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Jungle World #34/2024 - Schuldenbremse für die Welt | Im dschungel läuft:
100 Jahre Columbia Pictures. Die Reihe »The Lady with the Torch« zeigt frühe Produktionen aus dem Hollywood-Studio, darunter viele B-Movie-Perlen. | Die Bundesregierung plant Kürzungen in der Entwicklungshilfe 22.08.2024 | [] | Ausgaben | https://jungle.world//inhalt/2024/34 |
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iris dankemeyer | Ein Besuch in einem Sexkino im Berliner Bezirk Neukölln. | [] | https://jungle.world//autorin/iris-dankemeyer-0 |
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Impfpolitik | Zu Opfern im Kampf gegen die Pandemie sind die Bundestagsabgeordneten bereit. | [] | https://jungle.world//tags/impfpolitik |
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Ab sofort wird um die Wette geputzt | Über dreckige Kaffeetassen im Lehrerzimmer und im ganzen Raum verteilte Stühle und verschobene Tische hat sich Elke H. besonders am Anfang immer wieder geärgert. Denn was für Schüler und Lehrer pure Nachlässigkeit ist, bedeutet für sie zusätzliche Arbeit, die sie erst erledigen muß, bevor sie mit der Tätigkeit anfangen kann, für die sie bezahlt wird: das Reinigen des gesamten Schulgebäudes. "Das verzögert das Tempo der gesamten Kolonne." Ganz abgesehen davon, daß es der eh schon angeknacksten Wirbelsäule der 31jährigen nicht bekommt, wenn sie noch 30 Viertklässlerstühle ˆ acht Kilo auf die Pulte wuchten muß. Immerhin gibt es inzwischen einen Aufzug für die schweren Reinigungsmaschinen sowie Wasseranschlüsse in jedem Stockwerk, so daß sie ihre Arbeitsgeräte nicht erst die Treppe hoch und runter schleppen muß. Elke H. ist beim Bremerhavener Magistrat angestellt, eine von mehr als 2 000 Reinigungsfachkräften im Öffentlichen Dienst des Landes Bremen. Beinahe ausschließlich Frauen - Männer stellen gerade mal sechs Prozent im Bereich Innenreinigung und sitzen in der Regel auf Hausmeister- oder Handwerksstellen. Und wie alle muß die Bremerhavenerin jetzt um ihren Arbeitsplatz fürchten. Denn die Große Koalition in der Hansestadt setzt bei der geplanten Verwaltungsreform auf das im Herbst vorgelegte Gutachten der Unternehmensberatung McKinsey, eine "rein betriebswirtschaftliche Studie", wie die Autoren bei der Vorstellung betont hatten. Dennoch hat der Senat sie noch im vergangenen Jahr in eine Vorlage umgemünzt, die jetzt peu ˆ peu umgesetzt werden soll. Denn das kleine Land ist hochverschuldet: Fünf Milliarden Mark Schuldentilgung hatte der Haushaltsplan für das vergangene Jahr vorgesehen, tatsächlich gab es Einnahmeausfälle von 6,5 Milliarden. Anfangen mit den Einsparungen wollen CDU und SPD in den schwächsten Bereichen - in der Kulturszene, die relativ klein und stark individualisiert ist, sowie beim Reinigungspersonal. Hier sind in erster Linie Frauen beschäftigt, die in der Regel kaum Kontakt zu anderen Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes haben. "Wenn ich nachmittags oder am frühen Abend mit dem Putzen in der Schule anfange, ist doch vom Kollegium niemand mehr da", sagt Elke H. 22 bis 24 Millionen Mark sind nach Einschätzung der McKinsey-Studie jährlich zu sparen, wenn die komplette Reinigung an private Unternehmen ausgelagert wird. Nicht viel angesichts des Bremer Schuldenbergs - aber 12 000 Mark pro Arbeitsplatz. "Wie soll das gehen?" fragen die Putzfrauen. Etwa "150 Quadratmeter naß" muß eine Reinigungsfachkraft wie Elke H. heute schon pro Stunde schaffen. Bei Teppichboden oder in Fluren verdoppelt, vervier- oder verfünffacht sich das Soll schnell - das gleiche gilt, wenn eine Kollegin ausgefallen ist. Denn Aushilfen gibt es seit dem Einstellungsstopp im Öffentlichen Dienst so gut wie nicht mehr. Und einen Gutteil zum Streß trägt auch die Arbeitsmoral der Frauen bei: "Es muß doch alles fertig werden", sagte Elke H. Am besten sei, die Auftraggeber "merken gar nicht, daß eine fehl.". Dabei ist die Arbeit in den vergangenen Jahren schon anspruchsvoller und technisch komplizierter geworden - und manchmal auch einfach mehr: Daß "pädagogisch wertvolle" Kuschelecken mit Matratzen eingerichtet und die zuvor asphaltierten Schulhöfe entsiegelt und mit Pflastersteinen und Grünanlagen verschönert wurden, hat Konsequenzen, die in keiner Beurteilung der Lebensqualität der Schulen auftauchen: Sie sorgen für mehr Dreck und stellen höhere Anforderungen an die Hygiene. Dafür bekommt eine Fachkraft, die 25 Stunden in der Woche arbeitet, in Bremen 1 900 Mark brutto, netto bleiben 1 400. Und sie liegt damit gut im bundesweiten Vergleich. Die Einstufung in BAT zwei hat noch keine andere Stadt vollzogen. Kein Wunder, daß die Bremer Reinigungskräfte "noch ganz zufrieden" sind. "Wir wissen, wie das aussehen wird, wenn ausgelagert wird", erklärt ÖTV-Sekretärin Karin Bober. Wenn der Senat die Privatisierung wie angekündigt durchzieht, müssen die Frauen mit ganz anderen Bedingungen zurechtkommen - spätestens im Jahr 2000. Denn dann läuft der im Jahr 1993 abgeschlossene Tarifvertrag aus, dem ÖTV und Gesamtpersonalrat damals nur, so Bober, "unter großen Bauchschmerzen" zugestimmt hatten: Er ermöglichte erstmals Privatisierungen. Allerdings nur von höchstens 40 Prozent der Flächen und unter der Bedingung, daß in den Magistrats- und Senatsgebäuden ausschließlich sozialversicherte Beschäftigte eingesetzt werden. "Das hat wohl viele abgeschreckt", meint Bober. Vermutlich deshalb würden bislang "erst 27 Prozent" privat gereinigt. So wäre die ÖTV "heute schon froh", wenn der Vertrag "einfach verlängert" würde. Wie es in privaten Reinigungsdiensten aussieht, wissen viele aus eigener Erfahrung: Einen Betriebsrat leisten sich nur sechs bis sieben Prozent der Betriebe, beinahe 80 Prozent aller Kräfte sind geringfügig beschäftigt, also nicht sozialversichert. "Vermutlich gleichen die Firmen, die momentan gezwungen sind, ihre Frauen, die die Magistratsflächen reinigen, fest anzustellen, das dadurch aus, daß sie für andere Objekte nur 610-Mark-Stellen besetzen", befürchtet Bober. Die wenigsten Reinigungskräfte aber wollen tatsächlich nur hinzuverdienen - volkswirtschaftlich gesehen sorgen die Nichtversicherten für leere Sozialkassen und belasten später die Kommunen, weil sie wenig oder keine Rente bekommen und auf Sozialhilfe angewiesen sind. Auch die Arbeitsbedingungen sehen anders aus: An weniger als 200 Quadratmeter Putzleistung "Naß" ist gar nicht zu denken, grundsätzlich verlangen sie rund 20 Prozent mehr Leistung. "Das geht ziemlich schnell auf Kosten der Qualität", sagt Bober. "Passieren kann das nur, weil die Arbeit, die die Frauen hier verrichten, immer noch unterbewertet ist." Das zeigt sich nicht nur bei der Bezahlung, die in der Reinigungsindustrie durchschnittlich bei acht Mark Stundenlohn liegt. "Ausländische Frauen müssen sich oft mit noch weniger zufrieden geben". In den Kolonnen herrscht meist eine klare Hierarchie, die sich nicht nur in der Bezahlung, sondern auch in den Tätigkeitsfeldern ausdrückt. Ganz unten befinden sich schwarzafrikanische Frauen, darüber kommen türkische oder griechische, dann Polinnen und Aussiedlerinnen und ganz oben Deutsche oder Frauen aus anderen EU-Ländern. "Der Leistungsstreß bei privaten Reinigungsfirmen sorgt für echte Konkurrenz", berichtet auch Elke H. Von "Solidarität wie im Öffentlichen Dienst" sei da nicht die Rede. "Das hat damit zu tun, daß Putzen immer stigmatisierend wirkt", erklärt Marianne Schauer, Betriebsärztin der Stadt Lübeck. Die Frauen wüßten oft gar nicht, was sie leisten. Reinigungsarbeit gelte als "Fortsetzung von dem bekannten bißchen Haushalt" - was nicht einmal bei privaten Firmen zutreffe, die meist ohne Fachkräfte auskommen. Entsprechend leicht nähmen viele Betriebe, Behörden und andere Dienstleister die Reinigung ihrer Arbeitsräume. Dabei rechnet sich das schon im eigenen Betrieb nicht: Sowohl gesundheitlich wie auch von der Arbeitsmoral aller Beschäftigten her, so Schauer, spiele Sauberkeit und Hygiene eine große Rolle. An diesem Punkt wollen die Reinigungsfrauen im Öffentlichen Dienst Bremens nun ansetzen: "Wir wollen unsere Stärken herausstellen und sehen, wie wir uns der Konkurrenz der Privaten stellen können", sagt die Vorsitzender des Gesamtpersonalrats, Edelgard Bekker. Auch die ÖTV unterstützt die Putzkräfte bei der potentiellen eigenen Wegrationalisierung. "Wenn wir bis 2000 nicht mit einem eigenen konkurrenzfähigen Konzept aufwarten können, sind wir eben weg", befürchtet Bober. Und das habe dann wieder Auswirkungen auf die Reinigungsindustrie: "Wenn wir gar keinen Standard mehr vorgeben, rast der Lohn doch nur noch weiter runter." Daß auch mit Einhaltung der Tarifbedingungen Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden kann, zeigen die Beispiele Zentralkrankenhaus Bremen-Ost und Krankenhaus Links der Weser: Hier sollte die Reinigung bereits 1995 privatisiert werden. Aber die Putzfrauen wollten nicht so einfach klein beigeben und machten schließlich das günstigere Angebot. Als erstes erstellten sie ein Kataster der tatsächlich zu leistenden Arbeiten und zwangen damit die private Konkurrenz in die Defensive. Die Privaten wollten nur die einfachen Bereiche, "in denen man auch mal pfuschen" könne, so Bober. "Und dann hätte es wieder geheißen, die Öffentlichen sind zu teuer." Um den Auftrag wiederzubekommen, reichte das Argument allerdings nicht. Die Frauen mußten konkrete Zugeständnisse machen. Die Arbeit wurde neu aufgeteilt, "eine neue Wischtechnik" brachte mehr Leistung - und eine weitere Verdichtung der individuellen Arbeit. | beate willms | beate willms: | [] | webredaktion | 29.01.1998 | https://jungle.world//artikel/1998/05/ab-sofort-wird-um-die-wette-geputzt |
