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Bobby Brown und die Alimente: "Ich glaube, es wurde bezahlt"
Dedham - Bobby Brown hat offenbar die Schulden von 63.500 Dollar beglichen, die ein Familiengericht im US-Staat Massachusetts festgestellt hatte. Brown hatte zunächst vor Gericht erklärt, er besitze kein Geld mehr. Er war deswegen direkt aus dem Gerichtssaal ins Gefängnis gebracht worden. Gestern sagte Brown, die Angelegenheit sei ein Missverständnis gewesen. Er selbst habe sich nicht um die Alimentezahlungen gekümmert, sondern andere damit betraut. "Ich glaube, es wurde bezahlt", sagte er. Die beiden Kinder, um die es in dem Verfahren ging, sind zwölf und 14 Jahre alt. Die Mutter ist Browns Exfreundin Kim Ward.Brown ist nun mit Pop-Sängerin Whitney Houston verheiratet. Sie haben eine gemeinsame Tochter im Alter von zehn Jahren. Anfang Mai muss er sich wieder in Georgia vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Houston geschlagen und ihr Gesichtsverletzungen zugefügt zu haben.
Sänger Bobby Brown ist nach einem Tag im Knast wieder frei. Die ausstehenden Unterhaltszahlungen für zwei seiner Kinder seien gezahlt worden, es habe sich um ein Missverständnis gehandelt.
[ "Bobby Brown" ]
Panorama
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2004-03-26T10:19:53+01:00
2004-03-26T10:19:53+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/bobby-brown-und-die-alimente-ich-glaube-es-wurde-bezahlt-a-292523.html
Rating-Agentur: Moody's stuft Griechenland auf niedrigste Note herab
Athen - Moody's sieht Griechenland nun am Beginn eines Zahlungsausfalls. Die Rating-Agentur hat die Kreditwürdigkeit des hoch verschuldeten südeuropäischen Landes auf die niedrigste Note gesenkt. Die Bewertung werde von "Ca" auf "C" geändert, teilte die Agentur am Freitagabend mit. Zur Begründung führte Moody's die Einigung über den Schuldenschnitt mit den privaten Gläubigern an. Dies werde für die Investoren Verluste von "mehr als 70 Prozent" zur Folge haben. Bereits Anfang der Woche hatte mit Standard & Poor's eine weitere der drei großen Rating-Agenturen Griechenland um eine Note herabgestuft. S&P bewertet die Bonität des Krisenlands nun mit "SD", was für einen teilweisen Zahlungsausfall steht. Immerhin sieht die Notenskala von S&P mit "D" für einen kompletten Zahlungsausfall noch eine niedrigere Bewertung vor. Moody's hatte die Kreditwürdigkeit Griechenland vor der nun erfolgten Herabstufung bereits mit Ramschstatus bewertet und den Ausblick mit "negativ" angegeben. Damit war mittelfristig eine weitere Absenkung angedeutet worden. Durch die nun erfolgte Einigung mit den privaten Gläubigern des Landes über einen Schuldenschnitt war der Schritt mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet worden. Nun ließ Moody's verlauten, es sei davon auszugehen, dass auch nach Vollzug des Schuldenschnitts weiter ein hohes Risiko für einen Zahlungsausfall bestehe. Schuldenschnitt ist Voraussetzung für weitere Griechenland-HilfeDie privaten Gläubiger des Landes, also Banken, Versicherungen und Investmentfonds hatten sich in der vergangenen Woche bereit erklärt, auf Forderungen in Höhe von 107 Milliarden Euro verzichten. Dazu sollen sie ihre griechischen Staatsanleihen gegen neue Schuldpapiere eintauschen. Der Schuldenschnitt gilt als einer der wichtigsten Punkte im Rettungsplan für Griechenland. Die Einigung darüber ist Voraussetzung für das zweite Hilfspaket der Euro-Partner und des Internationalen Währungsfonds über 130 Milliarden Euro. Der Bundestag hat dem Rettungspaket am Montag zugestimmt. Auf dem Brüsseler Gipfel hatten die Staats- und Regierungschefs von 25 EU-Staaten am Freitag den Fiskalpakt unterzeichnet, der unter anderem ein Übergreifen der Schuldenkrise von Griechenland, Irland und Portugal auf weitere Staaten der Euro-Zone verhindern soll. Rund um den zweitägigen EU-Gipfel wurde auch darüber spekuliert, dass der Umfang des Euro-Rettungsschirms von derzeit geplanten 500 Milliarden Euro aufgestockt werden soll. Bei einer Zusammenlegung des künftigen ESM mit dem bereits bestehenden temporären EFSF könnte etwa ein Ausleihvolumen von 750 Milliarden Euro erreicht werden. Laut Insidern macht die Bundesregierung eine Entscheidung über eine Aufstockung davon abhängig, ob genügend private Gläubiger Griechenlands dem Schuldenschnitt zustimmen. Die Frist für diese Zustimmung läuft noch bis zum 10. März.
fdi/AFP/dapd
Tiefer geht es nicht mehr: Moody's hat die Kreditwürdigkeit Griechenlands erneut gesenkt - auf die niedrigste Stufe, die die Rating-Agentur zu vergeben hat. Grund sei die Einigung über den Schuldenschnitt für private Gläubiger. Zuvor hatte auch Standard & Poor's diesen Schritt vollzogen.
[ "Finanzkrise in Griechenland", "Ratingagenturen", "Moody's", "Eurozone", "Hedgefonds" ]
Wirtschaft
Soziales
2012-03-03T01:02:00+01:00
2012-03-03T01:02:00+01:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/rating-agentur-moody-s-stuft-griechenland-auf-niedrigste-note-herab-a-819011.html
Marina Weisbands falsche Vorwürfe gegen den SPIEGEL
Marina Weisband, die frühere Geschäftsführerin der Piratenpartei, hat in ihrem Blog  mich und meinen Artikel "Die gute Fee" (SPIEGEL 45/2012) kritisiert. Eine erstaunliche Reaktion, denn bislang hatten Frau Weisband und ich nie Probleme miteinander.Ich kenne Marina Weisband seit ihrem ersten Auftritt vor der Bundespressekonferenz im Oktober 2011. Damals schrieb ich einen Artikel über sie und das Frauenbild der Piraten ("Kein Geschlecht, kein Problem", SPIEGEL 41/2011) . In den folgenden Monaten führten wir immer wieder Gespräche, persönlich und am Telefon. Wiederholt schrieb ich über sie, zuletzt in der Meldung "Kopieren erlaubt" (SPIEGEL 39/2012) , in der es um ihr Buch ging. Unser Kontakt war offen und freundlich.Seit ihrem Rückzug im April habe ich mit Frau Weisband immer wieder über ihre mögliche Rückkehr in die Bundespolitik gesprochen. In der Partei ist Weisband ungemein populär, und angesichts der Krise des Bundesvorstands wurden die Rufe nach Weisbands Comeback nach meinem Eindruck zuletzt lauter. Dieses Stimmungsbild in der Partei war Anlass für meinen jüngsten Artikel über Frau Weisband. Am Freitag vor zwei Wochen rief ich sie an und fragte, ob wir uns in der folgenden Woche in ihrem Wohnort Münster treffen könnten. Frau Weisband willigte ein. Wir trafen uns am folgenden Mittwoch in einem Café. Zu solchen Gesprächen wird kein Politiker gezwungen. Hätte Frau Weisband nicht mit mir reden wollen, hätte das Gespräch nicht stattgefunden.Ich habe das Gespräch nicht aufgezeichnet, weil ich kein Wortlautinterview mit Frau Weisband führen wollte. Dass sich Journalisten bei solchen Treffen "nur" Notizen machen, ist absolut üblich. Ob aus dem Gespräch wirklich ein Artikel entstehen würde, war am Mittwoch tatsächlich unklar. In diesem Punkt hat Frau Weisband Recht. In anderen Punkten aber behauptet sie die Unwahrheit. Frau Weisband schreibt in ihrem Blog:Viele vernünftige Leute haben mich gefragt: "Hast du die Zitate echt so gebracht? Sind die autorisiert?" Ich danke für die Nachfrage. Die Antwort auf Beides ist: "Nein".Das ist falsch.In einem Telefonat am Freitagmittag habe ich Frau Weisband gesagt, dass der Artikel über sie aller Voraussicht nach im nächsten Heft erscheinen und welchen Tenor er haben würde: Dass sich viele ihre Rückkehr wünschen und sie selbst nun abwägt, ob sie für den Bundestag antreten soll oder nicht. Mit diesem Inhalt war Frau Weisband völlig einverstanden. Sie bat bloß darum, ihre wörtlichen Zitate vorab zu sehen. Also mailte ich ihr die für den Text vorgesehenen Zitate am Freitagnachmittag zur Autorisierung. Alle Zitate des Artikels sind so gefallen, und Frau Weisband hat sie kurz nach Erhalt der Mail telefonisch so bestätigt. Lediglich bei einem Zitat bat sie mich, ein Wort einzufügen. Aus "Für die Piraten wäre es das Beste, wenn ich wieder antreten würde" - so stand es in meinen Notizen - wurde: "Für die Piraten wäre es wohl das Beste, wenn ich wieder antreten würde." Auch diesem Wunsch habe ich entsprochen.Die Behauptung, ich hätte die autorisierten Zitate im Nachhinein verfremdet, ist ebenso falsch. Die abgedruckten Zitate entsprechen Frau Weisbands Autorisierung.Frau Weisbands merkwürdige Reaktion erklärt sich für mich am ehesten aus der konfusen Lage der Piraten. Die Partei war angetreten, das politische System zu verändern, speziell die Regeln des Betriebs, in dem Politiker wenig offen aussprechen und die interessantesten Informationen in der Regel nur "im Hintergrund" zu haben sind. Die aufschlussreichsten Zitate müssen wir Journalisten der Öffentlichkeit meist vorenthalten. Das ist oft ärgerlich und in jedem Fall intransparent.Die Piraten dagegen wollten Transparenz, das heißt auch: Ein Politiker sagt, was er denkt und steht dazu. Kein Abwägen der Worte, keine Schreibverbote. Dass Marina Weisband und viele andere Piraten inzwischen dazu übergegangen sind, ihre Sätze im Nachhinein ebenfalls absegnen oder gar korrigieren zu wollen, zeigt, wie stark sich die Partei inzwischen den Regeln des etablierten Systems angepasst hat. Das ist zwar schade, aber in gewisser Weise nachvollziehbar. Ärgerlich wird es, wenn Politiker ihre eigenen, sogar autorisierten Aussagen hinterher ungeschehen machen wollen, indem sie der Presse unsauberes Arbeiten vorwerfen. Im Fall von Marina Weisband ist es nun leider so passiert.
Merlind Theile
[ "SPIEGELblog" ]
Backstage
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2012-11-05T16:40:00+01:00
2012-11-05T16:40:00+01:00
https://www.spiegel.de/spiegel/spiegelblog/marina-weisbands-falsche-vorwuerfe-gegen-den-spiegel-a-865411.html
Enrique Bolaños, 93
Der konservative Politiker war der letzte demokratische Präsident Nicaraguas. Sein Nachfolger, der einstige sandinistische Revolutionsführer Daniel Ortega, kam 2007 zwar nach fairen Wahlen an die Macht, aber im Amt verwandelte er sich in einen brutalen Autokraten. Enrique Bolaños war zeitlebens ein Gegner der Sandinisten. Während der Revolutionsregierung in den Achtzigerjahren hatte er den Vorsitz des Unternehmerverbands Cosep. Bei den Präsidentschaftswahlen 2001 siegte er mit großer Mehrheit gegen Ortega. Bolaños führte einen unerbittlichen Kampf gegen die Korruption. Es gelang ihm, die Wirtschaft zu stabilisieren; Bolaños unterzeichnete das mittelamerikanische Freihandelsabkommen mit den USA (Cafta) und handelte einen Erlass von 80 Prozent der Auslandschulden aus. Nach seinem Rückzug aus der Politik baute er eine riesige virtuelle Bibliothek auf, die er seinen Landsleuten als Erbe hinterlässt. Enrique Bolaños starb am 14. Juni in der Nähe von Managua. Wunderwaffen für ein gesundes LebenDie Covid-19-Impfstoffe auf mRNA-Basis sind erst der Anfang: Mit der bahnbrechenden neuen Technik wollen Ärztinnen und Forscher die Zellen des Patienten in Arzneimittelfabriken verwandeln und auf diese Weise die großen Volkskrankheiten behandeln. Hiesige Firmen spielen dabei eine führende Rolle. Kann Deutschland zur Apotheke der Welt werden?Lesen Sie unsere Titelgeschichte, weitere Hintergründe und Analysen im digitalen SPIEGEL.
jgl
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Panorama
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2021-06-18T13:00:00+02:00
2021-06-18T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/panorama/enrique-bolanos-93-a-2abc4979-0002-0001-0000-000177967219?context=issue
Lodovico Benvenuti
Lodovico Benvenuti, 62, Generalsekretär des Europarats, verlangte als scheidender Bonn-Besucher auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen polizeilichen Geleitschutz bis zu seinem Amtssitz zu Straßburg. An der Kehler Europabrücke, die er ungehindert hätte passieren können, wartete er auf das Erscheinen des Kehler Polizeichefs, um sich dann in die Obhut der französischen Gendarmerie geben zu lassen, die ihn bis zum Sitz des Europarats eskortierte.
[]
Politik
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1961-06-27T13:00:00+01:00
1961-06-27T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/lodovico-benvenuti-a-92b5440d-0002-0001-0000-000043366227?context=issue
Mächtige Kräfte
Der Patient, an akuter Leukämie erkrankt, galt als hoffnungsloser Fall. Dennoch baten ihn die Ärzte um seine Erlaubnis für eine Knochenmarkspunktion. Daß die schmerzhafte Prozedur keinerlei therapeutischen Nutzen stiften würde, hatten sie dem todgeweihten Leukämie-Kranken nicht verschwiegen. Der willigte trotzdem ein, in der Hoffnung, der Wissenschaft und womöglich künftigen Leidensgefährten damit zu helfen. So entnahmen die Mediziner dem Knochenmark des 59jährigen Amerikaners aus Los Angeles einige Proben jenes blutbildenden Körpergewebes, das den Organismus des Sterbenden mit Krebszellen überschwemmte. Heute, drei Jahre nach dem Tod des Spenders, leben die Gewebsproben immer noch. In Laborkulturen gepäppelt, erhalten sie sich durch Zellteilung. Für die Leukämie-Behandlung ist bei dem Retortenkunststück bislang nichts herausgekommen. Statt dessen aber hat die Bio-Erbschaft des Krebstoten einen Streit ausgelöst, bei dem es, wie die US-Wissenschaftszeitschrift »Science« schätzt, um Milliarden-Umsätze auf dem Pharma-Markt der Zukunft geht -- und zugleich um das Ethos der noch jungen, sogenannten Gentechnik, die auch mit menschlichem Erbgut experimentiert und dabei längst tief in die geschäftlichen Interessen der Industrie verstrickt ist. Begonnen hatte der Konflikt vor etwa zwei Jahren. Damals bat der Biochemiker Robert Gallo, Krebsforscher am amerikanischen National Cancer Institute, seine Kollegen in Los Angeles um eine Probe der Zellkulturen, die dem Knochenmark des verstorbenen Leukämie-Patienten entstammten. Gallo, ein langjähriger Freund der Zellen-Züchter Phillip Koeffler und David Golde, wollte das Gewebe auf die Existenz von Viren untersuchen. Koeffler und Golde, beide als Blutspezialisten an der Universität von Kalifornien tätig, erfüllten Gallos Wunsch bereitwillig -- ein Akt kollegialer Zusammenarbeit, wie er unter den Wissenschaftlern bis dahin allgemein üblich war. In den »KG-1«-Zellen (so genannt von Koeffler und Golde nach den eigenen Namensinitialen) fand Gallo zwar keine Viren, dafür aber machte er eine andere Entdeckung: »KG-1«, so ergaben seine Tests, produziert Interferon, jene körpereigene Abwehrsubstanz, die gegen allerlei Virusinfektionen, vielleicht S.258 aber auch, wie neuerdings vermutet wird, gegen gewisse Krebsformen schützen kann. Daß damit die »KG-1«-Kulturen in das Magnetfeld der Pharma-Multis gerieten, dürfte Gallo wohl gewußt haben. Seit geraumer Zeit nämlich suchen die Industrieforscher fieberhaft, doch bisher wenig erfolgreich nach Methoden, um den begehrten Wirkstoff in ausreichenden Mengen und zu erschwinglichen Kosten herzustellen; derzeit liegt der Interferon-Preis bei etwa 100 Millionen Mark je Gramm. Gleichwohl gab Gallo, angeblich arglos und ohne Eigennutz, die geliehene Zellkultur an einen Fachkollegen weiter, der die Bio-Forschung keineswegs um ihrer selbst willen betreibt: Sidney Pestka -- dritte Station der »KG-1«-Staffette -- arbeitet an einem Institut für Molekularbiologie, das von dem Schweizer Arzneimittel-Multi Hoffmann-La Roche finanziert wird. Laut Gallo hatte Industrieforscher Pestka nur die Absicht bekundet, in seinem Labor noch einmal den Interferon-Fund zu überprüfen. Er tat aber mehr: In monatelanger Arbeit manipulierte er die »KG-1«-Zellen so, daß sie sich in »Superproduzenten von Interferon« ("Science") verwandelten. Ob Gallo berechtigt war, das »KG1«-Material dem Roche-Institut zu überlassen, ist vorerst unklar. Koeffler und Golde jedenfalls, die sich von Gallo unzureichend informiert fühlen, empfinden den Transfer zumindest als Vertrauensbruch. Für gänzlich unannehmbar aber halten sie die nächste Etappe der »KG-1«-Reise. Hoffmann-La Roche nämlich schickte das von Pestka bearbeitete Zellmaterial an die Forschungsfirma Genentech in San Francisco, ein 1976 gegründetes Unternehmen, dessen rund 50 Mitarbeiter damit beschäftigt sind, die rapiden Fortschritte der Biochemie für die Praxis zu nutzen und Forschungsergebnisse möglichst rasch für den Pharma-Markt aufzubereiten. Den Genentech-Wissenschaftlern, durchweg hochkarätigen Bio-Experten, ist es beispielsweise gelungen, mit Hilfe von genetisch umprogrammierten Bakterien Insulin sowie das Steuerhormon Somatostatin zu erzeugen. Auf dieselbe Weise -- durch »Rekombination« der genetischen Schlüsselsubstanz DNS (Desoxyribonukleinsäure) -- wollen sie demnächst Bakterien züchten, die Urokinase produzieren, einen Stoff, der Blutgerinnsel auflöst und etwa bei der Infarkt-Behandlung helfen könnte. Die von Hoffmann-La Roche-Forscher Pestka modifizierten, reichlich Interferon erzeugenden »KG-1«-Kulturen kamen für die Bio-Ingenieure der Genentech wie gerufen. Denn etwa um dieselbe Zeit, Anfang 1980, hatte die Genentech-Konkurrentin Biogen gemeldet, es sei ihr geglückt, ein Interferon-Gen zu »klonen« -- das heißt: jenen Abschnitt der Erbinformation zu isolieren und zu vervielfältigen, der in den Körperzellen für die Synthese von Interferon verantwortlich ist. »Entschlüsselt« allerdings hatten die Biogen-Forscher -- unter Vertrag bei der amerikanischen Pharma-Firma Schering-Plough -- das Interferon-Gen offenbar noch nicht. Mit dieser Aufgabe betraute nun Hoffmann-La Roche den Biochemiker Charles Todd sowie die Genentech; beide begannen komplizierte Experimente mit dem Ziel, den chemischen Aufbau des Interferon-Gens möglichst exakt zu bestimmen. Dazu ersannen die Labor-Detektive schließlich einen raffinierten Trick: Sie arbeiteten mit lebenden Zellen, die viel Interferon produzierten, und entzogen ihnen zunächst die gesamte sogenannte Boten-RNS (Ribonukleinsäure), eine Substanz, die im Zellstoffwechsel gleichsam eine Vermittlerrolle spielt. Zu jenem Abschnitt (Gen) im verschlüsselten Text der schier endlosen DNS-Kettenmoleküle gehören RNS-Kopien, die im Fabrikbetrieb der Zelle als Baupläne für die Herstellung bestimmter chemischer Produkte dienen. Anstatt im Originaltext nach dem Interferon-Plan zu suchen, zogen es die Genentech-Fahnder vor, die entsprechenden Kopien aufzuspüren. Das gelang ihnen überraschend schnell -- mit Hilfe der »KG-1«-Zellen, die Mikrobiologe Pestka im Hoffmann-La Roche-Institut zu Interferon"Superproduzenten« umgemodelt hatte: Sie lieferten zugleich so viel Interferon-RNS, daß die Wissenschaftler daraus die Struktur des dazugehörigen Interferon-Gens ableiten konnten. Anhand der RNS-Vorlagen bauten die Bio-Alchimisten sodann ein künstliches Interferon-Gen zusammen, das sie in ihre üblichen Versuchstierchen -bestimmte Kolibakterien -- einschleusten. Die reagierten wunschgemäß: Sie produzierten eine Interferon-Variante, die zwar chemisch von dem natürlichen Wirkstoff geringfüging abweicht, doch dessen bislang bekannte, virusfeindliche Eigenschaften vollständig aufweist. Nach diesem Retorten-Coup, der in absehbarer Zeit eine Massenproduktion von Interferon zumindest möglich erscheinen läßt, dürfen die Hoffmann-La Roche-Aktionäre (deren Vermögen allein durch die Psychodroge Valium um 8 Milliarden Schweizer Franken gemehrt wurde) demnächst wieder einen Goldregen erwarten. Sollte sich Interferon tatsächlich als Mittel gegen Krebskrankheiten und vor allem gegen Virus-Infektionen wie den gewöhnlichen Schnupfen bewähren, könnte der Konzern, wie Experten taxieren, damit von 1987 an jährlich mindestens drei Milliarden Dollar Umsatz machen. In der vorletzten Woche brachten die Genentech-Geschäftsführer eine S.261 Million Unternehmensanteile im Gesamtwert von 13 Prozent des (fiktiven) Firmenkapitals zum Preis von 35 Dollar an die Börse. Die Verkaufsofferte, notierte das »Wall Street Journal«, mache die Genentech-Inhaber »über Nacht zu Aktienmillionären«. Leer ausgehen sollen dagegen die Erben des verstorbenen Leukämie-Patienten aus Los Angeles sowie die beiden Wissenschaftler Koeffler und Golde, die an dem Erfolg der Genentech doch jedenfalls indirekt beteiligt waren. Zwar verlangen die Anwälte der Universität von Kalifornien mittlerweile von Hoffmann-La Roche eine Lizenzgebühr für die »nicht autorisierte Benutzung« der »KG-1«-Zellkulturen. Doch der Pharma-Konzern will nicht zahlen; er hat, offenbar im Vertrauen auf eine vermeintlich günstige Rechtsposition, ein gerichtliches Feststellungsverfahren beantragt, das die Eigentumsrechte an genetischem Material grundsätzlich klären soll. Wie immer jedoch die Richter entscheiden werden, beim Gezerre um »KG-1« ist das ohnehin umstrittene Gewerbe der Gentechniker noch tiefer ins Zwielicht geraten. So regte sich, neben überdurchschnittlichem Käuferinteresse, auch Mißtrauen, als vorletzte Woche die Genentech-Papiere auf den Börsenmarkt kamen: Kritiker rieten zur Vorsicht bei einem Forschungsunternehmen, das »seine Neuentwicklungen eher auf Pressekonferenzen als in wissenschaftlichen Zeitschriften« vorzustellen pflege. Doch daran werden sich die Skeptiker gewöhnen müssen. Nichts ist mehr so wie vorher in der Bio-Wissenschaft, seit sich dort der Forscherdrang mit den »mächtigen Kräften des Profitmotivs« ("Science") vereinigt hat. Mißtrauen, klagt »Science«, habe auch die akademischen Umgangsformen geändert: Nach den Erfahrungen mit den »KG-1«-Kulturen sei der traditionelle freimütige Wissensaustausch zwischen den Gen-Forschern wohl zu Ende.
Geschäftsinteressen überlagern die biochemische Forschung. In Amerika gibt es - um Interferon - den ersten Lizenz-Krach.
[ "Los Angeles" ]
Wissenschaft
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1980-10-26T13:00:00+01:00
1980-10-26T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/wissenschaft/maechtige-kraefte-a-3e3c971b-0002-0001-0000-000014323693?context=issue
Große Koalition streitet um Kuba-Sanktionen
Der Krach in der Großen Koalition um die Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Kuba hört nicht mehr auf. Kanzleramt und Auswärtiges Amt stritten vorige Woche tagelang über eine gemeinsame Haltung: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte an den Maßnahmen gegen das Castro-Regime festhalten, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) plädierte, wie die Vertreter fast aller anderen EU-Staaten, für die vollständige Aufhebung. Auf Druck des Kanzleramts musste das Auswärtige Amt die EU-Beratungen über Kuba zunächst um drei Tage vertagen lassen. Am späten Donnerstagabend beschlossen die EU-Außenminister in Brüssel dann doch, einen "umfassenden und offenen Dialog" mit Kuba aufzunehmen – gegen Merkels Willen, die aber kein Veto einlegte. Die Kanzlerin setzte allerdings durch, dass die Aufhebung der Sanktionen nach einem Jahr überprüft wird. Nach der Entscheidung in Brüssel schwelt der Streit in Deutschland weiter: Der CDU-Abgeordnete Arnold Vaatz kritisierte die Aufhebung der Sanktionen als "groteske Fehlleistung der Europäischen Union". Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen dagegen erkannte einen "Erfolg von Steinmeier, der vor allem gegen Merkel durchgesetzt werden musste". Die Kanzlerin habe jetzt "am eigenen Leibe erfahren, wie schwer es ist, die Politik von George W. Bush durchzusetzen". Merkel und der US-Präsident hatten sich bei einem Treffen voriges Jahr in Crawford darauf verständigt, an den Sanktionen festzuhalten.
[]
Politik
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2008-06-21T10:30:00+02:00
2008-06-21T10:30:00+02:00
https://www.spiegel.de/spiegel/vorab/a-561135.html
Queen Elizabeth II. und Prinz Philip fliegen mit Helikopter zum Weihnachtsfest
Königin Elizabeth II. und ihrem Mann Philip scheint es etwas besser zu gehen. Das Paar, das derzeit unter einer starken Erkältung leidet, hat sich an Bord eines Hubschraubers auf den Weg zum Landsitz Sandringham in der englischen Grafschaft Norfolk gemacht. Die 90-jährige Monarchin und ihr fünf Jahre älterer Mann verbringen traditionell die Weihnachtstage dort. Ursprünglich wollte das Paar schon am Mittwoch mit der Bahn fahren, musste die Reise aber wegen des starken Infekts verschieben. Die Queen, die auch das Oberhaupt der Kirche von England ist, geht stets am ersten Weihnachtstag vormittags mit Familienangehörigen zum Gottesdienst in die Kirche in Sandringham. Nachmittags wendet sie sich in einer Rundfunkansprache an ihr Volk. Diese Rede sei bereits aufgezeichnet worden, teilte der Buckingham-Palast mit. Prinz William verbringt das Fest dieses Mal mit Frau Kate und den beiden Kindern bei seinen Schwiegereltern. Zu den Plänen Prinz Harrys, der eine neue Freundin hat, gab es keine Auskünfte.
msc/dpa
Wegen einer starken Erkältung konnten Queen Elizabeth II. und Prinz Philip erst verspätet zu ihrem Landsitz reisen. Anstatt wie üblich die Bahn zu nehmen, wählten sie dieses Jahr ein schnelleres Verkehrsmittel.
[ "Queen Elizabeth II.", "Großbritannien", "Prinz Philip" ]
Panorama
Leute
2016-12-22T16:51:35+01:00
2016-12-22T16:51:35+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/leute/queen-elizabeth-ii-und-prinz-philip-fliegen-mit-helikopter-zum-weihnachtsfest-a-1127219.html
Audi: 10.000 Beschäftigte in Kurzarbeit wegen Halbleitermangels
Bei Audi stockt wegen fehlenden Halbleitern die Produktion. Im Stammwerk Ingolstadt stehen alle Bänder bis zum 30. August still: auf der Linie 1 wegen Umbauarbeiten für den Produktionsstart des vollelektrischen Q6 etron, auf den beiden anderen Linien wegen Chipmangel. 6000 Mitarbeiter müssen deshalb in Kurzarbeit. Auch im Werk in Neckarsulm steht die Fertigung mehrere Tage weitgehend still. Etwa 4000 Angestellte können deshalb nicht wie geplant arbeiten. Für September hat Audi ebenfalls vorsorglich Kurzarbeit angemeldet, aber zugleich Zusatzschichten an mehreren Wochenenden geplant. Audi hat volle Auftragsbücher, konnte aber wegen fehlender Bauteile schon im ersten Halbjahr etwa 50.000 Autos nicht bauen.Wenn die Bauteile dann endlich geliefert werden, versucht das Unternehmen die Produktion aufzuholen. »Man muss von Woche zu Woche planen«, sagt ein Sprecher. »In der Vergangenheit mussten auch schon geplante Zusatzschichten wieder abgesagt werden.« Finanzvorstand Jürgen Rittersberger hatte schon im Juli angekündigt, dass es wegen Halbleitermangel im August und September zu weiteren Produktionsausfällen und Kurzarbeit kommen könne. Wo möglich, würden die Chips in Fahrzeuge mit dem höchsten Gewinnbeitrag und dem geringsten CO2-Ausstoß eingebaut.Auch anderen Autobauern fehlen Mikrochips. BMW könnte nach den Worten von Finanzvorstand Nicolas Peter ohne die Engpässe dieses Jahr wohl 70.000 bis 90.000 Autos mehr verkaufen. »Im Moment sind aber alle Werke weltweit gut versorgt«, sagte ein BMW-Sprecher auf Nachfrage. In Leipzig laufe die Produktion normal, in München und Dingolfing laufe sie nach den Sommerferien wie geplant wieder an.
ssu/dpa-AFX
In Ingolstadt und Neckarsulm müssen Tausende Audi-Beschäftigte ihren Sommerurlaub verlängern, weil Halbleiter fehlen. Mehrere Tausend Autos können nicht pünktlich gebaut werden.
[ "Audi", "Kurzarbeit", "Autoindustrie", "Computer", "BMW" ]
Wirtschaft
Unternehmen
2021-08-19T13:04:04+02:00
2021-08-19T13:04:04+02:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/audi-10-000-beschaeftigte-in-kurzarbeit-wegen-halbleitermangels-a-ffb1f6a7-f7f5-4602-99e5-279064233213
Europäische Volkspartei: David McAllister soll ins Präsidium einziehen
Der ehemalige niedersäch sische Ministerpräsident David McAllister soll in die Führungsspitze der Europäischen Volkspartei (EVP) aufrücken. Nachdem sich der bisherige deutsche Vizepräsident der EVP, Peter Hintze, gegen eine neuerliche Kan didatur entschieden hat, soll nach dem Willen der CDU-Spitze McAllister auf dem EVP-Kongress im Oktober in Madrid für das Präsidium kandidieren. Der Deutsch-Schotte war bereits Spitzenkandidat der CDU bei der Europawahl 2014.
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Politik
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2015-08-28T17:55:45+02:00
2015-08-28T17:55:45+02:00
https://www.spiegel.de/spiegel/vorab/europaeische-volkspartei-david-mcallister-soll-ins-praesidium-einziehen-a-1050366.html
Enes Kanter: Familie wendet sich von NBA-Star wegen Gülen-Bekenntnis ab
In der NBA bestritt Enes Kater über 373 Spiele und erzielte für Oklahoma und die Utah Jazz 3998 Punkte. Eine gute Quote, aber in seiner Heimat Türkei interessiert sich dafür kaum noch jemand.Der 24-Jährige steht unter politischer Beobachtung: Weil er sich offen vom Regime von Präsident Recep Tayyip Erdogan abwandte, erhielt Kanter Morddrohungen und flog aus fragwürdigen Gründen aus der Nationalmannschaft. Nun wurde der Basketballer sogar von seiner Familie verstoßen. "Heute, im Alter von 24 Jahren, habe ich meine Mutter, meinen Vater, meinen Bruder und meine gesamte Familie verloren", twitterte Kanter.Er hatte sich nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei via Twitter zur Gülen-Bewegung bekannt und immer wieder Artikel gepostet, in denen der Prediger Fethullah Gülen eine Beteiligung an dem Putschversuch bestreitet. Kanters Familie sah sich daraufhin genötigt, sich öffentlich beim umstrittenen Machthaber Erdogan zu entschuldigen. "Mein eigener Vater wollte, dass ich meinen Nachnamen ändere. Meine Mutter, die mir mein Leben geschenkt hat, hat mich vergestoßen. Die Geschwister, mit denen ich aufwuchs, kennen mich nicht mehr. Meine Verwandten wollen mich nicht mehr sehen", schrieb Kanter. Seinen Brief unterschrieb er mit "Enes (Kanter) GÜLEN". All das werde jedoch nichts an Kanters Meinung ändern: "Meine Liebe für Gülen ist größer als die Liebe für meine Eltern und meine Geschwister." Ankara macht den im US-Exil lebenden Gülen für den versuchten Militärputsch vom 15. Juli verantwortlich und geht seitdem mit aller Härte gegen die einflussreiche Bewegung vor. Zehntausende Menschen wurden bereits wegen ihrer angeblichen Nähe zu der Bewegung entlassen oder festgenommen, darunter Soldaten, Richter, Staatsanwälte, Lehrer und Journalisten.Kanter ist nicht der einzige prominente Sportler, der unter politischen Druck gerät. Dem türkischen Fußball-Rekordtorschützen Hakan Sükür wurden von heimischen Medien Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen. Sükür steht in der Türkei zudem wegen Präsidentenbeleidigung in Abwesenheit vor Gericht.
jan/sid
Seine politischen Äußerungen wurden ihm zum Verhängnis: Der türkische NBA-Star Enes Kanter ist von seiner Familie verstoßen worden. Grund ist seine Treue zur Gülen-Bewegung.
[ "Recep Tayyip Erdoğan", "NBA", "Basketball", "Russlands Krieg gegen die Ukraine" ]
Sport
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2016-08-10T12:55:00+02:00
2016-08-10T16:31:00+02:00
https://www.spiegel.de/sport/sonst/tuerkei-konflikt-enes-kanter-meine-liebe-fuer-guelen-ist-groesser-a-1106980.html
Mario Gomez: Trainer spricht von "psychologischer Blockade"
Hamburg - Trotz des 4:3-Sieges seines Klubs AC Florenz gegen US Palermo gerät der erfolglose deutsche Fußballnationalstürmer Mario Gomez in seiner Mannschaft zunehmend unter Druck. Der eigene Trainer Vincenzo Montella kritisierte seinen Schützling offen. "Ich erwarte mehr von ihm. Er ist ein wichtiger Spieler. Die Fans sind ihm nahe. Er erlebt eine psychologische Blockade, denn er ist nicht der Spieler, der in der Vergangenheit bewundert wurde", sagte der italienische Coach. Montella scheint offensichtlich die Geduld mit seinem Starstürmer verloren zu haben. Er deutete dabei sogar das mögliche Karriereende des Torjägers an."Als ich gemerkt habe, dass ich nicht mehr auf dem Niveau spielen konnte, das meine Karriere gekennzeichnet hat, habe ich aufgegeben, auch wenn ich noch ein Jahr Vertrag vor mir hatte. Ich habe begriffen, dass mein Abenteuer mit dem Fußball zu Ende war", formulierte Montella. Auch die italienischen Sportzeitungen sparen am Wochenende nicht mit Kritik an Gomez. "Gomez ist nur das Phantom des Stürmers, der er einst war. Gomez' Krise hat ein absolut besorgniserregendes Niveau erreicht. Er rennt, kämpft, aber er macht fast alles falsch", schrieb der "Corriere dello Sport".Kritisch zeigte sich auch "Gazzetta dello Sport": "Gomez kämpft eine Stunde lang mit großem Elan, doch dann erlischt er. So geht es nicht. Fiorentina kann nur hoffen, dass die Durststrecke von Super Mario zu Ende ist", konstatierte das Blatt. "Gomez ist für AC Florenz zum Problemfall geworden", kommentierte "Corriere della Sera". "Gomez ist nicht mehr Gomez, und das beginnt, ein ernsthaftes Problem für AC Florenz zu werden. Doch der Sieg gegen Palermo löscht das Feuer, denn mit vier Toren kann man sich auch einen Stürmer in der Krise leisten", schrieb die römische Tageszeitung "La Repubblica".
aha/sid
Mario Gomez in der Kritik: Der Trainer seines Klubs AC Florenz hat jetzt deutliche Kritik an dem seit Wochen erfolglosen Stürmer geübt. Von dem Nationalspieler müsse in den nächsten Partien mehr kommen.
[ "Fußball international", "Serie A", "Mario Gomez" ]
Sport
Fußball-News
2015-01-12T10:23:00+01:00
2015-01-12T12:30:00+01:00
https://www.spiegel.de/sport/fussball/serie-a-trainer-von-florenz-uebt-kritik-an-mario-gomez-a-1012490.html
Computerviren: BKA warnt vor gefälschten E-Mails
Wiesbaden - In den gefälschten E-Mails werde mitgeteilt, dass angeblich "der Inhalt Ihres Rechners" als "Beweismittel sichergestellt" wurde und gegen den Empfänger ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, teilte das Bundeskriminalamt (BKA) mit. Die Behörde warnt dringend davor, den Dateianhang der Nachricht zu öffnen. Im Anhang befänden sich Computerviren, wahrscheinlich die Variante W32.SoberX. Beim Öffnen des Dateianhangs werden diese Viren automatisch an alle im Adressbuch des Rechners gelisteten Adressen weiterversandt. Das BKA rät, die E-Mails zu löschen und einen Virenscanner über denRechner laufen zu lassen. E-Mails dieser Art kursierten derzeit vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz.Zudem warnt das FBI vor Mails, die im Namen der US-Bundespolizei verschickt werden. Dem Empfänger werde darin mitgeteilt, das FBI überwache seinen Internet-Zugang und habe den Besuch illegaler Internet-Seiten festgestellt. Der Empfänger werde außerdem angewiesen, einen Anhang zu öffnen und Fragen zu beantworten. Auch diese Mails stammen nicht vom vorgeblichen Absender und sollten nicht geöffnet werden, teilte das FBI mit.
Ausgerechnet den Namen des Bundeskriminalamts missbrauchen Hacker derzeit, um Computerviren zu versenden. Mit Betreffs wie "Sie besitzen Raubkopien" oder "Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet" und dem falschen Absender wollen sie die Empfänger überlisten.
[ "Cyber Security" ]
Netzwelt
Web
2005-11-22T07:38:37+01:00
2005-11-22T07:38:37+01:00
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/computerviren-bka-warnt-vor-gefaelschten-e-mails-a-386240.html
SELBSTKRITIK.
Die rheinische CDU fordert bessere Unterrichtung durch die Parteiorgane. Der Arbeitskreis »Rede, Diskussion und aktuelles Ereignis« in der CDU Rheinland veröffentlichte eine Entschließung, in der es unter anderem heißt: »Die Mitgliedschaft braucht mehr klare und sachlich zuverlässige Informationen als Kommentare, die, wie etwa in dem Blatt 'Union in Deutschland', außerordentlich stark propagandistisch und sprachregelnd gefärbt sind.«
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Politik
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1963-12-24T13:00:00+01:00
1963-12-24T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/selbstkritik-a-45b5e5d5-0002-0001-0000-000046173211?context=issue
Meinung: Auflösung der Linken-Fraktion: Keine Träne für die Linkspartei
Jaja, ich weiß schon, nihil nisi bene, an offenen Gräbern nichts Böses, ich hab’ auch mein großes Latinum. Trotzdem fehlt mir diese christlich-abendländische Nachsicht, wenn es um die Linkspartei geht, das gebe ich zu. Also werde ich nicht einstimmen in den Chor, der sich diese Woche wohl erheben wird, wenn die Linkenfraktion im Deutschen Bundestag ihre Selbstauflösung beschließt. Nikolaus Blome, Jahrgang 1963, war bis Oktober 2019 stellvertretender Chefredakteur und Politikchef der »Bild«-Zeitung. Von 2013 bis 2015 leitete er als Mitglied der Chefredaktion das SPIEGEL-Hauptstadtbüro, zuvor war er schon einmal stellvertretender »Bild«-Chefredakteur. Seit August 2020 leitet er das Politikressort bei RTL und n-tv. Dort macht er auch einen wöchentlichen Podcast zusammen mit Jakob Augstein . Im Januar 2025 erscheint sein neues Buch »Falsche Wahrheiten: 12 linke Glaubenssätze, die unser Land in die Irre führen«. »In Würde« soll es geschehen, verspricht der ewige und ewig erfolglose Fraktionschef Dietmar Bartsch. Dass ich nicht lache. Die Selbstauflösung ist folgerichtig, da man dieselbe schon seit vielen Jahren betreibt, es nur immerfort »linke Politik« nannte. So was kommt von so was.Es wird also auch jenseits der roten Reihen viel geweint werden, wenn die Linke ihren Fraktionsstatus einbüßt, um demnächst ganz aus dem Bundestag zu verschwinden: Herr Bartsch, Frau Lötzsch, der knuffige Herr Gysi und die Pumuckl-Frisur von Frau Pau gehören zum Inventar des deutschen Nachwende-Parlamentarismus. Warum genau, kann keiner sagen, immerhin wurde die Partei lange Zeit ganz oder in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet. Trotzdem hat man die Promis lieb gewonnen, man konnte sie streicheln. Gebissen haben sie nie. Dabei hätte sie es schaffen könnenAuf Sahra Wagenknecht trifft das in keiner Weise zu. Und so spiegelt das versöhnlich Nette, das man der Linkspartei in die nahende Bedeutungslosigkeit nachrufen wird, vor allem die Abneigung gegen Wagenknecht und die düsteren Ahnungen, die sich mit ihr verbinden: Deutschland hat keine Erfahrung mit linksnationalem Populismus – was, nebenbei, nach mehr als drei Jahrzehnten PDS, WASG und Linkspartei aka Die Linke ein krasser Befund ist. Die Partei Die Linke hinterlässt eine Lücke, die sie nie gefüllt hat. Und doch hätten sie es schaffen können.Darum geht es: wie Unterlassen persönliche und große Geschichte schreibt. In den Jahren 2005 und 2013 existierte im Deutschen Bundestag eine parlamentarische Mehrheit ohne CDU/CSU, die trotzdem dann die Kanzlerin stellten. Zwei Mal hätte diese linke Mehrheit, Rot-Rot-Grün, an die Stelle einer Großen Koalition treten können. Leute wie ich hätten sich gewiss lauthals beschwert und empört, aber niemand hätte darauf hören müssen, denn gewählt ist gewählt. Doch suizidallinke Betonköpfe hielten die Partei koalitionsunfähig, weil sie sich weigerten, den außenpolitischen Minimalkonsens der Republik zu unterschreiben: die Westbindung. Das Ärgerliche am Verschwinden der Linken ist nun, dass sie etwas hinterlässt. Sie hat zweimal eine Große Koalition mitverursacht und damit die politischen Ränder gestärkt, in diesem vertrackten Fall sogar gleich zwei Ränder: über Jahre die AfD und zuletzt auch die »Wagenknechte«. Danke für gar nichts. Das muss man erst einmal hinkriegen. In Ostdeutschland hingegen hatte die Linke, als sie noch PDS hieß, zunächst durchaus Verdienste erworben: Sie gab Millionen Ex-DDR-Bürgern eine erste Heimstatt in der neuen Parteienlandschaft und in der gefühlskühlen Marktwirtschaft. Sie hat auch die Überzeugten unter den SED-Wählern in die Demokratie mitgenommen, das hätte keine andere Partei vermocht. Eine Art Ost-CSU hätte sie so werden können, alles umarmend, alle bedienend, eine Staatspartei, die den Untergang ihres Staates überlebt. Sie hätten es schaffen können. Die »kleinen Leute« in Ostdeutschland haben inzwischen andere FreundeDoch im Laufe der Jahre verlor die Partei im Osten erst Kurs und dann Kontakt. Oskar Lafontaine und die »Wahlalterative Arbeit & soziale Gerechtigkeit« hatten den Keim der Verwirrung in ihre geordneten Reihen getragen. Aus dem Westen kamen Leute wie Klaus Ernst, Dieter Dehm oder Sevim Dagdelen nach vorn. Die Linke degenerierte von der »Kümmerer-Partei« zum Minderheiten-besoffenen Sekten-Sammelsurium. Aktuell notiert Wikipedia unter »Strömungen und Flügel« (kein Witz): »Kommunistische Plattform«, »Antikapitalistische Linke«, »Sozialistische Linke«, »Bewegungslinke«, »Emanzipatorische Linke«, »Forum Demokratischer Sozialismus«, »Netzwerk Reformlinke«, »Ökologische Plattform«, »Marxistisches Forum« und »Geraer Dialog/Sozialistischer Dialog«. Charles de Gaulle soll einst gefragt haben: »Wie wollen Sie ein Volk regieren, das 246 Käsesorten hat?« Er kannte die deutsche Linke nicht. Doch die »kleinen Leute« in Ostdeutschland haben andere Sorgen und inzwischen auch andere Freunde. Die Linke ist noch an zwei ostdeutschen Landesregierungen beteiligt, aber die AfD behauptet, die einzig wahre Kümmerer-Partei im Osten sein. Ganz von der Hand zu weisen ist das leider nicht, wenn man sich ihre Ergebnisse anschaut, die an jene der Linke vor zehn, fünfzehn Jahren erinnern. Obwohl ihr Oskar Lafontaine lange zuriet, hat sich die Partei nie um eine halbwegs mehrheitsfähige Haltung zu Fragen von Zuwanderung, Asyl und Fremdheitsängsten bemüht. Das rächt sich in diesen Tagen am schärfsten, denn vor allem aus diesem Defizit wird Frau Wagenknecht künftig ihr Kapital schlagen. Jede Linke bekommt die Erben, die sie verdient.
Nikolaus Blome
Das Ende der SED-Nachfolgepartei und ihres westdeutschen Ablegers ist eine gerechte Strafe: Die linke Borniertheit hat die AfD groß gemacht.
[ "Die Kolumnisten", "Meinung", "Frank Bsirske", "SED", "Die Linke", "Bundestag", "Sahra Wagenknecht", "WASG", "Jetzt erst recht(s)" ]
Politik
Deutschland
2023-11-13T15:08:45+01:00
2023-11-13T15:08:45+01:00
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/linke-fraktion-im-bundestag-vor-der-aufloesung-keine-traene-fuer-die-linkspartei-meinung-a-23579597-0193-489f-bc60-14bd885960de
VIETNAM-VERLUSTE.
Die Verlusteder amerikanischen Truppen in Südvietnam haben sich nach jüngsten Angaben auf 262 Tote erhöht. Seit dem Eingreifen der USA vor drei Jahren wurden außerdem 1196 Soldaten verwundet oder verletzt. 17 Mann werden vermißt. Das US-Truppenkontingent in Südvietnam hatte zuletzt eine Stärke von 16 323 Mann, soll jedoch jetzt auf über 20 000 Soldaten erhöht werden.
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Politik
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1964-08-18T13:00:00+01:00
1964-08-18T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/vietnam-verluste-a-2952a633-0002-0001-0000-000046174952?context=issue
Kurzpässe: Funkel verhandelt, Hochstätter nicht mehr aktiv
Hamburg - Die Zukunft von Trainer Friedhelm Funkel bei Bundesligist Eintracht Frankfurt ist weiter offen. Nach Angaben von Vorstandschef Heribert Bruchhagen werden im Trainingslager in Vale do Lobo (Portugal) derzeit zwar Gespräche mit Funkel geführt, eine endgültige Entscheidung wird möglicherweise aber erst Ende März fallen. "Es ist richtig, dass wir angekündigt haben, im Trainingslager Gespräche mit Friedhelm Funkel zu führen. Das tun wir auch. Es steht aber nirgendwo geschrieben, dass wir schon eine Entscheidung treffen", sagte Bruchhagen. Dass sich Funkel, der in Frankfurt nicht unumstritten ist, gegen eine Verlängerung seines Ende Juni endenden Kontrakts entscheidet, kann sich Bruchhagen nicht vorstellen: "Ich kann nicht für Herrn Funkel sprechen, aber wenn das so wäre, hätte er mir das gesagt." Funkel ist seit Juli 2004 Trainer bei Eintracht Frankfurt. Hannover 96 hat Sportdirektor Christian Hochstätter vorerst von der "aktiven Arbeit" entbunden. Das ist das Ergebnis eines Gesprächs zwischen 96-Präsident Martin Kind und dem 45-Jährigen. In den nächsten Tagen sollen weitere Gespräche zwischen Vereinsführung und Sportdirektor folgen. Dabei deutet alles auf eine Vertragsauflösung hin. Hochstätter hatte jüngstseinen Abschied zum Saisonende angekündigt, nachdem die Niedersachsen die Option auf eine Verlängerung des Kontraktes über die Saison hinaus nicht gezogen hatten. Weltfußballerin Marta aus Brasilien wird künftig in der Profiliga der USA spielen. Die 22-Jährige bestätigte ihren bevorstehenden Wechsel vom schwedischen Spitzenclub Umea IK zu Los Angeles Sol. "Das ist ein tolles Projekt. Das wird die beste Liga der Welt", sagte Marta. Beim Club in Kalifornien werde sie einen Dreijahresvertrag unterzeichnen. Auch ihre Teamkollegin Cristiane steht vor einem Wechsel nach Amerika. "Ich werde im Februar nach Chicago reisen. Ich werde mich dort sicherlich wohl fühlen", kündigte die Offensivspielerin ein Engagement für die Chicago Red Stars an. Der VfB Stuttgart muss für unbestimmte Zeit auf Angreifer Ciprian Marica verzichten. Der Rumäne hat sich im Trainingslager im portugiesischen Portimao beim Lauftraining einen Muskelfaserriss im linken Oberschenkel zugezogen. Der 23-Jährige hat das Quartier an der portugiesischen Algarveküste bereits verlassen und ist zur Behandlung nach Stuttgart zurückgekehrt. Auch Hannover 96 muss auf einen Spieler verzichten: Chawdar Yankow muss am Knie operiert werden und fällt voraussichtlich vier Wochen aus. Der bulgarische Mittelfeldspieler hat nach Angaben des Clubs Probleme am linken Außenmeniskus. Der 24-Jährige hatte sich am vergangenen Donnerstag beim Mannschaftstraining das Knie verdreht. Schalke-Profi Zé Roberto steht nach Meldungen aus Brasilien kurz vor einem Wechsel auf Leihbasis zum Erstligisten Flamengo Rio de Janeiro. Spielerberater Antonio Gustavo sagte dem Internet-Portal UOL Esporte, dass zwischen Flamengo und seinem Klienten schon alles geklärt sei und nur ein Fax mit der Zusage von Schalke fehle. Zé Roberto hält sich zurzeit in Brasilien auf und forciert seinen Wechsel. Der 28-Jährige war nach der Winterpause nicht zum Trainingsauftakt der Schalker erschienen. Manager Andreas Müller hatte dem Stürmer eine "knallharte Strafe" angedroht, aber gleichzeitig angedeutet, dass der Verein bei entsprechender Ablöse bereit wäre, den Spieler ziehen zu lassen. Zé Roberto war im Januar 2008 für drei Millionen Euro zu Schalke gewechselt. Alexandros Tziolis wird am Dienstag im Testspiel gegen den türkischen Meister Galatasaray Istanbul sein Debüt für Werder Bremen geben. "Er hat sich gut eingefunden und wird spielen", sagte Werder-Coach Thomas Schaaf im Trainingslager im türkischen Belek. Bremen hatte Mittelfeldmann Tziolis in der vergangenen Woche bis zum Saisonende von Panathinaikos Athen ausgeliehen.
hut/dpa/sid
Zukunft ungewiss: Ob Friedhelm Funkel seinen Vertrag bei Eintracht Frankfurt verlängert, steht noch nicht fest. Hannover 96 hat Sportdirektor Christian Hochstätter von seiner "aktiven Arbeit" entbunden. Der Schalker Zé Roberto hat in Brasilien seinen Wunschverein gefunden.
[ "Kurzpässe", "Eintracht Frankfurt" ]
Sport
Fußball-News
2009-01-12T17:24:03+01:00
2009-01-12T17:24:03+01:00
https://www.spiegel.de/sport/fussball/kurzpaesse-funkel-verhandelt-hochstaetter-nicht-mehr-aktiv-a-600802.html
SCHLACHTEN-LÄRM
SCHLACHTEN-LÄRM An diesem Bericht ist nur eines lächerlich: die Überheblichkeit des Artikelschreibers; die nachsichtige Altklugheit, mit der er auf die »Liebe zum Rindvieh herabblickt.Lund (Schweden) GERD ROLANDMut ist auch für eine Frau wie Brigitte Bardot bemerkenswert, wenn sie ihn hat, um sich für die geschundene Kreatur einzusetzen. Wagrein (Salzburg) DITA WAGGERLDie Brigitte Bardot, über die sich so viele (einschließlich SPIEGEL) so schnodderig erhaben dünken, hat in einem ihrer kleinen Finger mehr Christentum, als alle gelernten Heiligen von heute zusammengenommen.Berlin-Heiligensee ERICH STUHTIhr Eintreten für die armen Tiere hat mir BB direkt sympathisch gemacht. Ich werde mir in Zukunft jeden Film von ihr ansehen.Nürnberg KLAUS ALTEN
SCHLACHTEN-LÄRM
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Politik
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1962-02-13T13:00:00+01:00
1962-02-13T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/schlachten-laerm-a-1b132f9d-0002-0001-0000-000045138969?context=issue
Reichster Mann Asiens: Li Ka-shing kauft Eversholt Rail
Hongkong/London - Asiens reichster Mann Li Ka-shing baut sein Imperium aus. Über sein Konglomerat Cheung Kong Infrastructure (CKI) erwirbt der Milliardär aus Hongkong den britischen Eisenbahn-Konzern Eversholt Rail für 2,5 Milliarden Pfund (etwa 3,3 Milliarden Euro), wie das Unternehmen auf seiner Internetseite mitteilte . Die britischen Beteiligungsgesellschaften 3i Infrastructure, Morgan Stanley Infrastructure Partners und Star Capital Partners hätten ihre kompletten Anteile an den chinesischen Unternehmer veräußert, heißt es. Sie hatten Eversholt 2010 von der britischen Bank HSBC für 2,1 Milliarden Pfund (etwa 2,7 Milliarden Euro) übernommen.Eversholt Rail mit Sitz in London ist eine der drei großen Leasinggesellschaften für Eisenbahnfahrzeuge in Großbritannien. Der Konzern vermietet Lokomotiven und Waggons an Bahnunternehmen. 2013 verbuchte der Konzern einen Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Wertberichtigungen von 263 Millionen Pfund (etwa 345 Millionen Euro). Die Cheung-Kong-Gruppe ist weltweit in etlichen Branchen tätig, die von Immobilien und Medien über Telekommunikation bis hin zu Biotechnologie, Häfen und Einzelhandel reichen. Asiatische Investoren haben in den vergangenen Jahren verstärkt Unternehmen und Beteiligungen in Europa erworben.
bka/Reuters
Er gilt als reichster Mann Asiens: Li Ka-shing hat seinen Konzern um ein britisches Eisenbahnunternehmen erweitert. Der Mann aus Hongkong hat die Eversholt Rail gekauft - für 3,3 Milliarden Euro.
[ "Li Ka-shing", "Volksrepublik China", "Großbritannien" ]
Wirtschaft
Unternehmen
2015-01-20T21:05:00+01:00
2015-01-20T21:05:00+01:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/reichster-mann-asiens-li-ka-shing-kauft-eversholt-rail-a-1014064.html
Irak: Iran-freundliche Schiiten vor Wahltriumph
Bagdad/Hamburg - Laut den ersten Auszählungsergebnissen der Wahl vom Sonntag haben 72 Prozent der bislang ausgezählten Stimmen für das weitgehend schiitische Wahlbündnis Vereinigte Irakische Allianz gestimmt, berichtet heute die "New York Times". Die Allianz wird von religiösen Gruppen mit engen Kontakten zu Iran dominiert und steht unter dem Einfluss des spirituelle Führers Großajatollah Ali al-Sistani. Für das Wahlbündnis wurden laut "NYT" bislang 1,2 Millionen Stimmen ausgezählt - mehr als ein Drittel davon in der irakischen Hauptstadt. Alawis eher säkulare Irakische Liste kam dort dagegen noch nicht einmal auf 300.000 Stimmen. Allerdings wurden bislang erst 1,6 Millionen oder zehn Prozent der Stimmen der 5216 Wahllokale ausgezählt - vor allem in Bagdad und in fünf südlichen Provinzen, in denen die Schiiten die Bevölkerungsmehrheit stellen.Beobachter gingen bereits vor dem Urnengang davon aus, dass besonders die Schiiten von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen würden und dadurch ihren Parteien und Wahlbündnissen zum Sieg verhelfen werden. Die Schiiten stellen etwa 60 bis 65 Prozent der Bevölkerung und wurden lange im Irak unterdrückt. Der Allianz ist der Oberste Rat für die Islamische Revolution im Irak (Sciri) angeschlossen, der 1982 gegründet wurde und sich offen zur Islamischen Republik Iran bekennt. Allerdings stellte auch die älteste Schiiten-Partei, die Islamische Dawa, einige der 228 Kandidaten der Allianz. Auf der Sammelliste kandidieren außerdem Vertreter kleinerer Parteien, wenige Nicht-Schiiten und der ehemalige Pentagon-Günstling Ahmed Tschalabi. Aussichtreicher Kandidat für das Präsidentenamt lehnt säkularen Staat ab Als wichtigster Anwärter für das Amt des neu zu wählenden Präsidenten gilt der Sciri-Vorsitzende Abd al-Asis al-Hakim, der sich kürzlich im Magazin "Focus" abermals gegen einen säkularen Staat ausgesprochen hat. "Wir werden eine Regierung haben, die die islamische Identität des irakischen Volkes widerspiegelt. Bei der Bildung des Staates müssen Charakter, Kultur und Geschichte des irakischen Volkes berücksichtigt werden", sagte al-Hakim dem Blatt. Der Islam sei die "offizielle Religion des Landes und somit Grundlage aller Gesetzgebung". Mit dem voraussichtlichen Triumph der Schiiten scheint sich zu bestätigen, dass die Sunniten weitgehend die Wahl boykottierten. Ihre dominierende Rolle in der Politik des Iraks wird mit dem Urnengang vom Sonntag endgültig gebrochen sein. Obwohl die Sunniten nur 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen, regieren sie das Land de facto seit seiner Gründung 1920.Sunniten wollen an Verfassung mitarbeitenDer gemäßigte und prominente sunnitische Politiker Adnan Patschatschi, 82, vor Saddam Hussein Außenminister seines Landes und Kandidat für die überwiegend sunnitische Versammlung Unabhängiger Demokraten, sagte der "NYT": "Die Schiiten waren entschlossen und ermunterten ihre Unterstützer zur Stimmabgabe. Die Sunniten hingegen hat das hingegen alles nicht besonders gekümmert - sei es aus Angst oder Apathie". Zuvor hatte Paschaschi bereits gesagt, dass die Sunniten nun ihr "Bestes geben" sollten, "damit Ende dieses Jahres eine komplette und umfassende Wahl stattfinden kann, an der alle Iraker teilnehmen." Allerdings gibt es Anzeichen, dass die Sunniten trotzdem in die neue Regierung eingebunden werden sollen. Und das, obwohl eine einflussreiche Vereinigung von sunnitischen Klerikern gerade erklärt hatte, dass die aus dieser Wahl hervorgehende künftige Regierung nur eine "beschränkte Legitimation" haben werde, das Land zu regieren. Zu Wochenbeginn kündigten 13 Führer der überwiegend sunnitischen Parteien, die die Wahl boykottiert hatten, an, dass sie an der Ausarbeitung der neuen Verfassung mitarbeiten wollen - der wichtigsten Aufgabe des neuen Parlaments und der nächste Schritt auf dem Weg zu einem souveränen neuen irakischen Staat. Mittlerweile haben auch die Kurden signalisiert, dass sie sich eine Zusammenarbeit mit den voraussichtlichen Wahlsiegern von der Vereinigten Irakischen Allianz vorstellen können. Die Kurden werden vor allem in ihrem Siedlungsgebiet im Nordirak stark sein - nach inoffiziellen Angaben erreichten sie etwa bei der Regionalwahl in der Ölstadt Kirkuk die absolute Mehrheit der Stimmen. Eine Koalition zwischen der schiitischen Allianz und der Liste der Kurdischen Allianz, einem Wahlbündnis der beiden großen Kurdenparteien KDP und PUK, würde der neu zu wählenden Regierung eine überwältigende Mehrheit in dem 275 Sitze umfassenden Parlament bescheren. Lars Langenau
Die Wahlen im Irak stellen die Amerikaner vor eine heikle diplomatische Aufgabe: Laut ersten Ergebnissen stimmten zwei Drittel der Wahlberechtigten für die schiitische Vereinigte Irakische Allianz - die enge Kontakte zu Iran unterhält. Für Washingtons Favorit Ijad Alawi entschieden sich lediglich 18 Prozent der Wähler.
[ "Irak" ]
Ausland
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2005-02-04T12:38:13+01:00
2005-02-04T12:38:13+01:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-iran-freundliche-schiiten-vor-wahltriumph-a-340328.html
Inflation: Rate in Deutschland fällt auf 1,5 Prozent
Die Inflation in Deutschland ist wieder auf dem Rückzug. Waren und Dienstleistungen kosteten im Mai nur noch 1,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Damit bestätigten die Statistiker ihre Schätzung von Ende Mai. Die Inflation fällt damit auf den niedrigsten Stand seit November 2016. Im April hatte die Teuerungsrate noch bei 2,0 Prozent gelegen. Die Europäische Zentralbank (EZB) spricht bei Werten von knapp unter zwei Prozent von stabilen Preisen.Der Grund für den Rückgang der Inflationsrate: Die Preise von Energieprodukten wie Benzin steigen nicht mehr so stark an. Energie kostete nur noch 2,0 Prozent mehr als im Mai 2016. In den beiden Vormonaten gab es hier jeweils noch einen Anstieg von 5,1 Prozent. Auch bei Dienstleistungen ließ der Preisdruck nach, weil nach den Osterferien das Reisen wieder billiger wurde. Gegen den Trend zogen die Preise für Nahrungsmittel an: Sie kosteten 2,4 Prozent mehr als vor einem Jahr. Für Speisefette und -öle mussten Verbraucher fast ein Fünftel mehr bezahlen, für Molkereiprodukte 10,5 Prozent mehr. Experten rechnen damit, dass sich die Teuerungsrate in den kommenden Monaten in etwa auf dem aktuellen Niveau halten wird. Mit der geringeren Inflation in der größten Volkswirtschaft Europas sinkt der Druck auf die EZB, rasch aus ihrer extrem lockeren Geldpolitik auszusteigen. Sie hat die Zinsen auf null gedrückt und pumpt jeden Monat Milliarden über Wertpapierkäufe in die Wirtschaft, um die Konjunktur anzuschieben und die Preise wieder in Richtung Zwei-Prozent-Marke zu bewegen.
hej/Reuters
Der Preisauftrieb in Deutschland hat sich im Mai stark abgeschwächt. Die Verbraucherpreise lagen nur noch 1,5 Prozent höher als vor einem Jahr.
[ "Inflation", "Konjunktur", "Verbraucherpreise" ]
Wirtschaft
Soziales
2017-06-14T08:23:00+02:00
2017-06-14T08:23:00+02:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/inflation-rate-in-deutschland-faellt-auf-1-5-prozent-a-1152047.html
Basketball: Wagner-Brüder führen Orlando zum Sieg über NBA-Titelkandidaten
Die Weltmeister Franz und Moritz Wagner haben die Orlando Magic zu einem deutlichen Sieg gegen die Milwaukee Bucks um deren Star Giannis Antetokounmpo geführt. Die Berliner Brüder verbuchten beim 112:97 24 und 19 Punkte. Franz Wagner kam zudem auf sechs Rebounds und drei Vorlagen, sein älterer Bruder Moritz hatte vier Rebounds und eine Vorlage. Die 19 Punkte für ihn waren zudem sein Saisonbestwert in der NBA. Für die Magic war es der fünfte Sieg im neunten Spiel der Saison. Der Meisterschaftskandidat aus Milwaukee hatte trotz der 35 Zähler von Antetokounmpo nur im ersten Viertel vorn gelegen und lief ansonsten permanent einem Rückstand der überzeugenden Gastgeber hinterher. Orlando holte den fünften Sieg im neunten Spiel und liegt damit im Osten gleichauf mit den Bucks, die nun zwei Niederlagen in Serie kassiert haben. Weniger gut lief der Abend für Nationalmannschaftskapitän Dennis Schröder. Mit den Toronto Raptors kassierte er bei seinem Ex-Team Boston Celtics ein 94:117. Nach zuletzt zwei Siegen gegen die San Antonio Spurs und die Dallas Mavericks kamen die Raptors in Boston überhaupt nicht in Schwung und lagen in den letzten drei Vierteln durchgehend hinten. Schröder kam auf 14 Punkte und vier Vorlagen, bester Werfer war Jaylen Brown mit 29 Zählern für die Celtics. Kelly Oubre Jr. bei Autounfall verletztUnterdessen hat sich 76ers-Profi Kelly Oubre Jr. bei einem Verkehrsunfall in Philadelphia verletzt und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Der 27-Jährige war offenbar zu Fuß in der Nähe seines Zuhauses unterwegs, als er von einem Fahrzeug erfasst wurde. Sein Gesundheitszustand sei stabil, wegen der Verletzungen müsse er aber länger pausieren. Weitere Angaben wurden zunächst nicht gemacht. Die 76ers gehen davon aus, dass Oubre Jr. vor dem Saisonende wieder eingesetzt werden kann. Der Aufbauspieler kommt in dieser Saison bislang im Schnitt auf mehr als 16 Punkte und 29 Minuten Einsatzzeit pro Partie.
ast/dpa/sid
Die Orlando Magic setzen ein Ausrufezeichen und besiegen die Milwaukee Bucks um Superstar Giannis Antetokounmpo, Moritz Wagner liefert einen Saisonbestwert ab. Dennis Schröder muss dagegen eine Pleite hinnehmen.
