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„Wer wird Millionär?“: Jauch machte bei Null-Euro-Kandidatin alles richtig | Jolly Roger ...? A: ist Lucky Lukes Pferd B: tanzte mit Fred Astaire C: spielt man mit 48 Karten D: heißt die Piratenflagge. Ich schaue auf den Bildschirm vor mir und versuche, so zu tun, als wüsste ich die Antwort diesmal ganz sicher. Doch leider bin ich mir nur sicher, dass B falsch ist, weil die wunderbare Ginger Rogers mit Fred Astaire tanzte. Und so kann ich leider nicht mit tougher Stimme eine Antwort geben, nein, wieder muss ich mit Günther Jauch reden und hoffen, dass er mir vielleicht irgendwie hilft. Ich war im Jahr 2010 Kandidatin bei „Wer wird Millionär?“ (verlinkt auf /themen/wer-wird-millionaer/) . Der Moment, in dem ich meinen Namen grün aufleuchten sah, weil ich es auf den Stuhl geschafft hatte, war ziemlich cool. Ich war mir sicher, ich hätte nun das Schlimmste geschafft – ich hatte ziemlichen Respekt vor der Auswahlrunde gehabt, in der man mit zitternden Händen auf Zeit die richtigen Antworten tippen muss. Er gibt mir keinen einzigen Tipp Doch dann sitze ich einem Günther Jauch (verlinkt auf /themen/guenther-jauch/) gegenüber, der mir vermittelt: Ich habe keine Lust, dir irgendwie bei diesem Spiel zu helfen. Mit verschränkten Armen schaut mich ausdruckslos an, lässt sich auf kein Gespräch rund um Frage und Antworten ein. Und er gibt mir auch in unteren Spielregionen keinen einzigen Tipp, aus Unsicherheit verschwende ich Joker, wo ich es eigentlich besser gewusst hätte. Günther Jauch hat auch der 50-Euro-Kandidatin, von der in diesen Tagen gefühlt jeder spricht, nicht geholfen. Der Zeitschrift „Closer“ sagte sie nun: „Bessere Publicity, als dass eine blonde Mode-Studentin an der ersten Frage scheitert, gibt es ja wohl nicht.“ Jauch selbst, der selten Statements gibt, lässt sich in „Bild (verlinkt auf http://www.bild.de/unterhaltung/tv/wer-wird-millionaer/guenther-jauch-ueber-seine-gescheiterte-kandidatin-wenn-ich-jedem-helfe-ist-der-reiz-weg-41385516.bild.html) “ sogar zu einer Erklärung hinreißen, warum er nicht geholfen habe: „'Wer wird Millionär?' ist ja von Haus aus keine Wohltätigkeitssendung, in der es eine Garantie auf leistungslose Gewinne gibt. Wenn ich jedem automatisch bei jeder Antwort über die Hürde helfe, ist der Reiz der Sendung dahin. Die Kandidatin hatte ja mehr als eine Möglichkeit, sich zu korrigieren.“ Es ist sogar seine Pflicht, unberechenbar zu sein Natürlich!, möchte man da beiden zurufen. Wozu die Aufregung? Es ist Günther Jauchs gutes Recht, Kandidaten nicht zu helfen. Es ist sein gutes Recht, nicht immer fair zu sein, nicht immer alle gleich zu behandeln, unvorhersehbar, manchmal gemein und manchmal beinahe gutmütig zu sein. Und das ist nicht nur sein Recht, es ist seine Pflicht als Moderator und Entertainer, der dafür bezahlt wird, den Zuschauern gute Unterhaltung zu liefern. Unterhaltung ohne Emotionen funktioniert nicht. Und eine Sendung wie „Wer wird Millionär?“, die vom Konzept her so nüchtern angelegt ist, braucht sie umso mehr: Unberechenbare Momente, die aufregen, die mitreißen, die wütend machen – auch mal auf den Moderator. Egal. Mitleid, Wut, Schadenfreude Denn der ist hier doch nichts anderes als eine Figur, an der der Zuschauer sich reibt oder mit der der Zuschauer sich verbündet. Und das am besten in unvorhersehbarem Wechsel, muss ja alles spannend bleiben. So darf der Rezipient an Jauchs Seite junge Kandidatinnen, die er nervig findet, in den Keller rasseln lassen und sich darüber freuen. Sich darüber aufregen, wenn der Moderator der Trulla schon wieder die Antwort so gut wie in den Mund legt, also wirklich, das muss doch nicht sein! Mitleid haben mit dem, dem Jauch eben nicht eine vieldeutige „Sind Sie sicher?“-Frage stellt, wenn der Kandidat falsch liegt. Und die aufgeregten Reaktionen auf das 50-Euro-Fragen-Drama um die Modestudentin (verlinkt auf /vermischtes/article142563840/Tanja-Fuss-erlebt-ihren-Waldi-Moment-bei-Jauch.html) geben TV-Profi Günther Jauch und seiner Taktik recht. Sowohl denen, die Mitleid haben, als auch den fiesen Schadenfreudigen hat der Moderator ein wohliges Emotionshoch verschafft. Übrigens wäre meine richtige Antwort D gewesen, Jolly Roger nennt man die Piratenflagge. Daher war dann bei 32.000 Euro Schluss. Unsere besten Geschichten posten wir bei Facebook. Folgen Sie ICON doch auch dort! (verlinkt auf https://www.facebook.com/pages/ICON-Der-Lifestyle-der-Welt/296958754574?fref=ts) | Nicola Erdmann | Die Aufregung um die Null-Euro-Kandidatin ist groß. Dabei hat Günther Jauch richtig im Sinne des Fernsehens gehandelt – sagt unsere Autorin, die Jauchs Taktik als Kandidatin der Show selbst erlebte. | Iconist | 2015-06-24T08:35:24Z | 2015-07-25T10:34:44Z | Jauch machte bei Null-Euro-Kandidatin alles richtig | https://www.welt.de//iconist/article142983315/Jauch-machte-bei-Null-Euro-Kandidatin-alles-richtig.html |
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Bin Ladens Terrorspur in Paris | Die französische Justiz hat jetzt Gewissheit darüber, dass das Terroristennetzwerk von Osama Bin Laden auch in Frankreich aktiv war und Terroranschläge gegen die amerikanische Botschaft und das amerikanische Kulturzentrum in Paris geplant hatte. Die Attentate sollten "im Januar und Februar 2002" verübt werden, gestand der am 28. Juli im Emirat Dubai festgenommene und Anfang dieser Woche nach Frankreich ausgelieferte Franko-Algerier Djamel Beghal in einem elfstündigen Verhör den Ermittlungsrichtern Jean-Louis Bruguière und Jean-François Ricard in Paris. Der 35-Jährige enthüllte darüber hinaus, dass er den Auftrag im Hauptquartier Bin Ladens in Kandahar (Afghanistan) von dessen Stellvertreter Abu Subaidah erhalten habe. "Wir waren im Haus Bin Ladens. Und er sagte mir, dass die Stunde zum Handeln gekommen ist. Ich sollte die amerikanische Botschaft in Frankreich in die Luft sprengen." Dann habe ihm Abu Subaidah drei Geschenke von Bin Laden überreicht, den er jedoch persönlich nicht getroffen habe. Abu Subaidah hatte zuvor mehrere Jahre das "Maison des Algériens" im pakistanischen Peshawar geleitet, das als Anlaufstätte für die Islamisten diente, bevor sie in die Ausbildungscamps nach Afghanistan geschickt wurden. Auch wenn der Anwalt Beghals dessen Geständnis inzwischen widerrufen hat, sind die Richter dennoch vom Wahrheitsgehalt der Aussage überzeugt. Schließlich hatte Beghal schon in Dubai mehrere Namen genannt, die dem von ihm geleiteten Terroristennetz in Europa angehören. Darunter befindet sich auch der Tunesier Nizar Trabelsi, ehemaliger Vertragsfußballspieler bei Fortuna Düsseldorf, der am 13. September in Brüssel festgenommen wurde und mit dem Beghal Ende der neunziger Jahre in dem Pariser Vorort Corbeil-Essonnes zusammengewohnt hat. Trabelski hatte den Auftrag, sich mit einem am Körper befestigten Sprengstoffgürtel Eintritt in die in der Nähe des Elysée-Palastes gelegene US-Botschaft zu verschaffen und sich selbst in die Luft zu sprengen. Der zweite Anschlag sollte mit Hilfe eines mit Sprengstoff präparierten Lastwagens auf das American Center an der Place de la Madeleine verübt werden. Bei den Hausdurchsuchungen fand die belgische Polizei eine Anleitung zur Herstellung von Sprengladungen sowie Materialien, die ausgereicht hätten, um Gebäude in die Luft jagen zu können. Die Hinweise Beghals brachten die Ermittlungsrichter auch auf die Spur von sieben mutmaßlichen islamistischen Terroristen, die in den letzten beiden Wochen im Großraum von Paris festgenommen wurden. Gegen sie ist inzwischen ein formelles Ermittlungsverfahren wegen Planung terroristischer Aktionen eingeleitet worden. Ein achter Verdächtiger, Kamal Daoudi, konnte am 21. September nach Großbritannien entkommen, wo er jedoch vier Tage später in Leicester von der britischen Polizei verhaftet und nach Paris ausgeliefert wurde. Daoudi war Beghals Spezialist für die Kommunikation. Via Internet stellte er die Kontakte zwischen dem europäischen Terroristennetz und Bin Ladens Terrororganisation Al Qaida her. Djamel Beghal war gerade aus Afghanistan gekommen und auf dem Weg nach Spanien und Marokko, als er Ende Juli wegen seines abgelaufenen Reisepasses in Dubai verhaftet wurde. Von Marokko aus sollte er "grünes Licht" für die Anschläge geben. Sein Geständnis begründete er gegenüber den Ermittlungsrichtern damit, dass er sich von Osama Bin Laden losgesagt habe. Mit diesem wolle er nun nichts mehr zu tun haben. Seit seiner Verhaftung habe er viel Zeit zum Nachdenken gehabt und viel im Koran gelesen. | Jochen Hehn | Verdächtiger sagt aus, er sollte US-Botschaft und Kulturzentrum sprengen | Print-welt | 2001-10-03T22:00:00Z | 2011-11-16T20:25:35Z | Bin Ladens Terrorspur in Paris | https://www.welt.de//print-welt/article479384/Bin-Ladens-Terrorspur-in-Paris.html |