Talkum, Tod und Tinto | Bei Hilfskräften und Medienmeute lagen am Freitag der vergangenen Woche die Nerven blank. Wieder mußte der Zeitplan über den Haufen geworfen werden. Dabei war man in der Nacht von Donnerstag auf Freitag zügig mit den Rettungsbohrungen vorangekommen. Spätestens Freitag vormittag werde man Gewißheit über das Schicksal der seit zwei Wochen in 130 Meter Tiefe verschütteten zehn Bergleute haben, gab die Einsatzleitung in Lassing bekannt. Doch Freitag nachmittag muß die Bergung wieder wegen Pleiten, Pech und Pannen gestoppt werden. Zunächst fällt die Luftkühlung für den Bohrer aus, wenige Stunden später werden Risse in den Rohren entdeckt, die den Rettungsschacht auskleiden. Und es fehlt an Werkzeug: aus dem niedersächsischen Celle muß per Hubschrauber eine Fräse eingeflogen werden. Erst am Sonntag abend gelingt es, eine Kamera in den Hohlraum hinabzulassen, in dem die Bergleute vermutet werden. Das Ergebnis ist enttäuschend. Auf den lichtschwachen Aufnahmen sind nur technisches Gerät, Schlamm und Wasser zu erkennen. Auch eine zweite Suche mit Mikrofon und Videokamera, diesmal mit stärkeren Scheinwerfern, bringt keine Hinweise auf Überlebende. Bis dahin hatten sich Hoffnung und Resignation in Lassing die Waage gehalten. Berechnungen, wonach die Luft an dem Aufenthaltsort der zehn Bergleute schon längst aufgebraucht sein müsse, wurden durch Messungen einer angeblichen Luftzirkulation in 130 Meter Tiefe wieder revidiert. Die Geduld der Lassinger Bevölkerung jedenfalls schien vergangene Woche überstrapaziert. Am Sonnabend wurde mit Transparenten für eine Beschleunigung der Hilfsarbeiten demonstriert. Viele Einwohner vermuten außerdem, das Unglück sei vermeidbar gewesen. Schuld an dem Schlamassel könnte die Leitung des Lassinger Bergwerkes gewesen sein. Sie habe nach dem Unfall des Bergmannes Georg Hainzl weniger an dessen Rettung, sondern an den Erhalt der Grube gedacht. Hainzl wurde am 17. Juli in 60 Meter Tiefe im Jausenraum des Bergwerkes durch einen Schlammeinbruch verschüttet. Eine Situation, die nach einer ersten Analyse des Managements leicht in den Griff zu bekommen gewesen wäre. Hainzl retten, das war kein Problem, das Bergwerk retten schien aber wichtiger zu sein. Die Firmenleitung schickte ohne Absprache mit der österreichischen Bergbehörde zehn Bergleute in die Tiefe. Weit entfernt vom Jausenraum, in dem Hainzl gefangen war, begannen sie mit der Sicherung der anderen Stollen. Gegen 22 Uhr jedoch bildete sich an der Oberfläche ein 150 Meter breiter und 30 Meter tiefer Krater, drei Häuser wurden mitgerissen. Unter dem Wasser und den Geröllmassen wurden die zehn Helfer verschüttet. Warum aber stürzte der Stollen überhaupt ein? Waren es wirklich nur die starken Regenfälle oder waren die Stollen zu schlecht abgestützt? Wurde in der Grube mehr abgebaut als genehmigt? In Lassing wird behauptet, die Naintsch Mineralwerke GmbH habe ungenehmigte und ungenügend gesicherte Schächte anlegen lassen. Und der Spiegel spekuliert über illegale Lagerung von Giftmüll in entlegen Stollen. Während die zehn Männer am Nachmittag des 17. Juli mit der Sicherung des Bergwerkes beschäftigt waren, sah die Bergwerksleitung offenbar keine Notwendigkeit, Behördenhilfe in Anspruch zu nehmen. Die in solchen Fällen zuständige Bergbehörde wurde erst am Tag darauf hinzugezogen, vorher mühte sich allein die örtliche Feuerwehr um die Suche nach den Verschütteten. Die Naintsch Mineralwerke GmbH fördert in Lassing vor allem Talkum, ein Mineral, das unter anderem zu Körperpuder verarbeitet wird. Die seit Jahrzehnten in Lassing tätige Firma ist eine 100prozentige Tochtergesellschaft der französischen Luzenac-Gruppe, der europäischen Filiale des Konzerns Rio Tinto. Mit rund 50 000 Beschäftigten weltweit gehört der Multi zu den zehn größten Bergwerksunternehmen. Besonders in Südamerika und der Dritten Welt arbeitet der Konzern daran, Löcher in alle möglichen Berge zu bohren und wertvolle Substanzen rauszuholen. Dabei bedient sich Rio Tinto der Unterstützung von Diktatoren rund um den Erdball. 1937 begann das europäische Engagement von Rio Tinto in Spanien. Der Putschgeneral Francisco Franco half damals bei der reibungslosen Geschäftsabwicklung: Er ließ streikende Bergarbeiter von Rio Tinto vor ein Kriegsgericht stellen. Kollektives Urteil: Tod durch Erschießen. In den siebziger und achtziger Jahren buddelten die Rio Tinto-Leute im Südafrika angeschlossenen Namibia Uran aus dem Berg und fanden in westlichen Industriestaaten dankbare Abnehmer - obwohl eine Uno-Resolution solche Exporte aus dem Apartheidstaat Südafrika verbot. Auch mit dem chilenischen Diktator Augusto Pinochet verband Rio Tinto eine gewinnbringende Freundschaft. Der Konzern stieg in Chile erst ein, als Pinochet den demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende aus dem Präsidentenpalast von Santiago geschossen hatte. Die hohen Gewinnspannen verdankt Rio Tinto auch seiner budgetschonenden Personalpolitik. Noch Ende Mai dieses Jahres mußte der Multi bei einem internationalen Hearing in London zugeben, bei der Rekrutierung von Beschäftigten kein Mindestalter zu kennen. Kinderarbeit gehört in den Bergwerken und Minen von Rio Tinto zum Alltag. Dabei gibt sich der Konzern der Öffentlickeit gegenüber meist schweigsam, so auch in Lassing. Bewohner des Ortes berichteten einen Tag, bevor Hainzl verschüttet wurde, von Sprengungen im Bergwerk. Bis Redaktionsschluß dieser Ausgabe weigerte sich die Geschäftsführung jedoch, den Anlaß und Ort der Sprengungen bekanntzugeben. | marcel noir | marcel noir: | [] | webredaktion | 05.08.1998 | https://jungle.world//artikel/1998/32/talkum-tod-und-tinto |
fabrizio bensch (text und fotos) | Im Oktober erlaubte die Bundeswehr zum ersten Mal Agenturfotografen, die Soldaten, die im Rahmen der von der Nato geführten »International Security Assistance Force« (ISAF) im Norden Afghanistans stationiert sind, bei ihren Einsätzen als embedded journalists zu begleiten, so, wie die US-Armee es bereits seit Jahren macht. | [] | https://jungle.world//autorin/fabrizio-bensch-text-und-fotos |
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Jungle World #21/2007 - Scheiß G8… | Im dschungel läuft: | Globalisierungskritik von Rechts 23.05.2007 | [] | Ausgaben | https://jungle.world//inhalt/2007/21 |
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Die alte Masche ist passé | "'Dream City' zeigt gesellschaftsbezogene zeitgenössische Kunst von über 30 internationalen KünstlerInnen im Innen- und Außenraum Münchens. Zu diesem Kunstprojekt haben sich das Museum Villa Stuck, der Kunstverein München und der Kunstraum München in Zusammenarbeit mit dem Siemens-Kulturprogramm und auf dessen Initiative zusammengeschlossen. (...) Die Auseinandersetzung mit sozialen Prozessen ist ein Schwerpunkt aktueller künstlerischer Produktion. Dabei werden der Umgang mit klassischen Kulturgütern und der nationalsozialistischen Vergangenheit, die Volks- und Festkultur Münchens genauso zu konkreten Ansatzpunkten wie AIDS, Migration oder die ökologischen Folgen der Überflußgesellschaft."
Faltblatt zur Ausstellung "Dream City" "Dream City" solle künstlerische "gesellschaftskritische Positionen erstmalig in dieser Dichte in München sichtbar machen", so Dirk Luckow, "Dream City"-Kurator für das Siemens Kulturforum, das 50 Prozent der Kosten übernahm, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Die Liste der ausgestellten Künstlerinnen und Künstler bestätigt dies: Neben Joseph Beuys, Vito Acconci und Olaf Metzger sind u.a. auch Tim Rollins, Stefan Römer und Michaela Melian beteiligt. "Die freie Gestaltung durch den Künstler ist oberstes Gebot", sagte der Kulturprogramm-Leiter Michael Roßnagel im Rheinischen Merkur vom 7. August 1998, aber: "Die alte Masche - die Firma hat zu zahlen, die Kunst hat das Kritik- und Moralrecht - ist passé", ergänzte er am 25. November 1998 in derselben Zeitung. Mit dieser Auffassung des Siemens-Kulturprogramms konnten zwei an der Ausstellung beteiligte Künstler allerdings wenig anfangen: Wenn am 24. März "Dream City" in München eröffnet wird, fehlt ein Beitrag, der im Faltblatt zur Ausstellung als Auseinandersetzung "mit der nationalsozialistischen Vergangenheit" angekündigt wird. Sechs Wochen vor der Eröfffnung zogen Annette Weisser und Ingo Vetter ihren Beitrag zurück. Die beiden in Berlin lebenden Künstler thematisieren seit mehreren Jahren den Komplex "Arbeit und Unternehmenspolitik". Ihr Beitrag zu "Dream City" beschäftigt sich anhand einiger Artefakte aus einem erhaltenen Vorstandszimmer aus den zwanziger Jahren, das Weisser und Vetter in der ehemaligen Konzernzentrale in der Berliner Siemensstadt vorfanden, mit der Geschichte des "Hauses Siemens". "Dieses Zimmer", beschreiben die beiden ihr Vorhaben in einem Brief an die Beteiligten des Gemeinschaftsprojekts, "sollte die Grundlage unseres Ausstellungsbeitrags sein, um anhand des (symbolischen) Nachvollzugs der Übersiedlung der Konzernleitung von Berlin nach München im Februar 1945 die nach wie vor unbefriedigende öffentliche Diskussion über die Verflechtungen der deutschen Wirtschaft mit dem nationalsozialistischen Regime in die Ausstellung hineinzutragen. Dieser Umzug markierte zudem einen Wendepunkt in der Unternehmenspolitik, woran sich unsere Ausgangsfrage nach dem Wandel des Verständnisses von Arbeit hätte festmachen lassen." Das Siemens Kulturforum war über das Projekt informiert und hatte zunächst Interesse signalisiert, aber nach mehrmonatigen Verhandlungen relativierte man die Zusage, das Arbeitszimmer zur Verfügung stellen zu wollen. Als schließlich der Katalogbeitrag von Weisser und Vetter vorlag, stellte sich heraus, daß Siemens ihn nicht unwidersprochen hinnehmen würde. Anlaß der Auseinandersetzung war eine Formulierung, die als Schriftzug in eines der Bilder des Arbeitszimmers eingearbeitet ist: "1943 bestand über 30 Prozent der Belegschaft aus FremdarbeiterInnen, Kriegsgefangenen, jüdischen ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlingen, schätzungsweise 50 000 Personen. Legt man eine durchschnittliche Dauer von zwei Jahren Zwangsarbeit bei 40 Wochenstunden zugrunde, errechnet sich aus der Entschädigungssumme von DM 20 Millionen ein Stundenlohn von zehn Pfennigen. Finanzielle Entschädigungen als Lohnausgleich zu deklarieren, ist insofern jedoch unzulässig, als daß Zwangsarbeit seit den Nürnberger Prozessen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt wird. Daß die Siemens