mein Leben ganz langsam ablaufen, und ich komme nicht voran. Teddy als er selbst. Foto von Phil Daub Gibt es nicht das Klischee, dass Comedians die unglücklichsten Menschen sind?Das gibt es, aber ich bin voll der glückliche Mensch. Es gibt Bilder von mir, ich war ein echt verrücktes Kind. Ich gucke immer aus dem Bild, nie in die Kamera, und grinse irgendwo ins Leere. Mir ist das gar nicht aufgefallen, aber mein Bruder hat das letztens bemerkt, und ich so: Fuck. Was dachten die Leute über mich? Vermutlich fanden sie dich lustig.Ja. Ich interessiere mich nicht so für materielle Sachen, also manchmal kauf ich mir irgendwas, und dann denk ich: „Man, doch nicht so geil.” Die besten Geschenke sind Momente mit Menschen. Wenn die mir erzählen, aus ihrem Leben, wie das ihnen geholfen hat. Die schönste Nachricht war, ein Mädchen hat geschrieben: „Ich hab Bulimie und musste jetzt in eine Anstalt, und die haben alles probiert, aber ich habe keinen Appetit bekommen, und dann hab ich deine Videos angeguckt und ich musste so lachen und war so glücklich, dass ich Appetit bekommen hab.” Das war für mich krass. Auf welches Essen willst du denn Appetit machen?Nudeln. Ich liebe Nudeln. Extrem. Magst du Nudeln? Wer nicht? Nur Freaks, oder?Nur Außenseiter. Oder Hipster wahrscheinlich. Einfach mal pauschalisieren. Bist du ein Hipster? Keine Ahnung. Das musst du mir sagen, ich stelle hier die Fragen, du gibst die Antworten.Direkt zurückgeschossen. Das hängt von der Einstellung ab, oder? Für mich war das Signal immer, wenn die Männer ihre Socken über den Hosen getragen haben.Das waren für mich die, die am Bahnhof rumgehangen haben. Dann bin ich auch ein Hipster, ich hab immer am Bahnhof rumgehangen. In der kleinen Stadt, aus der ich komme, gab es nicht soviel. Ich hatte aber keine Socken über den Hosen. Habe ich mal probiert. Stand mir aber nicht. Fand ich hässlich. Was hast du sonst für Pläne, planst du irgendwelche Experimente?Ich würde gerne mal in ein Kloster gehen. Für ein Jahr, in so ein Schweigekloster. Mal ein Jahr nicht reden, das wäre geil.
Juliane Liebert
[ "COMEDIAN", "comedy", "Interview", "Interviews", "Teddy", "Vice Blog", "YouTube" ]
Popkultur
2015-12-04T10:04:00+00:00
2024-07-31T01:21:02+00:00
https://www.vice.com/de/article/tedros-teclebrhan-ber-das-klischee-des-leidenden-knstler-den-zustand-des-deutschen-films-und-grnen-tee-963/
VICE feiert Weihnachten
Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit Absolut Vodka entstanden. Wenn auf den Einkaufsstraßen die nackte Panik ausbricht und “Do they know it’s Christmas“ bereits nach einer Drohung klingt, dann gelten zwei Dinge. Erstens, ihr seid wieder mal viel zu spät dran mit Weihnachtsgeschenken, obwohl ihr der Kulturtechnik des Kalenderlesens mächtig seid, was euch genügend Grund gibt, um eure ewige Prokrastination zu verfluchen und sich in eine schlimme Eierlikör-Melancholie zu steigern. Und zweitens, Passanten und Öffi-Fahrer in Wien werden erst in zirka drei Monaten wieder halbwegs nett zu dir sein, wenn die U-Bahnen nicht mehr nass und verstopft und dunstig sind und die Luft sich endlich wieder weniger wie gefrorener Kot anfühlt, die aus 10 Kilometern Höhe aus einem Flugzeugklo direkt in dein Gesicht losgelassen wurde. Und wie auch immer ihr zu Weihnachten und Winter steht: Wenn ihr uns fragt, sind beides ganz gute Gründe, um mit uns die besinnungsloseste Zeit im Jahr zu feiern. Es bleibt einem ja sonst nichts. Also: VICE feiert Weihnachten. Am 15. Dezember im Wiener Titanic Club. Bevor ihr alle die Stadtflucht antretet, um die Bars eurer Jugend zu besuchen, solltet ihr dem lockenden Ruf von Absolut x Makava nachgeben und uns zur letzten Feierei in diesem Jahr besuchen. Absolut spendiert wieder gratis Welcome-Shots und wir liefern die passende Musik gegen euren aufkommenden Vitamin-D-Mangel. Bussis, wir freuen uns auf euch! Hier geht’s zum Facebook-Event.
Branded
[ "Branded", "Club Titanic", "Party", "VICE Austria", "Weihnachtsfeier", "wien" ]
2017-12-04T16:15:25+00:00
2024-07-30T21:07:03+00:00
https://www.vice.com/de/article/vice-feiert-weihnachten/
Für Alexandra Stanić steckt in jedem Mädchen eine Rebellin
Bekannt wurde die Wiener Fotografin und Journalistin Alexandra mit ihrer 2016 gestarteten Foto- und Interviewreihe “#GRLPWR – Support your local Girl Gang”. Ein Projekt, für dass sie ganz bewusst Frauen vor die Kamera holte, die keine Models sind. Um das Ganze auch gesellschaftlich relevant werden zu lassen, bat sie die Frauen im Anschluss an das jeweilige Shooting, etwas zum Thema Feminismus zu schreiben. Ihr Ziel war es, ein für alle Mal zu zeigen, dass Frauen keineswegs das “schwache Geschlecht” sind. Das Feedback auf ihr Projekt war durchwegs positiv, wie Alexandra festhält: “Ich war wirklich baff, vor allem von Frauen kam super Feedback. Auch meine Followerzahl ist durch ‘GRLPWR’ ziemlich schnell gestiegen, mein neues Projekt kommt sogar noch besser an.” Dass das alles nicht unbedingt bahnbrechend neu klingt, weiß Alexandra. Ihre Antwort: “Ich übernehme gerne die Rolle der Weltverbesserin, wenn ich dazu beitrage, dass sich andere gut fühlen. Wenn ich im Zuge der Portraits eines gelernt habe, dann dass sich jede der Frauen besonders gefühlt hat, als ich sie fotografiert habe.” Mehr lesen: Selbstdarstellung trotz Falten – so sehen Instagram-Profile in 50 Jahren aus Weibliche Selbstermächtigung und das positive Feedback der Frauen sind auch mitverantwortlich dafür, dass es nicht bei “GRLPWR” blieb. Auch ihre neue Fotoserie “Young Rebels” hat keine Angst davor, politisch zu sein – und soll zeigen, womit sich junge Mädchen in Zeiten von Instagram-Filtern und unsicheren Zukunftsperspektiven auseinandersetzen müssen. Wir haben mit der Wienerin über Fotoprojekte gesprochen, die schon beinahe etwas therapeutisches haben. Broadly: Stell uns doch kurz dein neues Projekt “Young Rebels” vor.Alexandra Stanić: “Young Rebels” ist ein halbes Jahr nach “GRLPWR” entstanden, quasi als Subgeschichte dazu. Ich fotografiere bei “Young Rebels” Mädchen zwischen 13 und 18 Jahren. Mit “Young Rebels” möchte ich jungen Frauen eine Plattform bieten und sie unterstützen, ihnen Mut machen. Ich will, dass sie schon im Teenie-Alter verstehen, dass sie in keine Schublade passen müssen, dass sie sich von niemandem einschüchtern lassen müssen und ich versuche so, ihnen Feminismus näher zu bringen. Alle Fotos: Alexandra Stanić Was hat dich dazu bewogen, Young Rebels umzusetzen?Die meisten “GRLPWR”-Teilnehmerinnen hatten zwischen 13 und 18 die größten Schwierigkeiten in ihrem Leben – Essstörungen, Identitätskrisen, Panikattacken. Durch ihre Erzählungen bin ich überhaupt erst auf die Idee gekommen. Da ich weiß, dass junge Frauen heute unter enormem Druck stehen, wollte ich genau da ansetzen. Zudem verstärken soziale Medien wie Instagram und Snapchat unser völlig absurdes Schönheitsideal, die meisten Bloggerinnen machen die Situation auch nicht besser. Es scheint so, als wäre es nur wichtig, schön und reich zu sein. Mit 25 weiß ich, dass das mehr Schein als Sein ist – mit 15 hätte ich