[ "NBA", "Dennis Schröder", "Moritz Wagner", "Franz Wagner", "Orlando Magic", "Milwaukee Bucks", "Toronto Raptors" ]
Sport
Basketball
2023-11-12T11:55:29+01:00
2023-11-12T15:11:40+01:00
https://www.spiegel.de/sport/basketball/basketball-franz-und-moritz-wagner-siegen-mit-orlando-magic-ueber-milwaukee-bucks-a-fe6c230a-cc0c-4632-9059-ebc004ed6cc8
Irak: Irakische Soldaten bei Anti-IS-Angriff getötet
Bei einem Luftangriff der US-geführten Anti-IS-Koalition im Irak sind wohl versehentlich Kämpfer der eigenen Seite getötet worden. Der US-Sender CBS berichtete   unter Berufung auf Quellen in der US-Armee, bei Luftangriffen auf Stellungen des "Islamischen Staats" in der Nähe der Stadt Falludscha seien irakische Soldaten ums Leben gekommen. Der irakische Verteidigungsminister Khaled al-Obeidi sprach Samstagvormittag von einem "Friendly Fire"-Vorfall, der zum Tod von neun Soldaten führte, darunter ein Offizier. Zuvor war von ungefähr zehn toten Soldaten die Rede gewesen. Die Luftstreitkräfte der Koalition hätten die irakische Armee in der Nähe von Falludscha unterstützt, weil deren Helikopter wegen schlechten Wetters nicht fliegen konnten. Yahya Rasool, ein Sprecher der irakischen Armee, sagte , auf den Fehler sei sofort aufmerksam gemacht worden, um Mutmaßungen entgegenzutreten, es könnte sich um eine absichtliche Attacke gehandelt haben. "Wir alle wissen, dass es sich hier um einen Kampf geht, in dem alles passieren kann." Die Nachrichtenagentur AP zitiert Pentagon-Chef Ash Carter mit der Aussage, es habe sich vermutlich um einen "Fehler" gehandelt, der "beide Seiten betraf". In einer Erklärung des US-Militärs hieß es in der Nacht auf Samstag, ersten Informationen zufolge bestehe die Möglichkeit, dass bei einem Bombardement der Koalition versehentlich irakische Soldaten getötet worden seien. Der Sondergesandte von US-Präsident Barack Obama für den Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), Brett McGurk, kündigte eine umfassende Untersuchung unter Beteiligung der irakischen Streitkräfte an. Ein Sprecher des Anti-IS-Koalition sagte laut einem Bericht des "Wall Street Journal" , zum Luftangriff sei es in einer Gefechtssituation gekommen. Das passt zu irakischen Angaben , laut denen es zunächst zwei Luftangriffe der Koalition gab, die sich gegen die Gegenseite richteten. Die Angriffe hätten es den irakischen Soldaten erlaubt, Boden gutzumachen und direkt mit den Feinden zu kämpfen. Bei einem dritten Luftangriff sei dieser Vorstoß der Armee dann jedoch nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die US-geführte Koalition unterstützt die irakische Regierung im Kampf gegen die IS-Extremisten. In der Erklärung der US-Armee hieß es, bislang sei es bei dieser Zusammenarbeit noch nie zu einem versehentlichen Beschuss der verbündeten irakischen Soldaten gekommen.
mbö/dpa/AFP/Reuters
Die US-geführte Koalition soll der irakischen Armee im Kampf gegen den "Islamischen Staat" helfen. Nun kam es jedoch zu einem Zwischenfall: Bei einem Luftangriff sind offenbar neun irakische Soldaten ums Leben gekommen.
[ "Irak", "Falludscha" ]
Ausland
default
2015-12-19T13:18:00+01:00
2015-12-19T13:18:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-irakische-soldaten-bei-anti-is-angriff-getoetet-a-1068704.html
Auswärtiges Amt verschärft Sicherheitshinweis für Ägypten
Frankfurt - Das Auswärtige Amt wird in seiner Einschätzung der Lage im krisengeschüttelten Ägypten immer vorsichtiger: Erstmals forderte das Ministerium auch die Urlauber in den Badeorten am Roten Meer zu erhöhter Wachsamkeit auf. Reisen an Küstenorte wie Hurghada oder Scharm-el-Scheich seien zwar nach wie vor unbedenklich, doch seien die Auswirkungen der Unruhen im restlichen Ägypten auf die Touristengebiete nicht absehbar, teilte das Auswärtige Amt am Dienstagnachmittag mit. "Reisende werden daher gebeten, besondere Vorsicht walten zu lassen und die Medienberichterstattung aufmerksam zu verfolgen." Von Abstechern in den Rest des Landes rät das Ministerium weiterhin dringend ab, ausdrücklich auch von Nilkreuzfahrten sowie Reisen in die bei Touristen beliebten oberägyptischen Orte Luxor und Assuan. Beide sind für ihre historischen Bauwerke berühmt. Der Kairoer Flughafen dagegen gilt als sicher. Derzeit hielten sich bis zu 35.000 deutsche Urlauber in den Touristenorten am Roten Meer auf, hatte Torsten Schäfer, Sprecher des Deutschen Reiseverbands (DRV), am Donnerstag in Berlin gesagt. Ägypten zählt zu den Top Ten der beliebtesten Reiseziele der Deutschen. Die ägyptische Armee hatte den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi vor einer Woche gestürzt und versucht, eine Übergangsregierung einzusetzen. Das scheiterte jedoch am Widerstand einer radikalislamistischen Partei. Das Land rutschte in eine von gewaltsamen Auseinandersetzungen begleitete Staatskrise ab. Ein neuer Kompromisskandidat für das Amt des Regierungschefs sowie Neuwahlen in einem halben Jahr sollen die Wende bringen. Der Tourismus ist eine der Haupteinnahmequellen Ägyptens. Sie tauchen und schnorcheln vor Hurghada? Oder machen Strandurlaub in Scharm el-Scheich? Oder Sie sind geschäftlich im Land unterwegs? Dann berichten Sie, was Sie unterwegs erlebt haben - und wie sich die Ausgangssperre auswirkt. Erzählen Sie uns von Ihren Begegnungen! Und zwar indem Sie sie an [email protected]  mailen, Betreff: Reisen in Ägypten.
sto/Reuters
Das Auswärtige Amt hat seinen Sicherheitshinweis für Ägypten verschärft und rät Urlaubern zu größerer Vorsicht. Von Nilkreuzfahrten und Besuchen der historischen Stätten von Luxor und Assuan wird "dringend abgeraten".
[ "Machtkampf in Ägypten", "Tourismusbranche", "Reisegefahren", "Ägypten" ]
Reise
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2013-07-09T17:02:00+02:00
2013-07-09T17:02:00+02:00
https://www.spiegel.de/reise/aktuell/auswaertiges-amt-verschaerft-sicherheitshinweis-fuer-aegypten-a-910269.html
Iran: Wie Exil-Iraner in Deutschland die Proteste einschätzen
Dieser Beitrag wurde am 06.01.2018 auf bento.de veröffentlicht. "Die Iraner tragen gerade viel Schmerz in ihren Herzen", sagt Shahab. Er könne das spüren. "Krass" sei es, sagt auch Dariush, auch wenn er nur aus der Ferne zuschaut. Shahab und Dariush kommen beide aus dem Iran – leben aber in Deutschland. Seit mehr als einer Woche verfolgen beide die Entwicklungen in ihrer Heimat. Kommt es zu einer Revolution, gar zu einem Bürgerkrieg? Oder sind die Proteste schon wieder in sich zusammengefallen, wie Jalal es glaubt? Wir haben sie und andere Exil-Iraner zu ihrem Blick auf die Proteste befragt. Für deinen Überblick – so ist die Lage im Iran: Weil viele Angehörige im Iran haben und fürchten, das Regime könne ihnen Leid zufügen, sind einige unserer Protagonisten anonymisiert und möchten sich auch nicht mit einem Foto zeigen. Shahab, 38, Schriftsteller "Ich bin immer noch in Schockstarre – seit sieben Tagen schon. Was gerade im Iran passiert, elektrisiert mich. Das Einzige, was meiner Meinung nach klar ist: Die islamische Regierung hat verloren. Vielleicht stürzt sie nicht in den kommenden Tagen, aber sicher in den kommenden Monaten. Die Iraner tragen gerade viel Schmerz in ihren Herzen, ich kann das richtig spüren. Die Mullahs haben im Iran alle Macht, alles Geld. Wenn sie noch länger in der Verantwortung bleiben, wird es nur noch schlimmer. In wenigen Wochen jährt sich die Revolution von 1979 wieder. Dann werden noch mehr Menschen auf die Straße gehen und zeigen, dass sie genug haben. Es ist allerdings schwer, an klare Informationen heranzukommen. Das Regime blockiert immer wieder das Internet, das macht die Kommunikation schwer. Ich selbst habe eine Messenger-Gruppe, in der ich rund 1000 Abonnenten betreue. Meine Freunde schicken mir Fotos und Videos von Protesten, wenn sie ein paar Minuten Internet haben – ich leite es dann an alle weiter. So kann ich an diesem großen Moment ein bisschen teilhaben." Politik in IranDer Iran nennt sich selbst Islamische Republik – und ist eine Mischform aus Gottesstaat und Demokratie. Ein Präsident wird zwar gewählt, er ist aber vom sogenannten Wächterrat abhängig. In diesem Gremium sitzen Juristen und geistliche Führer. Noch über dem Präsidenten steht der geistige Führer, aktuell Ayatollah Ali Khamenei. Er bestimmt die Hälfte des Wächterrates, ernennt den Präsidenten und befehligt die Streitkräfte. Bei ihm liegt also die größte Macht. Ihm untersteht auch die Pasdaran genannte Revolutionsgarde. Die Miliz schikaniert jeden, der sich nicht an die strengen Regeln hält. Jalal, 32, macht eine Ausbildung als Grafiker "Ich glaube, es ist schon wieder vorbei. Ich war die vergangenen Tage die ganze Zeit dabei, habe die Nachrichten verfolgt – aber ich denke nicht, dass es jetzt noch eine Revolution geben wird. Es fehlt einfach ein Anführer, der die Protestler eint und an ein großes Thema, auf das sich alle einigen können. Bisher geht jeder in seiner Stadt wegen eigener Sorgen auf die Straße. Was auch ein Problem ist: Die Proteste wurden vor allem aus dem Ausland gesteuert. Exil-Iraner, die wissen, worauf es bei Social Media ankommt, haben den Demonstranten Ideen geliefert – welche Fotos sind ikonisch, wie verhält man sich bei Angriffen der Polizei. Nun, da das Internet im Iran blockiert wird, bricht dieser Kontakt aber ab. In meiner Heimatstadt, einer Kleinstadt im Norden, ging der Protest zum Beispiel richtig schief. 40 bis 50 Menschen wollten auf die Straße gehen, die Polizei hat sie gleich festgenommen. Dann hat sich niemand mehr was getraut. Es war allerdings richtig toll, dass so viele Frauen in all den Städten demonstriert haben – das hat mich echt gefreut. Es ist wichtig, dass Frauen im Iran endlich für ihre Rechte einstehen und es der Regierung zeigen. Ich bin nämlich nicht so optimistisch, wenn man die Proteste allein den Männern überlassen würde." Shirin*, 26, studiert Zahnmedizin "Meine Familie und ich kamen 1999 nach Deutschland und seitdem habe ich nicht mehr viel mit dem Iran zu tun. Klar, ich habe noch Verwandte dort, aber wir schreiben uns nicht regelmäßig. Es ginge auch gar nicht: Im Iran werden viele Apps zensiert. Wenn mir Bekannte schreiben wollen, müssen sie sich erst jede Menge Filterprogramme aufs Handy ziehen, um überhaupt Messenger zu nutzen. Wie es mit den Protesten weitergeht, weiß ich nicht. Wahrscheinlich wird es wie bei den letzten Aufständen auch: Menschen demonstrieren, dann gibt es Tote, dann verebbt alles wieder. Das war schon 2009 so. Das wird auch jetzt wieder so sein. Sorry, falls ich damit zu zynisch klinge. Das Einzige, was die Regierung im Iran zu Fall bringen könnte, wäre ein Eingriff von außen. Aber warum sollte der Westen daran Interesse haben? So lange es im Iran Öl gibt, wird alles so bleiben, wie es ist. Die Mullahs gibt es auch in 20 Jahren noch – egal, wie oft da jemand demonstriert." Aufstände in IranIrans Jugend ist schon länger unzufrieden – sie fühlt sich durch die alten Männer im Wächterrat nicht mehr repräsentiert. 2009 kam es zur "Grünen Bewegung", einem vor allem von Akademikern in Teheran getragenen Protest. Die nächsten Proteste gab es 2011. Wieder gingen vor allem Akademiker demonstrieren, dieses Mal motiviert durch den Arabischen Frühling in den Nachbarländern. Beide Bewegungen wurden jedoch niedergeschlagen, Dutzende Anführer festgenommen. Die neue Protestbewegung ist anders: Sie wird von einer breiten Gruppe der Bevölkerung getragen. Und sie entzündet sich in vielen Städten, auch kleineren und sehr frommen Orten. Elham, 37, Studentin "Die Proteste sind das Beste, was unserem Land passieren kann. Denn es muss sich endlich etwas ändern. Eigentlich braucht der Iran nur das, was andere auch schon haben: Menschenrechte. Die können wir aber nur bekommen, wenn wir alle zusammen aufstehen und sagen, was uns stört. Ein großes Problem dabei ist der Informationsaustausch. Es herrscht eine starke Zensur, nichts geht rein oder raus. Von der Pressefreiheit ganz zu schweigen. Aber ich probiere jede nur mögliche Information zu bekommen oder jeden Weg zu nutzen. Alles was ich bekomme, teile ich mit allen wichtigen Menschen. In der Hoffnung, dass am Ende irgendwo etwas ankommt." Dariush*, 27, Doktorand der Zahnmedizin "Ich blicke der Situation im Iran mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen. Klar, die Verhältnisse müssen sich ändern, ich betrachte das alles aber auch mit einer großen Skepsis. 'Hat das wirklich einen Sinn?', frage ich mich. Denn wenn nicht alle an einem Strang ziehen, wird sich längerfristig gesehen auch nichts verändern. Ich glaube ein friedlicher Protest würde da mehr erreichen. Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen funktioniert nicht.  Wie krass es dort gerade ist, zeigt sich auf Instagram. Die Videos, die es schaffen, online zu gehen, zeigen viel Leid durch die gewalttätigen Auseinandersetzungen. Meiner Familie im Iran geht es glaube ich ganz gut. Viel Kontakt habe ich nicht zu ihr. Die halten sich eher raus. Zu groß ist die Angst vor irgendwelchen Konsequenzen." Lida Ansari, 27, Studentin "Ich habe totale Angst um meine Freunde im Iran. Ich selbst hatte die letzten Jahre in Italien studiert und kam vor einem halben Jahr zurück. Weil ich Atheistin bin, war das Regime aber hinter mir her und ich bin vor vier Monaten geflohen. Jetzt bekomme ich die Proteste nur aus der Ferne mit. Und auch nur, wenn etwas durch die Nachrichtensperre kommt. Der Protest wird romantisiert, wie gefährlich er ist, erfahre ich nur von Freunden. Einige wurden festgenommen, andere werden von der Polizei mit Tränengas attackiert. Sie haben große Angst – trotzdem schreiben sie mir, dass sie jeden Abend wieder auf die Straße gehen. Teheran ist mittlerweile komplett abgeriegelt, die Stadt ist fest in der Hand der Geheimdienste. Aber in kleineren Städten ist nicht so viel Polizei, dort können die Menschen demonstrieren gehen. Mich freut, dass vor allem Frauen mitmachen. Es geht ihnen nicht darum, ob sie ein Kopftuch tragen müssen oder nicht – aber sie wollen endlich gleichberechtigt sein. Frauen haben im Iran nicht die gleichen Rechte wie Männer, nicht die gleichen Freiheiten. Sie werden in allem limitiert." Frauenrechte in IranFrauen sind im Iran nicht gleichberechtigt. Bestimmte Berufe dürfen sie nicht ausüben, im Ehe- und Sorgerecht werden sie benachteiligt. Außerdem mussten Frauen in der Öffentlichkeit lange Zeit ein loses Kopftuch tragen – auch wenn es im Koran keine genaue Regelung gibt, wie sich Frauen bedecken sollen. Das Kopftuchgesetz wurde jüngst gelockert, in Teheran werden Frauen nicht mehr festgenommen (bento). Es bleibt jedoch bestehen. Damit einher geht: Sicherheitskräfte können Frauen in der Öffentlichkeit so immer schikanieren und ihre Kleidung kontrollieren. *Name geändert.
Marc Röhlig, Simon Schröder
[ "Iran" ]
Panorama
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2018-01-06T10:49:22+01:00
2018-01-06T10:49:22+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/iran-wie-exil-iraner-in-deutschland-die-proteste-einschaetzen-a-00000000-0003-0001-0000-000001993398
Funde in der Antarktis: Zwei neue Dinosaurierarten entdeckt
Gleich zwei neue Dinosaurierarten entdeckten US-Forscher in der Antarktis: einen 70 Millionen Jahre alten Fleischfresser und einen 200 Millionen Jahre alten Pflanzenfresser. Die Fossilien der beiden Dinos wurden unabhängig und rund 3000 Kilometer voneinander entfernt gefunden. Die Saurier lebten auf dem damaligen Superkontinent Gondwana in der südlichen Hemisphäre, teilte die Nationale Wissenschaftsstiftung der USA mit. Außer der heutigen Antarktis waren auch Afrika, Indien, Südamerika und Australien Teil dieses Urkontinents, auf dem ein relativ mildes Klima herrschte.Den Fleischfresser fand ein Team um den Paläontologen James Martin von der South Dakota School of Mines & Technology auf einer Insel nördlich des Kontinents. Der Zweibeiner brachte bei einer Länge von 1,80 Metern rund 180 Kilo auf die Waage. Laut Martin war der antarktische Fleischfresser primitiver gebaut als etwa der Tyrannosaurus Rex, der seine Zeitgenossen vor rund 70 Millionen Jahren das Fürchten lehrte. Auf einem knapp 4000 Meter hohen Berg in der Nähe des Beardmore-Gletschers stieß ein anderes Wissenschaftlerteam auf Hüft- und Schwanzknochen eines Pflanzenfressers. Der Saurier dürfte nach knapp zehn Meter lang gewesen sein und gehört damit zu den größten Saurierfunden auf der Antarktis. Namen haben die beiden neue Saurierarten bislang noch nicht.
In der Antarktis fanden amerikanische Forscher Knochen zweier bislang unbekannter Dinosaurierarten. Die Saurier lebten vor Millionen Jahren auf dem damaligen Superkontinent Gondwana, dem Urkontinent der Südhalbkugel.
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Wissenschaft
Natur
2004-02-27T17:11:53+01:00
2004-02-27T17:11:53+01:00
https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/funde-in-der-antarktis-zwei-neue-dinosaurierarten-entdeckt-a-288260.html
»Entehrend für die ganze Armee«
Der empörte General stürzte ins Zimmer und verlangte, dem Belastungszeugen gegenübergestellt zu werden. Er wollte »das Schwein« endlich sehen, das ihn der Homosexualität beschuldigte. Im nächsten Augenblick prallten die beiden Männer aufeinander. »Das ist er«, schrie der Gauner, den der Regierungschef persönlich herbeibeordert hatte, und der General rief nicht weniger aufgeregt, bei seinem Ehrenwort als Offizier könne er erklären: »Den Herrn kenne ich nicht!« Doch der Oberbefehlshaber mochte sich nicht mit dem Ehrenwort seines Generals begnügen. Sein engster Mitarbeiter hatte ihm ohnehin gleich nach der Gegenüberstellung der beiden Kontrahenten mit triumphierender Stimme erklärt: »Er war es, er war es!« Zudem hatte sich der OB längst entschlossen, den ihm lästig gewordenen General zu verabschieden. Anderntags erhielt der General die knappe Weisung des Oberbefehlshabers, sofort seinen Rücktritt einzureichen und möglichst »unauffällig« abzutreten. Er wolle dann auch, ließ der Mächtige wissen, dafür sorgen, daß von der Affäre nie mehr die Rede sein würde. Szenen aus der Affäre Kießling? Mitnichten. Sie gehören zu den dramatischen Höhepunkten jener historischen Doppelaffäre des Januar 1938, der der angeblich homosexuelle Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch, Oberbefehlshaber des Heeres, und der Reichskriegsminister Werner von Blomberg zum Opfer fielen - und mit ihnen die noch relativ unabhängige Wehrmachtführung des Dritten Reiches. Es ist dieser Fall Fritsch, der manche fatale Ähnlichkeit mit der Kießling-Affäre aufweist: Hier wie dort ein Oberbefehlshaber, der einen der Homosexualität beschuldigten Offizier in den Ruhestand zwingen will; eine schlampig arbeitende Ermittlungsbehörde, matt reagierende Militärs und ein paar couragierte Männer, die einen General so rüde nicht abgehalftert sehen wollen. So nützlich Vergleiche dieser Art sein mögen - bei derartigen Ausflügen in die Zeitgeschichte ist Vorsicht geboten. Schon hat sich die öffentliche Diskussion mit den nun einmal üblichen Überzeichnungen und Verkürzungen des Fritsch-Falls bemächtigt: Für die einen ist er »der entscheidende Staatsstreich der Gestapo« ("Die Zeit"), für andere eine Sammlung von »Ungeschicklichkeiten, die damals den Generaloberst von Fritsch ruiniert haben« (Gerd Schmückle). Mit so schlichten Formeln verbaut man sich nur den Zugang zum Verständnis der Fritsch-Krise. Die Gestapo, die immerhin zeitweilig an die Stichhaltigkeit ihres Fritsch-Materials glaubte, handelte nicht aus eigenem Antrieb, und den ganzen Fall brachten ohnehin Kripo-Beamte ins Rollen, die - Ironie der Zeitgeschichte - die Wehrmachtführung vor deren Gegenspielern schützen wollten. Begonnen hatte das alles mit einer seltsam lapidaren Notiz, die am 13. Januar 1938 im »Völkischen Beobachter«, dem Zentralorgan des NS-Regimes, erschienen war: _____« Der Reichskriegsminister Generalfeldmarschall von » _____« Blomberg hat sich am Mittwoch, dem 12. Januar, mit » _____« Fräulein Gruhn vermählt. Der Führer und Generaloberst » _____« Göring waren Trauzeugen. » Manchem Offizier fiel auf, daß die Hochzeitszeremonie im Reichskriegsministerium nur eine knappe Stunde gedauert hatte und die Hochzeiter sofort auf eine Reise gegangen waren. Das gab Anlaß zu der Vermutung, daß mit der neuen Frau von Blomberg wohl nicht sonderlich viel Staat zu machen sei. Wie wenig sie zu einem preußischdeutschen Feldmarschall paßte, entdeckte der Kriminalrat Hellmuth Müller, der im Reichskriminalpolizeiamt in Berlin die Erkennungsdienstzentrale leitete. Es war eine folgenreiche Entdeckung: Müllers Fund stürzte die Wehrmacht in die schwerste Krise ihrer Geschichte und trug ungewollt dazu bei, Hitlers Alleinherrschaft in Deutschland noch mehr zu perfektionieren. Das war am Vormittag des 24. Januar 1938: Müllers Sekretär, der Kriminalassistent Richard Burkert, brachte ihm gerade einen jener vertraulichen Briefe herein, die das Dezernat für Sittlichkeitsverbrechen von Zeit zu Zeit herüberschickte. Darin steckten pornographische Aufnahmen, die Müller zu Archivzwecken reproduzieren lassen sollte. Müller wollte die Aufnahmen schon beiseite legen, da meinte Burkert, der Kriminalrat möge sich doch einmal die eine Frau genauer anschauen, die auf sechs Photos zu sehen war. Müller sah einen blonden Bubikopf, einen nackten, wohlproportionierten Frauenkörper, etwa 1,75 Meter groß und nur mit einer Perlenkette bekleidet. Auf der Rückseite der Bilder stand der Name der Frau: »Gruhn, Luise Margarethe.« Der Name kam Müller bekannt vor, er hatte ihn vor kurzem gelesen, konnte sich jedoch nicht mehr an den Zusammenhang erinnern. Seine Neugierde war aber geweckt. Er nahm ein Bild an sich und ging zu dem Kriminalkommissar Henning, der in Müllers Zentrale die Zehnfingerabdrucksammlung leitete. Sie sahen die Namensregisterkartei durch und stießen auf den Namen Gruhn, der gleich auf einer Doppelkarte prangte. Müller wußte später noch ganz genau: »Besagte Dame war zwei- oder dreimal in unserer Sammlung vertreten: erkennungsdienstlich wegen öffentlicher Aufforderung zur Unzucht und wegen Beischlafdiebstahls behandelt.« Müller ließ daraufhin den Leiter des Einwohnermeldeamtes, Regierungsrat Mesch, feststellen, wer Luise Margarethe Gruhn sei. »Als Mesch den Namen hörte«, berichtet Müller, »grinste er mich an und zeigte mir ein Blatt, das er aus einem Stahlkasten hervorholte: Es war die Meldekarte des Generalfeldmarschalls von Blomberg.« Auf einmal wußte auch Müller wieder, weshalb ihm der Name Gruhn so bekannt vorgekommen war. Selbst dem unpolitischen Beamten dämmerte, daß er durch Zufall auf eine Zeitbombe von unvorstellbarer Sprengkraft gestoßen war: der oberste Soldat des Deutschen Reiches, der engste militärische Berater Hitlers - verheiratet mit einer vorbestraften »Lebedame«! Die Frau war freilich keineswegs die »Dirne«, als die sie in eine unkundige Nachkriegs-Literatur eingegangen ist. Sie wurde auch nicht, wie noch jüngst zu lesen war, in fünf großstädtischen Sittenkarteien geführt, und der Massagesalon in Neukölln, den ihre Mutter besessen haben soll, ist ebenso Legende wie der falsche Vorname Eva, der ihr selbst von einigen Historikern noch heute zugeschrieben wird. Luise Margarethe Gruhn, geboren 1913, Tochter ehemaliger Bediensteter im Königlichen Schloß in Berlin, war einmal unter dem Verdacht des Diebstahls verhaftet gewesen (die Tat konnte ihr nicht nachgewiesen werden) und hatte Modell zu Pornoaufnahmen gestanden, die ihr Freund, ein Tschechoslowake namens Heinrich Löwinger, zum Stückpreis von 80 Pfennig an Berliner Bahnhöfen verkaufte, bis die Polizei intervenierte. Mehr war nicht, aber dem Kriminalrat Müller genügte das schon, um seinen Chef, den Reichskriminaldirektor und SS-Sturmbannführer Arthur Nebe, zu alarmieren. Nebe sprang auf, beugte sich über die Photos und ließ sich ebensoschnell »mit bleichem Gesicht« (so Müller) in seinen Sessel zurückfallen. »Mensch, Kamerad Müller«, sagte der Kripochef, »und dieser Frau hat der Führer die Hand geküßt!« Nebe hatte nicht übel Lust, die vor ihm liegenden Photos und Karteikarten einfach verschwinden zu lassen, denn er wußte nur allzugut, wie sehr dieses Material - geriet es in falsche Hände - den Führern der Wehrmacht gefährlich werden konnte. Der Nationalsozialist Nebe, damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere, machte sich längst keine Illusionen mehr über das Regime, zu dessen Errichtung er selbst als Führer einer Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Polizeibeamter beigetragen hatte; die schrankenlose Herrschaft der SS im Polizeiapparat stieß ihn ebenso ab wie das totalitäre Gängelungssystem der Führerdiktatur. Doch Vorsicht hielt ihn davon ab, das Gruhn-Material zu beseitigen - zu viele wußten schon davon. Wem aber sollte er das Material anvertrauen? Das Dienstreglement schrieb vor, den Fall an den nächsthöheren Vorgesetzten abzugeben, aber das war im Fall Nebes gerade der Mann, der die Akte um keinen Preis sehen durfte: Reinhard Heydrich, der Chef der Sicherheitspolizei und des SD. Der würde nicht zögern, das Material im lautlosen Kompetenzkampf zwischen SS und Wehrmacht einzusetzen und die militärische Führung damit zu erpressen. In seiner Verlegenheit wandte sich Nebe an den Hausherrn, unter dessen Dach das Reichskriminalpolizeiamt damals noch residierte: den Polizeipräsidenten Wolf-Heinrich Graf von Helldorf. Der Altnationalsozialist und SA-Obergruppenführer Helldorf, ein parteiinterner Gegner der SS, beobachtete ähnlich wie Nebe, was ihn die Entartung des Nationalsozialismus zu einem »undeutschen« Cäsarentum dünkte; auch er meinte, Heydrich und der SS-Chef Heinrich Himmler dürften auf keinen Fall von dem Skandal erfahren, die Wehrmachtführung müsse sofort gewarnt werden. Wie aber an die Wehrmachtspitze herantreten? Man konnte nicht einfach Blomberg das fatale Material zuschicken. Da erinnerte sich Helldorf, in der Wochenendausgabe der »Deutschen Allgemeinen Zeitung« eine Anzeige gelesen zu haben, in der General der Artillerie Wilhelm Keitel die Verlobung seines Sohns Karl-Heinz mit der Feldmarschallstochter Dorothee von Blomberg bekanntgegeben hatte. Keitel, der engste Mitarbeiter Blombergs - das schien der geeignete Mann, den gefährdeten Kriegsminister und die Wehrmachtführung zu alarmieren. Helldorf fuhr ins Kriegsministerium und ließ sich bei Keitel melden. Er holte die Meldekarte der Gruhn mit deren Photo aus einer Aktentasche und fragte Keitel, ob er ihm bestätigen könne, daß das Gesicht auf dem Photo mit jenem der neuen Frau von Blomberg identisch sei. Keitel konnte es nicht, und das hatte einen einfachen Grund: Er war der Frau nie begegnet. Der Polizeipräsident gab seiner Stimme plötzlich einen drängenden Ton: Er bitte, das Photo dem Generalfeldmarschall sofort vorzulegen. Der noch immer ahnungslose Keitel ließ sich telephonisch mit dem Ministerbüro verbinden, doch Blomberg antwortete nicht - er war am Wochenende nach Eberswalde gereist, um den Nachlaß seiner verstorbenen Mutter zu ordnen. Helldorf blieb nichts anderes übrig, als Keitel alles zu sagen. Entsetzt hörte Keitel, was auf die Wehrmachtführung zukam; hilflos klammerte er sich an seinen Schreibtisch und wußte nicht, was zu tun war. Ihm fiel nichts Besseres als die Forderung ein, die Unterlagen zu vernichten, doch er ließ rasch wieder davon ab, als ihm Helldorf erklärte, dieser Ausweg sei nicht mehr beschreitbar. Eine andere Lösung aber fand der General nicht. Ihm kam nicht einen Augenblick lang der Gedanke, die Abgabe der Polizeiakte an das Reichskriegsministerium zu verlangen. Selbst nach dem Weggang des Polizeipräsidenten mochte sich Keitel, ängstlich, opportunistisch und versponnen in seine Welt der Kommandostrukturen und Mobilmachungspläne, zu keiner Aktion aufraffen. Er warnte auch jetzt nicht den in Eberswalde erreichbaren Blomberg, ja er verschaffte sich nicht einmal Gewißheit über Helldorfs Enthüllungen. Ein Anruf bei der Abwehrabteilung hätte genügt, Fahnder zu einer Personenfeststellung ausschwärmen zu lassen. Binnen einer Stunde wäre von der Abwehr geklärt worden, welches Fräulein Gruhn den Generalfeldmarschall geheiratet hatte. Das Berliner Telephonbuch führte nur vier weibliche Gruhns auf, die beiden entscheidenden Personen wohnten in der Nähe des Kriegsministeriums und die hätte man befragen können: Luise Margarethe Gruhn in der Eisenacher Straße 118, ihre Mutter in der Emser Straße 40. Doch statt dessen hatte Keitel seinem Besucher einen Rat gegeben, der die Wehrmachtführung nun ganz in die Schußlinie ihrer Gegner brachte. Der General hatte Helldorf empfohlen, den Trauzeugen Göring aufzusuchen, der schließlich wissen müsse, wie die neue Ehefrau des Generalfeldmarschalls aussehe. So wichtig war Keitel dieser Rat erschienen, daß er es noch selber übernommen hatte, Göring im Reichsluftfahrtministerium anzurufen und ihm den Besuch des Polizeipräsidenten anzukündigen. Keine innere Stimme warnte ihn davor, den nach Himmler und Heydrich wohl ungeeignetsten Krisenhelfer ins Spiel zu bringen: Hermann Göring, zweitstärkster Mann des Regimes und Oberbefehlshaber der Luftwaffe, gierte wie kaum ein anderer nach dem Posten des Reichskriegsministers. Der Besuch Helldorfs lieferte Göring eine gefährliche Trumpfkarte, stark genug, ihn das Spiel um die Blomberg-Nachfolge wagen zu lassen. Denn er erkannte mit einem Blick, daß der Skandal unaufhaltsam und Blomberg als Kriegsminister erledigt war; der strenge Sittenkodex des preußisch-deutschen Militärs würde den diskreditierten Blomberg nicht einen Tag länger an der Spitze der Wehrmacht dulden. Wer zog dann ins Kriegsministerium ein? Kein anderer als Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch, Oberbefehlshaber des Heeres und respektiertester Offizier des Reiches. Das aber wollte Göring auf alle Fälle verhindern, und er wußte auch schon, wie sich Fritschs Ernennung hintertreiben ließ. Göring war bekannt, daß im Geheimen Staatspolizeiamt noch die Abschriften einer alten Vernehmungsakte lagen, in der es um die Aussage eines vorbestraften Erpressers ging, Fritsch sei ein Homosexueller, der sich am Rande eines Berliner Bahnhofs mit einem Strichjungen abgegeben habe. Die Affäre reichte zurück in den Mai 1936, zu dem Vernehmungsrichter des Berliner Amtsgerichts im Polizeipräsidium. Gerichtsassessor Ernst verhörte damals einen alten Dauergast Berliner Gerichte und Gefängnisse, den Arbeiter Otto Schmidt. Ernst las das Vorstrafenregister: Otto Schmidt, 29 Jahre alt, 1921/22 dreimal wegen Diebstahls zu Gefängnisstrafen von je zwei Wochen, drei Wochen und 30 Tagen verurteilt, 1924 vier Monate Gefängnis wegen Diebstahls, 1927 einen Monat wegen Unterschlagung, 1928 vier Monate wegen Erpressung und noch im gleichen Jahr sechs Monate wegen räuberischer Erpressung, 1929 zwei Wochen wegen Betrugs. 1935 war Schmidt von der Kriminalpolizei unter dem Verdacht neuer Erpressungen aufgegriffen worden. Vor dem Kriminalassistenten Justus, seinem ersten Vernehmer, hatte der Ganove ein paar kleine Erpressungen zugegeben, größere Taten aber abgestritten. So war Schmidt schließlich in das Büro des Vernehmungsrichters gelangt. Dem Gerichtsassessor Ernst aber gelang es, Schmidt die Zunge zu lösen. Der Gauner öffnete plötzlich die Schleusen seiner Beredsamkeit und schwatzte munter darauflos; viele Menschen, ja »Hunderte« _(Mit den SS-Führern Werner Lorenz (l.) ) _(und Karl Wolff. ) und oft auch prominente darunter, wollte er erpreßt haben. Meist seien es Homosexuelle gewesen, die er in flagranti ertappt habe. Und er nannte Namen. Da sei der Rechtsanwalt Rüdiger Graf von der Goltz, Sohn des Baltikum-Freikorpsführers, gewesen und der Potsdamer Polizeipräsident SS-Standartenführer Graf von Wedell und der Staatssekretär (und spätere Reichswirtschaftsminister) Walther Funk und auch ein »General Fritsch«. Ernst hakte ein: Welcher Fritsch? Doch Schmidt wollte nicht mit der Sprache heraus. Aus dem ordinären Erpresserfall war eine hochpolitische Homosexuellen-Affäre geworden; solche Affären gehörten in den Kompetenzbereich der »Reichszentrale für die Bekämpfung der Homosexualität«, die im Geheimen Staatspolizeiamt saß und von dem Kriminalrat Josef Meisinger, einem der rüdesten Gestapo-Funktionäre, geleitet wurde. Meisinger las die Akte und stolperte ebenfalls über den Namen Fritsch. Sollte das der Oberbefehlshaber des Heeres sein, jener Generaloberst von Fritsch, die heimliche Hoffnung der konservativen Opposition in Deutschland, erklärter Feind aller Versuche der SS, mit einer eigenen Truppe das Waffenmonopol der Wehrmacht zu brechen? Meisinger ließ sich den Häftling Schmidt kommen und ihn durch den Hauptmann der Schutzpolizei Häusserer vernehmen. Am 8. (oder 9.) Juli legte Häusserer dem Häftling eine von Meisinger präparierte Sammlung von Photos vor, aus der sich Schmidt das Konterfei mit den höchsten Titeln herauspickte. Kriminalrat Meisinger, Verfechter kriminalistischer Holzhammermethoden, hatte unter jedes Bild Namen und Amtstitel des Abgebildeten gesetzt. Als Schmidt las: »Generaloberst Freiherr von Fritsch, Oberbefehlshaber des Heeres«, sagte er: »Das ist er.« Dann gab er zu Protokoll: An einem Novemberabend des Jahres 1933 habe er in der Vorhalle des Wannseebahnhofs Berlin einen Mann beobachtet, der so gekleidet gewesen sei: dunkler Mantel mit braunem Pelzkragen, dunkler Hut, weißer Schal und ein Monokel im Gesicht. Der Mann habe zusammen mit dem Strichjungen Martin Weingärtner, genannt »Bayern-Seppl«, die Bahnhofshalle verlassen und sei in die dunkle, der Reichsbahn gehörende Privatstraße gegangen. Dort habe er, Schmidt, einen gleichgeschlechtlichen Akt zwischen den beiden beobachtet. Nach einer Weile, so erzählte Schmidt weiter, sei der Herr zurückgekehrt und habe sich zu dem nahe gelegenen Ringbahnhof am Potsdamer Platz begeben; dort habe er, Schmidt, dem Herrn alles auf den Kopf zugesagt und sich als »Kriminalkommissar Kröger« vorgestellt. Der Herr habe gesagt, er sei der General von Fritsch, und das habe er durch einen Ausweis bewiesen; auf der breiten Seite des Ausweises sei rechts oben der Name »von Fritsch« deutlich zu lesen gewesen. Es sei dann über das Erpressungsgeld verhandelt worden; der Herr habe ihm gesagt, er möge ihn nicht unglücklich machen, auf ein paar tausend Mark komme es ihm nicht an, allerdings habe er nur 100 Mark bei sich. Sie seien zusammen nach Lichterfelde gefahren, wo der Herr in dem Haus Ferdinandstraße 21 verschwunden sei. Nach zehn Minuten habe der Herr ihm 500 Mark in die Hand gedrückt und ihm außerdem 1000 Mark für den nächsten Tag versprochen. Auch dieses Geld habe er, Schmidt, erhalten, und wiederum seien ihm weitere 1000 Mark in Aussicht gestellt worden. Die habe er Mitte Januar 1934 im 2.-Klasse-Wartesaal des S-Bahnhofs Lichterfelde-Ost in Empfang genommen - diesmal in Begleitung eines Freundes, des Arbeiters Heiter, genannt »Bucker«, den er dem Erpreßten als seinen Chef vorgestellt habe. Dem Heiter habe er, Schmidt, 500 Mark abgelassen. Soweit die Aussage von Otto Schmidt Anfang Juli 1936. Meisinger triumphierte: Ein Zufall hatte ihm eine tödliche Waffe gegen den Heeres-OB von Fritsch in die Hand gespielt, mit der er, Josef Meisinger, die Führer der SS von einem ihrer gefährlichsten Gegner befreien konnte. Meisinger trieb den Fall weiter voran. Im August steuerte Schmidt, von dem Kriminalsekretär Löffner erneut vernommen, immer weitere Details zu seiner Erzählung bei, am 20. bestätigte auch Komplice Heiter die Schmidt-Story. Für Meisinger gab es keinen Zweifel mehr: Schmidts General von Fritsch war der verhaßte Generaloberst Freiherr von Fritsch. Sofort meldete Meisinger den glücklichen Fund seinen Oberen, und alsbald machte sich Himmler auf, seinem Führer die Entdeckung zu enthüllen. Doch in der Reichskanzlei harrte seiner eine Enttäuschung. Hitler warf einen flüchtigen Blick in das acht Seiten starke Vernehmungsprotokoll und befahl, »diesen Dreck« zu verbrennen. Der Militärtechniker von Fritsch, von dem Hitler einmal gesagt hatte, er »liebe« ihn, war dem Aufrüstungsfanatiker viel zu unentbehrlich, als daß er ihn wegen einer solchen Lappalie opfern wollte. Himmlers Unglück wollte, daß er die Fritsch-Akte dem Diktator zu einer Zeit vorlegte, da Hitler seinem Heeres-OB noch »mit achtungsvoller Zurückhaltung begegnete, ihn im großen und ganzen in Selbständigkeit wirken ließ und sich der unmittelbaren Kritik an der Heerführung enthielt«, wie Hitlers Wehrmachtsadjutant, der damalige Oberst Friedrich Hoßbach, bezeugt. Der SS-Chef mußte eine jener Abfuhren einstecken, die Hitler damals jedem bereitete, der die Wehrmacht und ihre Generale kritisierte. »Dann kommt aber vielleicht«, erklärte Hitler einmal dem Generaladmiral Boehm, »einer von der Partei und sagt mir: ''Alles gut und schön, mein Führer, aber der General Soundso spricht und arbeitet gegen Sie!'' Dann sage ich: ''Das glaube ich nicht!'' Und wenn dann der andere sagt: ''Ich bringe Ihnen aber schriftliche Beweise, mein Führer!'', dann zerreiße ich den Wisch, denn mein Glaube an die Wehrmacht ist unerschütterlich.« Auch Himmler und Heydrich mußten ihren »Wisch« zerreißen. Heydrich ließ die Akte Fritsch vernichten, zuvor trug er freilich Sorge, daß eine Teilabschrift angefertigt wurde. Vermutlich erwartete er, den Fall doch noch eines Tages hochspielen zu können. Der Tag kam schneller, als selbst er gehofft hatte. Denn inzwischen hatte sich in der Reichskanzlei eine Szene abgespielt, die zu den entscheidenden Wendepunkten in der Geschichte des nationalsozialistischen Regimes gehört: Am Nachmittag des 5. November 1937 war Hitler bewußt geworden, daß ihm Fritsch und der Kriegsminister von Blomberg nur noch zögernd und bremsend auf dem Weg in die immer waghalsigere Abenteuerpolitik folgen würden. Hitler hatte sechs Männern seiner engsten Umgebung (neben von Fritsch, von Blomberg, Göring und Hoßbach dem Marine-Oberbefehlshaber Raeder und dem Reichsaußenminister Freiherrn von Neurath) Zukunftspläne enthüllt, die er für so wichtig hielt, daß er sie, wie sich Hoßbach nachher aufschrieb, »als politisches Testament« betrachtet wissen wollte. Kernpunkt: Bis spätestens 1943 müsse Deutschland gewaltsam seinen Lebensraum erweitert haben, müßten Österreich und die Tschechoslowakei in deutschem Besitz sein. Die Soldaten von Blomberg und von Fritsch erhoben Bedenken, freilich nur solche militärtechnischer Art: Die tschechoslowakischen Befestigungen an der Grenze seien äußerst schwer zu nehmen, man müsse selbst im Falle eines französisch-italienischen Krieges mit einem starken Heer Frankreichs an der deutschen Westgrenze rechnen, ein Krieg lasse sich nur führen, wenn die Neutralität Englands und Frankreichs sichergestellt sei. »Die Diskussion nahm zeitweilig sehr scharfe Formen an, vor allem in einer Auseinandersetzung zwischen Blomberg und Fritsch einerseits und Göring andererseits, an der Hitler sich vorwiegend als aufmerksamer Zuhörer beteiligte«, notierte Hoßbach. Hitler hatte genug gehört, um sich eine Meinung zu bilden. Mit solchen Militärs konnte der Start in die kriegerische Risikozone nationalsozialistischer Außenpolitik nur zu einem Fehlstart werden. Hitlers Verhältnis zu seinen führenden Militärs kühlte sich ab. Das machte sich nun Göring zunutze, als er am 24. Januar 1938 von Blombergs Fehltritt erfuhr. Sofort handelte er. Als einstiger Gestapo-Gründer besaß er noch genügend Einfluß in der Prinz-Albrecht-Straße, dem Sitz der Gestapo-Zentrale, um interessierte Beamte anzuspornen, mit Hilfe der erhaltenen Abschriften die Fritsch-Akte zu rekonstruieren. So hatte Göring alles in die Wege geleitet und konnte am Abend in die Reichskanzlei fahren, um die große Krise auszulösen. Nicht ohne schauspielerisches Talent wußte er unter den Adjutanten und Ministern, die auf Hitlers Rückkehr von einer Wochenendvisite in Süddeutschland warteten, das Gefühl drohenden Unheils zu erzeugen. Schnaufend und klagend lief Göring herum, jeder bekam zu hören, immer müsse er dem Führer die unangenehmen Nachrichten bringen. »Was hat er denn?« fragte Hitler-Adjutant Fritz Wiedemann den Göring-Adjutanten Bodenschatz. Darauf Görings Mann: »Blomberg muß gehen.« Wiedemann glaubte nicht richtig gehört zu haben. Bodenschatz: »Ich sage dir doch, Blomberg muß gehen, er hat eine Hure geheiratet.« Kurz darauf erschien Hitler, sofort verschwand Göring mit seinem Führer in dessen Arbeitszimmer. In dramatischen Worten setzte er Hitler ins Bild, die Photos der mitgebrachten Gruhn-Akte illustrierten drastisch seine Geschichte. Auch über Fritschs angebliche Homosexualität machte Göring erste Andeutungen und kündigte vermutlich die Gestapo-Akte an, die am nächsten Morgen auf Hitlers Schreibtisch lag. Hitler war schockiert, doch lange hielt sein Zorn über die vermeintliche Unmoral seiner Spitzenmilitärs nicht an. Schon bald witterte er instinktsicher die Chance, mit einem Hieb die ganze Führung der Wehrmacht zu entmachten und sich selber an die Spitze zu setzen. Im nächsten Heft Die Krise spitzt sich zu: Hitlers Plan, Fritsch lautlos abzuschieben, mißlingt - die Wehrmacht erzwingt eine kriegsrichterliche Untersuchung _(Bei einem Besuch des Hohenzollernmuseums ) _(in Berlin, 1935. )Mit den SS-Führern Werner Lorenz (l.) und Karl Wolff.Bei einem Besuch des Hohenzollernmuseums in Berlin, 1935.
Heinz Höhne
Der Fall Fritsch-Blomberg 1938 / Von SPIEGEL-Redakteur Heinz Höhne *
[ "Berlin", "Deutschland" ]
Politik
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1984-01-29T13:00:00+01:00
1984-01-29T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/entehrend-fuer-die-ganze-armee-a-5470b041-0002-0001-0000-000013510640?context=issue
Picture This: Into the Abyss
Just the thing to cool down on a hot day: a dive off a high cliff. Thrill-seekers and diving enthusiasts from across Europe headed to the steep precipices of Ponte Brolla, southern Switzerland to compete in the European Cliff-Diving Championships on Saturday, July 21, 2007. Here the fearless Anne Bader from Germany dives from a 20-meter-high cliff into the Maggia river to win the women's competition. Archive: View Recent Photos
[ "Picture This" ]
International
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2007-07-23T16:43:36+02:00
2007-07-23T16:43:36+02:00
https://www.spiegel.de/international/picture-this-into-the-abyss-a-496059.html
Formel 1: Schumachers Welt ist in Ordnung
Hamburg/Barcelona - Michael Schumacher kann nicht nur wegen gelungener Testfahrten, sondern auch wegen der Bewunderung und des unbedingten Rückhalts seines Chefs optimistisch sein. Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo erklärte, dass der Star-Pilot dem Rennstall auch dann treu bleiben wird, wenn er den WM-Titel in der Saison 2000 erneut verpassen sollte. Der Italiener antwortete in einem Interview der "Welt am Sonntag" auf eine entsprechende Frage mit einem klaren "Ja". Schumacher, der die fünfte Saison mit Ferrari bestreitet, hat bei der Scuderia noch einen Vertrag bis 2002. Dennoch wurde in den Medien immer wieder über einen vorzeitigen Teamwechsel des 31-Jährigen spekuliert. Di Montezemolo lobte seinen teuersten Angestellten in den höchsten Tönen: "Ich habe noch nie einen Fahrer erlebt, der befähigt ist, in einem Rennen von der ersten bis zur letzten Runde Zeiten zu fahren wie in einem Qualifikationstraining." Falls sich Spekulationen bewahrheiten sollten, nach denen das Unternehmen Fiat und damit Ferrari von DaimlerChrysler aufgekauft wird, sieht der Präsident nicht das Ende des Mythos Ferrari. "Sollten die Spekulationen Realität werden, würde die Eigenständigkeit von Ferrari - durch die Fiat-Holding gewährleistet - nicht angetastet."Michael Schumacher ist nach den guten Erfahrungen mit dem neuen Ferrari F1-2000 drei Wochen vor dem ersten Grand Prix am 12. März in Melbourne motivierter denn je. Es sei erstmals seit längerem wieder vorgekommen, "dass ich morgens zwei Stunden früher als notwendig aufgewacht bin und das Kribbeln im Bauch gespürt habe", sagte der Kerpener nach den Probefahrten in Mugello. Er werde auch nicht aufgeben, wenn er den WM-Titel erneut verpassen sollte. "Wenn es nicht klappt, versuchen wir es im nächsten Jahr wieder." Niki Lauda traut ihm sehr viel zu. "Sowohl die Italiener als auch Michael Schumacher sind mehr als hoch motiviert", sagte der dreimalige Weltmeister der "Bild am Sonntag". Bei Konkurrent McLaren-Mercedes könnte seiner Ansicht nach die Gefahr der "Sättigung" bestehen. Auch die Konkurrenz im Silberpfeil-Team zwischen dem Finnen Mika Häkkinen und dem Schotten David Coulthard sieht er als Plus für Schumacher: "Dieser interne Zweikampf kann den Titel kosten."Bei Testfahrten in Barcelona war Weltmeister Häkkinen in 1:21,85 Minuten der Schnellste. Coulthard (1:22,45) fuhr die drittbeste Rundenzeit hinter dem spanischen Minardi-Piloten Marc Gene (1:22,09). Die Mönchengladbacher Heinz-Harald Frentzen (Jordan) und Nick Heidfeld (Prost) waren wegen technischer Defekte deutliche langsamer.
Schnelle Runden und Ehrerbietungen aus der Ferrari-Chefetage. Zumindest die Rahmenbedingungen vor dem fünften Versuch, einen WM-Titel für die Scuderia einzufahren, stimmen derzeit bei Michael Schumacher.
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Sport
Formel 1
2000-02-20T17:59:38+01:00
2000-02-20T17:59:38+01:00
https://www.spiegel.de/sport/formel1/formel-1-schumachers-welt-ist-in-ordnung-a-65475.html
Forscher wollen Rentenalter an Lebenserwartung koppeln – und die Erhöhung an die Inflation
Das gesetzliche Renteneintrittsalter wird derzeit schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Das wird Experten zufolge jedoch nicht reichen, um die Finanzierung der Rente dauerhaft sicherzustellen.Das Ifo-Institut hat nun einen Vorschlag gemacht, wie die Finanzierung des umlagefinanzierten Rentensystems dauerhaft auf sicherere Füße gestellt werden könnte. Die Forscher befürworten die Koppelung des Rentenalters an die steigende Lebenserwartung. »Einige unserer Nachbarländer haben das bereits beschlossen – die Niederlande, Schweden und Finnland«, sagt Rentenexperte Joachim Ragnitz von der Ifo-Niederlassung Dresden. In den Niederlanden etwa gelte die Regel: Wenn die Menschen drei Jahre länger leben, müssen sie zwei Jahre länger arbeiten und bekommen ein Jahr länger Rente. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen würde damit auch nach dem Jahr 2040 stabil bei rund 40 Prozent liegen – und nicht auf fast 50 Prozent steigen, wie derzeit prognostiziert. Beamte in Rentenkasse? Laut Ifo nicht sinnvollHinter dem Vorstoß steckt das Problem, dass wegen der Alterung der Gesellschaft bei der Rente auf Dauer zu viele Empfänger zu wenigen Beitragszahlern gegenüberstehen. Auch die Rentenversicherung hatte sich in der Vergangenheit deshalb bereits offen für eine neue Debatte über längeres Arbeiten gezeigt.Alternativ ließe sich auch die Rentenhöhe absenken. Auch die Ifo-Forscher argumentieren in diese Richtung. So sei es erwägenswert, die Rentensteigerungen nicht mehr an die Lohnerhöhungen zu koppeln wie bislang. Stattdessen sollten sie sich an der Inflationsrate orientieren, die im Regelfall niedriger sei. Damit ließe sich der Anstieg der Rentenausgaben verlangsamen. Die Selbstständigen und Beamten in die Beitragszahlung einzubeziehen, wie es oft gefordert wird, ist nach Ansicht der Ifo-Forscher hingegen nicht sinnvoll. Diese Lösung würde die Rentenkassen zwar kurzfristig entlasten. Langfristig jedoch würden die Auszahlungen für diese Gruppen erheblich höher ausfallen – unter anderem, weil sie eine höhere Lebenserwartung hätten. Zu den Befürwortern eines späteren Rentenbeginns gehören auch die Wirtschaftsweisen. Sie sprechen sich in ihrem aktuellen Jahresgutachten für die Bundesregierung ebenfalls für eine »Koppelung des gesetzlichen Renteneintrittsalters an die fernere Lebenserwartung, kombiniert mit einer neuen Form der ergänzenden, kapitalgedeckten Altersvorsorge« aus. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lehnt eine weitere Erhöhung bislang ab. Das würde aus seiner Sicht zulasten der jüngeren Generation gehen, die nach den Babyboomern in Rente geht. Auch Kanzler Olaf Scholz wies eine Anhebung des Renteneintrittsalters zuletzt zurück, nach 67 sei »auch mal gut«.Das trifft die Stimmung vieler Menschen. Obwohl sie volkswirtschaftlich länger arbeiten müssten, wollen fast 70 Prozent der Babyboomer, jener geburtenstarken Jahrgänge, die derzeit und in den kommenden Jahren in Ruhestand gehen, vorzeitig aus dem Beruf aussteigen.Auch Gewerkschafter wenden sich gegen den Vorstoß der Ifo-Forscher. »Eine steigende Regelaltersgrenze führt zu mehr Abschlägen und weniger Rente. Das ist der falsche Weg. Wer will, dass Menschen real länger arbeiten können und wollen, muss die Arbeitsbedingungen verbessern«, sagt Hans-Jürgen Urban, für Sozialpolitik verantwortliches Vorstandsmitglied der IG Metall. Auch von der Kopplung der Renten an die Inflation hält Urban nichts: »Aus gutem Grund folgen die Renten den Löhnen. Das bedeutet die Teilhabe der Rentnerinnen und Rentner an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung«, sagt er. Er warnt vor »sozialen Verwerfungen«, sollten die Renten an die Inflation gebunden werden. »Gerechter ist es, wenn sich gute Löhne und Renten im Gleichklang bewegen.«
apr/Reuters
Um die Rente zu sichern, müssen die Menschen nach Ansicht von Experten länger arbeiten. Forscher des Ifo-Instituts haben nun Vorschläge gemacht, wie das System umgebaut werden sollte.
[ "Deutsches Rentensystem", "Sozialsysteme", "Zukunft des Sozialstaats", "Ifo-Index", "Finnland", "Hubertus Heil", "SPD" ]
Wirtschaft
Soziales
2024-01-16T11:10:00+01:00
2024-01-16T11:10:00+01:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ifo-forscher-wollen-rentenalter-an-lebenserwartung-koppeln-und-die-erhoehung-an-die-inflation-a-de6a4441-eebe-4845-be3d-578fc1aef6d2
Bayreuther Festspiele: Evgeny Nikitin reist wegen Nazi-Tattoo ab
Bayreuth - Wegen Tätowierungen mit nationalsozialistischen Symbolen hat Evgeny Nikitin seinen Auftritt bei den Bayreuther Festspielen abgesagt - und das nur wenige Tage vor der Eröffnung am kommenden Mittwoch. Der 39-Jährige sollte in der Rolle des "Fliegenden Holländers" auf der Bühne stehen. "Mir war die Tragweite der Irritationen und Verletzungen nicht bewusst, die diese Zeichen und Symbole besonders in Bayreuth und im Kontext der Festspielgeschichte auslösen", teilte der Russe mit. Die Festspielleitung und der Regisseur seien durch Filmaufnahmen der ZDF-Sendung "Aspekte" am Freitagabend auf eine Tätowierung am Oberkörper aufmerksam geworden, sagte Festspielsprecher Peter Emmerich. Oberhalb der Brust habe man ein Hakenkreuz erkennen können. Darüber sei zwar inzwischen ein anderes Motiv gestochen worden. Dennoch betonte Emmerich: "Dazu muss man Haltung beziehen. Da kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen." Am Vormittag bat die Festspielleitung Nikitin zum Rapport. Dabei traf der Sänger die Entscheidung, abzureisen. "Ich habe mir die Tattoos in meiner Jugend stechen lassen", teilte Nikitin mit. "Es war ein großer Fehler in meinem Leben, und ich wünsche mir, dass ich es niemals getan hätte." Nikitin hatte zuvor in mehreren Interviews erklärt, früher in einer Metal-Band gespielt zu haben. Die ZDF-Filmaufnahmen stammen aus dieser Zeit und zeigen Nikitin mit freiem Oberkörper und kahlrasiertem Kopf am Schlagzeug. Aktuelle Bilder des Sängers zeigen, dass sich an jener Stelle am Oberkörper inzwischen ein sehr farbintensives Tattoo befindet. Die Festspielleitung habe bei der Besetzung der "Holländer"-Rolle nicht auf die Tätowierungen geachtet, so Emmerich. "Es wird eine Stimme engagiert, ein Sänger." Hautfarbe oder Nationalität spielten ja auch keine Rolle. Und genauso werde normalerweise auch nicht überprüft, "was jemand auf der Haut trägt". Hier aber liege eine andere Situation vor, so Emmerich. Die Verzahnung der Festspiele mit den Größen der Nazi-Diktatur in Deutschland markiert eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Musikgeschichte: Adolf Hitler war regelmäßiger Festspielgast und ließ sich in Bayreuth feiern. Richard Wagners Musik ist bis heute in Israel unerwünscht. Nur mühevoll gelang in den fünfziger Jahren ein Neustart der Festspiele. Die Suche nach einem Ersatz für Nikitin laufe, sagte ein Sprecher der Festspiele.
hut/dpa
Kurz vor Beginn der Bayreuther Festspiele haben die Veranstalter einen ihrer wichtigsten Sänger verloren. Der als "Holländer" vorgesehene Evgeny Nikitin ist wenige Tage vor Beginn der Veranstaltung abgereist. Grund ist ein Nazi-Tattoo aus seiner Vergangenheit.
[ "Bayreuther Festspiele" ]
Kultur
Musik
2012-07-21T15:42:00+02:00
2012-07-21T15:42:00+02:00
https://www.spiegel.de/kultur/musik/bayreuther-festspiele-evgeny-nikitin-reist-wegen-nazi-tattoo-ab-a-845689.html
Fusionsfieber bei US-Mobilfunkern: Vodafone mischt mit
New York - Die größte US-Telefongesellschaft Verizon Communications hat die Rückendeckung von Vodafone   für eine potenzielle Sprint-Offerte erhalten. Dies berichtete das "Wall Street Journal" am Dienstag in seiner Onlineausgabe.Sprint ist das drittgrößte US-Telekomunternehmen. Ein Übernahmepreis könnte nach Angaben der Zeitung 40 Milliarden Dollar übersteigen. Ob ein Angebot für Sprint vorgelegt werde, sei noch nicht sicher. Sprint-Nextel-Fusion könnte torpediert werdenEine Verizon-Offerte könnte den angestrebten Zusammenschluss zwischen Sprint und der fünftgrößten US-Mobilfunkfirma Nextel unterlaufen, hieß es weiter. Die Sprint-Nextel-Transaktion hätte nach Angaben der Zeitung einen Wert von rund 35 Milliarden Dollar.Der Verwaltungsräte von Sprint und Nextel diskutieren derzeit einen Zusammenschluss. Schon am Mittwoch könnten die Verantwortlichen ihre Pläne konkretisieren. Durch einen Zusammenschluss von Sprint und Nextel würde ein Mobilfunkunternehmen mit mehr als 39 Millionen Kunden entstehen. US-Branchenführer ist Cingular Wireless mit mehr als 46 Millionen Kunden vor Verizon Wireless mit 42 Millionen Nutzern. An Verizon Wireless ist Vodafone mit 45 Prozent beteiligt.
Vodafone will nicht tatenlos zusehen, wie sich zwei US-Konkurrenten zu einem neuen Mobilfunkgiganten zusammentun. Mit dem amerikanischen Partner Verizon erwägen die Briten nun den Gegenangriff.
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Wirtschaft
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2004-12-14T12:26:37+01:00
2004-12-14T12:26:37+01:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/fusionsfieber-bei-us-mobilfunkern-vodafone-mischt-mit-a-332731.html
Frankreich: Tausende Bienen greifen Spaziergänger an - Mann schwebt in Lebensgefahr
Ein Mann in Frankreich schwebt in Lebensgefahr, nachdem ihn Tausende Bienen angegriffen haben. Er wurde am Dienstag mit Hunderten Stichen am ganzen Körper und im Mund ins Krankenhaus von Puy-en-Velay gebracht, wie die Feuerwehr mitteilte. Den Angaben zufolge konnte erst ein Imker den Mann und seine Begleiterin von den Tieren befreien. Zum Alter des Verletzten gibt es abweichende Angaben: AFP zufolge ist er 70 Jahre alt, lokale Medien schreiben teils von 62 Jahren. Auch die 52-jährige Frau musste behandelt werden. Die beiden Personen gingen laut der Mitteilung spazieren, als sie plötzlich von den Bienen angegriffen wurden. Als die Feuerwehr bei den beiden eintraf, sei der gesamte Körper des Mannes von den Insekten bedeckt gewesen, bei der Frau seien es etwas weniger gewesen. Um sie herum sei eine "ganze Wolke wütender Bienen" geschwirrt, sodass es zunächst unmöglich gewesen sei, das Paar in Sicherheit zu bringen. Erst ein in der Nähe arbeitender Imker konnte schließlich helfen. Er räucherte die beiden Opfer und anschließend den Krankenwagen ein, sodass eine erste Notbehandlung möglich war. Der Mann und die Frau seien dabei immer noch von Hunderten Bienen bedeckt gewesen.Auch sechs der insgesamt 20 an der Rettungsaktion beteiligten Einsatzkräfte wurden Dutzende Male gestochen. Einer von ihnen erlitt laut Feuerwehr kurzzeitig einen Schwächeanfall. "So etwas haben wir noch nie erlebt. Die Opfer waren zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort", hieß es von der Feuerwehr. Sie vermutete, dass die Bienen von der Honigernte des Imkers und dem schwül-stürmischen Wetter aufgeschreckt waren.
bbr/AFP
Mit Hunderten Bienenstichen ist ein Mann in Frankreich in ein Krankenhaus gekommen. Die Tiere hatten ihn und seine Begleiterin attackiert - auch die Retter kamen nicht ohne Stiche davon.