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Tyrannei der Mehrheit | Nach den heutigen Wahlen und der Annahme einer neuen Verfassung im Irak werden Washington und Bagdad versucht sein, einen Sieg zu erklären. Einerseits haben sie damit auch recht. Was sich da entwickelt, ist ein radikaler Bruch nicht nur mit der Vergangenheit, sondern auch mit dem gesamten arabischen System, das die Briten und die Franzosen nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs aufgebaut hatten. Aber in einem übergeordneten Sinn ist dieser Optimismus nicht angemessen, denn keins der Probleme bei der Neuordnung des Irak ist gelöst. Schlimmer noch. Tiefe Spannungen und Widersprüche sind in der Verfassung festgeschrieben worden. Sie gefährden die Existenz des Staates. Wie ist es dazu gekommen? Es ist viel von den amerikanischen Fehlern im Irak die Rede gewesen, und zwar zu Recht. Aber als Teilnehmer an den politischen Diskussionen sowohl vor als auch nach dem Krieg kann ich nur sagen: Wir Iraker haben es selbst nicht geschafft, die Basis für eine neue Ordnung zu legen. Die neue politische Elite, die von den Wahlen im Januar 2005 an die Macht gespült wurde, war nicht einmal in der Lage, mit dem Aufbau eines stabilen und starken Staates auch nur zu beginnen. Die täglich steigenden Zahlen von verletzten Irakern, von 26 im Frühjahr 2004 auf 64 in diesem Herbst sind nur das offensichtlichste Beispiel, daß da irgend etwas furchtbar schiefgegangen ist, und das liegt nicht an fehlenden amerikanischen Anstrengungen. Leider können wir von den Wahlen heute nicht erwarten, daß sie die Situation wesentlich verbessern. Es gibt kaum Aussichten, daß der Gewinner die Autorität haben wird, den Verfall aufzuhalten, aus einem schlichten Grund: der Verfassung. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß diese Verfassung, wenn sie nicht radikal verändert wird, den ohnehin labilen irakischen Zentralstaat weiter schwächen wird. Trotz der Bekundungen darin über die "Einheit der Heimstatt von Aposteln und Propheten" und den "Werten und Idealen der himmlischen Botschaft und Erkenntnissen der Wissenschaft" sind es Uneinigkeit, schwindende Souveränität und Streit, die den Irak erwarten, wenn die Verfassung nicht überarbeitet wird. Drei Dinge werden jede Regierung, die heute gewählt wird, unterminieren: Erstens etabliert die Verfassung ein geradezu übermächtiges Parlament, das mit der Exekutive machen kann, was es will. Obwohl das Parlament wie eine demokratische Institution aussieht, ist es in Wahrheit einfach eine Versammlung ethnischer und sektiererischer Stimmblöcke. Wenn die Erfahrungen der Interimsregierung irgendeinen Anhaltspunkt geben, dann sind die Führer dieser Blocks die eigentlichen Machthaber im Irak, und sie werden ihre Macht hauptsächlich durch Seilschaften und Hinterzimmerdiplomatie ausüben. Weil diese Machtformation auch den Präsidenten und den Premierminister wählt und sie auch mit einfacher Mehrheit wieder absetzen kann, gibt es keine Kontrolle über die Tyrannei der Mehrheit. Zweitens: Die ausführende Gewalt teilen sich Präsident und Ministerrat - eine Garantie dafür, daß alle wichtigen Entscheidungen auch künftig auf dieselben Spannungen und Lähmungen stoßen, denen sich schon die gegenwärtige Regierung gegenübersah. Sowohl der Präsident als auch der Premierminister - man nimmt an, daß die beiden Posten einem Kurden und einem schiitischen Araber zufallen werden - können unabhängig voneinander dem Parlament Gesetzentwürfe vorlegen. Die Konflikte sind auch hier programmiert. Und beide können nach einem Mißtrauensvotum entlassen werden. In einer Zeit des Bürgerkriegs und der Gewaltverbrechen ist also niemand fest verantwortlich für den exekutiven Arm der Regierung. Drittens erleichtert die Verfassung die Transformation lokaler Verwaltungen und Regierungen zu fast unabhängigen Regionen. Von Kurdistan einmal abgesehen, hat aber keine von ihnen eine Basis für eine Einheit. Garantiert werden immer mehr irakische Provinzen den Regionalstatus erwerben wollen. Je mehr das tun, desto schwächer wird die Zentralgewalt. Mit Ausnahme der Leute, die in den Provinzen ohne Öl leben - oder in Bagdad, das sich keiner Region anschließen kann -, liegt es im Interesse lokaler Demagogen, auf Regionalstatus zu drängen, weil auf dieser Ebene jene Gesetzgebung stattfindet, die wirklich Auswirkungen auf das Alltagsleben hat. Die Macht dieser neuen Regionen wird enorm sein. Nicht einmal die irakische Armee kann sie betreten ohne Einwilligung der Regionalparlamente. Gegen starke Regionen in einem föderativen System ist nichts einzuwenden. Leider gelingt es der neuen irakischen Verfassung nicht, den Kitt bereitzustellen, der eine solche Konstruktion zusammenhalten könnte: eine Bundesregierung. Statt dessen etabliert es ein regionales System mit kurzfristigen Gewinnern: den Schiiten und den Kurden. Die großen, kurzfristigen Verlierer sind die sunnitischen Araber. Die Verfassung schanzt den Regionen sogar extra Öl- und Gaseinnahmen aus ihrer Produktion zu, mit der impliziten Annahme, daß der Staat - wegen der politischen Ungerechtigkeiten der Vergangenheit - den Sunniten in den rohstoffarmen Regionen der Westprovinzen weniger schuldet als den Schiiten und den Kurden. Aber diese Provinzen sind nicht sehr viel besser dran als andere Teile des Irak. Die Sunniten haben sich eindeutig gegen die Verfassung entschieden, nicht weil sie Saddam-Hussein-Loyalisten sind oder weil sie die Kurden und Schiiten hassen, wie es manche von den Aufständischen tun. Sie haben dagegen gestimmt, weil durch die Abschaffung des Zentralstaats, den sie 80 Jahre lang unterstützt haben, und - indem sie dafür bestraft werden, daß sie in rohstoffärmeren Regionen leben - die Verfassung den Charakter einer Verurteilung bekommen hat. Es wirkt, als sollten sie für die Sünden der Baath-Partei bestraft werden. Was spricht eigentlich dagegen, der Verfassung an ihr logisches Ende zu folgen: der Teilung des Irak? Nichts, wenn diese Teilung im Einvernehmen erfolgt und nicht mit einer Eskalation der Gewalt einhergeht. Aber das ist eben nicht der Fall. Die Verfassungsdebatte im Parlament war extrem polarisiert und wurde von der Mehrheit einfach abgeschnitten. Und wenn auch nur 80 000 Leute aus Nineveh mit Nein gestimmt hätten, wäre sie abgelehnt worden. Der Widerstand der Sunniten wird anhalten. Sie mit Gewalt niederzukämpfen, wie das manche schiitischen Hitzköpfe im Parlament fordern, wird eine sehr blutige Angelegenheit werden. Selbst wenn der Ausgang eines solchen Kampfes klar ist: Ein allumfassender Bürgerkrieg im Irak wird den Bürgerkrieg im Libanon wie ein Picknick aussehen lassen. Kein moralisch zurechnungsfähiger Mensch kann das wollen. Wenn wir wollen, daß aus dem gegenwärtigen Chaos im Irak eine Demokratie wird, dann müssen wir den Staat vor der Verantwortungslosigkeit der irakischen Parteien und der Stimmblöcke retten, die ihm derzeit den Garaus machen. Der irakische Schriftsteller und Architekt Kanan Makiya (55), derzeit Brandeis University, ist der Autor von "Republik der Angst". Übersetzung: Mariam Lau | Kanan Makiya | Die Wahlen im Irak werden das Chaos nicht beseitigen. Schuld daran sind nicht die Amerikaner, sondern die Iraker selbst Von Kanan Makiya - Essay | Print-welt | 2005-12-14T23:00:00Z | 2011-11-15T22:16:26Z | Tyrannei der Mehrheit | https://www.welt.de//print-welt/article184398/Tyrannei-der-Mehrheit.html |
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Zum 30. Geburtstag: „Zurück in die Zukunft“-Szene mit Lego nachgespielt | Zum 30. Geburtstag des Films „Zurück in die Zukunft“, wurde eine der berühmtesten Szenen mit bunten Spielzeugsteinen umgesetzt. Fast so spannend, wie das Original. | WELT | Zum 30. Geburtstag des Films „Zurück in die Zukunft“, wurde eine der berühmtesten Szenen mit bunten Spielzeugsteinen umgesetzt. Fast so spannend, wie das Original. | 2015-03-06T23:01:00Z | 2016-12-17T13:16:38Z | „Zurück in die Zukunft“-Szene mit Lego nachgespielt | https://www.welt.de//videos/video138116083/Zurueck-in-die-Zukunft-Szene-mit-Lego-nachgespielt.html |
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Irans Atomprogramm: US-israelische Termin-Diplomatie und rote Linien | Washington und Tel Aviv bemühen sich, Verstimmungen zwischen beiden Regierungen herunter zu spielen. US-Präsident Barack Obama und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hätten in einem Telefonat ihre „Einheit“ im Umgang mit dem iranischen Atomprogramm bekräftigt, teilte das Weiße Haus in Washington mit. In dem einstündigen Gespräch hätten beide Politiker die Gefahren durch das Atomprogramm diskutiert und sich der gegenseitigen engen Zusammenarbeit versichert. Beide hätten bekräftigt, darin „einig“ zu sein, den Iran davon abzuhalten, in den Besitz einer Atombombe zu kommen. Gleichzeitig wird die Rhetorik aus Israel gegen den Iran schärfer. „Beziehungen auf dem Tiefpunkt“ Der Einigkeitsbekundung war ein diplomatisches Verwirrspiel um ein geplantes Treffen des israelischen Regierungschefs mit dem US-Präsidenten bei einem New-York-Besuch Ende des Monats vorausgegangen. Nach Berichten israelischer Medien hatte Benjamin Netanjahu um ein Gespräch mit Barack Obama gebeten, aber eine Absage bekommen. Die Zeitung „ Haaretz (verlinkt auf http://www.haaretz.com/) “ hatte bereits von einem neuen Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen beiden Politikern gesprochen. Es wäre das erste Mal in seiner Amtszeit, dass Netanjahu in die USA fliegt, ohne Obama zu sehen. Das Weiße Haus hat nun dementiert, dass Obama ein Treffen mit Netanjahu am Rande der UN-Generalversammlung abgelehnt habe. Eine Begegnung sei schlicht nicht möglich, weil sich beide nicht zur selben Zeit in New York aufhielten, stellte Sprecher Tommy Vietor klar. Nach Angaben eines ranghohen israelischen Regierungsbeamten, der anonym bleiben wollte, wurden Terminschwierigkeiten wegen des Wahlkampfes als Grund für die Absage genannt. Obama schickt Hillary Clinton Vietor sagte nun dazu, dass Obama am 24. September, einem Montag, in New York eintreffe und am Dienstag wieder abreisen werde. Netanjahu treffe aber erst später in New York ein. „Sie sind schlicht nicht zur selben Zeit in der Stadt“, sagte der Sprecher. Aber beide Politiker hätten häufig Kontakt miteinander, und Netanjahu werde sich während seines Besuches mit anderen hohen Regierungsbeamten treffen, darunter Außenministerin Hillary Clinton. Beide Länder liefern sich seit Tagen einen Schlagabtausch über rote Linien im Atomkonflikt mit dem Iran. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte „Verhandlungen als den weitaus besten Ansatz“ bezeichnet, den Iran von der Entwicklung von Atomwaffen abzuhalten. Darauf reagierte Netanjahu mit Empörung. „Jene in der internationalen Gemeinschaft, die sich weigern, dem Iran rote Linien zu ziehen, haben kein moralisches Recht, Israel rotes Licht (für einen Angriff auf den Iran) zu zeigen“, sagte er. Die Regierung in Washington habe sich geweigert, im Atomstreit eine härtere Haltung gegenüber der Islamischen Republik einzunehmen, begründete Netanjahu in Jerusalem die ungewohnt deutlichen Worte. Die schärfere Rhetorik nährt Spekulationen, Israel könnte den Iran vor der US-Präsidentenwahl im November angreifen – in der Hoffnung, dass Obama aus Rücksicht auf die israelische Lobby in den USA kein Veto einlegt. Drohungen in Richtung Teheran Der israelische Ministerpräsident richtete deutliche Drohungen in Richtung Teheran. Sollten die Weltmächte dem Iran keine klaren Grenzen setzen, werde sich sein Land nicht mehr zurückhalten. „Die Welt sagt Israel: ‚Wartet, es ist noch Zeit‘. Und ich sage: ‚Warten worauf, warten wie lange?‘“ Wenn dem Iran keine klare Grenze, keine Fristen gesetzt würden, dann arbeite dieser ungehindert weiter daran, die Atomwaffenfähigkeit zu erlangen und dann die Atombombe. Das Verhältnis zwischen Netanjahu und Obama gilt seit langem als gespannt. Netanjahu befürchtet einen zweiten Holocaust, sollte der Iran, der Israel mit Vernichtung droht, Atomwaffen erlangen. Nur wenn sich Israel sicher sein könne, dass Amerika den Iran auch später noch militärisch stoppen werde, könne es von einem baldigen Angriff absehen, spekulierten israelische Medien. Der Iran bestreitet trotz deutlicherer Berichte der Internationalen Atomenergiebehörde ( IAEA (verlinkt auf http://www.iaea.org/) ) , Atomwaffen zu entwickeln. | WELT | Israelische Medien berichten von einem neuen Tiefpunkt im Verhältnis Tel Aviv–Washington: Obama werde den israelischen Premier bei dessen USA-Besuch nicht treffen. Das Weiße Haus wiegelt ab. | Politik | Ausland | 2012-09-12T10:11:55Z | 2015-10-05T11:36:39Z | US-israelische Termin-Diplomatie und rote Linien | https://www.welt.de//politik/ausland/article109167811/US-israelische-Termin-Diplomatie-und-rote-Linien.html |
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Langfristprognose: Wissenschaftler prophezeien extremen Regen und Flut | Der fortschreitende Klimawandel könnte ab 2040 nach Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zu deutlich mehr extremen Regenfällen und Überschwemmungen in Deutschland führen. "Insbesondere in küstennahen Gebieten könnte sich deren Anzahl, verglichen mit dem Zeitraum 1960 bis 2000, sogar verdoppeln“, sagte DWD-Vizepräsident Paul Becker. Als extreme Niederschläge gelten Regenmengen von je nach Region 10 bis 100 Litern pro Quadratmeter in 24 Stunden. Die Sommer könnten zwar niederschlagsärmer, die Regenfälle aber auch hier umso heftiger werden. Bis Ende des Jahrhunderts könnten Durchschnittstemperaturen wie in Venedig auftreten, sagte Becker. Der bisherige Regen-Tagesrekord wurde am 12. August 2002 mit 312 Litern pro Quadratmeter in Zinnwald-Georgenfeld (Sachsen) gemessen. Bisher fallen in Deutschland laut Wetterdienst pro Jahr im Schnitt 789 Liter pro Quadratmeter. Daran werde sich in der Summe bis zum Jahr 2100 nicht viel ändern, sagte Becker. "Allerdings werden die Sommer trockener und die Winter nasser.“ Der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger, betonte, dass durch den demografischen Wandel immer weniger ehrenamtliche Helfer zur Bewältigung von Naturkatastrophen zur Verfügung stünden. Hinzu kämen die Folgen der Bundeswehrreform. Wo es früher 50 Panzerbataillone gegeben habe, seien es künftig nur noch 3. Bei Wetterkatastrophen sei es daher künftig nicht mehr so leicht, rasch Bergepanzer zu bekommen. Auch die Zahl freiwilliger Feuerwehrleute könne dramatisch schrumpfen. Derzeit werde geprüft, das Warnsystem für den Zivilschutz zu einem modernen Informations- und Warnsystem auch für regionale Unwetterlagen zu erweitern, sagte Unger. Auch das Technische Hilfswerk (THW) wies auf das Personalproblem hin. 2010 seien durch „Wetterereignisse“ mit 845 781 Einsatzstunden doppelt so viele angefallen wie noch 2009, sagte der Leiter der Abteilung Einsatz im THW, Volker Strotmann. Von Dezember bis Januar habe sich das THW durchgehend in wetterbedingten Einsätzen befunden - erst wegen des Schneefalls, dann wegen der Schneeschmelze. Insgesamt wurden vom THW in diesem Zeitraum 155.000 Arbeitsstunden geleistet. Nach Angaben des Umweltbundesamtes müssten die Kommunen angesichts der vermehrten Wetterkapriolen dafür sorgen, dass möglichst viel Regen versickern kann, damit Flüsse nicht so anschwellen. Zudem müsse die Deichsicherheit erhöht werden, sagte Präsident Jochen Flasbarth. "Klimaschutz ist die Vorsorgemaßnahme Nummer 1“, betonte Flasbarth. Jetzt getroffene Maßnahmen seien deutlich günstiger. Die nun bekannt gewordenen Prognosen erhöhten den Handlungsdruck. | WELT | Sintflutartiger Regen und Überschwemmungen werden den Deutschen ab 2040 das Leben schwer machen. Umso schlimmer, dass es dann wohl weniger Feuerwehrleute gibt. | Wissenschaft | 2011-02-15T14:33:19Z | 2015-10-03T14:20:58Z | Wissenschaftler prophezeien extremen Regen und Flut | https://www.welt.de//wissenschaft/article12551899/Wissenschaftler-prophezeien-extremen-Regen-und-Flut.html |
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Öffentliches Training der Nationalmannschaft beginnt mit Verspätung | Die jungen Fans mussten sich in viel Geduld üben. Die Nationalmannschaft hat in Berlin zum öffentlichen Training geladen, und 5000 Anhänger folgten dem Ruf. Sie wollten dem Team von Joachim Löw (verlinkt auf /themen/joachim-loew/) bei einer Übungseinheit zuschauen und machten sich auf den Weg zum Stadion der Amateure von Hertha BSC (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/hertha-bsc/) . Dumm nur, wenn lediglich ein Eingang geöffnet ist. Am Einlass bildete sich eine lange Schlange, das eigentlich für 17.30 Uhr angesetzte Training begann mit einer Viertelstunde Verspätung. Als endlich alle Fans, die meisten von ihnen Kinder, auf ihren Plätzen waren, begann Löw das Training mit einem lockeren Aufwärmprogramm. Wie die gesamte Einheit, die 75 Minuten dauerte, unter dem Jubel der Kinder. „Wir wollten kein Showtraining machen, sondern den Fans zeigen, wie ein richtiges Training bei uns abläuft. Es ist wichtig, die Tore zu öffnen“, sagte Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff. Die Hälfte der Karten ging in der vergangenen Woche über den Berliner Fußball-Verband (BFV) an Berliner Vereine, insbesondere an Kinder- und Jugendmannschaften – die andere Hälfte wurde am vergangenen Donnerstag über eine Ticket-Hotline verteilt. Binnen weniger Minuten waren alle Freikarten vergriffen. Mit dem öffentlichen Training, das für knapp eine Stunde angesetzt war, wollte sich die deutsche Mannschaft wieder einen Schritt auf die Fans zubewegen. Nach dem WM-Debakel in Russland mit dem historischen Vorrunden-Aus war unter anderem kritisiert worden, dass sich die DFB-Auswahl immer weiter von den Fans entfernt habe. Von abgehobenen, sich abschottenden Elitekickern war da die Rede. Von einer Eliteauswahl, die in einer Blase agieren würde und den Bezug zur Realität verloren hätte. „Das Ziel ist klar: Nähe aufbauen“, hatte Bierhoff als Konsequenz seiner WM-Analyse erklärt. Man wolle wieder „häufiger Türen und Tore aufmachen, um die Fans an einigen Dingen teilhaben zu lassen“, so der 50-Jährige. Nationalspieler nehmen sich mehr Zeit für die Fans In München, wo sich die DFB-Auswahl Anfang September vor den Spielen gegen Frankreich (0:0) und Peru (2:1) getroffen hatte, bekam man einen ersten Eindruck, wie ernst sie es beim DFB damit meinen. Die Spieler nahmen sich viel Zeit für Autogramme und Selfies, wenn sie das Teamhotel verließen oder betraten. Am Rande der beiden Partien waren ebenfalls Spieler zu beobachten, wie sie vereinzelte Autogrammwünsche erfüllten. Die neue Charme-Offensive kam gut an. Auch am Dienstagmittag bei der Ankunft der Spieler und Betreuer in Berlin wurden Autogramm- und Selfie-Wünsche erfüllt, wie auch am Abend dann am Rande des Trainings, bei dem es übrigens kein Showprogramm gab. Der DFB verzichtete bewusst auf Musik und eine Moderation. Der Fußball sollte im Vordergrund stehen. Löw vertraut den Spielern des kriselnden FC Bayern Wie im öffentlichen Training, bei dem natürlich auch die Nationalspieler des FC Bayern München (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-muenchen/) teilnahmen. Manuel Neuer (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/manuel-neuer/) , Joshua Kimmich, Niklas Süle, Jérôme Boateng, Mats Hummels (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/mats-hummels/) und Thomas Müller (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/thomas-mueller/) mussten