das vielleicht nicht gewusst. Ähnlich wie bei “GRLPWR” fotografiere ich die Teilnehmerinnen an Locations, die wir uns gemeinsam aussuchen. Ich nehme mir mehrere Stunden Zeit und übernehme ein bisschen die Rolle der großen Schwester. Anders als bei “GRLPWR” interviewe ich die Mädchen selbst und verfasse dann Portraits zu ihnen. Es ist oft nämlich so, dass sie gar nicht wissen, was für spannende Geschichten in ihnen schlummern oder wie unfair sie aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Hautfarbe behandelt werden. Im Grunde genommen geht es mir bei beiden Fotoprojekten darum, Social Media für eine positive Sache zu nutzen, die irgendwo auch einen gesellschaftlichen Mehrwert hat. Ich möchte eben nicht nur schöne Fotos machen, sondern auch wichtige Worte in die virtuelle Welt setzen, die anderen nachhaltig helfen können. Mehr lesen: Was ist ein schöner Körper und warum?: Die radikale Kunst von Marianne Vlaschits Wie wählst du deine Interviewpartnerinnen aus?Die ersten “GRLPWR”-Teilnehmerinnen habe ich mir selbst rausgesucht. Ich habe in meinem entfernteren Bekanntenkreis nachgefragt, an wen sie beim Schlagwort Girlpower denken und wieso. Wien ist nicht so groß, mir war trotzdem wichtig, nicht die zehn, fünfzehn “bekanntesten” Gesichter zu porträtieren, sondern bewusst jene zu finden, die einem vielleicht nicht sofort ins Auge fallen, Wien aber trotzdem zu einer besseren Stadt machen. Als das Ganze ins Rollen gekommen ist, haben sich Menschen bei mir gemeldet und Frauen vorgeschlagen. Bei Young Rebels habe ich einen Aufruf auf Social Media gestartet. In kürzester Zeit hatte ich 20 Anwärterinnen. Anders als bei “GRLPWR” war bei “Young Rebels” eigentlich nur das Alter ausschlaggebend. Was können ältere Generationen von der jüngeren, die du für “Young Rebels” interviewt hast, lernen – und umgekehrt?Die Teenie-Girls haben mir blind vertraut, wenn es ums Fotografieren ging. Bei den “Älteren” habe ich beobachtet, dass sie sehr im Reinen mit sich selbst sind. Sie haben die Phase der Identitätsfindung größtenteils hinter sich gelassen und wissen, dass sie trotz der Unzufriedenheit, die jede und jeden von uns mal überkommt, gut sind, so wie sind. Ich wünsche mir wirklich, dass alle Young Rebels zu so starken Frauen werden. Mit welchen Problemen sind junge Mädchen im Gegensatz zu erwachsenen Frauen deiner Erfahrung nach heute konfrontiert?Junge Mädchen wissen oft noch nicht, was sie ausmacht und dass sie viel bewegen können, wenn sie nur wollen. Ich glaube, sie verstehen auch noch nicht so ganz, dass sie für ihre Rechte einstehen und sich zur Wehr setzen müssen, wenn ihnen Ungerechtigkeiten widerfahren. Und dann wäre da natürlich auch weiterhin das völlig verzerrte Schönheitsideal, wie eine Frau auszusehen und was sie zu tragen hat. Welche Geschichte hat dich am meisten beeindruckt?Das ist schwer zu sagen, weil jede Geschichte für sich sehr spannend und einzigartig ist. Besonders bewegt hat mich aber Karoline, ein 17-jähriges Mädchen, das mit einer Lippen-, Rachen- und Gaumenspaltung geboren und mehrmals operiert wurde. Trotzdem ist sie ein irrsinnig positiver Mensch und wirkt sehr reif für ihr Alter. Von der Narbe, die sie direkt unter der Lippe hat, lässt sie sich nicht verunsichern. Zudem bezeichnet sie sich als Feministin und lässt es Typen nicht durchgehen, wenn sie sie dumm anmachen. Stattdessen gibt sie ihnen zu verstehen, dass sie sich ihre sexistischen Sprüche sparen können. Ich selbst war mit 17 noch nicht so selbstbewusst. Karoline hat schon ziemlich jung ziemlich viel durchgemacht und ist dennoch super tough und fröhlich. Aber alle Frauen haben einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.
Verena Bogner
[ "Feminisme", "Feminismus", "Fotos", "GRLPWR", "Kultur", "Österreich", "Teenager", "wien" ]
2017-05-18T09:11:33+00:00
2024-07-30T20:03:47+00:00
https://www.vice.com/de/article/fuer-alexandra-stanic-steckt-in-jedem-maedchen-eine-rebellin/
Das ändert sich beim Feiern, wenn du 30 wirst
Foto: David Bogner. Dieser Artikel ist zuerst bei Noisey Alps erschienen Während ich diesen Text hier schreibe, brummt mir der Kopf. Eigentlich trinke ich gar nicht mehr so viel, aber in dieser Woche gab es einige Veranstaltungen, an denen ich beruflich oder privat nicht vorbei kam. Das heißt, seit einer Woche schlittere ich im Grunde nur noch vom Saufen zum Kater zum Saufen zurück. Jetzt sitze ich hier im Büro auf der Couch, trinke Tee, stöhne vor mich hin und und werde von meinen jungen Kollegen ausgelacht. Wenn die wüssten. Seit geraumer Zeit nehme ich gerne die Rolle des grumpy old man ein, der Sachen wie “das kommt auch noch auf euch zu!” grummelt. Aber kommt es das wirklich? Es gibt ja eine Menge Vorurteile und Mythen über das Feiern im etwas fortgeschritteneren Alter. Jetzt, wo auch ich alt bin, kann ich einige davon bestätigen und andere entkräften. Also, liebe Enkel: Versammelt euch um meinen Ohrensessel und hört auch meine Geschichten an. Ich werde jeden Mythos einzeln bearbeiten. Foto: David Bogner Jein. Auf diese Frage gibt es natürlich keine richtige Antwort. Wer mit 31 angehender Abteilungsleiter bei einem Rückversicherer ist und auf sein zweites Kind wartet, der geht natürlich wenig fort. Aber seien wir ehrlich: Der ist vermutlich auch mit 29 nicht viel fortgegangen. Grundsätzlich ist es nicht so, als würde mit 30 ein Schalter umkippen, der dich Freitagabend zu Hause hält. Es ist primär eine Frage der Lebensumstände. Die Musikjournalisten, die ich kenne, sind auch mit Mitte 30 noch so viel unterwegs wie andere mit Mitte 20. Wenn du einen halbwegs entspannten Job hast und die Wochenenden noch nicht zwingend zum Relaxen benötigst, dann sind der Freitag und der Samstag mit 31 genauso versoffen wie mit 21 – gerade weil man ja auch plötzlich Geld hat, zumindest verglichen mit dem durchschnittlichen Studenten. Im Grunde sind die meisten Leute gerne Berufsjugendliche, aber die Umstände erlauben es nicht allen. Was aber tatsächlich sehr schnell rapide abnimmt, ist das Feiern unter der Woche. Wenn man einen Job hat, geht das einfach wirklich nicht mehr. Man macht es gelegentlich, aber bereut es jedes Mal bitterlich. Vor allem wegen Mythos 5 (s.u.). Nein. Das ist Blödsinn. Es verändert sich eben. Wenn man jung ist, haben Partys etwas Aufregendes und Rebellisches. Das fällt irgendwann weg. Man geht weg, weil man ein bisschen dem Stress aus dem Job entkommen will, weil man unter der Woche viel zuhause auf der Couch herumliegt, weil man unter Leute kommen will oder weil man den DJ mag. Das sind jetzt alles keine Gründe, die exklusiv mit 30+ auftreten, aber es fallen eben einige weg. Der Exzess ist nicht mehr so wichtig. Man steht oft mit seinen Leuten am Rand, trinkt den Longtrink, den man sich mit Mitte 20 nicht hätte leisten können, redet darüber, was sich so tut und schaut den 24-jährigen beim Angraben zu. Man ist aber dabei nicht unzufrieden. Ja, man hat halt einiges schon gesehen, aber das macht das Feiern nicht weniger spaßig. Nur ein bisschen entspannter. Ja und nein. Natürlich bist du mit 30+ eher