[ "Frankreich", "Bienen", "Unglücke durch Tiere" ]
Panorama
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2019-07-03T15:59:00+02:00
2019-07-03T15:59:00+02:00
https://www.spiegel.de/panorama/frankreich-bienenattacke-mann-schwebt-in-lebensgefahr-a-1275631.html
Gulasch: Rezept für Shin-Shank-Ragout
Immer wenn außerhalb der Grenzen Ungarns irgendwo "Gulasch" auf der Speisekarte steht, rollt es den Erfindern dieses Kleinfleischgerichts die Zehennägel hoch. Zu Recht, denn so gut wie nie hat das so bezeichnete Essen etwas mit dem zu tun, das in und um Budapest als Nationalgericht Gulyás geliebt wird: eine wässrige Brühe mit kleinen Stücken Fleisch, Kartoffeln und Zwiebeln. Schon im Mittelalter schmorten Schäfersfrauen in Stücke geschnittenes Fleisch stundenlang mit Zwiebeln, trockneten es und gaben es ihren Männern in einem Beutel aus Schafsmagen mit auf die Weiden. Das wahrscheinlich erste Fertiggericht der Welt. Schließlich konnte man überall, wo ein Feuer brannte, die getrockneten Fleischstücke in heißem Wasser aufkochen. Und je nach Wassermenge stand am Ende eine Suppe, ein Eintopf oder jenes Ragout mit sämiger Konsistenz, das in Ungarn als "Pörkölt" oder "Paprikás" (mit Sauerrahm gebunden) angeboten wird. Viel wichtiger als der Name ist am Ende des Tages natürlich die Qualität der Speise. Ein gutes Gulasch, mit tiefen, winterlichen Schmor-Noten, wärmt von ganz drinnen die Seele. Die Heizleistung hängt elementar von der Güte des verwendeten Fleischs ab. Logisch bei einem Anteil von idealerweise 50 Prozent Fleisch. Auch wenn mancher auf gemischte Würfel von Schwein und Rind steht, ist das reinsortige Gulasch im Zweifelsfall zu bevorzugen. Allein schon, um unnötige Unterschiede in den Garzeiten und die damit verbundene Inhomogenität (einige Fleischwürfel sind noch zu fest, andere total zerfallen) zu vermeiden. Trotz aller Berechtigung von Schwein, Lamm, Wild, Pferd, Ziege, Elch oder Hammel als Lieferant des Fleischs - das Rindergulasch bleibt das Non Plus Ultra, nachzuschmecken zum Beispiel beim Wiener Fiakergulasch. Es wird, wie die meisten Schmorgerichte aus zugeschnittenen Fleischwürfeln im Alpenraum, am liebsten aus den extrem beanspruchten Muskelsträngen in den Waden der Rinder gekocht. Kenner nutzen die Vorderhesse, in Österreich als vorderer Wadschinken verkauft.Nicht am Fleisch sparenFreilich nicht von irgendeinem Milchrassen-"Jungbullen", der wegen seiner Untauglichkeit für die Milch-Produktion leider in hormoneller Schnelle auf Schlachtgewicht hochgemästet wurde. Solch ein billiges, wässriges Fleisch wird auch durch stundenlanges Schmoren nie saftig, sondern nur faserig. Besser sind Waden von Färsen (weibliche Kühe kurz vor dem ersten Kalben), Weideochsen - und natürlich den echten Fleischrinderrassen wie Angus, Hereford, Galloway, Charolais, Fleckvieh, Highland-Cattle, Limousin oder Welsh Black. Sehr zu empfehlen ist auch das aus einer Kreuzung japanischer Kobe-Wagyu-Rinder mit australischen Angus-Rindern hervorgegangene F1 Wagyu-Angus (F1 steht für die im Verhältnis 50:50 geteilte Genetik der Ursprungsrassen). Das Fifty-Fifty-Edelfleisch wird seit kurzem auch in Deutschland angeboten. Das Wagyu-Angus ist tatsächlich das beste aus beiden Welten: Uriger Geschmack und kernige Textur vom Angus, gepaart mit den intramuskulären Fetteinlagerungen der Kobe-Linien. Nach dem Parieren schmilzt dieses unsichtbare Fett im schieren Fleisch allein von der Wärme der Hand und hinterlässt ein Edel-Aroma zwischen frisch gemähter Wiese und Honig. Formel-Eins Rindfleisch aus Down UnderDeshalb parieren wir unser Shin Shank (Aussie-Name der Vorderhesse) auch viel radikaler als sonst, wo ja Fett und Bindegewebe beim Schmoren für Saftigkeit sorgt. Das braucht das F1-Fleisch nicht, es ist ja fettgeladen genug, weswegen auch die Garzeiten kürzer sind - perfekt für den Weihnachtsstress. Natürlich kommt nichts weg: Wir lassen die Fett-Parüren aus und braten dann die Fleischwürfel darin an. Aus dem Rest von Knorpeln bis Sehnen kochen wir den Fleischfond, der später in den Schmortopf kommt. Und über den ausgekochten, ungewürzten Rest der Abschnitte freut sich der Familienhund. Rezept für Shin Shank Gulasch (Hauptgericht für 12 Personen)Vorbereitungszeit: 60 MinutenZubereitungszeit: 140 Minuten Schwierigkeitsgrad: mittelschwerZutaten4-5 kg Shin Shank (Wadenfleisch vom australischen F1 Angus-Wagyu-Rind )2 kg rote Zwiebelwürfel8 Knoblauchzehen, klein gehackt150 g violette Karotten, klein gewürfelt150 g Pastinaken, klein gewürfelt100 g rote Spitzpaprika, klein gewürfelt (evtl. schälen)75 g getrocknete Tomatenfilets, in hauchdünne Streifen geschnitten400 g feste Fleischtomaten, gehäutet und gewürfelt4 EL Thymianblättchen1 l trockener Rotwein1 l kräftiger Rinderfond (selbst gezogen aus den Parüren oder Manufaktur-Fertigprodukt )2 EL Rosenpaprikapulver1 TL gemahlener Kreuzkümmel1 Tube TomatenmarkSalz, Pfeffer ZubereitungFleisch 2 Stunden vorher aus der Kühlung nehmen. Zunächst entlang der erkennbaren oder erfühlbaren Muskeln längs in Stränge schneiden ("im Vlies"). Komplett parieren, dabei Fett und restliche Parüren wie Bindegewebe und Sehnen trennen. Fett in Pfanne auslassen. Parüren und Abschnitte in 3 Liter Wasser leise simmernd auskochen. Abschäumen und auf zwei Drittel zu einem Rinderfond einreduzieren. Backofen auf 150 °C (keine Umluft) vorheizen.Fleisch in ca. 3-4 cm große Stücke schneiden. Portionsweise in großer Pfanne im sehr heißen Rinderfett (aus den Fett-Parüren) ringsherum kurz kross braten, mit Schaumlöffel entnehmen und in sehr großen Bräter oder tiefes Backblech mit Deckel in den Backofen geben. Wenn alles Fleisch gebraten ist, Zwiebeln mit Knoblauch im Fett goldbraun braten, restliche Zutaten außer dem Wein und Fond zugeben und 5 Minunten braten. Die Hälfte des Rotweins zugeben und 10 Minuten bei großer Hitze einkochen. Alles zum Fleisch geben, restlichen Wein und Fond unterheben und das Gulasch bei geschlossenem Deckel 2 Stunden lang schmoren. Alle 30 Minuten umrühren. Nach 1,5 Stunden Tomatenmark einrühren. Am Ende beherzt mit Salz und frisch gemahlenem Pfeffer abschmecken. AnrichtenAm besten in großer Schüssel zum Selbernehmen servieren. Dazu passen Salzkartoffeln, gebratene Schupfnudeln, oder einfach nur ein ofenwarmes krosses Weißbrot. Es lohnt in jedem Fall, eine derart große Menge zu kochen. Reste lassen sich portionsweise einfrieren.GetränketippEin saftstrotzender australischer Shiraz ist hier - auch wegen der geographischen Nähe zu den Rinderherden - nie verkehrt. Auf der anderen Seite des Erdballs aber wächst ein nicht minder passender Tropfen: Der 18 Monate in kanadischer und französischer Eiche ausgebaute Kalifornier Ghost Pines 2013  aus der dort Zinfandel genannten Primitivo-Rebe begleitet unser Aussie-Gulasch kongenial mit Noten von Gewürznelke, Brombeere, Lakritz und Pflaumenmarmelade. Seine feste Struktur und das volle Mundgefühl klingen noch lange zusammen mit den starken Umami-Aromen des Fleisches nach.
Peter Wagner
Der Advents-Countdown tickt auch in der Küche immer lauter. Höchste Zeit, sich über das festliche Essen im großen Kreis Gedanken zu machen. Wie wäre es mit dem besten Gulasch der Welt?
[ "Kochen", "Tageskarte Küche" ]
Stil
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2018-12-08T13:09:00+01:00
2018-12-08T13:09:00+01:00
https://www.spiegel.de/stil/gulasch-rezept-fuer-shin-shank-ragout-a-1242041.html
Aus Geldnot: NPD treibt Spenden über 0900er-Nummern ein
Hamburg - In ihrer Finanznot hat die NPD neue Wege der Spenden-Akquise erschlossen. Seit einigen Wochen hat die Berliner Parteizentrale zwei 0900er-Nummern geschaltet, über die Sympathisanten anonym spenden können. Pro Anruf landen fünf beziehungsweise zehn Euro in der Kasse der rechtsextremen Partei. Das meldet der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe. Vergeben werden die Cash-Verbindungen von der Bundesnetzagentur, die dafür eine einmalige Provision von 62,50 Euro pro Nummer erhält; bislang bedienten sich aber vor allem Sex-Hotlines und die Veranstalter dubioser Gewinnspiele dieses Zahlungsverkehrs. Auch für Spender größerer Beträge hat die NPD den Inkassoweg vereinfacht: Seit Anfang des Monats können Förderer der Rechtsextremen bargeldlos und online ihren Obolus entrichten, in dem sie auf der NPD-Homepage einfach den "PayPal"-Button anklicken. Bis zu 500 Euro können so diskret gespendet werden. Diesen Service eines Tochterunternehmens des Internetauktionshauses Ebay nehmen auch CSU, FDP, die Linke und die Grünen für die Spendenbeschaffung bereits in Anspruch. Doch für die Rechten könnte bald schon wieder Schluss sein. "Wir werden der NPD den Zugang zu PayPal kündigen", erklärt ein Unternehmenssprecher. Die Provisionen, die PayPal bisher aus den Online-NPD-Spenden verbuchen konnte, will die Ebay-Tochter nun für gemeinnützige Zwecke spenden.
hpi
Weil es mit der Finanzierung hapert, ist die NPD kreativ geworden: Der rechtsextremen Partei kann man jetzt über 0900er-Nummern oder PayPal spenden. Doch kaum freigeschaltet, will der Betreiber des Online-Bezahlservices den Rechten auch schon wieder kündigen.
[ "NPD", "Parteienfinanzierung in der EU" ]
Politik
Deutschland
2009-11-21T13:00:11+01:00
2009-11-21T13:00:11+01:00
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/aus-geldnot-npd-treibt-spenden-ueber-0900er-nummern-ein-a-662600.html
Glücksspiel: Süchtige scheitern mit Selbstsperren-Klage
Zwei Spielsüchtige sind vor Gericht damit gescheitert, zum Selbstschutz Sperren in Spielotheken zu erzwingen. Das Landgericht Bielefeld hat eine Klage der Männer gegen die Merkur-Spielotheken abgewiesen.Der Fachverband Glücksspielsucht (FAGS) hatte die Klage im Namen der beiden Spieler aus Bielefeld und Paderborn eingereicht. Merkur, das zum Gauselmann-Konzern gehört, lehnte die Hausverbote mit der Begründung ab, in Nordrhein-Westfalen fehle dafür die gesetzliche Grundlage. Das Unternehmen führte zudem an, der Datenschutz hindere die Spielhallen an einer lückenlosen Überwachung. Man könne sich nicht von jedem Spieler den Personalausweis zeigen lassen. Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, die Beklagte Casino Merkur Spielothek GmbH betreibe die fraglichen Spielhallen nicht, sondern sei lediglich deren Alleingesellschafterin. Nur die Betreiber hätten dem Wunsch nach Hausverboten entsprechen können. Zudem habe der FAGS nicht verlangt, dass Merkur eine entsprechende Anweisung an die Tochtergesellschaften gebe. Ohnehin sei Merkur aber nicht verpflichtet, solch eine Anweisung an Tochtergesellschaften in Nordrhein-Westfalen zu geben. Kläger prüfen, das Urteil anzufechten"Wir sind zufrieden mit dem Urteil", sagt Gauselmann-Sprecher Mario Hoffmeister. Die Entscheidung sei "so eindeutig, dass ich kaum davon ausgehe, dass eine Anfechtung vor einem höheren Gericht Chancen hätte".Der FAGS prüft trotzdem, das Urteil anzufechten. Anwalt Manfred Hecker nennt die Entscheidung einen "massiven Rückschlag für den Spielerschutz". Das Gericht habe eine extrem formale Entscheidung getroffen. Man habe mit einer Niederlage gerechnet, sagt Ilona Füchtenschnieder vom FAGS. Dennoch habe das Verfahren etwas gebracht: "Wir haben Spielsucht und Spielersperren in der Debatte nach vorn gebracht. Wenn das Gericht sagt, die gesetzliche Grundlage für Sperren ist nicht da, ist der Gesetzgeber gefragt." Langfristig könne der Spielerschutz nur gewinnen - durch gerichtliche oder gesetzgeberische Entscheidung. Laut FAGS gibt es in Nordrhein-Westfalen zwischen 40.000 und 50.000 Spielsüchtige.Letztlich ging es in dem Prozess darum, wie Paragraf 6 des Glücksspielstaatsvertrags auszulegen ist. Darin werden Glücksspielveranstalter verpflichtet, "Spieler zu verantwortungsbewusstem Spiel anzuhalten und der Entstehung von Glücksspielsucht vorzubeugen". Zu diesem Zweck müssen Unternehmen wie Merkur unter anderem Sozialkonzepte entwickeln, aus denen hervorgeht, "mit welchen Maßnahmen den sozialschädlichen Auswirkungen des Glücksspiels vorgebeugt werden soll und wie diese behoben werden sollen"."Wir lesen den Paragraf 6 anders"Der FAGS argumentierte, daraus lasse sich ableiten, dass Spieler sich selbst Sperren beziehungsweise Hausverbote auferlegen können müssten. "Was ergibt ein Sozialkonzept für einen Sinn, wenn man einem solchen Wunsch nicht entspricht?", sagt Anwalt Hecker.Gauselmann, der das Sozialkonzept des Unternehmens dem Gericht vor Prozessbeginn vorgelegt hatte, sieht das anders - genau wie das Gericht. Aus dem Gebot, Sozialkonzepte zu entwickeln, lässt sich nach Überzeugung der Bielefelder Richter keine Verpflichtung ableiten, Spielsüchtigen auf deren Wunsch den Zugang zum Spiel zu verwehren. "Wir lesen den Paragraf 6 anders", sagt Füchtenschnieder. "Es ist unlogisch zu sagen, man soll Prävention leisten, aber wenn jemand schon spielsüchtig ist, muss man nichts machen." Das Gericht habe offenbar die Suchtmechanismen nicht ausreichend berücksichtigt.Glücksspielbranche setzt auf BiometrieGauselmann verwahrt sich gegen den Vorwurf, an der Spielsucht anderer zu verdienen. Der Konzern betont, Spielerschutz ernst zu nehmen. Aber die Ansichten, wie dieses Ziel am besten zu erreichen ist, gehen weit auseinander. Der FAGS spricht sich für eine Kontrolle wie in staatlichen Spielbanken aus: Registrierung der Spieler, Ausweiskontrolle beim Einlass. Gauselmann und die Glücksspielbranche setzen dagegen auf Biometrie. Der Konzern hat ein System namens Face-Check entwickelt. Es soll Spieler am Eingang einer Spielhalle vor einer Schranke automatisch erfassen - und gegebenenfalls Spielern, die sich sperren ließen, den Zutritt verwehren. Der FAGS sieht Face-Check aber bestenfalls als Ergänzung anderer Kontrollen. "Das Urteil ist für uns das Signal, dass wir mit Face-Check loslegen können", sagt Gauselmann-Sprecher Hoffmeister. Ende 2017 will das Unternehmen alle Merkur-Filialen in NRW mit dem System ausgestattet haben.Az.: 12 O 120/16
Benjamin Schulz
Können Spielsüchtige eine Sperre in Spielotheken verlangen? Nein, hat das Landgericht Bielefeld entschieden - das Gesetz gebe einen solchen Anspruch nicht her.
[ "Spielsucht", "Glücksspiel" ]
Panorama
Justiz & Kriminalität
2017-03-30T14:26:00+02:00
2017-03-30T14:26:00+02:00
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/gluecksspiel-suechtige-scheitern-mit-selbstsperren-klage-a-1141115.html
Chronobiologie: Blinder Höhlenfisch hat 47-Stunden-Tag
Es scheint, als hätten sie den Blick stets auf die Küchenuhr gerichtet: Pünktlich eine Stunde vor Sonnenaufgang bilden sich die Sporen der Brotschimmelpilzes Neurospora crassa - mit einer unglaublichen Präzision. Der Pilz gehört zu den beeindruckendsten Beispielen der Natur für ein Phänomen, das allgegenwärtig ist: Zeitempfinden. Vom Einzeller bis hin zum Menschen hat die Evolution innere Uhren eingerichtet. Nur wer das richtige Timing hat, sichert das Überleben. So überlebt Neurospora crassa eben eher, wenn die Sporen nicht der direkten UV-Strahlung ausgesetzt ist, da diese sehr lichtempfindlich sind. Überall folgen Flora und Fauna den astronomischen Gesetzmäßigkeiten des Universums: 24 Stunden hat ein Tag, 365,26 Tage ein Jahr. Forscher gehen davon aus, dass Lebewesen hauptsächlich ihre Lichtwahrnehmung nutzen, um die innere Uhr mit dem natürlichen Rhythmus der Sonne zu synchronisieren. Jetzt haben Forscher gezeigt, dass Zeitempfinden auch ohne den Einfluss von Licht funktionieren kann: Wie sie imFachjournal "PloS Biology"  berichten, besitzen selbst blinde Fische eine innere Uhr - und können sie stellen. Das internationale Forscherteam um Nicholas Foulkes vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) untersuchte das Zeitempfinden des Karpfenfisches Phreatichtys andruzzii, einer Fischart, die seit rund zwei Millionen Jahren in Höhlen unter Oasen in der Wüste Somalias lebt. Die Fische besitzen keine Augen, sind blind - und dennoch, so fanden die Forscher heraus, folgen sie einem bestimmten Zeitrhythmus. Photorezeptoren für das richtige TimingVon einigen Wirbeltieren wie Amphibien und Fischen wissen die Biologen, dass bestimmte Photorezeptoren, also lichtempfindliche Moleküle, außerhalb der Retina in einer bestimmten Hirnregion für das Zeitempfinden verantwortlich sind. Um herauszufinden, ob Phreatichtys andruzzii trotz seiner fehlenden Augen einem lichtabhängigen Zeitrhythmus folgt, setzten sie diese und eine weitere Fischart einem zwölfstündigen Tag-Nacht-Rhythmus aus. Die blinden Karpfenfische folgen weiterhin einem eigenen Rhythmus, unabhängig vom Licht. Anders der Zebrafisch: Dieser passte sich an den Zwölf-Stunden-Rhythmus an - verantwortlich dafür waren seine Photorezeptoren. Anschließend gaben die Biologen den Tieren einen 24-Stunden-Rhythmus vor - und zwar durch regelmäßiges Füttern. Daran passten sich die Höhlenfische problemlos an. Nach einer Weile waren sie in der Lage, diesen Zyklus zu antizipieren und ihm selbständig zu folgen.In einem zweiten Experiment züchteten die Wissenschaftler einen besonderen Höhlenfisch: Sie übertrugen die Gene, die beim Zebrafisch für die Lichtwahrnehmung zuständig sind, auf den blinden Höhlenfisch. Somit gaben sie dem Höhlenfisch die Möglichkeit zurück, seine innere Uhr nach optischen Impulsen zu stellen.Das Ergebnis: Es stellte sich heraus, dass der natürliche Rhythmus des Fisches nicht mehr dem 24-Stunden-Rhythmus der Sonne, sondern einem längeren, 47 Stunden dauernden Zyklus folgt. In genetischen Untersuchungen konnten die Forscher zudem jene Mutationen feststellen, die für den Verlust des lichabhängigen Zeitempfindens beim Höhlenfisch verantwortlich sind. Weitere Studien mit der Tierart sollen nun die genauen Zusammenhänge klären und zeigen, wie sich die innere Uhr im Laufe der Evolution entwickelt hat. "Am Beispiel des Höhlenfisches lernen wir eine Menge über den Einfluss des Tag- und Nachtzyklus auf die Evolution der Tiere", erklärt der Chronobiologe Foulkes, Chronobiologe und Gruppenleiter am KIT. "Nun haben wir eine Grundlage, um unser Wissen über die Wechselwirkung zwischen Umwelt und innerer Uhr zu erweitern."
cib
Unsere innere Uhr folgt den Gesetzmäßigkeiten der Natur. Dabei spielt Licht eine besonders wichtige Rolle. Ein blinder Höhlenfisch verblüfft Chronobiologen: Auch er folgt einem bestimmten Zeitrhythmus und kommt ganz ohne optische Reize aus - dafür braucht er aber regelmäßig Futter.
[ "Chronobiologie", "Biologie" ]
Wissenschaft
Natur
2011-09-13T16:21:04+02:00
2011-09-13T16:21:04+02:00
https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/chronobiologie-blinder-hoehlenfisch-hat-47-stunden-tag-a-785999.html
Weißer Hai in Australien verschluckt sich an Seelöwen und stirbt
Ein Video, das an einem Strand an der Westküste Australiens entstanden sein soll, zeigt Gruseliges. Ein Weißer Hai nähert sich der Küste, zappelt immer stärker. Schließlich liegt er tot am Strand. Der Hai habe sich an einem Seelöwen verschluckt und sei verendet, meldet die Fischereibehörde von Westaustralien . Der Vorfall habe sich Anfang der Woche ereignet. Als Experten der Fischereibehörde den Kadaver am Coronation Beach untersuchten, fanden sie zunächst keine Anzeichen einer Verletzung. Aber im Hals steckte ein Seelöwe. Mit seinem ungewöhnlichen Zappeln habe der Hai womöglich versucht, den Seelöwen loszuwerden, erklärte der Wissenschaftler Rory McAuley der Behörde zufolge. Die allzu fette Beute könnte innere Organe verletzt oder den Wasserfluss durch die Kiemen blockiert haben. Möglicherweise sei der Hai aber auch einfach in zu seichtes Wasser geraten, als er die Blockade im Maul loswerden wollte. "Er begann erneut auszuschlagen"Spaziergänger hatten den Weißen Hai 50 Meter vor dem Strand gesichtet. Als er schließlich auf dem Sand lag, versuchten einige, ihn mit einem Seil ins Meer zurückzuhieven. "Aber er begann erneut auszuschlagen und sich zu winden, da sind wir abgehauen", sagte Brad Tapper der Zeitung "West Australian".Der Hai sei im Januar bereits im Süden Australiens von Forschern markiert worden, berichtet die Behörde. Dass er nun im Westen aufgetaucht sei, zeige, "wie außergewöhnlich mobil die Spezies ist".
boj/AFP
Er hat den Mund zu voll genommen: An einem Strand in Australien ist ein Weißer Hai verendet. Er hat sich offenbar an einem Seelöwen verschluckt.
[ "Haie", "Meeresforschung", "Biologie", "Australien", "Artenschutz" ]
Wissenschaft
Natur
2014-07-17T12:43:00+02:00
2014-07-17T12:43:00+02:00
https://www.spiegel.de//wissenschaft/natur/weisser-hai-in-australien-verschluckt-sich-an-seeloewen-und-stirbt-a-981508.html
Mixed Zone: Mercedes für Aufpasser, Wirbel um Schumacher und Beyer
Hamburg - Der Formel-1-Rennstall McLaren-Mercedes begrüßt den möglichen Einsatz eines Sonderbeobachters in der Teambox beim Großen Preis von Brasilien am 21. Oktober in Sao Paulo. "Alles was hilft, die Gleichbehandlung zu demonstrieren, wird von mir unterstützt", sagte Mercedes-Motorsportchef NorbertHaug heute der Deutschen Presse-Agentur dpa. Dies gelte, auch wenn es absolut ersichtlich sei, dass eine Gleichbehandlung zwischen Lewis Hamilton und Fernando Alonso stets stattgefunden habe. Nach Unterstellungen des in der WM-Wertung hinter Hamilton liegenden Alonso beantragte die spanische Föderation beim Internationalen Automobilverband Fia, für die Qualifikation einen Sonderbeobachter abzustellen. Der französische Weltmeister Sébastien Loeb hat sich im Citroen C4 am ersten Tag des 13. Laufes zur Rallye-Weltmeisterschaft auf Korsika die Führung gesichert. Nach fünf gewerteten Asphaltprüfungen verwies der Vorjahressieger seinen finnischen Titelrivalen und WM-Spitzenreiter Marcus Grönholm im Ford Focus um 4,8 Sekunden auf Rang zwei. Grönholms Landsmann und Ford-Teampartner Mikko Hirvonen schied nach einem Unfall ohne Personenschaden vorzeitig aus. Mit einem Rückstand von 18,5 Sekunden belegte Loebs spanischer Teamkollege Daniel Sordio den dritten Tagesrang. Das von Ex-Box-Weltmeister Markus Beyer angekündigte Comeback droht nicht im Ring, sondern vor Gericht ausgetragen zu werden. Der dreimalige Champion im Supermittelgewicht und sein bisheriger Arbeitgeber Sauerland Event stehen sich scheinbar unversöhnlich gegenüber. Wie die "BZ" berichtet, besteht Beyer darauf, bis zum Ende seines Vertrages am 31. Dezember auf einer Veranstaltung des Berliner Boxstalls eingesetzt zu werden. Beyer hatte am 18. August angekündigt, seine Karriere fortzusetzen. "Zu spät", behauptet Wilfried Sauerland. Der Promoter führt eine Klausel an, nach der Beyer bis zum 30. Juni seine Arbeitskraft hätte zur Verfügung stellen müssen: "2007 haben wir keinen Termin mehr frei", sagte Sauerland, der aber bereit ist, Beyer freizugeben. "Ich habe nichts dagegen, wenn er auf einer Universum-Veranstaltung auftritt." Der geplante Auftritt von Radprofi Stefan Schumacher im Sportausschuss des Deutschen Bundestages ist bei den sportpolitischen Sprechern der Parteien auf heftige Kritik gestoßen. Die Absicht des WM-Dritten, nach dem gegen ihn gerichteten und später vom Bund Deutscher Radfahrer (BDR)verworfenen Doping-Verdacht vor dem Ausschuss Rede und Antwort stehen zu wollen, lehnten nahezu alle Obleute ab. Detlef Parr von der FDP betonte, der Sportausschuss sei "kein Anti-Doping-Inquisitor": "Die Sitzungen dürfen keinesfalls zu Sporttribunalen ausarten. Es wird schon gespottet, dass wir demnächst sogar Doping-Proben selbst entnehmen." Auch CDU-Politiker Klaus Riegert hat für das Vorhaben nur wenig Verständnis: "Ich halte das für kompletten Blödsinn." Die nächste Sitzung findet am 24. Oktober statt, bislang steht das Thema Schumacher jedoch nicht auf der Tagesordnung. Der Gerolsteiner Profi Schumacher hatte nach auffälligen Blutwerten bei einer Trainingskontrolle vom 25. September, die mit einer Durchfallerkrankung erklärt werden konnten, alle seine Werte dem Weltverband UCI und dem BDR offengelegt. Zudem wies eine Urinprobe des Nürtingers vom selben Tag ein negatives Ergebnis auf.Schumachers Teamkollege Davide Rebellin hat seinen Vertrag beim Team Gerolsteiner um ein weiteres Jahr bis Ende 2008 verlängert. Der 36 Jahre alte Klassiker-Spezialist fährt seit 2002 für den Radrennstall von Hans-Michael Holczer. Als zweiten Neuzugang nach dem Erfurter Stephan Schreck (von T-Mobile) gab Gerolsteiner die Verpflichtung des 25-jährigen Italieners Francesco De Bonis bis 2009 bekannt. Ihre Laufbahn beenden die Schweizer Beat Zberg und Marcel Strauss; die Verträge von Thorsten Hiekmann (Jena) und David Kopp (Köln) werden nicht verlängert. Eishockey-Nationalspieler Christoph Schubert hat mit den Ottawa Senators seine erste Saisonniederlage in der NHL kassiert und damit den vereinsinternen Startrekord verpasst. Ottawa verlor nach fünf Siegen infolge gegen die Carolina Hurricanes mit Nationalmannschafts-Kollege Dennis Seidenberg 3:5. Matchwinner für den Stanley-Cup-Sieger von 2006 war der frühere Berliner Stürmer Erik Cole mit zwei Treffern. Dennoch führt Ottawa die Tabelle in der Northeast Division mit zehn Punkten souverän an. Unterdessen fuhr Jochen Hecht mit seinen Buffalo Sabres dank eines ungefährdeten 6:0 gegen die Atlanta Thrashers den ersten Saisonsieg ein. Hecht konnte sich aber nicht in die Scorerliste eintragen. pav/dpa/sid
McLaren-Mercedes steht dem Einsatz eines Sonderbeobachters für die Piloten Alonso und Hamilton beim Formel-1-Saisonfinale in Brasilien positiv gegenüber. Bei der Rallye-WM ist Vorjahressieger Loeb gut unterwegs. Radprofi Stefan Schumacher sorgt erneut für Unruhe.
[ "Mixed Zone" ]
Sport
Formel 1
2007-10-12T18:43:57+02:00
2007-10-12T18:43:57+02:00
https://www.spiegel.de/sport/formel1/mixed-zone-mercedes-fuer-aufpasser-wirbel-um-schumacher-und-beyer-a-511174.html
Netzwelt-Ticker: Landgericht urteilt gegen Filesharing-Abmahnkosten
Nur 15 Euro Abmahngebühren für jede getauschte Lied-Datei? Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 8. Oktober 2010 (Aktenzeichen 308 O 710/09) war aufsehenerregend: Statt Hunderter oder Tausender Euros sollten ein zum Tatzeitpunkt Minderjähriger und sein Vater für zwei in Tauschbörsen angebotene Songs nur 60 Euro zahlen. Das LG Hamburg wollte damit ausdrücken, "was vernünftige Parteien bei Abschluss eines fiktiven Lizenzvertrags alsangemessene Lizenzgebühr  für die Nutzung der Musikaufnahmen vereinbart hätten." Doch in dem Urteil stecke Sprengstoff, meint Filesharer-Anwalt Christian Solmecke. Die Hamburger Richter stellten ihm zufolge auch fest, dass die - in solchen Abmahnungen finanziell oft zentralen Rechtsanwaltskosten - zu unspezifisch waren und daher überhaupt keine Abmahnkosten verlangt werden könnten. "Sollte dieses Urteil Bestand haben," analysiert Rechtsanwalt Solmecke, "hätte dasAuswirkungen auf Tausende von Abmahnungen , die in den vergangenen Jahren seitens der Kanzlei Rasch verschickt worden sind." Die genannte Kanzlei vertritt nach eigenen Angaben die führenden deutschen Tonträgerhersteller. In aktuellen Verfahren will Solmecke nun die Hamburger Argumente einfließen lassen, um herauszufinden, ob die Gerichte in Köln die Erstattung der Abmahngebühren verweigern. Zu viel darf man sich von der Begründung des LG Hamburg aber nicht erwarten. Solmecke in einer Mail an SPIEGEL ONLINE: "Die ganz aktuellen Abmahnungen sind meist nicht betroffen, da neuerdings konkret ein Titel und ein Rechteinhaber genannt werden." Einen Vorteil von dem Urteil kann sich auch nur versprechen, wer eine unspezifische Abmahnung der Kanzlei Rasch erhalten und die Zahlung der Abmahnkosten damals verweigert hatte. "So jemand sollte auch weiterhin die Zahlung verweigern, bis die Sache höchstrichterlich geklärt worden ist," meint Solmecke. E-Buch-Bestsellerlisten in der "New York Times"Die "New York Times" wird von 2011 anBestseller-Listen von E-Büchern  veröffentlichen. Dazu will die Zeitung, die seit 1935 Print-Bestseller vorstellt, wochenaktuelle Daten von Verlagen, Buchhandelsketten, unabhängigen Buchhändlern und Online-Shops zusammentragen. Der "Sydney Morning Herald" sieht diesen Zug als Symbol für die rasant steigende Akzeptanz von E-Büchern und ihren populären Lesegeräten.Tatsächlich läuft der E-Buch-Verkauf zumindest in den USA gut: Laut den Marktforschern von Forrester Research wurde dort 2010 fast eine Milliarde Dollar mit E-Büchern eingenommen, bis 2015 soll sich der Umsatz verdreifachen. Bündnisfall bei Cyber-Angriff: Wie reagiert die Nato?Cyber-AngriffeRechtfertigt ein Cyber-Angriff eines anderes Landes einen Militärschlag? Jürgen Trittin: "Wollen Sie Google bombardieren?  Das kann doch nicht ernsthaft eine Alternative sein," sagte Trittin am Mittwoch im Bundestag. Der Grünen-Fraktionschef warnte laut "Handelsblatt" davor, die Schwelle für einen Militärschlag zu senken. Gegenkönnten die Instrumente der Nato nichts ausrichten. Anlass ist die Debatte um das neue strategische Konzept der Nato, das nächste Woche bei einem Gipfeltreffen in Lissabon beschlossen werden soll. Dazu gehört auch der Umgang mit Cyber-Angriffen, etwa auf die Stromversorgung eines Landes. Auch Außenminister Westerwelle warnt vor militärischen Antworten auf Angriffe aus dem Netz: Es gebe auch andere Möglichkeiten als die Ausrufung des Bündnisfalls nach Artikel fünf des Nato-Vertrages. Bündnisfall, Cyber-Angriff? Jetzt geht das Geschacher um Verantwortlichkeiten, Hierarchien und Mitbestimmungsrechte in Sachen Internet auch auf militärischer Ebene los. Im Grunde lautet die Frage: Wer ist für die Sicherheit im Internet zuständig? Militär, Geheimdienste, Polizei, EU oder Nationalstaaten?In der Praxis gibt es dagegen ganz andere Fragen: Kommt dieser Cyberangriff nun aus einem spezifischen Land oder wird er nur darüber geroutet? Stecken Cyberkrieger dahinter, staatlich sanktionierte Hacker,oder doch wieder nur nationalistisch begeisterte Kriminelle, studentische Cybervandalen oder pickelige Vierzehnjährige auf der Suche nach Ruhm? Tatsächlich sind klare Schuldzuweisungen, geschweige denn Beweise in diesem Bereich nur sehr selten möglich: Auch im Fall der angeblich von China ausgegangenen Industriespionage-Hacks gegen US-Unternehmen Ende letzten Jahres ist bis heute nicht klar, wer wirklich dahinter stand. Wann sollten dann militärische Reaktionen erfolgen - fünf Jahre nach den Vorfällen, wenn die IT-Forensiker mit ihrer Arbeit durch sind?EU vs. Online-WerbungApropos Gefahren aus dem Netz: Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des EU-Parlaments hat laut Golem.de am Freitag einen Bericht zur Regulierung von Online-Werbung angenommen. Im Dezember wird das EU-Parlament also darüber abstimmen, ob etwa verhaltensbasierte Werbung (behavioural targeting) gekennzeichnet werden muss. Grund der Abstimmung war ein Bericht des Europa-Abgeordneten Philippe Juvin, in dem er sich besorgt über den Einfluss von Online-Werbung auf die Verbraucher zeigte (Bericht als PDF-Datei, 164 KB ) - etwa auch, wenn es um versteckte Werbung in Foren-Kommentaren oder andere Schleichwerbung im Netz geht. Ein interessanter Text mit vielen beunruhigenden Punkten..Twitter kann jetzt auch Ping (und vice versa)Ping, das soziale Musiknetzwerk von Apple, hat sich einen starken Koop-Partner gesucht: Twitter. Wer beiTwitter und Ping  eine Mitgliedschaft hat, kann seinen Twitter-Followern Musikempfehlungen jetzt noch deutlicher um die Ohren hauen: Zu jedem iTunes-Link oder Ping-Post, der auch an Twitter geschickt wird, gibt es auf der Twitter-Seite eine Song-Preview und eine Playlist. Einordentliches Musik-Blog  wird auch dieser soziale Netzwerk-Spam nicht ersetzen. Weitere MeldungenPGP auf Mac OS X?  Vorsicht vor dem aktuellen Apple-UpdateSchnelle Firefox-4-Beta : Ars Technica ist begeistertFlughafenscherz : Stephen Fry führt Twitter-Protest gegen Twitter-Verurteilung anFriends-App : Eine Über-Freunde-Liste
Felix Knoke
Ein mildes Filesharing-Urteil vom Oktober könnte weitreichende Folgen haben. Außerdem im Überblick: E-Buch-Bestsellerlisten in der "New York Times", Trittin will keinen Nato-Bündnisfall bei Cyber-Angriffen und das EU-Parlament muss über eine Regulierung von Online-Werbung abstimmen.
[ "Filesharing", "Netzticker", "Kriege der Zukunft" ]
Netzwelt
Web
2010-11-12T14:50:49+01:00
2010-11-12T14:50:49+01:00
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/netzwelt-ticker-landgericht-urteilt-gegen-filesharing-abmahnkosten-a-728766.html
Zunder von rechts
Altes Denken in Moskau? Der sowjetische Verteidigungsminister Dmitrij Jasow, so berichtete letzte Woche Bundeswehr-Generalinspekteur Dieter Wellershoff nach seiner Rückkehr aus der Sowjet-Union im Verteidigungsausschuß des Bundestages, habe ihm erklärt, warum die USA in Europa unbedingt neue atomare Kurzstreckenraketen stationieren möchten: Sie wollten einfach »ein Geschäft machen«. Der ranghöchste Bonner Soldat kaufte dies Argument seinem Gastgeber nicht ab. Und er zeigte sich nicht überrascht vom neuen Denken der sowjetischen Armeeführung im Raketenstreit: Die Sowjets strebten nach der »Denuklearisierung Europas«. Aus deren Sicht, bekannte der deutsche Admiral, könne er das sogar verstehen, wie umgekehrt die sowjetischen Generalstäbler aber auch sein Credo verstanden hätten: »Ein atomwaffenfreies Europa liegt nicht im westlichen Interesse.« Der Admiral brachte eine weitere Erkenntnis von seiner Ostfahrt mit: Am liebsten würde Moskau bei den Wiener Verhandlungen über die Reduzierung der konventionellen Rüstung in Europa mit dem Westen sofort auch über Atomwaffen, Kampfflugzeuge, Seestreitkräfte und Truppenstärken verhandeln. Doch da die Amerikaner und Briten genau das nicht wollen, warnte Wellershoff die Sowjets davor, die Wiener Gespräche zu »überfrachten«. Auf eine Debatte über die Forderung der Angelsachsen, in der Bundesrepublik neue Atomwaffen aufzustellen, mochte sich der Admiral in Moskau nicht einlassen. Das sei, beschied er seine Gesprächspartner, Sache des Nato-Bündnisses. Es ist auch Sache Bonns. Denn am Tag bevor der General vor den Abgeordneten referierte, kam es in der regierenden Christenunion zum offenen Krach um die »Lance«-Kurzstreckenraketen: ob und wann über die Verringerung atomarer Kurzstreckenwaffen mit dem Osten verhandelt werden soll, ob und wann sie in der Bundesrepublik modernisiert werden müssen oder ob sie - wie die Mittelstreckenwaffen - verschrottet werden können. Bonn und Washington bemühten sich letzte Woche, einen Kompromiß zu erreichen. So äußerte US-Präsident George Bush »das sichere Gefühl«, seine Vorstellungen würden sich durchsetzen; jedenfalls werde es keinen Streit geben. Den gibt es aber in Bonn. Letzte Woche drohte die Christenfraktion im Bonner Parlament erst mal damit, den Mitte April mühsam gezimmerten Kompromiß der Koalition wieder aufzukündigen. Weil manche Christsoziale die amerikanische Drohung ernst nehmen, die US-Truppen aus Europa abzuziehen, wenn sich die Westdeutschen der neuen Nachrüstung widersetzen, machten sie Front gegen FDP-Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Noch bevor Genscher bei Begegnungen mit US-Außenminister James Baker und Moskaus Außenamtschef Eduard Schewardnadse die Position der Großmächte erkunden konnte, warfen ihm Koalitionsfreunde offen »Großmannssucht« und »Kraftmeierei« vor. Das zielte auf seinen Hinweis, in der Debatte um die Stationierung neuer Nuklearwaffen in Deutschland hätten die Bonner »das erste und das letzte Wort«. Auch Fraktionschef Alfred Dregger, der - allerdings nur bei Nuklearraketen - seit langem liberaler Umtriebe verdächtigt wird ("Je kürzer die Reichweiten, desto toter die Deutschen"), bekam als vermeintlicher Genscherist Zunder. CSU-Verkehrsminister Friedrich Zimmermann machte sich in der CSU-Landesgruppe über Dreggers »Holzkopf-Populismus« lustig. Der Weltkrieg-II-Hauptmann, so Zimmermann zur Gaudi der CSU-Truppe, verbreite immer noch Parolen nach dem Motto: »Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr.« Im CDU/CSU-Fraktionsvorstand stänkerte letzten Montag auch der neue Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) offen gegen Genscher, mit dem er Ende April vorwiegend schweigsam zum Rapport bei US-Verteidigungsminister Richard Cheney gereist war: Der Außenminister »gehört nicht gerade zu denjenigen, die zu einer Beruhigung des Klimas« in der Koalition und der Nato-Allianz beitrügen. Es sei schon »komisch«, so Stoltenberg, der nach Pfingsten zum ersten offiziellen Arbeitsbesuch nach Washington fährt, daß »der Kollege Genscher« die Koalitionspartner zu leiseren Tönen ermahne, sich selbst aber »unentwegt« zu Wort melde. So gleich wieder am vorigen Donnerstag: Er bedaure, so Genscher, die Entwicklung in der Koalition außerordentlich. Aber sie sei in erster Linie ein Problem der Unionsparteien, die er ausdrücklich ermahnte, sich hinter die Raketen-Vereinbarung und - Ironie? - hinter Bundeskanzler Kohl zu stellen. Die Koalition ist wieder da, wo sie vor ihrem Raketen-Kompromiß im April war - zerstritten, konzeptionslos und auf ständiger Suche nach Sündenböcken. Neu ist jetzt, daß die Unionsrebellen den Kampf gegen ihre eigene Führung aufnahmen und dabei auf mächtige Verbündete zählen können - die Regierungen in Washington und London. Hinter dem Rücken Genschers und mit augenzwinkernder Duldung Helmut Kohls rieten christliche Hartmacher vorige Woche Amerikanern und Briten sogar, sie sollten getrost auf ihrem Rüstungskurs bleiben. Mit den Sowjets dürfe über die Atomabrüstung in Europa erst verhandelt werden, wenn in Wien völkerrechtlich verbindliche Verträge über ein Gleichgewicht bei den konventionellen Streitkräften unterschrieben seien. Und das kann Jahre dauern.
In der CSU wächst die Kritik am Raketen-Kompromiß der Koalition.
[ "Washington", "Europa", "Moskau" ]
Politik
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1989-05-14T13:00:00+02:00
1989-05-14T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/zunder-von-rechts-a-f6d39cb4-0002-0001-0000-000013494489?context=issue
DFB-Pokal: Hoffenheim und Schalke bejubeln das Viertelfinale
Hamburg - Borussia Mönchengladbach ist raus aus dem DFB-Pokal. DasBundesliga-Schlusslicht verlor im Achtelfinale bei der TSG 1899 Hoffenheim 0:2 (0:1) und kann sich im kommenden Jahr voll und ganz auf den Abstiegskampf im Oberhaus konzentrieren - das zumindest ist die positive Seite des Ausscheidens. Gylfi Sigurdsson (35. Minute) und Demba Ba (63.) trafen für die Gastgeber. Konzentrieren ohne Pokalstress kann sich 2011 auch der FC Augsburg - auf das Projekt Bundesliga-Aufstieg. DerZweitliga-Spitzenreiter verlor zu Hause gegen den FC Schalke 0:1 (0:0), Jefferson Farfán (84.) erzielte den entscheidenden Treffer. Die für Dienstagabend angesetzten Spiele zwischenOffenbach und Nürnberg sowieKoblenz und Kaiserslautern waren wegen des heftigen Schneefalls der vergangenen Tage abgesagt worden. Nachholtermin für beide Partien ist der 18. oder 19. Januar. Die 23.500 Zuschauer in der Rhein-Neckar-Arena sahen in den ersten Minuten ein überlegenes Hoffenheimer Team, bei dem der zuletzt angeschlagene und heftig vomFC Bayern umworbene Mittelfeldspieler Luiz Gustavo von Beginn an spielte. Doch auch mit dem Brasilianer als Antreiber konnten sich die Gastgeber zunächst keine nennenswerten Torchancen erarbeiten. Bis zur Mitte des ersten Durchgangs lieferten sich beide Teams ein langweiliges Pokalduell ohne Höhepunkte. Fehler von Gladbach-Torwart Heimeroth begünstigt Hoffenheims FührungErst in der 26. Minute kam 1899 gefährlich vor das Gladbacher Tor. Nach einem Solo von Sebastian Rudy verfehlte Ba die Hereingabe nur knapp. Besser machte es Sigurdsson neun Minuten später, als er einen Freistoß direkt verwandelte. Bei dem Treffer sah Gäste-Keeper Christofer Heimeroth allerdings schlecht aus. Er machte einen Schritt in die Mitte des Tores, damit war die Torwartecke frei - und dort schlug der Ball auch ein. Kurz nach dem Seitenwechsel vergab der Hoffenheimer Boris Vukcevic die Chance zur Vorentscheidung (47.). Beim Schuss des Offensivspielers war Heimeroth zur Stelle. Im Anschluss an diese Szene wurden die Gäste agiler, ohne das von Daniel Haas gehütete Hoffenheimer Tor aber ernsthaft in Gefahr zu bringen. Im Gegenteil: Die beste Chance in der ersten Viertelstunde des zweiten Durchgangs hatte auf der anderen Seite wieder Sigurdsson (58.). Zuvor versagte Schiedsrichter Felix Brych einem Treffer der Gastgeber die Anerkennung, weil Ba einen Schuss von Sejad Salihovic (53.) im Abseits liegend abgefälscht hatte. Nach gut einer Stunde traf Ba dann regulär. Er verwertete eine Ecke von Salihovic aus kurzer Distanz. Es war die Entscheidung, weil die wegen vieler Verletzungen personell dezimierten Gladbacher - zuletzt hatte Borussia-Trainer Michael Frontzeck auch nochStürmer Mohamadou Idrissou suspendiert - den Gastgebern nichts mehr entgegen zu setzen hatten."Das war ein verdientes Ausscheiden. Die bessere Mannschaft ist weitergekommen. Ich bin froh, dass die Seuchen-Hinrunde ein Ende hat", sagte Frontzeck: "Wir wollen nun in der Winterpause den Kopf klarkriegen, um die Aufgabe Klassenerhalt anzugehen." 1899 Hoffenheim - Borussia Mönchengladbach 2:0 (1:0)1:0 Sigurdsson (35.)2:0 Ba (63.)Hoffenheim: Daniel Haas - Beck, Vorsah, Compper, Ibertsberger - Rudy, Gustavo (90.+1 Jaissle) - Vukcevic, Sigurdsson (89. Thomalla), Salihovic - Ba (80. Mlapa)Mönchengladbach: Heimeroth - Levels, Callsen-Bracker, Daems, Wissing - Neustädter - Bradley, Marx (46. Herrmann) - Reus (89. Bäcker), Arango (67. Matmour) - de CamargoSchiedsrichter: BrychZuschauer: 23.500Gelbe Karten: Sigurdsson, Rudy, VorsahJefferson Farfán schießt Schalke ins ViertelfinaleDank Jefferson Farfán kann Schalke 04 einen gelungenen Jahresausklang bejubeln. Nach demEinzug ins Achtelfinale der Champions League und zuletzt drei Siegen in der Bundesliga mischt die Mannschaft von Trainer Felix Magath auch im DFB-Pokal weiter mit. Der Treffer des Peruaners in der 84. Minute reichte zum 1:0 (0:0)-Sieg beimZweitliga-Tabellenführer FC Augsburg und damit zum Einzug ins Viertelfinale. Sehenswert war es nicht, was beide Teams bei schwierigen Platzverhältnissen boten. Strafraumszenen blieben bis weit in die zweite Halbzeit hinein äußerst selten. Schalke kam gegen die geschickt verteidigenden Gastgeber erst in der 78. Minute zur ersten echten Torchance. Augsburgs Verteidiger Axel Bellinghausen schlug den Schuss von Raúl, der erstmals im DFB-Pokal zum Einsatz kam, von der Torlinie.Vor allem Augsburg, im Frühjahrauf dem Weg ins Endspiel des DFB-Pokals von Werder Bremen gestoppt, ging mit viel Engagement in die Partie. Der Zweitligist hielt lange mit, kam aber kaum zu Chancen, weil die Abwehr der Gäste meist sicher stand - oder sich mit Fouls vor dem Strafraum behalf. Augsburg taktisch gut eingestelltSchalke ging vor 30.660 Zuschauern in der ausverkauften Augsburger Arena ebenfalls engagiert zu Werke, kam aber nur selten vor das Tor von FCA-Schlussmann Simon Jentzsch. Dessen Vorderleute waren taktisch gut eingestellt, machten die Räume eng und unterbanden Pässe aus dem Schalker Mittelfeld auf die Angreifer.In der 23. Minute hatte der Augsburger Stephan Hain die erste Chance des gesamten Spiels und bis zur Halbzeit auch die einzige. Aus guter Position im Strafraum setzte er den Ball aber neben das Tor von S04-Keeper Manuel Neuer. Danach wurde das Spiel zunehmend ausgeglichener. Schalke tauchte nun häufiger in der Augsburger Hälfte auf, fand aber keine Lücken der gegnerischen Abwehr. Raúl vergibt Großchance für Schalke, Farfán trifftMit Beginn der zweiten Halbzeit erhöhte der Erstligist den Druck, vor allem Farfán sorgte über die rechte Angriffsseite für Gefahr. Mehr als der erste Eckball des gesamten Spiel in der 52. Minute sprang aber zunächst nicht heraus. Stattdessen erspielte sich Augsburg die zweite und bis dahin beste Chance des Spiels, Tobias Werner scheiterte allerdings am gut postierten Neuer (65.). Nach der Großchance von Raúl erzielte dann Farfán die Entscheidung."Es war eine schwere Aufgabe, das habe ich auch nie anders erwartet. Augsburg war hochmotiviert, auch wegen der schlechten Bodenverhältnisse war es für uns schwierig. Ich bin mit der Leistung meiner Mannschaft insgesamt zufrieden", sagte Schalkes Trainer Felix Magath, der die Weihnachtsferien seiner Profis kurzerhand um fünf Tage verlängerte. Statt am kommenden Montag müssen die Schalker erst am 2. Januar zur ersten Vorbereitungseinheit auf die Rückrunde antreten. FC Augsburg - Schalke 04 0:1 (0:0)0:1 Farfán (84.)Augsburg: Jentzsch - Verhaegh, Möhrle, Sankoh, Bellinghausen - Brinkmann, Kwakman - Oehrl, Werner (75. Thurk) - Hain, Rafael (60. Bertram)Schalke: Neuer - Uchida (90.+2 Matip), Höwedes, Metzelder, Schmitz - Kluge, Rakitic - Farfán, Jurado (54. Edu, 89. Papadopoulos) - Raúl, Huntelaar Schiedsrichter: GräfeZuschauer: 30.660 (ausverkauft)Gelbe Karten: Sankoh - Metzelder, Huntelaar
ham/jok/sid/dpa
Zwei Bundesligisten unter den besten Acht: Hoffenheim und Schalke haben sich für das Viertelfinale im DFB-Pokal qualifiziert. 1899 besiegte im eigenen Stadion Mönchengladbach, war gegen die Borussia klar überlegen. Mehr Mühe hatte S04 bei seinem Erfolg in Augsburg.
[ "DFB-Pokal", "TSG 1899 Hoffenheim", "Borussia Mönchengladbach", "FC Augsburg", "Schalke 04" ]
Sport
Fußball-News
2010-12-21T23:05:00+01:00
2010-12-21T23:05:00+01:00
https://www.spiegel.de/sport/fussball/dfb-pokal-hoffenheim-und-schalke-bejubeln-das-viertelfinale-a-736059.html
James Bamford - Herz: Biometrie: Schau mir in die Augen
In der Weihnachtszeit wetteifern die Beschäftigten darin, wer die originellsten Türdekorationen ersinnt. 1999 befand sich an der Tür zu Raum 1W070 in OPS 1 die Replik eines Fernmeldeaufklärungs-Raumschiffs mit der Aufschrift "Der funktionsgestörte Weltraum-Weihnachtsmann". Um andere Büros zu betreten wie etwa das Special Processing Laboratory der NSA, muss man zunächst eine komplexe, unbemannte Station passieren, das so genannte Hochsicherheitsportal. Nachdem man eine von Glas umschlossene Kabine betreten hat, muss derjenige, der weitergehen will, eine Sicherheitsmarke in ein Lesegerät eingeben, wie es sie auch für Kreditkarten gibt. Der Computer prüft dann den Namen der betreffenden Person anhand einer Zugangsliste mit der Codebezeichnung CONFIRM. Danach tritt ein Augenscanner in Aktion und bietet eine positiveIdentifizierung, indem er das Muster der Blutgefäße in der Netzhaut am Augenhintergrund feststellt und mit dem in der CONFIRM-Datenbank gespeicherten Muster des Betreffenden vergleicht. Die Netzhaut eines Menschen ist einzigartig und verändert sich im Lauf des Lebens auch nicht. Schließlich wird noch das Gewicht des Betreffenden gemessen und wiederum im CONFIRM-System abgeglichen, um sicherzustellen, dass sich nur eine Person diesseits des Portals aufhält. Erst wenn alles übereinstimmt, kann die Tür mit dem roten Siegel geöffnet werden. Die NSA entwickelt ständig mehr und komplexere biometrische Identifikationssysteme. "Der Einsatz der Biometrie zur Identifikation und Beglaubigung von Menschen bietet einige einzigartige Vorteile", so Jeff Dunn, der bei der NSA für Biometrie und Schutzsysteme zuständig ist. "Nur eine biometrische Beglaubigung begründet eine Identifikation anhand eines unverwechselbaren Körperteils eines Menschen. Äußere Zeichen - etwa so genannte "smart cards", Plastikkarten mit Magnetstreifen, Schlüssel und so weiter - können verloren, gestohlen, nachgemacht oder zu Hause vergessen werden.Passwörter kann man vergessen, anderen mitteilen oder heimlich beobachten." 1999 installierte die NSA im Rahmen eines Pilotprojekts eine Reihe multibiometrischer Sicherheitsstationen. Bei diesen Stationen werden Fingerabdrücke, menschliche Stimmen und das menschliche Gesicht in einem einzigen System von neuen Technologien erfasst. Bei der Gesichtserkennung wird ein Computer mit "statistischem Wissen über menschliche Gesichter" programmiert, sodass er Bilder von Gesichtern in ihre Einzelteile zerlegen und wieder zusammensetzen kann.Sobald sie das Hochsicherheitsportal hinter sich gebracht haben, müssen manche Beschäftigten noch einen spurengesicherten Bereich betreten, um zu ihrer Arbeit zu gelangen. Wie der Name schon andeutet, ähnelt der Vault Type Room (VTR), der gewölbeähnliche Raum, einem großen, begehbaren Banksafe mit einer schweren dicken Stahltür und einem riesigen Kombinationsschloss. Aber selbst in Crypto City, selbst in einem der Gebäude der Stadt, selbst in einem Raum mit einem roten Siegel und schließlich auch mit einem Vault Type Room muss man gelegentlich immer noch wie bei einem chinesischen Puzzle eine weitere verschlossene Tür öffnen. Dazu muss man sich zunächst zu einem hohen, stählernen schrankähnlichen Gerät begeben, einer Automated Key Access Machine (AKAM), einer automatischen Schlüsselzugangsmaschine.Nachdem man seine Dienstmarke und seine PIN-Zahl eingegeben hat, durchsucht der Computer die Zugangslisten und entscheidet, ob der Betreffende Zugang erhält, holt den Schlüssel und reicht ihn mit einem Roboterarm hinaus. Jede Maschine hat auf einem Karussell 406 Schlüssel gespeichert und eine Reaktionszeit von weniger als 30 Sekunden. Überdies kann sie die Bewegungen der Schlüssel vollständig verfolgen. Obwohl man annehmen könnte, irgendein von Sicherheitsfragen besessener Wissenschaftler hätte sich AKAM in irgendeiner dunklen Ecke der NSA ausgedacht, wurde das System in Wahrheit für den Einsatz bei Autohändlern konstruiert. Ein für Aspekte der Sicherheit zuständiger NSA-Angestellter entdeckte das Gerät einmal, als er sich einen neuen Wagen kaufen wollte, und erkannte dessen Potenzial. Die Behörde hat dann in Zusammenarbeit mit dem Hersteller Key Systems daran gearbeitet, die Ausrüstung für den Einsatz in Crypto City zu modifizieren.Schließlich führt noch ein weiterer Durchgang zum Headquarters Building. Wie das OPS 1 residieren dort in erster Linie Beschäftigte des Operationsdirektorats, des DO. In den Büros kritzeln einige Leute auf grünen Schreibtafeln herum, während andere sich in "Gruppenbereichen" unterhalten, informellen Treffpunkten, darauf angelegt, den Ideenaustausch der Angestellten untereinander zu fördern. Die meisten arbeiten in unauffälligen schulterhohen Kabinen und tippen auf der Tastatur eines von Sun Microsystems gebauten UNIX-Systems herum oder an einer Workstation von Dell. Viele der Beschäftigten haben zwei separate Computerterminals auf dem Schreibtisch. Manche, vor allem Sprachenanalytiker, verfügen auch über Tonbandgeräte, um abgefangene sprachliche Mitteilungen anzuhören. Manchmal sind zwei Tonbandgeräte nötig, um beide Seiten einer Unterhaltung zu hören. Ebenso ist jeder Schreibtisch mit zwei Arten von Telefonen ausgerüstet: mit "schwarzen" Telefonen für normale Gespräche und mit "grauen" abhörsicheren Telefonen, den so genannten STU-III (Secure Telefone Unit 3; ausgesprochen "Stew"-3).105 Die STU-III-Telefone wurden Mitte der Achtzigerjahre im Auftrag der NSA entwickelt. Zuvor verwendete die NSA die weit schwerfälligeren STU-I und STU-II-Systeme, die noch aus den Siebzigerjahren stammten. Der hauptsächliche Nachteil dieser früheren abhörsicheren Telefone war die Notwendigkeit, zunächst eine "zentrale Anlaufstelle" anzurufen, bevor der Anruf zustande kam, was zu einer Verzögerung von zwei bis drei Minuten führte. Das STU-III kann sowohl als abhörsicheres Telefon für Gespräche genutzt werden, die als geheim oder streng geheim mit Codewort eingestuft sind, oder als ein "POTS" ("plain old telefone system", "einfaches altes Dampftelefon") für normale, nicht als geheim eingestufte Gespräche. Um "abhörsicher zu werden", führen sowohl der Anrufer als auch die Person am anderen Ende einen "Krypto-Zündschlüssel" aus dünnem schwarzen Kunststoff in ihr STU-III-Gerät ein. Viele Angestellte tragen den Schlüssel an ihrer Halskette, an der auch ihre Sicherheits-Dienstmarke befestigt ist. Sobald der Schlüssel eingeführt ist, verrät ein kleines Display am Telefon dem Angerufenen am anderen Ende, welche Sicherheitseinstufung der Inhaber des Schlüssels hat - geheim, streng geheim oder streng geheim mit Codewort. zurück zur Übersicht: Die Anatomie der Schlapphüte
[ "Technik-Buchtipp" ]
Netzwelt
Web
2001-04-26T12:42:37+02:00
2001-04-26T12:42:37+02:00
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/james-bamford-herz-biometrie-schau-mir-in-die-augen-a-130381.html
Tritt gegen Ismaël: Jones entschuldigt sich für Aussetzer
Frankfurt am Main - "Ich weiß nicht, wie mir das passieren konnte, es war ein Blackout, der nicht vorkommen darf. Es tut mir extrem Leid für meine Mannschaftskollegen und alle Fans, denen ich durch diese Aktion geschadet habe", sagte Jones am gestrigen Abend. Zuvor hatte er sichtelefonisch bei Ismaël entschuldigt. Noch am Dienstag hatte er direkt nach der Partie gegen Bayern München (0:1) seine Unschuld beteuert. "Es war wirklich keine Absicht", so der 23-Jährige. Ismaël war von Anfang an davon überzeugt, Jones habe mit Vorsatz gehandelt. "Es war für mich klare Absicht. Jones ist lange auf meinem Arm stehen geblieben." Zu dem Vorfall war es in der 30. Spielminute beim Spielstand von 0:0 gekommen. Der DFB-Kontrollausschuss hatte nachträglich tätig werden können, da Schiedsrichter Knut Kircher erklärte, die Szene nicht gesehen zu haben. Jones droht eine Sperre von mindestens zwei Meisterschaftsspielen wegen krass sportwidrigen Verhaltens.
Erst leugnete er, dann besann er sich. Jermaine Jones hat die Verantwortung für seinen Tritt gegen Bayern-Verteidiger Valerien Ismaël übernommen. Um eine nachträgliche Sperre wird der Frankfurter Stürmer dennoch nicht herumkommen.