sich in Berlin nicht mit der Krise ihres Klubs beschäftigen (verlinkt auf /sport/fussball/article181804618/Nationalmannschaft-Die-FC-Bayern-Krise-ist-eine-Gefahr-fuer-Joachim-Loew.html) . Leon Goretzka (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/leon-goretzka/) ist zunächst in München geblieben und hat wie Kevin Trapp und Jonas Hector heute nicht mittrainiert. Bei den Bayern steht Trainer Niko Kovac nach vier sieglosen Spielen schon nach dem siebten Spieltag in der Kritik. Löw vertraut den Bayern-Stars trotz der Krise zu 100 Prozent und setzt in der Nationalmannschaft auf den Bayern-Block. „Ich weiß schon, welche Qualitäten diese Spieler auch haben. Es war in der Vergangenheit immer wieder mal so, dass Spieler im Verein nicht in der Topverfassung waren, bei der Nationalmannschaft dann trotzdem eine tolle Leistung gezeigt haben. Die Spieler sind auch erfahren genug, mit solchen Situationen umzugehen“, sagte Löw. Das öffentliche Training war für einige Neuland. Das letzte groß angelegte öffentliche Training gab es 2014. In Düsseldorf kamen am 1. September knapp 45.000 Zuschauer, um das Team von Joachim Löw (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/joachim-loew/) 50 Tage nach dem WM-Sieg von Brasilien trainieren zu sehen. Noch in diesem Jahr wird es eine weitere öffentliche Trainingseinheit geben. Sie ist rund um das Länderspiel gegen Russland in Leipzig im November geplant. | WELT | Der DFB scheint aus den Fehlern der desaströsen WM gelernt zu haben. Beim öffentlichen Training in Berlin demonstriert die Nationalmannschaft Fannähe. Joachim Löw muss bei einigen Stars Aufbauarbeit leisten. | Sport | Fußball | 2018-10-09T17:38:15Z | 2018-10-10T05:40:14Z | DFB-Auswahl demonstriert Fannähe - mit Verspätung | https://www.welt.de//sport/fussball/article181819744/Oeffentliches-Training-der-Nationalmannschaft-beginnt-mit-Verspaetung.html |
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Promi-Golf: Golfbälle kaufen und der rosa Schleife helfen | Vielleicht haben Sie ihn beim Suchen auch schon zufällig gefunden, wenn Ihr Abschlag zufällig im Rough gelandet ist: einen Golfball mit rosa Schleife. Wenn nicht, wird er Ihnen bald unterkommen - Bälle und Accessoires der Marke "Pink Ribbon" werden immer beliebter, unterstützt man mit dem Kauf doch einen guten Zweck: Zehn Prozent des Verkaufspreises aller Produkte werden für den Kampf gegen den Brustkrebs gespendet. Der in Österreich lebende Däne David Drachmann-Sunne hatte die Idee, mit 45 Jahren suchte der ehemalige Manager nach einer neuen Aufgabe. Und er entwickelte ein Geschäftsmodell, das nicht nur ihm, sondern auch anderen Menschen etwas bringt. Ein Bekannter von ihm vetrieb bereits Golf-Accessoires und verwendete bei dem Design einer Pitchgabel ein Emblem, welches der rosa Schleife ähnlich war. Drachmann-Sunne erfuhr, dass dieses Symbol in Dänemark bereits auf vielen Wohltätigkeitsturnieren verwendet wurde und beschloss, seine eigenen Produkte ebenfalls mit dem "Pink Ribbon" zu versehen. Durch seine vorherige Tätigkeit als Manager hatte es ihn nach Österreich verschlagen und hier bekam er von der österreichischen Krebshilfe die Erlaubnis, die rosa Schleife - weltweites Symbol im Kampf gegen den Brustkrebs - zu verwenden. Drachmann-Sunne startete die Fabrikation. Noch im gleichen Jahr kamen die ersten Bälle, Pitchgabeln und Textilien auf den Markt. Alle Kleidungsstücke werden ausschließlich für Frauen hergestellt. 400.000 Euro gespendet Mittlerweile ist "Pink Ribbon Golf (verlinkt auf https://www.welt.de/sport/golf/) " in 16 europäischen Ländern erhältlich, in Deutschland ist die rosa Schleife 2007 angekommen. Insgesamt sind europaweit 400.000 Euro durch "Pink Ribbon" in diesem Jahr gespendet worden. Die Spenden fließen jeweils an die Krebshilfe des Landes, in dem die Produkte gekauft werden. Der Unternehmer legt Wert darauf, dass seriöse Organisationen die Gelder verwalten. "Ich fange nicht in einem Land an zu verkaufen, bevor ich nicht eine Vereinbarung mit der nationalen Krebshilfe oder einer anderen anerkannten Organisation habe", sagt Drachmann-Sunne, der zugibt, dass der Spagat zwischen Geschäft und Wohltätigkeit anfangs eine schwierige Gratwanderung gewesen sei. Brustkrebs ist bei Frauen der westlichen Welt eine der häufigsten Todesursachen. Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts erkranken in Deutschland jährlich mehr als 55.000 Frauen daran. "Davon können 80 bis 85 Prozent überleben, wenn es rechtzeitig erkannt wird", sagt Drachmann-Sunne, der auch betont: "Es gibt irrsinnigen Aufklärungsbedarf." Viele Frauen seien über Möglichkeiten der Früherkennung nicht ausreichend informiert, weshalb die Krankheit bei vielen zu spät diagnostiziert wird. Mittlerweile expandiert das Projekt immer weiter und sein Betreiber findet in seiner Arbeit ständig eine positive Bestätigung: "Wenn man mit krebskranken Menschen zu tun hat, betrachtet man das Leben als irrsinnig wichtig und nicht mehr als Selbstverständlichkeit." | Marius Koch | Bälle und Accessoires der Marke "Pink Ribbon" werden immer beliebter. Ihre Erlöse helfen beim Kampf gegen den Brustkrebs. | Sport | Golf | 2009-06-03T10:28:18Z | 2011-11-20T01:21:35Z | Golfbälle kaufen und der rosa Schleife helfen | https://www.welt.de//sport/golf/lifestyle/article3760387/Golfbaelle-kaufen-und-der-rosa-Schleife-helfen.html |
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Budapest: Ungarisches Parlament entmachtet höchstes Gericht | Mit den Stimmen der konservativen Regierungsmehrheit hat das ungarische Parlament am Montag umstrittene Verfassungsänderungen beschlossen. Die Novelle sieht unter anderen eine starke Einschränkung der Befugnisse des Verfassungsgerichts vor. Das Vorhaben hatte schon im Vorfeld wegen seiner möglicherweise demokratieschädigenden Stoßrichtung Proteste in Ungarn ausgelöst und Besorgnis im Ausland hervorgerufen. Die Anti-Terror-Einheit TEK nahm Montagmittag etwa 20 Mittelschüler fest, die mit einer Sitzblockade einen Zugang zum Budapester Parlament blockiert hatten. Bundesaußenminister Guido Westerwelle forderte die Einhaltung europäischer Grundwerte. „Wir sind in Europa eine Wertegemeinschaft. Und das muss sich auch nach innen in der Verfasstheit der Länder zeigen“, sagte er am Montag vor einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. Ergänzung für neues Grundgesetz Die 4. Verfassungsnovelle ergänzt das erst seit Anfang 2012 geltende neue Grundgesetz. Unter anderen sieht sie vor, dass sich das Verfassungsgericht künftig nicht mehr auf seine Spruchpraxis aus der Zeit vor Inkrafttreten der neuen Verfassung stützen darf. Kritiker befürchten eine Marginalisierung des obersten Gerichts, das sich zuletzt häufig auf seine frühere Grundrechte-Interpretation berufen hatte, wenn es demokratiepolitisch bedenkliche Gesetze außer Kraft setzte. Darüber hinaus darf das Verfassungsgericht künftig vom Parlament beschlossene Änderungen der Verfassung nur noch in verfahrensrechtlicher Hinsicht, nicht aber inhaltlich prüfen. Eine weitere Bestimmung sieht vor, dass die Präsidentin des Nationalen Justizamtes – eine von Präsident Viktor Orban eingesetzte, loyale Funktionärin – bestimmte Fälle bestimmten Gerichten zuweisen kann. Diese Regelung war auch von der EU-Kommission ausdrücklich kritisiert worden. Willkürliche Zuteilung des Kirchenstatus Andere Bestimmungen erheben Gesetze in den Verfassungsrang, die zuvor vom Verfassungsgericht gekippt wurden. Darunter fallen die willkürliche Zuteilung des Kirchenstatus durch die Regierungsmehrheit im Parlament, das Verbot von Wahlwerbung im privaten Fernsehen und die Kriminalisierung von Obdachlosen, die auf der Straße leben. Tausende Menschen hatten am Samstag im Zentrum von Budapest unter dem Motto „Die Verfassung ist kein Spielzeug“ gegen die Novelle demonstriert. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte am Freitag in einem Telefonat mit Orban seine Sorge bezüglich der Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien geäußert. „Wir müssen schauen, ob unsere Sorgen berücksichtigt wurden“, sagte eine Sprecherin der Kommission am Montag in Brüssel. „Wenn das nicht der Fall ist, steht uns eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung. Und wir werden nötigenfalls alle Instrumente nutzen.“ Ader in Berlin Ungarns Staatspräsident Janos Ader wurde am Montag in Berlin von Bundespräsident Joachim Gauck empfangen. Ader kann die vom Parlament beschlossene Novelle theoretisch zur Prüfung an das Verfassungsgericht verweisen. Der ungarische Präsident traf Gauck zum Auftakt eines zweitägigen Deutschland-Besuchs. | WELT | Sorge um die Demokratie in Ungarn: Das Parlament hat umstrittene Verfassungsänderungen beschlossen. Die Novelle sieht eine Einschränkung der Befugnisse des Verfassungsgerichts vor. | Politik | Ausland | 2013-03-11T16:25:32Z | 2017-08-23T19:26:28Z | Ungarisches Parlament entmachtet höchstes Gericht | https://www.welt.de//politik/ausland/article114341791/Ungarisches-Parlament-entmachtet-hoechstes-Gericht.html |