am oberen Ende der Feierstange angekommen, wenn es um das Alter geht. Aber andererseits wirst du dir ja auch nicht Locations suchen, die für ihre zahlreichen Gäste um die 20 bekannt sind. Ja, als 30-jähriger bist du in manchen Clubs schnell der creepy Dude, der in der Ecke herumlungert. In anderen Live- und Technoclubs fällst du dagegen überhaupt nicht auf. Zwei Dinge passieren aber wirklich. Erstens wächst du bei bestimmten Partys und Locations aus dem Kernpublikum heraus. Manchmal verändern sich eigentlich gar nicht wirklich die Dinge um dich herum, sondern du selbst. Daneben gibt es aber noch eine Sache, die ich jetzt mal als die “Bekanntenkurve” bezeichne. Je länger du dich im Nachtleben einer Stadt bewegst, desto mehr Leute kennst und begrüßt du. Nur werden diese Leute auch irgendwann älter. Und irgendwann kehrt sich diese Kurve dann um. Du merkst plötzlich, dass du den oder den eigentlich schon ewig nicht mehr getroffen hast. Du merkst, dass du bei bestimmten Partys früher 20 Leute gekannt hast. Dann nur noch 15. Dann nur noch 5, und irgendwann gehst du selber nicht mehr hin. Das ist der Lauf der Dinge. Ich hab das hier mal visualisiert, wobei die Kurve eigentlich viel flacher ist. Aber ihr versteht, was gemeint ist, oder? Grafik: Ein stolzer Jonas Foto: Imago Genauso wahr wie falsch. Körperlich bist du natürlich noch genauso in der Lage bis 7 Uhr weiterzufeiern, mit entsprechender chemischer Unterstützung sogar auch bis mittags. Da spielt dann aber ein anderer Punkt hinein: Mit steigendem Alter sind viele Menschen in festen, relativ stabilen Beziehungen. Das hat dann einige Auswirkungen. Zum einen fällt das “last man scoring”-Argument weg. Viele Menschen (vor allem Männer) bleiben bis zum Schluss auf Partys, weil sie hoffen, dass die anwesenden potentiellen Sexualpartner irgendwann so besoffen sind, dass sie ihre Standards absenken und nachgeben. Die Zermürbungstaktik. Wenn man in einer langfristigen und halbwegs glücklichen Beziehung ist, gibt es in diesem Punkt dann keinen Grund mehr, die Stunden zwischen 4 und 6 Uhr, wo die Party in den meisten Städten ihren Höhepunkt längst überschritten hat, noch auszuharren und seinen protestierenden Magen zu ignorieren. Außerdem haben Menschen in Beziehungen häufiger am Wochenende Tagesaktivitäten, die halt vor 17 Uhr beginnen Und das muss gar nicht der sprichwörtliche Flohmarkt sein. Scheiße ja. Ernsthaft: Wenn man jung ist, kann man sich nicht vorstellen wie furchtbar Kater werden, wenn du mal die Blüte deiner Jugend überschritten hast. Mit steigendem Alter wirst du irgendwann den 2-Tages-Kater kennenlernen und nur noch Freitag feiern, damit du Montag wieder fit bist. Und dann kommt irgendwann der 3-Tages-Kater. Das alles wird auch auf dich zutreffen. Die einzige gute Nachricht: Du kannst dem eh nicht entkommen, also kannst du dich genauso gut einfach zurücklehnen. Ich hoffe, ich habe mit einigen der schlimmsten Mythen rund um die große Drei aufräumen können. Keine Angst, Älterwerden ist echt nicht so schlimm. Folge THUMP auf Facebook und Instagram.
Jonas Vogt
[ "30", "Alt", "Alter", "Ausgehen", "feiern", "kater", "Party" ]
2015-04-09T13:50:00+00:00
2024-07-31T02:17:52+00:00
https://www.vice.com/de/article/das-aendert-sich-beim-feiern-wenn-du-30-wirst/
Ivana Chubbuck hilft Hollywood-Stars dabei, ihren Schmerz zu Kunst zu machen
“Ist es OK, dass wir hier sitzen?”, fragt mich Ivana Chubbuck, während sie sich in ihrem Sessel zurecht rutscht. Sie hat sich in einer abgelegenen Ecke der Hotel-Lobby niedergelassen. Da, wo es ruhiger ist. Sich intensiv und ungestört unterhalten zu können, ist ihr sehr wichtig. Außerdem möchte sie, dass sich auch ihr Gesprächspartner wohlfühlt. Überraschend ist das nicht: Schließlich ist es Kommunikation am Rand zum Seelenstriptease, der einen Großteil ihrer Arbeit ausmacht. Chubbuck ist Schauspiel-Coach und gilt gemeinhin als “Star-Flüsterin”. Sie hat Brad Pitt zu dem Schauspieler gemacht, der er heute ist, und Halle Berry auf ihre oscarprämierte Rolle in Monster’s Ball vorbereitet. Glaubt man dem, was Hollywood-Stars über sie sagen, ist die 64-Jährige allem voran eine Art Therapeutin, die zusammen mit ihren Klienten menschliche Abgründe erforscht, um sie in etwas Positives, Produktives zu verwandeln. Dabei schont sie sich selbst nicht: Chubbuck wuchs in missbräuchlichen Verhältnissen auf, ließ eine Drogensucht hinter sich und hat keine Probleme, offen über ihre eigenen Tiefpunkte zu sprechen. Ein Punkt, den auch ihr Buch The Power of the Actor aufgreift, das dieses Jahr erstmalig in Deutschland erscheint. Grund genug, sich mit der Amerikanerin zusammenzusetzen – und über destruktive Egos, menschliche Tragödien und die Macht des Zweifelns zu sprechen. Mehr lesen:“Ghostbusters”-Regisseur Paul Feig erklärt, wie Frauen Hollywood besser machen Broadly: Du bist die erste Person, die ich interviewe, die sich ganz bewusst darauf fokussiert, eine ruhige, entspannte Gesprächsatmosphäre zu haben.Ivana Chubbuck: Mir ist nichts wichtiger als Kommunikation. Wenn ich mit Regisseuren, Autoren und Schauspielern arbeite, bringen die Schauspieler auch ihre eigenen Geschichten mit. Sie füllen die Story aus und machen sie dadurch zu etwas wahrem, was zwischen echten Menschen passiert. Ich interessiere mich total für die Leben anderer Menschen und wie sie es schaffen, zu überleben. Deswegen ist es für mich auch immer etwas seltsam, mit Journalisten zu sprechen. Ich weiß nichts über sie, sie wissen aber etwas über mich. Du willst meine Geschichte hören, ich interessiere mich aber für deine. Was interessiert Lisa? Bist du verheiratet? Hast du einen Freund? Hast du dich deswegen dafür entschieden, die Leute lieber zu coachen, als selbst Schauspielerin zu werden?Es ist so viel befriedigender, jemandem dabei helfen zu können, etwas zu erreichen, als einfach nur von der Industrie glorifiziert zu werden. Ich bin einfach keine Narzisstin. Es würde mich zum Beispiel glücklich machen, wenn du aus diesem Gespräch etwas mitnimmst. Wenn dich irgendetwas, worüber wir hier sprechen, dazu bringt, eine glücklichere Person zu sein – oder besser mit den Dingen umgehen zu können, die dich momentan beschäftigen. Das könnte ich nicht leisten, wenn es nur um mich auf der Leinwand oder der Bühne ginge. Ich möchte irgendwann mal sagen können, dass ich die Leben von Millionen Menschen beeinflusst habe, nicht nur mein eigenes. Ich glaube, dass Leid viele Formen haben kann. Gleichzeitig haben ja auch Schauspieler die Möglichkeit, Millionen von Menschen positiv zu beeinflussen. Indem sie beispielsweise Charaktere spielen, die Krisen überstehen und Betroffenen dadurch Mut machen.Genau das wünsche ich mir auch von Schauspielern. Ich will nicht, dass es ihnen nur darum geht, für ihre Rolle gelobt zu werden oder einen Oscar zu bekommen. Es ist viel wichtiger, die grundlegende Realität von jemandem zu nehmen, der den Tiefpunkt erreicht hat, und das in einen Charakter zu packen. Damit man dem Publikum dann zeigen kann: Ich habe dieselben Unsicherheiten, dieselben Ängste, dieselben Probleme