AG nach über 50 Jahren Bereitschaft zeigt, auf die Entschädigungsforderungen überlebender ZwangsarbeiterInnen einzugehen, hängt nicht zuletzt mit dem für das Jahr 2001 geplanten Börsengang in den USA zusammen. Eine negative Imagekampagne durch Verbände wie z.B. der Jewish Claims Conference würde den Erfolg dieses Vorhabens erheblich beeinträchtigen." Auf Initiative von Kurator Luckow kam es am 5. Februar 1999 zu einem Gespräch zwischen Weisser, Vetter und Eberhard Posner, Vorstandssprecher der Siemens AG, verantwortlich für "Unternehmenskommunikation", der PR-Abteilung, die auch für "humanitäre Hilfe" (Posner) an ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zuständig ist. * Eberhard Posner: Ich bin hier nicht der Mensch, der die Zensur ausübt. Ich würde Ihnen gerne die Gelegenheit geben, die Fakten zu verstehen, damit Sie sich selber ein Bild machen können, wie die Zusammenhänge sind. Faktisch sind da ein, zwei Fehler drin, das werden Sie erkennen, wenn wir grundsätzlicher über diese Zeit reden. Annette Weisser: Welche Punkte sind das Ihrer Meinung nach? Posner: Erstens ist es nicht das erste Mal, daß wir einen Hilfsfonds einrichten. Wir haben bereits in den sechziger Jahren einen Vertrag mit der Jewish Claims Conference unterschrieben und denen damals auch Geld gegeben. Es geht auch gar nicht um Entschädigungen, allein das Wort ist ganz falsch. Sie müssen zwei Dinge unterscheiden: Das eine ist Entschädigung, und das andere ist Hilfe. Entschädigung ist ein rechtlicher Begriff. Nach allgemeinem Völkerrecht wurden nach dem Zweiten Weltkrieg der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches diese Entschädigungen als Verpflichtung übergeben. Die Bundesregierung hat bereits alleine ungefähr 104 Milliarden Mark Entschädigung gezahlt, auch an ehemalige Zwangsarbeiter. Das sind meistens Renten. Nach dem Bundesentschädigungsgesetz kriegt jeder, der eingruppiert ist als Geschädigter durch das Regime, eine Rente. Das wird nicht mit ausgefallenen Sozialabgaben verrechnet, sondern das ist eine generelle Entschädigungsrente. Das sind wie gesagt bereits über 100 Milliarden, und wenn man das mit einrechnet, was die nächsten Jahre ansteht, kommt man locker auf einen Betrag von 130 Milliarden, der unter anderem auch dem Kreis der ehemaligen Zwangsarbeiter zufließt. Das Problem ist, daß die ganzen Wiedergutmachungszahlungen an die Länder im Osten vor der Öffnung Anfang der neunziger Jahre an die dortigen Regierungen ging, und die haben das nicht weitergegeben. Das ist der Hintergrund, weswegen wir jetzt zusätzlich zu den Zahlungen in den sechziger Jahren wieder einen Hilfsfonds eingerichtet haben, als humanitäre Hilfe, unabhängig von der Frage, ob die vom Staat Geld kriegen oder nicht. Deshalb muß man diese beiden Themen sauber trennen: Entschädigung und Hilfe. Die humanitäre Hilfe können Sie nicht auf Arbeitszeiten umrechnen, die hat damit nichts zu tun. Diese Summe wird pauschal festgelegt, egal, ob jemand zwei Jahre, zwei Monate oder zwei Tage Zwangsarbeiter war. Ingo Vetter: Das Bundesentschädigungsgesetz anerkennt Zwangsarbeit nicht als Entschädigungsgrund, sondern nur im Zusammenhang mit KZ-Inhaftierung. Posner: Ich habe mir das im einzelnen nicht durchgelesen Vetter: Nach dem Gesetz ist Zwangsarbeit nicht strafbar, obwohl Zwangsarbeit bei den Nürnberger Prozessen als Verbrechen gegen die Menschheit eingestuft wurde. Die Forderungen sind deshalb immer die nach Entschädigung. Posner: Ich möchte noch mal klarstellen, daß das, was Siemens oder VW jetzt macht, kein Ersatz für Entschädigung ist. Wenn wir Entschädigungen zahlen würden, rein hypothetisch, müßten wir so vorgehen, wie Sie hier vorgehen: Wer hat wann wo wie lange gearbeitet, und was steht ihm dann möglicherweise noch zu. Das ist nicht unser Ansatz. Weisser: Aber unserer. Uns geht es genau darum, die Forderung der Opferverbände nach Entschädigungszahlungen in unserem Katalogbeitrag zu unterstützen. (...) Weisser: Wir sind der Meinung, und natürlich nicht nur wir, daß Siemens so wie alle anderen Konzerne eine individuelle Verantwortung trägt, die nicht auf die Zeitumstände oder das System zurückzuführen ist. Posner: Den ganzen Satz mache ich mit bis zu "konzernindividuell". Wir sind auf zwei Ebenen beteiligt, als Bürger der BRD und als Unternehmen. Die Bürger der BRD helfen der Bundesregierung über ihre Steuerzahlungen, ihrer Pflicht nachzukommen, die sie noch nicht vollständig geleistet hat. Die andere Ebene ist: Was können wir darüber hinaus noch tun, um zu helfen? Vetter: Noch mal: Was wir behaupten, ist doch nur, daß es eine Verantwortung der einzelnen Unternehmen gibt, die nicht auf den Staat übertragen werden kann. Posner: Und an der Stelle unterscheiden wir uns eben. Ich habe nichts dagegen, daß Sie das so sehen, aber dann müssen Sie auch konsequenterweise sagen: Die deutsche Industrie, also auch Siemens, hat die Nazis an die Macht gebracht und hat deshalb alles, was dann kam, zu verantworten. Wenn Sie das sagen, ist Ihre Argumentation in meinen Augen wenigstens schlüssig. Weisser: Wenn wir das behauptet hätten, säßen wir wahrscheinlich jetzt nicht hier. Posner: Dann müssen Sie aber bitte schön ihre Meinung noch mal überprüfen. Wenn Sie akzeptieren würden, daß es die Schuld aller Deutschen war, daß es zu diesem Regime kam und dem ganzen Scheiß, der daraus folgte, dann müssen Sie akzeptieren, daß auch heute alle Deutschen dafür geradestehen müssen. Vetter: Aber die Verantwortung der Industrie ist damit doch nicht ausgeklammert. Sie formulieren ja dann die Industrie als ein Neutrum! Weisser: Was die Betroffenen über die Forderung nach Entschädigung einklagen, ist doch ein - wenn man es so nennen will - Schuldeingeständnis der deutschen Unternehmen, und das bleibt nach wie vor aus. Posner: Wir haben uns bekannt - schriftlich und mündlich - zu unserer moralischen Schuld und als Teil der BRD die Bundesregierung dazu aufgefordert, die Lücken bei den Entschädigungszahlungen zu schließen. Vetter: Unser Interesse war, die Forderung der Opferverbände auf Entschädigung in diese Ausstellung "Dream City" hineinzutragen, als Forderung an die Konzerne, in diesem Fall den Konzern Siemens, der diese Ausstellung sponsert. Posner: Dagegen habe ich doch nichts. Tun Sie es aber bitte auf eine Weise, die korrekt ist. Schreiben Sie meinetwegen, daß die Forderungen an die Konzerne bestehen, daß die Unternehmen aber sagen: Dafür sind wir nicht die richtigen Adressaten, das ist der Staat. Und die Unternehmen sind Teil des Staates. (...) Vetter: Es geht darum zu sagen: Ja, wir haben an der Zwangsarbeit verdient. Posner: Und wir sagen: Wir haben daran nicht extra verdient, sondern diesen Konzern würde es heute gar nicht mehr geben, wenn wir damals gesagt hätten: No. Wir sagen: Die Bundesregierung soll doch bitte endlich diesen Entschädigungsforderungen nachkommen, und dafür braucht die Bundesregierung Geld, und das kriegt sie aus dem allgemeinen Steueraufkommen, und wenn das nicht reicht, müssen sie ihre Steuerpolitik ändern. Vetter: Aber hier geht es doch um das Unrecht, das ganz konkret bei Siemens passiert ist. Posner: Als Teil der deutschen Kriegswirtschaft! Wenn Siemens Nein gesagt hätte, würde es den Laden heute nicht mehr geben. Weisser: Angenommen, wir formulieren nichts um, was wäre dann der nächste Schritt? Posner: Das ist nicht mein Thema. In dieser Frage bin ich nicht Ihr Gesprächspartner. Wenn dieser Katalog veröffentlicht würde und auch das Kunstwerk, was Sie da machen, müßten wir möglicherweise sagen, daß wir die Sache anders sehen. Weisser: Und das wäre zum Beispiel eine Gegendarstellung im Katalog? Posner: Wieso? Wir würden leider darauf hinweisen müssen, daß Sie hier die Fakten verdrehen. Weisser: Aber an welcher Stelle würden Sie darauf hinweisen? Posner: Das ist nicht mein Thema. Ich bin nicht das Siemens-Kulturprogramm. Wenn Sie bei dieser Version des Textes bleiben, wird das Siemens-Kulturprogramm aus meiner Sicht überlegen, wie es damit umgeht. * Nachdem Weisser und Vetter zunächst in Betracht gezogen hatten, den Katalogbeitrag zu überarbeiten, waren schließlich die zähen Verhandlungen um das Zimmer und die Äußerungen Roßnagels ausschlaggebend dafür, sich aus dem Projekt zurückzuziehen. "Vielleicht ist es auch dem Siemens- Kulturprogramm zu verdanken, daß sich das Unternehmen umstrukturiert, es moderner wird und es auch mehr Patente anmeldet als noch vor einigen Jahren", sagte Roßnagel im Rheinischen Merkur. "Wir wollen", begründeten die Künstler ihre Absage in einem Brief an die an der Ausstellung Beteiligten, "mit unserer Arbeit nicht dazu beitragen, die Modernisierungsmaßnahmen eines Atom- und Rüstungskonzerns zu optimieren." Andere Künstlerinnen und Künstler zogen sich zwar ebenfalls zurück, begründeten ihren Schritt jedoch nicht. Für Weisser und Vetter bestand das Problem vor allem darin, daß sie zum einen nicht nachvollziehen wollten, warum sich ihre Haltung zur Entschädigungsdebatte mit der des Sponsors decken muß - auch juristisch eine fragwürdige Position von Siemens - und zum anderen, weil sie nicht auf die Strategie der künstlerischen Provokation setzen wollten. Deshalb verzichteten sie auf das "Angebot", ihren Beitrag durch eine Gegendarstellung von Siemens im Katalog zu kontern. So bilanzieren sie in einer Erklärung: "In einer im Januar vom Siemens-Kulturprogramm herausgegebenen Presseerklärung wird die Frage gestellt: 'Welcher Platz innerhalb der Gesellschaft wird einer Kunst zugewiesen, die ihre Position gerade in der Aufklärung dieser Gesellschaft und dem Engagement für sie sieht?' Ohne die Möglichkeit einer relevanten künstlerischen Aussage für andere damit ausschließen zu wollen, kann aufgrund unserer Erfahrungen dieser Platz im Moment nur außerhalb der Machtkonstellation eines solches Sponsoringverhältnisses stehen." Roßnagel formulierte die Gegenposition so: "Die Bereiche sind nicht mehr isoliert - hier die Ökonomie, dort die Kunst. Es geht um eine neue Art von gemeinschaftlichem Kulturverständnis." Mithin geht es hier auch um eine alte Art gemeinschaftlichen Kulturverständnisses: der gesellschaftlichen Verdrängung der nationalsozialistischen Verbrechen, die auch ein künstlerisches Schweigen über Täter und Tatbeteiligung implizieren. Wer da nicht mitmacht, kann es ja bleiben lassen. Das teilweise gekürzte Gespräch wurde mit Einverständnis von Eberhard Posner aufgezeichnet. | Tjark Kunstreich | Tjark Kunstreich: | [] | webredaktion | 24.03.1999 | https://jungle.world//artikel/1999/12/die-alte-masche-ist-passe |