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Charme-Offensive: Der "choosy" Twitter-Start von Professor Monti | „Wow, 100.007 Follower“, entfuhr es dem sonst so nüchternen Mario Monti, als seine Twitter-Session vorbei war. Pünktlich um 11 Uhr hatte Monti am Samstag mit einem „Da bin ich“ bei MontiLive die Diskussion eröffnet. Dann ging es zwei Stunden lang um die wichtigsten Themen im italienischen Wahlkampf: Krise, Wirtschaft, Staatshaushalt. „Lieber Senator Monti“, fragte @tigella , „haben Sie die Verschwendung wirklich bekämpft?“ Und Monti twitterte (verlinkt auf https://twitter.com/SenatoreMonti/status/283701541616095232) : „In 13 Monaten haben wir gezeigt, was man alles in den nächsten fünf Jahren tun könnte.“ Mit „Arbeitsplätzen und Kampf gegen Kriminalität “ antwortete Monti auf die Frage, wie er dem Süden Italiens helfen will, und wer seine fünf Prioritäten für Italien kennenlernen wollte, erfuhr: „Die Rolle der Frau aufwerten, sonst kann Italien nicht wachsen.“ Für die Gemeinschaft des Kurznachrichtendienstes Twitter kamen die Antworten des „Professore“ allerdings etwas zu langsam: in zwei Stunden nur 16 Tweets auf Hunderte Fragen. „So wenige Antworten, das ist reichlich choosy“, frotzelte einer in Anspielung auf Montis Ministerin Elsa Fornero, die arbeitslose Jugendliche „choosy“, wählerisch, geschimpft hatte. Twitter als Marketingkampagne Der Twitter-Auftritt Montis gehört zur Marketingkampagne, mit der der Regierungschef in der vergangenen Woche in den Wahlkampf durchgestartet ist. Am 24. und 25. Februar wird in Italien gewählt. Alles soll helfen, aus dem Technokraten Monti möglichst schnell einen sympathischen Politiker zu machen. Denn Montis Ziel, so sagte er der Talkmasterin Lilli Gruber, sei es, Italien noch einmal zu regieren, und fügte hinzu: „Mir ist klar, dass die Natur meiner Person nun mutiert.“ Das hatte er bereits am Vortag bewiesen: In einer Radiosendung hatte Monti kräftig gegen seine politischen Gegner, Silvio Berlusconi und Pier Luigi Bersani, Spitzenkandidat der Demokratischen Partei, ausgeteilt. Bei den Wählern kommt das nicht an. Montis Chancen liegen laut jüngsten Umfragen bei nicht mehr als 16 Prozent. Eine Umfrage des Instituts Demopolis ergab außerdem, dass fast 60 Prozent gegen Monti als Wahlkämpfer sind und ihn lieber als Präsidenten sähen. Viele Bürger vertrauen ihm Trotzdem sei in dem neuen politischen Panorama viel Bewegung, sagt Demopolis-Chef Pietro Vento: „Noch ist es zu komplex, zu analysieren, welchen Konsens die eigentlich schwache Koalition um Mario Monti haben wird. Es kann durchaus sein, dass Montis persönliches Engagement diesen Konsens erweitern kann.“ Dafür spricht dessen persönliche Beliebtheit als Regierungschef: Noch sprechen ihm 45 Prozent der Bürger ihr Vertrauen aus – trotz rigoroser Sparpolitik. Die „Agenda Monti“ bleibt wegweisend auch für seine persönliche Wahlliste „Bürgerwahl mit Monti für Italien“. Er hatte sie am Freitag in Rom präsentiert und betont: „Die Liste ist nicht meine persönliche Partei, sondern der Versuch, die Bürger wieder der Politik anzunähern und die Politik bürgernäher zu machen. Eine bürgerliche Volksbewegung für politische Verantwortung.“ Aber es sind die kleinen Zentrumsparteien, die mit Monti antreten, die bei den Wählern keinen Zuspruch finden. Da ist die Union der Christdemokraten (UDC), Überbleibsel der früheren Christdemokraten, deren Sekretär Pier Ferdinando Casini seit Jahren versucht, das Zünglein an der Waage der beiden großen politischen Lager zu sein. Vatikan gibt Monti seinen Segen Dazu kommt die Partei Zukunft und Freiheit (FLI), die Parlamentspräsident Gianfranco Fini gründete, als er aus Berlusconis Volk der Freiheit (PDL) ausscherte, sowie die Stiftung Italia Futura von Ferrari-Chef Luca Cordero di Montezemolo. Auch vom Vatikan hat der Kandidat Monti bereits den Segen erhalten. Kardinal Angelo Bagnasco, Präsident der italienischen Bischofkonferenz, erklärte: „Über die Aufrichtigkeit und Fähigkeit von Mario Monti besteht eine breite Übereinstimmung. Man kann in der Politik verschiedene Meinungen haben, aber in diesem Fall hat es in Italien und auch im Ausland Anerkennung gegeben.“ Als dann durchsickerte, dass auch die Wahlliste der neuen Monti-Partei von di Montezemolo und der katholischen Organisation Sant’Egidio bezahlt worden sein soll, kam harsche Kritik. Der Herausgeber der Zeitung „La Repubblica“, Eugenio Scalfari, bisher auf Montis Linie, schrieb sich seine Enttäuschung von der Seele: „Lieber Monti, Sie haben sich sehr verändert. Bisher habe ich Sie immer für das sehr geschätzt, was Sie geleistet haben, aber in Ihrer jetzigen Rolle machen Sie mir Sorgen, und ich habe Angst davor, was Sie in Zukunft tun könnten, falls Sie den Pokal nicht gewinnen, ihn aber trotzdem für sich haben wollen.“ | Constanze Reuscher | Mit einer Twitter-Diskussion hat Italiens Premier Monti Kontakt zum Wahlvolk aufgenommen. Die Online-Offensive ist dringend notwendig: In Umfragen liegt der Technokrat nur bei 16 Prozent. | Politik | Ausland | 2013-01-06T16:40:56Z | 2015-10-05T17:04:00Z | Der "choosy" Twitter-Start von Professor Monti | https://www.welt.de//politik/ausland/article112432420/Der-choosy-Twitter-Start-von-Professor-Monti.html |
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Grüne Woche: Landwirtschaftsminister Schmidt wirbt für Tierwohllabel | Die Grüne Woche in Berlin hat begonnen. Rund 1600 Aussteller aus 66 Ländern stellen auf der Messe ihre Produkte vor. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt nutzte die Eröffnung, um für sein Tierwohllabel zu werben | WELT | Die Grüne Woche in Berlin hat begonnen. Rund 1600 Aussteller aus 66 Ländern stellen auf der Messe ihre Produkte vor. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt nutzte die Eröffnung, um für sein Tierwohllabel zu werben | 2017-01-20T10:45:21Z | 2022-05-11T23:44:47Z | Landwirtschaftsminister Schmidt wirbt für Tierwohllabel | https://www.welt.de//wirtschaft/video161351272/Landwirtschaftsminister-Schmidt-wirbt-fuer-Tierwohllabel.html |
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Warum man Menschen öfter sagen sollte, was man an ihnen mag | Im Rheinland spricht man das „ch“ oft wie ein „sch“ aus. Das ergibt den sympathischen Dialekt (verlinkt auf /themen/dialekte/) , den manche vielleicht von der Kunstfigur „Der Dennis (verlinkt auf https://der-dennis.com/) “ kennen. Böse Zungen behaupten, dass dieser Dialekt Angehörigen niedriger Bildungsschichten vorbehalten ist. Für mich ist diese Eigenart untrennbar mit meiner Freundin Linda verbunden. Linda hat beinahe schon alle Kontinente bereist, beherrscht das Einmaleins der Fotografie und erfüllt sonst alle Kriterien einer aparten Kosmopolitin. Wäre da nicht der Singsang in ihrer Stimme, der immer verrät, dass sie ein Kind des Rheinlandes ist. Ich mag Lindas herben Zungenschlag, weil er die schnörkellose Schönheit ihrer Seele unterstreicht. So wie sie spricht, ist Linda auch: nahbar, offen, direkt. Oft kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen, wenn Linda redet. Wenn sie das bemerkt, versucht sie „richtig“ zu sprechen (verlinkt auf /themen/redefreiheit/) . Ich sage ihr dann, dass sie das nicht braucht, weil ich mag, wie sie spricht. Linda erstaunt das, weil ihr das vor mir noch nie jemand gesagt hat. Alle Menschen um mich herum besitzen mindestens eine Eigenschaft, die ich schön finde. Und fast alle Menschen um mich herum wissen, was ich an ihnen schön finde. Schönheit ist komplex In den meisten Fällen besteht zwischen dem Schönen und dem Mögen eine Wechselbeziehung. Anscheinend mögen wir Dinge, die wir schön finden, und Dinge, die wir mögen, finden wir schön (verlinkt auf https://www.zeit.de/2017/21/psychologie-immanuel-kant-schoenheit-reflexhttps:/www.instagram.com/rodrigoalvesuk/?hl=de) . Ein Teil der Dinge, die wir schön finden, ist laut der Wissenschaft schon von Anfang an festgelegt: symmetrische Gesichtszüge, ein Lächeln oder Vogelgezwitscher. Allerdings können diese Dinge in anderen Situationen ziemlich unschön werden: Vogelgezwitscher am Morgen nach einer durchzechten Nacht, das Lächeln des Bösewichts im Film oder die symmetrischen Gesichtszüge des Real-Life-Kens (verlinkt auf https://www.instagram.com/rodrigoalvesuk/?hl=de) , der unzählige Schönheitsoperationen (verlinkt auf /icon/article131293691/Erbarmungsloser-Schoenheitswahn-in-Suedkorea.html) hinter sich hat. Außerdem mögen viele Menschen, was andere hässlich finden. Es muss also so was wie ein persönliches Schönheitsempfinden geben. Am-Max-Planck-Institut in Frankfurt (verlinkt auf https://www.aesthetics.mpg.de/) beschäftigt die Komplexität der Schönheit eine ganze Riege von Forschern. Auf nicht-wissenschaftlichem Terrain erscheint uns die Antwort auf die Frage, was schön ist und was nicht, ziemlich einfach. Schließlich treibt seit Jahrhunderten die Binsenweisheit „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ in sämtlichen Poesiebüchern ihr Unwesen. Im Alltag sind wir außerdem oft mit Situationen konfrontiert, die unser labiles Schönheitsempfinden nur allzu deutlich zur Schau stellen. Jeder kennt die frisch verliebte Freundin oder den frisch verliebten Freund, die bestimmte Dinge am neuen Partner (verlinkt auf /themen/partnerschaft/) , die in einem Paralleluniversum unbedeutend wären, schön finden: „Sie sagt immer ‚In der Früh‘! Ist das nicht super süß!?