[ "Fußball-Bundesliga" ]
Sport
Fußball-News
2005-09-22T11:50:48+02:00
2005-09-22T11:50:48+02:00
https://www.spiegel.de/sport/fussball/tritt-gegen-ismael-jones-entschuldigt-sich-fuer-aussetzer-a-375877.html
Germany vs. Ghana: The Boateng Brothers' World Cup Duel
Jerome Boateng has four tattoos. One of them, on his right forearm, consists of the word "Agyenim" and runs all the way from just above his wrist to his elbow. It is his middle name and means "the Great One" in Ashanti-Twi, the language of his father, who comes from Ghana. The 21-year old, whose mother is from Berlin, is a defender for the German national soccer team. Jerome has never been to Ghana, and yet he somehow feels connected to the African country, though he can't quite explain why. He likes to listen to music from Ghana, because it sounds cheerful, and he has a few Ghanaian friends. "But it was clear to me early on that I only wanted to play for Germany." Kevin-Prince Boateng has 13 tattoos. One of them, on his right upper arm, depicts a skull and four aces, with the words "The World Is Yours" in English. Kevin-Prince is Jerome's half-brother. They have the same father. He too is a professional football player, but he prefers music by German rapper Bushido, whose songs are about whores and anal sex. His mother's name is Christine, and through her he is related to legendary football player Helmut Rahn. Known as "The Boss," Kevin-Prince's great-uncle scored the winning goal for Germany in the final of the 1954 World Cup. 'Proud to Be African'Like Jerome, Kevin-Prince was born in Berlin. Most of what he knows about Ghana, his father's country, comes from stories he has heard. Nevertheless, he says: "I'm proud to be an African."The 23-year-old is hoping to play for the Black Stars, Ghana's national team. He has applied for a Ghanaian passport, which is only a formality at this point. The Ghana Football Association is depending on him to be a member of its team when it heads to South Africa for the World Cup in June. As youngsters the half-brothers played for the same club, Hertha BSC, both as amateurs and then professionals. They left the club three years ago. Jerome now plays for Hamburg SV, though he looks set to move to an English club next season, while Kevin-Prince plays for Portsmouth, in England's Premier League. Their paths could cross again as soon as June 23, when Germany is set to play Ghana at the World Cup, in Johannesburg's Soccer City Stadium. It is the last match in Group D, and it is highly likely that it will end up being a family duel, with one brother, Kevin-Prince, playing as an attacking midfielder for Ghana and the other, Jerome, as a defender for Germany. Like many children of immigrants, Jerome and Kevin-Prince Boateng have a diffuse relationship to their nationality and roots, with two hearts beating in their chests. When it comes to playing for the national team, however, they can only opt for one country. Kevin-Prince walks through the lobby of the Hilton Hotel in Southampton, wearing baggy jeans and clunky sneakers. He has the broad shoulders of a professional footballer.Most Promising New PlayerMany observers had predicted that he would end up on the German team eventually. Kevin-Prince Boateng had played 41 times for the German Football Association's junior teams. In July 2005, he scored the "goal of the month" when he hammered the ball into the net from the half-way line during a game for the U19 national team. In 2006, a jury selected him as the most promising new player of the year. But then, last summer, he announced that he would only play for Ghana from then on. It was a surprising decision, but he had made up his mind. Kevin-Prince looks around the lobby, searching for his manager. A short man from Cologne, with shoulder-length hair and carrying a briefcase, the manager is standing in the corner near a television set. He backpacked through India in his younger days. "I lived on the streets for a year," he says. "That's where you learn humility."The two men sit down in armchairs. Kevin-Prince pulls his mobile phone from his jacket pocket and stares absent-mindedly at the screen. His manager says: "If Ghana wins the World Cup, the whole continent will be on fire. And Kevin will be a star." That's the plan.Jerome Boateng is sitting at a table next to the window at Salentino's, an Italian restaurant in Hamburg's Winterhude neighborhood. It's getting dark outside as rain pelts against the windowpane. He smells of cologne, but not overpoweringly, and he has a diamond stud in each ear. He orders an arugula salad and a bottle of mineral water. For a national player, Jerome Boateng is thinner than one would expect. He speaks quietly and seems almost shy. "I never thought of playing for Ghana," he says. Why not?"Because it doesn't make any sense. Germany is my home. I like the people here, and the mentality," he says. "The fact that Kevin made a different choice is his business. But he's my half-brother, and I'm happy for him."'Why Should You Make It?'Jerome grew up in Berlin's Wilmersdorf neighborhood, in a three-room apartment not far from the Kurfürstendamm, West Berlin's main shopping boulevard. His father moved out when Jerome was five. His mother, Martina, was a flight attendant for British Airways, and she now works for Lufthansa.Martina Boateng comes to the restaurant straight from the dentist, where she has just had a molar pulled. Her upper jaw is still numb. She orders a cup of coffee, although she is not supposed to drink anything. Jerome's mother says that she never wanted her son to become a football player. She wanted him to learn something worthwhile, something with a future. "I used to annoy him by asking: Why should you, of all people, make it as a professional?" She was also opposed to his attending Hertha BSC's youth academy, because she has a low opinion of comprehensive schools. Nevertheless, Jerome attended the Poelchau secondary school, an "elite sports school," until the 10th grade. He didn't do well in biology, physics and mathematics, but good grades were important to his mother.Martina Boateng carefully sips her coffee. The anesthetic hasn't worn off yet. "At the time, I didn't recognize how determined Jerome was. Today I have to say: Kudos!" Kevin-Prince, his half-brother, visited often when they were growing up. Jerome went to the movies with him, and they played table tennis or basketball together. But most of the time they played football. "Kevin was Jerome's idol," says Martina Boateng. She rolls her eyes, as if it were something she doesn't like to think about. "I really like Kevin. He's funny, a clown. He loves to make people laugh. But he can't accept a subordinate role, he has a big mouth and he doesn't obey the rules. That always comes through." When the boys were younger, she feared that Kevin would be a bad influence on her son. For a time, Jerome adopted a sort of affected immigrant dialect, speaking in rudimentary sentences without articles. But that was the extent of his rebelliousness. Today Jerome is the epitome of the modern professional athlete. He doesn't drink and he doesn't smoke. He likes to spend time on his Playstation. His mother says: "Jerome figured out on his own that all the way Kevin acts isn't necessarily all that great."Different Personalities and Playing StylesThe half-brothers' different personalities are reflected in their playing styles. Jerome is a disciplined defender, keeping track of things and remaining calm when on the ball. Kevin-Prince can control and finish, but his actions are more physical, almost angry. Last year he kicked a player on the opposing team in the temple. The wound had to be sewed up with seven stitches. Martina Boateng puts on her coat. On the way out, she says that she had expected that Jerome would play for Germany. She prefers not to comment on Kevin-Prince's decision to play for Ghana. All she says is: "Kevin comes from Wedding. I admire him for having fought his way out of there."Wedding is a poor Berlin neighborhood where foreigners make up a third of the residents. The unemployment rate is above 15 percent, 15,000 crimes are recorded every year, and the number of welfare recipients is high.Kevin-Prince was one-and-a-half when his father left the family home. His mother played football with the second-tier team Meteor 06 and worked long hours in a cookie factory. She eventually stopped working and went on welfare to take care of her children, two boys and three girls. Today she works as a geriatric nurse. 'I Was a Bad Role Model'A man walks through the drizzle wearing a parka, the hood pulled down, half-covering his face. "Let's walk a little," he says. George Boateng is Kevin-Prince's older brother and Jerome's other half-brother. He takes us to the back room of a café. The 27-year-old is married to a Turkish Kurd and they have two children. He was a gifted football player when he was younger, but he destroyed his own career.He was the terror of the streets as a teenager. "I got into a lot of trouble. Fights, probation. I had a short fuse, and I was a bad role model for Kevin. He can thank me for his reputation." He says that he calmed down after meeting his wife. "I haven't even parked illegally in 10 years." Three years ago, however, he and his brother did try to attack then Hertha coach Falko Götz. The coach had told a journalist that he had once been to Kevin-Prince's house. "He has a lot of siblings, all from different fathers," Götz said. George Boateng leans forward. Götz isn't exactly a hero himself, he says. Slot machines flash behind him and the air smells of stale cigarette smoke.When asked about his brother's affairs, he sits up straight again. "I'm the last one to claim that Kevin is an angel. But he's a good person. I'm not. I'm aggressive. I told him not to become like me." He doesn't want to talk about it anymore, he says. He prefers to talk about Jerome, his half-brother. "Jerome is my haven. Everyone calms down when he walks into the room. Kevin is ambitious. Jerome is a perfectionist. He lives for success."George is Jerome's harshest critic and his biggest fan. They speak on the telephone every day, discussing the last training session and analyzing moves. "Jerome is like a sponge. He absorbs everything." The two most important things in their lives are football and family -- in that order. Occasionally they talk about their father.Prince Boateng is waiting in a pub on the Adenauerplatz square in western Berlin. He sits at the bar, wearing an elegant jacket, two bracelets and three rings. A scar on his cheek identifies him as a member of the Aduana tribe. Football Pitches Like CagesIn 1981, he left Sunyani, a city in western Ghana, and went to Germany by way of Hungary. He wanted to study business administration, but nothing came of it. There was too much paperwork involved. Instead, he scraped by as a waiter and disc jockey, later selling Italian fashion and occasionally working as a model.He told his sons a lot about life in Africa. His parents were cacao and coffee farmers. His youngest brother played for the Ghanaian national football team. Boateng himself made it only as far as a local club in Berlin, the Reinickendorfer Füchse.Prince Boateng travels to Ghana twice a year. He is currently having a house built in the capital Accra, and it is almost finished. The house is for his children, so that they can stay there if they choose to accompany him. The African side of Jerome and Kevin-Prince, he says, is their suppleness, their looseness. "Both of them are great dancers."And what's German about them?He thinks for a moment. "Jerome is punctual and reliable, which is something you can't really say about Kevin."It was always important to him that his children spent as much time together as possible. He coached both of them when they were still little boys. Sometimes they were allowed to play the ball with their left feet only, and sometimes only with their right feet. Sometimes they practiced free kicks and sometimes headers. His sons learned how to run, dribble and score goals on football pitches that looked like cages, surrounded by tall metal fences. Kevin would flick the ball with his heel over his head, dropping it to his foot -- wearing rubber boots.Jerome joined Tennis Borussia Berlin, where he scored five goals in his first game. In 2002, he switched to Hertha, where Kevin-Prince was already playing. Some of their coaches felt that they were the most talented players to have ever played for the club.Jerome debuted with the German national team last October, when he was part of the first 11 in a deciding World Cup qualifying match in Russia. His father watched the match on television in Jerome's apartment, "with tears in my eyes," as he says. Shortly before the break, Jerome was shown a yellow card because of a foul on the edge of the penalty box. "The ref didn't have to do that," says the father. In the 69th minute, Jerome brought down a Russian player and was shown a yellow and then a red card."He sacrificed himself for Germany," says Prince Boateng. It isn't meant to sound vain, but apologetic. "He started running a little too late, and his only option was to commit a foul, or else the Russian would have run toward the goal alone. It broke my heart to see him sent off."He says he lost contact with Kevin-Prince when his son went to England three years ago. Kevin-Prince spent a lot of time in nightclubs and going to parties. He bought three cars on a single day, a Lamborghini, a Hummer and a Cadillac Oldtimer. He also bought a new wardrobe: 160 pairs of shoes, 200 hats and 20 leather jackets.A Score to Settle with Germany?"The boy needed help, but he didn't let anyone near him," says the father. He tried to reach his son by calling him and sending him text messages, but "Kevin never answered." He seems distracted for a moment, as if he were re-examining everything in his mind.He only learned Kevin-Prince would be playing for Ghana when he read it in the paper that. He says that he would have been pleased if his son had told him himself. They have been back in touch since December, thanks to the efforts of his daughter-in-law. The father and son had a long talk that lasted from 9 p.m. until 4 a.m. Prince Boateng says when Germany plays Ghana at the World Cup, "I won't root for either side. The better team should win."How does he feel about the fact that Kevin-Prince plans to play for his native country? "I accept it. I support him completely. The German Football Association made him feel that he was no longer needed."He talks about the events of last May. Before the U21 European championship in Sweden, the team went to a training camp on Tegernsee, a lake near Munich. One player still had to be eliminated. The decision was up to the team council. One of the players who was there, but doesn't want to be identified, says: "Kevin was picked because he had been late for meetings several times. The idea was: Someone who's that unreliable jeopardizes the entire project. If you want to win the title, you can't have anyone stepping out of line. Besides, he was injured."'A Lack of Discipline and Egotism'When Kevin-Prince found out, he burst into tears. His half-brother tried to console him. Germany won the championship, and Jerome excelled. Matthias Sammer, the sports director of the German Football Association, puts it this way: "A lack of discipline and egotism can be discerned in Kevin-Prince. When it comes to his athletic and mental constitution, Jerome is the stronger player." In other words one brother is a good fit for Germany, while the other is not.Kevin-Prince's manager is sitting in the hotel lobby in Southampton, with his briefcase next to his chair. He says that Kevin-Prince will succeed, one way or the other. "Kevin is also a good singer. Maybe he'll record a record soon."We'd like to ask Kevin-Prince why he wants to play for Ghana, and we'd like to talk to him about identity. But nothing is free. "What can you offer Mr. Boateng?" the manager asks.Not money, at any rate.The manager thinks for a moment. Then he says that we'd have to sign an agreement stating that he would have to read and approve the entire text before it could be published. "I have to protect Mr. Boateng."There is no interview.It seems that one of the reasons Kevin-Prince Boateng decided to play for Ghana's national team was because he still has a score to settle with Germany, even if he denies it. Jerome Boateng is playing for Germany, because it seems logical to him. In his case, reason is the motivating factor.At the Italian restaurant in Hamburg, Jerome looks out the window at the rain. What would he do on June 23 if his brother were running toward the goal with the ball at his feet, and he were the last man who could prevent him from getting there?Jerome reflects for a moment. A smile darts across his face. "First I would try to take the ball away from him. Totally fair." But if it came to it, then he'd bring him down.Translated from the German by Christopher Sultan
Maik Großekathöfer
Half-brothers Jerome and Kevin-Prince Boateng grew up in Berlin as the sons of an African immigrant. They could end up playing on opposite sides at the World Cup in a few weeks, with one playing for Germany and the other for Ghana.
[ "Football" ]
International
Zeitgeist
2010-04-16T15:19:00+02:00
2010-04-16T15:19:00+02:00
https://www.spiegel.de/international/zeitgeist/germany-vs-ghana-the-boateng-brothers-world-cup-duel-a-689431.html
Zorniger Riese
Gaylord Nelson, Senator von Wisconsin, erhob Anklage gegen Amerikas Streitkräfte: Ihre Kriegstaktik in Indochina, so erklärte der Senator, »hat unserem Verbündeten mehr Schaden zugefügt als dem Feind«.»Eine Politik der verbrannten Erde« praktizieren die amerikanischen Truppen nach Ansicht Nelsons -- auf dem Boden der Alliierten in Südvietnam. Dort nämlich, wo verstreut operierende Vietcong-Einheiten kaum je ein lohnendes Bombenziel boten, erklärten die US-Generäle, wie das Nachrichtenmagazin »Newsweek« formulierte, »die Landschaft selber zu einem Feind«, der »systematisch vernichtet« werde. In Südvietnam, so umschrieb es jüngst die »New York Times«, erprobe die US-Armee eine neue Strategie -- »die geophysikalische Kriegführung«. Mit der neuartigen Form der Kriegführung, die nach Ansicht mancher Wissenschaftler zum »Ökozid«, zur Vernichtung der ökologischen Struktur Südvietnams führen könnte, haben die Amerikaner schon vor rund zehn Jahren begonnen. In der Absicht, Vietcong-Verstecke bloßzulegen, besprühten sie damals den Dschungel mit Entlaubungsmitteln; mindestens ein Fünftel der südvietnamesischen Waldgebiete ist seither verödet und verkarstet. Inzwischen haben die US-Militärtechniker das Gesicht des Landes noch weiter verändert: Sie entzündeten, mit Hilfe von Phosphor- und Napalmbomben, im Mangroven-Dschungel Flächenbrände. Sie ließen große Regionen mit Spezial-Bulldozern von Büschen und Bäumen kahlfegen und lösten in manchen Gebieten künstliche Wolkenbrüche aus.Um vor allem die Schäden infolge der Entlaubungsaktionen zu studieren, waren im vergangenen Jahr zwei amerikanische Umweltforscher, die Professoren Arthur H. Westing und Egbert W. Pfeiffer, nach Südvietnam gereist. Doch auf ihrer Expedition entdeckten sie Kriegsspuren, die, obgleich erst wenig beachtet, das Land womöglich noch stärker entstellen als die verkarsteten Dschungel-Reviere -- große, von Bombenkratern dicht übersäte Ödlandflächen. Die Kraterlandschaften, vor allem in den fünf Nordprovinzen Südvietnams, aber auch im Süden des Landes an der kambodschanischen Grenze, sind Ergebnisse einer beispiellosen Materialschlacht: Mehr als 13 Millionen Tonnen US-Munition, so errechneten Westing und Pfeiffer, sind seit 1965 in Indochina explodiert, das entspricht der Sprengkraft von 450 Atombomben des Hiroshima-Typs.Rund 80 Prozent der Sprengkörper trafen Südvietnam; und die Einschläge, so schätzen die beiden Wissenschaftler in einer Untersuchung, die kürzlich in dem Wissenschaftsblatt »Scientific American« erschienen ist, hinterließen mehr als 21 Millionen Krater -- auf einem Territorium, gerade halb so groß wie das Königreich Norwegen. Vor allem die Flächen-Bombardements der achtstrahligen US-Maschinen vom Typ B-52, exekutiert von jeweils sieben Flugzeugen, rissen serienweise tiefe Löcher in die Sümpfe und Reisfelder, die Kautschuk-Plantagen und den Waldboden Südvietnams. Bei einem einzigen Einsatz schlägt eine B-52-Staffel rund 750 Krater in den Grund, auf einem Areal, knapp einen Kilometer breit und etwa fünf Kilometer lang. Im letzten Jahr, als die US-Bomber täglich etwa fünfmal zu solchen Teppich-Abwürfen starteten, entstanden auf diese Weise pro Tag allein 3750 neue Krater, 100.000 in jedem Monat.Nur zwischen fünf und acht Prozent der Bomben warfen die US-Piloten über strategischen Zielen ab, den Rest ließen sie auf Verdacht in Felder und Wälder niederregnen. Aus dem Flugzeug betrachtet, berichten Westing und Pfeiffer, gleiche das Bild der Kraterzonen »Photos vom Mond«; wie »von einem zornigen Riesen zerfetzt«, so ein Bobachter, werde das Land unter den Bombenschlägen -- weite Regionen dürften für immer Niemandsland bleiben. Zwar lassen sich die langfristigen Folgen der Bombardements vorerst noch nicht abschätzen; doch konnten Westing und Pfeiffer bereits jetzt tiefgehende Umweltveränderungen feststellen, die zu Verheerungen in der Fauna und Flora, in der Land- und Forstwirtschaft Südvietnams geführt haben.In vielen Reisfeldern etwa ist im Bombenhagel nicht nur das weitgespannte Netz der Dränage-Gräben vielerorts zerrissen worden; dort haben die Projektile meist den Grundwasserspiegel durchschlagen und Millionen von Krater-Tümpeln geschaffen, Brutstätten für Moskitos und für die Ausbreitung von Malaria.Die Reisbauern weigern sich in diesen Gebieten, ihre zernarbten Äcker wieder zu bestellen: Myriaden von Bombensplittern, im Sumpfboden versenkt, zerreißen die Hufe der Wasserbüffel. Zudem steckt die Erde voller Blindgänger, die häufig unter dem Pflug explodieren. Rund zwei Prozent der Sprengkörper, so schätzen US-Militärexperten, haben beim Aufprall im schwammigen Ackerland nicht gezündet. Oft sind die Äcker, mit Bombenlöchern dicht gespickt, nahezu unpassierbar geworden; wo die Bombenteppiche niedergingen, klafft alle 30 Meter ein Krater. Alle Versuche, die durchschnittlich sechs Meter tiefen und zehn Meter breiten Gruben einzuebnen, kämen einer Sisyphusarbeit gleich, die auch mit einem gigantischen Aufwand an Maschinen kaum zu bewältigen wäre.So liegen weite Anbaugebiete, von Unkraut inzwischen überwuchert, brach. In manchen Krater-Gegenden freilich ist jede Vegetation verschwunden: Dort herrscht zumeist ein für Indochina charakteristischer Bodentyp vor, der, wenn er längere Zeit nicht bewässert wird, zu einer unfruchtbaren und ziegelharten Kruste verbäckt -- ein Prozeß, der nicht mehr umkehrbar ist. Rund ein Zehntel des südvietnamesischen Ackerlands, so taxieren Agrarfachleute, mußte bislang aufgegeben werden. Noch schwerer aber leidet womöglich die südvietnamesische Forstwirtschaft unter den Bombenschäden.Im Nordwesten und Nordosten von Saigon hat der Luftkrieg ganze Wälder ruiniert. Nach schweren Bombardements setzten sich Pilze in den von Metallsplittern versehrten Baumrinden fest; im tropischen Klima verrotteten so weite Dschungel-Gebiete in wenigen Wochen.Aber auch wenn es den Holzarbeitern gelingt, die Bäume rechtzeitig zu schlagen, bleiben gravierende Schäden zurück: In vier von fünf Baumstämmen, so erfuhren Pfeiffer und Westing in südvietnamesischen Sägewerken, stecken massenhaft Bomben- und Granatsplitter, die bei der Holzverarbeitung immer wieder die Sägeblätter zerfetzen. Auch erschweren oft die Kraterfelder im Waldboden den Holztransport; die Stämme müssen deshalb in Stücke zerteilt werden -- der Nutzwert der Wälder in Südvietnam, so taxieren Experten, ist deshalb während der letzten Jahre um etwa 50 Prozent gesunken. Ob sich überall auf der verbrannten Erde in Südvietnam jemals wieder menschliches, tierisches und pflanzliches Leben wird entfalten können, halten viele Forscher für ungewiß. Sie haben begonnen, die Zukunft derart verstümmelter Landstriche auf den Schlachtfeldern des Ersten und Zweiten Weltkriegs zu studieren -- bisher mit deprimierendem Ergebnis.Vor Verdun, wo 1916 im Stellungskrieg viele Monate der Boden vom Trommelfeuer zerpflügt wurde, gedeiht noch heute, nach über 50 Jahren, allenfalls verkrüppeltes Buschwerk (das freilich teilweise von den Franzosen beschnitten wird, damit der Schauplatz der Heldentaten sichtbar bleibt). Und auf der Südseeinsel Okinawa, heftig umkämpft im Zweiten Weltkrieg, sind die ehemaligen Kampffelder immer noch bar jeder Vegetation -- dafür trägt der Boden dort einen rötlichen Schimmer: Er rührt her von Abertausenden verrostender Granatsplitter.
US-Bomber verheeren das Land, das sie vor dem Kommunismus schützen sollen: Bombenteppiche auf Wälder und Reisfelder verwandelten weite Teile Südvietnams in eine Wüstenei.
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Politik
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1972-08-06T13:00:00+01:00
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https://www.spiegel.de/politik/zorniger-riese-a-bdfc7b3d-0002-0001-0000-000042920160?context=issue
Alain Robbe-Grillet: »Argumente für einen neuen Roman«.
Frankreichs Nouveau-Romancier Nr. 1, der sich seit Jahren nicht nur mit stichhaltiger Kritik, sondern auch mit Vorurteilen französischer Rezensenten herumschlagen muß, darf nun mit einer Auswahl seiner Theorien und Polemiken auch auf deutsche Kritiker-Vorurteile einhämmern. Er verkündet sein Credo: »Die Welt ist weder sinnvoll noch absurd: sie ist.« Er sagt klar, was er von politisch engagierter Literatur hält: nichts. Und er beweist unfreiwillig, daß er als Romanautor doch noch interessanter ist. (Hanser; 124 Seiten; 5,80 Mark.)
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Kultur
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1965-10-26T13:00:00+01:00
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https://www.spiegel.de/kultur/alain-robbe-grillet-argumente-fuer-einen-neuen-roman-a-0e67caaf-0002-0001-0000-000046274771?context=issue
Coachella-Festival in Kalifornien
Ganz Kalifornien leidet unter extremer Dürre, vor allem die Städte in den Wüsten werden per Gesetz zum Wassersparen angehalten. Auch Indio im Coachella-Tal in der Colorado-Wüste, 37 Kilometer östlich von Palm Springs und 200 Kilometer östlich von Los Angeles. Doch was heißt schon historische Trockenheit, jetzt wird gefeiert - so lautet wohl das Motto an diesem Wochenende. Das Coachella Valley Music and Arts Festival zieht in diesen Tagen und am kommenden Wochenende täglich rund hunderttausend Zuschauer vor die Musikbühnen und Laufstege. Während der Rest der USA sich im beginnenden Frühling vom Winter erholt, treffen sich hier Hippies und Hipster. Fransen und Häkelklamotten sind zu sehen und viel nackte Haut. Vor allem der Aufmarsch an Promis aus dem nahen Los Angeles macht das Event so begehrt - bei Zuschauern und der Musik- und Modebranche. Justin Bieber zum Beispiel, nach dem zurzeit eine Fahndung durch die argentinische Justiz läuft, hat sich schon ablichten lassen. Paris Hilton, Kate Perry, Leonardo DiCaprio und Jared Leto kommen regelmäßig. Doch auch die Qualität auf den Bühnen kann sich sehen lassen: AC/DC, Jack White und Drake sind in diesem Jahr als Headliner dabei. Dazu treten Florence and the Machine auf, Ryan Adams, Angus and Julia Stone und auch Alabama Shakes, Hozier und alt-J. Sogar die Kasseler Band Milky Chance hat einen Gig. Ausverkauft ist das Festival schon längst - für 375 Dollar (350 Euro) Eintritt, der VIP-Pass für 899 Dollar (850 Euro). "Die Millennials lieben Erfahrungen, und Coachella ist einfach eine einzige riesige Party", sagt Lisa Sugar, Gründerin der Lifestyle-Seite Popsugar.com. "Sie planen tagelang, was sie sich anziehen werden." Die Modemarken würden die Gelegenheit nutzen, direkt mit den jungen Konsumenten in Kontakt zu treten. Zum ersten Mal gibt es in diesem Jahr Laufsteg-Shows und einen Pop-up-Modeladen auf dem Festivalgelände. "Coachella ist schon fast eine Fashion Week für die Leute in Los Angeles und ganz Kalifornien geworden", sagt Verlegerin Kari Feinstein. "Eine Art Outdoor-Laufsteg, aber nicht für teure Mode, sondern eher für Lifestyle-Marke." Die Vereinigung der US-Modedesigner CFDA hat das Festival zum ersten Mal in ihren Kalender aufgenommen. CFDA-Chef Steven Kolb sagt, dass Coachella heutzutage die Mode genauso beeinflusse wie Woodstock in den frühen Siebzigern. Zum Top-Spot für Hipster machen das Event auch die Sozialen Medien. Selfies und Fotos von der Mode und den Musikveranstaltungen verbreiten sich in Echtzeit. So wie das von Justin Bieber und seinem Kumpel Chris Brown, das im Internet kursiert . Ein guter Hinweis für Interpol.
abl/AP
Musiker und Modedesigner, Stars und Normalos - auf dem Coachella-Festival in der Colorado-Wüste mischt sich alles, was cool sein will. Ein Woodstock für Fashionistas.
[ "Stil - Mode", "Musikfestivals", "Mode" ]
Stil
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2015-04-12T13:37:00+02:00
2015-04-12T13:37:00+02:00
https://www.spiegel.de/stil/coachella-festival-in-kalifornien-a-1028163.html
Fischer in Moskau: Tschetschenien-Krieg beenden
Moskau - Fischer hat in Moskau erneut eine unverzügliche politische Lösung des Tschetschenien-Konflikts gefordert. Gegenüber Putin sprach er sich für eine dauerhafte Präsenz von Beobachtern des Europarates in dem Krisengebiet aus. Nach Fischers Angaben sagte Putin, diese Forderung werde geprüft und später auf der Ebene der Außenminister beraten. "Wir halten für Tschetschenien eine politische Lösung auf Grundlage des Schweigens der Waffen für unabdingbar", sagte der deutsche Außenminister in Moskau. Zugleich warnte Fischer vor einer Internationalisierung desTschetschenien-Konfliktes. "Es darf dort nicht zu einerUnterstützung des islamischen Terrorismus kommen." Deutschland bleibe bei seiner Kritik am russischen Vorgehen im Kaukasus, jedoch müssten auch die Argumente der russischen Seite ernst genommen werden.Vor einer internationalen Isolation Russlands warnte Fischer, da sie den Westen "vom Regen in die Traufe" bringe. In Brüssel wollen die Außenminister der Europäischen Union (EU) am Montag über Maßnahmen gegen Russland wegen des Krieges beraten. Sanktionen werde es nicht geben, verlautete aus EU-Kreisen. Die EU wolle sich nicht die Zusammenarbeit mit Putin verbauen. Fischer beschrieb das Gespräch mit Putin, den er als einer der ersten westlichen Außenminister nach dessen Amtantritt vor rund drei Wochen traf, als "sehr lang" und "sehr offen". Er betonte zum Abschluss des zweitägigen Besuchs in Moskau, dass Deutschland ein großes Interesse an guten Beziehungen zu Russland habe, und unterstrich die Rolle Moskaus für die europäische Sicherheit undStabilität.Vor seinem Gespräch mit Putin hatte sich Fischer bereits zweimal mit dem russischen Außenminister Iwanow getroffen."Wir haben gute Beziehungen zu Deutschland und sind nicht geneigt, irgendetwas zu verändern", so Iwanow am Freitag. Moskau habe die Erklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Bedeutung der strategischen Partnerschaft zwischen Russland und der Europäischen Union "positiv aufgenommen". Fischer will sich außerdem mit Vertretern der Menschenrechtsorganisation "Memorial" treffen, die sich anders als die Mehrheit der russischen Bevölkerung gegen den Tschetschenien-Krieg wendet.An einem Abendessen mit Iwanow am Donnerstag hatte auch deritalienische Außenminister Lamberto Dini teilgenommen. Dabei ging es unter anderem um Möglichkeiten einer Wiederaufnahme der Beziehung Russlands zur Nato, von der sich Moskau als Protest gegen den Kosovo-Krieg im vergangenen Frühjahr distanziert hatte. Die Nachrichtenagentur Interfax meldete indes unter Berufung auf Diplomaten- und Militärkreise, dass Russland zur vollständigen Wiederaufnahme der Beziehungen zur Nato bereit sei. Nato-Generalsekretär George Robertson werde möglicherweise im kommenden Monat zu entsprechenden Verhandlungen nach Russland reisen.
Über den Kaukasus-Konflikt gebe es zwischen Deutschland und Russland "deutliche Meinungsunterschiede", sagte Außenminister Joschka Fischer nach seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau. Das Gespräch bezeichnete er als "sehr offen".
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Ausland
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2000-01-21T18:33:55+01:00
2000-01-21T18:33:55+01:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/fischer-in-moskau-tschetschenien-krieg-beenden-a-60757.html
Vorratsdaten
Brüssel/Berlin - Im Streit um die Vorratsdatenspeicherung verschärft sich der Ton zwischen Berlin und Brüssel. Deutschland steht eine Klage ins Haus, nachdem in der Nacht zum Freitag eine letzte von Brüssel gesetzte Frist abgelaufen ist.Die EU-Kommission hatte Berlin die Frist gesetzt, um schriftlich darzulegen, wie die Bundesregierung die EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung konkret umsetzen will. Berlin kündigte der EU-Kommission zwar mit Blick auf ein entsprechendes Gesetz eine "zeitnahe Kabinettbefassung" an, doch das reicht der Kommission nicht aus, so dass sie schon Ende Mai den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg anrufen will. "Was wir auf den ersten Blick sagen können ist, dass Deutschland anscheinend keinen Fortschritt bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gemacht hat und weiterhin EU-Recht verletzt", sagte ein Sprecher der zuständigen EU-Kommissarin Cecilia Malmström am Freitag in Brüssel. Mit einer Klage will die EU-Kommission nun die Bundesrepublik zwingen, ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorzulegen. Der Vorwurf lautet, dass Deutschland die europäische Richtlinie von 2006 nicht umgesetzt hat. Sie sieht die Speicherung von Telefon- und Internetdaten zu Fahndungszwecken vor. Union und FDP können sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen, seit das Bundesverfassungsgericht die alte deutsche Regelung im März 2010 verworfen hatte.Brüssel ist sauer über die Berliner Hinhaltetaktik Die Union dringt gemäß den EU-Regeln auf eine sechsmonatige generelle Speicherung von Telekommunikationsdaten zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will Internet- und Telefonverbindungsdaten hingegen nur bei konkreten Anlässen speichern lassen - IP-Adressen von Computern sollen pauschal sieben Tage lang gesichert werden. Das von Leutheusser-Schnarrenberger vorgelegte "Quick-Freeze-Verfahren" akzeptiert die EU-Kommission jedoch nicht. "Wir arbeiten daran, einen gemeinsamen Weg zu finden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Hinter den Kulissen zeigte sich die Brüsseler Behörde verärgert über die Hinhaltetaktik der Bundesregierung. Malmström hatte am Vortag nochmals betont, Berlin verklagen zu wollen. Deutschland habe viele Jahre Zeit gehabt, betonte die Kommissarin. Der EU-Sprecher sagte, dass die nächste Runde zur Einleitung solcher Klagen wegen Verletzung der EU-Verträge Ende Mai anstehe. Voraussichtlich werde die EU-Kommission dann ihre Entscheidung treffen. Am Ende einer solchen Klage könnte ein Bußgeld gegen Deutschland in Millionenhöhe stehen. Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge sind keine Seltenheit - gegen Deutschland laufen mehr als 70, darunter ist die Klage wegen des VW-Gesetzes.
lgr/dpa/AFP
Brüssel ist verärgert und macht nun ernst: Die EU-Kommission will Deutschland im Streit um die Vorratsdatenspeicherung verklagen und die Bundesregierung so zu einer Neuregelung zwingen - eine letzte Frist war in der Nacht zum Freitag abgelaufen.
[ "Vorratsdatenspeicherung", "Überwachung", "Bundesverfassungsgericht", "Hans-Peter Friedrich", "Sabine Leutheusser-Schnarrenberger" ]
Politik
Deutschland
2012-04-27T18:00:23+02:00
2012-04-27T18:00:23+02:00
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/vorratsdaten-a-830279.html
Die Demütigung des Despoten
Serbiens Herrschern, so beweist es die blutige Geschichte des größten Balkanvolks, droht ein gewaltsamer Abgang, wenn ihr Charisma, ihre Macht erlischt. Sie werden ermordet, abgeschlachtet, zerstückelt. Oder sie wählen den Heldentod wie einst der mittelalterliche Fürst Lazar in der Türkenschlacht auf dem Amselfeld von Kosovo Polje, der mythischen Stätte serbischer Selbstaufopferung. Auf ein heroisches Ende, so schien es, war auch Slobodan Milosevic aus gewesen, der große Puppenspieler des Balkans. Er war der Hauptverantwortliche, doch gewiss nicht der Alleinschuldige in der Dekade der vier jugoslawischen Erbfolgekriege, die nahezu 300 000 Tote forderten und Millionen Vertriebene. »Ich weiß, es geht um meinen Kopf«, hatte Jugoslawiens neostalinistischer Präsident Vertrauten vor dem Kriegsabenteuer Kosovo eröffnet, als er die mächtigste Militärallianz der Welt herausforderte. Die Nato-Bomben zertrümmerten im Frühsommer 1999 sein Regime, und im vorigen Oktober stieß ein Volksaufstand den Belgrader Despoten vom Thron. »Erschieß dich doch, bitte erschieß dich«, jammerte seine Tochter Marija, eine Pistole in der Hand, als Milosevic sich dann vor drei Monaten festnehmen ließ. »Lebend kriegt ihr mich nicht«, hatte der entmachtete Despot während der dramatischen Belagerung seiner Residenz zuvor den neuen demokratischen Regenten gedroht. Niemals werde er sich an das Den Haager Kriegsverbrecher-Tribunal ausliefern lassen, »niemals«. Und noch bis zuletzt streuten seine Getreuen, eher werde er Gift nehmen. Seit vorigem Freitag, 1.15 Uhr, befindet sich Slobodan Milosevic, 59, in der Obhut des Uno-Tribunals im holländischen Seebad Scheveningen, in einer Zelle im Einzeltrakt. In einer bizarren Blitzaktion hatte Serbiens Regierung die Überstellung des Ex-Herrschers angeordnet und sich dabei über die gegenteilige Entscheidung des jugoslawischen Verfassungsgerichts kurzerhand hinweggesetzt. »Nato-Sklaven«, wüteten ein paar tausend altsozialistische Milosevic-Anhänger auf dem Belgrader Platz der Republik und verdroschen ausländische Fernsehteams. Fürwahr, ein schmähliches Ende des Despoten, der sich nun als erster ehemaliger Staatschef vor einem Weltgericht verantworten muss. Die Anklage lautet auf Kriegsverbrechen und Völkermord, doch muss sich erst noch zeigen, ob Milosevic dafür in der Befehlskette die direkte Verantwortung nachzuweisen ist. Für die Chefanklägerin Carla Del Ponte steht das Urteil des Tribunals gleichwohl schon fest: »Kein Zweifel, die Strafe wird ,lebenslänglich'' lauten.« Kein Zweifel jedenfalls: Das Regieren - ob als Folterer, menschenverachtender Kriegstreiber oder Plünderer der Staatskasse - ist auf diesem Globus gefährlicher geworden und die Welt womöglich damit ein Stück gerechter. Immunität wird zum Konzept von gestern, von dem nur noch ein paar alternde afrikanische Diktatoren im arabischen Exil profitieren. Überall sonst wird Rechenschaft gefordert. In Argentinien lebt der ehemalige Staatspräsident Carlos Menem wegen angeblichen Waffenschmuggels im Hausarrest. In Chile rettet womöglich nur die Altersdemenz den einstigen Putschisten Augusto Pinochet vor einem Prozess wegen seiner blutigen Verfolgung der Opposition. In Polen steht General Wojciech Jaruzelski wegen eines Schießbefehls vor Gericht, der 44 streikende Werftarbeiter 1970 das Leben kostete. Auf den Philippinen muss sich jetzt der flamboyante Ex-Präsident Joseph Estrada wegen Diebstahls und Korruption verantworten. In Belgien ist Klage eingereicht worden gegen den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon, dem vorgeworfen wird, 1982 die Massaker in zwei palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon zugelassen zu haben. In Peru sollen die Geständnisse des ehemaligen Geheimdienstchefs Montesinos dazu dienen, den nach Japan geflohenen Ex-Präsidenten Alberto Fujimori zurückzuholen und der Justiz zu überstellen. Beim Jugoslawien-Tribunal, das 1993 seine Arbeit aufnahm, sind die von der Uno berufenen Richter auf die Grundsätze der Nürnberger Prozesse eingeschworen (siehe Seite 138). Schon vor der Überstellung Milosevics hatte das Haager Weltgericht 38 Serben, Kroaten und Muslime dingfest gemacht - als mutmaßliche Verantwortliche für ethnische Vertreibungen, Massaker und Gräueltaten der Balkan-Tragödie, der nun auch noch ein mazedonischer Schlussakt droht. Abgesehen vom Grummeln Moskaus, das den verirrten südslawischen Bruder lange Zeit unterstützt hatte, war das internationale Echo auf den Coup der serbischen Demokraten enthusiastisch. Vom »Tag der Gerechtigkeit« sprach Uno-Generalsekretär Kofi Annan, und US-Präsident George W. Bush feierte die »unmissverständliche Botschaft« an all jene, die sich Menschenrechtsverletzungen schuldig machen. Auch die Deutschen jubelten über »diesen sicherlich nicht leichten Schritt« (Bundeskanzler Schröder). Nicht nur für das internationale Recht sei dies ein großer Tag, fand Außenminister Joschka Fischer, »dies ist für die Opfer ein Tag der Genugtuung«. Schröder-Berater Michael Steiner beteuerte, keineswegs habe sich Serbien mit Milosevics Auslieferung die Hilfsgelder des Westens »erkauft«. Doch genau dieser Eindruck, dass der gefallene Despot mit Blick auf die am vergangenen Freitag in Brüssel tagende Geberkonferenz zu Jugoslawien für das edle Linsengericht von weit über einer Milliarde Dollar Aufbauhilfe an die internationale Gemeinschaft verscherbelt wurde, drängte sich allen Beobachtern auf. »Das Wohl des Volkes steht über dem Recht des Einzelnen«, begründete Serben-Premier Zoran Djindjic mit mühsam unterdrücktem Triumphalismus den Auslieferungsbeschluss seines Kabinetts. Nach dem Schiedsspruch der seinerzeit von Milosevic eingesetzten Richter-Clique hätte die serbische Delegation bei der Donatorenkonferenz kaum noch erscheinen können. Djindjic: »Wir hätten vor aller Welt unser Gesicht verloren.« Kein Zweifel: Zoran Djindjic, schon im Vorjahr die treibende Kraft des demokratischen Aufbruchs, hat dieses Ding kaltschnäuzig gegen vielerlei Widerstand durchgepowert. Und er stand dabei unter massivem internationalem Druck. US-Außenminister Colin Powell hatte dem Serben-Premier am Mittwochabend telefonisch die Folgen einer weiteren Verzögerung bei der Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal klar gemacht. Es werde für das ruinierte Land dann kein Geld zum Neuaufbau und zur Tilgung seiner horrenden Schulden geben. Ähnliche Signale kamen aus Berlin. Djindjic, den Staatsbankrott vor Augen, hatte die Auslieferung Milosevics schon vorher grundsätzlich zugesagt. Nun versprach er, schnell zu handeln. Noch in der Nacht landeten Hubschrauber der Sfor-Mission aus Bosnien in Belgrad, der Wettlauf mit der Zeit begann. Am Donnerstagmittag wurde der hohe Zentralgefangene von Gattin Mirjana siegesgewiss besucht, begleitet von Schwiegertochter Milica, die am Gefängnistor in die Mikrofone den Satz hauchte: »Er ist ein Nationalheld.« Dann der Spruch der jugoslawischen Verfassungsrichter. Sie setzten ein Dekret der serbischen Regierung zur Überstellung mutmaßlicher Kriegsverbrecher an das Haager Tribunal vorübergehend außer Kraft. Die Regierung Djindjic konterte, diese Richter seien Relikte des Milosevic-Regimes, die dessen Diktatur und Wahlbetrügereien mitgetragen hätten. Die serbische Verfassung mit dem »Schutz der eigenen Interessen« habe bei solch skandalösen Entscheidungen Priorität vor der Bundesverfassung. Überdies stünden völkerrechtliche Verpflichtungen über nationalem Recht - so weit der juristische Firnis für einen längst beschlossenen Plot. Die Anwälte von Milosevic feierten noch in fröhlicher Runde »den Sieg des Rechtsstaats«, da liefen schon die Vorbereitungen für den Abtransport nach Holland. »Wohin reise ich?«, fragte der ehemalige Präsident ungläubig, als er im Belgrader Zentralgefängnis aufgefordert wurde, seinen Koffer zu packen. Die Antwort lautete: »Nach Den Haag.« Der Wunsch nach einem Telefonat mit seinen Anwälten wurde abgelehnt. Fünf Minuten lang saß Milosevic schweigend auf dem Bett, dann legte er bedächtig seine Kleidungsstücke in den Koffer. Am Ende war für den weißhaarigen Mann in grauer Hose und Mokassins sogar noch Zeit, eine Zigarre zu rauchen. Die wenigen Kamerateams vor dem Gefängnis schenkten dem blauweißen Kombi, der gegen 18 Uhr ohne sichtbare Eskorte das Haupttor passierte, keine Aufmerksamkeit. Bereits um 20.30 Uhr landete der Sfor-Hubschrauber mit Milosevic auf dem Gelände des US-Bataillons im bosnischen Tuzla, kurz nach Mitternacht traf der meistgesuchte Kriegsverbrecher der Welt in Den Haag ein. Ein Amateurvideo zeigte den Deportierten schleppenden Schrittes wie einen Schwerstverbrecher mit gefesselten Händen zwischen zwei Bewachern. »Detention Unit« wird der Gebäudetrakt des Scheveninger Gefängnisses genannt, in dem Jugoslawiens einstiger Staatslenker die nächsten Jahre verbringen dürfte. »Aber Luxusbedingungen«, so Tribunalsprecher Jim Landale, »werden ihm nicht gewährt.« Wie die anderen 38 Häftlinge des Tribunals bekam Milosevic eine drei mal fünf Meter große Zelle zugewiesen. Darin hat er Toilette und Dusche, ein Bett, einen Schreibtisch und einen Satellitenfernseher, mit dem er auch ein serbisches Programm empfangen kann. Einmal am Tag sollen die Häftlinge für mindestens eine Stunde an die frische Luft, ein Sportlehrer trainiert sie im Fitnessraum, eine Diätassistentin ist ebenfalls vorhanden. Denkbar aber, dass Milosevic sich wie viele andere Gefangene sein Essen selbst im Gefängnisshop einkauft und in der Gemeinschaftsküche zubereitet. An diesem Dienstag soll der prominenteste Häftling erstmals vor Gericht erscheinen und der Verlesung der Anklageschrift zuhören. Dann wird er gefragt werden, ob er sich für schuldig oder nicht schuldig hält. Danach wird er wieder in seine Zelle gebracht - auf Wunsch der Anklage für die nächsten zehn Tage isoliert von den anderen serbischen Häftlingen. Bis zum eigentlichen Prozessbeginn dürfte nach Ansicht von Gerichtsexperten indes noch mindestens ein Dreivierteljahr vergehen. Nach den Statuten des Tribunals muss zunächst ein Vorverfahren eingeleitet werden, in dem die Ankläger ihre Beweismittel präsentieren und die Verteidiger ihre Einsprüche und Zusatzwünsche vorbringen können. Auch die Zeugenlisten müssen eingereicht werden. Ob die Anklageschrift - Aktenzeichen IT-99-37 I - für das Urteil »lebenslänglich« reicht, wird sich erst zeigen, wenn Chefanklägerin Carla Del Ponte ihre Beweismittel offenbart. Die beinharte Schweizer Staatsanwältin hat bereits angekündigt, dass sie die bislang auf den Kosovo-Krieg begrenzte Anklage auch auf Milosevics Wirken als Kriegsherr in Bosnien und Kroatien ausweiten will. Bereits am Freitagnachmittag wurde ihm eine von 42 auf 54 Seiten erweiterte Kosovo-Anklage mit neuen Terrorvorwürfen vorgelegt. Dem ehemaligen Staatschef wird als Oberbefehlshaber der jugoslawischen Armee und oberster Dienstherr von Teilen der serbischen Polizei- und Sicherheitskräfte eine Generalverantwortung für den Terror und die Vertreibungen im Kosovo unterstellt. Die genaue Befehlskette und Kommandostruktur für die von höchster Spitze angeblich geplanten und unterstützten Gräueltaten konnte die Anklage allerdings bisher nicht vorlegen. Angeblich gibt es aber von Geheimdiensten aufgezeichnete Funksprüche. Mit Milosevic sind vier weitere ehemalige serbische Minister und Generäle angeklagt, darunter Milan Milutinovic, derzeit noch immer Serbiens Präsident. Es handelt sich also um ein Sammelverfahren. Wie dem Ex-Präsidenten werden seinen Mitangeklagten in gleicher pauschaler Weise Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen angelastet. Bislang befinden sich die vier Mittäter noch nicht im Gewahrsam des Tribunals, doch galt Ende voriger Woche als wahrscheinlich, dass sie sich freiwillig stellen werden. Persönlich zur Last gelegt werden Milosevic und Co. auch 611 von serbischen Sicherheitskräften getötete Albaner. Alle Toten sind namentlich im Anhang der Anklageschrift aufgeführt. Dazu gehören auch die 45 Opfer des Massakers beim Dorf Racak, obwohl die Vorkommnisse dort nach wie vor umstritten sind. Ein forensisches Gutachten weiß keine genaue Auskunft darüber zu geben, was genau geschehen ist. Die Akten der Ankläger lassen überdies Zweifel aufkommen, ob das Dorf zuvor nicht von albanischen UÇK-Rebellen kontrolliert war und es sich bei dem Angriff der jugoslawischen Armee um einen Vergeltungsschlag gehandelt hat (SPIEGEL 12/2001). Dreizehn Jahre lang hatte Puppenspieler »Slobo« den Balkan in Atem gehalten. Beim Auseinanderbrechen des alten Vielvölkerstaats Jugoslawien trieb der krude Serben-Vormann im Hegemonialrausch die größte südslawische Nation in vier Schlachten. Das Abenteuer endete für den großserbischen Expansionismus in einer Katastrophe, für die Nachbarn in Blutbädern und Massengräbern. Das einst so stolze Jugoslawien des Partisanen-Marschalls Tito schrumpfte nach der Nato-Intervention im Kosovo auf ein Rumpfgebilde aus Serbien und der kleinen Bergrepublik Montenegro zusammen, wurde zu Europas Paria und Armenhaus. Zuletzt lag die Arbeitslosenquote bei 50 Prozent, das monatliche Durchschnittseinkommen bei umgerechnet 45 Euro. Trotz aller Rückschläge hielt sich der Belgrader Despot zunächst am Ruder - befeuert von seiner Ehefrau Mirjana Markovic, einer glühenden Kommunistin, und gestützt auf hoch bezahlte Spezialeinheiten der Polizei und die Loyalität der Armeeführung. Innenpolitisch in die Bredouille geriet er erst, als er sich im vorigen September auf vorgezogene Präsidenten- und Parlamentswahlen einließ: Er unterlag seinem Herausforderer Vojislav Kostunica, dem Rechtsprofessor und Verlegenheitskandidaten des oppositionellen Wahlbündnisses DOS. Mit Tricks und Manipulationen versuchte der Despot, sich im darauf folgenden Machtkampf zu retten, dann fegte ihn ein von Zoran Djindjic gesteuerter Volksaufstand hinweg. Nun gibt es wieder einen Machtkampf in Belgrad, denn der strenge Legalist Kostunica fühlt sich in der Auslieferungsfrage von Rambo Djindjic übertölpelt. In einer »Rede ans Volk« verkündete der Präsident noch am Donnerstagabend ernst, die gesetzeswidrige Abschiebung seines Amtsvorgängers sei eine »überhastete und erniedrigende Entscheidung«, sie verschaffe Jugoslawien international einen fatalen Gesichtsverlust. Aus Pro- test gab Bundespremier Zoran Zizic seinen Rücktritt bekannt, nun hat das Land eine Regierungskrise. Dass der jugoslawische Staatschef tatsächlich vom serbischen Alleingang erst im Nachhinein erfuhr, wird im Djindjic-Team mokant bezweifelt. Als das DOS-Regierungsbündnis am Mittwochabend die »Auslieferung um jeden Preis« beschloss, waren Kostunica und seine Parteivertreter dieser Sitzung aus »technischen Gründen« ferngeblieben. Richtig allerdings ist, dass der Jurist Kostunica bis zuletzt daran zweifelte, dass das Haager Tribunal Milosevic einen fairen Prozess garantieren und die Kriegsverbrecher in anderen Republiken, insbesondere der albanischen UÇK im Kosovo, ebenso verfolge. Jedenfalls wurden andere nationalistische Zündler, die sich rechtzeitig auf die Seite des Westens schlugen - Kroaten-Führer Tudjman oder Muslim-Präsident Izetbegovic - niemals von den Uno-Fahndern ernsthaft behelligt. »Ich habe ein reines Gewissen«, hat Slobodan Milosevic stets behauptet, auch noch als »Gefangener der Nato« im Belgrader Gefängnis. Sollte er jemals nach Den Haag ausgeliefert werden, verriet er noch vor kurzem einem Vertrauten, »dann werde ich die Weltöffentlichkeit erschüttern und Geheimabkommen und interne Absprachen preisgeben, die ich mit westlichen Partnern traf«. Großmäulige Ankündigungen eines Gescheiterten? Oder hat Milosevic tatsächlich etwas an potenziellen Enthüllungen in der Hinterhand, was einige seiner westlichen Jäger in Verlegenheit bringen könnte? Schließlich war der in seiner Spätzeit zunehmend dämonisierte Despot noch im November 1995 ein von Amerikanern wie Westeuropäern akzeptierter Partner und Garant des Dayton-Friedensabkommens für Bosnien gewesen. Und das nach drei Balkan-Kriegen mit zigtausend Toten und nur vier Monate nach dem Massaker von Srebrenica. Dort hatten die Serben unter Führung des ebenfalls als Kriegsverbrecher gesuchten Generals Ratko Mladic die Uno-Schutzzone mit Wissen des Westens erobert. Niederländische Blauhelme verbrüderten sich mit Mladic und schauten der Selektion muslimischer Jungen und Männer zu. Tausende wurden kurz darauf von den Serben exekutiert. »Niemand mehr wird die Serben schlagen dürfen«, hatte Slobodan Milosevic sich am 28. Juni 1989 auf dem Kosovo Polje in seiner Rede vor Hunderttausenden seiner Landsleute als nationaler Retter empfohlen: »Die Zeit der Erniedrigungen ist vorbei.« Es war der Tag des Heiligen Veit (Vidovdan), der historische Schicksals- und Feiertag der orthodoxen Serben. 600 Jahre zuvor, am St.-Veits-Tag des Jahres 1389, verblutete auf dem Amselfeld das serbische Ritterheer im Kampf gegen die Türken. Am 28. Juni 1914 erschoss der serbische Nationalist Gavrilo Princip in Sarajevo Österreichs Thronfolger Franz Ferdinand und löste damit den Ersten Weltkrieg aus. Am 28. Juni 1948 belegte Sowjetdiktator Stalin den national-kommunistischen Ketzer Tito mit seinem Bannfluch. »Wisst ihr eigentlich, dass heute Vidovdan ist?«, soll Slobodan Milosevic sich beim Abtransport aus dem Belgrader Gefängnis von seinen Wächtern verabschiedet haben. Als der Despot auf der Höhe seiner Macht den SPIEGEL zu einem Interview empfing und gefragt wurde, warum er denn den von Den Haag gesuchten General Mladic bei dessen Belgrad-Visite am serbischen Allerheiligenfest nicht verhaftet hätte, antwortete er entschieden: »An Feiertagen steht die Pietät über dem Recht.« Der Überstellung von Slobodan Milosevic an das Haager Tribunal am St.-Veits-Tag des Jahres 2001 wird für Serbien ein Goldregen folgen. EU-Balkan-Koordinator Bodo Hombach gab nach der Brüsseler Konferenz von 42 Ländern bekannt, die Geber seien »motiviert«, das Land könne mit fast drei Milliarden Mark Aufbauhilfe rechnen. Die USA hatten als Belohnung für den quicken »Slobo«-Job ihren Beitrag noch um gut 70 Millionen Dollar aufgestockt. RENATE FLOTTAU, OLAF IHLAU, SYLVIA SCHREIBER* Vergangenen Donnerstag mit Schwiegertochter Milica beimletzten Besuch im Belgrader Zentralgefängnis.
Renate Flottau, Olaf Ihlau, Sylvia Schreiber
Die Auslieferung des ehemaligen Staatspräsidenten Slobodan Milosevic an das Haager Tribunal verschafft Jugoslawien einen Goldregen internationaler Hilfen und eine Regierungskrise in Belgrad. Hinter Gittern droht Milosevic dem Westen mit peinlichen Enthüllungen.
[ "Slobodan Milosevic", "Zoran Djindjic", "Kosovo", "Jugoslawien", "Serbien", "Balkan" ]
Politik
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2001-07-01T13:00:00+02:00
2001-07-01T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-19542777.html
Dieselabsatz in Deutschland auf Rekordhoch
In Deutschland hat der Diesel-Absatz ein historisches Hoch erreicht. Im zweiten Quartal dieses Jahres verbrauchten die Auto- und Lkw-Fahrer acht Millionen Tonnen, das sind 14 Prozent mehr als in den ersten drei Monaten des Jahres. Verantwortlich für den kräftigen Zuwachs sei unter anderem das Anziehen der Konjunktur, so der Mineralölwirtschaftsverband. Benzin dagegen verliert kontinuierlich an Bedeutung. Der Absatz ist im zweiten Quartal auf 5,1 Millionen Tonnen gefallen, das ist ein Drittel weniger als vor zehn Jahren. Damals verbrauchten die Deutschen noch etwa gleich viel von jeder Kraftstoffsorte. Mittlerweile verkaufen die Tankstellen gut die Hälfte mehr Diesel als Benzin. Die Schere wird sich noch weiter öffnen, prognostiziert der Verband der europäischen Petroleumindustrie Europia: wegen der ungebrochenen Beliebtheit von Diesel-Fahrzeugen und des wachsenden Lastverkehrs. Der Boom stellt die Raffinerien vor technische Probleme, weil sie den Diesel-Ausstoß nicht beliebig erhöhen und gleichzeitig die Produktion anderer Destillate wie Benzin oder Heizöl drosseln können. Der Verband fordert deshalb die Regierungen in Europa auf, die steuerliche Begünstigung von Diesel aufzuheben; ein solcher Schritt würde helfen, das Ungleichgewicht zu beseitigen.
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Politik
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2010-07-31T10:30:00+02:00
2010-07-31T10:30:00+02:00
https://www.spiegel.de/spiegel/vorab/a-709459.html
Abgehört: Die wichtigsten CDs der Woche
Goldfrapp - "Head First"(Mute/EMI, 19. März)Vermissen Sie den "Flashdance"-Soundtrack auch? Geht so, oder? Sollten Sie jedoch eine der derzeit populären Achtziger-Partys veranstalten wollen, könnten Sie einige Songs der neuen Goldfrapp-CD garantiert unbemerkt zwischen Michael Sembellos "Maniac" und Berlins "Take My Breath Away" mogeln. Nach Siebziger-Glamrock ("Supernature") und Sechziger-Hippiefolk ("Seventh Tree") knöpfen sich die cleveren britischen Pop-Plünderer Alison Goldfrapp und Will Gregory nun den maßgeblich von Produzenten wie Giorgio Moroder, Harold Faltermeyer oder Jan Hammer geprägten Bombast-Pop der Achtziger vor. Das ruft bei Angehörigen der richtigen Generation eine sehr ambivalente Nostalgie hervor, für Jüngere aber bringt es den vorherrschenden Retro-Zeitgeist wahrscheinlich kongenial auf den Punkt. Von Ironie, und das ist das Verstörende an mit allerlei Synthesizer-Sounds aus der Vergangenheit verklebten Songs wie "Head First", "Rocket" oder "Believer", ist rein gar nichts zu spüren auf diesem Album. Ist natürlich nur konsequent: Es scheint, als hätten sich Goldfrapp, wie es bereits auf früheren Alben der Fall war, komplett hineinbegeben in diese süße Soße, zu deren Genuss man unbedingt Glitzer-Lippenstift, Schulterpolster, toupiertes Haar und viel Kunstnebel braucht. Lediglich beim letzten Song "Voicething", in dem sich unzählige Gesangsspuren Alisons zu einem faszinierenden Klangkunstwerk überlappen, fühlt man sich an das bahnbrechendes Debüt "Felt Mountain" erinnert, wird die reine Hommage zu etwas Eigenem und Neuen. Ein schönes kleines Experiment, das im Herzen aber leider kalt bleibt, wie jedes akademische Projekt. (5) Andreas BorcholteEagle Seagull - "The Year Of The How-To Book"(PIAS Recordings/Rough Trade, 19. März)Als Lado-Entrepreneur Carol von Rautenkranz Mitte des letzten Jahrzehnts unverhofft die amerikanische Rock-Hoffnung Eagle Seagull an Land zog, galt das in gewissen Kreisen als Beinahe-Sensation. "Photograph", "Holy" und "Your Beauty Is A Knife I Turn On My Throat" waren drei Songs, die blieben. Doch wer nicht allzu sehr zum Sentimentalen neigte, hatte die kleine Band aus Lincoln, Nebraska bald wieder vergessen. Unter dem wenig griffigen Albumtitel "The Year Of The How-To Book" haben Eagle Seagull nun zwölf erschreckend wortreiche Songs wie "I Don't Know If People Have Hated Me, But I Have Hated People" oder "I Don't Believe In Wars, But I Do Believe In Uniforms" subsumiert, die wenig versprechen und kaum etwas davon halten. "The Year Of The How-To Book" ist eine Tragödie: Mehr als ein gutes Drittel der zwölf Stücke wurde schamlos bei Arcade Fire entlehnt, wobei man deren Feinheit und das erhebende Kathedralen-Pathos natürlich nicht einmal in Ansätzen erreicht. "We Move Like Turtles Might" (in dem Angelo Badalamentis "Twin Peaks"-Thema auftaucht) und "I Don't Know If This Is Ignorance Or Transcendence" wirken gar wie eine - allerdings ziemlich gute - Parodie auf Win Butler. Im laut Aussagen von Probanden "fetzigen" "The Boy With A Serpent In His Heart" wird in den ersten Sekunden ausnahmsweise von den White Stripes gestohlen: "The Hardest Button To Button", the easy way. (4) Jan WiggerAndrew Thomas - "Between Buildings And Trees"(Kompakt/Rough Trade, bereits erschienen) Schon einige Male war der Neuseeländer Andrew Thomas aktiver Teil der "Pop Ambient"-Reihe des Kölner Elektronik-Labels Kompakt. Da seine Beiträge nie zu den Schwachstellen gehörten und es manchmal sogar schafften, das Genre zumindest in Ansätzen zu transzendieren, ist die beträchtliche Substanz von "Between Buildings And Trees" nun keine große Überraschung mehr. Thomas hat neue Musik, alte Vierspur-Aufnahmen und frühe digitale Soundschnipsel zu etwas sehr Beruhigendem zusammengefügt, dessen Entstehung fast folgerichtig erscheint: "When working on this album I would often be looking out to the sea, the hills, the mountains. I would do this a lot in the evenings - dusk, with the sun/light in its dying moments." Man verfällt leicht dem Irrglauben, alle Ambient-Alben seien grundmelancholisch, doch allein "Hazer" ist so farben- und trostreich ausgefallen, dass man bei gleichzeitigem Abspielen sogar den tödlich deprimierenden Ambient von Svarte Greiner damit aufhellen könnte. Eine fast schon unmenschliche Leistung. (7) Jan WiggerGalaxie 500 - Re-Issues(Domino/Indigo, 19. März)Wie Slowdive, The Red Krayola und die Young Marble Giants gehören auch die Traumsymphoniker Galaxie 500 aus Boston, Massachusetts zu jenen Bands, die zwar überall als kapitaler Einfluss herhalten müssen, aber außerhalb von vereinzelten Redaktionsräumen und Plattensammler-Seminaren kaum noch gehört werden. Man könnte auch böse vermuten: Die Sorte Künstler, die gern in Plattenrezensionen und Artikeln auftaucht, ohne dass der Autor sie überhaupt kennt. Bands wie Yo La Tengo, Beach House oder Mazzy Star aber kennen das kurzlebige Phänomen Galaxie 500, das zuweilen den Anschein machte, nicht spielen zu können, obschon ihr Spiel so seltsam und unvergleichlich war wie das der Feelies oder Vaselines (die wirklich nicht spielen konnten). Wie kühl, klar und strukturiert (oder auch: "Cool , Calm & Collected") die Kunst des Trios bei allem Schwanken und Schwingen auch sein konnte, kann man nun auf "Hearing Voices" oder "Spook" von "This Is Our Music" oder auf dem mit endlosem Gitarrengniedeln endenden "When Will You Come Home" von "On Fire" noch einmal nachhören. Dean Wareham, der später mit Luna Kritikerliebling blieb, war kein großer Sänger, er war eigentlich überhaupt kein Sänger. Doch ein Song wie das schwermütige "Decomposing Trees" lebte ja nicht nur von der tränenmüden Stimme, sondern vom gleichmütigen Dengeln der Gitarre und dem unvergesslichen Saxofon, das in diesem Fall ganz unverhofft einsetzt. Auf den "On Fire" angefügten "Peel Sessions" covern Galaxie 500 neben den Sex Pistols auch "Don't Let Our Youth Go To Waste" von Jonathan Richman, einem anderen großen Unfertigen. Weitere Zugaben: Das Live-Dokument "Copenhagen" (auf "This Is Our Music") und die Outtake-Sammlung "Uncollected", die dem Debüt "Today" beigelegt ist. "Today" (8), "On Fire" (9), "This Is Our Music" (9) Jan WiggerWertung: Von "0" (absolutes Desaster) bis "10" (absoluter Klassiker)
Mut zum optimistischen Hymnen-Pop der Achtziger beweisen Goldfrapp auf ihrem erstaunlichen neuen Album, meint Andreas Borcholte. Und Jan Wigger findet den Ambient-Sound von Andrew Thomas nahezu unmenschlich, verzweifelt dafür aber an Eagle Seagull.
[ "Abgehört" ]
Kultur
Musik
2010-03-16T12:58:11+01:00
2010-03-16T12:58:11+01:00
https://www.spiegel.de/kultur/musik/abgehoert-die-wichtigsten-cds-der-woche-a-683506.html
6 aus 49: Lottospieler gewinnt mehr als 30 Millionen Euro
In zwölf Ziehungen konnte der Jackpot bei 6 aus 49 nicht geknackt werden. Jetzt hat ein Mann aus dem Bergischen Land den Glückstreffer gelandet: Mit den Zahlen 1, 8, 31, 34, 43 und 45 sicherte er sich am Samstag einen Gewinn von 31,5 Millionen Euro. Laut Angaben von Westlotto hatte der Tipper damit bundesweit als Einziger den richtigen Riecher. Den Lotto-Regeln zufolge muss bei der 13. Ziehung eine Zwangsausschüttung erfolgen - auch wenn die Zusatzzahl nicht passt. Auf diese Weise ist der Jackpot zuvor erst dreimal ausgeschüttet worden. 2016 sicherten sich zwei Tipper aus NRW so 37 Millionen Euro beziehungsweise 33 Millionen Euro. Anfang 2019 mussten sich drei Tipper aus Baden-Württemberg, Niedersachsen und NRW den Jackpot teilen. Sie bekamen je 10,7 Millionen Euro überwiesen.
ala/dpa
Sechs Richtige reichten: Auch ohne passende Zusatzzahl hat ein Lottospieler aus Nordrhein-Westfalen 31,5 Millionen Euro gewonnen.
[ "Lotto", "Glücksspiel", "Eurojackpot" ]
Panorama
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2019-07-01T12:49:00+02:00
2019-07-01T12:49:00+02:00
https://www.spiegel.de/panorama/lottospieler-gewinnt-mehr-als-30-millionen-euro-a-1275222.html
Israel beschießt Hamas-Ziele nach Angriffen aus Gaza
Als Reaktion auf Angriffe militanter Palästinenser aus dem Gazastreifen hat Israels Luftwaffe in der Nacht zum Donnerstag mehrere Ziele in dem Küstenstreifen beschossen. Eine israelische Armeesprecherin sagte, es seien zwei Geschosse in Israels Grenzgebiet eingeschlagen. Daraufhin hätten Kampfflugzeuge mehrere militärische Ziele in einer Marine-Einrichtung der im Gazastreifen herrschenden Hamas beschossen. Auf beiden Seiten gab es keine Berichte zu möglichen Verletzten. Vor zwölf Jahren hatte Israel eine Blockade über das Küstengebiet verschärft, inzwischen trägt Ägypten diese mit. Die EU, Israel und die USA stufen die Hamas als Terrororganisation ein. Letztere hatte nach ihrem Wahlsieg 2006, der international nicht akzeptiert wurde, 2007 gewaltsam die Kontrolle im Gazastreifen übernommen.Neun Palästinenser in diesem Monat getötetEine von Ägypten vermittelte Waffenruhe zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas war zuletzt immer brüchiger geworden. Seit März 2018 demonstrieren Palästinenser regelmäßig gegen die Blockade des Küstenstreifens. Die Demonstrationen münden häufig in Zusammenstöße mit israelischen Soldaten. Seither wurden mindestens 305 Palästinenser getötet, die meisten während solcher Proteste und Zusammenstöße. Die Zahl der getöteten Israelis liegt bei sieben. In diesem Monat sind bereits neun militante Palästinenser getötet worden.Die Hamas wirft Israel vor, sich nicht an Waffenruhe-Vereinbarungen zu halten. Ein Sprecher warnte vor einer neuen Eskalation der Gewalt, sollte die Situation sich nicht ändern. Am Donnerstag wurde im Gazastreifen ein Gesandter Katars mit einer neuen Geldlieferung erwartet. Im Zuge einer Waffenruhe soll Israel sich unter anderem dazu verpflichtet haben, die Einfuhr von mehr Treibstoff für das Kraftwerk im Gazastreifen zu erlauben sowie den Transfer von Millionengeldern aus dem Golfemirat. Im Gazastreifen leben rund zwei Millionen Menschen unter schwierigen Bedingungen, es mangelt an Trinkwasser und Strom. Binnen einem Jahrzehnt kam es zu drei Kriegen zwischen der Hamas und Israel.
mfh/AFP/dpa
Kampfjets aus Israel haben eine Marinebasis der radikalislamischen Hamas im Norden des Gazastreifens bombardiert. Israel reagierte damit auf Raketenangriffe aus dem Palästinensergebiet.