Herr Latić mag keine Kroaten | "Die Muslime von den Philippinen stehen mir emotional näher als die Kroaten aus Sarajevo." Dzÿemaludin Latic«, Mitglied des engsten Führungskreises der muslimischen Regierungspartei SDA (Globus, 29. November 1996) | »dzÿemaludin latić« | »dzÿemaludin latić«: Bosnischer Feuertopf | [] | Dossier | 28.08.1997 | https://jungle.world//artikel/1997/35/herr-latic-mag-keine-kroaten |
marei pelzer | Rund 30 000 ehemals geduldete Flüchtlinge, die inzwischen mindestens acht Jahre in Deutschland leben, müssen bis Ende des Jahres einen halbwegs lukrativen Job gefunden haben. Sonst droht ihnen erneut die Gefahr, abgeschoben zu werden. Die Asylrechtsänderung von 1993 war der erste Versuch, Deutschland und Europa flüchtlingsfrei zu machen. Von Marei Pelzer, Pro Asyl | [] | https://jungle.world//autorin/marei-pelzer |
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michael genner | Seit fast zwei Jahren gilt in Österreich ein äußerst restriktives Asylgesetz mit fatalen Auswirkungen. Aber es gibt inzwischen auch eine breite Protestbewegung dagegen. von michael genner, wien | [] | https://jungle.world//autorin/michael-genner |
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Zeichen setzen! | I. Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Wir alle wären froh, wenn diese Demonstration nicht notwendig wäre. Aber leider ist sie notwendig. Darum ist es gut, dass wir alle hier stehen. Darum sagen wir: Wir stehen auf für Menschlichkeit und Toleranz. Jeder steht hier für sich. Wir stehen hier aber auch gemeinsam für die große Mehrheit der Deutschen und aller, die in Deutschland leben. Ja, diese Demonstration ist ungewöhnlich. Es geht heute nicht um Forderungen einer bestimmten Gruppe an den Staat. Hier und heute demonstrieren Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit den Repräsentanten unseres Staates. Wir wollen heute ein Zeichen setzen: Deutlich und unübersehbar. Ein Zeichen für uns selber, ein Zeichen für unser Land. Ein Zeichen aber auch für alle unsere Nachbarn und Freunde in der Welt, die sich - wie wir - Sorgen machen über Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache. II. Wir beklagen fast 100 Tote, die seit 1990 Opfer rechtsextremer Täter geworden sind. Wir trauern mit ihren Angehörigen, die fassungslos sind. Sie müssen jede Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Fast 100 Tote. Sie wurden umgebracht, weil sie anders waren: Weil sie als Ausländer oder als Obdachlose als Freiwild angesehen wurden. Manche starben als zufällige Opfer hemmungsloser Lust am Quälen. Hass und Gewalt treten offen und schamlos auf. Asylbewerberheime haben gebrannt, Wohnungen sind verwüstet worden, in öffentlichen Räumen sorgen Stiefel und Baseballschläger für Angst. Menschenfeindliche Ideologen haben jugendliche Herzen und Köpfe vergiftet und verhetzt. Junge deutsche Männer haben Ausländer, Behinderte, Obdachlose durch die Straßen gejagt, verletzt und zu Tode geprügelt. Das ist eine Schande für unser Land. III. Die Täter glauben oder behaupten gern, sie handelten im deutschen Namen oder im deutschen Interesse. Das ist eine Beleidigung für unser Vaterland und für alle anständigen Deutschen. Wer andere verfolgt oder erschlägt, der ist ein Feind des eigenen Landes. Patriotismus kann nur da gedeihen, wo Rassismus und Nationalismus keine Chance haben. Wir dürfen Patriotismus niemals mit Nationalismus verwechseln. Ein Patriot ist einer, der sein eigenes Vaterland liebt. Ein Nationalist ist einer, der die Vaterländer der anderen verachtet. Wir sagen heute: Wir stellen uns der Gewalt und dem Hass entgegen. Jeder an seinem Platz. Wir stehen für die unantastbare Würde jedes Menschen. Wir wollen, dass jeder Mann und jede Frau überall in Deutschland sicher sein kann vor Einschüchterung und vor Gewalt. Wir sind ein Land der Toleranz und der Freiheit. Deshalb wollen und werden wir Barbarei und Gewalt nicht tolerieren. Das klingt selbstverständlich. Das ist auch selbstverständlich. Aber das Selbstverständliche muss immer wieder neu gesagt und allen klar gemacht werden. IV. Wir suchen nach Erklärungen für Gewalt und Enthemmung. Erklärungen können nichts entschuldigen. Fremdenhass und Gewalt gegen Minderheiten und gegen Schwache sind unentschuldbar. Aber wir müssen uns mit den Hintergründen und mit den Ursachen der Gewalt auseinandersetzen. Gewalttäter mit dumpfen Parolen und Schreibtischtäter mit menschenfeindlicher Ideologie sind in unserem Land eine kleine Minderheit. Das ist kein Trost. Diese kleine Minderheit steht nicht außerhalb der Gesellschaft und auch nicht ganz am Rand. Die Täter sind ja nicht vom Himmel gefallen. Ihr Hass und ihre Gewalt sind Teil unserer Gesellschaft. Es sind unsere Kinder und unsere Nachbarn, es sind Mitschüler und Kollegen. Wir müssen fragen: Was läuft in unserer Gesellschaft falsch? Welche sozialen Probleme werden von rechtsextremen Ideologen für ihre Propaganda missbraucht? Welches geistige Vakuum füllen sie? V. Die Schläger kennen nur ein Recht: Das Recht des Stärkeren. Mit jeder Tat bedrohen sie den inneren Frieden in unserem Land. Es bleibt dabei: Das Recht des Stärkeren ist das stärkste Unrecht. Wir dürfen nicht übersehen: In unserer Gesellschaft insgesamt haben wir zu viel Gewalt. Oft ist sie subtil. Das gilt für das Mobbing in der Arbeitswelt, das gilt für rücksichtsloses Verhalten im Alltag und auch in der politischen Auseinandersetzung. Das wird spürbar beim Kraftgeprotze im Straßenverkehr. Und vergessen wir nicht, wie erbarmungslos manche Fernsehsendungen oder Zeitungsbeiträge mit Menschen umgehen. All das fördert eine gewaltbereite Atmosphäre. VI. Wir haben in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren vieles gewonnen: Mehr Freiheit, mehr Toleranz, mehr Selbstbestimmung. Das darf aber nicht dazu führen, dass Wichtiges verloren geht, vor allem Respekt und Anstand. Wir können nur anständig miteinander umgehen, wenn wir Achtung vor uns selber und Achtung vor anderen haben. Viele haben in den letzten Jahren ihr Selbstwertgefühl, ihre Selbstachtung verloren. Sie müssen mit ansehen, wie nur noch der Starke, nur noch der Erfolgreiche, nur noch der Durchsetzungsfähige zählt. Sie fühlen sich zurückgesetzt, vergessen, verlassen, wertlos. Wer sich ausgegrenzt fühlt, grenzt leicht andere aus. Wer Angst hat, keinen Platz zu bekommen, der will schnell andere weghaben. Wir müssen jungen Menschen Perspektiven für ihr Leben geben. Sie brauchen Orientierung. Sie brauchen Zeit und Zuwendung. Sie brauchen glaubwürdige Erzieher, glaubwürdige Vorbilder. Sie brauchen Freiraum für ihre Entwicklung. Und sie müssen lernen, wo Grenzen sind. VII. Unsere Gesellschaft wird immer reicher. Aber viele Menschen haben Angst um ihr Auskommen, um die Zukunft ihrer Kinder. Diese materiellen Sorgen dürfen wir nicht als nebensächlich abtun. Wir müssen sie ernst nehmen und dafür sorgen, dass alle am gesellschaftlichen Reichtum teilhaben können. Gerechtigkeit und gleiche Lebenschancen - auch das ist eine Frage von Anstand und Menschenwürde. Wir müssen für eine Gesellschaft arbeiten, in der jeder Achtung vor sich selber haben kann, in der jeder einen sinnvollen Platz einnehmen kann. Anstand beginnt mit der Sprache. Unworte können Untaten hervorrufen. Alle, deren Stimme in der Öffentlichkeit gehört wird, müssen achten auf das, was sie sagen. Ganz gewiss müssen vor allem Politiker die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen, aber niemand darf diese Sorgen und Ängste schüren. VIII. Wir stehen vor dem Brandenburger Tor. Es steht für viele Stunden in unserer Geschichte, für dunkle und für helle. Das Brandenburger Tor ist eingerüstet und wird gerade repariert. Unsere deutsche Geschichte kann man weder einrüsten noch reparieren. Ein entscheidendes Datum unserer Geschichte ist der 9. November. Der 9. November ist der Tag, an dem Philipp Scheidemann 1918 - heute vor 82 Jahren - dort drüben vom Reichstag aus die deutsche Republik ausrief. Am 9. November 1923 - heute vor 77 Jahren - versuchte Hitler in München zum ersten Mal, politische Macht zu erlangen. Der 9. November ist auch der Tag, an dem 1938 - heute vor 62 Jahren - organisierte Schlägertrupps jüdische Geschäfte und Gotteshäuser in Brand setzten; es ist der Tag, an dem Zehntausende Juden misshandelt, verhaftet oder getötet wurden. Spätestens an diesem Tag konnte jeder in Deutschland sehen, dass Antisemitismus und Rassismus bis hin zum Mord staatsoffiziell geworden waren. Häufig wird gesagt: Bei uns in Deutschland gibt es nicht mehr Fremdenhass und Antisemitismus, nicht mehr Ausländerfeindlichkeit als in anderen Ländern auch. Das stimmt ja - aber das entschuldigt gar nichts. Wir müssen uns gegen Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit im eigenen Land wehren. Und es kommt hinzu: Wegen unserer Geschichte, wegen des 9. November, müssen wir ganz besonders wach und wachsam sein. Jeder Anschlag auf eine Synagoge, jeder Anschlag auf eine jüdische Einrichtung ist ein Anschlag auf uns alle. Am 9. November 1938 war die Barbarei vom Staat aus angestiftet. Diesmal hat sie den Staat gegen sich. Damit unser Staat aber mit aller Macht die Freiheit, die Unverletzlichkeit und die Würde eines jeden Menschen sichern kann, ist er darauf angewiesen, dass die Bürger sich engagieren. Der 9. November erinnert uns auch an erfolgreichen Widerstand und Bürgermut. Wir erinnern uns an den Fall der Mauer vor elf Jahren und an die überglücklichen, feiernden Menschen gerade hier am Brandenburger Tor. Deutsche haben sich gegen Diktatur und Unrecht gewehrt, Deutsche haben ein System der Unfreiheit überwunden. Wir haben gesehen: Freiheit und Menschenwürde sind stärker