“ Ja, wirklich super süß. Natürlich finden wir auch alles schön, was genügend gehypt und von der Mehrheitsbevölkerung als schön befunden wurde. Nur allzu nachvollziehbar erscheint der Schockmoment, als Rihanna kürzlich dünne Augenbrauen wieder en vouge machen wollte (verlinkt auf /icon/beauty/article181225914/2000er-Trend-Hilfe-kommen-jetzt-die-Skinny-Brows-zurueck.html) . Viele Menschen wissen nicht, was liebenswert an ihnen ist Wenn Schönheit (verlinkt auf /themen/schoenheitswettbewerbe/) im Auge des Betrachters liegt, ist der logische Schluss, dass viele Menschen gar nicht wissen, was alles schön an ihnen ist. Deswegen fühlen sich viele Menschen von „ungewöhnlichen“ und spontanen Komplimenten erst einmal überrumpelt. Das liegt auch daran, dass spontane Liebeserklärungen – egal in welchem Verhältnis man zueinander steht – einen schlechten Ruf haben. Netten Worten lastet immer der Ruf an, Mittel zum Zweck zu sein. Im Deutschen gibt es dafür das tolle Verb „einschleimen“. Viele Menschen begegnen unverblümter Lobhudelei deshalb skeptisch. Anerkennende Worte gegenüber unseren Mitmenschen sind im Alltag folglich rar gesät. Natürlich ist nicht abzustreiten, dass die deutsche Mentalität zusätzlich eine gewisse Zurückhaltung im Umgang mit Mitmenschen diktiert. Wir ziehen Liebeserklärungen à la Sportfreunde Stiller (verlinkt auf /themen/sportfreunde-stiller/) einem Enrique Iglesias vor. Das ist eine Eigenschaft, die im Kontrast zum beispielsweise im arabischen Raum inflationär gebrauchten Wort für Schatz, „Habibi“, erfrischend ehrlich daherkommt. Denn im Arabischen kann jeder ein Schatz sein, der Kioskmann, die Oma oder das Haustier. Manchmal braucht es erst eine bestimmte Situation, damit sich herauskristallisiert, was Menschen überhaupt liebenswert (verlinkt auf /themen/liebe/) macht. Ich habe einen Freund, der auf allen möglichen Dingen – bevorzugt auf Glas – trommeln muss, um Geräusche zu machen. Als ich einmal sehr gestresst war und ihm mein Leid klagte, klopfte er während des ganzen Gesprächs auf das vor ihm stehende Glas. Andere wären ihm an die Gurgel gesprungen, mich beruhigte es. Ich verknüpfe das Trommeln meines Freundes unterbewusst immer mit seinem gelassenem Wesen. So wie ich den rheinischen Dialekt meiner Freundin mit ihrer direkten und offenen Art verknüpfe. Es gibt viele solcher zunächst unscheinbaren Eigenschaften an meinen Mitmenschen, die ich zu schätzen gelernt habe: die Eigenart einer Freundin, mit ihren Haaren zu spielen, wenn sie spricht, das schiefe Lächeln eines Freundes, wenn er einen gemeinen Witz gemacht hat, und mein Vater, der auf einfache Fragen Referate hält, die jeden Philosophie-Dozenten alt aussehen lassen. Um all diese liebenswerten Eigenschaften als solche anzuerkennen, muss man achtsam sein. Wir sind meistens achtsam (verlinkt auf /themen/achtsamkeit/) bei Menschen, die wir mögen. Wenn wir jemandem sagen, dass wir etwas Bestimmtes an ihm schön finden, ist es zugleich ein Zugeständnis an seine Wichtigkeit in unserem Leben, denn wieso sollten uns sonst Kleinigkeiten so im Kopf hängen bleiben? Es müssen nicht immer Kleinigkeiten sein. Die Eigenschaften werden nicht weniger liebenswert, wenn sie nicht so unscheinbar sind oder der wissenschaftlichen Auffassung von Schönheit entsprechen. Wichtig ist, klarzustellen, was diese Eigenschaft in unserer individuellen Lebensrealität so wertvoll und unentbehrlich macht. Dafür müssen wir in uns hineinhorchen und uns fragen, wieso wir einen bestimmten Menschen mögen. Meistens ist die Antwort zu trivial, zu schnörkellos, um sie anderen mitzuteilen. Unvergessen bleibt die Notiz eines Schulkindes für seine Mutter, auf der er schreibt: „Ich liebe dich, weil du mir Essen machst und ich nicht sterben muss.“ (verlinkt auf https://www.mirror.co.uk/news/weird-news/12-hilarious-letters-from-children-5102656) Zwischen den Zeilen lesen wir, dass er seine Mutter liebt, weil sie ihm Geborgenheit schenkt. Wenn man den Worten treu bleibt, die einem durch den Kopf gehen, wenn man an einen Menschen denkt, ist jemandem sagen, was man an ihm mag, kein Einschleimen, sondern eine Würdigung seiner Person. Der Schriftsteller Ernest Hemingway (verlinkt auf /themen/ernest-hemingway/) sagte einst, dass nur ein wahrer Satz ein richtiger ist. Und was könnte wahrer sein als etwas, das von Herzen kommt? Folgen Sie uns unter dem Namen ICONISTbyicon auch bei Facebook (verlinkt auf https://www.facebook.com/ICONISTbyicon/?fref=ts) , Instagram (verlinkt auf https://www.instagram.com/iconistbyicon/) und Twitter (verlinkt auf https://twitter.com/ICONISTbyicon) . | Nada Assaad | Unsere Haustiere loben wir in den höchsten Tönen. Bei Menschen sind wir mit netten Worten sparsamer. Deshalb sagt unsere Autorin Familie und Freunden genau, was sie an ihnen mag. Ein Plädoyer für mehr Komplimente. | Iconist | Partnerschaft | 2018-10-16T05:10:58Z | 2018-10-17T10:00:04Z | „Ich liebe dich, weil du mir Essen machst“ | https://www.welt.de//iconist/partnerschaft/article182096908/Warum-man-Menschen-oefter-sagen-sollte-was-man-an-ihnen-mag.html |
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Lkw lenkt selbst: Daimler macht den Brummifahrer überflüssig | Die A 14 bei Magdeburg ist an diesem Donnerstagvormittag wie leergefegt – bis auf den schweren Lastwagen, der gemächlich die Fernstraße entlangrollt. Am Steuer sitzt Hans, und der Ausdruck passt perfekt. Denn mehr als dort zu sitzen, tut der erfahrene Fernfahrer nicht. Hans schaut aus dem Fenster, legt die Hände entspannt in den Nacken, tippt auf seinem Tablet herum. Und das, während der 40-Tonner über die Straße donnert. Das Fahrzeug denkt und lenkt selbst und macht Hans zu einem Geisterfahrer, der allenfalls noch kontrolliert. Möglich ist das, weil Hans im weltweit ersten Lkw unterwegs ist, der keine Fahrer mehr braucht, der völlig autonom fahren kann. Daimler (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/daimler/) hat den Super-Lastwagen entwickelt, und Truckchef Wolfgang Bernhard ist sicher: „Dieser Lkw wird den Güterverkehr revolutionieren.“ Das klingt nach Pathos. Doch Lastwagen, die bereits heute auf Autobahnen von intelligenten Assistenzsystemen wie dem neuartigen „Highway Pilot“ gesteuert werden, sorgen für geringeren Kraftstoffverbrauch und damit für weniger Schadstoffausstoß. Sie helfen, die Zahl der Unfälle zu reduzieren und schützen so Menschenleben. Intelligente Assistenten verhindern Staus Sie sorgen dafür – in Mengen eingesetzt – dass der Verkehr besser fließen kann. Das hat weniger Staus zu Folge, außerdem werden Verkehrsflächen besser genutzt. Für Stadtplaner würden sich dadurch ganz neue Möglichkeiten ergeben. Zuletzt sinken durch die Selbstfahrer die Kosten der Spediteure. Im allerbesten Fall könnte das bedeuten, dass die Preise für die Endverbraucher langsamer steigen. Und der Job des Fernfahrers, längst nicht gerade besonders beliebt, könnte attraktiver werden. Das würde den Nachwuchsmangel in der Truckerzunft mildern, der den Spediteuren ziemlich zusetzt. Doch dieses Bündel von Effekten ist noch Zukunftsmusik. Zunächst gibt es einen Lkw, der auf Autobahnen bis maximal 80 Stundenkilometer durch Assistenzsysteme so hochgerüstet ist, dass der Fahrer nicht mehr eingreifen muss. Fernfahrer Hans muss das vor den Tribünen an dem gesperrten Autobahnstummel, auf dem das Publikum dieser Weltpremiere sitzt, in verschiedenen Situationen beweisen. Ein defektes Auto, das die Fahrbahn versperrt, wird herbeigeschafft und das Lkw-Display meldet „Liegenbleiber voraus, Fahrzeug wird umfahren“. Was dann auch passiert. Hans döst derweil. Beim Überholen muss der Fahrer selbst Hand anlegen Dann sichten die Kameras und Sensoren, mit denen sein Truck gespickt ist, einen Schwertransporter auf der Strecke vor ihm. „Langsames Fahrzeug voraus, 60 km/h“, blinkt es auf der Anzeige. Der Truck bremst ab, Hans surft derweil im Internet. Er könnte jetzt auch überholen, dafür muss der Fahrer selbst Hand anlegen, so will es das Gesetz. Als ein Polizeiwagen mit Blaulicht angerast kommt, macht der Laster brav mit beim Bilden einer Gasse, und zuletzt sucht das System schon mal einen Parkplatz für die Nacht und reserviert den Rastplatz. „Am Anfang war das unheimlich, aber man gewöhnt sich schnell dran und fasst Vertrauen“, sagt Trucker Hans. Möglich ist all das, weil der Lkw mit einem Paket von Assistenten ausgestattet ist, die ihn lenken und leiten. Für Pkw gibt es das bereits, die neue S-Klasse verfügt über mehr als 20 dieser Assistenten. Und die Prototypen von Google (verlinkt auf /wirtschaft/webwelt/article128489403/Google-baut-Auto-ohne-Lenkrad-und-Gaspedal.html) oder Nissan können längst ohne Eingreifen des Menschen lange Distanzen zurücklegen. Dass nun aber auch Lastwagen wie ferngesteuert fahren können, ist neu. Hoher Anspruch an Fahrbahnmarkierungen Als Daimler-Chef Zetsche die neue, intelligente S-Klasse vorstellte, hatte er verkündet: „Am Anfang stand die Idee der Kutsche ohne Pferde, und nun haben wir die erste Kutsche ohne Kutscher.