[ "Israel", "Palästina", "Nahostkonflikt", "Nahost", "Hamas", "Gazastreifen", "Gazakonflikt 2014" ]
Ausland
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2019-08-22T09:59:00+02:00
2019-08-22T09:59:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/israel-beschiesst-hamas-ziele-nach-angriffen-aus-gaza-a-1283115.html
Tierschützer dürfen Katzen in Madrids Parks füttern
Die Coronakrise hat in Madrid auch Auswirkungen für Hunderte Katzen. Seitdem die Parks der spanischen Hauptstadt vor mehr als einer Woche geschlossen wurden, darf sich niemand mehr um die dort frei lebenden Katzenkolonien kümmern.Tierschützer hatten deshalb mehrfach gewarnt, viele der Tiere könnten bald verhungern. Jetzt haben die Stadt und das Gesundheitsministerium eine Hilfsaktion für die Katzen genehmigt. Die Stadt Madrid teilte mit, dass offiziell registrierte freiwillige Betreuer trotz der strikten Ausgangssperre ab Dienstag in die beiden großen Stadtparks Retiro und Juan Carlos I dürften, um die Katzen mit Futter und Wasser zu versorgen. Die beiden Parks werde man dazu für die Helfer an drei Tagen pro Woche (dienstags, donnerstags und samstags) zwischen neun und zehn Uhr öffnen, hieß es.(Lesen Sie hier die wichtigsten Entwicklungen zur Corona-Pandemie) Allein in dem rund 125 Hektar großen Retiro-Park, der sogenannten grünen Lunge im Zentrum der Hauptstadt, gibt es nach Schätzungen rund 300 bis 400 frei lebende Katzen. Um sie kümmert sich in erster Linie der "Verband der Freunde der Katzen des Retiro".
bbr/dpa
Die Ausgangssperre in Spanien hat auch für die tierischen Bewohner Madrids Folgen. Die Katzenkolonien in den Parks drohten zu verhungern, warnten Tierschützer. Nun gibt es offenbar eine Lösung.
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Panorama
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2020-03-23T18:05:29+01:00
2020-03-23T18:05:29+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/coronavirus-in-madrid-tierschuetzer-duerfen-katzen-in-den-parks-fuettern-a-ef0f8a3e-750e-4ec3-8e48-8b83e2c955fb
Lawyer Farid el-Deeb: Hosni Mubarak Will Be Set Free
SPIEGEL: Mr. Deeb, you represent one of the most hated men in Egypt .Deeb: Perhaps that was what (former Egyptian President) Hosni Mubarak was two-and-a-half years ago, when he was overthrown and subsequently arrested. But the mood has shifted. Many Egyptians see him with different eyes today. SPIEGEL: Most continue to condemn Mubarak today. He is accused of being partly responsible for the deaths of hundreds of demonstrators killed in the protests against his regime. He is also accused of illegally lining his pockets and doing damage to the national treasury.Deeb: I'm an attorney. My job is to defend the accused and help them make use of their rights. I am especially pleased to do so in the case of Hosni Mubarak, because I held him in high regard as president, but also as former President Anwar al-Sadat's vice president. He also had my great respect as commander of our air force. SPIEGEL: Are you representing him because of personal ties? Deeb: I didn't know him personally when he asked me to take on his case. He approached me because, as a defense attorney, I am a very well-known and successful man. I've won most of my cases. Since I've gotten to know him, I can even say that I also defend him because, on a personal level, I love him. But I'm also deeply convinced of his innocence. SPIEGEL: Your announcement that the court should release Mubarak from custody caused a stir internationally, and the transitional government has feared new unrest as a result. Deeb: We are dealing primarily with two groups in this country: the one group hates Mubarak, while the other one isn't familiar with the rules by which our judiciary operates. The court was merely acting in accordance with laws stating that no one can be held for more than two years pending a final verdict.SPIEGEL: General Abdel-Fattah el-Sissi, the new strongman behind the transitional government, built his career under Mubarak. Despite this, the new power structure is supposed to have had nothing to do with the former president now being released? Deeb: Mubarak didn't benefit from the changes. The judges' decision was not politically influenced, absolutely not. There are four different cases against Mubarak. In three of those, a decision about his release from custody had already been reached when the Muslim Brotherhood was still in power. The fourth case was addressed a few days ago. That case had been dragging on for more than two years, which meant that it was time to release him from custody. SPIEGEL: In early June 2012, Mubarak was sentenced to life in prison for his role in the deaths of the demonstrators. You compelled the court to reopen the case. When will that begin? Deeb: The court wants to hear the testimony and obtain the opinions of experts. Nevertheless, I believe that things will go relatively quickly now. I even hope the court will hand down a verdict in the next three months. Until then, Hosni Mubarak is a free man, although he isn't permitted to leave the country.SPIEGEL: This important case could be over before the end of the year?Deeb: Yes, I believe that the judges will hear the case expeditiously and quickly reach a verdict. And I assume they will acquit Hosni Mubarak. If not, he will of course be sent to prison again. But we can also file an appeal. In the end, he will be a free man. SPIEGEL: There are still other cases pending. They involve the acceptance of gifts worth close to €2 million ($2.6 million), charges of illegal enrichment through the sale of public properties and of using the presidential budget to pay for private property construction costs.Deeb: Those trials will also begin soon, and they too will end in acquittal.SPIEGEL: The fact is that Mubarak is in a military hospital in Cairo, where he is under house arrest.Deeb: It was his choice to be admitted there, because of his health. At the hospital, he receives the medical care he needs. He is 85. He is under house arrest on the orders of the prime minister, who has invoked a state of emergency for the country. The house arrest will end when the situation normalizes. SPIEGEL: Do you seriously believe Mubarak will gaze out at the Red Sea from his villa in Sharm el-Sheikh again?Deeb: Not now, but certainly later. Why not? He can also return to his house here in Cairo. Of course, he will have to appear in court on the days of the trial, but aside from that, he can choose to stay wherever he wishes within the country. He has chosen the military hospital for now. He occupies three rooms, reads newspapers and receives visits from his family.SPIEGEL: How is his frame of mind?Deeb: I just visited him. He is in good spirits, although he is suffering from a few illnesses. He walks very slowly, because he has pain in his knees. He sits around a lot. He had major operations -- his heart, the cancer. He may think he made political mistakes. But he is convinced he didn't commit any crimes.
Interview conducted by Dieter Bednarz. Translated from the German by Christopher Sultan
Farid al-Deeb, the lawyer of ousted Egyptian President Hosni Mubarak, talks to SPIEGEL about his client's health and ties to the current transitional government -- and why he believes the ex-president will soon be acquitted.
[ "Egypt", "Arab Spring", "Middle East" ]
International
World
2013-09-02T17:03:00+02:00
2013-09-02T17:03:00+02:00
https://www.spiegel.de/international/world/lawyer-farid-el-deeb-hosni-mubarak-will-be-set-free-a-919741.html
Der Tod auf Raten
Die Angst hat Sachiko Daidoji, 79, ausgemergelt. Ihre hohlen Augen haben sich tief hinter die Stirn gegraben. Nur eines bewegt die alte Japanerin noch: die Sorge um ihren Sohn, der zum Tode verurteilt wurde. Seit 13 Jahren lebt sie mit der amtlichen Bestätigung, dass Masashi Daidoji, 52, irgendwann hingerichtet werden soll. 1987 wurde er in letzter Instanz für einen Bombenanschlag auf den Konzern Mitsubishi Heavy Industries verurteilt. Bei der brutalen Tat, die der damals 26-Jährige 1974 mit vier Komplizen verübte, kamen 8 Personen um, 385 wurden verletzt. Bis heute streitet Daidoji ab, dass er Menschenleben gefährden wollte, und in seiner nunmehr fast 26-jährigen Haft in Tokio betet er für seine Opfer. Doch das dürfte ihm kaum nützen. Eisern hält der japanische Staat an der Todesstrafe fest. 628 Menschen wurden seit 1945 gehenkt, und der Gang zum Galgen könnte fast noch als humaner Strafvollzug gelten: Bis zum späten 19. Jahrhundert wurden schwere Verbrechen unter anderem durch Kreuzigung oder Aufspießen des Kopfes geahndet. Für die etwa 50 Häftlinge, die derzeit in Nippons Todeszellen einsitzen, ist das kein Trost. Ihr Tod kommt auf Raten. Häufig lässt der Staat sie bis zum letzten Tag über den Vollstreckungstermin im Ungewissen. Angehörige und Anwälte werden oft erst nach der Exekution benachrichtigt. Die Regierung hält Hinrichtungen streng geheim, obwohl sie sich auf Meinungsumfragen beruft, wonach bis zu 80 Prozent der Japaner die Todesstrafe gutheißen. Man wolle die Angehörigen nicht beunruhigen, rechtfertigt Yoshimasa Inoue, zuständiger Beamter im Justizministerium, die eigentümliche Praxis. Eine Diskussion über die Todesstrafe ist praktisch tabu. Stattdessen tilgt Nippons Öffentlichkeit die Todeskandidaten aus dem kollektiven Bewusstsein. Nur engste Familienangehörige dürfen sie besuchen oder ihnen Briefe schreiben. Wird einer schließlich hingerichtet, taucht sein Name höchstens als verschämte Notiz in den Medien auf. Wie Masashi Daidoji fristen alle Delinquenten, vom Kindermörder bis zum Terroristen, ihr restliches Leben in Isolationshaft, so genannten Selbstmordzellen. Zweimal täglich werden die Gefangenen für je 15 Minuten an die frische Luft geführt - immer einzeln. Falls ihnen Mithäftlinge begegnen, ist jeder Blickkontakt verboten. Verstöße gegen dieses konfuzianisch inspirierte Reglement werden streng geahndet. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Kriminellen müssen Todeskandidaten keine Zwangsarbeit leisten. Ihre Tage, die morgens um sieben beginnen, verbringen sie in den Zellen. Die Körperhaltung - meist wie Zen-Mönche im Schneidersitz - ist ihnen vorgeschrieben. Dabei werden sie von einer Kamera in der Zellendecke überwacht - selbst auf dem Klo, das unterhalb des vergitterten Fensters im Fußboden eingelassen ist. Der Bewegungsmangel in den etwa neun Quadratmeter großen Zellen ist oft unerträglich. Viele japanische Gefängnisse, für deren inhumane Zustände das Land von Menschenrechtsorganisationen massiv kritisiert wurde, sind ungeheizt. Selbst im relativ warmen Tokioter Winter holt sich Daidoji Frostbeulen an Händen, Füßen und Ohren. Im schwül-heißen Sommer wird es in seiner schlecht belüfteten Zelle dagegen so stickig, dass »einem das Gehirn schmilzt«, wie er klagt. Die willkürliche Festsetzung der Hinrichtungstermine wirkt als Psychofolter. Die Kandidaten müssen stets mit ihrem Ende rechnen. Vor allem gegen Jahresende wächst die Angst: In dieser Zeit lässt die Regierung meist noch schnell ein paar Urteile vollstrecken. Rechtsanwalt Yoshihiro Yasuda, ein prominenter Gegner der Todesstrafe, glaubt, Tokio wolle kein Jahr ohne Exekution vergehen lassen, um das Strafprinzip nicht in Frage zu stellen. In insgesamt sieben japanischen Gefängnissen werden die Todesurteile vollstreckt. Am »bata-bata«, dem Geräusch ungewohnter Geschäftigkeit, spüren Langzeitsträflinge wie Daidoji, dass der Henker in Aktion tritt. Wenn aus einer Zelle Schreie der Verzweiflung gellen, wird gerade jemand abgeführt zum Galgen. Die Verurteilten kommen zunächst in einen Altarraum, wo sie beten oder ein traditionelles Todesgedicht verfassen dürfen wie einst die Samurai-Krieger vor dem Harakiri. Der Galgen steht meist direkt neben dem Altarraum hinter einem Vorhang. Dort geht alles blitzschnell. Dem Gefangenen werden die Augen verbunden, Handschellen verpasst, die Knie gefesselt und die Schlinge um den Hals gelegt. Dann dreht ein Beamter einen Hebel in der Wand um. Unter den Füßen des Todgeweihten öffnen sich zwei dicke Eisenplatten, und der Verurteilte stürzt in die Tiefe. Dabei bricht ihm sofort das Genick. Ein Sanitäter steigt in den Keller, hört das Herz ab und fühlt den Puls, um den amtlichen Tod festzustellen. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich in Japan an der Hinrichtungspraxis wenig geändert. Allerdings werden nur mehr besonders brutale Verbrechen wie Mord und Raubmord auf diese Weise geahndet. Zwischen 1989 und 1993 sah es sogar so aus, als ob das zweitgrößte Industrieland sich dem europäischen Trend anschließen und die Todesstrafe abschaffen könnte. Japan vollstreckte gut drei Jahre lang keine Todesurteile. Doch dann übernahm Justizminister Masaharu Gotoda (Spitzname: »Rasierklinge") das Amt. Mit drei Exekutionen löschte er alle Hoffnung aus. Recht und Ordnung seien bedroht, wenn der Justizminister gültige Urteile nicht vollziehen lasse, verkündete der Hardliner. Seither wurden weitere 36 Menschen hingerichtet. Nur das Parlament könnte das Töten stoppen. Aber für eine Gesetzesänderung zeichnet sich dort keine Mehrheit ab. Im Gegenteil: Seit dem Giftgasanschlag im März 1995 auf die U-Bahn in Tokio, bei dem 12 Menschen ermordet und über 5000 verletzt wurden, wird der Ruf nach dem Galgen lauter. So haben die Richter in diesem Prozess bereits vier Todesurteile gesprochen. Gegen den Guru der Aum-Sekte, Shoko Asahara, der mit bürgerlichem Namen Chizuo Matsumoto heißt, wird noch verhandelt. Auch ihm droht der gebremste Fall am Strick. Unter dem Druck der Öffentlichkeit wollen Nippons Politiker die Rechte der Hinterbliebenen von Mordopfern stärken - und die fordern oft die Todesstrafe, weil Übeltäter ihrer Meinung nach zu früh auf freien Fuß gesetzt werden. Im Durchschnitt sitzen lebenslänglich Verurteilte etwa 20 Jahre ab. Dies halten zwar auch viele Gegner der Todesstrafe für zu kurz, aber denen geht es darum, dass keine Unschuldigen gehenkt werden. Seit den Achtzigern mussten bei Wiederaufnahmeverfahren bereits vier Todesurteile in Freisprüche umgewandelt werden, denn Japans Gerichte sind für solch besonders verantwortungsreiche Verfahren schlecht gerüstet. Es herrscht chronischer Mangel an Juristen; auf 100 000 Einwohner kommen nur 2,3 Richter. In Deutschland sind es mehr als elfmal so viele. Prozesse ziehen sich meist über Jahre hin, und Nippons Richter verlassen sich gern auf Geständnisse, die oft mit rüden polizeilichen Verhörmethoden abgepresst wurden. »Betet nicht dafür, dass ich ein Buddha werde, sondern betet für das Seelenheil meiner Opfer. So kann dann auch ich ein Buddha werden«, schrieb 1971 der Kindesentführer und Mörder Tamotsu Kohara. Kohara war in der Todeszelle zum Dichter geworden. Auch andere Kandidaten versuchten, gegen Verzweiflung und drohenden Irrsinn anzuschreiben. So verfasste der vierfache Mörder Norio Nagayama im Gefängnis Romane, sein Werk »Hölzerne Brücke« wurde mit einem angesehenen japanischen Literaturpreis ausgezeichnet. Der Dichterruhm bewahrte aber auch ihn nicht vor dem Strick. 1997, sieben Jahre nach der Entscheidung in letzter Instanz, wurde er in Tokio hingerichtet. WIELAND WAGNER * Giftgasattacke der Aum-Sekte in einer U-Bahn am 20. März1995.
Wieland Wagner
Noch immer kommen Schwerverbrecher an den Galgen. Das Datum ihrer Hinrichtung wird willkürlich festgesetzt - viele Delinquenten schmoren in jahrelanger Ungewissheit.
[ "Tokio" ]
Politik
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2001-03-04T13:00:00+01:00
2001-03-04T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/der-tod-auf-raten-a-8bebde1a-0002-0001-0000-000018649813?context=issue
Stören oder hemmen?
Selten waren SPD und CDU in Fragen der Hamburger Schulpolitik so einig. Eine große Koalition der Verweigerung stand zum Jahreswechsel den Bemühungen von Elterngruppen entgegen, den in Hamburg praktizierten gemeinsamen Grundschulunterricht für behinderte und nichtbehinderte Kinder auszuweiten. Henning Voscherau, SPD-Fraktionsvorsitzender, verwies darauf, daß der »Modellversuch« mit derzeit 13 Integrationsklassen in sieben Schulen noch »der Auswertung bedarf«. Ähnlich argumentierte die CDU-Opposition, für die »bisher nicht geklärt« ist, ob behinderte Kinder in Integrationsklassen »ausreichend gefördert« werden könnten und »die nichtbehinderten auch zu ihrem Recht kommen«. Dafür aber gibt es nun Indizien. Der Hamburger Pädagogik-Professor Hans Wocken, 43, legt Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung vor: Erstmals wurden die Schulleistungen nichtbehinderter Kinder in Integrationsklassen mit denen herkömmlicher Grundschulklassen verglichen. Die Studie sollte zur Klärung der »emotional bewegenden Streitfrage« (Wocken) beitragen, ob »gute und begabte Schüler« in Integrationsklassen »einseitig die Kosten der gemeinsamen Unterrichtung« tragen. Das Ergebnis spricht für die Integration. Verglichen wurden Lesefertigkeit, Leseverständnis sowie Zahlenrechnen von Grundschülern, die seit ein oder zwei Jahren gemeinsam mit bis zu vier behinderten Kindern in eine Klasse gehen und der Wissensstand Gleichaltriger in Parallelklassen. Bei der Überprüfung der Lesefertigkeit zeigten sich die Kinder der Integrationsklassen leicht überlegen. Sie machten im Durchschnitt einen Lesefehler weniger als ihre Testpartner, in Einzelfällen erreichten ihre Klassen sogar deutlich bessere Ergebnisse. Im Rechentest erreichten die Kinder der Modellklassen durchschnittlich 18,6 von 25 erreichbaren Punkten, die Schüler der anderen Schulen brachten es auf 16,8 Punkte. Ebenso knapp vorn lagen die Modellschüler auch beim Vergleich im »sinnerfassenden Lesen«. Zwar fielen die Vorteile zugunsten der Integrationsklassen so gering aus, daß sie für Forscher Wocken »nicht statistisch bedeutsam« sind. Doch sie belegen eine »Pattsituation« von grundsätzlicher bildungspolitischer Bedeutung. Die Untersuchungsergebnisse befreien die Modellklassen von der »Ballast-Hypothese«, nach der Spastiker und Mongoloide den gemeinsamen Unterricht behindern. Daß körperlich oder geistig beeinträchtigte Kinder in Integrationsklassen zumindest ebenso gefördert werden können wie in Sonderschulen, der soziale Kontakt zu Nichtbehinderten sogar deutlich besser ist, hat die Praxis der Schulversuche in Hamburg wie in anderen Städten hinreichend belegt (SPIEGEL _(Auf dem Hof der Hamburger ) _(Fridtjof-Nansen-Schule. ) 49/1985). Doch der wissenschaftliche Nachweis ist schwer zu führen. Weil behinderte Kinder trotz scheinbar gleicher Probleme jeweils ganz unterschiedlich benachteiligt sind, lassen sich »keine vergleichbaren Kontrollkinder finden«, sagt Wocken. Ein ähnlich angelegter Leistungsvergleich sei »nicht möglich«. Wissenschaftler müssen deshalb stärker auf Einzelfallstudien zurückgreifen oder auf Befragungen der Eltern. Da schneiden die Versuchsklassen wiederum hervorragend ab. In einer noch unveröffentlichten Umfrage zeigen sich Eltern der Schüler von sechs Hamburger Integrationsklassen mit der Schulpraxis in erstaunlichem Maße einverstanden. 53 Prozent sind mit dem Schulalltag »sehr zufrieden«, 44 Prozent äußern sich »zufrieden«. 91 Prozent der Eltern antworteten auf die Frage, ob sie ihr Kind »wieder in eine Nasse mit Behinderten und Nichtbehinderten« schicken würden, uneingeschränkt mit Ja; bei den Eltern behinderter Kinder waren es 94 Prozent. 68 Prozent der Eltern zeigten sich bereit, ihre Kinder auch nach der Grundschule in Integrationsklassen zu schicken. Wocken wertet die Umfrageergebnisse, wie die Resultate der Leistungsvergleiche als Belege für den pädagogischen Nutzen der Integration: Die »Ausgrenzung« von Spastikern und Mongoloiden, Sinnesgestörten und Verhaltensauffälligen aus der Grundschule und Aussonderung auf Sonderschulen könne mit der pädagogischen Verantwortung für die nichtbehinderten Kinder »nicht begründet und legitimiert werden«. Entgegen Befürchtungen von Politikern, Eltern oder Pädagogen, so das Fazit des Forschers, »stören oder hemmen behinderte Kinder die Leistungsentwicklung nichtbehinderter Kinder nicht«. Auf dem Hof der Hamburger Fridtjof-Nansen-Schule.
Eine wissenschaftliche Untersuchung belegt, daß Grundschüler nicht zu kurz kommen, wenn sie mit Behinderten in dieselbe Klasse gehen. *
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Politik
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1986-02-23T13:00:00+01:00
1986-02-23T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/stoeren-oder-hemmen-a-af6fcc47-0002-0001-0000-000013518568?context=issue
Opel Meriva: Die überarbeitete Variante des kompakten Familienvans
Der erste Eindruck: Alt oder neu? Das zu erkennen, fällt beim renovierten Meriva nicht leicht. Eine Chromspange im Kühlergrill sowie frische Schminke für Scheinwerfer und Rückleuchten - das war's mit den optischen Neuerungen.Das sagt der Hersteller: "Der neue Meriva ist besser als je zuvor", sagt Opel-Vertriebsvorstand Peter Christian Küspert. "Er setzt in Sachen Ergonomie, erschwingliche Flexibilitätslösungen und Qualität den Standard in seinem Segment - wenn nicht gar in der Branche." Weil man die Kunden aber am ehesten mit finanziellen Argumenten überzeugt, senkten die Opel-Leute zudem den Grundpreis. Küsperts formuliert es in schönstem Vertriebsjargon so: "Käufer, die ein Auto haben wollen, das hohen Komfort mit herausragender Funktionalität und einem unvergleichlichen Preis-Leistungs-Verhältnis verbindet, werden am neuen Meriva kaum vorbeikommen."Das ist uns aufgefallen: Nichts, man hört einfach nichts. Beim Anlassen in der kühlen Tiefgarage hat das Modell mit dem neuen Dieselmotor zwar noch genagelt und geknurrt wie jeder andere Selbstzünder auch, doch wenn die Maschine auf Temperatur ist, wird der 1,6-Liter-Motor extrem leise und unauffällig. Zumindest, bis man etwas fester aufs Gas tritt. Der 136 PS starke Motor bleibt auch dann akustisch dezent, aber er entwickelt einen deutlichen Vorwärtsdrang. Druckvoll startet der kleine Van von der Ampel weg. Dank hoher Elastizität und des neuen, vor allem beim Runterschalten geschmeidigeren Getriebes, wird das Überholen auf der Landstraße zur leichten Übung. Das alles übrigens bei einem Normverbrauch von 4,4 Liter, der sich im Alltag wohl bei knapp sechs Liter einpendeln wird. Was noch auffällt im Meriva, ist das unverändert hohe Maß an Flexibilität der Inneneinrichtung. Schon der Zustieg zum Fond ist dank der hinten angeschlagenen Hecktüren auch für Erwachsene ein Kinderspiel. Und mit den drei einzeln verschieb- und umklappbaren Sitzen anstelle der Rückbank findet man im Handumdrehen den besten Kompromiss zwischen Kniefreiheit und Kofferraum. Dazu gibt es knapp drei Dutzend Ablagen sowie neue Finessen wie beleuchtete Türgriffe oder gekürzte Gleitschienen für die Mittelkonsole. Man merkt, das bei der Entwicklung Praktiker am Werk waren.Das muss man wissen: Rund drei Jahre nach dem Start kommt der überarbeitete Meriva Ende dieses Monats in den Handel. Die Preise hat Opel um knapp 700 Euro gesenkt und startet jetzt mit 15.990 Euro. Dafür gibt es einen 1,4-Liter-Benziner mit 100 PS. Der hier getestete Diesel ist das Spitzenmodell und kostet mindestens 23.350 Euro. Dazwischen gibt es noch zwei Turbo-Benziner mit 1,4 Litern Hubraum und 120 oder 140 PS, von denen der schwächere auch als Erdgasumrüstung verkauft wird, sowie zwei weitere Diesel: Einen 1,3-Liter mit 95 PS und einen 1,7-Liter, der auf 110 PS kommt und mit Automatik angeboten wird. Später im Jahr soll eine zweite Variante des Flüsterdiesels kommen. Sie hat dann zwar nur noch 110 PS, punktet dafür aber als erster Diesel-Van in dieser Klasse mit einem CO2-Ausstoß unter 100 g/km, stellt Opel in Aussicht.Das werden wir nicht vergessen: Die vielen Knöpfe, die noch immer die gesamte Mittelkonsole füllen. Zwar hat Opel bei der Modellpflege auch ein neues Infotainment-System eingebaut, das mit den wichtigsten Smartphones harmoniert, SMS vorlesen kann und Sprachdienste wie Siri integriert. Doch die Bedienung ist mühsam wie eh und je. Und auch die überarbeitete Sprachsteuerung macht es nicht besser. Bei der Testfahrt jedenfalls war die Verständigung so mühsam, dass der Dialog meist unfreiwillig beendet wurde. "Zeitüberschreitung. Abbruch. Auf Wiedersehen." Wenn man das dreimal zu hören bekommt, dann ist es mit der sonst so angenehm dezenten Atmosphäre an Bord schnell vorbei.
Tom Grünweg
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar - offenbar haben die Opel-Entwickler in "Der kleine Prinz" gelesen, als sie den Meriva überarbeitet haben. Denn bedeutende Neuerungen sind nicht zu sehen, aber zu hören.
[ "Fahrberichte", "Opel-Modelle", "Van/Kleinbus", "Autotests" ]
Mobilität
Fahrberichte
2014-01-27T16:15:00+01:00
2014-01-27T16:15:00+01:00
https://www.spiegel.de/auto/fahrberichte/opel-meriva-die-ueberarbeitete-variante-des-kompakten-familienvans-a-945157.html
SAP-Chef McDermott bekommt 14 Millionen Euro
Wie hoch dürfen Managergehälter sein? Die Frage wird nach dem Wahlkampfvorstoß der SPD gerade wieder heftig diskutiert. Beim baden-württembergischen Softwarekonzern SAP   lautet die Antwort bis auf Weiteres: ziemlich hoch.Denn dank langfristiger Gehaltsbestandteile verdiente SAP-Chef Bill McDermott im vergangenen Jahr fast dreimal soviel wie 2015. Der Vorstandsvorsitzende erhält knapp 14 Millionen Euro, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Geschäftsbericht hervorgeht. Im Vorjahr waren es 5,4 Millionen Euro. Grund für den Sprung ist vor allem die langfristige variable Vergütung, die sich am Kurs der SAP-Aktie orientiert und sich auf mehrere Jahre bezieht. Die SAP-Aktie hatte im vergangenen Jahr mehr als 20 Prozent zugelegt. Das Geld sieht McDermott allerdings nicht sofort. Auf die langfristigen Bestandteile muss er bis zu vier Jahre warten. SAP hatte die für 2016 gesteckten Ziele erreicht: Der Umsatz stieg um sechs Prozent auf 22,1 Milliarden Euro. Nach Steuern verdiente das Unternehmen mit 3,6 Milliarden Euro 18 Prozent mehr als im Vorjahr, als noch ein teures Abfindungsprogramm zu Buche schlug. Auch die Mitarbeiter sind offenbar zufriedener. Der sogenannte Engagement-Index, mit dessen Hilfe SAP die Stimmung der Belegschaft misst, stieg 2016 um drei Prozentpunkte auf 85 Prozent. 2017 bis 2020 soll der Wert zwischen 84 und 86 Prozent liegen.Die Befragung ist bei SAP ein sensibles Thema. Denn der Erfolg der Softwareschmiede hängt von motivierten Entwicklern und Softwareberatern ab. 2010 musste der damalige SAP-Chef Léo Apotheker abtreten, weil nicht nur Kunden meuterten, sondern auch interne Zufriedenheitswerte einbrachen.
dab/dpa
Bill McDermott hat 2016 knapp 14 Millionen Euro verdient - fast drei Mal so viel wie im Vorjahr. Auf einen Großteil des Geldes muss der Chef des Softwarekonzerns SAP allerdings noch warten.
[ "SAP", "Softwareunternehmen", "Software", "Bill McDermottt" ]
Wirtschaft
Unternehmen
2017-02-28T14:23:00+01:00
2017-02-28T14:23:00+01:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/sap-chef-mcdermott-bekommt-14-millionen-euro-a-1136683.html
Rassistische Sprache: Ich bin Kanake - aber nicht für alle
Dieser Beitrag wurde am 13.01.2020 auf bento.de veröffentlicht. Dating-Plattformen bergen viele Erkenntnisse – vor allem über sichselbst. Ich, Marcel Nadim Aburakia, helle Haut, braune Haare, voller Bart,Caption: Palästina-Flagge. Mit Anfang 20 erswipte ich eine weiße Deutsche ohneirgendwie bekannten "Migrationshintergrund". Donnerstagabend das Match,Donnerstagnacht viele ausgetauschte Nachrichten und zack: Freitagabend dieVerabredung in der Münchner Innenstadt. Da sitze ich also in dieser 0815-Bar, führe Smalltalk über allesmögliche und schlürfe an meiner eiskalten Maracujaschorle. "Woher kommst du eigentlich, dein Nachname klingt so exotisch?""Papa aus Palästina! Wieso?""Och ne! Du bist also Kanake…"Das Date war schneller vorbei als der ursprüngliche Swipe. Wasblieb: Ein unangenehmer Nachgeschmack. Aus ihrem Mund klang das Wort "Kanake" so abwertend – dabei benutzte ich es selbst oft. In meinen Augen bedeutet Kanake Mensch mitsüdländischen, besonders türkischen oder arabischen Wurzeln – undRassismuserfahrungen. Es fühlt sich beflügelnd an, endlich ein Wort für meinesgleichengefunden zu haben. Aber in der Bar in München fühlte ich mich plötzlich fremd, als obmit dem Finger auf mich gezeigt würde. Ich erinnerte mich an das Gefühl – ausmeiner Kindheit.Ich war Teil einer Gruppe, die jeden Tag Räuber und Gendarm in denInnenhöfen von Sozialbauten und Eigentumswohnungen spielte. Unsere Herkunft wardabei völlig egal: Türkinnen, Kroaten, Italienerinnen, Palästinenser undDeutsche. Hitzige Diskussionen gehörten zum Daily-Business: "Du hast mich nichterwischt!", "Schummler" und so weiter. Wenn es eskalierte, gingen alle heim undtrafen sich am nächsten Morgen unbekümmert wieder. Eigentlich. Aber als einälterer deutsch-deutscher Nachbarsjunge mich anschrie: "Verpiss dich, du dummerKanake!", fühlte ich Verwirrung und Scham. Ich wusste damals nicht genau, was einKanake war. Aber eines wusste ich sicher: Es musste etwas Schlimmes sein. Mein palästinensischer Vater kam Mitte der 80er nach Deutschland.Da war Kanake längst als Beleidung für alle etabliert, die nicht so deutsch aussahen,wie Deutsche es sich vorstellten, für alle, die als "Gastarbeiter" gekommen warenund doch nie wie Gäste behandelt wurden.Wer Kanake sagte, hatte immer das Ziel, Menschen zu erniedrigenund als fremd zu beschreiben. Auch meinen Vater.Als Jugendlicher, der dazugehören wollte, habe ich schnell Schlüsseaus diversen diskriminierenden Erfahrungen gezogen: Papa macht dich zumKanaken, also entfern dich so weit wie möglich von allem, was dich wie Baba macht. Ich verstecktemeine arabische Identität, Sprache und Umgangsform, um von den weißen MünchnerVorstadtkindern nicht ausgegrenzt zu werden. Das ging so weit, dass ich bei Telefonatenmit meinem Vater bewusst von anderen weg ging, um keine dummen Anmerkungen zukassieren. Es wäre mir peinlich gewesen, dass ich eine Mischung aus Deutsch undArabisch spreche.Heute ist das anders. Viele von "uns Kanaken" sind stolz aufunsere Herkunft, auf unsere Eltern, die so viel mitmachen mussten, um uns unserLeben zu ermöglichen, auf unsere Sprachen, die vieles so viel schönerausdrücken können als das Deutsche, auf unsere Literatur und unsere Musik,unser Essen und unsere Art, auf das Leben zu schauen. Und es ist nicht mehr zuübersehen, wie wir Deutschland geprägt haben.Hassan Akkouch ist Schauspieler, er begeistert Fans von "4 Blocks" als Marouf. Als ich ihn zu einem Podcast-Interview traf, sagte er: "Früher durfte ich nur Kanaken-Rollen spielen, jetzt hat mich eine Kanaken-Rolle berühmt gemacht!"Man muss Serien wie 4 Blocks, Dogs of Berlin oder Skyline nicht abfeiern, ihr Effekt ist jedoch unübersehbar. Viele Alman-Kids kommen fast nicht mehr ohne Wörter oder Ausdrücke aus dem Arabischen klar. "Wallah" (bei Gott), "Mach kein Auge!" (Aufruf nicht missgünstig zu sein) und "Habibi" (Schatz, Liebling) sind zum Standard geworden. Ausdrücke, die mir früher böse Blicke eingebracht haben, sind heute Teil der Jugendsprache. Das verdanken wir auch dem Schriftsteller Feridun Zaimoglu. Dermachte die "kanakische" Art, das Mischen von Deutsch mit der Herkunftsspracheder Eltern, normal. In "Kanak Sprak – 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft" dokumentierte er eine Kunstsprache, die das Duden-Deutsch mit türkischenund englischen Einschüben ergänzte. Und auch viele erfolgreichenicht-türkische Rap-Stars wie KC Rebell und Farid Bang ("Kanax in Paris") oderHaftbefehl und Xatar ("Kanak") machten den Kanaken-Slang cool. Als dieseMusik ihren Weg auch an meinen Schulhof fand, half mir das sehr. Ich kannte dieCodes und Fremdwörter. Es zeigte mir auch, dass Menschen die eine ähnlicheHerkunft haben, eine Bühne für ihre Kunst fanden und damit akzeptiert wurden. Kanakesein, das bedeutete auf einmal Street Credibility, einen Gegenentwurf zumstriktesten Alman-Leben. Kanackische WelleIm Podcast "Kanackische Welle " sprechen die beiden deutschen Journalisten Marcel Nadim Aburakia (l.) und Malcolm Ohanwe über Probleme und Eigenheiten von kanakischen Communitys in Deutschland. Von Popkultur,Rassismus, religiösen Spannungen über Gender und dem Dasein als Männer ofColor. Das alles gibt es mit einem Lächeln und hochkarätigenGästen wie zum Beispiel der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli oder dem "4Blocks"-Schauspieler Hassan Akkouch. Hassan Akkouch glaubt, heute wolle jeder Kanake sein. "Dabei istdas gar nicht geil!" Denn das Problem ist: Maximilians können entscheiden,diese Maske aufzusetzen, wie es ihnen beliebt. Kanakisch oder schwarz sein istfür die Mehrheit vielleicht ein Trend. Sobald der out ist, kann man ebenden nächsten Minderheitenstil adaptieren. Und so lange er in ist, will man coolsein, mitspielen und andere auch ganz lässig Kanake nennen. So wie ich undmeine Freunde. Aber der Wandel des Wortes ist, wie beim N-Wort, das Zurückholeneiner schmerzvollen Fremdzuschreibung. Gerade Menschen aus dem türkischen undarabischen Raum erfuhren – und erfahren bis heute – durch den Begriff Rassismus. Mein Vater und Menschenwie er wurden strukturell und privat diskriminiert. Wer so eine migrantischeIdentität hat, soll mit dem Wort machen, was er möchte. Vor allem anderen ist und bleibt es eine rassistische Beleidigung.Auch die  Aneignung von Sprache und Stil ist höchst problematisch. Fallsdu als Deutsche oder Deutscher ohne so einen Migrationshintergrund glaubst,Kanake sagen zu müssen, dann sage K-Wort. Damit sehe ich, dass die Personmit der nötigen Sensibilität an das Thema herangeht und es nicht böse meint. Es heißt Schokokuss: Warum politisch korrekte Sprache nicht elitär ist
Marcel Nadim Aburakia
Wer das K-Wort sagen kann – und wer lieber nicht.
[ "Rassismus", "Sprache" ]
Panorama
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2020-01-13T17:56:43+01:00
2020-01-13T17:56:43+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/rassistische-sprache-ich-bin-kanake-aber-nicht-fuer-alle-a-fc4fa4dd-50b2-46be-8735-3518a1717ed9
Chat-Protokoll: Warum kriegen wir zu wenig Kinder, Frau Schmidt?
(Moderator DominikBaur): Liebe Leser, herzlich willkommen im SPIEGEL-ONLINE-Chat über Familienpolitik in Deutschland. Ich begrüße Renate Schmidt, seit zwei Jahren Bundesfamilienministerin, die zu uns gekommen ist, um sich Ihren Fragen zu stellen. Herzlich willkommen, Frau Schmidt. RenateSchmidt: Hallo! Jetzt geht's los.(Moderator DominikBaur) Bevor ich den Chat frei gebe, noch eben ein Hinweis: Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass dies ein moderierter Chat ist. Das heißt: Ihre Fragen sind erst dann für alle lesbar, wenn wir Sie freigeschaltet haben. Wegen der großen Anzahl an Chattern und, um Dopplungen zu vermeiden, können wir leider nur eine Auswahl der Fragen berücksichtigen. Wir versuchen dabei, ein möglichst breites Spektrum von Fragen zum Zuge kommen zu lassen. Und damit erkläre ich den Chat für eröffnet. Bitte stellen Sie ihre Fragen! JRBerlin1: Warum ist es anscheinend so schwer, für jedes Kind, unabhängig davon ob die Eltern arbeiten oder nicht, eine Ganztagsbetreuung gesetzlich zu garantieren?RenateSchmidt: Für Kindergärtenplätze gibt es diese Garantie, leider Gottes wurden in den letzten 30 Jahren in Deutschland keine Prioritäten zugunsten von Kindern gesetzt. Ich bin jetzt dabei mit einem neuen Gesetz die Betreuung für die unter Dreijährigen zu verbessern und bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten 5 jahren endlich europäisches Niveau erreicht haben werden. Trantor: Vor allem versagen doch die Arbeitgeber, auch die öffentlichen. Warum ist es für Akademiker mit Kindern fast unmöglich eine Teilzeitstelle zu finden ? RenateSchmidt: Unmöglich ist das nicht. Durch den Rechtsanspruch auf einen Teilzeitanspruch, der auch für den Öffentlichen Dienst gilt, aber auch durch die Einsicht von immer mehr Arbeitgebern gibt es zunehemnd mehr Teilzeitbeschäftigung. Das reicht noch nicht. In der von mir gegründeten Allianz für die Familie mit den Wirtschaftsverbänden und den Gewerkschaften wollen wir versuchen, endlich auch in Deutschland familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. JKoeln1: Warum gibt es keine Einkommensobergrenze für Kindergeldempfänger?RenateSchmidt: Das Kindergeld ist Ausgleich für zu viel gezahlte Steuern; für diejenigen, die wenig verdienen, enthält es außerdem einen Anteil der Förderung. Das Bundesverfassungsgericht hat verbindlich vorgeschrieben, dass ALLE, auch die Höchstverdienenden, Steuerfreibeträge für ihre Kinder bekommen müssen. Deshalb gibt es auch dieses Kindergeld für alle, der Gesetzgeber hat keine andere Möglichkeit. nimmerfroh: Warum sind die Kosten für Haushaltshilfen und Kinderbetreuerinnen zu Hause nicht absetzbar? Das würde beiden helfen: denen, die schwarz beschäftigt sind und den Eltern. RenateSchmidt: Sie sind z.T. absetzbar. Außerdem gibt es seit 2003 die Möglichkeit, über einen Minijob auch haushaltsnahe Dienstleistungen steuerlich geltend zu machen. Mit unserem neuen Tagesbetreuungsausbaugesetz gilt das dann auch für Tagesmütter.Gastvater1: Warum dauert es 30 Jahre einer fatalen Entwicklung entgegensteuern zu wollen, wenn die Mathematik diese Entwicklung schon seit 30 Jahren zeigt?RenateSchmidt: Weil die Menschen nicht bereit sind, soweit in die Zukunft zu schauen, und Maßnahmen, die die politik heute treffen will und die sich erst nach mehreren Jahrzehnten auszahlen, sind meistens nicht besonders populär. Außerdem wurde, was die Kinderbetreuung betrifft, in Deutschland immer so diskutiert, dass die *Mütter* verantwortlich sind, das zu regeln. Die Entwicklung, dass Frauen zunehmend nicht mehr bereit sind, auf eigene Erwerbstätigkeit zu verzichten, wurde von vielen nicht akzeptiert. Die Quittung bekommen wir heute. jsmuc: Warum werden nicht verheiratete Paare noch immer so deutlich schlechter gestellt? Steuerlich, bei Förderungen, Zuwendungen etc.?RenateSchmidt: Auch dieses hat seinen Grund in unserer Verfassung und in der Rechtssprechung des BVerfG.yaino1: Was sind die Unterschiede zwischen uns und Frankreich, wo Arbeit und Kinder anscheinend sehr gut unter einen Hut passen, auf dem Gebiet der Familienpolitik ?RenateSchmidt: In Frankreich gibt es erstens einmal einen viel bessere Betreuung von Kindern, es gibt ein umfassendes Tagsemütterangebot; außerdem Krippenplätze, die jetzt noch erweitert werden sollen, und ab dem 3. Lebensjahr der Kinder die kostenlosen ganztägigen Ecoles Maternelles. Außerdem gibt es in Frankreich keine Rabenmütter-Diskussion; es wird akzeptiert, dass auch Frauen mit mehreren Kindern arbeiten. Mainzer1: Warum wollen die Politiker immer glauben, dass die Menschen nicht bereit sind? Vielleicht sind nur die Politiker nicht bereit...RenateSchmidt: erwerbstätig sein wollen. Das sehen wir doch an der heutigen Diskussion! Wenn es darum geht, dass man selbst Einschränkungen hinzunehmen hätte, ist man dazu seltener bereit, selbst dann nicht, wenn es einem vernünftigen Ziel dient.sailor: Was halten Sie von Ganztagsschulen im Stile der USA oder GB, um das Problem von arbeitenden Vätern und Müttern zu lösen?RenateSchmidt: Wir sind ja dabei, mehr Ganztagsschulen zu initiieren. Obwohl die Bundesregierung dafür nicht zuständig ist, sondern genauso wie bei der Kinderbetreuung die Länder bzw. die Kommunen, haben wir 4 Mrd. Euro in Ganztagsschulen investiert und es gibt Gott sei Dank zunehmend mehr von ihnen. Das nützt den Eltern, aber vor allem den Kindern, denn nirgendwo in Europa entscheidet die Herkunft eines Kindes so sehr über seine Bildungschancen wie bei uns in Deutschland. Bateyes1: Was spricht dagegen, das Ehegattensplitting in der bisherigen Form abzuschaffen und es an die Kinder zu binden?Gast761: Was halten Sie von einem Einkommensunabhängigen Kindergeld als sog. Kopfpauschale je Kind von mind. 400 Euro um Eltern oder Mütter zu fördern?RenateSchmidt: Ich will keine Verantwortung von der Politik wegschieben, aber auch hier ist es wieder so wie beim Kindergeld: das BVerfG hat uns gesagt, dass das Ehegattensplitting ein Bestandteil des grundgesetzlichen Schutzes der Ehe ist. Die Frage des einkommensunabhängigen Kindergeldes haben wir heute schon. 400 Euro pro Kind würde ein Volumen von zusätzlich ca. 60 Mrd. Euro pro Jahr bedeuten. Dieses ist nicht finanzierbar. Außerdem ist bei uns in Deutschland die finanzielle Förderung von Familien im Vergleich gar nicht so schlecht: Wir liegen im oberen Drittel in Europa; es fehlt bei uns an der Infrastruktur für Familien und an familienfreundlichen Arbeitsbedingungen MartinFranck: Akademiker haben die niedrigste Arbeitslosigkeit und das höchste Einkommen aber auch die niedrigste Geburtenrate, warum?RenateSchmidt: Weil die Ausbildung so lang ist. Auch sie muss kürzer werden. Und die jungen Leute dann erst einmal im Berufsleben Fuß fassen wollen. Der Entscheidungszeitpunkt für Kinder fällt dann in das 4. Lebensjahrzehnt, ist manchmal mit dem Beruf nicht vereinbar und führt dann dazu, dass Kinderwünsche immer ´weiter hinausgeschoben werden, bis es bei vielen dann zu spät ist.Silbermann1: Ich bin Maschinenbau- und Bauingenieurin. Kann es sich der Staat wirklich leisten, dass sich Frauen mit meiner Qualifikation zu Hause sitzen wenn sie arbeiten wollen? RenateSchmidt: Nein.sasch2k11: Meine älteste Tochter bekam sehr schwer einen KiGa-Platz (5 J.) und meine 3 jährige hat einen 50. Warteplatz . Das sogar in Bayern! Warum?RenateSchmidt: Bayern ist in dieser Frage nun wahrhaftig keine Spitze. Spitze sind in diesen Fragen Berlin und die ostdt Bundesländer. Ihre 3-Jährige hat einen Rechtsanspruch, den Sie individuell einklagen können, auf einen Kinddergartenplatz. Allerdings nur halbtags. Und auch Ihre 5-Jährige hätte eigentlich keine Schwierigkeiten haben dürfen. Der Paragraph heißt § 24 KJHG, nach dem können Sie Ihre Ansprüche (beim Jugendamt) geltend machen shyning: Sollen homosexuelle Paare Kinder adoptieren dürfen und sollen diese gleich gefördert werden wie Kinder von heterosexuellen Paaren ?RenateSchmidt: Es dürfen nicht sämtliche Kinder von homosexuellen Paaren adoptiert werden. Zulässig sind nur sog. Stiefkindadoptionen, dh wenn eine oder einer der beiden Partner/innen ein Kind in die Lebenspartnerschaft einbringt, kann dies mit Zustimmung des leiblichen Vaters/der Mutter, soweit es sich um einen ehemaligen Ehepartner/in handelt, adoptiert werden. Natürlich werden alle Kinder unabhängig davon, wie ihre Eltenr leben, gleich gefördert.p2c2e: einklagbarer rechtsanspruch - wie lange dauert so ein verfahren im schnitt und mir ist keine rechtschutzversicherung bekannt, die die kosten traegt RenateSchmidt: Im Regelfall muss man nicht lange klagen, weil die Kommunen wissen, dass Sie im Recht sind. Es reicht meistens das Androhen einer solchen Klage aus. Binnen Kurzem haben Sie Ihren Platz. Sie müssen nur darauf achten, dass dieser auch in Ihrem Wohnumfeld liegt. Etwas Hartnäckigkeit reicht im Regelfall ganz ohne Rechtschutzversicherung aus.Guest6: Warum wird nicht einfach das schwedische System übernommen, wo Eltern ein Jahr mit 80% des Gehalts zuhause bleiben können und dann einen grantierten Krippenplatz haben?RenateSchmidt: Genau das beabsichtige ich. Aber in der richtigen Reihenfolge. Zuerst brauchen wir ausreichend Betreuungsplätze, da bin ich dran; ich möchte im Jahr 2006 dem Kabinett dann ein Konzept für ein lohnbezgenes Elterngeld nach skandinavischem Vorbild vorlegen juju1: Wozu braucht die Gesellschaft überhaupt mehr Kinder? Die Arbeitslosigkeit ist hoch, und Kriege führen wir jetzt keine mehr? Oder ist etwas in Plannung?RenateSchmidt: Nein, Kriege sind nicht in Planung :-) Und Kinder brauchen wir, weil die niedrige Geburtenrate auch ökonomische Konsequenzen hat, z.B. niedrigeres Wachstum, und unsere Arbeitslosigkeit dadurch weiter steigen wird. Der Altersaufbau in Deutschland ist dramatisch schlecht; mit ebenfalls ökonomischen Konsequenzen für unsere Arbeitsplätze, aber auch für Forschugn und Technik weniger Kinder sind also nicht nur ein individuelles Problem, sondern auch ein volkswirtschaftliches, und sogar ein betriebswirtschaftliches. albrecht: Werden die Kinder gefragt, die eine 2te Mutter oder 2ten Vater bekommen?RenateSchmidt: Wenn sie alt genug sind, werden sie selbstverständlich von den Jugendämtern gefragt und ihre Meinung ist dazu ganz wesentlich.lisa2: Was unternimmt das Familienmisterium konkret, damit auch Kinder und Jugendliche sich wieder stärker für Politik interessieren?RenateSchmidt: Wir haben ein Projekt initiiert, das den schönen Namen "Projekt P" trägt. Das steht für Partizipation und Politik. Nächstes Jahr starten wir. Es gibt viele Aktivitäten vor Ort, an denen sich Jugendliche vor Ort beteiligen können. Wirtschaftsingenieur1: Frau Schmidt, warum gibt es keine WWW Foren, wo kompetente Mitarbeiter von Ihnen auf Fragen, wie hier gestellt, dauerhaft nachlesbar antworten? Gibt es solche?RenateSchmidt: Es gibt so viele Foren. Mein Ministerium ist nicht so groß, dass ich auf Dauer dafür Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abstellen kann. Auf unseren Internetseiten ist *so* vieles nachlesbar, dass das in einem einzigen Chat von einer Stunde gar nicht vermittelbar ist.Andrea: Als Psychologin und Mediziner (25/28 Jahre) würden wir gerne Kinder haben. Wie sollen wir das schaffen bei 800¤ FAmilieneinkommen und 2x 40-60 h Arbeit pro Woche?RenateSchmidt: Ich verstehe nicht ganz, wie Sie nur 800 Euro Familieneinkommen bei 120 Stunden Arbeit pro Woche haben. Das kann nur Ausbeutung sein, und die ist auch in der Bundesrepublik verboten.Guest19: Warum führen Sie das Elterngeld nicht schon in dieser Legislatur ein?RenateSchmidt: Weil wir nicht genugend Geld haben und auch die Kinderbetreuungseinrichtungen noch nicht ausreichend vorhanden sind. Beides muss Hand in Hand gehen. Nur so wird es ein vernünftiges Konzept.AlleinErziehende1: wie dringt die 'Meinung des Volkes' authentisch in Ministerien vor? Politiker leben doch eher auf einer Insel - in welcher Form SEHEN sie Realleben?RenateSchmidt: Ich glaube, dass Politiker und Politikerinnen die Menschen sind, die am häufigsten mit so vielen unterschiedlichen Menschen in Verbindung kommen wie kaum eine andere Berufsgruppe. Ich habe nicht nur regelmäßig eine Bürgersprechstunde, wo von Sozialhilfeempfängern bis zu Unternehmern nahezu alle Bevölkerungsgruppen hinkommen. Ich lese außerdem die an mich gerichteten Briefe alle selbst und lasse nicht lesen. Und zusätzlich chatte ich auch noch mit Ihnen.Positron1: Wird das Bundeserziehungsgeld in der Zukunft eher gekürzt oder erhöht?RenateSchmidt: Noch einmal: Ich beabsichtige, ein Elterngeld einzuführen statt des heutigen Erziehungsgeldes. Dieses ist eher eine Leistung nach Bedürftigkeit; ein künftiges Elterngeld soll Lohnersatzfunktion haben.Gunn1: ich habe im radio gehört, sie gründen jetzt lokale bündnisse, was ist das?RenateSchmidt: Die Initiative Lokale Bündnisse für Familie will erreichen, dass in möglichst vielen Kommunen sich die Kommunalverantwortlichen, die Wirtschaft und Verbände unterschiedlichster Art zusammentun, um vor Ort mehr Kinder- und familienfreundlichkeit zu erreichen. Das umfasst bessere Kinderbetreuung, familienfreundliche Arbeitsbedingungen und ein ebensolches Wohnumfeld. Bisher gibt es 100 solche Initiativen, in denen rund 15 Mio Menschen wohnen. Ein Servicebüro meines Ministeriums berät an rund 230 Standorten. Nähere Informationen gibt es ebenfalls über das Internet unter www.bmfsfj.de oder www.lokale-buendnisse-fuer-familie.deGuest19: Eine Studie in Baden-Württemberg hat festgestellt, daß nicht die Betreueng sondern das Einkommen im Vordergrund bei der Kindsentscheidung steht. Wie sehen Sie das?RenateSchmidt: Das eine hängt mti dem anderen zusammen. Junge Kinderlose, die sich Kinder wünschen, wissen, dass sich die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf gerade in Baden-Württemberg besondres schwierig darstellt und haben dann die Angst vor dem Einkommensverlust.walter11: Wir haben zwei Kinder und wollen uns in der nächsten Zeit selbständig machen. Mit welchen zusätzlichen Hilfen, kann man in der Zukunft rechnen?RenateSchmidt: Ich kann Ihnen nicht aus dem Stehgreif sagen - weil dies auch nicht in der Zuständigkeit meines Ministeriums liegt - welche Hilfen es en detail für die Selbstständigkeit gibt. Ein paar Zeilen an mich genügen aber, und ich werde veranlassen, dass Sie die notwendigen Informationen bekommen.dsfdsssd1: Aber das Problem ist doch nicht die Kinderbetreuung. Ich leg mir gar nicht erst Kinder zu wenn ich sehe, dass ich sie mit Hartz Massnahmen nicht ernaehren kann.RenateSchmidt: Sie werdnen doch nicht beabsichtigen, Ihr Leben lang abhängig zu sein von Arbeitslosengeld I oder II. Dieses ist natürlich keine Perspektive, und die Hartz-Gesetze sollen ja genau bewirken, dass Arbeitslosigkeit in unserem Land endlich reduziert wird. Dass dies schwierig genug ist, weiß ich. Und dass die hohe Arbeitslosigkeit auch ein Grund ist, weshalb sich Menschen nicht für Kinder entscheiden, weiß ich auch.p2c2e: wer kontrolliert eigentlich die jugendaemter und deren entscheidungen?RenateSchmidt: Im Regelfall muss das durch die Kommune bzw. durch die Aufsichtsbehörden der Kommunen, das ist von Land zu Land unterschiedlich, kontrolliert werden. Nochmal: Es wird kontrolliert durch die Aufsichtsbehörden der Kommunen, die in den Ländern in der Regel bei den Innenministerien angesiedelt sind. Allerdings wird natürlich nicht jede Entscheidung kontrolliert.Glorfindel: was halten Sie von Internaten als Alternative zu weiterfuehrenden Ganztagstagsschulen? Sind diese sinnvoll oder veraltet? Koennen diese wirtschaftlich nur privat sein?RenateSchmidt: Dieses ist bitte die Entscheidung von Eltern und nicht die Entscheidung von Politik. Natürlich können Internate sinnvoll sein. Die meisten Internate werden privat geführt; es gibt aber auch für manche - wenn sie sich zB mit besonders problematischen Kindern beschäftigen - staatliche Zuschüsse.Joergi1: Was finden Sie besser für unsere Kinder? Kindergrippen oder Tagesmütter?RenateSchmidt: Auch dieses ist von Fall zu Fall untesrchiedlich. Das hängt auch von den Bedürfnissen der Eltern ab. Wichtig ist:, dass es sich um qualitativ gute Betreuung handelt, also dass auch Tagesmütter eine bestimmte Qualifikation erworben haben.Berliner201: Würden Sie sagen das der Kinderschwund das Ergebniss der Emanzipation und der damit verbundenen Eingliederung der Frauen in die Arbeitswelt ist?RenateSchmidt: Ja und nein. Frauen haben ganz selbstverständlich das selbe Bedürfnis wie Männer: sie wollen ihre guten Qualifikationen, die heute besser sind als die der Männer, auch beruflich nutzen. Dieses ist nicht rückgängig zu machen, und ich kenne keine ernsthafte gesellschaftliche Gruppe, die das will. Wir brauchen die Frauen auch im Arbeitsmarkt, gerade wegen ihrer guten Qualifikationen. Männer hätten niemals ein Lebensmodell akzeptiert, das ihnen gerade mal ein paar Jahre Erwerbstätigkeit ermöglicht und ihnen dann sagt, sie hätten doch zu Hause zu bleiben.TomJoad1: wann werden Väter den "getrennt lebenden" Müttern rechtlich gleichgestellt?RenateSchmidt: Es gibt heute generell das gemeinsame Sorgerecht. Es wäre gut, wenn das die beiden ehemaligen Ehepartner auch beide akzeptieren würden, Leider ist es immer noch an der Tagesordnung, dass manche Elternteile - insbesondere die Mütter - versuchen, dieses gemeinsame Sorgerecht auszuhebeln, genauso wie es leider nach wie vor sehr viele Väter gibt, die ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Kindern nicht nachkommen. Dieses kann nicht alles die Politik lösen.Daniel1: In der DDR waren Frauen noch mehr in der Arbeitswelt eingebunden und die geburtenraten waren deutlich höher, zwar nicht hoch genug aber immerhinRenateSchmidt: So ist es.MartinFranck: Ist PISA (Die soziale Herkunft betimmt die schulische Leistung) auch ein Versagen der Familienpolitik?RenateSchmidt: Vielleicht weniger Familienpolitik, sondern mehr der Bildungspolitik. Wir geben in Deutschland - und hier meine ich vor allen Dingen die Länder - viel zu wenig für Bildung aus und das Zu wenige auch noch falsch, nämlich am meisten für die Oberstufen der Gymnasien und am wenigsten für den vorschulischen Bereich. In diesem Alter, bis zum 6. Lebensjahr, sind Kinder aber am bildungsfähigsten. Und diese frühe Förderung wurde bisher sträflich vernachlässigt.Susanna1: Wollen wir deutschen Eltern ueberhaupt das franzoesische System? Sind wir ueberhaupt bereit unsere Kinder bereits als Saeuglinge in einen Hort zu geben?RenateSchmidt: Kein Mensch soll gezwungen werden, sein Kind nach der Geburt irgendwo abzugeben. Deshalb will ich ja nicht nur bessere Betreuungsmöglichkeiten, sondern auch familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Wenn wir aber sehen, dass es in Frankreich und in Skandinavien nicht nur mehr Geburten, sondern auch eine geringere Kinderarmut und bessere PISA-Ergebnisse gibt, sollten wir doch nicht immer glauben, dass wir das allein seligmachende Konzept bei uns hätten.hobbes1: Wieso habe ich als unverheiratete Mutter nichts von der Steuerreform Anfang diesen Jahres?RenateSchmidt: Sie sind Alleinerziehende, und das BVerfG hat 1998 entschieden, dass der Haushaltsfreibetrag für Alleinerziehende verfassungswidrig ist, wenn er nicht auch auf alle verheirateten Eltern ausgedehnt wird. Dies hätte Steuermindereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe bedeutet und kam deshalb nicht in Frage. Die Bundesregierung hat sich deshalb entschieden, diesen Haushaltsfreibetrag langsam abzuschmelzen, sodass er im Jahr 2005 dann Null betragen hätte. Ich habe versucht, als die Steuerreform vorgezogen wurde, leider nicht in vollem Umfang, einen neuen Alleinerziehendenfreibetrag, der verfassungsfest ist, einzuführen. Dies ist gelungen. Allerdings gilt er nur für diejenigen, die tatsächlich alleine leben, also nicht für nichteheliche Lebensgemeinschaften weil wir sonst wieder in Konflikt mit dem BVerG geraten wären. Er liegt bei 1.308 Euro jährlich.Guest47: Würden Sie befürworten, daß auch mehr als 2 Menschen Sorgerecht haben? Bsp: gleichgeschl. Stiefkindadoption durch Lesbenpaar UND der Vater? Der bleibt sonst außen vor!RenateSchmidt: Irgendwann muss ein Kind auch mal eine Übersicht über seine Familienverhältnisse haben. Mir geht es hier um das Kindeswohl. Wenn es einen leiblichen Vater gibt, der sich auch um das Kind kümmert, halte ich persönlich es für richtiger, wenn er und die leibliche Mutter sich das Sorgerecht teilen und es keine Stiefkindadoption gibt. Ich glaube auch, dass dies nur in den seltensten Fällen passieren würde.Andrea: Macht Ihnen Ihr Job eigentlich Spaß? Oder denken Sie manchmal Sie kämpfen mit Windmühlen?RenateSchmidt: An manchen Tagen kämpfe ich gegen Tiger und Windmühlen gleichzeitig. Und an anderen macht es mir Spaß. Das ist wahrscheinlich wie in allen anderen Berufen auch, der ganz normale alltägliche Wahnsinn. In diesem Sinne: Tschüss! Und nach Bayern: Servus!(Moderator DominikBaur): Liebe Leser, leider ist es schon nach 14 Uhr. Die Zeit ist um. Wir bedanken uns bei Ihnen allen für Ihr Interesse und Ihre Fragen und hoffen, dass Sie es genauso interessant gefunden haben wie wir. Wir bitten Sie noch einmal um Verständnis, dass leider nicht jeder mit seinen Fragen zum Zuge kommen konnte. Ganz besonders bedanken wir uns natürlich bei Frau Ministerin Schmidt. Schön, dass Sie Zeit gefunden haben. Auf Wiederlesen und bis zum nächsten Mal!
Warum ist es für Eltern in Deutschland so schwer, Job und Kind unter einen Hut zu bringen? Lässt Hartz IV die Kinderarmut steigen? Sollten geringer Verdienende mehr Kindergeld bekommen? Familienministerin Renate Schmidt stellte sich im Chat den SPIEGEL-ONLINE-Lesern. Lesen Sie das Protokoll hier.