in meiner Beziehung oder mit meinen Eltern, dieselben Missbrauchserfahrungen. Nimm deine Traumata, deine Unsicherheiten und deine Ängste und versuche, sie zu Instrumenten zu machen, die dir dabei helfen, deine Ziele zu erreichen. Ich erreiche das, was ich erreichen will, nicht trotz meiner Probleme, sondern wegen ihnen. Ich glaube, das ist eine gute Lebenseinstellung. Egal wie alt du bist, wie du aussiehst, aus welcher schwierigen Situation du kommst: Jeder hat die Möglichkeit, erfolgreich zu sein, wenn er hart arbeitet, Risiken eingeht und sich nicht von irgendwelchen festgesteckten Grenzen zurückhalten lässt. Mal außerhalb der Linien. Lass dir davon nicht vorschreiben, was du tust. Alle Fotos: Grey Hutton Uns wurde im Kindergarten immer gesagt, dass wir Dinge “ganzheitlich” malen sollen. Nicht erst eine “Pelle”, die man dann ausfüllt.Ich habe das Gefühl, dass einem als Kind oft diese ganzen Freiheiten gegeben werden. Wenn du dann aber älter wirst, nehmen sie dir die wieder weg. Deswegen sage ich immer: In der Kunst kann 2 + 2 “orange” ergeben, auch wenn die Lösung in der Realität immer “4” ist. Freiheit hat so viel mit Wissenschaft zu tun. Es gibt in der Geschichte so viele Beispiele, bei der Wissenschaftler Dinge erfunden haben, obwohl sie eigentlich etwas anderes schaffen wollten. Das gilt natürlich auch für Beziehungen. Menschen, in die du dich Hals über Kopf verliebst, entsprechen nur selten irgendwelchen ganz konkreten Vorstellungen, die du vorher irgendwo mal festgehalten hast. Freiheit ist für mich ein wichtiges Ermächtigungswerkzeug. Die Gewissheit, dass es in Ordnung ist, sich auszuprobieren. Es ist einfach aufzugeben und sehr schwer, es nicht zu tun. Eines meiner Lieblingsbücher basiert auf der These, dass große Kunst nur durch Scheitern, durch Schmerz entstehen kann. Es ist ein dystopischer Roman, wenn man sich unsere Kulturgeschichte anguckt, hatte aber beinahe jeder große Künstler irgendeine Art von tragischer Lebensgeschichte.Ich werde von allen möglichen Leuten, egal wo auf der Welt, immer wieder gefragt, ob es als Künstler wichtig ist, traumatische Erfahrungen zu machen. Ich glaube aber, dass Leid viele Formen haben kann. Stell dir vor, du hast wundervolle Eltern. Ihr gehört der Mittelklasse an, Geld war nie ein Problem. Und trotzdem geht es dir nicht gut, weil du vielleicht einfach nicht das Gefühl hast, in diese Welt zu passen. Dein Leid zeigt sich dem tiefgreifenden Gefühl, nicht dazuzugehören. Meine Mutter war mir gegenüber gewalttätig. Sie hat zwanghaft gelogen und war ein Messie. Ich bin inmitten von Müll aufgewachsen, überall waren Kakerlaken und anderes Ungeziefer. Sie hat niemals irgendeine Diagnose bekommen, aber glaub mir, sie war psychisch krank. Mein Vater war ein fantastischer Mann, ein Anwalt, aber er war einfach zu schwach, um sich damit auseinanderzusetzen. Ein klassischer Hintergrund für das Bild des “gepeinigten Künstlers” also. Trotzdem habe ich in all den Jahren so viele Menschen getroffen, deren persönliche Tragödien nicht einmal im Ansatz an meine herangereicht haben, und die trotzdem fantastische Künstler waren. Mehr von i-D: Sabina Karlsson über Models als Menschen Um auf den ursprünglichen Punkt zurückzukommen: Ich glaube nicht, dass man großes Leid erfahren haben muss, um große Kunst zu schaffen. Aber wenn es einem widerfahren ist, kann man es eben auch nicht rückgängig machen. Deswegen: Nimm dein Leid und tu etwas Konstruktives damit. Niemand hat ein perfektes Leben und jeder musste schon irgendetwas durchmachen. Was du daraus machst, macht den Unterschied zwischen einer dynamischen Person, einem Macher, oder jemandem, der sich besiegen lässt, einem Opfer. Ich bringe den Leuten bei, keine Opfer zu sein. Es ist einfach aufzugeben und sehr schwer, es nicht zu tun. Aber es ist nichtsdestotrotz eine Wahl, die du triffst. Du hast mit Schauspielern und Regisseuren, aber auch mit Late-Night-Hosts wie Jon Stewart gearbeitet. Gibt es ein Problem, das all diese verschiedenen Menschen eint? Irgendetwas, an dem alle arbeiten wollen?Ich glaube, die größte, universale Angst ist das Zweifeln. Mache ich das Richtige? Sollte ich das wirklich weitermachen? Habe ich die richtige Entscheidung getroffen? Zweifel können dich richtig fertig machen, weil sie irgendwann zu Angst werden. Andererseits bringen sie dich vielleicht dazu, dich selbst zu hinterfragen und offen für Feedback von außen zu sein. Ich glaube, dass man alles, wofür man sich schämt, wie eine Medaille tragen sollte. Auf deiner Website sagst du, dass das, was Wachstum und Vorankommen am meisten im Weg steht, das Ego ist. Das wiederum widerspricht wahrscheinlich so ein bisschen der Vorstellung, die man als Außenstehender von Hollywood und Schauspielern hat.Ego zerstört alles. Steht das nicht auch in der Bibel? Ach, bestimmt! [lacht] Das Ego hält dich davon ab, aufgeschlossen zu sein. Du kannst nichts mehr lernen, weil du zu beschäftigt damit bist, immer Recht zu haben. Wenn du die Schönste, Beste und Klügste bist, gibt es keinen Raum mehr, für neue Information. Stell es dir vor wie einen Schwamm: Wenn ein Schwamm schon vollgesogen ist mit Wasser, kann er ja auch nichts mehr aufnehmen. Ein zu großes Ego kann etwas abstoßendes haben, gerade in Beziehungen. Wenn du so ein Ego hast, wirst du auch immer unglücklich sein, weil die Leute dich nie als die Person sehen werden, von der du glaubst, dass du sie bist. Du rennst deiner eigenen Vorstellung von dir selbst immer hinterher. Das sieht man zum Beispiel bei Leuten, die sich unters Messer legen. Eine Operation reicht nicht, also kommt dann die nächste und das wird irgendwann richtig schlimm. Wenn du Schönheitschirurgin werden möchtest, geh nach Hollywood! Es ist total verrückt, wie da manche Gesichter aussehen. Das sind dann noch nicht mal die Schauspieler, sondern die ganz normalen Leute. Die echten Stars brauchen das nicht. Ich habe übrigens auch herausgefunden, dass die Leute netter werden, je bekannter sie sind. Mehr lesen: Im Gespräch mit der Frau, die den ‘Dude’ zur Ikone gemacht hat Es klingt so ein bisschen, als hätte dein Schauspiel-Programm auch eine psychologische, therapeutische Komponente.Das ist Teil davon, für uns alle. Ich habe auch selbst immer wieder Offenbarungen. Wenn ich jemand anderem helfe, hilft es auch mir. Oft denke ich mir plötzlich: “Ach, deswegen hat mein Vater das damals zu mir gesagt! Deswegen habe ich so da drauf reagiert!” Ich glaube, Leute öffnen sich mir gegenüber auch so schnell, weil ich selbst sehr offen bin. Ich rede auch über die Dinge, die mich beschäftigen – um daraus etwas zu lernen und nicht einfach nur, weil ich mich gerne beschwere. Wenn ich wirklich etwas an meinem Verhalten und an der Art und Weise, wie ich denke, verändern möchte, muss ich mir zuerst angucken, wofür ich mich schäme und offen damit umgehen. Ich glaube, dass man alles, wofür man sich schämt, wie eine Medaille tragen sollte. Du hast etwas überlebt. Und bist dadurch vielleicht zu einem besseren Menschen geworden. Folgt Broadly bei Facebook, Twitter und Instagram.