“ Um in diesem Bild zu bleiben: Jetzt gibt es das erste Fuhrwerk ohne Kutscher. Spurhalte-, Brems-, Abstand- oder Parkassistenten steuern bei der Lkw-Weltpremiere den Actros, einen der schwersten Lkw, den der weltweit größte Lastwagenbauer Daimler im Angebot hat. Die Systeme sind mit 3-D-Karten bestückt, sie können so das Gelände hinter Kurven, Hügeln und Hindernissen sehen und daher die Verkehrssituation erfassen und Gefahren erkennen, lange bevor der Mensch dazu in der Lage wäre (verlinkt auf /motor/article127809051/Kuenstliche-Augen-machen-das-Autofahren-sicherer.html) . Natürlich muss die Infrastruktur dafür stimmen. Der Pilot orientiert sich an den aufgemalten Fahrstreifen, fehlen die, ist das System blind. Markierungen in orange bei Baustellen zum Beispiel sind eine echte Herausforderung für das System. Und unleserliche Verkehrszeichen, sei es durch Schnee oder Schäden, können es völlig ausbremsen. Die Sensoren und Kameras erlauben dem „Highway Pilot“ praktisch einen Rundumblick, das Blickfeld ist 20 Prozent größer als das eines menschlichen Fahrers. Und die Systeme reagieren bei nötigen Manövern blitzschnell – anders als oft genug der Mensch. „Wir wissen, dass 30 Prozent der Autounfälle deshalb passieren, weil der Fahrer abgelenkt ist“, sagt Bernhard. In Zukunft dürfen sich die Fahrer ablenken lassen – und sind dennoch sicher unterwegs. Serienreife wird erst in einigen Jahren erreicht Was Daimler da präsentiert hat, ist zwar noch lange nicht serienreif. „Der ,Highway Pilot’ ist eine seriennahe Studie, keine Spielerei. Aber es wird keine Studie bleiben“, kündigte Bernhard an. 2025 könnten die ersten in Serie damit ausgestatteten Lkw von Daimler vom Band rollen, kündigt der Truckchef an. Wenn die Voraussetzungen dafür stimmen, und das ist derzeit nicht der Fall. Noch dürfen zumindest in Europa Fahrzeuge nicht ausschließlich autonom unterwegs und überwiegend von Systemen gesteuert sein. Noch muss der Fahrer ständig präsent bleiben und die Kontrolle über das Fahrzeug behalten – Assistent hin oder her. Und das völlig fahrerlose Fahrzeug ist zumindest auf Langstrecken und bei höheren Geschwindigkeiten auf lange Sicht Utopie. Schon aus versicherungsrechtlichen Gründen muss noch lang ein Mensch als „letzte Instanz“ an Bord sein. Doch jetzt geht es in einem ersten Schritt darum, die Fernfahrer deutlich zu entlasten. Der soll seinen Truck nicht länger monoton über die Straßen lenken, sondern Zeit für andere Dinge gewinnen. Indem er den Stuhl wie von Fahrer Hans demonstriert zur Seite neigt und Abrechnungen macht, während der Pilot lenkt. Oder mit der Familie telefoniert oder die Planung für die nächsten Einsätze macht. Der Trucker-Job wird sich ändern „Für Fernfahrer sind so Aufstiegsmöglichkeiten von der reinen Fahrtätigkeit zum Transportmanager denkbar“, so Bernhard. Der Daimler-Vorstand sorgt sich um die Trucker-Branche, weil die Spediteure, seine Kunden, es tun. Es fehlt an Fahrern, in den kommenden zehn Jahren sind schon aufgrund steigender Gütermengen bis zu 200.000 zusätzliche Fernfahrer nötig, doch dem Fuhrgewerbe mangelt es schon jetzt überall an fahrendem Personal. Einer vom Technikzulieferer ZF Friedrichshafen und der Zeitschrift „Fernfahrer“ in Auftrag gegebenen Untersuchung zufolge starten jährlich 15.000 neue Lkw-Fahrer in den Job. Benötigt würde die doppelte Zahl, um Renteneintritt, Fluktuation und wachsende Transportmengen auszugleichen. Doch Daimler verspricht sich von fahrerlosen Lastwagen – wie auch bei den Pkw – einen deutlich sinkenden Spritverbrauch. Assistenzsysteme beschleunigen und bremsen vorausschauender als Menschen. „Das bedeutet, dass ein Laster, der mit dem ,Highway Pilot’ unterwegs ist, fünf Prozent weniger Treibstoff braucht als ein herkömmlicher“, sagt Bernhard. Und wenn vorausschauender gefahren wird, die Systeme außerdem erhöhtes Verkehrsaufkommen früh erkennen – durch Meldungen von anderen Fahrzeugen, die in Zukunft ja alle vernetzt sein sollen – sinkt die Zahl der Staus. Und damit erneut der Spritverbrauch. „2012 hatten wir in Deutschland Staus in einer Länge von 600.000 Kilometern. Das bedeutete zwölf Milliarden Liter Treibstoff zusätzlich und 30 Millionen Tonnen CO 2 , die in die Luft geblasen wurden“, so Bernhard. Vom nervtötenden Zeitverlust erst gar nicht zu reden. Autopiloten nutzen Platz auf den Straßen besser Fahrerlose Lastwagen könnten auch ein Segen für die ohnehin kaum mehr bezahlbare Verkehrsinfrastruktur in Deutschland sein. Weil autonome Autos selbstständig den Abstand nach vorn und zur Seite halten, finden auf demselben Raum mehr Fahrspuren Platz. Das heißt, man müsste die Straßen nicht weiter im bisherigen Tempo ausbauen, was angesichts der erwarteten stark steigenden Zahlen von Autos und Güterverkehr unausweichlich ist. Allein für Deutschland prognostiziert das Verkehrsministerium eine Steigerung des Güterverkehrs von heute 3,7 Milliarden auf fast 5,5 Milliarden Tonnen im Jahr 2050. Und legt man den Fokus nicht auf den Straßenerhalt und -ausbau, ergäben sich durch eine bessere Ausnutzung der Verkehrswege in den Städten ganz neue Möglichkeiten der Planer. Man könnte am Ende bisherige Verkehrsflächen punktuell zurückbauen und für ein lebenswerteres Umfeld nutzen. Technisch gesehen ist der flächendeckende Einsatz von Autos, die Fahrer nicht mehr als ständige Lenker brauchen, keine Utopie. Während Daimler an den Lastwagen tüftelt, arbeitet BMW (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/bmw/) an ähnlichen Assistenten bei Pkw. VW (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/vw/) und Audi (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/audi/) zeigen auf Messen autonome Prototypen. Alleine Googles Roboterfahrzeuge haben bereits rund eine Million unfallfreie Kilometer auf dem Zähler. Sind autonome Autos unter sich, läuft alles überraschend glatt. Wer aber haftet, wenn es zum Unfall kommt? Die Hürde für die Autos der Zukunft ist immer weniger die Technik, sondern zunehmend der Mensch. Oder eher: seine Gesetze. Bislang durfte man Assistenten nur dann im Auto einsetzen, wenn der Menschen stets die volle Kontrolle behielt – und zum Beispiel die Hände am Steuer. Jüngst hat immerhin ein Expertenausschuss der Vereinten Nationen (UNO) die Wiener Konvention für den Straßenverkehr ergänzt. (verlinkt auf /wirtschaft/article128095552/UN-revolutionieren-Strassenverkehrsregeln-von-1968.html) Bisher stand Artikel 8 der Konvention von 1968, mit der Straßenverkehrsregeln weltweit vereinheitlicht werden, der neuen Technik entgegen. „Jeder Führer muss dauernd sein Fahrzeug beherrschen oder seine Tiere führen können“, lautet die Vorgabe, die für Autos genauso wie für Pferdegespanne oder Ochsenkarren gilt. Nun wurde festgelegt, dass Systeme zum automatisierten Fahren zulässig sind, wenn sie jederzeit vom Fahrer gestoppt werden können. Doch es ist zum Beispiel weiter unklar, wer bei einem Unfall mit einem autonom fahrenden Auto haftet. (verlinkt auf /regionales/hamburg/article127097621/Wenn-Autos-selbststaendig-durch-die-Strassen-kurven.html) Der Hersteller des Autos, des Systems oder doch der Fahrer? Niemand hat darauf bislang eine Antwort. Und auch, was die neuen Assistenzsysteme bei den Lkw von Daimler kosten, steht noch lange nicht fest. „Das sehen wir, wenn die Modelle vor der Markteinführung stehen, wir haben also noch viel Zeit“, sagt Bernhard. Hoffentlich können sich die Spediteure die hochgerüsteten Hightech-Trucks dann auch leisten. | Nikolaus Doll, Magdeburg | Die Schwaben haben den ersten Lkw gebaut, der ohne Fahrer funktioniert. Das bedeutet weniger Unfälle, weniger Spritverbrauch und geringere Kosten für Spediteure – wenn eine große Hürde genommen wird. | Wirtschaft | 2014-07-03T18:14:51Z | 2015-09-21T14:23:53Z | Daimler macht den Brummifahrer überflüssig | https://www.welt.de//wirtschaft/article129762159/Daimler-macht-den-Brummifahrer-ueberfluessig.html |
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Gaudi in Braunlage: Rekord beim Nacktrodeln – 17.000 Besucher an Piste | Helm, Stiefel, Handschuhe und ein knapper Slip - mehr durften die Teilnehmer des Nacktrodel-Wettbewerbs in Braunlage nicht am Körper tragen. Trotz minus fünf Grad war den 13 Frauen und den 13 Männern, die auf Schlitten in unterschiedlichsten Techniken die 90 Meter lange Piste hinunter rasten, aber offensichtlich nicht kalt – ihnen wurde eingeheizt von Zuschauermassen, von denen „echte“ Rennrodler nur träumen können. Etwa 17.000 Besucher drängten sich an der Piste auf der Braunlager Rathauswiese. „Rekord“, jubelte André Gierke vom Sender „89.0 RTL“, der die freizügige Wintersport-Veranstaltung im Oberharz zum dritten Mal ausrichtete. „Das Nacktrodeln hat sich zu einem absoluten Zuschauer-Magneten entwickelt“, freute sich auch Braunlages Tourismus-Chef Christian Klamt. Vor allem junge Menschen aus ganz Nord- und Mitteldeutschland, aber auch Gäste aus Österreich, den Niederlanden und sogar aus den USA zog es in den sonst eher für sein älteres Publikum bekannten Ferienort unterhalb des Wurmberges. Sie standen dicht gedrängt an der aus Kunstschnee in Handarbeit hergerichteten Strecke und bejubelten lautstark die Akteure. Als Sieger des Nacktrodelns konnte sich am Abend der 24-jährige Gunnar („der aufgeschlossene Kfz-Techniker“) Kaufhold aus dem nordthüringischen Keffershausen und als Zweiter der Vorjahressieger Christian Schmidt (27) aus Blankenburg feiern lassen. Als Dritte war die 19-jährige Jaqueline Fischer aus Weimar („die musikalische Sozialassistentin“) die beste Frau im zeigefreudigen Starterfeld. Nach der Siegerehrung feierten die Gäste weiter. „Friedlich und laut“, befand Bürgermeister Grote. „Es gab zwar Radau, aber keine Randale“. Das vierte Nacktrodeln, so verkündete der Veranstalter, ist für 2012 schon fest eingeplant. | WELT | Der Nacktrodel-Wettbewerb feierte 2011 einen Besucherrekord: 17.000 Leute sahen zu, als fast unbekleidete Frauen und Männer die Piste herunterflitzten. | Vermischtes | 2011-02-19T20:12:03Z | 2015-10-03T14:26:52Z | Rekord beim Nacktrodeln – 17.000 Besucher an Piste | https://www.welt.de//vermischtes/article12594801/Rekord-beim-Nacktrodeln-17-000-Besucher-an-Piste.html |