[ "Kinderarmut in Deutschland", "Renate Schmidt" ]
Politik
Deutschland
2004-11-10T15:24:20+01:00
2004-11-10T15:24:20+01:00
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/chat-protokoll-warum-kriegen-wir-zu-wenig-kinder-frau-schmidt-a-327274.html
US-Automarkt: Einbruch bei GM, Zuwächse bei Daimler und VW
Frankfurt/Detroit - Die deutschen Autobauer können entgegen dem Trend eine positive Verkaufsbilanz vorlegen: Mercedes-Benz legte um 11,6 Prozent auf 20.733 Fahrzeuge zu, teilte der Stuttgarter Autobauer Daimler am Freitag mit. Zusammen mit 2559 im Juli verkauften Smart-Stadtflitzern, die erst seit Januar in den USA angeboten werden, ergab sich sogar ein Plus von 25,3 Prozent. Volkswagen verkaufte im selben Monat vier Prozent mehr Fahrzeuge der Marke VW als im Vorjahreszeitraum. Insgesamt seien im Juli 20.422 Fahrzeuge in den USA abgesetzt worden, teilte das Unternehmen mit. Besonders gut verkaufte sich der Jetta mit insgesamt 9.245 Fahrzeugen, das waren 14,7 Prozent mehr als vor Jahresfrist. Die Konzerntochter Audi verzeichnete dagegen einen Rückgang um 4,5 Prozent auf 6.804 Fahrzeuge. Bei der Opel-Muttergesellschaft General Motors (GM) brach der Absatz hingegen um 27 Prozent auf 235.184 Fahrzeuge ein. Der schwer angeschlagene US-Autobauer verkaufte im Juli 235.184 Fahrzeuge aller Konzernmarken, das entspricht 26,7 Prozent weniger als ein Jahr zuvor, teilte der Konzern am Freitag mit.Zuvor hatte GM bereits einen erneuten Milliardenverlust verkündet. GM fuhr im zweiten Quartal unter dem Strich ein Minus von 15,5 Milliarden Dollar, umgerechnet 10 Milliarden Euro, ein. Die BMW-Gruppe verkaufte im Juli in den USA wegen Zuwächsen beim Mini mehr Autos als ein Jahr zuvor. Insgesamt seien 28.977 Pkw der Marken BMW und Mini verkauft worden, 2,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, teilte das Unternehmen am Freitag in Woodcliff Lake (New Jersey) mit. Dabei konnten starke Zuwächse beim Mini den leichten Rückgang bei der Marke BMW mehr als ausgleichen. Der Kleinwagen legte um 24 Prozent auf 5063 Neuwagen zu. Die Marke BMW selbst verkaufte mit 23 914 Autos dagegen 1,6 Prozent weniger als vor einem Jahr. Geländewagen sind outBeim US-Autobauer Ford setzte sich der Absatzschwund auf dem US-Heimatmarkt im Juli fort. Insgesamt seien in den USA 156.406 Fahrzeuge aller US-Marken des Konzerns verkauft worden, 13 Prozent weniger als ein Jahr zuvor, teilte das Unternehmen am Freitag in Dearborn mit. Einschließlich der schwedischen Marke Volvo lag der Absatz mit 161.530 Wagen sogar 15 Prozent unter Vorjahresniveau. Vor allem schwere Geländewagen und Pickup-Trucks verkaufen sichweiter schleppend. Allein beim meistverkauften Ford-Modell, demPickup-Truck der F-Serie, brach der Absatz um ein Fünftel ein. Mit45.000 Fahrzeuge verkaufte Ford allein von diesem Modell aber weitermehr Autos in den USA als VW und Daimler insgesamt zusammen. Deutlich zulegen konnten dagegen die Kompaktwagen Focus und Fusion. Der Sportwagenhersteller und VW-Großaktionär Porsche verbuchte in Nordamerika ebenfalls ein Absatzminus. Die Verkaufszahlen gingen nach Firmenangaben um vier Prozent auf 3274 Fahrzeuge zurück, davon 3128 Autos in den USA und 146 in Kanada. Der Absatz des japanischen Autoherstellers Toyota schrumpfte aufgrund der schwachen US-Konjunktur um fast zwölf Prozent auf 197.424 Fahrzeuge.amz/Reuters/dpa
Daimler und VW trotzen der Flaute auf dem US-Automarkt: Anders als Weltmarktführer Toyota und die US-Konzerne Ford und General Motors verkauften die beiden deutschen Autohersteller im Juli mehr Fahrzeuge als ein Jahr zuvor. Auch BMW konnte Zuwächse verbuchen - dank eines Erfolgsmodells.
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Mobilität
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2008-08-01T21:45:45+02:00
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https://www.spiegel.de/auto/aktuell/us-automarkt-einbruch-bei-gm-zuwaechse-bei-daimler-und-vw-a-569643.html
Juventus Turin: Teilausschluss für Fans nach Rassismus gegen Romelu Lukaku
Der italienische Fußball-Rekordmeister Juventus Turin muss wegen rassistischer Ausfälle seiner Anhänger beim nächsten Heimspiel einen Teil der Fankurve leer lassen. Das urteilte das Sportgericht der Serie A nach Auswertung der Berichte vom Hinspiel des Pokal-Halbfinales am Dienstagabend gegen Inter Mailand. Die Fans hatten den gegnerischen Stürmer Romelu Lukaku rassistisch beschimpft und Affenlaute gemacht, als dieser in der Nachspielzeit per Elfmeter zum 1:1 traf. Im nächsten Liga-Heimspiel gegen den SSC Neapel am 23. April muss deswegen ein Sektor in der Juve-Arena, in dem rund 5000 Anhänger Platz haben, leer bleiben. Im Halbfinal-Hinspiel des italienischen Pokals am vergangenen Dienstag war Lukaku nach Angaben seiner Agentur »vor, während und nach dem Elfmeter« zum 1:1-Endstand rassistisch beschimpft worden, Amateurvideos bestätigten die Vorfälle. Nach seinem Tor wurde der Belgier mit Gelb-Rot vom Platz gestellt. Lukaku, bereits verwarnt, hatte nach dem Elfmeter vor den Juve-Fans den Ausgleich gefeiert – dabei salutierte er und legte den Zeigefinger auf den Mund. Juventus teilte mit, zusammen mit den Ordnungskräften nach jenen Leuten zu suchen, die für die rassistischen Gesten und Aussagen verantwortlich seien. Inter twitterte, entschlossen und geschlossen gegen jede Art von Rassismus und Diskriminierung vorgehen zu wollen. »Raus mit den Rassisten aus den Stadien«, schrieb die Liga auf ihrer Homepage. Die Serie A verurteilte »alle Fälle von Rassismus und jede Form von Diskriminierung auf das Schärfste«, so Italiens höchste Spielklasse in einer Mitteilung. »Ein paar Leute auf der Tribüne können den Fußball nicht ruinieren und repräsentieren nicht alle Fans im Stadion.« Die Verantwortlichen sollten ermittelt und »auf Lebenszeit« Stadionverbot erhalten. Der 29-Jährige Lukaku hoffte aufgrund der Umstände auf eine Rücknahme des Platzverweises. Die Serie A, die den Pokal organisiert, bestätigte die Rote Karte und die daraus folgende Sperre allerdings. Lukaku muss für ein Spiel zusehen. Das Rückspiel um den Einzug ins Coppa-Italia-Finale findet am 26. April in Mailand statt.
ara/dpa/sid
Sie machten Affenlaute, als Lukaku zum Elfmeter antrat: Zur Strafe für rassistische Ausfälle im Spiel gegen Inter Mailand dürfen viele Fans von Juventus Turin nicht zum nächsten Heimspiel. Doch auch der Beleidigte wurde sanktioniert.
[ "Romelu Lukaku", "Inter Mailand", "Juventus Turin" ]
Sport
Fußball-News
2023-04-07T08:53:25+02:00
2023-04-07T08:53:25+02:00
https://www.spiegel.de/sport/fussball/juventus-turin-teilausschluss-fuer-fans-nach-rassismus-gegen-romelu-lukaku-a-b41c7934-27f4-4f15-9d4e-640f34976dbb
US-Klamauk: Der verschrobene Humor der College-Boys
Langsam taucht ein Kran ins Wasser, um ein Auto aus dem Bach zu hieven. Für einen Augenblick ist die Schnauze des Wagens zu sehen, dann fällt er wieder zurück in die Tiefe. Der Kran schwankt kurz und kippt dann in voller Länge hinterher. Finden Sie das lustig? Nein? Wie wär's dann damit: Eine Gruppe von Freunden steht im Kreis und versucht, sich unter großem Gelächter eine Heftklammer in den Unterarm zu rammen. Lustig finden das zumindest die Betreiber der Webseite www.collegehumor.com , die groben Unfug dieser Art, durch Videos und Photos ins Bild gesetzt, im Internet veröffentlichen. Die Seite wird von vier amerikanischen Studienabgängern betrieben, alle Anfang 20, die mit ihrer Geschäftsidee im vergangenen Jahr rund zwei Millionen Dollar Umsatz erwirtschafteten. Die Zugriffszahlen, die die Betreiber melden, sind beachtlich: sechs Millionen Online-Nutzer und 150 Millionen Page Impressions pro Monat. 1999 wurde die Seite von den beiden Wirtschaftsstudenten Josh Abramson und Ricky Van Veen aus der Taufe gehoben. Sie sammelten Links und Witzchen, die sich Studenten gegenseitig zumailten. Das Material wuchs bald derart an, dass sie jemanden brauchten, der sich um die Technik kümmerte: Jakob Lodwick kam mit an Bord und etwas später der Kunststudent Zach Klein. Alkoholgetränkte VideosAls Josh, Ricky und Jakob vor anderthalb Jahren ihr Studium beendeten, fingen sie gar nicht erst an, Bewerbungen zu schreiben, sondern widmeten sich ihrem Gründerprojekt. Der Stoff für ihre beliebte Seite droht ihnen nicht auszugehen: Ständig erhalten sie neue Beiträge: ein Überblick, mit welchen Späßen sich US-amerikanische College-Studenten ihre Freizeit vertreiben - obwohl diese alles andere als repräsentativ sind.Ähnlich wie beim "Spring Break", dem alljährlichen exzessiven Party-Ritual von angehenden Akademikern, spielen erhöhte Promillezahlen eine wichtige Rolle: "Wir haben hier so restriktive Alkoholgesetze - man kommt ja unter 21 Jahren in keine Bar rein -, dass die Leute völlig ausflippen, wenn sie ins College kommen und Alkohol trinken können", erklärt Jakob. "Sie sind zum ersten Mal richtig frei, und das feiern sie wie die Verrückten." Ein Loft in TribecaIm vergangenen Sommer wagten die vier Kalifornier den großten Sprung nach New York. "Hier ist das Lebenstempo schneller, alles viel aufregender, hier passen wir rein", bekunden sie einmütig, während sie entspannt auf einem großen Ecksofa in ihrem Loft im Viertel Tribeca lümmeln. Bisher läuft alles wie am Schnürchen. Während der Umsatz im Dezember 2003 rund 45.000 Dollar betrug, lag er im vergangenen Dezember schon bei über 400.000 Dollar. Das macht die horrende Monatsmiete von 10.000 Dollar in Manhattan erträglich. Wer die Geschäftsräume betritt - das fünfte Schlafzimmer der Wohngemeinschaft dient als Büro - sucht Hinweise auf die Quelle des Geldsegens vergeblich: Bierdosen, anzügliche Fotos oder sonstige Anklänge an das Tagesgeschäft mit der Webseite sind nirgends zu sehen. Stattdessen adrette Ledermöbel, ein Piano und peinlichste Sauberkeit. Der Geschäftserfolg enthält aber einen Wermutstropfen: Das weibliche Geschlecht zeigt sich zwar nicht zugeknöpft - die Webseite erhält viele Zusendungen von exhibitionistisch veranlagten Studentinnen - aber doch weniger zugänglich für derbe Späße als ihre männlichen Kommilitonen. Die Betreiber versuchten, den Frauenanteil unter den Lesern von rund 30 Prozent zu steigern, bislang ohne großen Erfolg.T-Shirts und schlimme FingerDas mag auch am Angebot liegen: T-Shirts mit Aufschriften wie "Sex: Do it for the kids", die die Hälfte des Umsatzes ausmachen, mögen Studentinnen noch ein Schmunzeln entlocken. Der Superseller "The shocker", einer Schaumhand mit spezieller Fingerstellung, deren Reiz laut Ricky darin liegt, dass keiner über 25 Jahren weiß, dass es sich hierbei um eine obszöne Geste handelt, findet dagegen wenig Käuferinnen. Auch privat laufe es mit den Frauen "gar nicht gut", erzählt Josh. Die New Yorkerinnen sähen zwar super aus, wären aber ansonsten "eher uninteressant". Umso besser also, dass sich die Freunde und Geschäftskollegen selbst als Workaholics bezeichnen, die kaum Zeit für Privatleben haben.Nach eigenen Angaben erreichen sie mit ihrem Collegehumor acht Millionen junge Leute, Konkurrenz fürchten sie keine, nicht nur weil "wir uns ja alle gegenseitig verlinken", sondern auch weil sie sich deutlich von anderen Webseiten unterscheiden. "The Onion" zum Beispiel, 1988 von Studenten gegründet, baut eher auf politische Satire und Schlagzeilen, die die Fixierung der US-Gesellschaft auf sich selbst auf die Schippe nimmt: "Tsunami-Opferzahl steigt auf 36 Amerikaner" ist da beispielsweise zu lesen. Darüber kann auch das Quartett lachen, aber generell neigt ihr Humor zum gehobenen Schwachsinn: "Wenn ich eine Robbe sehe, muss ich lachen", sagt Ricky und bekommt allein von der Vorstellung einen Lachkrampf. Mit dieser ungewöhnlichen Form von Humor will die Klamauk-Company expandieren. Ein Buchprojekt ist in Arbeit, dann sollen Fernsehshows folgen. Und irgendwann, so die Pläne der vier, werden ihnen ihre bierseligen Fans auch in die Kinosäle folgen.
Martina Rampas
Unter US-Studenten hat eine Webseite Kult-Status erreicht: Dort können hauptsächlich delirierende Kommilitonen in peinlichen Posen beobacht werden. Die Betreiber der Seite, vier Hochschulabgänger, verdienen mit dem groben Unfug gutes Geld.
[ "Auslandsstudium Nordamerika" ]
Panorama
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2005-03-10T12:58:56+01:00
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https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/us-klamauk-der-verschrobene-humor-der-college-boys-a-344696.html
Nachwuchs: Jodie Foster bestätigt Schwangerschaft
Los Angeles - Die Umstände derSchwangerschaft nannte sie nicht. Wie schon beim ersten Kind gab Foster auch keinerlei Auskunft über den Vater. Es wird vermutet, dass sie sich künstlich befruchten ließ.Der "New York Post" verriet 38-Jährige, dass das Kind im November kommen soll. "Meine Schwestern und ich haben alle das Sternzeichen Skorpion. Wir haben eine Schwäche für diesesGeburtsdatum", sagte sie. Die Schauspielerin ist bereits Mutter eines zweijährigen Sohnes namens Charlie. Auf dieFrage, ob der Vater des zweiten Kindes Charlies Samenspendersei, wollte Foster nicht antworten. Zur Frage, ob das zweite Kind von demselbenVater stamme wie das erste, äußerte sich Foster ebenso wenig: "Das beantworte ich nicht."Die Schauspielerin arbeitete schon als Kind beim US-Fernsehen undwurde 1991 mit dem Film "Schweigen der Lämmer" weltbekannt. Nach Angaben der US-Kolumnistin Liz Smith arbeitet Foster derzeit unter anderem an einem Drehbuch über das Leben derdeutschen Regisseurin Leni Riefenstahl.
Die angeblich lesbische US-Schauspielerin und Regisseurin Jodie Foster hat bestätigt, dass sie ihr zweites Kind erwartet.
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Panorama
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2001-04-04T16:10:00+02:00
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https://www.spiegel.de/panorama/nachwuchs-jodie-foster-bestaetigt-schwangerschaft-a-126532.html
Festnahmen in den USA: Mehr als 2000 Tote binnen drei Jahren
Washington - Die Erhebung bezieht sich auf den Zeitraum von 2003 bis 2005. Wie aus der heute vom Justizministerium in Washington veröffentlichten Statistik hervorgeht, wurden dabei gut die Hälfte der Opfer von Polizei- oder Sicherheitskräften getötet. Fast alle der 1095 Festgenommenen, die von Polizisten getötet wurden, wurden erschossen. 17 starben durch den Einsatz von Elektroschockern. 80 Prozent der Getöteten waren der Statistik zufolge selbst bewaffnet, 62 Prozent hatten die Polizisten zuvor bedroht. Weitere Todesursachen bei Festnahmen waren dem Bericht zufolge Drogenmissbrauch, Selbstmord, Unfälle und Krankheit. Im beobachteten Zeitraum fanden mehr als 41 Millionen Festnahmen statt, Verkehrsdelikte ausgenommen.Die Statistiker zählten außerdem mehr als 174.000 Angriffe auf Polizeibeamte, bei denen 380 Ordnungshüter getötet wurden. Die Daten stammen aus 47 US-Bundesstaaten und der Hauptstadt Washington und wurden im Rahmen eines im Jahr 2000 verabschiedeten Gesetzes in diesem Jahr erstmals veröffentlicht. ffr/AFP
Zum ersten Mal hat das US-Justizministerium eine Statistik veröffentlicht, aus der hervorgeht, wie viele Menschen bei Festnahmen ums Leben kommen: In drei Jahren gab es mehr als 2000 Tote. Rund die Hälfte der Opfer geht auf das Konto der Polizei.
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Panorama
Justiz & Kriminalität
2007-10-11T19:30:30+02:00
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https://www.spiegel.de/panorama/justiz/festnahmen-in-den-usa-mehr-als-2000-tote-binnen-drei-jahren-a-510970.html
Die Lage am Freitag: Ausgeliefert an die Genossen
irgendwie ist auch krumm, was gerade passiert. Wir alle warten darauf, für welche Regierung sich die Mitglieder der SPD entscheiden. Bis heute um Mitternacht können sie ihre Stimme noch abgeben, für die Große Koalition oder dagegen. Dagegen hieße: eine Minderheitsregierung von Angela Merkel oder Neuwahlen. Krumm ist, dass die große Mehrheit nur einmal wählen darf, die Minderheit der SPD-Mitglieder aber zweimal. Schon klar, dass das nicht illegal ist, aber für mich passt es nicht zum Geist unserer Wahlordnung. Wir alle wählen die Parteien und Politiker, die dann eine Regierung bilden sollen. Nach dem Wahltag sind wir ihren Entscheidungen ausgeliefert (was manchmal eine Zumutung ist, vor allem diesmal), aber so funktioniert nun einmal die repräsentative Demokratie. Die Genossen haben dann noch die Chance, den Entscheidungen zuzustimmen oder sie zu verwerfen. Mit Folgen für uns alle.Nun sind wir Nichtgenossen den Genossen ausgeliefert. Wir sind Wähler zweiter Klasse.Trump - #MeToo - Berlusconi Manchmal lese ich, die #MeToo-Debatte sei auch eine Reaktion auf Donald Trump, den großen Frauenverächter. Was mir einleuchtet. Dann wäre aber das Comeback von Silvio Berlusconi auch eine Reaktion auf die #MeToo-Debatte. Er ist ein Frauenverächter vom Kaliber Trumps, und wer seine Partei wählt, will #MeToo mindestens ignorieren, wenn nicht konterkarieren.Wie immer das ist, zu Berlusconis Rückkehr kann man nur ausrufen: Italien! Und es nicht verstehen, und im Frühling wieder hinfahren und im Spätsommer auch. Am Sonntag sind die Parlamentswahlen mit guten Aussichten für Berlusconi, heute machen die Parteien ihre Abschlusskundgebungen.Lattenkreuz-ich-auch Der Satz, der echt noch fehlt, ist dieser: Deutsch ist in Deutschland Landessprache. Dann wüssten wir und alle anderen endlich Bescheid. Am besten gleich ins Grundgesetz damit, damit es auch gewiss ist. Der Bundestag wird sich heute allen Ernstes mit diesem Satz befassen müssen, weil die AfD das so will. Sie möchte ins Grundgesetz schreiben lassen, dass Deutsch unsere Landessprache ist.Das wäre ein Hebel, um englischsprachige Songs im Rundfunk zu quotieren, um womöglich Asylbewerber Grimms Wörterbuch auswendig lernen zu lassen (320.000 Stichwörter; mir gefällt "Wegzwiesel", Band 27, am besten). Und wahrscheinlich müssten wir dann alle Ich-auch-Debatte sagen. Ein Hashtag wäre ein Lattenkreuz. Sprache ist flüssig. Sie darf und muss sich ständig erneuern, damit sie das Leben abbilden kann.Verlierer/Gewinner des Tages The Big Mummy nennen die Fans der Dallas Mavericks ihren Supergreis Dirk Nowitzki, 39 Jahre alt. Er ist so stark mit Tape und Verbandmull eingewickelt, dass er offenbar einer großen Mumie gleicht. Der Basketballspieler ist seit einiger Zeit in der seltsamen Situation, dass er oft Verlierer und Gewinner zugleich ist.Gewinner: Er übertrifft eine Rekordmarke nach der anderen, zuletzt machte er den 31.000. Punkt seiner Karriere.Verlierer: Er übertraf die Rekordmarke bei einem Spiel, das seine Mannschaft verloren hat.Dallas verliert seit einiger Zeit sehr oft, und Nowitzki ist zu wünschen, dass er aufhört, bevor jemand auf die Idee kommt, das habe auch mit der großen Mumie zu tun.SPIEGEL und SpiegelsaalWas Lobbyismus anrichten kann, müssen wir in diesen Tagen erleben. Die Bundesregierung steht unter einem starken Einfluss der Autolobby, ist personell eng mit ihr verwoben und war auch deshalb nicht in der Lage, das Recht gegen die Industrie durchzusetzen. Deshalb hat nun ein Gericht Fahrverbote möglich gemacht. Das ist das Thema der Titelgeschichte ("Der Diebstahl") unserer neuen Ausgabe, die Sie heute ab 18 Uhr digital lesen können.Und am kommenden Montag, 5. März, setzen wir in Berlin unsere Debattenreihe "DER SPIEGEL live im Spiegelsaal" fort. Über Lobbyismus diskutieren Agnieszka Brugger (Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen), Christina Deckwirth (Campaignerin, LobbyControl) und Andreas Geiger (Lobbyist, Alber & Geiger). Moderator ist mein Kollege Sven Becker.Wenn Sie dabei sein möchten, schicken Sie bitte eine Mail bis Montag 10 Uhr an [email protected]. Wir verlosen 3x2 Plätze auf der Gästeliste. Ansonsten gibt es Karten an der Abendkasse oder über unsere Veranstaltungsseite spiegel-live.de . Hier können Sie auch unseren Veranstaltungs-Newsletter abonnieren.Die jüngsten Meldungen aus der NachtHandelsstreit: EU kündigt Vergeltungsmaßnahmen gegen Trumps Strafzölle anItalien: EU-Präsident Tajani will Ministerpräsident von Italien werdenEnergiewende: Millionen für ungenutzte MeilerDie SPIEGEL-Plus-Empfehlungen für heuteInterview mit US-Generalmajor über vermisste Soldaten: "Die Zeit ist unser Feind!"Kochausbildung mit 71: Frau Krügers kulinarische AbenteuerMassenmord in Köln: Es geschah in der Bartholomäusnacht Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Freitag,Ihr Dirk Kurbjuweit
[ "Die Lage am Morgen" ]
Politik
Deutschland
2018-03-02T07:03:00+01:00
2018-03-02T07:03:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/news-us-strafzoelle-antonio-tajani-kraftwerksreserve-a-1196062.html
Zwickauer Terrorzelle: Auf den Spuren des rosaroten Panthers
Hamburg - Als sie weiß, dass ihre Freunde tot sind, sprengt Beate Zschäpe ihre Wohnung in Zwickau in die Luft - und verschwindet. Am nächsten Morgen um 8 Uhr ruft die mutmaßlich rechtsextreme Terroristin die Eltern von Uwe Mundlos und die Mutter von Uwe Böhnhardt an, um ihnen die Todesnachricht zu überbringen. Was sie in den folgenden zwei Tagen macht, ist unklar. Am Montag erscheint sie um 13.25 Uhr auf einer Wache in Jena und sagt: "Ich bin die, die Sie suchen." Davor soll Zschäpe nach Informationen von SPIEGEL ONLINE ziellos durch Jena geirrt sein auf der Suche nach einem Rechtsanwalt. In einer Kanzlei soll sie abgewiesen und an einen Strafrechtsexperten verwiesen worden sein, der das Mandat nun auch übernommen hat. Die Kanzlei dementiert, mit Zschäpe Kontakt gehabt zu haben. Der Auftritt bei der Polizei markiert das Ende eines jahrelangen Lebens im Untergrund. Doch wie und wo haben Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seit ihrem Verschwinden im Jahr 1998 gelebt? Tatsächlich gibt es zahlreiche Spuren und Hinweise auf Helfer. Fügt man das Puzzle zusammen, ergibt sich ein Netzwerk aus Personen und Orten, das einen ersten Einblick in das Leben der Zwickauer Zelle im Untergrund erlaubt. So wollen mehrere Personen die drei nach Informationen von SPIEGEL ONLINE zwischen den Jahren 2000 und 2002 in Winzerla, einem im Südwesten gelegenen Stadtteil Jenas, gesehen haben. Dort galt die rechte Szene als besonders stark, da sie sich in einem städtischen Jugendclub ausbreiten und organisieren konnte. Dort wurden auch Konzerte gegeben, wurde Nachwuchs rekrutiert. Zum damaligen Zeitpunkt wurden die drei per Haftbefehl gesucht. Waren sie bereits nach Sachsen gezogen und kamen immer mal zu Besuch in ihre alte Heimatstadt? "Das hätte in Thüringen sofort die Runde gemacht", sagt ein ehemaliger Weggefährte des Trios, schließt aber nicht aus, dass sie sich in anderen Bundesländern "unter Kameraden" mischten - ohne aufzufallen. Er vermutet, dass Holger G., der als vierter Verdächtiger gilt und in Untersuchungshaft sitzt, sie in die Szene in Niedersachsen eingeschleust hat. "Der hat sich um sie gekümmert, als sie vor der Polizei verschwinden mussten, die kannten sich bis dahin fast ein Leben lang, das schweißt zusammen." Auf Neonazi-Hochzeit im Visier des VerfassungsschutzesDass das Trio eng mit Holger G. befreundet ist, wussten auch die Fahnder, als Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt abgetaucht waren. So baten die Thüringer Ermittler ihre Kollegen in Niedersachen um Observation, als Holger G. 1999 von Jena nach Niedersachen zog. Holger G. wolle den Dreien ein Quartier im Ausland vermitteln, lautete der Verdacht. Auftragsgemäß behielten ihn die Niedersachsen im Blick und erstatteten den Thüringern Bericht - die Informationen legten die bei sich anschließend aber tatenlos zu den Akten. Drei Jahre später wurden sie gelöscht. Dabei war Holger G. bereits damals dem Verfassungsschutz in Niedersachsen bekannt: Als Mitläufer der rechten Szene war er 1999 bei der Hochzeitsfeier einer Neonazi-Größe gesichtet und in der Datei des Verfassungsschutzes erfasst worden.Auch zu einem Brandenburger, der eine führende Rolle in der dortigen rechten Szene einnimmt, soll das Trio Kontakt gehalten haben, berichtet der "Tagesspiegel" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Dabei handele es sich um den Zwillingsbruder eines Neonazis aus Sachsen, der der Terrorzelle aus Zwickau bei der Herstellung der DVD zu den Morden an türkischstämmigen Männern und einem Griechen geholfen haben soll. Die Bundesanwaltschaft wollte sich nicht zu möglichen weiteren Verdächtigen äußern. Laut "Tagesspiegel" soll der Sachse häufig gemeinsame politische Aktionen mit seinem Zwillingsbruder geplant haben. Der Brandenburger Rechtsextremist steht dem Bericht zufolge dem Potsdamer "Stützpunkt" der Jungen Nationaldemokraten (JN) nahe, der Jugendorganisation der NPD. Der "Stützpunkt" werde von Neonazis dominiert, die sich allerdings mit der NPD überworfen hätten. Weder das Landeskriminalamt Brandenburg noch das Innenministerium wollten die Angaben kommentieren. Weihnachtsfeier und Demos im Untergrund?Selbst in einer homogenen, abgekapselten Gruppe wie der Zwickauer Zelle gehe es nicht ohne soziales Leben, sagt ein Kenner der rechten Szene Sachsens. Er ist davon überzeugt, dass sowohl Zschäpe als auch Mundlos und Böhnhardt seit 2001 in Zwickau lebten, aber Kontakt nach Niedersachsen zu Holger G. und anderen Rechtsextremisten hielten. Beate Zschäpe soll laut "Bild" bei einer Weihnachtsfeier der NPD sowie bei einer Kundgebung im März 2004 im niedersächsischen Georgsmarienhütte gewesen sein. In der Regel würden solche Feste in großem Rahmen gefeiert, so der ehemalige Weggefährte. "Da fällt der Einzelne nicht so auf, aber natürlich hätten sie immer damit rechnen müssen, dass ein Kamerad einem Funktionär in Thüringen Bescheid gibt." Zschäpe soll sich als Gründungsmitglied des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) zu erkennen gegeben und gesagt haben, die Gruppe habe elf Anhänger, berichtet "Bild". Das hält ein Aussteiger aus der Neonazi-Szene jedoch für zweifelhaft, vielmehr geht er davon aus, dass das Trio zwar ein relativ normales Sozialleben führte, sich aber nicht in der politischen Szene mit radikalen Taten rühmte. Kenner der Szene verweisen auf die Nähe, die die NPD zu gewaltbereiten Neonazis besonders in Sachsen pflegte. Dort gab es bis zum Jahr 2000 die Skinheads Sächsische Schweiz (SSS), die durchsucht und, nachdem Sprengstoff und Schusswaffen sichergestellt worden waren, verboten wurden. Die SSS-Mitglieder hätten sich ab diesem Zeitpunkt auf die umliegenden Kameradschaften und auch in NPD-Kreise verteilt. Paulchen Panther auf Facebook-ProfilDie Thüringer NPD-Mitglieder K. und Wohlleben pflegten nach Informationen von SPIEGEL ONLINE engen Kontakt zu Thomas G. aus Altenburg, der den gleichen Nachnamen wie der am Sonntag Festgenommene trägt - und den zwei Dinge mit der Zwickauer Terrorzelle verbinden: Wie sie war auch er im "Thüringer Heimatschutz" aktiv und hielt sich oft in Zwickau auf. Gemeinsam organisierte Thomas G. mit K. und Wohlleben das "Fest der Völker", eine Neonazi-Veranstaltung, die bislang in Jena, Altenburg und Pößneck stattfand. Zudem soll er das "Freie Netz" aufgebaut haben, einen Zusammenschluss militanter Kameradschaften aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, die sich innerhalb kürzester Zeit zusammenrufen lassen. Und er baute die Zwickauer Neonazi-Szene auf, indem er seinen Freund Daniel P. von Altenburg nach Sachsen schickte, um Mitglieder zu rekrutieren. Thomas G. gründete gemeinsam mit Daniel P. in der Zwickauer Innenstadt, wo Zschäpe seit 2001 wohnte, eine Wohngemeinschaft für Kameraden. Er selbst aber soll dort nie gewohnt haben. Von dort wurden weitere Aktionen geplant. In einem Haus in derselben Straße richtete die NPD zeitgleich ein Bürgerbüro ein - für Peter Klose, von 2006 bis 2009 NPD-Landtagsabgeordneter in Sachsen und Chef der NPD in Zwickau. Klose sagt, er schließe nicht aus, dass die Mitglieder der Terrorzelle an Veranstaltungen der NPD teilnahmen. "Es kann durchaus sein, dass ich denen bei Veranstaltungen oder Großdemos über den Weg gelaufen bin", so Klose, dem ein enger Draht zur militanten Szene nachgesagt wird und der zum Geburtstag Adolf Hitlers am 20. April gern die Reichsflagge aus seinem Fenster hängt. Dieses Jahr wehte nicht nur die Fahne, sondern Klose trat an diesem Tag demonstrativ aus der NPD aus und sitzt inzwischen als Parteiloser im Stadtrat von Zwickau.Bis zum vergangenen Wochenende war er bei Facebook unter dem Namen Paul Panther angemeldet, auch ein Foto der rosafarbenen Zeichentrickfigur schmückte den Eintrag. Die DVD, mit der die Zwickauer Terrorzelle ihre Morde dokumentierte, zeigt ebenfalls den Comic-Panther. In zynischer, unerträglicher Weise fasst er die kaltblütigen Verbrechen zusammen. Er hätte auch Fix und Foxi nehmen können, sagt Klose - "wegen der schwarz-weiß-roten Umrandung". Aber ihm habe Paulchen Panther "einfach als Trickfilmserie viel besser gefallen". Ein "tieferer Sinn" stecke nicht dahinter, die Doppelung mit der Bekenner-DVD sei purer Zufall. Am Montag, nachdem er sie sich im Internet angesehen habe, habe er sein Profil umgestellt - auf seinen echten Namen samt Foto.
Julia Jüttner
Mehr als 13 Jahre lang schienen sie von der Bildfläche verschwunden, nun wird klar: Die Terroristen der Zwickauer Zelle lebten offensichtlich nicht abgeschirmt im Untergrund, sondern pflegten zahlreiche Kontakte - vor allem in die rechte Szene mehrerer Bundesländer.
[ "»Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU)", "»Döner-Morde«", "Jena" ]
Panorama
Justiz & Kriminalität
2011-11-16T23:59:00+01:00
2011-11-16T23:59:00+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/zwickauer-terrorzelle-auf-den-spuren-des-rosaroten-panthers-a-798289.html
Nationaltrainer: Toppmöller verhandelt mit Georgien
Moskau - Derzeit hält sich Toppmöller zu Verhandlungen mit dem georgischen Verband in der Hauptstadt Tbilissi auf, wie er der Nachrichtenagentur "Interfax" bestätigte. In den georgischen Medien gelten aber auch die Holländer Johan Neeskens und Ruud Gullit als Kandidaten für den Job als Nationaltrainer. Georgien konnte sich nicht für die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland qualifizieren und hatte daraufhin den französischen Trainer Alain Giresse entlassen. Toppmöllers letzte Station war beim Hamburger SV, wo er im Oktober 2004 gefeuert wurde. Seit einigen Tagen ist der 54-Jährige auch als Coach des neuen Fußballclubs HSW Heidelberg 06 im Gespräch, denn der Milliardär Dietmar Hopp durch eine Fusion der Vereine TSG Hoffenheim, SV Sandhausen und FC Astoria Walldorf im nächsten Jahr gründen will.
Bei Klaus Toppmöller zeichnet sich ein interessanter Karriereverlauf ab. Denn der Coach verhandelt derzeit mit dem georgischen Fußballverband um eine Anstellung als Trainer. Das kommt überraschend, außerdem hat er prominente Mitbewerber.
[ "Fußball international" ]
Sport
Fußball-News
2005-12-11T13:41:43+01:00
2005-12-11T13:41:43+01:00
https://www.spiegel.de/sport/fussball/nationaltrainer-toppmoeller-verhandelt-mit-georgien-a-389824.html
Sauberes Linnen
Mutti duscht. Da tollt ihr Sohn ins Bad, betrachtet sie und sagt: »Was ich habe, hast du aber nicht!« Mutti lacht: »Ach, du meinst dein kleines Glied?«Mutti näht. Da springt ihre Tochter herein und fragt »Wo kommen die kleinen Kinder her?« Mutti erklärt: »Muttis Scheide öffnet sich so weit, daß es herausschlüpfen kann.« Derlei Dialoge sind mit Bundesmitteln finanziert. Sie leiten Deutschlands ersten abendfüllenden Aufklärungsfilm ein, der letztes Jahr mit Unterstützung des Zentralinstituts für gesundheitliche Aufklärung entstanden und jetzt in mehreren Großstädten zu regulären Eintrittspreisen angelaufen ist. Der Titel, blondes deutsches Sinnesglück verheißend: »Helga«. Untertitel: »Vom Werden des menschlichen Lebens«. Der farbige Fortpflanzungs-Leitfaden -- vom Vorspiel bis zur Babypflege -- wendet sich, der kindlichen Ausgangs-Fragestellung ungeachtet, an »heranwachsende Jugend und junge Paare« (frei für Jugendliche über 16). Springers »Welt« verlieh ihm das Güte-Prädikat: »Sauber«. Die hochschäumende Aufklärungswelle auf Deutschlands Bildschirmen und Illustrierten-Seiten schien auch dem Kino-Produzenten Karl-Ludwig Ruppel, 52, und seinem Regisseur Erich F. Bender, 56, erfolgverheißend. Geleitet von dem Wunsch, »ein breites Publikum anzusprechen«, verknüpften sie zwei Kurz-Aufklärungsfilme für den Schulgebrauch zu einem Streifen von Abendlänge (75 Minuten) und verbrämten ihn mit einer einfältig aufbereiteten Fabel: Helgas Weg zum Mutterglück. Bis dahin hatte sich Ruppels und Benders Arbeit für das Kino-Linnen auf so spröde Bereiche wie Unfallverhütung, Pflanzenfette und die Bundeswehr beschränkt. Nun, für das Sexual-Werk, sicherten sie sich Rat von Pädagogen, Schaustellung von Gynäkologen sowie Modelle und Präparate vom Deutschen Gesundheits-Museum in Köln.Hoch versichert und in Spezialtransportbehältern verstaut, rollten Embryonen und Eileiter nach München, wo der Mikrobiologe Dr. Erwin Bureik verborgene Vorgänge wie Follikelsprung und Zellteilung kinematographisch sichtbar machte -- belobigt von der »FAZ": »Ästhetischer Genuß.«Doch so eindrucksvoll die Dokumentaraufnahmen erscheinen, so verheerend wirkt sich der Rahmen aus: Vati am Spülstein, Baby auf dem Nachtgeschirr und dazu die Klänge des Symphonie-Orchesters Graunke. Grotesk wird dieser Kontrast bei den Farbfilmsequenzen einer Geburt. Sie wurden aus zwei Teilen zusammengeschnitten. Helga-Darstellerin Ruth Gassmann, 27, zeigte im Filmatelier die Leidensmiene -- ihr entschlüpfte nur ein sanftes Seufzen. Währenddessen vollzieht sich, jeweils im Gegenschnitt, der »erschreckend blutige, gewaltsame Akt« ("FAZ") der Geburt -- gefilmt mit einer unbekannten Patientin der Münchner Universitäts-Frauenklinik.Aber der Kinogänger ist gewarnt. »Kein Film, den man sich ansieht, um sich zu unterhalten«, mahnt das Plakat, vielmehr: »Den man sich ansehen muß«, und zwar »als Vorstufe zum Glück«. Im Hamburger Premierenkino »Esplanade« soll der Pflichtübung die Kür folgen. Eine Programmvorschau verheißt fürs nächste einen »vergnüglichen« Skandinavienfilm -- »Das tosende Paradies«.
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Kultur
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1967-10-01T13:00:00+01:00
1967-10-01T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/kultur/sauberes-linnen-a-dffc9b91-0002-0001-0000-000046289952?context=issue
Facebook-Party in Holland: Eskalation bei Polizeieinsatz
Amsterdam - Eine Woche lang hat sich der kleine Ort Haren in den Niederlanden auf eine Facebook-Party vorbereitet - genützt hat es wenig. Mehr als 3000 ungebetene Gäste waren am Freitagabend in die 18.000-Einwohner-Stadt südlich von Groningen geströmt. Und irgendwann ist die Lage eskaliert. Medienberichten zufolge hatten zahlreiche Randalierer aus der feiernden Menge Geschäfte aufgebrochen und gestürmt, Straßenschilder und Laternen umgerissen und ein Auto angezündet. Den wüst Feiernden standen 600 Einsatzkräfte der Polizei entgegen, die die Party nach Ausbruch der Randale gewaltsam beendeten.Polizeichef Oscar Drots sagte auf einer Pressekonferenz, ein harter Kern von "Ganoven" sei während der Krawalle "besonders gewalttätig und gut organisiert" aufgetreten und habe die "Konfrontation" mit den Polizisten gesucht. Die Bilanz: 30 Verletzte, davon drei schwer. Zudem wurden drei Polizisten verletzt. Außerdem gab es 30 Festnahmen. Auslöser des Exzesses war ein 16-jähriges Mädchen, die auf Facebook ihr - eigentlich für einen kleinen Kreis vorgesehenes - Geburtstagsevent versehentlich nicht als "privat" deklariert hatte. Die Einladung ging daraufhin durch das soziale Netz, bis zu 30.000 Nutzer sollen die Einladung erhalten haben. Der niederländische Justizminister Ivo Opstelten sagte, so etwas könne "nicht geduldet" werden. "Die Täter werden vor Gericht gestellt, bestraft und müssen für die Schäden aufkommen."
kha/mhe/reuters
Es sollte nur eine kleine Feier werden, dann kamen mehr als 3000 ungebetene Gäste - und die hatten auch noch schlechte Laune. In den Niederlanden ist es am Freitagabend bei einer Facebook-Party zu schweren Ausschreitungen gekommen.
[ "Facebook", "Polizei" ]
Panorama
Gesellschaft
2012-09-22T09:53:00+02:00
2012-09-22T09:53:00+02:00
https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/facebook-party-in-holland-eskalation-bei-polizeieinsatz-a-857316.html
Mit 91 Jahren: Schindler-Helfer Mietek Pemper ist gestorben
Augsburg - Er war persönlicher Schreiber des KZ-Kommandanten Amon Göth und lieferte unter Lebensgefahr die Namen von Häftlingen an den FabrikantenOskar Schindler: Auch dank Mietek Pemper konnte Schindler während des Zweiten Weltkrieges 1200 Menschen vor der Ermordung durch die Nationalsozialisten bewahren. Sein Helfer Pemper ist nun im Alter von 91 Jahren am Dienstag in Augsburg gestorben, wie die Stadt am Donnerstag mitteilte. US-RegisseurSteven Spielberg holte sich für seinen Film "Schindlers Liste" den Rat des 1920 in Krakau geborenen Pemper. Neben ihm hatte im Konzentrationslager auch Buchhalter Itzhak Stern, der 1969 inIsrael starb, bei der Rettung der Juden aus dem Konzentrationslager Krakau-Plaszow geholfen - er kam wie Pemper in Spielbergs Film vor und wurde von Oscar-Preisträger Ben Kingsley verkörpert. Der Regisseur bedankte sich bei Pemper mit einer Widmung auf einem Bild: "Thank god for your survival" (Dank sei Gott für dein Überleben). Pemper lebte seit 1958 in Augsburg. Er studierte nach dem Krieg Psychologie und Soziologie und arbeitete als Unternehmensberater in der bayerischen Stadt. Für seine Bereitschaft zur Versöhnung und seinen Mut wurde Pemper 2001 mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse geehrt. Er ist außerdem Ehrenbürger der Stadt Augsburg. Pemper soll im engsten Familienkreis auf dem Jüdischen Friedhof beigesetzt werden. In der Synagoge ist nach Angaben der Stadt zu einem späteren Zeitpunkt eine Trauerfeier geplant.
ulz/dpa
Oskar Schindler rettete etwa 1200 Häftlinge vor der Ermordung durch die Nazis. Dabei war ihm Mietek Pemper ein wichtiger Helfer. Nun ist der Holocaust-Überlebende im Alter von 91 Jahren in Augsburg gestorben.
[ "Oskar Schindler", "Holocaust", "Nachrufe 2011" ]
Panorama
Gesellschaft
2011-06-09T15:31:00+02:00
2011-06-09T15:31:00+02:00
https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/mit-91-jahren-schindler-helfer-mietek-pemper-ist-gestorben-a-767688.html
Rekord-Demos in Deutschland: Atomstreit trifft Koalition mit voller Wucht
Berlin - Unmittelbar vor den Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ist der Streit innerhalb der Koalition über die Atomwende von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) voll entbrannt. Den sofortigen Ausstieg aus der Atomkraft forderten am Samstag bundesweit rund 250.000 Demonstranten. Die Veranstalter sprachen von den bisher größten Anti-AKW-Protesten überhaupt in Deutschland. "In der Atomfrage wurde überhitzt eine Entscheidung getroffen, die unsere Glaubwürdigkeit in Frage stellt", sagte der CDU-Energieexperte Thomas Bareiß dem SPIEGEL unter Bezug auf das AKW-Moratorium der Bundesregierung. "Unsere bisherige Argumentation in der Kernenergie ist in sich zusammengebrochen." Unterstützung kam vom wirtschaftspolitischen Sprecher Joachim Pfeiffer: Wenn die Kernkraft vom Netz genommen werde, werde der Druck auf die Strompreise noch einmal drastisch zunehmen. Aus der FDP wurde darauf verwiesen, das Moratorium für Alt-AKW hätten Ministerpräsidenten der Union durchgesetzt. FDP-Wirtschaftspolitiker Martin Lindner sprach von einer "Hauruck-Entscheidung". Der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms sagte: "Das Abschalten der Kernkraftwerke haben die Unions-Ministerpräsidenten durchgesetzt, die damit Fakten geschaffen haben." Dadurch sei "der falsche Eindruck entstanden, die Überprüfung sei nicht ergebnisoffen". Nach Informationen des SPIEGEL erntet auch die von Merkel eingesetzte Ethikkommission, die mit über die AKW-Zukunft entscheiden soll, Kritik. Sie soll von Ex-Umweltminister Klaus Töpfer mitgeleitet werden. "Es kann nicht sein, dass am Ende Töpfer mit seinen Bischöfen kommt und dem Parlament sagt, wie es das Atomgesetz zu ändern hat", sagte ein Vertreter der Fraktionsspitze, der nicht namentlich genannt werden wollte. Die Merkel-Kritiker wollten nun ein eigenes Beratergremium zusammenstellen. Töpfer fordert schnellstmöglichen AusstiegTöpfer selbst sagte in der "Bild am Sonntag", man müsse aus der Atomtechnik so schnell wie möglich aussteigen: "Ein anderes Handeln wäre nicht verantwortlich." Er glaube zudem nicht, dass die sieben abgeschalteten alten Meiler wieder ans Netz gehen würden. Dagegen warnte BASF-Chef Jürgen Hambrecht, ebenfalls Mitglied in der Ethikkommission, vor übereilten Entscheidungen: "Wir können doch nicht einfach aussteigen und uns den Strom aus dem Ausland holen, der dort mit Kernkraft erzeugt wird, und uns dabei wohlfühlen", sagte er der "FAZ". Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) warnte die Stromkonzerne, die zumindest dreimonatige Abschaltung der Meiler als Vorwand für Preiserhöhungen zu nutzen. Die Kosten rechtfertigten keine höheren Tarife, sagte sie der Zeitschrift "Super Illu". Zudem äußerte auch sie sich skeptisch, ob die Altmeiler alle wieder ans Netz gingen: "Wenn wir die Sicherheitsstandards deutlich erhöhen müssen, wird es ältere Reaktoren geben, die nicht wieder ans Netz gehen." Noch deutlicher wurde CSU-Chef Horst Seehofer: "Ich kann mir schwer vorstellen, dass es wirtschaftlich ist, sie noch einmal nachzurüsten", sagte er mit Blick auf alle sieben Reaktoren. Hunderttausende gehen auf die StraßeUnterdessen artikulierte sich der Atomprotest nach Angaben der Veranstalter so machtvoll wie nie zuvor in Deutschland. Allein in Berlin gingen demnach 120.000 Atomkraftgegner auf die Straße, in Hamburg folgten 50.000 Menschen den Protestaufrufen, in Köln und München jeweils 40.000. Zu den Demonstrationen unter dem Motto "Fukushima mahnt - alle AKW abschalten" hatte ein breites Bündnis von Anti-Atom-Initiativen, Umweltverbänden, globalisierungskritischen und friedenspolitischen Organisationen aufgerufen. Im japanischen Fukushima waren bei der verheerenden Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe vom 11. März mehrere Atomreaktoren beschädigt worden. Das genaue Ausmaß des Atomunglücks ist weiterhin nicht bekannt. Die Veranstalter erklärten nach den Protesten: "Die Antwort der Bundesregierung muss jetzt das Abschalten der Atomkraftwerke sein." Mehrere Redner warfen Bundeskanzlerin Angela Merkel eine "unverantwortliche Verzögerungs- und Verschleierungspolitik" vor. Mit ihrem Moratorium für die AKW-Laufzeitverlängerungen sowie mit den von ihr eingesetzten Kommissionen weiche sie der Notwendigkeit eines sofortigen Atomausstiegs aus. Sommer forderte in seiner Rede auf der Kundgebung in Berlin, die "Uralt-Atomkraftwerke" in Deutschland müssten dauerhaft abgeschaltet werden. Notwendig sei ein "annehmbarer Fahrplan für den endgültigen Atomausstieg". "Wir müssen geordnet aussteigen - aber so schnell wie möglich und unumkehrbar." Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) fügte hinzu: "An die Adresse der Atomlobby und alle Verfechter der Atomindustrie sagen wir: Nicht mit uns! Wir haben genug von den Lügen, den Beschwichtigungen, den Verharmlosungen!" SPD-Chef Sigmar Gabriel wertete die große Beteiligung an den Protesten am Rande der Berliner Demonstration als Beleg, dass die Menschen in Deutschland den Atomausstieg wollten. "Sie wollen, dass wir die Energiewende beschleunigen." Die ältesten Atomkraftwerke müssten "sofort und endgültig vom Netz. Alle anderen müssen anhand modernster Sicherheitsanforderungen überprüft und dann nach und nach abgeschaltet werden".
sto/Reuters/dapd/AFP/dpa
Die Glaubwürdigkeit der Union ist beschädigt, die FDP distanziert sich: Das AKW-Moratorium sorgt für ordentlichen Krach innerhalb der Koalition. Auf den bisher machtvollsten Demonstrationen forderten Bürger am Samstag den unumkehrbaren Ausstieg aus der Atomkraft.
[ "Antiatomkraftbewegung", "Atomausstieg", "Atomkraft", "Atomkraftwerke", "Fridays for Future", "Extinction Rebellion" ]
Politik
Deutschland
2011-03-26T18:04:00+01:00
2011-03-26T18:04:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/rekord-demos-in-deutschland-atomstreit-trifft-koalition-mit-voller-wucht-a-753371.html
Israel und Hamas: 61 Lastwagen erreichen den Norden von Gaza
Bei dem Transport von Hilfsgütern nach Gaza sind nach Uno-Angaben auch 61 Lastwagen in dem bis zur Feuerpause heftig umkämpften Norden des Küstenstreifens eingetroffen. Es sei die größte derartige Lieferung in den nördlichen Gazastreifen seit Beginn des Krieges zwischen der islamistischen Hamas und Israel. Der Palästinensische Rote Halbmond habe die Lastwagen erfolgreich dorthin gefahren, teilte die Hilfsorganisation am Samstagabend mit. An vier Verteilungspunkten im Norden sollen die Menschen damit unter anderem Wasser, Arzneimittel und medizinische Ausrüstung erhalten.Tausende Liter Diesel und vier Gastanks zum KochenAm Samstag seien insgesamt bis zum Abend 187 Lastwagen mit Hilfsgütern im Gazastreifen eingetroffen, teilte das Uno-Nothilfebüro OCHA in der Nacht zum Sonntag mit. Für den Samstag sei zunächst die Einfahrt von 200 Lastwagen geplant gewesen. Weil die Güter vorher aber genau kontrolliert werden, verzögert sich die Einfahrt teilweise. Am Samstag seien zudem 129.000 Liter Diesel und vier Tanks mit Gas zum Kochen nach Gaza geliefert worden, teilte OCHA mit. Sonntag war der dritte Tag nach Inkrafttreten der Feuerpause zwischen Israel und der islamistischen Hamas. Die Vereinbarung sieht neben einem Austausch von Geiseln gegen Gefangene laut Medienberichten auch vor, dass Hunderte Lastwagen mit Lebensmitteln, medizinischen Gütern und Treibstoff nach Gaza einfahren dürfen. Vor dem Krieg fuhren rund 500 Lastwagen mit humanitären Gütern pro Tag in das von Israel abgeriegelte Gebiet. Wegen eines Streits um die Hilfslieferungen in den Norden war am Samstag der Austausch von israelischen Geiseln und palästinensischen Gefangenen um einige Stunden verzögert worden. Die Hamas stoppte die Übergabe zwischenzeitig, sie warf Israel vor, gegen die Vereinbarung verstoßen zu haben. Israel wies das zurück. Je länger die Kampfpause dauere, desto mehr Hilfe werden humanitäre Organisationen schicken können, teilte das Uno-Palästinenserhilfswerk UNRWA am Sonntag mit. Eine Sprecherin hatte zuletzt gesagt, UNRWA wolle die Feuerpause nutzen, um so viele Menschen wie möglich im Gazastreifen zu erreichen. Schätzungsweise 1,7 Millionen Menschen wurden durch die Kämpfe vertrieben. Weil die Nächte im Gazastreifen langsam kälter werden, gibt es auch großen Bedarf an Material, mit denen die Menschen sich warm halten können. Dazu gehören Matratzen und Decken, Material, um beschädigte Häuser abzudichten und winterfeste Zelte, damit Menschen sich gegen kalte Wetterbedingungen schützen können. Solche Sets zum Schlafen sowie zum Kochen oder Waschen und auch Zelte verteilten Helfer bisher nur im Süden, weil es OCHA zufolge keinen sicheren Zugang zum schwer umkämpften Norden gibt.
slü/dpa
Es ist die größte Hilfslieferung seit Kriegsbeginn: Nach Uno-Angaben konnten Dutzende Trucks in den Norden Gazas fahren. Zuletzt hatte Streit um die Lkw die Freilassung von Geiseln verzögert.
[ "Israel-Gaza-Krieg", "Israel", "Gazastreifen" ]
Ausland
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2023-11-26T15:13:00+01:00
2023-11-26T22:10:00+01:00
https://www.spiegel.de/ausland/israel-und-hamas-61-lastwagen-erreichen-den-norden-von-gaza-a-ea3b1898-4170-4290-8907-cb1128fdd7eb
Bremen: Schüler lernen auf dem Heimtrainer
Sein Referat bereitet der zehnjährige Aldin auf dem Heimtrainer vor. "Die Tiere passen sich an ihren Lebensraum an", schreibt er in sein Heft, während er gleichmäßig in die Pedale des Ergometers tritt. Bald soll er in einer Präsentation erklären, wie Tiere sich tarnen. Dass er dabei Rad fahren kann, gefällt ihm. "Das macht sehr viel Spaß", sagt er. Drei Ergometer mit hohen Tischen stehen seit Februar in der Klasse 5b der Oberschule an der Ronzelenstraße in Bremen. Jeweils drei der insgesamt 22 Schüler verfolgen den Unterricht auf dem Rad, nach einer Viertelstunde wird gewechselt."Man kann sich besser konzentrieren, wenn man fährt", sagt der elfjährige Eser. "Ich bin lieber auf dem Rad als auf dem Stuhl." Die zehnjährige Daliah sieht das ähnlich. "Ich finde es langweilig, auf dem Platz zu sitzen. Auf dem Ergometer kann ich mich auspowern." Die Idee für sogenannte Ergometer-Klassen stammt aus Österreich. Der Wiener Sportwissenschaftler und Gymnasiallehrer Martin Jorde initiierte die erste Klasse 2007 an einem Wiener Gymnasium. Er stellte bei seinen Schülern positive Veränderungen in der Fitness fest sowie bei den Noten und im Sozialverhalten. Die erste deutsche Schule mit Ergometern im Klassenzimmer war ein Gymnasium im bayerischen Aschaffenburg. Seit vergangenem Jahr können Schüler dort während des Unterrichts Rad fahren. Die Bremer Schule ist nach Angaben des Projektleiters Harald Wolf die zweite in Deutschland, die Ergometer im Unterricht einsetzt. "Ich halte das für einen unglaublich innovativen Weg", sagt der Sportwissenschaftler der Universität Göttingen, Arne Göring. Es sei gut, Bewegung in den Klassenraum zu holen und systematisch zu nutzen. "Bewegung regt den Kreislauf an und fördert die Durchblutung des Gehirns." "Die Kinder können sich abreagieren"Dies könne sich positiv auf die Lernleistung auswirken. Aber: "Ein Teil der Aufmerksamkeit wird auch auf die Bewegung gelegt." Es könnte sein, dass sich manche Schüler deshalb nicht voll auf ihre Aufgabe konzentrieren. Die Lehrerin der Bremer Inklusionsklasse 5b, Ursula Böning, sieht in den Rädern trotzdem eine Bereicherung. "Die Kinder sind manchmal bis 16 Uhr in der Schule. Dann sitzen sie sehr viel", sagt sie. Auf den Rädern könnten sie sich abreagieren. Für den Unterricht seien die Ergometer hilfreich. Als sie einigen Jungs in der Textilgruppe neulich Nadel und Faden in die Hand gegeben habe, sei die Ablehnung groß gewesen. "Sie haben dann auf dem Rad genäht. Das war besser." Kinder mit Behinderung profitierenKlassenlehrer Dirk Baumgartner nutzt die Ergometer auch, um Themen zu vermitteln. Ihm zufolge bekommen die Kinder ein besseres Bewusstsein für ihren Körper, wenn sie auf dem Display sehen, wie sich ihre Herzfrequenz verändert oder wie viele Kilojoule sie beim Treten verbrauchen. Für stark übergewichtige Schüler könnte das Rad eine Hilfe zum Abnehmen sein. Den fünf beeinträchtigten Schülern der Inklusionsklasse kommen die Geräte aus Sicht der Lehrer zu Gute. "Leon hat gelernt, vorwärts zu treten. Das war für ihn anfangs sehr schwer", erzählt Ines Biedermann, die als pädagogische Fachkraft in der Klasse ist. Für Leon, der das Down-Syndrom hat, sei das regelmäßige Radeln wichtig. Auf die Frage, ob ihm das Fahren Spaß mache, antwortet der Schüler ohne zu Zögern: "Ja!" Die Oberschule in Bremen ist nach den ersten Monaten mit den Ergometern so überzeugt, dass sie jüngst einen zweiten Klassenraum mit drei Geräten ausgestattet hat. Zwei weitere Klassen sollen nach den Sommerferien folgen. Die Auswirkungen auf das Verhalten und die Leistungen der Bremer Schüler sollen nun wissenschaftlich untersucht werden. Es sind bereits Kooperationen mit den Universitäten in Oldenburg und Rostock geplant. So soll erforscht werden, welchen Einfluss die Ergometer auf Kinder mit Behinderungen haben.
von Helen Hoffmann, dpa/koe
Sich so richtig abstrampeln und dabei besser lernen - für eine Bremer Klasse ist das inzwischen Schulalltag. Die drei Trainingsgeräte im Klassenzimmer stehen kaum noch still.
[ "Schulen", "Bildungspolitik", "Bremen" ]
Panorama
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2017-06-02T11:24:00+02:00
2017-06-02T11:24:00+02:00
https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/bremen-schueler-lernen-auf-dem-heimtrainer-a-1149959.html
Maxim's bald auch in Peking
Vom Sommer an werden Funktionäre, Diplomaten und andere privilegierte Einwohner Pekings ohne weite Anreise ins Maxim's gehen können. Das Pariser Schickeria-Restaurant will eine Filiale in der chinesischen Hauptstadt eröffnen, die dem Original exakt nachgebildet werden soll. Maxim's-Kopien gibt es bereits in Rio, Brüssel und Singapur. Für Chinesen, denen ein Maxim's-Besuch zu teuer ist, will Pierre Cardin, der Eigner des Pariser Originals, im Stockwerk unter dem Pekinger Maxim's ein Minim's einrichten. Dieses Minim's, ein Schnellrestaurant für gehobene Ansprüche, wird ebenfalls die Kopie eines Pariser Cardin-Lokals sein.
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Wirtschaft
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1983-01-23T13:00:00+01:00
1983-01-23T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/maxims-bald-auch-in-peking-a-cde67298-0002-0001-0000-000014022517?context=issue
Hoffenheims Demirbay: Ein Mix aus Kroos und Özil
Markenpullover, Schal, perfekt sitzende Frisur: Bundestrainer Joachim Löw ist bekannt für seine Stilsicherheit. Am vergangenen Samstag wagte er etwas Neues: Während Hoffenheims 4:2-Sieg in Freiburg trug der Bundestrainer seinen Schal halb um den Hals, halb über die Ohren, fast wie ein Kopftuch. Zumindest sein Blickfeld war frei. So konnte Löw registrieren, wie gut Hoffenheims Kerem Demirbay gespielt hat. In der 72. Minute nahm der 25-Jährige einen missglückten Pass mit der Hacke mit, bediente sogleich Mannschaftskollege Andrej Kramaric, Tor. Eine knappe Viertelstunde später knallt er aus 25 Meter den Ball Richtung Tor, er springt von der Unterkatte der Latte hinter die Linie. Demirbay überragte seine Gegen- und Mitspieler - mal wieder. Bereits 2017 debütierte er in der Nationalmannschaft, geriet seitdem aber etwas aus Löws Blickfeld. In dieser Saison hat er sich wieder zu einem Kandidaten für die DFB-Elf gemausert, auch weil er auf den Spuren von Mesut Özil und Toni Kroos wandelt. Demirbay stammt wie Özil aus Gelsenkirchen, absolvierte seine Ausbildung zum Fußballprofi bei Borussia Dortmund. Den Durchbruch wollte er beim Hamburger SV schaffen. Doch seine Zeit dort wurde zu einem großen Missverständnis. Die wechselnden HSV-Trainer monierten wahlweise seine fehlende Körperlichkeit (Mirko Slomka) oder seinen mangelnden Kampfeswillen (Bruno Labbadia). Der HSV verlieh Demirbay in die zweite Liga, zunächst nach Kaiserslautern, dann nach Düsseldorf. 2016 folgte die Trennung. Demirbay ging nach Hoffenheim, HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer gab ihn für gerade einmal zwei Millionen Euro ab. Laut "Hamburger Morgenpost"  verzichtete er auf eine in der Bundesliga übliche Klausel, nach der Hoffenheim im Falle eines Länderspieleinsatzes eine Millionennachzahlung leisten müsse. In Hamburg glaubte man nicht daran, Demirbay je im Nationaldress zu sehen.Im neuen Umfeld blühte Demirbay auf, wie so viele ehemalige HSV-Spieler vor ihm. Das lag nicht zuletzt an seinem Trainer Julian Nagelsmann. Hoffenheims Coach beorderte Demirbay von der Zehner- auf die Achterposition. Dort erhielt er mehr Zuspiele, war stärker eingebunden in das Spiel seiner Mannschaft. Fortan konnte er seine Fähigkeiten besser zur Geltung bringen. Demirbay gehört zu jenen Mittelfeldspielern, die Deutschlands Jugendakademien in den vergangenen Jahren zuhauf hervorbrachten. Er agiert auf technisch höchstem Niveau, kann dribbeln und den Ball behaupten. Zugleich verfügt Demirbay über Genauigkeit im Passspiel sowie Übersicht. Demirbay ähnelt in dieser Hinsicht Gladbachs Jonas Hofmann oder Bremens Maximilian Eggestein: kein klassischer Zehner, aber eben auch kein reiner Ballverteiler aus der Tiefe. SPIEGEL ONLINE hat ein Instrument entwickelt, um die Leistung von Fußballern auch jenseits von persönlichen Eindrücken zu bewerten: den SPIX. Er basiert allein auf Spieldaten. In die Berechnung fließen die individuelle Leistung sowie die seiner Mannschaft ein. Das Besondere: Der SPIX erfasst Daten nicht einfach nur, er beurteilt ihre Relevanz und Qualität direkt mit.Details zum Modell finden Sie hier: Alle diese Typen vereinen in ihrem Spiel die Stärken von Mesut Özil und Toni Kroos (wenngleich auf individuell schwächerem Niveau). Sie können das Spiel aus dem zentralen Mittelfeld lenken, das Tempo vorgeben, punktgenaue Pässe spielen, fast so wie Kroos. Sie fühlen sich jedoch auch in der Nähe des Tors wohl, behalten unter Druck die Übersicht, legen Torchancen auf wie Özil. Demirbay hebt sich von dieser Konkurrenz durch seinen starken Fuß ab. Auch wenn er mit rechts flanken und auch abschließen kann: Am liebsten nutzt er den linken Fuß. Das ist im modernen Fußball noch immer selten, zumal auf seiner Position im zentralen Mittelfeld. Nagelsmann nutzt dies, um ihn als halbrechten Achter nach innen ziehen zu lassen. Demirbay gelangt somit häufig in ähnliche Situationen wie Arjen Robben: Als Linksfuß kann er im halbrechten Raum zum Schuss ansetzen oder den tödlichen Pass spielen. Demirbay bereitet pro Spiel durchschnittlich mehr als drei Schüsse seiner Teamkollegen vor, fast ebenso oft schließt Demirbay selbst ab. Kein Bundesligaspieler ist an so vielen Abschlüssen pro Partie beteiligt. Diese Stärke unterstreicht auch der SPIX: Demirbay weist sowohl im Bereich Chancenkreation als auch bei der Torgefahr hohe Werte vor. Spielt er auf der Position im offensiven Mittelfeld, sind seine Werte noch einmal leicht höher als im defensiven Mittelfeld. Kein Wunder: Hier kann er seinen Zug zum Tor noch besser einbringen. Nach SPIX-Werten ist Demirbay aktuell sogar bester offensiver Mittelfeldspieler der Liga, noch vor Marco Reus und Leon Goretzka.Nationaltrainer Joachim Löw wird diese Werte nicht benötigen, um auf Demirbay aufmerksam zu werden. Er hat schließlich vor Ort gesehen, wozu der Mittelfeldspieler fähig ist.
Tobias Escher
Kerem Demirbay ist Hoffenheims wichtigster Spieler. Er kann das Spiel lenken, ist torgefährlich. Sein gewichtigstes Argument für einen Platz im DFB-Kader: sein linker Fuß.