als Unterdrückung und Gewalt. IX. Wir setzen heute, am 9. November 2000, mit dieser Kundgebung ein Zeichen. Zeichen sind wichtig, aber Zeichen können das praktische Handeln im Alltag nicht ersetzen. In allen Teilen unserer Republik gibt es Tausende, Zehntausende von Menschen, die in kleinen und großen Initiativen etwas für das friedliche Zusammenleben in Deutschland tun. Sie arbeiten in Verbänden und Initiativen, in Vereinen und Gewerkschaften, in Kirchengemeinden und Schulen. Ihnen allen sage ich von hier aus meinen und unseren gemeinsamen Dank. Ihre Arbeit, ihr Engagement ist für unser Gemeinwesen unverzichtbar. Ich bitte Sie alle: Lassen Sie in Ihrem Einsatz nicht nach. Darum wende ich mich von hier aus auch an alle, die in den Städten und Gemeinden, in den Ländern und im Bund politische und gesellschaftliche Verantwortung tragen: Die ehrenamtliche Arbeit für ein friedliches Zusammenleben in unserem Land braucht die Unterstützung durch öffentliche Stellen, durch Verbände und Unternehmen. Oft geht es da um ganz wenig: um einen Raum, in dem man sich treffen kann. Um Papier für Flugblätter. Um Platz für Plakate. An der praktischen Unterstützung wird sich zeigen, ob wir nur reden oder ob wir wirklich handeln. Ganz besonders wende ich mich an die jungen Menschen: Auf Euch kommt es an. Ihr prägt das Klima in den Schulen, in den Clubs, auf den Plätzen, wo Ihr Euch trefft. Wehrt Euch gegen rassistische Sprüche! Lasst Euch dumme Parolen nicht gefallen! Gebt dem Hass und der Gewalt keine Chance! X. Bei allen Unterschieden zwischen uns hier auf diesem Platz, bei allen politischen Differenzen auch zwischen denen, die zu dieser Demonstration aufgerufen haben: Wir versprechen uns heute: Wir stehen und wir arbeiten gemeinsam für ein friedliches Deutschland. Wir arbeiten für ein Deutschland, in dem niemand Angst haben muss, ganz gleich, wie er aussieht, ganz gleich, wo er herkommt, ganz gleich, was er glaubt, ganz gleich, wie stark oder wie schwach er ist. Arbeiten wir für ein Deutschland, in dem wir alle zusammen gerne, frei und sicher leben können. Arbeiten wir für ein Deutschland, in dem wir ohne Angst verschieden sein können. Und das wir deshalb auch lieben können. | johannes rau | johannes rau: Meine Zeit in der Hölle VI | [] | webredaktion | 15.11.2000 | https://jungle.world//artikel/2000/46/zeichen-setzen |
Bullen und Steine | Wer sich in Österreich für den ehrbaren Beruf des Polizeibeamten entscheidet, lebt gefährlich. Zum Beispiel jene beiden Polizisten, die vor rund zwei Wochen auf der Autobahn so richtig in die Klemme gerieten. Ein Teil der Klemme bestand aus einem 40-Tonner, der andere war der eigene Streifenwagen. Als die beiden Beamten eine Verkehrskontrolle durchführen wollten, fuhr ein Sattelschlepper zu nah ran und zerquetschte die beiden am Seitenstreifen stehenden Gesetzeshüter mit 100 Sachen. Eine tragische Geschichte. Gerade noch einmal gut gegangen ist die gefährliche Arbeit im Dienste der Allgemeinheit für die beiden Beamten, die kurz vor Weihnachten mit ihrem Streifenwagen »Gustav 1« im Schritttempo in die Donau rutschten und sich erst nach einem dramatischem Unterwasserkampf mit der Türklinke aus den eisigen Fluten befreien konnten. Doch während in Deutschland die Opferbereitschaft des Frankfurter Polizisten Rainer Marx beinahe den beliebten Außenminster Joseph Fischer den Job gekostet hätte, bleiben die Taten ihrer österreichischen Kollegen von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet. Damit sich das ändert, plant das österreichische Innenministerium jetzt ein »Denkmal für die Exekutive«. Es gibt viele Gründe für solch ein Mahnmal. Besonders für Sympathieträger wie die österreichischen Polizisten, denn die sind tatsächlich von lammhafter Gutmütigkeit und waren selbst in Fischers besten Zeiten nie so militant oder doof wie Rainer Marx und Konsorten. Seit die schwarz-blaue Regierung im Amt ist, begleiten Hunderte Uniformierte jede der wöchentlichen Donnerstagsdemonstrationen, und obwohl keine der Demos tatsächlich angemeldet ist, hat sich zwischen Demonstranten und Polizisten so etwas wie eine friedliche Koexistenz entwickelt. Inzwischen kennt man sich (»Mein Freund, der Polizist«) und zur 50. Demo überreichte man einander wirklich artige Aufmerksamkeiten. Noch aber ist unklar, wie das Denkmal aussehen soll. Sämtliche Wiener Polizisten in Stein zu meißeln, täte dem Wiener Stadtbild sicherlich nicht gut. Rainer Marx in Überlebensgröße vielleicht? Monumental und künstlerisch anspruchsvoll soll das Ding auf jeden Fall werden, denn eine Jury aus Architekten, bildenden Künstlern und Stadtprominenten soll das Siegerobjekt küren. Potenziell siegerverdächtig wäre das Modell »Klebeband«. Eine etwa drei Meter durchmessende Rolle Klebeband aus Bronze rund um einen Sockel aus schwarzem Marmor würde die zeitgeschichtlich wohl bedeutsamste Tat der Polizei würdigen: Vor zwei Jahren hatten Fremdenpolizisten einen Schubhäftling derart gekonnt mit Klebeband gefesselt und geknebelt, dass dieser auf dem Abschiebeflug erstickte. Das Bundesministerium für Inneres, da sind wir sicher, ist jedenfalls dankbar für jeden konstruktiven Vorschlag (Tel.: 0043 - 1 - 531 26 - 0). Und auch dem neuen Deutschland würde ein solches Denkmal gut zu Gesicht stehen. Zum Beispiel auf dem Berliner Schlossplatz. Auch Junk Word möchte seinen Beitrag dafür leisten und eröffnet hiermit den Ideenwettbewerb für ein deutsches »Denkmal für die Exekutive«. Bildet Komitees! Senden Sie Ihre Entwürfe bitte per Post an die Jungle World oder per E-Mail an: [email protected] | justus czerni | justus czerni: Ein Denkmal für die Exekutive I | [] | webredaktion | 07.02.2001 | https://jungle.world//artikel/2001/06/bullen-und-steine |
Schlaf macht nichts als Arbeit | Was hätte Karlheinz Stockhausen zu dieser Musik gesagt? Hätte ihn der Sound von CoH begeistert, ihn gar zum Tanzen gebracht? Oder wäre ihm für CoH, trotz der eigenen, durchorganisierten Klangwelt, wieder nur der gleiche liebenswürdige Rat über die Lippen gekommen, den er Aphex Twin und Plastikman, diesen beiden Masterminds elektronischer Musik, Anfang der neunziger Jahre gegeben hatte – aufzuhören mit diesem repetitiven Zeug?
Der Sprachgebrauch macht deutlich, in welchem Rahmen sich CoH bewegt. Iwan Pawlows Musik erscheint bei Plattenlabels wie Raster Noton und Editions Mego, die nicht einfach Alben veröffentlichen, so wie herkömmliche an Markt, Musik und gängigen Arten ihrer Verwertung orientierte Firmen. Bei diesen Labels wird stattdessen gewöhnlich davon gesprochen, dass sie ihr Programm »kuratieren«. Seit 1998 sind mehr als ein Dutzend CoH-Alben erschienen, die sich zwischen Post-Techno, verspieltem Minimalismus und experimenteller Elektronik bewegen. Kunstbeflissene Musik also, die eher im Zusammenhang mit Ausstellungen oder Festivals zu experimenteller Musik ihren Platz findet, als im herkömmlichen Clubformat.
Dabei hatte sich Pawlow in den achtziger Jahren in der Heavy-Metal-Szene des sowjetischen Underground bewegt. Eine Erfahrung, die er auf seinen Alben »Iron« und »Iiron«, die er der internationalen Metal-Szene widmete, ironisch kommentierte, indem er die vorgeblich handgemachte, authentische Musik durch Computer erzeugen ließ. Die Songs benannte er nach berühmten, aber in der Sowjetunion verbotenen Hits des Genres, die seine Musik in einen größeren Bedeutungszusammenhang stellten.
Eine Vorgehensweise, die auch auf seinem neuen Album zu finden ist. »Retro-2038« verweigert sich schon durch seinen Titel Fragen nach Zukunftsbezügen, Zitaten, Stilanleihen und nach Genre-Progressivität, mit denen elektronische Musik heute unvermeidlich konfrontiert wird. Mit Humor und synthetischer Verspieltheit eröffnet die »Retrotech Overture« das Album, das sich mit einem größenwahnsinnigen, verschmitzten Grinsen in Abgrenzung zu gängigen Deutungsmustern von Retromanie oder Zukunftszwang entfaltet.
Dementsprechend gebrochen und elaboriert ist CoHs Rückbezug auf Giorgio Moroder, der in den siebziger Jahren als Pop- und Synthesizer-Pionier und Vorreiter eines europäischen Disco-Sounds von sich reden machte. Moroder, ein unvermeidlicher Fixstern eingängiger elektronischer Musik, kommt auch auf dem jüngst erschienen Daft-Punk-Album »Random Access Memories« durch eine Hommage inklusive höchstpersönlich eingesprochener Erfahrungsbeichte aus den Anfängen seiner Karriere zu Ehren. Während das französische Elektro-Pop-Duo Moroders Charakteristika bombastisch-stampfend neuinszeniert, widmet sich Pawlow spezifischen Aspekten in Moroders Werk. Sein Update konzentriert sich unter anderem auf Moroders Experimente mit den Pulsen analoger Synthesizer, deren perkussives Potential Moroder auf eindrucksvolle Weise in seinem Nebenprojekt Einzelgänger herausstellte. CoH ist maschineller Funk aus pulsierenden Passagen rhythmischer Tieffrequenzen, kleinen Arpeggios mit klaren Synthesizer-Impulsen, elektronischen Melodiefetzen und subtilen Verzerrungen und Filterungen, die ihre eigene Dramaturgie entwickeln. Ein experimenteller Entwurf, eigenständig und sehr genau, der erkundet, wie eine Transformation von industriell-synthetischer Beschwingtheit heute klingen könnte.
CoHs Rave ohne Bassdrum ist paradoxerweise mit äußerer Ruhe verbunden. Nicht nur heißt CoH auf Russisch »Schlaf«, die Umdeutung des nicht Wachseins könnte zudem der Schlüssel zu Pawlows Schaffen sein. Auch wenn er seinen Künstlernamen damit kommentiert, dass er auf Russisch genauso »Nase« rückwärts heißen könnte, deutet er Schlaf nicht als Stadium unbewusster, vom Verstand losgelöster psychischer Prozesse, sondern als Teil eines künstlerisch produktiven Modus, der Unterscheidungen zwischen Schlafen und Wachen hinter sich lassen will. Pawlows Retrobezüge sind präzise, sie sind glasklar und werden nicht als Tiefenpsychologie oder verträumte Jugendemotionen mitgeschleppt. Deshalb kommt diese Moroder-Studie ohne »Traumreisen« aus, wie Moroder sie beispielsweise für Filme wie »Scarface« und »Flashdance« komponierte. Dieser Sound wartet nicht auf fachkundige Erläuterung oder Analyse des künstlerischen Unbewussten.