Lisa Ludwig
[ "Feminisme", "Film", "Hollywood", "Interview", "kindheit", "Kultur", "Psychologie", "Selbstoptimierung" ]
2017-05-23T09:10:00+00:00
2024-07-30T20:03:41+00:00
https://www.vice.com/de/article/ivana-chubbuck-hilft-hollywood-stars-dabei-ihren-schmerz-zu-kunst-zu-machen/
Der Echo ist tot, lang lebe …
Wie der Vorstand des Verbandes der Musikindustrie BVMI heute mitteilte, wird der Echo in seiner jetzigen Form abgeschafft. “Den ‘ECHO’ wird es nicht mehr geben”, teilte man in einem langen Statement mit. Zwar wolle man weiterhin Künstler für ihr Werk mit Musikpreisen auszeichnen, die “Leuchtturm-Charakter” haben, allerdings geht das wohl mit dem Echo nicht mehr. Nach der diesjährigen Veranstaltung wolle man verhindern, dass die Verleihung als “Plattform für Antisemitismus, Frauenverachtung, Homophobie und Gewaltverharmlosung wahrgenommen” werde. Die hitzige Diskussion um die Nominierung und Auszeichnung von Kollegah & Farid Bang und ihres Albums JBG 3 hat die Veranstalter des Echos zu einem radikalen Schritt bewogen. “Die Marke ECHO sei so stark beschädigt worden, dass ein vollständiger Neuanfang notwendig sei”, heißt es weiter. Jetzt wolle man die Nominierungskriterien “vollständig verändern”. Die Jury solle dabei eine größere Rolle spielen. Im Klartext: Es soll nicht mehr nur aufgrund von Verkaufszahlen nominiert und ausgezeichnet werden. Welchen Namen der neue Preis tragen wird und ob er bereits 2019 verliehen werden soll, darüber gibt es bislang noch keine Informationen. Lest hier den kompletten Wortlaut: Den “ECHO” wird es nicht mehr geben. Das hat der Vorstand des Bundesverbandes Musikindustrie gestern in einer außerordentlichen Sitzung in Berlin beschlossen. Der ECHO sei viele Jahre ein großartiger Preis und zugleich zentrales Branchenevent mit vielen bewegenden Momenten und herausragenden Künstlerinnen und Künstlern gewesen. Auch steht für den Vorstand außer Frage, dass Deutschland als drittgrößter Musikmarkt der Welt zur genre- und generationsübergreifenden Auszeichnung von Künstlerinnen und Künstlern weiterhin Musikpreise mit Leuchtturm-Charakter braucht. Man wolle jedoch keinesfalls, dass dieser Musikpreis als Plattform für Antisemitismus, Frauenverachtung, Homophobie oder Gewaltverharmlosung wahrgenommen wird. Das um den diesjährigen ECHO herum Geschehene, wofür der Vorstand sich entschuldigt habe, könne zwar nicht mehr rückgängig gemacht werden, man werde aber dafür sorgen, dass sich ein solcher Fehler in Zukunft nicht wiederhole. Die Marke ECHO sei so stark beschädigt worden, dass ein vollständiger Neuanfang notwendig sei, der auch eine Neuaufstellung bei ECHO KLASSIK und ECHO JAZZ nach sich ziehe. In dieser Überzeugung nennt der Vorstand bereits erste konkrete Schritte: Er wird die drei Preise in eine eigene Struktur überführen. Im Zuge dessen werden auch die bisher involvierten Gremien ihre Tätigkeit einstellen. Die Kriterien der Nominierung und Preisvergabe werden dabei vollständig verändert. Wie beim ECHO KLASSIK und ECHO JAZZ, die von Anfang an reine Jury-Preise waren, soll beim neuen Musikpreis auch für den Pop-Bereich die Jury stärker in den Vordergrund rücken. Für die Konkretisierung der Änderungen wird sich der Vorstand die erforderliche Zeit nehmen. Mit dem erklärten Ziel, den neuen Preis im Sinne aller Künstler sowie der gesamten Branche zu gestalten, soll es im Juni einen Workshop geben, um möglichst viele Ideen und Erwartungen aus der Branche beim Prozess der Neugestaltung einzubeziehen. Gleichzeitig ist der BVMI bereits an Institutionen herangetreten, um die gesellschaftlich notwendige Debatte über die Kunstfreiheit und ihre Grenzen mitzugestalten. Ausführliche Informationen zu den Verleihungen in den Bereichen Jazz und Klassik folgen in Kürze. Die Jazz-Preise werden am 31. Mai in Hamburg in kleinerem Kreis ohne TV-Inszenierung verliehen. Im Fokus stehen die Künstlerinnen und Künstler und ihre Musik. ** Mehr zum Thema: Folge Noisey auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Noisey Staff
[ "Echo", "Echoverleihung", "Farid Bang", "Kollegah", "Music", "musikpreis", "Noisey", "Noisey News" ]
2018-04-25T13:29:50+00:00
2024-07-30T18:33:02+00:00
https://www.vice.com/de/article/der-echo-ist-tot-lang-lebe/
Kann man mit Sport und Vitaminen die Langzeitschäden von Drogenkonsum ausgleichen?
Unsere Gesellschaft interessiert sich immer mehr für “Clean Eating” und Kalorienzählen, und damit auch für die Frage, wie man die aufgenommen Kalorien am besten wieder verbrennt. Unzählige Mitmenschen rennen mit Schrittzählern herum und verzichten der Figur zuliebe auf Süßes. Kein Wunder also, dass die Leute auch handfeste Zahlen wollen, die sie sich als Ziel ins Handy tippen oder online posten können. Und natürlich erfüllen die Internetschreiberlinge der Welt diesen Wunsch nur allzu gern. Inzwischen gibt es ein Überangebot von Seiten, auf denen wir genau nachlesen können, welcher unwahrscheinlichen Aktivität wir wie lange nachgehen müssen, um unser geliebtes Junkfood zu verbrennen. Ein Mann muss 5 Stunden und 53 Minuten lang Gewichte heben, um ein Big-Mac-Menü abzutrainieren. Eine Frau muss vier Stunden am Stück Rollerblades fahren, um sich einen Burrito von den Rippen zu schwitzen. Und so weiter. Dabei wird uns hier eine ziemlich ungesunde Art des Gesundseins vorgeführt. “Erst vollstopfen, dann abschinden” arbeitet mit Extremen statt mit Mäßigung. Andererseits war ich noch nie ein Fan von Mäßigung, also habe ich mich entschlossen, an dieser Stelle einfach mit dem Flow zu gehen. Wenn die “Ausgleichstaktik” bei Ernährungssünden funktioniert, lässt sie sich dann auch auf Drogenexzesse anwenden? Können die negativen Folgen des Drogenkonsums nach und nach ausgeglichen werden? Können Sellerie-Smoothies die Leber des Wochenend-Alkoholikers reinigen? Kann man ein kokaingeschwächtes Herz reparieren, indem man jeden Morgen bis ans Lebensende 900 Liegestütze macht? Um das herauszufinden, habe ich Gesundheitsexperten befragt. Mit dem Übergang von der Teenagerzeit in die 20er haben sich meine Ängste in Bezug auf Alkohol gewandelt. Wo ich früher noch “Oh shit, werde ich am Ende so voll sein, dass ich auf den Hund der Gastgeberin kotze?” dachte, denke ich heute: “Wird das vierte Bier an einem Dienstag meinen frühzeitigen Tod durch Herzversagen herbeiführen?” Um herauszufinden, ob Sport die Auswirkungen eines Mini-Gelages neutralisieren kann, kontaktiere ich Joseph Van der Merwe, seines Zeichens Personal Trainer in London. “Vier Dosen Bier [mit jeweils 440 ml] haben je nach Marke etwa 600 Kalorien. Das heißt, du musst schon 30 bis 40 Minuten wirklich energisch rennen [, um das zu verbrennen]”, erklärt er mir. Laut Dr. Adam Winstock, Gründer von Global Drug Survey und Psychiater, gibt es eine Bevölkerungsgruppe, die regelmäßig so vorgeht. “Die Gruppe, bei der ich das am häufigsten sehe, sind wohl schwule Männer, die Chemsex betreiben”, sagt er. “Sie feiern Freitag, Samstag und Sonntag hart und verbringen dann den Rest der Woche im Fitnessstudio.” Gleicht das die Wochenenden wieder aus? “Das kann ich mit einem entschiedenen Nein beantworten. Aber wenn du dich am Wochenende schon abschießt, ist es dann besser, wenn du den Rest der Zeit einen glücklichen und gesunden Lebensstil hast? Absolut.” Joseph findet auch, dass es in diesem Fall besser ist, ins Fitnessstudio zu gehen, doch er fügt hinzu: “Die Vorstellung, dass man sich mit Ernährung und Sport vor Drogen und Alkohol schützen kann, ist ungefähr so, als würde man einen Hausbrand mit einem nassen Schwamm bekämpfen.” Besucher einer 4/20-Demo im Londoner Hyde Park rauchen Gras | Foto von Jake Lewis Guy Jones ist Chemiker und arbeitet für The Loop, eine Drogentest-Firma, die sich für Schadensminimierung einsetzt. Er erklärt mir, dass der Cannabis-Wirkstoff THC das Endocannabinoid-System im