[ "Fußball-Bundesliga", "TSG 1899 Hoffenheim", "Kerem Demirbay" ]
Sport
Fußball-News
2019-01-29T11:37:00+01:00
2019-01-29T11:37:00+01:00
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Ägypten: Muslimbrüder sollen an Übergangsregierung beteiligt werden
Kairo - Der neue ägyptische Regierungschef Hasim al-Beblawi will die vom Militär entmachteten Muslimbrüder an der künftigen Regierung beteiligen. Einige Kabinettsposten würden der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit angeboten, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Mena am Dienstagabend einen Sprecher des Präsidialamts. Beblawi war wenige Stunden zuvor von Übergangspräsident Adli Mansur mit dem Posten des Regierungschefs betraut worden. Mansur legte zudem einen Fahrplan für baldige Parlamentswahlen und eine überarbeitete Verfassung vor, mit dem er Ägypten binnen weniger Monate aus der Krise führen will. In einer Erklärung vom Dienstagabend hieß es, die Präsidentschaft beabsichtige, sich mit allen politischen Kräften in der kommenden Woche zu treffen, um einen Plan zur Vermeidung des Blutvergießens aufzustellen. Außerdem habe die Initiative mit Namen "Eine Nation" das Ziel, die Spaltung in der ägyptischen Gesellschaft zu überbrücken, schreibt die Zeitung "al-Ahram" online. Der islamistische Präsident Mohammed Mursi war in der vergangenen Woche von den Streitkräften entmachtet und zusammen mit Gefolgsleuten festgenommen worden. Seither liefern sich dessen Anhänger täglich gewaltsame Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften des Landes. Die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit ist der politische Arm der Muslimbruderschaft.
sun/AFP/dpa
Ägyptens Übergangsregierung setzt auf Versöhnung. Der neu berufene Ministerpräsident Beblawi will die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit an der Regierung beteiligen. Einige Kabinettsposten solle der politische Arm der Muslimbrüder erhalten.
[ "Machtkampf in Ägypten", "Ägypten", "Muslimbruderschaft", "Mohamed Mursi" ]
Ausland
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2013-07-10T00:10:00+02:00
2013-07-10T00:10:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/aegypten-muslimbrueder-sollen-an-uebergangsregierung-beteiligt-werden-a-910315.html
Love Parade Katastrophe: Anwältin verklagt Veranstalter Schaller
Hamburg - Die Ermittlungsunterlagen haben einen Umfang, der kaum zu greifen ist. Auf mehr als 32.000 Seiten, das entspricht mehr als 50 Aktenordnern, hat die Staatsanwaltschaft zusammengetragen, was sich rund um den 24. Juli 2010 auf einem alten Bahngelände nahe der Duisburger Innenstadt ereignete - und in einer der größten Katastrophen der deutschen Nachkriegsgeschichte mündete. An jenem Sommertag kamen bei der Love Parade 21 Menschen ums Leben, Hunderte wurden teils schwer verletzt. Mehr als drei Jahre danach heißt es, die Staatsanwaltschaft Duisburg habe die Anklage inzwischen fertiggestellt und sie der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf vorgelegt - aber noch nicht vor Gericht erhoben. Zu dem Procedere und dem Fortschreiten der Ermittlungen will sich die Behörde nicht äußern. Durchgesickert ist bislang, dass es wohl zehn Beschuldigte geben wird. Nicht unter ihnen: der damalige Bürgermeister der Stadt Duisburg, Adolf Sauerland, und der Geschäftsführer des Love-Parade-Veranstalters Lopavent, Rainer Schaller. Schaller hat angegeben, nicht persönlich in die Vorbereitungen eingebunden gewesen zu sein. Strafrechtlich wird er daher nicht belangt, er wurde nur als einer von insgesamt 3385 Zeugen vernommen. Aber trägt er nicht eine Verantwortung für das, was passiert ist? Und kann man diese gefühlte Schuld zivilrechtlich abbilden, wenn schon nicht strafrechtlich? Eine Bochumer Anwältin wird Rainer Schaller nun verklagen: auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Bärbel Schönhof vertritt rund 30 Mandanten, im Schnitt erheben sie jeweils Ansprüche in Höhe von rund 100.000 Euro, macht insgesamt mindestens drei Millionen Euro. Diese Summen sind nur vorläufig und können weiter steigen. Manche ihrer Mandanten holt der 24. Juli 2010 immer wieder ein, in Alpträumen, Flashbacks. Sie haben posttraumatische Belastungsstörungen, es fallen Kosten an für Therapien, für Arbeitsausfälle. Für viele Betroffene hat der 24. Juli alles verändert. "Schaller war der eigentliche Nutznießer"Bärbel Schönhof versucht, für die Mandanten einen Ausgleich zu erhalten, auch wenn Geld nur bedingt etwas zu tun hat mit Gerechtigkeit. Ihre Klage ist der erste Versuch, Schaller persönlich haftbar zu machen. Anwältin Schönhof, die unter anderem auf Sozial- und Medizinrecht spezialisiert ist und sich als Opferanwältin versteht, bedient sich eines Kniffes. Geschäftsführer einer GmbH haften grundsätzlich nicht persönlich. Eine Ausnahme macht das Gesetz nur dann, wenn der Einzelne ein "nicht unerhebliches persönliches Interesse verfolgt hat". Diesen Umstand sieht Schönhof bei Schaller gegeben. Denn der Gründer der Fitnessstudio-Kette McFit hatte die Rechte an der Love Parade 2006 erworben, um die Veranstaltung unter anderem als Marketinginstrument einzusetzen. Er war Alleingesellschafter, die Gewinne der Love Parade flossen in seine Tasche. Anwältin Schönhof sagt: "Schaller war der eigentliche Nutznießer." Abrutschen in Hartz IVWenn der Klage stattgegeben wird, bedeutet dies aber nicht, dass Schaller alles zahlen muss. Die Klage richtet sich gegen ihn, die Stadt Duisburg und das Innenministerium des Landes NRW als Gesamtschuldner. Die Betroffenen können sich aussuchen, wem gegenüber sie ihre Ansprüche geltend machen wollen - sprich: wer besonders solvent erscheint. Anwältin Schönhof wird die Klage in den nächsten Wochen einreichen, spätestens bis Ende des Jahres. Denn die Zeit drängt. Drei Jahre nachdem ein Betroffener Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt hat, können Ansprüche verjähren. Im Falle der Love Parade wäre das frühestmögliche Datum der 31. Dezember 2013. Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE wollte sich Rainer Schaller nicht zu der Klage äußern.Bisher haben Betroffene von der Versicherung der Lopavent Vergleichsangebote erhalten. Diese umfassen vergleichsweise geringe Zahlungen und verpflichten die Geschädigten, keine weiteren Ansprüche geltend zu machen. Obwohl immer weitere Kosten entstehen: Therapien, Erwerbsschäden. Schönhof erzählt von Mandanten, die nach der Katastrophe abgerutscht sind und heute von Hartz IV leben müssen. Die Love Parade war nur mit sieben Millionen Euro versichert - angesichts Hunderter Verletzter und 21 Toter viel zu wenig. "Die meisten Betroffenen haben genug mit sich selbst zu tun", sagt Schönhof. "Für sie ist es ein Schlag ins Gesicht, dass sie keine ausreichende Entschädigung bekommen haben. Viele sehen keine Perspektive." Die Katastrophe hat ihnen ihre Existenzgrundlage genommen. Manche Opfer wissen nicht, wie sie ihre Familien ernähren sollen. "Es ist der Versuch, Gerechtigkeit wiederherzustellen", sagt die Anwältin. Die Hoffnungen ihrer Mandanten seien groß. Die Chancen, die Klage durchzusetzen, sind es ihrer Meinung nach aber auch. Die Hoffnungen basieren auf den Ermittlungsakten, die die Verstrickungen des Veranstalters, der Stadt und der Polizei zu beleuchten versuchen. Sachverständige haben ihre Berichte abgeliefert. Der britische Massendynamik-Experte Keith Still hat in einem Gutachten resümiert, dass es nach dem von der Stadt genehmigten Konzept nicht einmal theoretisch möglich war, die Love Parade gefahrlos durchzuführen. Hätten die Verantwortlichen die Besucherströme addiert, hätten sie feststellen können, dass die Rampe auf das Gelände viel zu klein war. Das bittere Fazit: Die Love Parade hätte nie genehmigt werden dürfen. Der Schaden wurde billigend in Kauf genommen.
Barbara Hans
Mehr als drei Jahre nach der Katastrophe bei der Duisburger Love Parade hat die Staatsanwaltschaft noch keine Anklage erhoben. Fest steht nur: Veranstalter Rainer Schaller ist nicht unter den Beschuldigten. Nun will ihn eine Anwältin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagen.
[ "Loveparade 2010", "Loveparade", "Duisburg", "Nordrhein-Westfalen", "Hannelore Kraft", "Rainer Schaller" ]
Panorama
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2013-11-29T18:12:00+01:00
2013-11-29T18:12:00+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/love-parade-katastrophe-anwaeltin-verklagt-veranstalter-schaller-a-936419.html
Stumpf, weinerlich und hoffnungslos
Alles begann vor dreieinhalb Jahren mit einem Zufall und ziemlich viel Mühe. Immer auf der Suche nach Anregungen für seine »Andere Bibliothek«, stieß Hans Magnus Enzensberger, der auch ein Verfechter des Radios ist, in einer Rundfunkzeitschrift auf die Ankündigung eines Hörspiels: Es hieß »Über die Deutschen« und basierte auf dem Buch eines amerikanischen Vernehmungsoffiziers namens Saul K. Padover, veröffentlicht in England und Amerika 1946, nie ins Deutsche übersetzt, ein Goldstück für die »Andere Bibliothek«. Autor und Buch waren damals etwas für Eingeweihte, ausgeschlachtet von Historikern in dicken, kundigen Büchern über das letzte Kriegsjahr zwischen der Invasion alliierter Truppen in der Normandie im Juni 1944 und der Kapitulation Hitler-Deutschlands im Mai 1945. Von Padovers Werk - im Original: »Experiment in Germany« - gab es in Deutschland nur noch einige wenige Exemplare in Archiven und Staatsbibliotheken. Das herauszufinden war schon schwierig genug. Aber wem gehörte das Copyright, wer waren die Erben? Padover war 1981 als geachteter, aber nicht auffällig gewürdigter Professor für Politikwissenschaft der renommierten New School of Social Research in New York gestorben; Erben waren nicht bekannt. Der Verlag, der sein Buch gleich nach dem Krieg publiziert hatte, existierte nicht mehr. Blieb nur eine Anzeige auf gut Glück in der »New York Times Book Review«, der großen literarischen Wochenendbeilage des Weltblatts. Per Annonce also suchte Enzensberger die Nachkommen des halb vergessenen Sohnes aus dem jüdischen Bürgertum Wiens, dessen Eltern 1920 mit ihrem 15-jährigen Jungen nach Amerika ausgewandert waren. Und am Ende vieler vergeblicher Wege meldete sich tatsächlich eine Nichte Padovers aus einem Staat Neuenglands, erteilte ohne Auflagen das Recht auf Übersetzung und Neuherausgabe des fast verschollenen Buchs ihres Onkels*. Padover trat 1942 in das Office of Strategic Services (OSS) ein, den wilden, bunten, unkonventionellen Vorläufer der CIA. Unter Intellektuellen, Wall-Street-Leuten, aber auch unter Söhnen aus reichem Haus galt es bald als chic, patriotischen Dienst im neuen, international gegen die Nazis operierenden Geheimdienst zu leisten. Juden wie Padover oder deutsch-jüdische Emigranten wie Herbert Marcuse, Hans Habe oder Stefan Heym, der den Roman »Der bittere Lorbeer« über seine Zeit im OSS schrieb, fanden bevorzugt Aufnahme. Padover diente im Rang eines Oberstleutnants in einer Spezialeinheit für psychologische Kriegführung. Sie war im Krieg zuständig für Gegenpropaganda in Zeitungen und Radiosendungen, ließ Flugblätter auf deutsche Soldaten und Städte regnen. Nach Kriegsende erteilte sie die Lizenzen für Rundfunkanstalten und Zeitungen. Padover war bald mit besonderem Auftrag unterwegs: Er unterbreitete seinen Vorgesetzten den Vorschlag, samt einem kleinen Team mit der 1. Armee ins Rheinland vorzustoßen und möglichst viele Deutsche in den eroberten Dörfern und * Saul K. Padover: »Lügendetektor. Vernehmungen im besiegten Deutschland 1944/45«. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1999; 337 Seiten; 58 Mark. Städten zu vernehmen. Daraus sollte ein Stimmungs- und Situationsbild der Bevölkerung im Angesicht der Niederlage entstehen. Das alliierte Oberkommando war aus pragmatischen Gründen auf die Mentalitätsforschung des Oberstleutnants gespannt. Die Generäle wollten wissen, was eine Besatzungsmacht von den Deutschen zu erwarten hatte: Sabotage, passiven Widerstand, Generalstreik wie an der Ruhr nach dem Ersten Weltkrieg? Waren das fanatische Nazis, Herrenmenschen und Rassisten auch ohne Hitler? Padovers Berichte gingen über die 1. Armee und die 12. Heeresgruppe direkt an General Dwight D. Eisenhower und erregten Aufsehen in Washington und London. Mit seinem »Safaritrupp« - einem Kommandofahrzeug, zwei Jeeps, einem Funkwagen - kurvte der Nachrichtenoffizier durch Frankreich, Luxemburg, Belgien ins Rheinland, überstand die Ardennen-Offensive, erlebte die Befreiung des KZ Buchenwald mit und war in Torgau beim Treffen der Amerikaner mit den Sowjetrussen dabei. Er sprach mit Deutschen, die in den Ruinen der Städte überlebt hatten, während SS, SA, Gestapo und Nazi-Bonzen das Weite suchten. Er interviewte Menschen aller Schichten: Bäuerinnen und BdM-Mädchen, Immobilienmakler, Lehrer, Anwälte, Arbeiter, Hausfrauen, Gewerkschafter und Zwangsarbeiter aus Rüstungsbetrieben. Der deutsch sprechende Padover war der erste, der sie befragte. Er trat mit der Autorität der Besatzungsmacht, aber ohne Sanktionsgewalt auf. Er notierte, was ihnen jetzt zu Hitler, zum Krieg und zu ihrem eigenen Verhalten in den letzten zwölf Jahren einfiel. Deutsche aller Stände wurden zum Interview gebeten, nicht zum Verhör. Noch ging es nicht um juristische Schuld, sondern um Moral, Zivilcourage, Verantwortung. Padover hatte aus seiner Arbeit an der Universität Erfahrung mit Meinungsumfragen; er zog seine Gegenüber wie beiläufig ins Gespräch, wobei sich deren Zungen zuverlässig lösten. Da sie zum ersten Mal befragt werden, klingen ihre Aussagen frisch und unverstellt. Die Stereotypen, Klischees und gängigen Apologien, die nach einiger Übung bald nach Kriegsende bereitliegen werden, sind noch nicht ausgeformt. Enzensberger nennt Padover einen »Ethnologen der deutschen Katastrophe«. Sein Buch ist ein authentisches Dokument aus jener Zwischenzeit, als der Krieg verloren und doch noch nicht zu Ende war. Fast alle Interviewten gestehen ein, dass sie von den Gräueln an Zwangsarbeitern und politisch Verfolgten, vom Rassenmord an den Juden Kenntnis hatten. Sie zeigten sich stumpf, gefühllos und hartherzig, das Eingeständnis löse in ihnen nichts aus, schreibt Padover in seinen Berichten. Sie hadern mit Hitler, der Erfolge versprochen und am Ende versagt habe: »Was soll man von einem Führer halten, der einen Krieg anfängt und ihn verliert?«, fragt ein enttäuschter 16-Jähriger stellvertretend für viele. Der Wendepunkt, das legen fast alle nahe, war Stalingrad 1942/43, da verlor Hitler die freudige Gefolgschaft. Es gibt die Muss-Nazis, die immer nur das Objekt des NS-Regimes gewesen sein wollen und sich schon einmal deswegen unschuldig fühlen. Es gibt die Gehorsamsmaschinen, die das Ausführen von Befehlen als Inbegriff deutschen Wesens darstellen. Und es gibt die Raubritter, die dank der Nazis Wohlstand und Reichtum erwarben, besonders bei der Arisierung jüdischer Geschäfte, und nun behaupten, sie hätten mit dem ganzen Gesocks nichts zu tun gehabt und es eigentlich auch immer verachtet. Als amerikanischer Jude europäischer Herkunft hasst Padover diese Deutschen, die, unabhängig vom sozialen Stand, einen umfassenden Mangel an Zivilcourage und Bürgersinn erkennen lassen und ohne Mitleid mit den Opfern der Nazis sind. Ein nach den Nürnberger Rassegesetzen als Halbjude klassifizierter Mann liefert ihm die Königserklärung: »Die Deutschen seien nicht bösartig, sondern nur so gleichgültig.« Da blieb nur Hoffnung auf die ganz Jungen. Der Feldforscher Padover konnte seinen Oberbefehlshaber Eisenhower, den Abkömmling rheinländischer Mennoniten, beruhigen. Sein überwältigender Eindruck ist: Defätismus, Apathie, Warten auf das Ende, Hoffnungslosigkeit, Selbstmitleid. Er hält sich zugute, dass er die Besatzungspolitik der Amerikaner, die zu diesem Zeitpunkt zwischen einem »Karthago-Frieden« und einer weicheren Haltung gegenüber den Besiegten schwankte, ein wenig beeinflusst habe. Padovers Rapport legte zumindest eine beruhigende Schlussfolgerung nahe: Dass die Deutschen dermaßen anfällig für Gehorsamszwang waren, ließ das Beste hoffen - sie würden sich dem Diktat der Alliierten beugen und künftig Demokraten sein, sofern sie sich davon etwas versprechen durften. Nebenbei ist Padover zum Geschichtsschreiber der Stadt Aachen in diesen Monaten geworden. Aachen war die erste »gefallene« westdeutsche Groß- stadt, 11 000 der insgesamt 160 000 Einwohner hielten sich noch in ihren Ruinen auf. Die amerikanische Militärverwaltung stützte sich auf die Kompetenz am Ort, und das war die alte, korrumpierte Elite. Padover schrieb nach zweimonatiger Untersuchung einen Bericht über die kompromittierende Zusammenarbeit. Danach wurde die Stadtverwaltung ausgewechselt. Von den Honoratioren Aachens zeichnet der amerikanische Vernehmungsoffizier ein vernichtendes Porträt. Ein besonderes Juwel ist seine Unterhaltung mit dem eigentlichen Stadtherrn, dem Bischof Johannes Joseph van der Velden. Der tritt, stolz und düster, wie ein Großinquisitor dem Oberstleutnant entgegen. Er erklärt Hitlers Aufstieg aus der deutschen Bevölkerungsdichte und der Armut unter Arbeitslosen und Bauern, ohne Wirtschaft und Industrie, Wehrmacht und Kirche weiter zu erwähnen. Den Mangel an Zivilcourage, den der Offizier, ganz im Bann der amerikanischen Wertschätzung für Freiheit und Individualismus, nicht fassen kann, leitet van der Velden aus dem Rückgang an Religiosität ab. Und die Kirche? »Die Kirche wollte keine Märtyrer.« Der amerikanische Jude hält dem deutschen Bischof entgegen, dass der Religionsgründer Jesus keine Angst gehabt habe, seine Wahrheit zu sagen. Van der Velden habe ruhig geantwortet, schreibt Padover: »Ja, das stimmt, aber schauen Sie, was man mit ihm gemacht hat!« Padovers Erzählungen aus dem Aachen der frühesten Nachkriegszeit schlagen heute wieder Wellen. Die lokalen Blätter berichten ausführlich über dessen Zustandsbeschreibung vom Winter 1944/45. Klaus Schwabe, emeritierter Geschichtsprofessor der Technischen Hochschule Aachen, gab seine Einschätzung des Vernehmungsoffiziers und seines Rapports: authentisch, Rohstoff aus dieser Zeit, beeindruckend, wenn auch etwas einseitig - eben ein linksliberaler Amerikaner aus der Roosevelt-Ära, der entsetzt über das Gesehene und Gehörte ist. Padovers Buch findet derzeit in der Bischofsstadt reißenden Absatz. Es erregt so viel Aufsehen, dass Zeithistoriker am 26. August in großer Runde öffentlich über die Zustände und Ereignisse in jenen Tagen diskutieren werden, an deren Ende der Aachener Oberbürgermeister von einem Nazi-Kommando ermordet wurde. Die episch erweiterte Fassung seiner Berichte veröffentlichte Padover 1946 als Buch. Es fand vor allem in den amerikanischen Zeitungen große Resonanz, weil es sowohl die Deutschen als auch die Deutschlandpolitik der westlichen Alliierten erklärte. Die Intellektuellen aus der Spezialeinheit für psychologische Kriegführung gingen nach ihrer Rückkehr aus Europa zurück ins bürgerliche Leben und machten Karriere. Die besten Jahre ihres politischen Einflusses lagen hinter ihnen. Was links war, geriet im Kalten Krieg und der McCarthy-Ära in Generalverdacht. Zudem entstand aus dem unkonventionellen Haufen OSS rasch ein ordentlicher, bürokratisch organisierter Geheimdienst, die CIA, die ihre Anfänge am liebsten vergessen machte. Padover schrieb bis zu seinem Tode 1981 noch weitere 30 Bücher. Er fand, auch für einen amerikanischen Professor keine Selbstverständlichkeit, mehr als drei Millionen Leser. Jetzt kommen noch ein paar deutsche hinzu. GERHARD SPÖRL* Saul K. Padover: »Lügendetektor. Vernehmungen im besiegtenDeutschland 1944/45«. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1999; 337Seiten; 58 Mark.
Gerhard Spörl
Kurz vor Kriegsende interviewte ein amerikanischer Offizier zahllose Deutsche im Auftrag des alliierten Oberkommandos - die erste große Studie über die Mentalität der Besiegten. Erst jetzt wurde sie ins Deutsche übersetzt.
[ "Aachen" ]
Politik
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1999-08-22T13:00:00+02:00
1999-08-22T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/stumpf-weinerlich-und-hoffnungslos-a-ee65199c-0002-0001-0000-000014255336?context=issue
»Profit machen und Spaß haben«
Der junge Mann mit der Intellektuellen-Brille auf der stupsig-spitzen Nase könnte gerade sein Harvard-Diplom gemacht haben und Vorstandsassistent in einem großen Unternehmen sein. Ist er aber nicht, er selber ist der Boß. Dem 27jährigen Michael Poliza gehört die Polisoft EDV-Beratungsgesellschaft. Und die wiederum ist einer der größten Vertragshändler für IBM-Personalcomputer. Von Polisoft gelieferte Geräte stehen bei etwa 450 Firmen, bei der AEG und bei Shell, bei Edeka und bei Beiersdorf. Der Jungstar aus der Computerbranche läuft am liebsten in Jeans und Turnschuhen herum. Aber das erlaubt er sich nur abends oder am Wochenende. In der Firma ist er makellos gekleidet. Das ist gut für das Geschäft: Die Kunden, jedenfalls die meisten, schließen immer noch von der Kleidung des Verkäufers auf die Qualität des Produkts. Poliza zählt zur jüngsten Computergeneration. Statt mit der Rechentafel ist er mit dem Taschenrechner groß geworden. Computer sind für ihn ebenso selbstverständlich wie ein Auto oder eine Schreibmaschine. »Ich gehe«, sagt er, »da ganz natürlich ran.« In den USA würde man ihn einen typischen »Yuppie« nennen. Als »young urban professional« klassifizieren amerikanische Soziologen aufgeweckte Großstadtmenschen, die auch beim Geldverdienen nicht fürs Verweigern sind. Als Hobbys gibt der junge Unternehmer Squash-Spielen und den Gang in die Kneipe an. Zuweilen gelüstet es ihn, mit seinem BMW über den Nürburgring zu jagen. Locker und geradlinig geht es in Polizas Firma zu. Die Polisoft-Leute sind häufig auch am Wochenende in der Firma und packen selbst mit an, wenn mal ein paar Wände versetzt werden müssen. Bezahlt werden sie dafür nicht. Statt dessen gehen sie gemeinsam aus, etwa in den Zirkus Roncalli. Für Poliza macht das Sinn. »Wir wollen Profit machen«, sagt er, »aber wir wollen auch Spaß an unserer Arbeit haben.« Den hat zumindest der Chef. Die Firma wird in diesem Jahr fünf Jahre alt und macht mehr als 30 Millionen Mark Umsatz. Nach einem Informatik-Studium in den USA arbeitete Poliza zunächst bei der deutschen IBM. Er übersetzte amerikanische Computerprogramme ins Deutsche und verkaufte sie. Aus den Kontakten mit den IBM-Kunden ergaben sich neue Aufträge. Poliza schulte Computerkäufer und entwickelte Software-Programme für kleinere Unternehmen. Eine Ahnung von seinem Marktwert bekam er, als ihm ein Unternehmen statt der geforderten 50 Mark pro Beratungsstunde freiwillig 75 Mark bezahlte. Erlebnisse dieser Art ermunterten den 22jährigen, im Dezember 1980 eine eigene Firma zu gründen. Das Geschäft kam in Schwung, als Poliza auf einer Fachmesse in Las Vegas den in Deutschland damals noch unbekannten IBM-Personalcomputer entdeckte. Gleich nach seiner Rückkehr bemühte sich der Jungunternehmer um die Verkaufslizenz für das vielversprechende Gerät. Poliza hatte gehofft, im ersten Jahr etwa 50 Computer zu verkaufen. Statt dessen wurde er beinah 500 Geräte los. Als geschäftsfördernd erwies sich vor allem Polizas Kenntnis der amerikanischen Elektronik-Szene. So konnte er seinen Kunden zu den Computern gleich eine reichhaltige Auswahl passender Programme anbieten. Ein Großteil dieser Software wird nämlich nicht von IBM, sondern von den verschiedensten US-Firmen produziert, die in der Bundesrepublik kaum bekannt waren. Inzwischen hat Poliza den Handel mit Computersoftware zu einem neuen Geschäftszweig ausgebaut. Ende vergangenen Jahres gründete er die Firma ABC (Advanced Business Computer Products). In den nächsten Wochen soll, in Kooperation mit einer US-Firma, ein internationaler Software-Verlag dazukommen. Der Erfolg führte den jungen Mann, der inzwischen 75 Mitarbeiter beschäftigt, mit altem Kapital zusammen. Poliza nahm den Hamburger Verleger John Jahr gegen ein Eintrittsgeld von 3,1 Millionen Mark als Teilhaber auf. Sollte es mit dem Spaß irgendwann vorbei sein? Neuerdings träumt Poliza manchmal nachts von seiner Firma.
Der Computerhändler Michael Poliza *
[ "IBM" ]
Wirtschaft
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1985-08-11T13:00:00+02:00
1985-08-11T13:00:00+02:00
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Zum Tod von Ennio Morricone: The good, the bad, the genius
Ein Schaukelstuhl knarrt. Ein mechanischer Fernschreiber knattert. Ein Hund winselt. Fingerknöchel knacken. Wasser tropft erst patschend auf einen nackten Schädel und dann dumpf auf das Leder des Hutes. Eine Fliege summt erst frei, dann gedämpft im Lauf des Revolvers, mit dem sie eingefangen worden ist. In ihr Summen mischt sich das Pfeifen des Zuges und bricht plötzlich das ganze mechanische Getöse, mit dem er in den provinziellen Bahnhof im Wilden Westen einfährt. Sieben Minuten dauert die Eröffnungssequenz von "Spiel mir das Lied vom Tod" ("Once Upon A Time In The West", 1968). Sieben Minuten, in denen keine einzige Note erklingt. Und doch trägt die Tonspur, gleichberechtigt mit den Bildern der wartenden Killer, auf erzählerische und spielerische Weise zur Spannung der Szene bei - und zur Legende ihres Schöpfers, Ennio Morricone. Der erste Filmkomponist, der auch Geräusche zu komponieren verstand. Überhaupt war Ennio Morricone, der jetzt mit 91 Jahren gestorben ist, über Jahrzehnte der einzige Filmkomponist, dessen Name auch einem breiten Publikum geläufig war. Grund dafür war seine Arbeit für die populären Italowestern ("Für eine Handvoll Dollar") seines ehemaligen Klassenkameraden Sergio Leone. Das Gesicht des frühen Clint Eastwood ergibt ohne Morricone keinen Sinn.Barocke TragikWer sich ein Bild von seiner musikalischen Meisterschaft machen will, der lausche dem Titelthema von "Der Clan der Sizilianer" (1969). Für diesen Gangsterfilm mit Alain Delon und Jean Gabin verwendete Morricone ein Präludium für Orgel in a-Moll von Johann-Sebastian Bach, vier Noten nur aus seiner "Neunten", eigentlich nur ein Klavierübungsstück – und legte darüber zwei widerstreitende Melodien aus der sizilianischen Volksmusik. An der Oberfläche also erklingt der Konflikt der Gangstergruppen, als Unterströmung bleibt barocke Tragik spürbar. Große Oper. So groß, dass sie den Film dazu beinahe überflüssig macht.Lange hat Ennio Morricone als klassisch ausgebildeter Komponist für Chormusik und Instrumentalist (Trompete) darunter gelitten, beim Film nur "Sklave der Bilder" zu sein. Es war allerdings der Weg, den er 1953 – mit ersten Engagements fürs Theater und bald darauf für das Fernsehen – selbst eingeschlagen hatte. Dabei sah er sich eigentlich als Avantgardist. Sein Lehrer am Konservatorium von Santa Cecilia, Goffredo Petrassi, war Präsident der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik und beeinflusst von der Wiener Schule. Der Schüler selbst besuchte 1958 die "Darmstädter Ferienkurse", damals das Mekka der Neuen Musik. Hier wurden Webern und Schönberg zur Aufführung gebracht, hier unterrichteten John Cage, Edgar Varèse und Olivier Messiaen, prägend in Theorie und Praxis waren Figuren wie Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen. Morricone hörte zu, machte sich Notizen - arbeitete nach seiner Rückkehr in Italien aber auch als Arrangeur fürs Radio sowie leichte Pop-Unterhaltung. Er war frisch verheiratet, mit Maria Travia, seiner schärfsten Kritikerin. Und die Familie brauchte Geld, das mit Avantgarde schlechterdings nicht zu verdienen ist. Also schob der Handwerker den Künstler beiseite – und machte sein Handwerk. Erst seine Zusammenarbeit mit Sergio Leone und Bernardo Bertolucci ermöglichte es ihm, alle seine Interessen und Fähigkeiten zu bündeln.Erst Morricone erhob die Filmmusik zu einer Sprache von eigenem RechtSeine frühen Filmmusiken waren informiert über das Erbe, auf dem sie beruhten – und erweiterten die harmonischen Traditionen zugleich ins Populäre (E-Gitarre, Schlagzeug) wie ins Abstrakte. Er jubelte der tonalen Musik das Atonale unter, auch das Geräusch, und machte sie damit sperriger. Hier eine leere Quinte, dort eine summende Fliege. Eine Maultrommel. Eine Mundharmonika, absichtlich falsch gespielt. Melodien von Verdi, ergänzt um eine eigene Kantate ("1900") – die dann das Zeug dazu hatte, zur Hymne der spanischen Sozialisten zu werden. Bis zu Morricone war Filmmusik – mit wenigen Ausnahmen – so etwas wie ein akustischer Geschmacksverstärker. Um Stimmungen zu amplifizieren, bedienten sich die Komponisten meistens einer für ihre Zwecke vereinfachten Spätromantik. Hier Holst, da Wagner, dort Sibelius. Erst Morricone erhob die Filmmusik zu einer Sprache von eigenem Recht. Die Metaphorik des Klangs stand gleichberechtigt neben der Metaphorik der Bilder. Bei Morricone war Musik nicht mehr etwas, das den Bildern erst beim Schnitt zusätzlich beigemischt wurde. Lange experimentierten Sergio Leone und Morricone, wie sich dieses Verhältnis umkehren ließe. Oft komponierte er bereits auf Grundlage des Drehbuchs. Und bei "Spiel mir das Lied vom Tod" wurde den Schauspielern am Set die bereits fertige Musik auf Orchesterlautstärke vorgespielt – sie konnten gar nicht anders, als ihr Spiel dieser viszeralen musikalischen Regieanweisung zu unterwerfen. Leone nannte ihn "einen musikalischen Drehbuchautor". Dabei blieb Morricone zeitlebens ein demütiger Diener des Werks, für das er komponierte. Manchmal genügte es ihm, wenn ihm ein Regisseur sein Projekt nur schilderte. Nie arbeitete er am Klavier, immer am Schreibtisch seines Palazzo in Rom, bisweilen ganze Nächte hindurch – je nachdem, wie eilig es war. Wenn ihm beim Autofahren die Ideen kamen, fuhr er rechts ran und notierte sich die Partituren auf einem Zettel. Bis ins hohe Alter arbeitete er unermüdlich, weit mehr als 500 Filmmusiken werden es sein – darunter zahlreiche Klassiker des Kinos. Den Vorwurf "ernster" Komponisten, er stelle ja nur angewandte Gebrauchsmusik her, konterte der Meister mit Verweisen auf Bach, Telemann und Händel. Die hätten, zu ihrer Zeit, auch "Gebrauchsmusik" geschaffen. Und seine Fürsten waren eben nicht Fürst Leopold von Anhalt-Köthen, Herzog Johann Wilhelm von Sachsen Eisenach oder der Duke of Chandos – sondern Brian de Palma, Roman Polanski und Quentin Tarantino. Hollywood, wo er ebenfalls als "Maestro" und Legende galt, verwehrte ihm lange den offiziellen Ritterschlag. Einen Oscar für sein Lebenswerk erhielt er, sichtlich gerührt, erst 2007. Clint Eastwood übersetzte seine Dankesrede, sein Englisch hielt der Perfektionist für zu schlecht. Tatsächlich hatte der überzeugte Römer 2007 überhaupt erstmals Los Angeles besucht. Auch der späte Oscar für die Musik zu "The Hateful Eight" (Quentin Tarantino) sollte ihn mit seinem eigenen Anspruch versöhnen.Zuletzt brachte er in ausgedehnten Tourneen noch einmal seine größten Filmmelodien zur Aufführung. Es erklangen die Oboe aus "The Mission" und die Mundharmonika aus "Spiel mir das Lied vom Tod" – aber auch Morricones eigene Stücke, der wahre Schatz des Meisters. Dieses Eigene war vielleicht der Glutkern seines Schaffens. Absolute Musik, die nur ihr eigener Zweck ist, kein Mittel: "Musik, die durch nichts konditioniert ist", sagte er einmal, "die nur aus dem Willen des Komponisten entsteht". Inspiration existierte für ihn nicht. Nur Studium, Disziplin und Neugier. "Es existiert nur die Idee", erklärte er einmal, "eine winzige Idee, die der Komponist an seinem Schreibtisch entwickelt, und diese kleine Idee wird etwas Wichtiges".Ein wichtigerer Komponist hat das Kino nie beschenkt. Am Montagmorgen ist Ennio Morricone in Rom gestorben. Er wurde 91 Jahre alt.
Arno Frank
Er komponierte mit Geräuschen und verhalf der Filmmusik zu ihrem eigenen Glanz: Ennio Morricone beeinflusste die Kinogeschichte der vergangenen 60 Jahre maßgeblich. Ein Nachruf.
[ "Clint Eastwood", "Western", "Nachrufe" ]
Kultur
Musik
2020-07-06T14:12:03+02:00
2020-07-06T14:12:03+02:00
https://www.spiegel.de/kultur/musik/zum-tod-von-ennio-morricone-the-good-the-bad-the-genius-a-8c1d66e5-12fb-462b-a78b-871cbc1e726b
Kriminalromane: Eine äußerst ausgefallene Perversion
Stimmt schon, Klischees und Stereotype schränken uns oft ein und verengen unseren Blick auf die Welt. Aber mitunter geben sie uns auch Halt und Orientierung, vermitteln das Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit. Das gilt in Alltag und Literatur gleichermaßen. Keine literarische Figur ist klischeebesetzter als der Privatdetektiv: heruntergekommenes Büro, heruntergekommener Typ, schweres Alkohol- oder Drogenproblem, Misanthrop, nur wenige, ebenso verkorkste Freunde, keine Frau, bestenfalls eine Ex, und die eine oder andere Leiche im Keller. Kurz: eine vermurkste Existenz. Im Laufe der Ermittlungen taucht irgendeine Frau auf, er verliebt sich, es endet nicht gut. Mindestens zwei oder drei dieser Elemente sind in geschätzten 90 Prozent aller Detektivromane zu finden. Langweilig und voraussehbar? Im Gegenteil, zumindest wenn der Autor die Stereotypen geschickt zu nutzen und die Nuancen zu modellieren versteht. In "Jack Taylor fliegt raus" zeigt der Ire Ken Bruen wahre Meisterschaft darin: Jack Taylor ist, na klar, Ex-Bulle, ein heruntergekommener Typ, säuft wie ein Loch, seine wenigen Freunde sind ähnlich verkorkste Existenzen. Taylor, Ire, stur wie ein Esel, Cineast und Literaturliebhaber, soll den Tod eines jungen Mädchens aufklären, im Auftrag der Mutter. Für einen Moment blitzt so etwas wie Hoffnung und Zukunft auf, am Ende ist der Fall gelöst, doch das Leben des traurigen Helden keinen Deut besser. Bruen, Englischlehrer und in Metaphysik promoviert, erzählt seine bedrückende Reise in die dunkelsten Tiefen der irischen Seele in wunderbar lakonischer, höchst eigenwilligen Sprache und mit staubtrockenem Humor. Der Comicautor Warren Ellis ("Transmetropolitan", "The Authority") schickt seinen Privatdetektiv McGill in "Gott schütze Amerika" auf eine wahnwitzige Reise tief hinein in den amerikanischen Altraum: Michael McGill, seines Zeichens Pechmagnet, heruntergekommener Typ in heruntergekommenem Büro, bekommt von der Regierung den Auftrag, ein altes Buch zu suchen: eine zweite, geheime Niederschrift der amerikanischen Verfassung, durch dessen besondere Kräfte der moralische Verfall der Gesellschaft rückgängig gemacht werden soll. Bei seiner Suche watet McGill bis zum Hals in den Kloaken des modernen Amerikas, er trifft auf einen heroinsüchtigen Stabschef und eine ganze Legion Perverse: Bodybuilder, die sich Salzwasser in die Hoden Spritzen, Makroherpetophile, eine äußerst ausgefallene Perversion, die den Traum von Sex mit Godzilla beinhaltet, hochrangige Anwälte und Politiker, die russisches Sex-Roulette mit infizierten Mädchen spielen und einen pervers-debilen reichen Texaner, der ins Capitol einziehen will und nachts nackt Rinder erwürgt. Eine dreckige, obszöne, wunderbar durchgeknallte Groteske. Don Winslows Detektiv will auf den ersten Blick nicht so recht ins Raster passen: Boone Daniels ist leidenschaftlicher Surfer mit Ermittlerlizenz, er lebt in Pacific Beach, surft mit seinen Freunden, schaut auf die Wellen, liestDostojewski und arbeitet nur, wenn das Geld für die Miete knapp wird. Seinen neuen Fall, die Suche nach einer verschwundenen Stripperin, will er zunächst nicht annehmen: Eine Monsterwelle rollt auf die Küste zu, die Welle seines Lebens. Bis zu ihrem Eintreffen muss die Stripperin gefunden und Boone auf dem Wasser sein. Doch Daniels kommt Menschenhändlern auf die Spur, die Pädophile mit kleinen mexikanischen Mädchen versorgen. Der Fall lässt den Detektiv nicht mehr los, vor Jahren, als er noch Polizist war, konnte er ein kleines Mädchen nicht aus den Fängen eines pädophilen Entführers retten. Seit diesem traumatischen Ereignis ist Boone Daniels nicht mehr derselbe, er hat den Job bei der Polizei quittiert und letztlich auch seine Beziehung zu der schönen Surferin Sunny. "Pacific Private" ist mehr als ein grandioserKrimi: Winslows Roman reißt den Leser mit wie die Monsterwelle die Surfer von Pacific Beach, er ist schnittig erzählt, brilliert mit eigenwilligen, facettenreichen Figuren und erzählt uns ganz nebenbei noch die Geschichte des Surfens, die soziologische Entwicklung an den kalifornischen Strände. Drei Bücher, die das Klischee Privatdetektiv leuchten lassen.Ken Bruen: "Jack Taylor fliegt raus".  Aus dem Englischen von Harry Rowohlt. Atrium Verlag; 302 Seiten; 16 Euro.Warren Ellis: "Gott schütze Amerika".  Aus dem Englischen von Conny Lösch. Heyne Verlag; 304 Seiten; 7,95 Euro.Don Winslow: "Pacific Private". Aus dem Englischen von Conny Lösch. Suhrkamp Verlag; 9,95 Euro.
Jörg Böckem
Kaum eine literarische Figur wirkt so schablonenhaft wie er: Der Privatdetektiv ist in den meisten Büchern chaotisch, unglücklich verliebt und alkoholabhängig, eine vermurkste Existenz. Drei Autoren variieren das Klischee eindrucksvoll - bis hin zum Traum von Sex mit Godzilla.
[ "KULTUR SPIEGEL-Tageskarte Buch", "Fjodor Michailowitsch Dostojewski", "Kriminalromane", "KULTUR SPIEGEL-Tageskarte" ]
Kultur
Literatur
2009-08-24T08:46:34+02:00
2009-08-24T08:46:34+02:00
https://www.spiegel.de/kultur/literatur/kriminalromane-eine-aeusserst-ausgefallene-perversion-a-644251.html
ESC 2023: »Unser Lied für Liverpool« wird auch über TikTok gesucht
Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat die Bewerbungsphase für den deutschen Beitrag zum Eurovision Song Contest (ESC) eröffnet. Bis zum 28. November können sich Sängerinnen und Sänger sowie Bands mit ihren Songs per Video bewerben.Bei den Musikstilen setzt der NDR keine Grenzen. Allerdings werden ausdrücklich Kombinationen aus Song und Interpretation gesucht, also keine Kompositionen ohne dazugehörigen Gesang und auch keine Gesangstalente ohne passendes Lied. Einreichungen sind über die ARD-Seite Eurovision.de  möglich, aber in diesem Jahr auch über TikTok. Unter dem Hashtag #UnserLiedFürLiverpool können sich dort Interessierte bewerben. Die aussichtsreichsten Songs auf der sozialen Plattform, die den ESC-Richtlinien entsprechen, werden nach NDR-Angaben noch einmal zur Abstimmung gestellt. »Wer bei TikTok gewinnt, ist direkt beim Vorentscheid dabei«, verspricht der Sender. TikTok ist en vogue in ESC-Kreisen: Der Brite Sam Ryder, der mit dem Song »Space Man« 2022 Zweiter wurde, verdankte seine Bekanntheit dem Netzwerk. Allerdings hatte auch der deutsche Teilnehmer 2021, Jendrik, kräftig bei TikTok für sich getrommelt – heraus kam ein enttäuschender 25. Platz. ARD-Popradios wieder involviertAus allen Bewerbungen auf TikTok oder der sendereigenen Plattform sucht ein von der ARD benanntes »Team aus Fachleuten« die Acts für den Vorentscheid aus. Zu diesem Team gehören nach NDR-Angaben »beratend Expertinnen und Experten aus der Musikbranche, der deutschen ESC-Delegation, der internationalen ESC-Welt sowie der ARD-Popradios«. Wie viele Acts in den Vorentscheid kommen, wird erst nach Sichtung aller Beiträge festgelegt. Speziell die Mitwirkung der ARD-Popradios hatte 2022 für Kritik in ESC-Fankreisen gesorgt: Die Teilnehmenden am Vorentscheid wirkten nach »Radiotauglichkeit« ausgewählt und weniger nach größtmöglicher Wirkung beim internationalen ESC-Finale. Malik Harris’ Titel »Rockstars« bekam zwar viel Airplay, belegte aber bei den europäischen Fernsehzuschauerinnen und -zuschauern den letzten Platz. Den Wettbewerb in Turin gewann im Mai der ukrainische Beitrag, doch die Europäische Rundfunkunion (EBU) reichte die Organisation der ESC-Show wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine an den Zweitplatzierten weiter. Die BBC entschied sich dafür, die Show am 13. Mai 2023 in Liverpool auszurichten. Der deutsche Vorentscheid »Eurovision Song Contest 2023 – Unser Lied für Liverpool« ist für Anfang März mit einer Show geplant. Deren genauer Ablauf soll erst später bekannt gegeben werden, aber auf Eurovision.de heißt es zumindest: »Dann entscheidet sich per Televoting, wer Deutschland beim ESC in Großbritannien vertreten wird.« Im Vorfeld werden die ARD-Popradios ihre Hörer und Hörerinnen einladen, über ihren Lieblings-Act online abzustimmen. Das Ergebnis fließe beim Vorentscheid in die Gesamtwertung mit ein, heißt es.Andreas Gerling, Chef des ARD-Teams für den ESC beim NDR, betont pflichtgemäß die Bedeutung, die man dem Wettbewerb zumesse: »Und wir treten an, um vorn mitzuspielen. Wer sich also zutraut, mit hoher Qualität Deutschland musikalisch wieder nach vorn zu bringen, ist uns herzlich willkommen.« Der ARD-Unterhaltungskoordinator freut sich »auf einen hoffentlich sehr bunten, sehr spannenden Wettbewerb«.
feb
Der NDR hat über den Auswahlmodus für den deutschen Beitrag zum Eurovision Song Contest 2023 informiert. Im März gibt es eine Show mit Televoting. Mindestens ein Act wird sich mit seinem Song via TikTok qualifizieren.
[ "Eurovision Song Contest", "ARD", "NDR" ]
Kultur
TV
2022-11-09T13:29:33+01:00
2022-11-09T15:41:00+01:00
https://www.spiegel.de/kultur/tv/esc-2023-unser-lied-fuer-liverpool-wird-auch-ueber-tiktok-gesucht-a-2abae96b-6972-493d-9ef7-27b128ead3d5
Donald Trump droht der Nato und lobt Wladimir Putin: Operation Abrissbirne
Donald Trump hasst es zu reisen. Auch seinen Trip nach Brüssel, wo der Nato-Gipfel am Mittwoch und Donnerstag stattfindet, hält der US-Präsident möglichst knapp: ein Tag, zwei Nächte, dann schnell weiter zum Kurzbesuch nach Großbritannien, wo er die Londoner Proteste aber tunlichst meiden und die meiste Zeit auf seinem Golfkurs verbringen wird. Der anschließende Abstecher nach Helsinki, wo Trump am Montag den russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen will, ist mit kaum 24 Stunden sogar noch knapper angesetzt. Insgesamt verbringt Trump also nicht mal eine Woche fern der Heimat.Die kurze Reise wirft lange Schatten: Wird Trump, wie schon beim G7-Gipfel in Kanada, die bisher von den USA geführte Nachkriegsordnung weiter untergraben? Wird seine "Wrecking-Ball-Präsidentschaft" ("New Yorker" ) nun auch zur Abrissbirne für die westliche Allianz? Zumal die drei Etappen der Tour plötzlich thematisch so eng verflochten sind. Nato und EU sind in Aufruhr, Großbritannien steckt in der Brexit-Krise und in einer zweiten Krise um die - mutmaßlich russischen - Giftangriffe auf britischem Boden. Und Putin? Der freut sich über all diese Risse im Westen. Dass Trump ihn ganz zum Schluss besucht, nach den womöglich turbulenten Nato-Szenen, beunruhigt die Verbündeten am meisten. Trumps Berater bemühen sich derweil zuzusichern, dass Amerika sich weder von ihnen abwende noch Putin zuwende. Kay Bailey Hutchison und Jon Huntsman, Trumps Botschafter bei der Nato und in Moskau, betonten demonstrativ die "Einheit" der Allianz und den kollektiven Verteidigungsauftrag. Trump werde bei Putin - natürlich - "die böswilligen Aktivitäten Russlands" ansprechen, von der Ukraine bis zur Wahleinmischung. Das Problem: Trump sieht diese Dinge offenbar ein wenig anders. Im engsten Kreis erwog er angeblich sogar einen teilweisen Rückzug aus der Nato, finanziell wie militärisch. "Ich werde der Nato sagen: Ihr müsst langsam eure Rechnungen zahlen", rief er vergangene Woche in Montana, vor grölenden Fans, denen das Wesen der Nato-Finanzierung fremd ist. "Die Vereinigten Staaten werden sich nicht um alles kümmern." Und: "Putin ist gut. Er ist gut. Wir sind alle gut." Trumps Reise "wird Amerikas globale Führungsrolle entweder wiederherstellen oder beenden", prophezeite die ehemalige Vizeaußenministerin Victoria Nuland in der "New York Times" . Seit Wochen wettert Trump gegen die Alliierten, gegen die er einen Handelsstreit begonnen hat. Die Europäische Union sei "schlimmer als China", sagte er, und die Nato "so schlimm wie Nafta". Das ist das nordamerikanische Freihandelsabkommen, das er aufgekündigt hat. Einer gewinnt - also muss auch einer verlieren Nato, Nafta, EU, G7 - Für Trump scheint es da erstaunlich geringe Unterschiede zu geben: "unfair", "zocken uns ab", "lachen über uns" - so lauten einige Einschätzungen. Historische Verpflichtungen ignoriert der Präsident, für ihn zählt die gleiche Nullsummenrechnung wie in der Immobilienszene: Wenn einer gewinnt, muss ein anderer verlieren. Trumps Lieblingskritik an der Nato : Die anderen Mitgliedstaaten knauserten mit den Rüstungsausgaben - zulasten der USA. Dieses platte Motto testete er schon 1987 an, in Zeitungsanzeigen kurz nach der Rückkehr von seinem ersten Moskau-Besuch. Es prägt seine Weltsicht bis heute. "Die USA geben weit mehr für die Nato aus als sonst ein Land", twitterte er am Montag und legte am Dienstag nochmals nach: "Die USA zahlen ein Vielfaches mehr als jedes andere Land, nur um sie zu beschützen. Nicht fair für den amerikanischen Steuerzahler." Trump tut, aus Unkenntnis oder vorsätzlich, als gehe es um Mitgliedsbeiträge und nicht den Anteil der Rüstungskosten am Bruttoinlandsprodukt, mit dem die Nato-Partner ihren Einsatz quantifizieren. Auch scheint Trump deren strategische Ausrichtung nicht zu teilen. Beim Gipfel will die Nato neue Schritte gegen Russlands Aggressionen beraten. Die meisten Trump-Berater und die US-Geheimdienste schätzen das ähnlich ein, sie sehen die jüngsten Schritte Russlands als Bedrohung an. Nur Trump geht mit Putin übervorsichtig um. Was plant Trump im Vier-Augen-Gespräch mit Putin?Das wäre an sich schon sonderbar genug. Doch von jemandem, dessen Beraterzirkel im Verdacht steht, gemeinsam mit den Russen die jüngsten US-Wahlen manipuliert zu haben, und der nach Meinung von Ex-Agenten sogar selbst kompromittiert sein könnte, ist das umso erschreckender. Selbst im Weißen Haus gibt man sich irritiert, dass Trump angeblich darauf beharrt, Putin in Helsinki unter vier Augen zu sprechen, ohne Berater, die mitschreiben und notfalls eingreifen. Auch soll er Putin Konzessionen angeboten haben, wie die "Washington Post" berichtet . Details sind nicht bekannt, doch im bisherigen Zeitplan ist für das Treffen auffällig wenig Zeit reserviert. Niemand weiß, was Trump wirklich bewegt. Auch Ex-Sicherheitsberater H.R. McMaster rätselte über die Putin-Affinität seines damaligen Chefs: "Der Präsident glaubt, dass er Putins Freund sein kann", zitierte die "Washington Post" ihn. "Warum, weiß ich nicht." McMaster wurde im April gefeuert - kurz nachdem Trump das Putin-Treffen erstmals angeregt hatte.
Marc Pitzke
US-Präsident Trump bricht zum Nato-Gipfel in Brüssel auf, anschließend trifft er sich mit dem russischen Präsidenten Putin in Helsinki. Trumps Absichten sind unklar: Wird er die westliche Allianz weiter untergraben?
[ "Nato", "Donald Trump", "Wladimir Putin", "USA", "Russland", "Brüssel", "Montana" ]
Ausland
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2018-07-10T13:03:00+02:00
2018-07-10T13:03:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-trump-droht-der-nato-und-lobt-wladimir-putin-operation-abrissbirne-a-1217555.html
Alles ruck, zuck
Seit einiger Zeit mißfällt dem Hamburger Jung-Unternehmer Karl Heinz Zinselmeyer der Drang zur Selbständigkeit: »Heute holt sich jeder, der fünf Mark in der Tasche hat, den Gewerbeschein.« Zinselmeyer selbst hat sich vor drei Jahren den Gewerbeschein besorgt und eine Firma namens »Charly's Kurier« aufgemacht. Andere, und das stört ihn, sind auf die gleiche Idee gekommen: Überall in Ballungsgebieten schossen solche Dienstleistungsunternehmen aus dem Boden. In Köln etwa gibt es unter anderem den »BotenSchnellDienst«, in München den »Mini-Expreß«, in Nürnberg den »Tele-Kurier«, in Berlin die »Funktransporte Ulrich Stern«. Allein in Hamburg sind derzeit rund 20 Firmen in jenem Gewerbe tätig, das in der Behördensprache »genehmigungsfreier Güternahverkehr« heißt. Die Kuriere bringen für Photographen Filme zur Entwicklung und für Hausfrauen Fernsehapparate zur Reparatur. Sie werden von Rechtsanwälten mit Geld zur Gerichtskasse geschickt und von Dental-Labors mit Gebissen zu Zahnärzten. Das geht schneller als die Post und ist billiger als ein Taxi. Die neue Dienstleistungsbranche blühte auf, »seit sich die Taxis mit ihren Preisen das Geschäft vermasselt haben«, sagt Frank Fliether, der seit einem Jahr in Hamburg »Die Funk-Piloten« - derzeit 27 Wagen - ausschwärmen läßt. Im Schnitt fahren die motorisierten Boten 20 bis 30 Prozent billiger als Taxis. Firmen und Freiberufler, die in der flauen Konjunktur schärfer rechnen müssen, schwenken mehr und mehr zu den Kurierdiensten um. »Unsere Branche gewinnt von der Rezession«, weiß Erhart Wilisch, Chef der Hamburger Firma »Der Kurier«. Wilisch, promovierter Volkswirt und gelernter Marketing-Mann, fing zusammen mit einem Kompagnon im Mai 1979 an - mit neun Wagen. Heute dirigiert er 133 Fahrer, die, wie in der Branche üblich, mit eigenem Wagen und auf eigene Rechnung arbeiten. 530 Mark im Monat zahlen sie an die Zentrale, die ihnen die Aufträge per Funk übermittelt. Bevor Wilisch seinen Job bei Reemtsma aufgab, hat er das neue Gewerbe in New York und Los Angeles studiert. In amerikanischen Millionenstädten sind Botendienste weit verbreitet. In New York sausen Kuriere auch auf Fahrrädern und Rollschuhen durch das Verkehrsgewühl. Der Hamburger Newcomer hätte sich auch im eigenen Land informieren können. Schon 1969 wurde in Frankfurt der »Funk-Boten-Kurierdienst« gegründet, der erste in der Bundesrepublik. Der Frankfurter Branchenführer hat mittlerweile 200 Wagen. Schier unerschöpflich scheint der Bedarf an fixen Boten. Mal muß einer in München schnell Hühner in ein Filmstudio bringen, mal in Hamburg einem Kapitän nach Cuxhaven nachfahren, S.118 weil der seine Schiffspapiere vergessen hat. »Nur«, erläutert der Chef von »Charly's Kurier«, »alles muß ruck, zuck gehen.« Mit Schnelligkeit werben auch jene Kurierdienste, die Sendungen über die Landesgrenzen transportieren. Sie garantieren ihren Kunden, Dokumente und Päckchen von der Bundesrepublik in einem Tag etwa nach San Francisco oder Johannesburg zu bringen; nach Sydney oder Rio de Janeiro dauert es zwei Tage. Eine Firma etwa, die am nächsten Morgen um neun Uhr ihren Vertragsentwurf in New York haben muß, kann noch am Abend zuvor, um sechs Uhr, ihr Päckchen beispielsweise bei der Firma XP an einem deutschen Flughafen abgeben. Das wird dann schleunigst nach Paris gebracht und mit der »Concorde« in die USA geflogen. Preis: 125 Mark. Die holländische XP Express Parcel Systems ist neben der amerikanischen DHL seit Jahren in der Bundesrepublik als internationaler Kurier tätig. XP hat, nach eigenen Angaben, im letzten Jahr ihren Umsatz in Deutschland verdoppelt. Anscheinend muß so vieles so eilig transportiert werden, daß sich neben den beiden etablierten Gesellschaften XP und DHL in diesem Jahr zwei weitere internationale Kuriergesellschaften in der Bundesrepublik niedergelassen haben: die australische »Sky Pack« und die kanadische »TNT«. Daß mit Schnell-Transporten Geld zu verdienen ist, beherzigen schon seit Jahren die Manager der Lufthansa und der anderen großen Fluggesellschaften. Innerhalb Deutschlands wie auch im internationalen Verkehr können kurz vor Abflug eilige Sendungen als Luftfracht aufgegeben werden. Neuerdings möchte auch der größte deutsche Verkehrsbetrieb an dem offenbar lukrativen Frachtgeschäft teilhaben. Ab 1. Dezember wird die Bundesbahn einen eigenen Kurierdienst starten. Intercity-Züge nehmen dann Dokumente wie Päckchen - etwa Arzneimittel und Blutkonserven - mit. Angeblich noch eine Minute vor Abfahrt können die Päckchen, höchstens zehn Kilo schwer, aufgegeben werden. Der Zugschaffner verstaut sie in seinem Dienst-Abteil. Der Bahn-Beamte braucht allerdings nicht zu befürchten, daß es in seinem Abteil eng werden könnte. Abschreckende Preise halten den Andrang in Grenzen: Der Einheitstarif für den Bahn-Kurier-Dienst beträgt 100 Mark, unabhängig von der Strecke und dem Gewicht des Päckchens. Ein Halbes-Kilo-Päckchen per Intercity von München nach Nürnberg zu schaffen, würde den Bahnkunden mithin 100 Mark kosten. Für den gleichen Preis befördern DHL-Kuriere das Päckchen von München nach New York, inklusive Zollabfertigung und Zustellung.
Weil die Post zu langsam und das Taxi zu teuer ist, etablieren sich in Großstädten Kurierdienste. An das Geschäft will sich jetzt auch die Bundesbahn anhängen.
[ "Bundesrepublik", "München", "Hamburg", "DHL" ]
Wirtschaft
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1982-10-24T13:00:00+01:00
1982-10-24T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/alles-ruck-zuck-a-01785e1d-0002-0001-0000-000014352254?context=issue
A Turkey-Israel Clash at Davos: Erdogan's Feeling for Rage
There are plenty of stories making the rounds in Turkey about Prime Minister Recep Tayyip Erdogan's rage. The son of a sailor from Istanbul's working class neighborhood of Kasimpasa who made it all the way to the top of the Turkish government, Erdogan has always been a bit of a Kabadiyi, a ruffian or hothead. He is someone who never avoids a fight -- whether it be on the streets, on the football pitch or now, years later, in politics. This political leader has never made much of an effort to keep his exuberant temper in check. Quite the opposite in fact. "Anger is an art of rhetoric," Erdogan once said in a TV interview in response to a question about his character. "This idea of showing the other cheek -- we don't have that. I am not some kind of patient sheep." This is why Turks either love him or hate him. Mostly they admire him and never more so than after his performance at the World Economic Forum in Davos on Thursday. It was here that Erdogan, with a particular feeling for the mood in his country, didn't mince his words during a debate with Israeli President Shimon Peres. He called the recent Israeli operation in the Gaza Strip a "crime against humanity" and "barbaric." He said a "curse" would fall on Israel for their actions during the 22-day military operation and then stalked out of the session after complaining that the moderator was not giving him the chance to respond to Peres. In a meeting with the United Nations General Secretary Ban Ki-moon he even called for Israel to be excluded from the UN. There is hardly a leader in the Muslim world, apart from the Iranian president, who has spoken out so harshly on this issue. And while Turkey has never seen so many people out on the streets in support of the Palestinians, now suddenly demonstrators cross the Arab world are also carrying images of Erdogan. It is likely that the popularity of the "Hero of Gaza," as some Turkish newspapers are describing Erdogan, will now grow after his Davos appearance. His supporters greeted him as the "Hero of Davos" and the "Conquerer of Davos" on his return to the Atatürk Airport in Istanbul. So many people had gathered here during the night to welcome back Erdogan and his wife Emine that the traffic around the airport ground to a halt. The Islamic newspaper Vakit described Erdogan's fit of rage as an "Ottoman slap in the face for Israel," but even the moderate Yeni Safak was describing the event as "historic." The Takvim newspaper was happy that "Davos is over," while the CNN Türk network passed on the good wishes of the Palestinian ambassador in Ankara. "I did not target at all in any way the Israeli people, President Peres, or the Jewish people," Erdogan told a news conference later on Thursday. "We had an exchange of views, and the views are views," Israeli President Shimon Peres said on Friday. Nevertheless, observers in both countries believe the incident has brought relations between Ankara and Jerusalem to a low point. The countries are displeased with each other -- and it didn't just start with Erdogan's latest failures, said one high-ranking Israeli government official. The main issue is the entire political line of Erdogan's AKP government, which has no qualms about taking up contact with Iran as well as Hamas, which Turkey views as a "legitimate dialogue partner." Did Erdogan unleash a genie in a bottle that he can't get back in?Not long ago, American Jewish organizations warned Erdogan about growing anti-Semitism in Turkey, which is a popular holiday destination for Israelis. "Hatred against Jews has been expressed in front of the Israeli embassy. Our Jewish friends in Turkey feel threatened," they wrote in an open letter to Erdogan. "Turkey is already risking its position as a neutral mediator," says the former Turkish Ambassador to the US Inal Batu. And Onur Öymen, vice chairman of the left-wing Kemalist opposition party CHP, goes even further. He claims Erdogan "acted like a spokesman for an organization that is classed as terrorist" and that he has "ruined the international prestige of Turkey." Critics claim Erdogan may have been motivated by upcoming municipal elections in Turkey in March. Sharp words against Israel are always popular with AKP's deeply religious core voters. In fact, the only group that swears by the elite project of a "strategic partnership" with the Jewish state is the secular Turkish army and the circles that support it.This cooperation is set to continue despite Thursday's outburst. "We need one another," says Ozgur Hisarcikli of the German Marshall Fund in Ankara. "The Israelis are far too pragmatic to lose their most important Muslim allies," he says. "And the Turks need Israeli weapons." It was a pity, therefore, that Erdogan could not have made his criticism in slightly more diplomatic tones. For Hisarcikli it is regrettable that he used the "spirit of Kasimpasa." "Many of us are ashamed of him." But that's not how his supporters feel. They even set up a Web site for him on Friday called "Conquerer of Davos," ( www.davosfatihi.com ), in which he is depicted with his hand on his heart and his gaze looking toward the Turkish flag. That is just how they love him.
Daniel Steinvorth
The Turks know that their Prime Minister Recep Tayyip Erdogan is something of a hothead. Critics warn that his fit of rage at the World Economic Forum has damaged Turkey's important relationship with Israel. Erdogan's supporters are jubilant and are even celebrating the "Hero of Davos" with a fan Web site.