Eine Position, die der des Künstlers Alexei Penzin nahesteht. Der Philosoph ist Mitglied des russischen Künstlerkollektivs Chto Delat/What is to be done? und beschäftigt sich mit der Beziehung von Schlaf, Wachen, Subjektivierung und kapitalistischer Rationalisierung des Alltagslebens. Ihm geht es weniger um einen medizinischen oder psychoanalytischen Zugriff, als um eine gesellschaftspolitische Einordnung des Schlafes und seiner Repräsentationen. Weil die Grenze zwischen Arbeit und Nichtarbeit immer weiter verschwimmt, kann, nach Penzin, auch der Schlaf nicht länger als Zufluchtsort vor den Anrufungen ständigen Wachens gelten. Schlaf sei nicht als Expedition ins Reich der Träume und auch nicht als sehnsüchtiger Rückzug in eine der Alltagswelt entrückte Oase zu gebrauchen. Vielmehr sei er durch den Kapitalismus kolonialisiert und nicht zu trennen von Strategien biopolitischer Regulierung und Kontrolle.
Auch wenn Pawlow betont, dass seine Inspirationquelle nicht ausschließlich auf die russische Kunst des frühen 20. Jahrhunderts reduziert werden dürfe, könnte CoH, wie Chto Delat/ What is to be done? ebenso, als Versuch verstanden werden, die russische Avantgarde zu aktualisieren. Mit CoH arbeitet Pawlow im besten futuristischen Sinne an der Verschmelzung von Kunst und Leben und zeigt, wie die Eigenschaften maschineller Musik als Anregung für gesellschaftliche Radikalität dienen können.
»Retro-2038« liefert eine Mischung aus beschwingten Sinus-Pattern, sezierender Kargheit, gelegentlichem atmosphärischem Brummen und den fröhlichsten Versionen, die Clicks und Glitches derzeit bieten können. Wenn er schon nicht dazu getanzt hätte, wäre Karlheinz Stockhausen bei diesem Sound hoffentlich eingeschlafen. CoH: Retro-2038. Editions Mego/Boomkat | max hoppenstedt | max hoppenstedt: max hoppenstedt hat sich »Retro 2038« von CoH angehört | [] | webredaktion | 06.06.2013 | https://jungle.world//artikel/2013/23/schlaf-macht-nichts-als-arbeit |
Spiele, die die Welt bewegen | Man muss nicht unbedingt Fußballfan sein, um Hans van der Meers Fotos von Spielplätzen völlig unbedeutender Amateurvereine zu mögen. Man kann Fußball sogar vollkommen langweilig finden oder zu denen gehören, die die Sportseiten schnell überblättern und nie die Sportschau gucken. Seine Fotos zeigen den Fußball in einer ganz eigenen Ästhetik und erinnern Fans daran, warum sie so versessen auf diese Welt sind, vermitteln aber auch Nicht-Fans, worum es beim Fußball geht. Die Bilder fangen Spielszenen mit Amateuren auf ihren lokalen Bolzplätzen in allen möglichen europäischen Ländern ein. Man sieht Männer mit langen Haaren und Knieproblemen wie wild über die Plätze rennen. Viele sind ganz jung, aber nicht wenige sind im mittleren Alter und damit nach den Gesetzen des Profifußballs steinalt. Warum quält sich z.B. ein 39jähriger Autoverkäufer mit Bluthochdruck am wohl verdienten Wochenende über den Rasen? Wir sehen Szenen, die ahnen lassen, welche unglaubliche Dramatik die Spiele für die Beteiligten besitzen. Kommentare zu den Bildern gibt es nicht, doch die Angabe von Spielort, Spieltag, Mannschaft, Liga, Spielausgang reicht aus, um das Welterschütternde des jeweiligen Ereignisses anzudeuten. Es begann mit einem Besuch im größten Fotoarchiv der Niederlande, dem Spaarnestad Archiv in Haarlem, im Jahr 1988. Jemand legte Hans van der Meer einen Stapel Fußballfotografien in Schwarz-Weiß von Anfang des 20. Jahrhunderts vor. Sie zeigten die holländische Nationalmannschaft bei Länderspielen, und sie waren ganz anders, als die Sportfotografien der Gegenwart. Diese Fotos hatten es ihm sofort angetan und wurden zum Vorbild für seine eigenen Fußballfotografien. Aus heutigen Sportfotos ist die »zweite Welt« verschwunden. »Zweite Welt« nennt van der Meer das Gelände außerhalb des Spielfelds. Dieses Draußen kommt in den Großaufnahmen, die mit hochempfindlichen Filmen und starken Teleobjektiven aufgenommen werden und deshalb eine sehr geringe Schärfentiefe haben, nicht mehr vor. Der Hintergrund verschwimmt, und der Bildvordergrund wird bestimmend. Das macht den spektakulären Effekt des Sportfotos aus, auf dem man noch die Schweißperlen im Gesicht des Spielers erkennen kann, aber nichts mehr vom Rest des Spiels, geschweige denn von den Dingen, die sich auf den Tribünen abspielen, oder vom Umfeld des Stadions. Ältere Sportbilder zeigen die Szenerie dagegen eher so, wie man das Geschehen auch als Zuschauer sieht und erfassen die gesamte Kulisse. Genau so funktionieren auch die wunderbaren Fotos van der Meers. Als er Ende 1995 den Auftrag erhielt, für die Zeitung De Volkskrant eine Fotostrecke über Amateurfußball zu machen, griff er auf die veraltete Aufnahmetechnik der Sportfotografie zurück. Es entstanden Bilder, die als Sportfotos funktionieren, zugleich aber auch grandiose Landschaftsbilder sind. Das neben der Kamera wichtigste Arbeitsgerät war eine Alu-Leiter, die er am Spielfeldrand aufbaute, um von dort aus die Choreografie des Spiels zeigen zu können. Zunächst besuchte van der Meer die höheren Amateurligen, landete aber bald in den niedrigen Klassen auf den Dorffußballplätzen, also ganz unten. Wahrscheinlich wird der Abstand zwischen Amateur- und Profi-Ligen nirgendwo deutlicher als in den unterschiedlichen Architekturen ihrer Spielorte. Hier die mitten in die Landschaft gestreuten Bolzplätze der unteren Klasse, die sich umstandslos in die Umgebung einpassen; dort die Raumschiffe des Spitzensports am Stadtrand, deren ausgedehnte Infrastruktur ganze Viertel verdrängen. Moderne Stadien sind Emotionserzeugungsmaschinen, doch gelitten und gejubelt wird auf den Amtateurfußballplätzen, wo Publikum und Spieler meist familär miteinander verstrickt sind, genauso gern. Moers, ein Samstagnachmittag irgendwann in den siebziger Jahren. Die F-Jugend des TV Asberg spielt. Ein wichtiger Tag. Es ist der Auftritt meines kleinen Bruders und ganz sicher der Beginn einer großen Karriere. Als Schwester steht man dann aufgeregt zwischen lauter Großen am Spielfeldrand herum. Alles ist genauso wie in der Sportschau. Man platzt also fast vor Stolz und möchte jedem, der es nicht hören will, erzählen: »Der da hinten ist mein Bruder.« Dann gibt es da diese äußerst resolute Mutti neben mir, die andauernd schimpft, »was macht der denn da?«, und die ganz offensichtlich meinen Bruder meint. Der zugegebenermaßen Angst vor dem Ball zu haben scheint und dem Geschoss geschickt auszuweichen versucht, was natürlich nicht unbedingt Sinn der Sache ist, aber auch eine sportliche Leistung darstellt. Finde ich zumindest, aber sonst niemand, weshalb die fußballerische Laufbahn meines Bruders dann auch im Sande verlaufen wird. Zurück zu den Amateuren hinter der Grenze: Holland ist eine Nation von Fußballverrückten; es gibt wahrscheinlich nirgendwo mehr Vereinsspieler pro Quadratmeter als in den Niederlanden. Warum der holländische Fußball so gut ist, soll zum Beispiel Franz Beckenbauer genau in dem Moment klar geworden sein, als er Holland einmal mit dem Hubschrauber überflog. Was er sah, war ein Land, das aus lauter Fußballfeldern bestand. Zwei Jahre nachdem die Fotostrecke als Buch unter dem Titel »Hollandse Velden« erschienen war, bekam van der Meer im Sportmagazin Johan eine Doppelseite, auf der er jeden Monat ein anderes Fußballfeld präsentierte. Amateurvereine aus ganz Europa rissen sich bald darum, den Fotografen einzuladen, um mit ihrem Platz ins Blatt zu kommen. Hans van der Meer meint dazu: »›Soweit wie möglich von der Champions League entfernt‹, lautete der Satz, mit dem ich überall in die Verhandlungen ging, um den Verantwortlichen regionaler Fußballvereinigungen mein Projekt zu erklären. Damit wollte ich ihnen eine Vorstellung von der Art des Fußballs und der Plätze vermitteln, nach denen ich suchte – nach dem leidenschaftlichen Fußball der mittelmäßigen Spieler in den niedrigen Ligen, vor einer Kulisse, die meilenweit entfernt ist von vollbesetzten Tribünen und überdachten Stadien.« Mal besteht das Publikum lediglich aus zwei Männern und einem Hund, nicht selten schaut auch exakt niemand zu. Eine struppige Wiese mitten in der Pampa muss im polnischen Bartkowo als Fußballplatz herhalten. Alte Autoreifen dienen als Spielfeldbegrenzung und zugleich als Sitzplätze. Der einzige Zuschauer, der bei der Partie BMW Bartkowo gegen Huzar Sobieradz Platz genommen hat, ist eine Frau, die nicht aufs Spielfeld, sondern gedankenverloren in die Landschaft schaut. Dass es wirklich bessere Methoden gibt, die Blicke der Frauen auf sich zu ziehen, als in kurzen Hosen dem Ball nach zu rennen, davon handelt auch ein Bild aus dem belgischen Elversele. Hier grenzt der Platz direkt an die Gärten einer typischen Reihenhaussiedlung. Im Bildvordergrund sieht man Mann gegen Mann so besessen um den Ball kämpfen, als ginge es um Tod oder Leben, im Hintergrund verschwindet gerade eine am Spielgeschehen absolut desinteressierte Hausfrau durch die Terrassentür ins Wohnzimmer. Hart zur Sache geht es auch im ostdeutschen Golzow, wo man im Schatten riesiger Getreidesilos spielt und sich offenbar auf Kopfstöße versteht. Der Fotograf drückte ab, als ein aufgebrachter Spieler mit rasiertem Schädel seine Stirn an die des Gegners rammte. In Dublin wird weit vor der Stadt auf einer Rasenfläche ganz ohne Begrenzung gespielt. Während sich die Spieler um den Ball drängen, hat sich eine Gruppe Hirsche aus dem nahen Wäldchen bis in den Strafraum vorgewagt und steht nun mit großer Selbstverständlichkeit dort herum. Eins mit der urbanen oder natürlichen Landschaft sind auch die Spieler auf vielen Bildern, und nicht selten gleichen die übers Feld jagenden Männer Tieren, die im Rudel laufen. Auf den Sandplätzen des Südens werden sie zu Antilopen, die über die Steppen jagen; auf den Rasenplätzen des Nordens fotografiert, erinnern sie schon mal an Kühe, die gemütlich auf der Weide stehen. Natürlich spielt kein Mensch in dem Bewusstsein, beim Fußball einem Hirsch zu ähneln, sondern meint, wie der junge Maradona über den Platz zu schießen. Wohin man schaut: Es tut sich eine tiefe Kluft auf zwischen Spielern und Welt; zwischen der Leidenschaft, mit der die Beteiligten bei der Sache sind, und dem völligen Desinteresse, mit der die Umwelt auf das Treiben reagiert. Alle Bilder besitzen eine absurde Komik, die aus dem Widerspruch zwischen Ideal und Wirklichkeit, Wollen und Können herrührt. Wir sehen Männer, die vor der Kulisse wilder Landschaften oder wuchernder Großstädte ihr Bestes geben und dann zum Dank allenfalls einen scheppernden Messingpokal erhalten. Das ist zugleich lustig und traurig wie das Leben selbst. »Wir Amateure sind ja nicht gewollt schlecht. Genau wie Ronaldinho streben wir nach einer erstklassigen Leistung«, schreibt dazu der Journalist und Hobbyfußballer Simon Küper in seinem schönen Nachwort zum Bildband »Spielfeld Europa«. Und weiter: »Ich bin jetzt 36, mein linkes Knie wird von einer Bandage zusammengehalten, und es kann nicht mehr lange dauern, bis ich meine Fußballschuhe in das schimmelige Loch namens Gästezimmer schmeißen muss.