Gehirn beeinflusst. Dieses System reguliert einige Vorgänge im Körper wie etwa das Hungergefühl und den Schlaf. Vor ein paar Jahren setzte ich mein Endocannabinoid-System einem besonders schweren Angriff aus, als mein Kumpel drohte, an einer Portion Schlagsahne zu ersticken. Die Vorstellung, dass mein Freund wegen eines Sahnehäubchens sterben könnte, erschütterte mich bis ins Mark, und mein High war restlos weggeblasen. Ich weiß nicht mehr, wie viel ich geraucht hatte, aber ich frage Guy, ob Angst eine vernünftige Methode ist, die Auswirkungen gelegentlichen Kiffens zu bekämpfen. “Das Adrenalin spült das Cannabis zwar nicht aus deinem Körper”, sagt er, “aber es hat Auswirkungen auf die Signalübertragung, die ab den Cannabinoid-Rezeptoren erfolgt. Also ist es durchaus möglich, einen Augenblick der Klarheit herbeizuführen [, während man high ist].” Das Hauptproblem bei Cannabis ist eher, dass du brennende Pflanzen einatmest—und bei uns in Europa ist das meist nicht nur Cannabis, sondern auch eine gewisse Menge Tabak. Wie Guy sagt: “Tabak ist eine extrem giftige und krebserregende Droge. Der beste Tipp, um die schädlichen Auswirkungen des Cannabis-Konsums auszugleichen, ist, mit dem Tabak aufzuhören.” Doch laut Joseph gibt es leider keine sportliche Aktivität, die einem Frühjahrsputz für die Lunge gleichkäme. “Die Vorstellung, dass du vielleicht ein paar Kilometer laufen kannst, um die Karzinogene aus deiner Lunge zu pusten … nein, das klappt nicht.” Ein großes Problem mit Kokain ist, dass es mit allem möglichen Unsinn gestreckt ist, weil Dealer gierige Raffzähne sind. Diese Streckmittel haben verschiedene Auswirkungen auf deinen Körper (auch wenn es eher unwahrscheinlich ist, dass es dein Gesicht auffrisst). Doch ganz gleich, wie dein Kokain gestreckt ist, schädlich ist es immer. Guy erklärt: “Es erzeugt Probleme im Herzen, weil es Nervensignale blockiert und damit den elektrischen Rhythmus stört, der dafür sorgt, dass das Herz gleichmäßig schlägt.” Alle von mir konsultierten Experten waren sich einig, dass es keine gute Methode gibt, diese Nebenwirkung zu bekämpfen. “Die Leute halten Alkohol für ein sinnvolles Ausgleichsmittel”, sagt Adam. “Aber diese Kombination ist sogar noch gefährlicher, denn natürlich nimmt man dann noch mehr Koks und trinkt noch mehr Alkohol, und das schadet Herz und Leber.” Guy ist seiner Meinung: “Mein Tipp zur Schadensminimierung bei Kokain ist, dass man sich weniger auf die Folgen für das Herz konzentrieren und sich dafür beim Alkohol sehr zurückhalten sollte.” Und was, wenn dein Herz eine gut geölte Maschine mit einem Ruhepuls von 30 Schlägen pro Minute ist? Wie das von Lance Armstrong? Joseph meint: “Er würde sich auch nicht schneller erholen, aber wahrscheinlich hätte er ein geringeres Risiko, dabei zu sterben.” Regelmäßiger und langfristiger Kokain-Konsum kann auch dazu führen, dass Herzgewebe anschwillt oder vernarbt. Die Schwellung kann mit genug Bewegung und einem Verzicht auf Drogenexzesse wieder zurückgehen, aber die Narben sind ein permanenter Herzschaden, der auch einen frühen Tod nach sich ziehen kann. Etwas MDMA | Foto von Michael Segalov Anders als Kokain wirkt sich MDMA nicht direkt auf die elektrischen Impulse aus, die den Herzschlag kontrollieren. Doch wie Guy erklärt: “Es belastet das Herz auch, weil es die Blutgefäße verengt, womit der Blutdruck steigt und das Herz viel härter arbeiten muss.” Wie bereits erklärt sind Herzschäden alles andere als einfach auszugleichen. Doch von allen Drogen, nach denen ich gefragt habe, ist MDMA die einzige, bei der die Ernährung wenigstens beim psychischen Runterkommen helfen kann. Rezeptfreie Nahrungsergänzungsmittel wie die Aminosäure 5-HTP können dabei helfen, den Serotonin-Vorrat wieder aufzufüllen. Serotonin ist der “Glücksbotenstoff”, der durch MDMA-Konsum rapide verbraucht wird und dessen Fehlen sich in einer Extraportion Trübsal am Tag danach bemerkbar macht. Auch Lebensmittel, die reich an Aminosäuren sind, empfehlen sich für das MDMA-Katerfrühstück. Die aufgezählten Drogen haben alle ihre schädlichen Auswirkungen, und leider gibt es nicht viele Methoden, diese Schäden wieder auszugleichen. Seltsamerweise ist die Droge, die dich mit der größten Wahrscheinlichkeit in einen total abgefuckten Zustand versetzt, auch gleichzeitig die Substanz, die zumindest relativ sicher ist. (Das soll nicht heißen, dass Ketamin ungefährlich ist, also sag nicht, wir hätten dich nicht gewarnt.) Guy erklärt uns, wie Ketamin sich auf den Körper auswirkt: “Ketamin blockiert die Nervensignale vom Körper ans Hirn und umgekehrt. In sehr kleinen Dosierungen löst es eine angenehme Dissoziation aus—ein Standard-High, wenn man so will. Höhere Dosen versetzen Konsumenten allerdings in einen völlig betäubten Zustand, in dem sie sich nicht bewegen können und nur noch in ihrem Kopf ‘existieren’—das nennt man dann K-Hole.” Und selbst wenn du einer von diesen komischen Kaputten bist, die sich Monster-Lines reinziehen, weil sie es sogar auf das K-Hole anlegen, ist die Droge deiner Wahl immer noch relativ unschädlich im Vergleich zu Alkohol und Tabak. “Ketamin ist ein überraschend sicheres Betäubungsmittel. Die Weltgesundheitsorganisation zählt es sogar zu den essentiellen Medikamenten”, sagt Guy. “Und die Dosierung beim Einsatz als Betäubungsmittel wäre viel höher als das, was Freizeitkonsumenten nehmen.” Das soll jetzt natürlich keine Ermutigung sein, dich jedes Wochenende mit Ketamin wegzuschießen. Zu den Langzeitschäden bei Dauerkonsum gehört die Vernarbung der Blase, was so schlimm werden kann, dass du eine neue brauchen könntest. Alle Experten waren sich einig, dass sich die langfristigen Schäden von Keta nur vermeiden lassen, indem man aufhört, Keta zu nehmen. Wenn du all das gelesen hast und jetzt schon in der Online-Apotheke nach 5-HTC suchst, nimm dir bitte zu Herzen, was Adam mir gesagt hat: “Drogen nehmen ist nicht wie Soll und Haben auf dem Konto. Es gibt auch kein Verbrennen wie bei Kalorien. Es ist einfach wichtig, dass du deine Drogen mit Grips konsumierst und ansonsten glücklich und gesund bleibst. Lass das Rauchen, treibe Sport und vermeide Übergewicht. Ob du jung sterben wirst, richtet sich nicht danach, ob du am Wochenende manchmal kokst oder gelegentlich Joints rauchst. Es richtet sich danach, ob du fett bist, ob du rauchst, ob du genetisch vorbelastet bist und wie dein sozioökonomischer Status aussieht.” Dieser letzte Faktor lässt aufmerken. Im Gespräch mit Adam fällt mir auch auf, dass Armut ein ganz schönes Hindernis darstellt, wenn man sich die “verheerenden Auswirkungen des Drogenkonsums” vom Leib halten will. Als Psychiater und Gründer von Global Drug Survey weiß Adam das besser als sonst irgendjemand. “Viele der Menschen, die ich behandle, führen sehr benachteiligte Leben mit sehr knappen Ressourcen. Dadurch sind sie gefährdeter und gehen seltener zum Arzt. Es ist auch unwahrscheinlicher, dass sie sich frisches Obst und Gemüse leisten können”, sagt er. “Es gibt einen gewissen Teil der Mittelschicht, dem die Vorstellung gefällt, man könnte Yoga machen und vegetarisch essen, und sei somit dann besser geschützt, wenn man diese Drogen nimmt. Aber sie sind nicht geschützt. Sie haben einfach nur mehr körperliches und soziales Kapital, also können die Drogen sie nicht so schnell kaputtmachen.” “Alles, was du tust, und jede Entscheidung, die du triffst, wirkt sich auf dein Leben aus”, sagt Guy dazu. “Also kannst du potentiell dein Leben verlängern, indem du gesünder isst und Sport treibst und besser schläfst. Aber wenn du es mit deiner Gesundheit wirklich ernst meinst, dann nimmst du wahrscheinlich von vornherein niemals Drogen. Andererseits gehst du dann vielleicht auch von vornherein gar nicht erst aus dem Haus—die Straße überqueren ist immerhin auch ganz schön gefährlich.”