[ "Turkey", "Recep Tayyip Erdogan" ]
International
World
2009-01-30T18:38:00+01:00
2009-01-30T18:38:00+01:00
https://www.spiegel.de/international/world/a-turkey-israel-clash-at-davos-erdogan-s-feeling-for-rage-a-604650.html
»Die Phantasie ist verkrüppelt«
Die vollbusige Dame im geblümten Jackenkleid zieht sich noch einmal die kirschroten Lippen nach. Dann stöckelt sie an den grinsenden Sicherheitsbeamten vorbei auf den Amtssitz des Präsidenten zu. Kurz vor dem Eingang hält sie inne, blickt in die Kamera und frohlockt: »Er ist mein Held. Ich liebe diesen Mann.« Kokett schlägt sie die falschen Wimpern nieder. Der Angebetete, Südafrikas erster schwarzer Präsident Nelson Mandela, empfängt Evita Bezuidenhout, eine Kunstfigur, in die sich der Kabarettist Pieter-Dirk Uys, 49, verwandelt. Als Buren-Lady Evita führt er im privaten TV-Sender M-Net die neuen starken Männer und Frauen des Landes vor. Uys ging bereits mit dem Generalsekretär des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), Cyril Ramaphosa, Forellen angeln. Er besuchte mit dem kürzlich verstorbenen Kommunistenführer und Wohnungsbauminister Joe Slovo ein Fitneßcenter, ließ sich von der indischstämmigen Parlamentspräsidentin Frene Ginwala in einen Sari hüllen und tanzte Tango mit Entwicklungsminister Jay Naidoo. Das Gespräch, das Südafrikas bekanntester Satiriker mit Nelson Mandela führte, geriet zum harmlosen Plausch über die Arbeitslast des Staatsoberhauptes, übers Plätzchenbacken, über Enkelkinder und Gartenarbeit. Am Ende des Tete-a-tete versicherten sich Präsident und Kabarettist ihrer gegenseitigen Bewunderung. Evita zu Nelson: »Sie sind mein Idol.« Nelson zu Evita: »Sie sind mein Idol.« Hat die politische Wende am Kap den für seinen beißenden Spott geschätzten Kabarettisten zum Jubler verkommen lassen? »In den Zeiten der Apartheid war es für mich viel einfacher«, gesteht Uys, der in den siebziger Jahren seine Karriere als Stückeschreiber begann, »die Bösen saßen in Regierung und Parlament, die Guten saßen im Knast. Da war es leicht, die richtigen Themen zu finden.« Sie auch auf die Bühne zu bringen war schon schwieriger. Die meisten Uys-Dramen wurden wegen »Obszönität, Unmoral und Blasphemie« von der Zensurbehörde zumindest zeitweilig verboten. Schon deswegen mußte er Evita Bezuidenhout erfinden, jene burische Ministergattin, die mit zickiger Naivität den Hochmut der weißen Herrenmenschen entlarvte. Doch was tut Evita Bezuidenhout ohne die Perversitäten der Rassentrennung? »Ich werde mich nicht zur Ruhe setzen«, verspricht Uys, »jetzt haben wir endlich Meinungsfreiheit, aber noch haben wir keine Meinung.« Der Künstler, Sohn eines burischen Vaters und einer aus Nazi-Deutschland geflohenen Jüdin, will »den Guten, die jetzt an der Macht sind«, eine Schonzeit von einem Jahr gewähren. »Die ist jedoch«, grinst Uys, »schon bald vorbei. Und Stoff gibt es mehr als genug.« Die Schaffenskrise des Kabarettisten ist symptomatisch für die südafrikanische Kulturszene. Sängern, Poeten, Schauspielern, Malern, die ihre Kunst in erster Linie als Waffe im Befreiungskampf einsetzten, ist der Gegner verlorengegangen. Nach dem Zusammenbruch des Unrechtssystems existiert das verhaßte, aber auch gepflegte Feindbild nicht mehr. Im Union Building von Pretoria regiert seit neun Monaten Mandela. Im Kabinett sitzen ehemalige Guerrilla-Führer, Folteropfer und politische Gefangene. Die Vertreter des alten Regimes, mit denen der ANC die Macht teilt, haben sich angepaßt; mehrheitlich sind sie heute lammfromme Wendehälse mit verdrängter Vergangenheit. Protestpoeten wie Mzwakhe Mbuli bringen zwar ganze Fußballstadien in den Townships in Rage. Doch seine in Rapper-Art vorgetragenen Lobgesänge auf die Helden des Anti-Apartheid-Kampfes sind um so vergänglicher, je mehr bei den schwarzen ANC-Wählern die Begeisterung für die neue Regierung schwindet. Südafrikas international bekanntester Dramatiker und Regisseur Athol Fugard sieht sich schon als »Relikt im Apartheid-Museum«. Der weltweit gefeierte Autor ("Die Insel«, »Meister Harold und die Jungs") hat sich immer wieder in seinen Stücken mit den politischen und sozialen Defekten Südafrikas beschäftigt. »Es gibt wohl keine andere Gesellschaft, in der Politik eine solche Rolle spielt wie in unserer«, so Fugard, »wir reden, denken, träumen, leben Politik.« Dennoch versteht sich Fugard, 62, nicht als »politischer Autor«, sondern als »Geschichtenerzähler«. 1994, im Jahr der südafrikanischen Wende, brachte er kein neues Drama auf die Bühne, sondern veröffentlichte sanftmelancholische Kindheitserinnerungen. Seine früheren Stücke über Unterdrückung und Widerstand, über Verrat und Versöhnung inszenierte er oft selbst im Johannesburger Market Theatre, einer Hochburg kritischer Kunst am Kap. Die Geschichte des Theaters ist bereits Legende: Eine Gruppe junger Künstler ("The Company") übernahm 1975 das zum Abbruch vorgesehene Gebäude des alten indischen Gemüsemarkts im Zentrum Johannesburgs. Bereits bei der Eröffnung, wenige Tage vor dem Schüleraufstand von Soweto im Juni 1976, erschien die Polizei: »The Company« verstieß gegen die Gesetze, weil nicht nur das Ensemble, sondern auch das Publikum schwarz-weiß gemischt war. Die Krönung der Unmoral: Es gab nur zwei Toiletten, eine für Männer und eine für Frauen. Das soeben eröffnete Theater sollte gleich wieder geschlossen werden. »Unsere Rettung war eine Bestimmung aus dem Jahre 1936, die Obst- und Gemüsehändlern unterschiedlicher Rassen Zugang zur Markthalle gewährte«, erinnert sich John Kani, »unsere Anwälte übertrugen diese Ausnahmegenehmigung auf Schauspieler und Publikum.« Kani, seit kurzem Direktor des Market Theatre und seit Beginn als Schauspieler dabei, war immerhin Südafrikas erster schwarzer Othello ("in diesem Land eine Revolution"). Das Theater mußte noch 1982 von Sicherheitskräften mit Hunden geschützt werden, weil weiße Rassisten gedroht hatten, die Bühne zu stürmen. Der Grund: In Strindbergs »Fräulein Julie« strich der schwarze Darsteller Kani der weißen Schauspielerin Sandra Prinsloo über die nackten Schenkel. Mit Musicals wie »Sophiatown«, »Sarafina«, mit den Stücken Athol Fugards und anderer einheimischer Autoren, vor allem aber mit zahlreichen Tourneen wurde die Truppe um Kani in aller Welt bekannt. »Unsere Bühne«, sagt Theaterleiter Kani selbstbewußt, »war nicht nur die Geburtsstätte des modernen Dramas in Südafrika, sondern auch ein enorm wichtiger Hebel für die Veränderungen in diesem Land.« Jetzt - knapp ein Jahr nach den Wahlen vom April 1994 - ist das Programm eher seicht und verspielt: Die südafrikanische Popsängerin P. G. Powers imitiert die amerikanische Rock-Ikone Janis Joplin; ein Gesangsquartett singt die Ohrwürmer von Simon & Garfunkel nach. Sind den kritischen Künstlern Südafrikas die Themen ausgegangen? »Wir müssen die dramatische Wende erst verdauen«, sagt Kani, »das Theater steht an einem Scheideweg, und wir wissen nicht genau, wo es langgeht.« Noch gebe es kein einziges Gegenwartsstück, das die Veränderungen widerspiegelt. Das Market Theatre ermutigt junge Autoren in seiner Werkstattbühne zum Experimentieren mit Stücken, die »nicht nur politisch korrekt, sondern auch unterhaltend« sein sollen. Das Ziel, so Kani, sei eine neue südafrikanische Kunst, die Unterschiede widerspiegeln soll, ohne zu diskriminieren: »Laßt uns herausstellen, wie verschieden wir sind. Laßt uns entdecken, wie ähnlich wir uns sind. In diesem Land ist Raum für klassisches Ballett genauso wie für Zulu-Tänze.« Doch zwischen Stücken wie »Schwanensee« und dem »Gumboot Dance« der schwarzen Minenarbeiter liegen Welten. In kaum einem Land ist die Kluft zwischen Arm und Reich - am Kap identisch mit Schwarz und Weiß - größer. Die Bewohner der riesigen Blechhütten-Städte und die Bürger in den vornehmen, mit Alarmanlagen gesicherten Villen verbindet nichts - auch nicht die Kunst. Nach jahrzehntelanger kultureller Isolation lud Südafrika jetzt Künstler aus aller Welt ans Kap: Vorige Woche begann in Johannesburg eine Biennale, auf der Teilnehmer aus 60 Ländern die »Entkolonisierung der Köpfe« diskutieren wollen. »Die Apartheid hat die Kultur gleich mehrfach kastriert«, sagt der Schriftsteller Albie Sachs. Die Rassentrennung habe »nicht nur die Mehrheit der Bevölkerung von dem ausgeschlossen, was man gemeinhin Kunst nennt. Apartheid hat Schwarze und Weiße soweit entfremdet, daß wir nichts mehr voneinander wußten, ja uns gegenseitig haßten. Apartheid hat unsere Phantasie verkrüppelt«. Als der ANC-Aktivist Sachs 1990 nach 24 Jahren Exil in seine Heimat zurückkehrte, besuchte er ein Sinfoniekonzert in der Kapstädter Stadthalle. »Nichts hatte sich verändert. Es war wie zu der Zeit, als ich das Land verließ«, erzählt er, »das Orchester war vollständig weiß, das Publikum fast vollständig.« Auch im Staatstheater von Pretoria - einem monströsen Betonbau im Zentrum der Stadt - ist das Publikum in der Regel weiß. Nur wenn die aus der Verbannung heimgekehrte Sängerin Miriam Makeba oder der Pianist Abdullah Ibrahim (früher Dollar Brand) auftreten, kommen plötzlich schwarze Gäste ins Haus. Südafrikas größtes und hoch subventioniertes Theater stelle sich um, beteuert Vize-Direktor Hannes Horne. Schon die Hälfte des Personals (insgesamt 800 Angestellte) sei nicht mehr weiß. »Früher galten wir als Symbol der Burenmacht«, sagt Horne, »aber die Zeiten haben sich total gewandelt.« Vor allem das veränderte Programm auf fünf kleineren Bühnen verschafft dem Staatstheater ein neues, schwarzes Publikum. Hier werden afrikanische Autoren, zum Beispiel Bessie Head oder Walter Chakela, aufgeführt. Eine hauseigene Reisebühne bringt die Inszenierungen sogar per Lkw in die Schulen, Stadien und Gemeindesäle der Townships. Die Stars des südafrikanischen Jazz hatten aus dem Exil heraus für Mandelas ANC geworben. Bei ihrer Rückkehr nach Südafrika wurden die Heimkehrer vom Publikum auf großen Konzerten gefeiert, die so schöne Namen trugen wie »Healing Concert« oder »Tour of Hope«. Von Heilung und Hoffnung sprechen sie heute nicht mehr. Der Trompeter Hugh Masekela ist verbittert: »Second-hand-Neger sind wir und mehr nicht. Unsere eigenen Kinder schwärmen nur noch für Hip Hop und Rap. Die kennen uns gar nicht.« Tatsächlich sind viele der Musikgrößen in den USA und in Europa bekannter als in der eigenen Heimat. Der »weiße Zulu« Johnny Clegg, der mit seiner Band Savuka traditionelle afrikanische Rhythmen mit modernem Rock verbindet, stand in Frankreich auf den Hitlisten. In Südafrika spielt er meist in kleinen Sälen. Ähnlich ergeht es der Literaturnobelpreis-Trägerin Nadine Gordimer, deren Bücher in Berlin bekannter sind als in Kapstadt. »Das Apartheid-Regime war verdammt erfolgreich«, grollt Jazz-Musiker Masekela, »die weißen Rassisten haben uns nicht nur versklavt, sie haben uns auch unsere Tradition und unsere Kultur kaputtgemacht. Wer in Johannesburg aus dem Flugzeug steigt, könnte glauben, er käme in Wien oder Hannover an. Was wir brauchen, ist eine afrikanische Renaissance.« Masekela kämpft mit einer Musiker-Initiative für die »Wiederbelebung« afrikanischer Musik in den Medien. Slogan: »Local is lekker.« Ende Januar marschierten die Musiker im Protest gegen die Übermacht »westlicher Kultur« zum Gebäude des staatlichen Rundfunks und Fernsehens in Johannesburg und forderten »Quoten für einheimische Musiker«. »Mayibuye i-Afrika« (Komm zurück, Afrika), rufen Anhänger des ANC auf Beerdigungen und politischen Massenveranstaltungen. Schwarze Intellektuelle in Johannesburg, Kapstadt oder Durban - die meisten von ihnen sind längst in die weißen Vororte gezogen - diskutieren derzeit unablässig das Thema Euro- und Afrozentrismus in der neuen Kultur Südafrikas. »Wir müssen unsere Hirne, Herzen und Seelen entkolonisieren«, fordert Pitika Ntuli, »die Gesetze der Apartheid sind abgeschafft, aber es wird Jahrzehnte dauern, bis wir von der Herr-Knecht-Mentalität loskommen.« Der Schriftsteller, Bildhauer und Historiker Ntuli, der an der englischen Universität von Middlesex afrikanische Kunst lehrte, ist der erste schwarze Professor in der Fakultät für Bildende Künste an der Johannesburger Witwatersrand-Universität. Ntuli fordert eine schwarze Kulturrevolution: »Physisch leben wir - Weiße wie Schwarze - in Afrika. Doch unsere Hirne und unsere Seelen hausen irgendwo in Europa oder den USA«, sagt er. »Wir müssen uns alle aus der intellektuellen westlichen Gefangenschaft befreien. Nur dann können wir eine neue Kultur schaffen.« Von der Mandela-Regierung erhofft sich der Kunstprofessor und ANC-Aktivist allerdings wenig Hilfe beim Aufbau einer neuen südafrikanischen Kultur. Die künstlerischen Aktivitäten des ANC erschöpfen sich zur Zeit darin, »irgendwelche Kommissionen zu bilden«. Aber keiner weiß genau, wozu die dienen. Am wenigsten wissen es die neuen Kulturbürokraten. Das Ministerium für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Technologie in Pretoria teilen sich Ben Ngubane von der Zulu-Partei Inkatha und Nelson Mandelas ehemalige, korruptionsverdächtige Frau Winnie - »ein Platz, auf dem zwei problematische Politiker nicht viel Unheil anrichten können«, urteilte die Johannesburger Sonntagszeitung The New Nation. »Von oben kann doch nichts Gutes kommen«, sagt die Schauspielerin Gcina Mhlophe. Weil ihr beim politischen Theater »zuviel Viva« geschrien wurde, gründete sie - mit Hilfe eines schwedischen Mäzens - »Zanendaba«, eine Werkstatt für Märchenerzähler. Mhlophe beruft sich auf afrikanische Traditionen und hat Erfolg: »Wir können uns vor Anfragen kaum retten.« Auch das »Soweto String Quartet« fühlt sich diesen Traditionen verpflichtet. Die vier klassisch ausgebildeten Musiker aus Südafrikas größter Schwarzensiedlung spielen auf Hochzeiten und Beerdigungen, in Konzertsälen und sogar beim Wirtschaftsgipfel in Davos. Zwischen Schubert und Brahms schieben sie Shosholoza ins Programm, ein populäres Xhosa-Lied. »Wir haben an Beethoven genausoviel Spaß wie an afrikanischer Musik«, sagt Sandile Khemese, der Chef des Quartetts. In der Debatte über westliche Einflüsse in der Kunst gibt es auch andere Stimmen, die vor allzu einseitiger Ausrichtung warnen: »Was wäre Südafrika für ein trauriges Land, wenn wir nicht mehr Bach hören dürften«, sagt der Autor Albie Sachs, »wir brauchen weder Eurozentrik noch Afrozentrik, sondern Humanzentrik.« Über seinen jüngsten Essay schrieb er schlicht: »Black is beautiful. Brown is beautiful. White is beautiful.« Y
Nach dem Ende der Apartheid stecken Künstler und Intellektuelle in einer Identitätskrise: Der Feind, das Buren-Regime, ist ihnen abhanden gekommen. Nun suchen sie nach neuen Themen und ästhetischen Formen. Doch woher soll die Anregung kommen, aus Europa und den USA oder aus der afrikanischen Tradition?
[ "Europa", "Johannesburg", "USA", "Südafrika", "ANC" ]
Politik
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1995-03-05T13:00:00+01:00
1995-03-05T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/die-phantasie-ist-verkrueppelt-a-b2171180-0002-0001-0000-000009158829?context=issue
Aston Martin V8 Vantage Roadster: Feine englische Art
"Power, Beauty, Soul" – diese drei Worte erscheinen auf dem kleinen Bildschirm im Cockpit, sobald die Zündung des Aston Martin V8 Vantage Roadster eingeschaltet wird. Zugleich schimmert rotes Licht durch den Startknopf aus Kristallglas. Ein Fingerdruck reicht aus, um zu kapieren, was es mit dem Wort Power auf sich hat. Denn wenn der 4,3-Liter-Achtzylinder erwacht, klingt das Grummeln aus dem Motorraum wie ein fernes Gewitter, und noch ohne einen Meter gefahren zu sein ahnt man, was gleich kommen wird: Furioser Vortrieb. Das mit der Beauty leuchtet auch ein, denn der Wagen sieht umwerfend aus. Aus keiner Perspektive aggressiv oder arrogant, aus keinem Blickwinkel fad oder uninspiriert. Dies ist ein rundum eleganter, harmonischer, sportlicher Roadster – und das gilt auch dann noch, wenn die Elektrohydraulik das vom deutschen Hersteller Edscha entwickelte Stoffverdeck über den Innenraum gestülpt hat. Kein Auto für die Massen Und Soul? Nun ja, Seele ist ein großer Begriff für ein Auto, Aston Martin allerdings auch eine außergewöhnliche Marke. Zum Beleg hier ein paar Daten aus der mittlerweile 93-jährigen Firmengeschichte: Sieben Mal war das Unternehmen schon bankrott, und ebenso oft waren neue Geldgeber zur Stelle. Die Jahresproduktion betrug bisweilen nur wenige Dutzend Fahrzeuge – insgesamt wurden lediglich rund 35.000 Aston-Martin-Automobile gebaut. Doch inzwischen wird am neuen Firmensitz in Gaydon in Warwickshire in anderen Dimensionen gerechnet. Vor sieben Jahren begann die neue Phase. Damals erklomm Ulrich Bez den Chefsessel bei Aston Martin. Bez, zuvor bei Porsche, BMW und Daewoo aktiv, verpasste dem Unternehmen, dessen Puls kaum noch zu spüren war, eine Intensivbehandlung. Wo möglich, nutzte er Synergien im großen Ford-Konzern, zu dem Aston Martin seit 1987 gehörte. Eine neue Fahrzeugarchitektur namens VH wurde entwickelt, die frischen Modelle DB9 und später V8 Vantage auf die Räder gestellt – beide übrigens mit offenen Zwillingen, dem DB9 Volante und dem jetzt gerade vorgestellten V8 Vantage Roadster.Die Therapie schlug an. Die neuen Autos ernteten Lob – und gewannen das Vertrauen der Kunden. Aston Martin kam wieder zu Atem, im vergangenen Jahr wurden gut 7000 Modelle produziert und in Deutschland 498 Modelle neu zugelassen; damit ließen die Briten bereits Maserati (453 Neuzulassungen) hinter sich und sind Bentley (525 Neuzulassungen) dicht auf den Fersen. Erst vor wenigen Tagen trennte sich Ford von einem Großteil seiner Aston-Martin-Anteile, die neuen Besitzer sind der englische Rennsportunternehmer David Richards, der US-Bankier John Sinders und zwei kuwaitische Investmentgesellschaften. Zweisitzer mit Rockstar-Sound"Jetzt", sagt der alte und neue Chef Ulrich Bez, der gerade mit einem neuen Fünf-Jahres-Vertrag ausgestattet wurde, "können wir viel flexibler wachsen, souveräner agieren und dennoch auf die Ressourcen des Ford-Konzerns zurückgreifen." Sinnbild für die neue Freiheit des Unternehmens ist das frische Auto. Ein ebenso schlicht wie raffiniert designter Zweisitzer, der sich überaus rasant fahren lässt und dabei eine Selbstverständlichkeit an den Tag legt wie ein guter Butler. Das Fahrverhalten des prima ausbalancierten Roadsters ist erstaunlich neutral, die Lenkung vermittelt einen sahnigen Kontakt zur Straße, der V8-Motor hält ordentlich Schmalz bereit. Das Tollste an diesem Auto aber ist die Gesamtwirkung aus sportlichem Fahrvermögen, stilvollem Ambiente und erfrischenden Kleinigkeiten: die Metallperle als Kofferraumöffner, die gegenläufig rotierenden Zeiger der Cockpitinstrumente, die originellen Drucktasten des Automatikgetriebes auf der Armaturentafel. Und über allem hängt ein faszinierender V8-Klang. Voluminös und dunkel bei niedrigen Drehzahlen, fauchend wenn es es schneller wird und brüllend wie ein Rocksänger bei mehr als 5000 Touren. "Ich liebe es, mit dem Gaspedal wie mit einem Klangregler zu agieren", sagt Firmenchef Bez. Es gibt nur wenige andere Autos, die ebenso schön und zugleich seriös klingen. Denn vulgäres Aufheulen oder Kreischen ist dem Briten fremd. Das Gesamtkunstwerk Aston Martin V8 Vantage Roadster hat nur einen Fehler: es ist, wie eigentlich alle Sportwagen, ein völlig unzeitgemäßes Auto. Der durchschnittliche Benzinverbrauch liegt bei glatten 15 Litern, der CO2-Ausstoß bei 358 g/km. Da gibt es keine Argumente mehr außer jenem, dass dies ja kein Massenmobil ist, sondern in vergleichsweise verschwindend geringer Stückzahl produziert wird. "Und dann werden solche Autos ja auch viel seltener und über kürzere Strecken gefahren, als etwa eine Familienlimousine", sagt Bez.Es gibt noch einen Grund, warum Autos wie sie Aston Martin baut, nicht nur nach ihrem CO2-Ausstoß beurteilt werden sollten: Es ist nämlich einfach schön, wenn Multikulturalität auf den Straßen herrscht und echte Typen aus dem Masseneinerlei hervorragen. Artenvielfalt in der Automobilwelt ist vielleicht auch ein Wert an sich.
Jürgen Pander
Das Timing hätte besser nicht sein können. Kaum war bei Aston Martin der Besitzerwechsel unter Dach und Fach, präsentierten die Briten in Südfrankreich einen neuen Roadster. Das Auto soll das nächste Kapitel der noch jungen Erfolgsgeschichte der Marke schreiben.
[ "Aston-Martin-Modelle" ]
Mobilität
Fahrberichte
2007-03-23T12:13:55+01:00
2007-03-23T12:13:55+01:00
https://www.spiegel.de/auto/fahrberichte/aston-martin-v8-vantage-roadster-feine-englische-art-a-472833.html
Fighting the Nuclear Shutdown: German Reactor Operators Weigh Legal Action
Chancellor Angela Merkel's announcement came quickly. Just days after the massive earthquake and resulting tsunami crippled several nuclear reactors at the Fukushima facility in northeastern Japan, she announced animmediate, three-month shutdown  of Germany's oldest reactors pending strict safety checks. "If in a highly developed country like Japan, a country with high safety standards and safety requirements, nuclear consequences from an earthquake and a tsunami can't be prevented," she said, "this has consequences for the whole world, it has consequences for Europe and it has consequences for us in Germany."Increasingly, it looks as though the temporary shutdown may become permanent. Several center-right German politicians,including Merkel herself on Monday , have indicated a profound change of heart when it comes to nuclear power. And on Tuesday, her coalition partners in Berlin, the business-friendly (and formerly atomic energy-friendly) Free Democrats (FDP) said they hoped that eight German reactors would be permanently taken offline. But the schedule for such a shutdown may be up to the courts to decide. According to information obtained by SPIEGEL, German energy giants RWE and E.on are looking into legal measures to block any permanent order. Deadline ApproachingRWE lawyers say stock ownership laws leave them little option but to file for damages, according to SPIEGEL's information. The deadline for complaints is approaching; they must be filed with authorities by the second week in April. Politically, however, things appear to be moving more quickly. "My view of nuclear energy has been changed by events in Japan," Merkel said on Monday. "We simply cannot go back to business as usual."On Tuesday, FDP General Secretary Christian Lindner said his party was in favor of making the temporary shutdown -- of Germany's seven reactors built prior to 1980 -- permanent. The party would also like to see the problem-plagued Krümmel reactor, which went into operation in 1984, taken permanently offline. Germany would then be left with nine functioning reactors.Even Horst Seehofer, the head of the Christian Democrats -- the Bavarian sister party to Merkel's Christian Democrats (CDU) -- has distanced himself from nuclear power in recent days. "People are going to watch closely to see if actions now follow our words," he said at a party meeting on Monday. 'We Have Understood'Whileconcern  over the nuclear catastrophe in Fukushima fueled Merkel's shutdown order two weeks ago, this week's political flight from atomic energy is the direct result of Sunday elections in Baden-Württemberg and Rhineland-Palatinate. In both states, the environmentalist -- and anti-nuclear --Green Party   made large gains. By contrast, the CDU and FDP, which pushed through an extension of reactor lifespans last autumn, did poorly. "That was a vote over the future of atomic energy," said FDP leader Guido Westerwelle, who is also Germany's foreign minister, in a standard interpretation of the election results. "We have understood." Merkel's government in Berlin is currently rushing to come up with a long-term energy plan that relies less on nuclear energy. And talks have begun between state governments and the four companies in Germany which operate nuclear plants: Vatenfall, E.on, RWE and EnBW. The negotiations promise to be difficult. Legal action could slow the process even further. But this week, the results desired in Berlin have become increasingly clear. "Now, it is time to show," said Environment Minister Norbert Röttgen, "that we can quickly extract ourselves from reliance on nuclear energy."
cgh -- with wire reports
Following the center-right election debacle in state votes on Sunday, Chancellor Angela Merkel's government is moving to make the temporary shutdown of seven aging nuclear reactors permanent. But she may encounter stiff resistance from plant operators.
[ "Nuclear Phase-Out", "Nuclear Power", "Energy", "Fukushima Nuclear Catastrophe", "Angela Merkel", "German State Elections" ]
International
Germany
2011-03-29T17:47:14+02:00
2011-03-29T17:47:14+02:00
https://www.spiegel.de/international/germany/fighting-the-nuclear-shutdown-german-reactor-operators-weigh-legal-action-a-753903.html
WAGEN UND WERK
Vier deutsche Automobilmarken schlossen sich im Jahre 1932 in Sachsen zur Auto Union zusammen. Ihre Namen: DKW, Wanderer, Horch und Audi. Ihr Emblem: vier verschlungene Ringe. Die Vereinigten wurden neben der Daimler-Benz AG Deutschlands angesehenste Automobilbauer. Ihre Rennerfolge, speziell die Siege ihrer von Professor Ferdinand Porsche entwickelten Heckmotor-Rennwagen unter Fahrern wie Bernd Rosemeyer, Hans Stuck und Tazio Nuvolari, trugen ihnen Weltruhm ein. Nach dem großdeutschen Zusammenbruch war auch die Auto Union geteilt. Während Walter Ulbrichts Automobil-Manager mit Hilfe der im sächsischen Zschopau verbliebenen Konstruktionspläne und Produktionsmaschinen den Zweitakt-Wagen Ifa-DKW (später: Wartburg) auf die Räder stellten, etablierte sich die westdeutsche Auto Union in Ingolstadt und in Düsseldorf. Von ihren vier Marken ließ sie nur DKW aufleben und baute fortan keine Viertakter mehr. Trotz bläulicher Duftfahnen aus ihren Zweitakt-Motoren eroberten Autos und Motorräder der Marke DKW einen beachtlichen Marktanteil. 1956 verkaufte die Auto Union für 450 Millionen, sechs Jahre später bereits für 812 Millionen Mark.Schon 1958 hatte Friedrich Flick, der die Auto Union seit Mitte der fünfziger Jahre kontrollierte, die später ganz nach Ingolstadt übergesiedelte Firma der Daimler-Benz AG als Tochterunternehmen angeschlossen. Doch auch die Untertürkheimer konnten nicht verhindern, daß sich die zunächst so ersprießlich anmutende Ertragslage ihrer Ingolstädter Tochter von 1963 an rapide verschlechterte. Immer weniger Käufer mochten sich für die verschleißanfälligen Zweitakt-Autos entschließen, der Auto-Union-Umsatz sank auf 675 Millionen (1963) und 531 Millionen Mark (1965). Flick stieß das unrentable Unternehmen Ende 1964 für 296 Millionen Mark an VW-Chef Heinrich Nordhoff ab. Nordhoff ernannte zu seinem Ingolstädter Statthalter Rudolf Leidmg, 52, zuvor Leiter des VW-Zweigwerks Kassel. Leiding krempelte den ganzen Betrieb um und organisierte die Fertigung straff nach Wolfsburger Muster. Nacheinander stellten die neuen Werksherren die Produktion sämtlicher Personenwagen mit Zweitakt-Motoren, 11, F12, F1O2, ein und ließen in Ingolstadt statt dessen Volkswagen vom Fließband rollen. Insgesamt waren van der Auto Union seit 1949 bis dahin 987351 Zweitakt-Autos (und 144422 Teilesätze) gebaut worden. Einziger überlebender DKW-Zweitakter ist der Geländewagen Munga, von dem die Auto Union 43000 Stück baute, 31 000 an die Bundeswehr lieferte (Kaufwert: rund 300 Millionen Mark) und heute noch etwa ein Dutzend pro Tag produziert. Gleichzeitig forcierten die Wolfsburger die Serienreife eines neuen Modells der Auto Union. Vom Typ F 102 übernahmen sie das modifizierte Blechkleid und das Frontantrieb-Prinzip, das DKW im Jahre 1931 in den deutschen Automobilbau eingeführt hatte. Das geeignete Triebwerk fanden sie ebenfalls schon vor: einen von Mercedes-Benz entwickelten Viertaktmotor -- wegen seines besonderen Verbrennungsverfahrens Mitteldruckmotor genannt -- mit 1,7 Liter Hubraum.Im September 1965 begann die Produktion des nach der alten Auto-Union-Marke Audi benannten Neulings. Er wurde auf Anhieb ein Erfolg. 1966 baute das Werk 67248 Audis und 31 303 Teilesätze (sowie 83774 Volkswagen). Der Umsatz stieg um rund 15 Prozent auf 577 Millionen Mark, und das Unternehmen warf nach Jahren der Dürre erstmals wieder Gewinn ab. Bald konnte das genesende Unternehmen auch Käuferwünschen folgen und auf 80 sowie 90 PS verstärkte Audi-Typen zusätzlich anbieten. Der Exportanteil, Ende 1965 nur 20 Prozent, schnellte bis zum Frühjahr 1967 auf 40 Prozent hoch. Rund 11 000 Auto-Union-Werker, die als einzige VW-Angehörige im Werk Bier trinken dürfen, bauen pro Tag rund 300 Audis (davon über die Hälfte vom Typ Super 90) und rund 300 Volkswagen.Technische Daten: Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor im Bug; Vorderradantrieb; Hubraum: 1696 ccm; Leistung: 72 PS bei 5000 Umdrehungen pro Minute; vollsynchronisiertes Vierganggetriebe mit Lenkradschaltung; Länge: 4,38 Meter; Breite: 1,63 Meter; Höhe: 1,46 Meter; Höchstgeschwindigkeit: 148 Kilometer pro Stunde; Beschleunigung von null auf 100 km/h: etwa 14,0 Sekunden; Kraftstoffverbrauch etwa 9,9 Liter Super-Benzin auf 100 Kilometer. Preise: Audi 72 PS, zweitürige Limousine 7390 Mark, viertürig 7690 Mark; Audi 80 (Hubraum 1696 ccm, 80 PS) zweitürig 7690 Mark, viertürig 7990 Mark, Kombiwagen Variant 8295 Mark, Audi Super 90 (Hubraum 1760 ccm, 90 PS) zweitürig 8390 Mark, viertürig 8690 Mark. Stahlschiebedach 360 Mark.
[ "Volkswagen", "Audi" ]
Politik
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1967-04-30T13:00:00+01:00
1967-04-30T13:00:00+01:00
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Supreme-Court-Entscheidung: Marchionne hält an Fiat-Einstieg fest
Turin/Washington - Es sind beruhigende Signale vom Fiat-Chef: Sergio Marchionne hält auch nach der Entscheidung des Obersten US-Gerichts gegen einen raschen Einstieg bei Chrysler an dem angestrebten Geschäft fest. "Das ist lediglich ein Aufschub", sagte ein Sprechers des italienischen Autobauers am Dienstag auf Anfrage. Marchionne warte die Entwicklung ab und Fiat sei entschlossen, auch über die gesetzte Frist des 15. Juni daran festzuhalten. "Wir werden von dieser Vereinbarung niemals Abstand nehmen, wir werden geduldig sein und abwarten", hatte Marchionne erklärt. Der Supreme Court hatte den Verkauf am Montag "bis auf weitere Anordnung" ausgesetzt. Richterin Ruth Bader Ginsburg teilte am späten Abend mit, die Anweisung des Insolvenzverwalters zum Einstieg von Fiat bei Chrysler sei aufgehalten - bis zu weiteren Anweisungen ihrerseits oder des Gerichts. Damit behalten sich die obersten Verfassungshüter eine Anhörung zum Thema vor. Das oberste US-Gericht billigte damit einen Antrag mehrerer staatlicher Fonds aus Indiana, die gefordert hatten, den Verkauf zunächst zu blockieren, um Zeit für einen Revisionsantrag zu gewinnen. Ein Berufungsgericht hatte am Freitag die Klagen der Fonds abgewiesen, ihnen aber eine Frist bis Montagnachmittag eingeräumt, in die nächste Instanz zu gehen. Die US-Regierung reichte daraufhin an diesem Montag einen Gegenantrag ein und forderte, den Verkauf nicht weiter zu verzögern. Sie warnte davor, das Verfahren zu blockieren - es drohten "schwere Konsequenzen". Chrysler zufolge drängt die Zeit. Der Autobauer hatte den Verkauf wesentlicher Unternehmensteile an Fiat bereits Ende vergangener Woche abschließen wollen. Sollte das Geschäft bis zum 15. Juni nicht abgewickelt sein, hat der italienische Autokonzern die Möglichkeit, von der Übernahme Abstand zu nehmen. Vor der Entscheidung des Gerichtes hatte Chrysler erklärt, mit jedem weiteren Tag Verzögerung 100 Millionen Dollar zu verlieren. Fiat und Chrysler hatten den Einstieg Anfang Mai vereinbart. An der neuen Unternehmensgruppe soll Fiat zunächst 20 Prozent halten, ab 2013 ist eine Mehrheitsbeteiligung vorgesehen. Chrysler hofft, durch Fiat den Markt für kleinere, benzinsparende Autos zu erobern. Zwei Pensionsfonds für Polizisten und Lehrer in Indiana sowie ein staatlicher Bauprojektfondsgehen gegen die Vereinbarung mit Fiat vor, weil sie sich schlechter gestellt sehen als andere Gläubiger von Chrysler. Sie zweifeln außerdem daran, dass die Staatshilfen für den Detroiter Konzern verfassungskonform zustande gekommen sind. Chrysler steht bei den Pensionsfonds mit 42 Millionen Dollar in der Kreide. Nach dem Sanierungsplan, dem 92 Prozent der Gläubiger zustimmten, sollen die Geldgeber nur etwa 29 Cent für jeden Dollar zurückbekommen, den Chrysler ihnen schuldet. US-Medienberichten zufolge wären die Einbußen der klagenden Indiana-Pensionsfonds jedoch deutlich geringer als das: Sie hätten die Chrysler-Schuldpapiere erst im Juli vergangenen Jahres mit massiven Abschlägen gekauft, und zwar zu 43 Cent auf einen Dollar Nominalwert. Insgesamt schuldet der Autobauer privaten Gläubigern knapp sieben Milliarden Dollar. Sie sollen insgesamt nur zwei Milliarden Dollar zurückbekommen. Das Gläubigerschutzverfahren hatte am 30. April begonnen. Es gilt auch als Testlauf für den ebenfalls insolventen General-Motors-Konzern. Chrysler hat 38.000 Beschäftigte in den USA und 54.000 weltweit. Auch Verbrauchergruppen und mehrere Einzelpersonen haben Eilanträge an die Gerichte eingereicht. Sie wenden sich gegen eine Bestimmung in der Vereinbarung mit Fiat, der zufolge das neue Unternehmen von aktuellen wie künftigen Garantieansprüchen für Autos freigestellt würde, die vom bisherigen Chrysler-Konzern gebaut wurden.
mik/dpa/AP
Der Stopp der Chrysler-Verkaufs an den Fiat-Konzern versetzt die US-Regierung in helle Aufregung - denn die Italiener könnten eine Ausstiegsklausel nutzen, wenn die Klärung nicht schnell erfolgt. Doch Fiat-Chef Sergio Marchionne beruhigt: Er will auf jeden Fall an dem Geschäft festhalten.
[ "Krise der Autoindustrie 2008/09", "Fiat", "Chrysler", "Sergio Marchionne", "Indiana" ]
Wirtschaft
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2009-06-09T13:10:13+02:00
2009-06-09T13:10:13+02:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/supreme-court-entscheidung-marchionne-haelt-an-fiat-einstieg-fest-a-629445.html
Sonde fürs Auge
Der Erlanger Anatom Richard Funk hat eine optische Sonde ("Endoskop") entwickelt, mit der erstmals das Innere des Auges direkt untersucht werden kann. Der etwa einen Millimeter starke Endoskopiestab trägt in seinem Innern Lichtleitungen aus Fiberglas und eine leistungsstarke Optik. Wird die Sonde vom Rande des Auges her in den Augapfel eingeführt, so ermöglicht das Endoskop Bilder mit bis zu 500facher Vergrößerung aus dem Augeninneren; auch können, wenn der Endoskopiestab um den Augapfel herumgeführt wird, Aufnahmen von krankhaften Veränderungen gewonnen werden. Noch befindet sich die Augensonde in der Erprobung; denkbar sind, wie der Forscher der Universität Erlangen erklärte, viele Anwendungen in der Diagnose von Augenkrankheiten und bei Augenoperationen.
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Wissenschaft
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1991-12-01T13:00:00+01:00
1991-12-01T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/wissenschaft/sonde-fuers-auge-a-cb5b9806-0002-0001-0000-000013491281?context=issue
Stasi-Vorwürfe: Boßdorf kommt mit Abmahnung davon
Köln - An eine vorzeitige Beendigung des bis 31. März 2007 bestehenden Vertragsverhältnisses mit Hagen Boßdorf sei beim derzeitigen Erkenntnisstand nicht gedacht, entschieden die ARD-Intendanten heute einstimmig aufeiner Sitzung in Köln. Sie beauftragten aber ARD-Programmdirektor Günter Struve, "arbeitsrechtliche Konsequenzen" zu ergreifen. Gemeint ist damit eine Abmahnung. WDR-Intendant Fritz Pleitgen bezeichnete die Abmahnung als "ziemlich starkes Instrument". "Da darf jetzt nicht mehr viel kommen", stellte er klar.Boßdorf hat zudem den ARD-Vorsitzenden Thomas Gruber gebeten, ihn von seinen Aufgaben im Rahmen der Berichterstattung über die am Freitag beginnenden Olympischen Winterspiele in Turin und derkommenden Tour de France zu entbinden, "um der ARD weitereöffentliche Diskussionen zu ersparen". Diesem Wunsch wurde nach Angaben des Senders stattgegeben. Bis März 2007 solle sich Boßdorf ausschließlich auf seineTätigkeit als Sportkoordinator konzentrieren. Das ist gut für das Amt der Sportkoordinators und gut für den Sport in der ARD", stellte Struve fest. Boßdorf wird eine Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit vorgeworfen. Die Veröffentlichung neuer Stasi-Akten hatte bereits dazu geführt, dass Boßdorf nicht wie vertraglich vereinbart zum NDR-Sportchef berufen wurde. ARD-Vorsitzender Gruber hatte zu den Vorgängen ein Gutachten des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin angefordert. Dessen Ergebnisse sowie eine hierzu vorliegende persönliche Stellungnahme des Sportkoordinators sind nach Senderangaben bei der Intendantensitzung ausführlich diskutiertworden. Dabei sei festgestellt worden, dass die von Boßdorf bei seiner Berufung zum Sportkoordinator im Jahr 2002 erteilten Auskünfte unvollständig gewesen seien. Dies hätten die Intendanten ausdrücklich missbilligt."Was Hagen Boßdorf von sich aus hätte sagen können, hat er nicht gesagt", kritisierte Struve. "Er hat den Zeitpunkt zu einer rechtzeitigen Stellungnahme verpasst", ergänzte Pleitgen. Offenbar sei der Journalist falsch beraten gewesen. Auch in Zukunft werde die ARD bei Mitarbeitern unter Stasi-Verdacht jeweils im konkreten Einzelfall entscheiden. Boßdorf erklärte laut ARD, er bedauere, dass die ARD durch ihn in die Diskussion über seine Vergangenheit geraten sei. Er habe sich für seine abqualifizierenden Äußerungen gegenüber Marianne Birthler, der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, zwischenzeitlich entschuldigt, hieß es weiter. Nach Angaben von Pleitgen gibt es "nicht den geringsten Hinweis, dass durch Boßdorf andere Menschen zu Schaden gekommen oder Lebenswege anders als geplant" verlaufen sind. Auch sei Boßdorf "kein willenloser Gefolgsmann der DDR-Systems gewesen." Er werde innerhalbder ARD sehr geschätzt. Viele Kollegen hätten sich für ihneingesetzt. Deshalb werde Boßdorf nach Ablauf des Vertrages als Sportkoordinator auch ein Comeback als Reporter oder Moderator versuchen dürfen, "wenn alles stimmt", wie Pleitgen betonte. Nathalie Waehlisch, Markus Peters, ddp
Der wegen seiner ungeklärten Stasi-Vergangenheit in die Kritik geratene ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf bleibt auch weiterhin Angestellter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Sender erteilte heute lediglich eine Abmahnung.
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Kultur
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2006-02-07T18:26:56+01:00
2006-02-07T18:26:56+01:00
https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/stasi-vorwuerfe-bossdorf-kommt-mit-abmahnung-davon-a-399597.html
Bewusst unterm Messer
SPIEGEL: Wie oft werden Patienten bei vollem Bewusstsein operiert?Wang: Internationalen Studien zufolge ist das bei jeder 1000. bis 500. Operation der Fall. Das heißt, dass täglich mehrere Patienten in England oder Deutschland ihre Operation bewusst und womöglich unter Schmerzen miterleben. SPIEGEL: Warum werden solche Narkosezwischenfälle während der Operation nicht erkannt?Wang: Die Patienten können sich nicht bewegen und Zeichen geben, weil sie Mittel erhalten, die die Muskeln vollkommen entspannen. Das ist wichtig für den Chirurgen, sonst kann er nicht ruhig arbeiten.SPIEGEL: Ein Anästhesist merkt nicht, ob der Patient wirklich betäubt ist?Wang: Nein. Es gibt Daten über Patienten, bei denen der Herzschlag und der Blutdruck völlig normal waren. Demzufolge hätten sie also in tiefer Narkose liegen müssen. Und doch waren sie wach während der Operation und haben alles miterlebt. SPIEGEL: Sie haben eine Technik getestet, bei der der Unterarm mit einer Manschette von der Blutzufuhr und damit vom Narkosemittel abgeschnitten ist. Die Patienten können dadurch während der Operation zumindest eine Hand bewegen ... Wang: Ja. Und dann haben wir die Patienten über Tonband aufgefordert, die Finger zu bewegen. Bei gynäkologischen Eingriffen etwa haben - trotz Vollnarkose - 44 Prozent der Patientinnen reagiert. Hinterher hat sich keine der Frauen daran erinnert. Das hängt damit zusammen, dass viele der verwendeten Narkosemittel die Abspeicherung des Erlebten im Gedächtnis verhindern - ähnlich wie K.-o.-Tropfen, die Vergewaltigungsopfern in den Drink gemischt werden. SPIEGEL: Welche psychischen Folgen hat es, eine OP wach mitzuerleben?Wang: Viele Patienten klagen über wiederkehrende Alpträume. In anderen Fällen entwickeln sie Panikattacken, die vor allem in der Nacht auftreten oder wenn sie sich zum Schlafen hinlegen wollen.
Michael Wang, 50, klinischer Psychologe an der University of Leicester, über Wachheitserlebnisse bei Operationen
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Wissenschaft
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2006-02-05T13:00:00+01:00
2006-02-05T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/wissenschaft/bewusst-unterm-messer-a-bb4c38a5-0002-0001-0000-000045774402?context=issue
Sie haben das rechte Wort gefunden
Ein neuer Lenin-Orden fälligIn Paris herrschte Aufbruchstimmung. In den Hotelzimmern der UN-Delegationen wurden mit vorweihnachtlichem Eifer Koffer gepackt.Währenddessen ging im Palais Chaillot am Ufer der Seine die letzte Szene der diesjährigen Vollversammlung über die Bühne der Vereinten Nationen. Mit dramatischem Knalleffekt. Von Andrej Januarjewitsch Wyschinski war nichts anderes zu erwarten. Der Anwalt des Sowjetstaates, Hauptdelegierter seines Landes, unternahm in der Debatte über die Erklärung der Menschenrechte einen massiven Vorstoß zugunsten der historischen Reputation Adolf Hitlers. Nicht dieser, so erklärte Wyschinski, habe in überwiegendem Maße den Krieg verursacht. Schuld daran seien vielmehr die Führer Frankreichs und Englands gewesen. Mit Unterstützung der USA.Diese These ist im anti-imperialistischen Repertoire nicht neu. Neu war lediglich die Offenheit, mit der sie vor dem UNO-Weltforum ausgesprochen wurde. Aber schließlich gehören Hemmungen einer allzu feinfühligen bürgerlichen Etikette nicht zu den Schwächen der Sowjet-Diplomaten. Am allerwenigsten zu denen des einstigen Moskauer Staatsanwalts Wyschinski. Den Beweis blieb der Vertreter Molotows und Kreml-Diplomat Nr. 2 während seines dreimonatigen Auftretens auf der UNO-Vollversammlung nicht schuldig. Beispielsweise in der Griechenland-Debatte vor der Politischen Kommission.Dort fiel er trotz verzweifelter Ermahnungen des Präsidenten Spaak mit Ausdrücken wie »Dreigroschengeneral«, »Windbeutel« und »Hanswurst« über seinen Vorredner, den philippinischen Delegierten General Romulus her, »dieses leere Faß, das sich für Romulus und Remus hält.« Den UNO-Balkanausschuß bezeichnete er als eine Versammlung »illegaler Detektive und Sherlock-Holmes-Amateure«. Auf den Tisch hämmernd erklärte er, der Bericht des Balkan-Komitees enthalte nichts als »wertlosen Quatsch«.Der Wortschatz des einstigen Großinquisitors der Sowjetunion scheint unerschöpflich. Französische Blätter erinnerten daran, daß er es war, der einst vor einem hohen Gericht seines Landes den alten Bolschewiken und Revolutionär Bucharin »Sohn eines Bullen und eines Schweins« nannte.Anfang der dreißiger Jahre wurde der Name Wyschinski als eines hervorragenden Vertreters der Sowjet-Justiz zum erstenmal vor der Weltöffentlichkeit genannt. Es war im Vickers-Prozeß. Das Militärtribunal des Sowjetischen Obergerichts tagte im Säulensaal des Moskauer Gewerkschaftshauses, des ehemaligen Adelsklubs. Die Inszenierung deutete auf einen großen Schauprozeß hin: englische Ingenieure waren angeklagt. Drei Jahre vorher, 1928, war unter dem Namen »Schachty-Prozeß« eine ganz ähnliche Schau gegen deutsche Ingenieure und Facharbeiter abgerollt. Sie waren der Spionage und Sabotage angeklagt. Damals demonstrierte der einstige Fähnrich Krylenko als Staatsanwalt in Lodenjoppe und Wickelgamaschen jakobinische Haltung.Diesmal fungierte im gleichen Amt ein Mann, dem strenge Würde und verbissener Ernst aus den goldgeränderten Brillengläsern und den glattgebügelten Falten des schwarzen Anzugs schimmerten: Andrej Wyschinski.Bemerkenswerte Parteiverdienste hatte er nicht aufzuweisen. Einige peinliche Flecken verunzierten vielmehr seine revolutionären Personalakten. Bis 1920 war er eingeschriebenes Mitglied der Menschewiken-Partei, die von den Bolschewiken mit unversöhnlichem Bruderhaß verfolgt wurde. Er brauchte drei Jahre der Ueberlegung, um die Fahne zu wechseln und zu Lenin überzugehen. Aber er verstand es, diese Spanne für sich sprechen zu lassen: er sei kein Konjunkturritter, sondern ein Mann von Ueberzeugung, der seine Entschlüsse sorgfältig überlege, dann aber verläßlich sei. Das war er wohl auch. Dazu eifrig und ehrgeizig.Er machte seinen Weg trotz des Handikaps einer alles andere als proletarischen Abstammung. Vater Januarius Wyschinski war als beamteter Apotheker Ehrenbürger des zaristischen Rußland, ein Stand, der steuerliche Vorrechte genoß, weil er als staatserhaltend galt. Mit seinem Andrej hatte er viel Kummer. Der Junge studierte in Kiew die Rechte. Der wohlhabende Vater brauchte ihn nicht knapper zu halten als etwa die Söhne aus der in Galizien von Kaiser Franz II. im Jahre 1782 baronisierten österreichischen und der anderen von Nikolai I. geadelten russischen Linie der Wyschinskis. Trotzdem geriet der zwanzigjährige Student 1903 in schlechte revolutionäre Gesellschaft. Er wurde relegiert. Im vierten Semester.Das war weder ein Grund zu besonderem Vorwurf noch ein überragendes revolutionäres Verdienst. Alle Studenten jener Epoche des gesellschaftlichen Verfalls des Zarenstaates waren Revolutionäre. Dazu gehörte kein besonderes Temperament oder soziales Gewissen. Andrej blieb bürgerlich-weise bei der gemäßigteren Gruppe der Sozialisten, den Menschewiki. Damals heiratete er brav seine Jugendliebe mit dem klangvollen Namen Kapitolina Michailowna, ein schönes Mädchen aus gutem Hause. Nach Jahren des Vagabundierens, Agitierens und Organisierens von Streiks - was in der Zeit um die russische Revolution von 1905 bei der intellektuellen Jugend nicht shocking, sondern chic war - landete der verkrachte Rechtsstudent 1907 wieder an der Kiewer Universität. Dort machte er nach weiteren zwölf Semestern schließlich seine Prüfungen.1913 wurde er Anwalt in Baku. Während des ersten Weltkrieges geriet er nach Moskau. Als 1917 die Revolution kam, konnte er seine revolutionären Jugendverdienste geltend machen. Er wurde irgendwo im Stadtbezirk »Kommissar«. Es fiel dem bürgerlich-menschewistisch belasteten Beamtensohn nicht leicht, bis zum hohen Posten des Generalstaatsanwalts im Vickers-Prozeß aufzusteigen. Seine ausdauernde Beredsamkeit war in Volksversammlungen unwirksam. Er besaß weder die Figur noch das schauspielerische Talent, seine gute Erziehung und seine professorale Sprechweise mit unrasiertem Kinn, russischem Hemd und Proletariermütze hinreichend zu tarnen, um unter den revolutionären Funktionären nicht aufzufallen.So brachte er es nur Schritt für Schritt zum Kollegiumsmitglied des »Narkompross« (Volkskommissariat für Erziehung), zum Professor für Strafrecht und schließlich zum Rektor der Moskauer Universität. Bis er seine große Rolle bekam. Sie entsprach seinem innersten Wesen. Sein seriöses Gehabe war wie geschaffen für die Figur des korrekten, von seiner hohen moralischen Aufgabe tief überzeugten Staatsanwalts. Die Rollen für Angeklagte und Staatsanwalt, für Zeugen, Richter und Verteidiger waren vom Kollektiv phantasiebegabter GPU-Untersuchungsbeamter verfaßt. Sie brauchten nur überzeugend vorgetragen zu werden, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Mit juristischer Wahrheitsfindung hatte jener Vickers-Prozeß ebensowenig zu tun wie die folgenden innerpolitischen Schauprozesse. Ihnen fiel die Garde der »alten Bolschewiki« im Zuge der Parteireinigung zum Opfer. Wyschinski hatte bei allen die Star-Rolle. Er gab die Stichworte, und in der Regel rollte alles regiemäßig ab. Zum Beispiel so:Angeklagter war Kamenjew, einstmals - nach Lenins Tod - Mitglied jener »Troika«, die das Erbe an sich riß, um Trotzki als gefährlichsten Rivalen auszuschalten. Kamenjew, einst also allernächster Verbündeter Stalins, war seines Todesurteils völlig gewiß.Der Staatsanwalt fragte den Angeklagten: »Ihre Loyalitätserklärungen an die Adresse der Partei von 1933 waren also falsch. Waren sie Betrug?«Kamenjew: »Schlimmer!«Wyschinski: »Niedertracht?«Kamenjew: »Schlimmer!«Wyschinski: »Verrat an der Partei?« Kamenjew: »Sie haben das rechte Wort gefunden!«Hin und wieder gab es allerdings auch einmal eine Panne. Etwa wenn es einem der Angeklagten in der Todeangst einfiel, frühere Aussagen zu widerrufen. Wie es Krestjinski, der langjährige Sowjet-Botschafter in Berlin, einmal tat.Aber dann bedurfte es nur eines funkelnden Blicks durch die Brillengläser hinüber zum Gerichtsvorsitzenden. Die Sitzung wurde unterbrochen.Wenn sie nach Minuten oder Stunden wieder begann, war der Angeklagte bereit, noch einige Sünden mehr zu gestehen, als ihm der Staatsanwalt vorwarf.Wyschinski trug keine Wickelgamaschen. Er setzte sich nicht auf den Tisch wie sein revolutionär sich gebärdender Vorgänger Krylenko. Er machte auch keine zynischen Witze. Aber er drohte mit dem Zeigefinger. Er forderte mit abgründiger Gebärde an den Höhepunkten seiner fünf-, sechs-, ja achtstündigen Schlußplädoyers die Austilgung der Verbrecher, das »Höchstmaß des sozialen Schutzes der Revolution«. Er bot das vollendete Bild des würdigen Ehrenmannes, der hier in der Rolle des Paladins für Recht und Gesetz die schwere Pflicht des Rächers erfüllte.Als die Parteireinigungsprozesse beendet waren, fand sich für den repräsentablen Wyschinski ein neuer Job. Das Regime brauchte Leute, die im Ausland vorgezeigt werden konnten, ohne komisch oder schrecklich zu wirken.In diplomatischer Mission verdiente sich der Ex-Staatsanwalt bei der Gleichschaltung Lettlands die Sporen. Dort war die Rote Armee nach dem Ribbentrop-Molotow-Vertrag zur Besetzung eingefäumter Stützpunkte friedlich eingerückt. Mit der Verpflichtung zur Nichteinmischung in die inneren Verhältnisse des Landes. Was später geschah, als das NKWD nachrückte, ging im Trubel des Weltkriegsgeschehens verloren. Wyschinski wurde mit dem Lenin-Orden und einer Viertelmillion Rubel ausgezeichnet. Für wissenschaftliche Verdienste.Als stellvertretender Außenkommissar machte er auf den Konferenzen der Alliierten in Moskau, Teheran, auf der Krim und in Potsdam die erwartete gute Figur. Byrnes bemerkte im Zarenschloß Livadia bei Jalta, wie Wyschinski sich Wasser ins Wodkaglas goß, um bei den vierzig Trinksprüchen auf den Endsieg mitzuhalten.Besser als Molotow beherrscht Wyschinski die Kunst des »keep smiling«, wenn die Kameraverschlüsse der Reporter knacken. Der früher blonde, jetzt weiße Kopf wirkt auch über der monumentalen Uniform mit den breiten Schulterstücken auf niemanden erschreckend. Sein rabulistischer Eifer erscheint glaubwürdig, auch wenn er die dritte und vierte stundenlange Rede des Tages über dasselbe Thema hält. Er kennt seine heutige Rolle genau so gut, wie er sie als Staatsanwalt in den Schauprozessen kannte. Keines seiner Worte geht verloren. »Prawda« und »Istwestija« füllen viele Seiten mit den Reden in denen er mit den Imperialisten und Kriegshetzern abrechnet. Und die Nachrichtenagentur Tass weiß dann regelmäßig zu berichten, daß diese ganz kleinlaut geworden seien und kaum mit Gestammel hätten antworten können.So verteidigt Wyschinski kühn und rücksichtslos Recht und Gerechtigkeit, Demokratie und Weltfrieden. Er setzt seine Ehre darin, sein Mandat mit Eifer und Ueberzeugungskraft wahrzunehmen. Er ist der klassische Advokat einer Doktrin.Wenige Tage vor seiner Abreise aus Paris, am 9. Dezember, wurde er 65 Jahre alt. Frau Kapitolina ließ es sich nicht nehmen, ihn zu diesem Anlaß mit einem gut bürgerlichen Geburtstagskuchen zu erfreuen. Nach dem Sowjetprotokoll ist ein neuer Lenin-Orden fällig.
[ "Lenin" ]
Politik
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1948-12-17T13:00:00+01:00
1948-12-17T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/sie-haben-das-rechte-wort-gefunden-a-aeeffa97-0002-0001-0000-000044420956?context=issue
Pakistan: Top-Terrorist vermutlich bei Explosion getötet
Karatschi/Islamabad - Bei einem der insgesamt vier Todesopfer der Explosion in einer Chemikalienfabrik sei ein pakistanischer Personalausweisgefunden worden, dessen Foto dem von Asif Ramzi ähnele, sagte einhochrangiger Polizeioffizier. "Wir versuchen den Toten zuidentifizieren, und wir vermuten, es war Ramzi." Asif Ramzi wird mit zahlreichen Anschlägen in Karatschi inVerbindung gebracht, unter anderem mit der Entführung und dem Mord andem amerikanischen Journalisten Daniel Pearl Anfang des Jahres. Dievon Ramzi geführte Terrorgruppe Lashkar-e-Jhangvi soll mit der al-Qaida-Organisation von Osama Bin Laden zusammenarbeiten.Bei der Explosion in einem Chemikalien-Lagerhaus einer lokalenPharmafirma seien insgesamt drei Männer und eine Frau ums Lebengekommen, teilte die pakistanische Polizei weiter mit. In denTrümmern habe die Polizei eine Rakete und Chemikalien entdeckt, die zum Bauvon Sprengsätzen verwendet werden können. In der ostpakistanischen Stadt Lahore nahm die Polizei nach einerSchießerei in der Nacht zum Donnerstag neun mutmaßliche al-Qaida-Kämpfer fest. Unter ihnen sind ein bekannter Arzt mit amerikanischem Pass sowie dessen Neffe mit kanadischerStaatsangehörigkeit und sieben weitere Mitglieder und Freunde derFamilie. Informationsminister Sheich Rashid bestätigte dieFestnahmen, die nach Polizeiangaben in Zusammenarbeit mit US-Fahndernerfolgten. Einzelheiten wollte er nicht bekannt geben.
Bei einer Explosion in der pakistanischen Hafenstadt Karatschi ist am Donnerstag vermutlich einer der meistgesuchten Terroristen des Landes getötet worden. Asif Ramzi soll unter anderem an der Ermordung des amerikanischen Journalisten Daniel Pearl beteiligt gewesen sein.
[ "Krieg gegen den Terror" ]
Ausland
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2002-12-19T17:43:54+01:00
2002-12-19T17:43:54+01:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/pakistan-top-terrorist-vermutlich-bei-explosion-getoetet-a-228102.html
Pubertäts-Comic von Charles Burns: Faszinierend unbehaglich
Nochmal jung sein? Das geht. Ich kann zwar nicht versprechen, dass es schön wird, eher im Gegenteil, aber es funktioniert, wieder und immer noch - dank Charles Burns und "Daidalos".Lange genug hat es gedauert, bis der Amerikaner wieder was veröffentlicht, "Zuckerschädel" hieß vor fünf Jahren der letzte Band, nicht ganz untypisch für seine widerspenstig-süßliche Arbeitsweise, die faszinierend und abstoßend zugleich ist. Deswegen hat's auch gedauert, bis ich ihn ins Herz geschlossen habe. wurde 1967 in Nürnberg als Sohn einer Deutschen und eines 1956 geflohenen Ungarn geboren. Er studierte Geschichte und Politik und wurde dann Journalist. 2012 veröffentlichte er den satirischen Roman "Er ist wieder da", von dem mehr als eine Million Exemplare verkauft wurden. "Black Hole" war seine erste in Deutschland publizierte Geschichte, und ich habe sie lange nicht angefasst, weil mir die Optik nicht gefallen hat. Der Stil war zwar sauber, schwarz-weiß, handwerklich solide, aber die Figuren wirkten seltsam statisch, keine davon war wirklich gut aussehend. Es gab schlimme Schnurrbärte und peinliche Frisuren.Erst allmählich hat sich gezeigt, wie treffend diese Zutaten ausgesucht sind: Burns' Zeitreisen in die Jugend führen stets in den zwiespältigsten Abschnitt des Lebens, die Pubertät. Und sie spielen ebenfalls zuverlässig irgendwo in den finsteren Siebzigerjahren, die es nie so richtig zur Verklärung der Sechziger oder Achtziger gebracht haben. Verschwitzte Pullover, pickelige Gesichter, ideale Voraussetzungen für Geschichten, in denen sich niemand richtig wohl in seiner Haut fühlt. Allein schon dadurch war "Black Hole", die Harvey-Award-prämierte Graphic Novel, eine recht unbehagliche Erfahrung. Burns mischte jedoch kafkaeske Elemente dazu, auch Horrorbestandteile: Eine Gruppe Jugendlicher entdeckt Sex und Drogen, doch nichts davon ist schön. Sie finden an sich plötzlich neue, bizarre Körperteile, und während das Heranwachsen ja auch eine faszinierende Phase neuer Entdeckungen sein kann, ist sie bei Burns vor allem beherrscht durch die Furcht vor dem Anders-als-die anderen-sein, dem Ausgestoßenwerden. Weit mehr als zu entdecken gibt es also in Burns' Welt was zu verbergen. Horrorfilm als PubertätsmetapherFünf Jahre danach spendierte Burns seinem Albtraumkosmos Farbe in der Trilogie aus "X", "Die Kolonie" und "Zuckerschädel": Durch ein Loch in der Wand gelangt ein junger Mann in eine merkwürdige, unwirkliche Welt der Kolonie, beherrscht von Echsenmenschen im Bürooutfit - dazwischen, in einer weit realeren Handlungsebene, kämpft er mit seiner schwer verständlichen Kunst, seinem kranken Vater, einer irgendwie ungesunden Beziehung zu einer jungen Frau.Es sind Bilder, die sich auch David Lynch ausgedacht haben könnte. "Blue Velvet" lässt grüßen, oder William S. Burroughs. Es ist erstaunlich, wie zielsicher Burns surreale, beklemmende Umgebungen erschafft, aus denen man ständig nur aufwachen möchte – und als Leser dennoch weiterblättert. Jetzt also: "Daidalos". Auch diesmal befinden wir uns in den Siebzigern, allenfalls den frühen Achtzigern. Brian, ein Junge um die 20, ist ein Einzelgänger und zeichnet gern, vorzugsweise Bilder mit Aliens oder riesigen Geschwülsten. Brian lernt Laurie kennen, fühlt sich von ihr angezogen und erfährt, dass Laurie die Hauptrolle im nächsten Super-8-Horrorfilm spielen wird, den Brian mit seinem Freund Jimmy inszenieren wird.Ab da taucht Laurie in Brians Träumen auf, nackt und aufregend attraktiv, doch in einer unheimlichen Umgebung, in einem dunklen, mysteriösen Wald, der bald einer Berglandschaft Platz macht, in der man mit der Hand ganz bestimmt nicht in irgendwelche Felsspalten greifen mag. Laurie hingegen fühlt sich beklommen, stets fehl am Platz, und der Kontakt mit Brians abseitigen Fantasiewelten verunsichert sie zusehends. Zombies haben hier SendepauseNun ist die These vom Horrorfilm als Pubertätsmetapher nicht neu. Das Bewundernswerte ist daher bei Burns, mit welchen simplen Mitteln er seine Welt so unbehaglich gestaltet: Seine Bildaufteilung ist streng, schematisch, er nimmt sich viel Zeit, erzählt in gleichmäßigem Tempo, knallige Schockeffekte braucht der Leser nie zu fürchten, Vampire und Zombies haben Sendepause.Lieber verwendet Burns Bestandteile, die nicht zueinander gehören. Doug aus "X" wirkt nicht nur so verloren, weil er die garstige Ruinenlandschaft so verletzlich in Pyjama und Bademantel erlebt, sondern weil er dort ein völlig unerklärliches rot-weiß gesprenkeltes Ei findet. Zudem nutzt Burns die Hilflosigkeit der Protagonisten, die unerklärliche Zwangsläufigkeit, mit der sich ihre Realität vollzieht, ist dieselbe, die auch ihre Träume bestimmt, entsprechend sind Traum und Wirklichkeit nie völlig zu trennen, jederzeit kann eins ins Andere hineinspielen. Und das soll man sich jetzt ansehen?Ist natürlich möglich, dass Sie zu den Leuten gehören, die sagen: "So jung wie damals möchte ich gar nicht mehr sein! Das war kompliziert genug, und es gab jede Menge Momente, die waren gruselig zum Fremd- und Eigenschämen." Nichts leichter als das, dann brauchen Sie den Comic nur zuzuklappen. Ich sag's aber gleich: Wird verdammt schwer.
Timur Vermes
Ist es der normale Horror? Oder schreckliche Normalität? Der Amerikaner Charles Burns inszeniert in seinem neuen Comic "Daidalos" die Phase zwischen Pubertät und jungem Erwachsensein präzise.
[ "Comic-Rezensionen von Timur Vermes", "Bücher, Bestseller und Lesetipps", "Comics", "Buchrezensionen", "Literatur", "Rezensionen" ]
Kultur
Literatur
2020-02-14T20:38:00+01:00
2020-02-14T20:38:00+01:00
https://www.spiegel.de/kultur/literatur/charles-burns-daidalos-faszinierend-unbehaglich-rezension-a-4fb22a85-9511-46a5-8656-0f74f38a96cc