« Von einer Alltagstragödie aus der Welt der Amateure handelt ein Bild, das am 6. Mai 2005 auf einem Sandplatz im spanischen Malaga entstanden ist. Es spielten der Club Athletico Ciudad Jardin gegen den Borge C.D., sagt die Legende. Die in der Klasse »Altherren« ausgetragene Partie endete 10 zu 1 für Athletico. Das offenbar nach dem Abpfiff aufgenommene Foto zeigt, wie ein die Arme gen Himmel reckender Spieler gerade von Feuerwehrleuten auf einer Liege vom ansonsten leeren Platz gerollt wird. Die Männer, die der Liege folgen, lassen betroffen die Köpfe hängen, eine Frau in Jeans und lila T-Shirt schlägt die Hände vors Gesicht. Was ist passiert? Der verletzte Spieler aus der Seniorenklasse hat an diesem Tag vielleicht endgültig seine Gesundheit ruiniert, sein Arzt wird ihm raten, nie wieder Fußball zu spielen. Vielleicht hat sich der Mann aber auch nur den Knöchel verstaucht, und er rennt drei Wochen später wieder auf dem Platz herum. Schließlich geht es um alles – um den Sieg über die Zeit, über die Schwächen des Körpers und über die ganze Banalität des Lebens. | Heike Karen Runge | Heike Karen Runge: | [] | webredaktion | 06.09.2006 | https://jungle.world//artikel/2006/36/spiele-die-die-welt-bewegen |
matti steinitz | Vier Monate nach den Terroranschlägen in Norwegen diskutieren deutsche Neonazis angesichts der Enthüllungen um den »Nationalsozialistischen Untergrund« erneut über rechtsextremen Terror und dessen Folgen für die »nationale Bewegung«. Der Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 naht. Deutsche Verschwörungstheoretiker bereiten sich auf das Jubiläum vor und wollen mit einer Demonstration und einem Kongress endlich die vermeintliche Wahrheit an die Öffentlichkeit bringen. Muss Horst Mahler den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen? Die Anhänger des Holocaust-Leugners demonstrieren für die Freiheit ihres Idols. Am Wochenende findet die Münchener Sicherheitskonferenz statt. Obwohl sie als privat organisierte Veranstaltung dargestellt wird, lässt sich die Bundesregierung das Treffen einiges kosten. Und auch die Friedensbewegung betreibt für ihren Protest einigen Aufwand. In Kürze soll das Verfahren im Fall Oury Jalloh wieder aufgenommen werden. Der Mann aus Sierra Leone verbrannte im Jahr 2005 in einer Polizeizelle in Dessau, die diensthabenden Polizisten wurden 2008 freigesprochen. Höhere Auflage, größere Redaktion, teure Werbekampagne: Die Junge Freiheit will ganz groß rauskommen. Der ehemalige Guerillero Mujica, Kandidat des linken Bündnisses Frente Amplio, erhielt bei den Wahlen in Uruguay die meisten Stimmen, muss sich jedoch einer Stichwahl stellen. In Berlin macht der »Frontbann 24« von sich reden. Die Behörden erwägen bereits ein Verbot der Gruppe, die sich die SA zum Vorbild genommen hat und der auch ehemalige NPD-Mitglieder angehören. Beinahe vier Jahre, nachdem Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte, nähert sich der Prozess gegen zwei Polizisten dem Ende. Selbst die Anklage rechnet mit Freisprüchen. War wirklich »Murphys Gesetz« für Jallohs Tod verantwortlich? | [] | https://jungle.world//autorin/matti-steinitz-0 |
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Heteros schießen besser | Die richtige Einstellung zur Sexualität ist dem US-Verteidigungsministerium offenbar wichtiger als die Schlagkraft der Armee. Geht es gegen den Schweinkram, zahlt das Ministerium auch gerne mal 190 Milionen Dollar drauf. Das legt zumindest ein Bericht des Kongresses der Vereinigten Staaten nahe, der in der vorigen Woche veröffentlicht wurde. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete, sollen demnach seit dem Jahr 1994 9 488 Homosexuelle wegen ihrer sexuellen Orientierung aus der US-Army entlassen worden sein. 757 von ihnen seien in kritischen Bereichen tätig gewesen, etwa als Spezialisten für Geheimdienste; 322 hätten spezielle Sprachkenntnisse gehabt und zum Beispiel das Arabische beherrscht. 83 Prozent der Schwulen und Lesben wurden nur deshalb entlassen, weil sie zugaben, homosexuell zu sein, 13 Prozent, weil sie versuchten, sexuelle Handlungen auszuüben, oder sie ausübten. Die Kosten, um Ersatzpersonal auszubilden, sollen sich auf 190 Millionen Dollar belaufen haben. Wie sagte der gejagte Colonel Kurtz in dem Film »Apocalypse Now« so treffend: »Wir bilden junge Männer aus, um auf Menschen Bomben zu werfen. Aber ihre Kommandeure wollen ihnen nicht erlauben, das Wort ›ficken‹ auf ihre Flugzeuge zu schreiben, weil das obszön ist.« stefan wirner | Stefan Wirner | Stefan Wirner: | [] | webredaktion | 02.03.2005 | https://jungle.world//artikel/2005/09/heteros-schiessen-besser |
Dreimal täglich Zähne putzen, Verkäuferin! | Wer sagt's denn. In der Service-Wüste Deutschland sprießen immer mehr Oasen aus dem Boden, und der Kunde kann endlich von früh bis spät nicht nur das haben, sondern auch das sein, was er will: König, Kaiser, Kanzler. Karstadt macht's möglich. Wo ein Arbeitsplatz zum Besitzstand wird, wird Lächeln Pflicht. 62 000 Karstadt-Beschäftigte, jubelt die Berliner Zeitung B.Z., müssen demnächst einen verbindlichen Grinse-Vertrag unterschreiben - als Zusatz zum Arbeitsvertrag. Die neue karstädtische Corporate identity hat auch einen - wie es sich gehört: englischen - Namen: Spirit Karstadt. Den guten Geist von Karstadt ausgeheckt haben Gesamtbetriebsrat und Management gemeinsam. In der Vereinbarung, die im nächsten Frühjahr von allen Beschäftigten unterschrieben werden soll, heißt es: "Sie unterbrechen jede andere Arbeit, wenn ein Kunde Sie braucht. Wenn Sie ihm nicht selbst helfen können, kümmern sie sich um ihn, bis ein Kollege ihm hilft. Sie begrüßen, danken und verabschieden Ihren Kunden." Mit einem ehrlichen Lächeln! Wem das zuweilen im Halse steckenbleibt, der müsse sich fragen, ob er "in diesem Beruf überhaupt richtig aufgehoben ist", droht Karstadt-Sprecher Ralf Breke-Bramkamp. Und während sich die einen auf den nächsten Einkauf - mach hinne, Süße! - freuen, brauchen auch aufgeklärte Jungle-Word-Leserinnen und Leser kein schlechtes Gewissen - von wegen Steigerung der Arbeitshetze und so - haben. Immerhin, so haben wir aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen erfahren, will Karstadt seinen Smilies zukünftig sämtliche Kosten für Zahnersatz erstatten. Ein Lächeln kann mehr als tausend Mark wert sein. | : | [] | webredaktion | 23.10.1997 | https://jungle.world//artikel/1997/43/dreimal-taeglich-zaehne-putzen-verkaeuferin |
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michael elm | Mit »Die Vertreibung aus der Hölle« schreibt Robert Menasse einen Familienroman als historische Parallelschaltung. <none> | [] | https://jungle.world//autorin/michael-elm |
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Ideologische Autonomie | In den achtziger Jahre waren Kontakte zwischen Politikern der bürgerlich-konservativen Parteien RPR und UDF und dem rechtsextremen Front National keine Seltenheit. Die Programmatik des FN war zu jener Zeit noch konzentriert auf Kampagnen gegen Immigranten und zugleich stark geprägt von einem katholischen Fundamentalismus. Viele der Wortführer im bürgerlichen Lager waren der Meinung, diese Formation und ihre Wähler rasch in die traditionelle Rechte einbinden und absorbieren zu können. So waren RPR/UDF und FN Mitte der achtziger Jahre zeitweise in einem Drittel der 21 Regionalparlamente Bündnisse eingegangen (die Regionalparlamente entsprechen etwa den deutschen Landtagen, ohne jedoch deren legislative Kompetenz zu besitzen). Die Region Provence-Alpes-C(tm)te d'Azur beispielsweise wurde ab 1986 mehrere Jahre lang von einer solchen Koalition regiert, der Jean-Claude Gaudin - heute Bürgermeister von Marseille und bis vor kurzem Städtebau-Minister der Regierung Juppé - vorstand. Als der Front National zwischen 1986 und 1988 mit 35 Abgeordneten ein Gastspiel im französischen Parlament gab, scheuten sich einige RPR- und UDF-Parlamentarier nicht, im Juli 1987 zusammen mit FN-Kollegen ins damals noch vom weißen Rassistenregime beherrschte Südafrika zu fahren. Bei ihrer Rückkehr erklärten sie gemeinsam, in Südafrika gebe es keine Apartheid mehr, wovon zum damaligen Zeitpunkt freilich keine Rede sein konnte. Und eine parlamentarische "Studiengruppe für den Schutz des Lebens" , welcher der FN-Abgeordnete Michel de Rostolan und die UDF-Frau Christine Boutin (letztere ist noch heute eine der Galionsfiguren der Anti-Abtreibungs-Fraktion in der Nationalversammlung) gemeinsam mit dem RPR-Vertreter Hector Rolland vorsaßen, umfaßte zeitweise 200 Abgeordnete aller rechten und rechtsextremen Fraktionen. Sie wurde jedoch vom Präsidium der Nationalversammlung nicht offiziell anerkannt. Dennoch war das konservative Lager darüber gespalten, ob man solche Bündnispartner akzeptieren sollte oder ob man sich damit nicht politisch schadete. So waren die Führungsstäbe des konservativen Lagers, wenn sie Bündnisse mit den Rechtsextremen eingingen, immer darauf bedacht, die Kontrolle über die zu ihrer Rechten aufsteigende Partei nicht zu verlieren und für ihre Einbindung in den bürgerlichen Block zu sorgen. Kaum hatten RPR und UDF im März 1986 die Wahlen gewonnen, schafften sie das von den Sozialisten im Jahr zuvor eingeführte Verhältniswahlrecht - Zweck des Manövers war es gewesen, dem FN den Einzug ins Parlament zu ermöglichen und, so das Kalkül Mitterrands, "die Rechte zu spalten" - im Sommer 1986 wieder ab. Durch die Wiederherstellung des Mehrheitswahlrechts blieb einer Zehn-Prozent-Partei - die der FN damals darstellte - nur übrig, entweder feste Wahlbündnisse mit größeren Parteien wie RPR und UDF einzugehen und sich weitgehend deren politischem Willen