Jack Blocker
[ "Alkohol", "Cannabis", "Drogen", "drogenkonsum", "Ernährung", "gras", "ketamin", "Kokain", "Marihuana", "MDMA", "Organe", "Sport", "Stuff", "Vice Blog" ]
2016-08-09T12:20:00+00:00
2024-07-30T22:29:43+00:00
https://www.vice.com/de/article/kw5qvv/kann-man-mit-sport-und-vitaminen-die-langzeitschaeden-des-drogenkonsums-ausgleichen
Menschen, die viel Sex haben, erzählen, wie es ist, viel Sex zu haben
Junge Menschen schlafen nicht mehr so oft miteinander, sagen Studien. Und das, obwohl sie Sex und Beziehungen gegenüber offener eingestellt sind denn je. Sehr paradox. Aber wie bei fast jeder Statistik gibt es auch hier Ausnahmen – also junge Leute, die gerne Spaß hinter verschlossenen Schlafzimmertüren haben. Oder auch woanders. Wir haben uns mit einigen dieser Ausnahmen über ihr Liebesleben unterhalten und dabei Interessantes über Sex-Positivität, Monogamie und die Natur des Menschen erfahren. VICE: Mit wie vielen Menschen hast du schon geschlafen?Clyde: Wegen meines Berufs als Escort habe ich irgendwann aufgehört zu zählen. Es waren auf jeden Fall schon sehr viele. Was hast du dabei über Menschen an sich herausgefunden?Nicht viel. Ich habe jetzt nur mehr Erfahrung und weiß, welche Fetische es alles gibt. Aber egal, was kommt, ich verhüte immer, wenn ich mit anderen Männern schlafe. Warum hast du so gerne Sex?Ich liebe die Intimität mit der anderen Person. Da ist es egal, ob der Sex total versaut oder total romantisch ist. Nichts fühlt sich besser an, als mit einem Menschen zu schlafen, den man wunderschön findet. An diese Verbindung, die entsteht, wenn sich zwei Körper nahe kommen, kommt nichts ran. VICE: Mit wie vielen Menschen hast du schon geschlafen? Florence: Zwischen 19 und 23 habe ich es richtig krachen lassen. In diesem Zeitraum bin ich mit 35 bis 40 Männern in die Kiste gestiegen – irgendwann habe ich aufgehört zu zählen. Aber weißt du was? Ich bin stolz auf diese Anzahl. Mit Erfahrung kommt auch Wissen. Was hast du durch so viel Sex über uns Menschen gelernt?Sex ist immer anders. Mir ist jetzt klar, dass jeder Mensch auf andere Sachen steht. Auch über mich selbst habe ich Dinge gelernt, die ich mir niemals erträumt hätte. Je nachdem, mit wem man es im Bett zu tun hat, öffnet man sich entweder total oder blockt voll ab. Durch jede meiner Erfahrungen – auch die, die ich heute bereue – habe ich einen Einblick in das menschliche Wesen bekommen. Und ich weiß jetzt, wie wir uns gegenseitig besser helfen und lieben können. Auch bei VICE: Die südkoreanische Liebesindustrie Würdest du den Bund einer polyamorösen Ehe eingehen?Nein. Wenn Leute in polyamorösen, offenen oder was auch immer für Beziehungen sein wollen, dann sollen sie das tun. Ich persönlich bin bei diesem Thema aber eher konservativ eingestellt und eifersüchtig: Ich werde meinen Freund mit niemandem teilen. Und wie denkst du über Swingen?Wie gesagt, offene Beziehungen und Dreier sind schön und gut, aber für mich persönlich nichts. So etwas würde mich noch jahrelang verfolgen. Wenn ich meinem Partner beim Sex mit einer anderen Frau zuschauen würde, könnte ich ihm danach nie wieder vertrauen. Diesbezüglich bin ich echt langweilig. Dafür lass ich es im Bett richtig krachen. VICE: Wie viele Sexpartner hattest du bis jetzt?Reed: Überraschenderweise gar nicht so viele, irgendwas zwischen 10 und 30. Ich habe nie mitgezählt, weil ich das dumm finde. Jeder Mensch, mit dem man schläft, hilft einem dabei, die eigenen sexuellen Wünsche besser zu verstehen und sich weiterzuentwickeln. Was hast du durch deine Bettpartner sonst noch über Menschen gelernt?Egal wie sehr man glaubt, alles über das Thema Sex zu wissen, man lernt immer etwas Neues dazu – selbst dann, wenn man immer nur mit der gleichen Person schläft. Niemand ist gleich. Deswegen sollte man niemanden für etwas verurteilen, auf das er oder sie steht. Ach ja, und: Auch wenn man schlecht im Bett ist, kann man sich immer verbessern. Wie denkst du über Monogamie?Ich finde dieses Konzept ziemlich altbacken und religiös. Viele Menschen leben monogam, aber ich glaube nicht, dass sie wirklich nur mit einer Person schlafen wollen. Meiner Meinung nach hat das mehr mit Unsicherheiten und Vertrauen zu tun. Das Konzept der Monogamie macht es doch aber erst möglich, den Partner oder die Partnerin zu betrügen. Monogamie wird uns schon im jungen Alter eingetrichtert, zum Beispiel wenn es um das Thema Heirat geht. Dabei werden 40 Prozent der Ehen wieder geschieden. Wir Menschen sind komplexe Wesen. Das ganze Leben lang nur einen Sexpartner zu haben, ist doch verrückt und traurig. Das geht komplett gegen unsere Triebe und unser Verlangen. OK, für manche Menschen passt das genau – und das ist auch gut so, jeder wie er oder sie will. Ich finde es bloß scheiße, wenn einem dieses Konzept aufgezwungen wird. So wird man nicht glücklich und schämt sich, wenn man mit anderen Menschen schlafen will. Man sollte dem Partner oder der Partnerin in einer monogamen Beziehung immer Raum zur Selbstbefriedigung lassen oder ein anderes Ventil geben. So können sie Selbstvertrauen aufbauen. Das brauchen wir Menschen. Wer ist besser im Bett, Männer oder Frauen?Ich war noch nie richtig mit einer Frau zusammen, aber Sex hatte ich schon mit einigen. Allgemein würde ich sagen, dass für mich Männer besser im Bett sind. Ich bin zwar flexibel, was meine sexuellen Vorlieben angeht, aber nichts geht über einen guten Schwanz – nicht mal Sexspielzeug. Und wenn mein Bettpartner sich richtig gehen lässt, wird das Ganze noch besser. Ich stehe total auf harten Sex und Dominanz, aber mit einer Frau ist der Geschlechtsverkehr eher ausgeglichen. Bei Männern kann ich mich hingegen komplett hingeben und unterwerfen. Genau das turnt mich richtig an. VICE: Wie denkst du über offene Beziehungen? Hannah: Für mich sind sie eine berechtigte Alternative zur Monogamie – genauso gesund und mit genauso viel Liebe. Bei manchen Leuten passt dieses Konzept einfach wie die Faust aufs Auge. Leider