unterzuordnen oder sich auf eine marginale Präsenz mit einem oder zwei Vertretern im Parlament zu beschränken. Jean-Marie Le Pen entschied sich dagegen, seine Partei im konservativen Lager aufgehen zu lassen und suchte dem Front National politische Autonomie zu bewahren. Als der frischgebackene FN-Parlamentarier Yvon Briant die Regierung des damaligen Premierministers Chirac in Abstimmungen unterstützen wollte, wurde er von Mitarbeitern seiner Fraktion gepackt, in das Büro des FN-Generalsekretärs Stirbois geschleppt und zu einer Erklärung genötigt. Es fehlte nicht an Versuchen, zwischen den Spitzen von RPR und FN zu vermitteln. Unter Chiracs Stellvertretern als Bürgermeister von Paris - den Posten hatte er auch von 1986 bis 1988 beibehalten, als er Premier geworden war - befanden sich Politiker, die auf der FN-Liste, oder, wie Michel Junot von der reaktionären Mittelstandspartei CNI, die auf der RPR-Liste ins Parlament gerutscht waren. Parteifreunde Junots vom CNI wiederum gehörten der FN-Fraktion im Pariser Rathaus an. Vor allem Michel Junot versuchte, Le Pen mit Chirac zu einem Gespräch zusammenzubringen, das nur an der persönlichen Abneigung Chiracs gegenüber Le Pen scheiterte. Zu einem Bündnis zwischen den Parteien kam es jedoch nicht, im Gegenteil, der Graben zwischen beiden verbreiterte sich in den kommenden Jahren zusehends. Zwei Faktoren spielten dabei eine zentrale Rolle: Zum einen waren die Sozialisten Mitterrands 1988 nach zweijähriger Pause wieder an die Regierung gekommen und begannen eine zweite fünfjährige Amtszeit, nachdem sie bereits zwischen 1981 und 1986 am Ruder waren. Im Verlauf dieser Legislaturperiode zeigten sich die französischen Sozialdemokraten jedoch derart verbraucht, daß der bürgerlichen Rechten 1993 ein triumphaler Wahlsieg bevorstand. Tatsächlich eroberten sie bei den Wahlen im März 1993 über 84 Prozent der Parlamentssitze. Damit war für die bürgerliche Rechte die Notwendigkeit eines Bündnispartners auf absehbare Zeit erledigt. 1986 hatte dies noch anders ausgesehen, als die Rechte unter Chirac (ohne den FN) mit wenigen Sitzen Vorsprung eine sehr knappe Mehrheit erreicht hatte. Darüber hinaus kam es 1992 zu einem kurzfristigen Aufschwung der Ökologie-Parteien, die nicht abgeneigt schienen, dem konservativen Lager als neue Mehrheitsbeschaffer zu dienen. (Eine der beiden größeren Umweltparteien, Génération ƒcologie, ist seit 1995 Bestandteil des liberal-konservativen Parteienbündnisses UDF geworden, während die andere, Les Verts, mittlerweile Koalitionspartner der Sozialisten ist.) Zum anderen begann der Front National seit Ende der achtziger Jahre, sich gezielt neue politische Handlungsräume außerhalb des konservativen Lagers zu suchen. Dabei konnte der FN vor allem von zwei Ereignissen profitieren: von dem Verfall der regierenden Mitterrandschen Sozialdemokratie, der dem FN ab 1988 zunehmend Wähler aus der Arbeiterschaft überließ, und dem Zusammenbruch des Realsozialismus im Osten, der den kommunistischen Flügel der französischen Arbeiterbewegung seines gesellschaftlichen Modells beraubte. Die historische Gelegenheit beim Schopfe ergreifend, versuchten die Rechtsextremen, den in ihren Augen freigewordenen Platz der Systemgegnerschaft und des sozialen Protests einzunehmen. Erster Ausdruck dieser Neuorientierung war der Kongreß des Front National in Nizza im April 1990, wo die Partei ihren Willen deutlich machte, die Themen "Soziales und Ökologie" zu besetzen und damit von der gegen die Immigration gerichteten Ein-Punkt-Programmatik wegzukommen. In den folgenden Jahren entwickelte der FN ein Sozialprogramm - Bruno Mégret hatte dazu 1992 einen Entwurf vorgelegt -, das die Unzufriedenen und sozial Benachteiligten ansprach, ohne freilich aufzuhören, Mittelständlern und Kleinbürgern etwa mit einem scharfen Anti-Steuer-Diskurs entgegenzukommen. Danach sollten sich nationales Kapital und nationale Arbeit in einem wiederhergestellten nationalen Rahmen zusammenfinden, um den "Komplotten der internationalistischen Lobby" und der Globalisierung und der "Überfremdung der nationalen Gemeinschaft" durch die Immigration Widerstand zu leisten. Mit einer solcher Programmatik versuchte der FN sich zunehmend als Träger einer fundamentalen Alternative zum "System" darzustellen. Jean-Marie Le Pen stellte im Dezember 1992 in einem Interview mit der rechtsextremen Tageszeitung Présent fest: "Wir glauben, daß die Zeit vorbei ist, wo der Front National bei einem Minimum an gutem Willen von seiten des politischen Establishments sich hätte in eine Reformbewegung integrieren können, deren vorwärtstreibender Flügel er vielleicht gewesen wäre. Wir glauben, daß dieses System zutiefst krank ist", da seine etablierten Parteien "mit dem politischen Aids infiziert" seien. Der Bruch mit dem bürgerlichen Lager schien endgültig vollzogen. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, welchen Anteil daran objektive Faktoren hatten, wie beispielsweise die Bündnisunwilligkeit der bürgerlichen Rechten, und inwieweit diese Entwicklung durch die FN-Führung bewußt herbeigeführt worden ist. Sicher ist in jedem Fall, daß dem Ex-Poujadisten Le Pen das warnende Schicksal der Partei vor Augen stand, für die er im Jahr 1956 als jüngster Abgeordneter ins Parlament eingezogen war. Die kleinbürgerliche Protestbewegung Pierre Poujades, die sich gegen Steuern und wirtschaftliche (Kapital-) Konzentration richtete, hatte 1956 rund 2,5 Millionen Stimmen erhalten. Zwei Jahre später, General de Gaulle war inzwischen an die Macht gekommen und hatte breite Schichten des konservativen Bürgertums und Kleinbürgertums hinter sich gesammelt, erhielt die Poujade-Liste nur noch 400 000 Stimmen. Der größte Teil ihres Potentials war durch die gaullistische Partei absorbiert worden. Der FN-Chef wußte also, daß seine Partei, um dauerhaft als eigenständiger Faktor bestehen zu können, eine politisch-ideologische Autonomie im bürgerlichen Lager entwickeln mußte. Der Antisemitismus ermöglichte die Konstruktion eines solchen autonomen "Projekts": Im Gegensatz zum Anti-Immigranten-Diskurs, der beschränkt blieb, da er sich gegen eine äußerlich leicht abgrenzbare Personengruppe richtete, zielte der antisemitische Diskurs auf alle gesellschaftlichen Bereiche. Da Juden häufig dieselbe Nationalität besitzen, dieselbe Sprache sprechen und dasselbe äußerliche Erscheinungsbild haben wie der Rassist, konnte hier nicht simpel nach äußerlichen Kriterien zwischen "eigen" und "fremd" differenziert werden. Also mußte der ungreifbare und unbestimmbare, aber bedrohliche Fremde überall gesucht werden. "Jüdische" Intelligenz ist kosmopolitisch, "jüdische" Kunst ist abstrakt, das "jüdische" Kapital - im Gegensatz zum nationalen - ist "raffend" und kennt keine nationalen Grenzen. Auf einer solchen Grundlage ließ sich ein fundamentaloppositionelles Konzept mit "revolutionärem" Sozialprogramm entwerfen. Es sollte die Entwicklung des FN ab Ende der achtziger Jahre bestimmen. | Bernhard Schmid | Bernhard Schmid: Vom Front National zum Front Bourgeois | [] | Dossier | 04.09.1997 | https://jungle.world//artikel/1997/36/ideologische-autonomie |
Weihnachtsmarkt | Weihnachtsmärkte halten viele Zumutungen bereit, doch ihr Nutzen für Individuum und Gesellschaft sollte schwerer wiegen als das ästhetische und kulinarische | [] | https://jungle.world//tags/weihnachtsmarkt |
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#01/2025 Punk: 50 Jahre No Future | Dagegensein ist alles. Mitte der Siebziger entstand Punk als Subkultur in Fundamentalopposition zu allem und jedem. Punks veralberten bürgerliche Spießer und linke Dogmatiker gleichermaßen – auch in der DDR, wo Konflikte mit der Stasi programmiert waren, wie Henryk Gericke, in den Achtzigern Sänger der Band »The Leistungsleichen«, im Interview erzählt. 50 Jahre später ist das Subversive des Punk längst Geschichte. Punkiges gibt’s als beliebiges Mode-Accessoire, die Chaostage sind vorbei und aus »No Future« wurde oft um die Zukunft bangender Aktivismus. Alles zu der Geschichte ohne Aussicht auf Fortsetzung. Im dschungel läuft: Der schwule Bond. Im Film »Queer« spielt Daniel Craig einen Homosexuellen – der türkischen Zensurbehörde gefiel das nicht. ET: 02.01.2025 | Die »Jungle World« ist eine überregionale linke Wochenzeitung aus Berlin. Am Kiosk, im Briefkasten oder online. | [] | https://jungle.world//shop/01/2025-punk-50-jahre-no-future |
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felix wemheuer (text) und cristina pawlowitsch (fotos) | Die Harvard-Universität in Massachusetts ist nicht nur die beste Hochschule der USA, sondern auch die reichste der Welt. Die Finanzkrise macht sich derzeit aber auch in der Kaderschmiede der US-Elite bemerkbar. | [] | https://jungle.world//autorin/felix-wemheuer-text-und-cristina-pawlowitsch-fotos |
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joel schmidt | In Spanien streiken Beschäftigte des Konzerns Telefónica. Basisgewerkschaften wehren sich dabei auch gegen die Politik der großen sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften. Vier Jahre nach Aufkommen der »15 M«-Bewegung stehen in Spanien dieses Jahr Kommunal-, Regional- und Parlamentswahlen an. Ein Überblick über die Auswirkungen der Austeritätspolitik und die Aktivitäten der Protestbewegungen der vergangenen Jahre. Auf dem Jarama-Marsch wurde des spanischen Bürgerkriegs und der Opfer der franquistischen Repression gedacht. <none> Wie die Goethe-Universität in Frankfurt am Main die Feierlichkeiten zu ihrem 100jährigen Bestehen nutzt, um ihr Image aufzupolieren. | [] | https://jungle.world//autorin/joel-schmidt |
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Jungle World #27/2014 - Tod in Hebron | Im dschungel läuft:
Born in the GDR. Mawils Comic »Kinderland«: eine Jugend zwischen Pionieren und Nudossi. | Israel nach den Morden an Naftali Fraenkel, Gilad Shaar und Eyal Yifrach 03.07.2014 | [] | Ausgaben | https://jungle.world//inhalt/2014/27 |
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Jungle World #36/2011 - Hölle, Hölle, Hölle! | Im dschungel läuft:
Muslimischer Punk. Im Kampf der Kulturen streckt Taqwacore den Mittelfinger in beide Richtungen. | Der Papst kommt heim ins Reich 08.09.2011 | [] | Ausgaben | https://jungle.world//inhalt/2011/36 |
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