haftet dieser Beziehungsart immer noch ein schlechter Ruf an. Und was ist mit Slut-Shaming? Das finde ich natürlich richtig scheiße. Leute, wir schreiben das Jahr 2017. Niemand sollte mehr aufgrund des Sexualverhaltens oder der Klamotten verurteilt werden. Was war das Außergewöhnlichste, was du jemals beim Sex gemacht hast? Fetische einzuordnen, ist schwierig, weil jeder Mensch andere Grenzen hat. Das Extremste, von dem ich bisher gehört habe, sind Nadelspiele aus der BDSM-Kategorie. Für Menschen mit Nadelphobie ist das natürlich nichts. VICE: Mit wie vielen Frauen hast du schon geschlafen?Luke: Wenn es um meine Porno-Karriere geht, dann kann ich das nicht sagen. In meinem Privatleben vor den Sexfilmen waren es so zwischen 30 und 50. Wenn ich schätzen müsste, dann haben ich vom Verlust meiner Jungfräulichkeit mit 15 bis jetzt mit mehr als 1000 Frauen geschlafen. Was hast du dadurch über andere Menschen gelernt?Man darf niemals voreilige Schlüsse ziehen. Der Schein trügt öfter, als man denkt. Ich weiß nun, dass jeder Mensch anders ist und auf andere Dinge steht. Was ist deine Lieblingsstellung?Wenn die Frau auf mir sitzt. Dann kann ich ihr nämlich in die Augen schauen, sie küssen und mit ihren Brüsten spielen. Ich verwöhne meine Sexpartnerinnen gerne und finde es toll, wenn zwischen uns die Chemie stimmt. Sex wird durch Kommunikation doch erst so richtig gut. Gibt es ein sexuelles Erlebnis, das dir besonders im Gedächtnis hängen geblieben ist? In meinen Pornos habe ich schon alles gemacht, was man sich so vorstellen kann. Aber um deine Frage zu beantworten: Einmal hatte ich auf dem Heimweg von einem Konzert Sex mit meiner Freundin – und zwar auf der Rückbank des Vans, in dem auch meine und ihre Eltern saßen. Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.
Ruth Faj
[ "Beziehung", "Dating", "Erfahrung", "Escort", "Fetisch", "Geschlechtsverkehr", "LGBTQ", "Millenials", "NSFW", "pornos", "Sex", "Slut Shaming", "wissen" ]
Sex
2017-12-06T11:12:12+00:00
2024-07-30T21:07:43+00:00
https://www.vice.com/de/article/vbze88/menschen-die-viel-sex-haben-erzahlen-wie-es-ist-viel-sex-zu-haben
Deine Gäste werden dir diese Bowle aus den Händen reißen
Eine Bowle kann eine Party am Leben halten, denn deine Gäste müssen sich nicht selbst ihren Whisky-Cola mixen oder ein Sixpack schlechtes Bier mitbringen. Mit einer gut gemachten Bowle muss sich keiner Gedanken darum machen, auch gut trinken zu können. Wir haben Julian Cox vom Three Dots and a Dash in die MUNCHIES Testküche eingeladen, damit er uns zeigt, wie man eine partywürdige Bowle macht. Alle Fotos von Matthew Zuras Seine Bowle besteht zum Glück nicht aus 70 Zutaten und Sherryraritäten und sie ist auch kein hochprozentiger Eimerdrink. Diese Bowle ist wie eine gute Bowle sein sollte: komplex, ausbalanciert und sie lässt sich leicht wegtrinken. Und so macht Julian seine Bowle: Die Vorbereitung besteht eigentlich nur darin, ein paar Estragonzweige über Nacht in Brandy ziehen zu lassen. Einfaches Ding. Am nächsten Tag presst du ein paar Mandarinen aus, die sollte es zu dieser Jahreszeit in Hülle und Fülle geben. Ein paar Scheiben kannst du für die Deko aufheben. Danach zerdrückst du ein paar Zitronenschalen mit ein wenig Zucker in einer Bowleschüssel deiner Wahl und lässt das Ganze 10 Minuten ziehen. Jetzt kannst du deine Bowle zusammensetzen. Mandarinensaft und Grapefruitsaft in deine mit Eis gefüllte Bowleschüssel geben. Brandy, jamaikanischen Rum und Zitronensaft der schon geschälten Zitronen abmessen und dazugeben. Die Bowle mit Zitronen- und Mandarinenscheiben sowie Estragonzweigen garnieren. Und zum Schluss gießt du einfach eine Flasche gut gekühlten Prosecco hinein und verrührst das Ganze. Oh, und vergiss nicht, ein paar Granatapfelkerne über dein fertiges Werk zu streuen. Servier die Bowle deinen Gästen und schau zu, wie sie in wenigen Sekunden weggetrunken ist.
Munchies Staff
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Food
2016-12-29T08:00:31+00:00
2024-07-30T23:06:36+00:00
https://www.vice.com/de/article/deine-gaeste-werden-dir-diese-bowle-aus-den-haenden-reissen/
Wild Nothing
Wild Nothing ist ein Bedroom-Recording-Projekt. Wenn es etwas gibt, woran es uns momentan nicht mangelt, dann sind das Bedroom-Recording-Projekte. Aber im Gegensatz zu allen anderen klingt das von Jack Tatum als würde er in einem Planetarium schlafen. Es ist tatsächlich fast schon spektakulär, wie ein einzelner Mensch seine Lieder mit jeder Spur weiter verfeinern kann, so dass sie am Ende so klingen wie sich ein Morgennebel-umwölkter Handjob einer Waldelfe anfühlen muss. Tatum scheint in seiner Freizeit nichts anderes zu tun als den Backkatalog von 4AD und Factory Records zu studieren. Er geht da ähnlich vor, wie es vor gut zehn Jahren schon Antarctica gemacht haben, nur kann sich an die vermutlich niemand erinnern. Um selber nicht allzu schnell aus dem kollektiven Indiebewusstsein zu verschwinden, hat Tatum ein Album namens Gemini auf dem Hype-Katalysator Captured Tracks veröffentlicht und spielt momentan eine kleine Europa-Tour – auf der Bühne übrigens als Band. Wie es der Zufall will, sind sie genau heute im Berliner Bang Bang Club zu sehen
VICE Staff
[ "Musik", "Vice Blog" ]
2010-08-09T12:00:00+00:00
2024-07-31T07:59:25+00:00
https://www.vice.com/de/article/pick-of-the-day-wild-nothing/
Hier ist ein Video von Fred Durst, wie er Salem hört
Hier kannst du dir das Video anschauen, in dem Fred Durst Salem hört. Fred Durst. Salem. Fred Durst. Salem. Fred Durst. Salem. Fred “Salem” Durst. Sa “Fred Durst” lem. Fred Durst. Salem. Fred Durst. ……….. …. Salem. Ich wiederhole gerade ständig „Fred Durst … Salem” im Rhythmus vom „No Flex Zone” Refrain. Fred Durst Salem. ** Folgt Noisey bei Facebook und Twitter. MEHR VON NOISEY
Ezra Marcus
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2014-08-07T15:09:00+00:00
2024-07-31T02:49:05+00:00
https://www.vice.com/de/article/hier-ist-ein-video-von-fred-durst-wie-er-salem-hoert/