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Quiz-Show: Pocher stichelt, Jauch rätselt, die Rocker kassieren | Die eine große Frage im deutschen TV-Geschäft, an der anscheinend niemand vorbeikommt – sie darf auch in der neuen, mittlerweile siebten Folge von „5 gegen Jauch“ nicht fehlen: Ob er denn nun „Wetten, dass..?“ moderieren werde, fragt Comedian Oliver Pocher Jauch gleich zu Beginn der Sendung. Der weicht der Frage, die so ernst wohl ohnehin nicht gemeint war, aus – wie auch den Sticheleien, die Pocher gegen Jauchs Sonntagabend-Talk bei der ARD folgen lässt. Diese ersten Minuten mit einem pöbelnden Pocher und einem wortkargen Jauch sind symptomatisch für eine Show, die nach einem Relaunch mit veränderten Regeln im Februar diesen Jahres noch ein wenig nach Konzept und Zielgruppe zu suchen scheint – den Seitenhieb auf „Wetten, dass…?“ hatte Pocher übrigens schon damals angebracht. Ob RTL die Aufregung vermitteln will, die das in Knallrot gehaltene Studio mit seinen zackigen Formen signalisiert oder ob Jauchs seriöses Image die Zuschauer locken soll, bleibt offen. Und Oliver Pocher – im Grunde allzu offensichtlich als Gegenpart zu Jauch gesetzt, wie einst auch zu Harald Schmidt (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/harald-schmidt/) – scheint sich nicht entscheiden zu können, ob er sich einfach nur locker geben oder richtig klamaukig sein soll. Die Produzenten indes haben sich scheinbar bislang noch nicht ganz entschieden, ob man eine geradlinige Quizshow machen will oder einen an „Schlag den Raab“ angelehnten Event mit intellektuellem Anstrich. Zumindest wird es nicht wirklich deutlich. Ein wenig von alledem, so wirkt es. Und nichts so richtig. Die netten Rocker von nebenan Die Auswahl der Kandidaten, die im Team jeweils dieselben Fragen beantworten müssen wie Günther Jauch (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/guenther-jauch/) , ist von Anfang an vielversprechend: Ein Rocker-Trupp kündigt sich an, im Einspielfilm mit gestreckten Fäusten, Sonnenbrillen und den obligatorischen Kutten vorgestellt. Nur, dass diese Rocker von dem Club „Die Kobras“ vom Niederrhein kommen. Einem Mofa-Club. „25 km/h Freiheit“ steht auf ihren Jeans-Westen, der Präsident ist ein schmal gebauter junger Mann mit Brille. Alles an diesen Jungs sagt: Keine Angst, die wollen nur spielen. Am ehesten dem Rocker-Klischee entspricht rein äußerlich noch August Seif, ein bulliger Typ mit Glatze und Backenpart. „Den hab ich mir extra für heute wachsen lassen“, sagt er grinsend. Seif ist studierter Sozialpädagoge. Die erste Frage nach etwas, das tatsächlich in manchen Gesichtern zu beobachten sei (die sogenannten „Marionettenfalten“) beantworten sowohl Jauch als auch „Die Kobras“ falsch. Die anfänglichen der insgesamt 12 Runden sind vor allem bei den Rockern vom Niederrhein von Nervosität gekennzeichnet. Trotzdem können „Die Kobras“ sich schnell einen kleinen Vorsprung erspielen. Der Gewinn pro Frage steigt kontinuierlich an, der Schwierigkeitsgrad seltsamerweise kaum. Oft, wenn es etwa um ein Element der Aufnahmeprüfung an der Sporthochschule Köln geht (Klimmzüge) oder um eine astronomische Besonderheit des Monats Februar (in dem unter bestimmten Umständen kein Vollmond vorkommt), liegen Jauch und seine Gegenkandidaten alle richtig. Bei der Auflösung der jeweils richtigen Antworten setzt RTL allzu oft auf kleine Albernheiten, die lang genug sind, um zu irritieren, aber zu kurz, um das überlange Format wirklich aufzulockern. Oliver Pocher streift sich zur Beantwortung der Sporthochschul-Frage ein Stirnband und ein schulterfreies, pinkes Top über, versucht sich an Klimmzügen und legt seine schrille Montur bis zur folgenden Werbepause nicht mehr ab. Den Tiefpunkt bildet ein grotesker Auftritt von Kobra Ben Perdighe, der in seiner Freizeit gerne schmalziges deutsches Liedgut parodiert. Das Publikum rettet den Abend Doch je weiter das Spiel fortschreitet, desto stärker ähnelt es „Wer wird Millionär?“ Joker werden ausgespielt, und die Interaktion mit dem Publikum sorgt für die lustigsten Momente des Abends: Ein Telefonjoker, der hier nicht von den Kandidaten, sondern von einer Person aus dem Saalpublikum bestimmt wird, legt ganze drei Mal auf, weil er sich auf den Arm genommen glaubt – egal, ob Oliver Pocher oder Günther Jauch am anderen Ende der Leitung ist. Bei der letzten Frage darf der Einsatz selbst bestimmt werden, nur der Gewinner erhält am Ende das erspielte Geld. „Die Kobras“ liegen mit 114.000 Euro weit vor Jauch, doch gerade das macht sie unsicher. Man einigt sich auf einen Einsatz von 4000 Euro und geht mit 118.000 nach Hause, weil Perdighe, von Beruf Gärtner, den fraglichen Begriff „Bhut Jolokia“ richtig als Chili identifiziert. Jubel, Glitter, und kurz vor Ende der Sendung noch einmal neue Kandidaten. Wohl als Kontrapunkt zum Testosteron-Überschuss der ersten Spielrunde sitzen Jauch nun fünf Kolleginnen aus der Kosmetikabteilung eines Freiburger Kaufhauses in strengem Schwarz gegenüber. Nur zwei Fragen werden gespielt, bis Pocher die Zuschauer auf den 23. Dezember vertröstet. Doch sie genügen, um zu zeigen, wie das Konzept aufgehen könnte: Während „Die Kobras“ trotz wiederholter Versuche des Moderators, einen Dialog anzustiften, meist kumpelhaft vor sich hingrummelten, bevor sie ihre Antwort abgaben, entspinnt sich bei den „Duftdüsen“ eine Diskussion, alle stehen umeinander, der Entscheidungsprozess wird nachvollziehbar. Mehr Mut zum Quiz würde „5 gegen Jauch“ guttun. Und mehr Mut zur Kürze. | Tim Slagman | Fünf Rocker vom Mofa-Club "Kobras" lassen Günther Jauch alt aussehen und gewinnen 118.000 Euro. Der eigentliche Verlierer ist aber die Show selbst. | Fernsehen | 2011-11-26T10:08:34Z | 2015-09-01T11:39:35Z | Pocher stichelt, Jauch rätselt, die Rocker kassieren | https://www.welt.de//fernsehen/article13736616/Pocher-stichelt-Jauch-raetselt-die-Rocker-kassieren.html |
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Online-Partnersuche: Wie Männer bei der digitalen Balz betrügen | Deutschlands Talkmaster reißen sich um sie: In Kürze wird Judith Alwin sowohl bei „Johannes B. Kerner“ (ZDF) als auch bei „Tietjen und Dibaba“ (NDR) auftreten. Das Interesse an der Hamburgerin kommt nicht von ungefähr. Alwin gilt als Liebe-per-Mausklick-Expertin und hat eine Menge über Online-Partnersuche zu erzählen. Und dieses Thema interessiert die Deutschen: Laut einer Emnid-Studie belegt das Internet heute schon den dritten Rang der erfolgreichsten Kennenlern-Plätze – gleich hinter Arbeitsplatz und Freundeskreis. Die 47-Jährige ist durch Selbstversuch zur Fachfrau geworden. Drei Jahre lang suchte sie im virtuellen Raum nach der realen Liebe. Die vielen lustigen Dinge, die sie am Computer erlebte, hat Judith Alwin aufgeschrieben. Daraus ist das Buch „Ins Netz gegangen“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, 12,90 Euro) entstanden. Neben schrägen Anekdoten gibt die Autorin Tipps und verrät die Tricks und Maschen der Männer im Internet. Über die Tricks der Frauen erfährt man leider nichts. „Die Hauptarbeit bei der Suche nach dem richtigen Mann bestand für mich erst einmal darin, die unseriösen Leute, die nur Spaß haben wollten, auszusortieren“, sagt die in Dinslaken (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/dinslaken/) geborene Rheinländerin, die seit acht Jahren im Hamburger Stadtteil Winterhude lebt. Viele Männer würden schwindeln: „Zum Beispiel machen sie sich jünger und schlanker, als sie sind, oder stellen ein zehn Jahre altes Foto ins Internet.“ Dann würden sie darauf hoffen, „dass sich die Frau beim realen Treffen in ihren tollen Charakter verlieben und über die äußerlichen Fehler hinwegsehen“. Aber das funktio-niere nicht. „Das ist eine Todsünde“, sagt Alwin. Wer eine Partnerin im Netz gewinnen will, sollte vor allem ehrlich sein. Judith Alwin ist eine attraktive Erscheinung, von der man nicht unbedingt erwarten würde, dass sie sich in der Anonymität diverser Internet-Plattformen verstecken muss. Die studierte Wirtschaftsinformatikerin arbeitete als Model für namhafte Modefirmen, bevor sie mit eigenen Reportagen über Schönheitsthemen als Journalistin tätig wurde. Warum also suchte die Schöne einen Mann im Netz? „Mich spricht keiner an, wenn ich unterwegs bin“, klagt Judith Alwin. „Im Internet sind die Männer offensichtlich sehr viel mutiger. Und wenn ich jemanden auf freier Wildbahn anspreche, fällt der fast hintenüber. Das habe ich auch schon probiert, dann wirke ich wohl zu forsch.“ Das Ex-Model lacht und streicht sich eine Strähne aus der Stirn. Na ja, glauben wir es ihr mal… Wer von der Lektüre tiefer gehende Einsichten erwartet als die bekannte Tatsache, dass eine große Diskrepanz zwischen Sein und Schein im Internet herrscht, der braucht die 350 eng bedruckten Seiten nicht zu lesen. Spaß allerdings macht das Studium der original wiedergegebenen Fragen und Antworten ihrer virtuellen Flirts. Da mag mancher Internet-Don-Juan froh sein, wenn er sich nicht selbst im Buch wiederfindet. Aber keine Angst: Die Namen der Flirtpartner wurden geändert. Im Netz ist Schein wichtiger als Sein Übrigens hat sich die Suche für Judith Alwin (verlinkt auf http://www.judith-alwin.de) doch noch gelohnt. Gerade rechtzeitig vor der Veröffentlichung ihres Buches, in dem Hunderte von virtuellen Kontakten und etwa 50 Dates im realen Leben beschrieben werden, ging ihr vor drei Monaten ein Mann aus dem Netz ins Netz. Andreas, ein 45-jähriger Unternehmensberater aus Hamburg (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/hamburg-staedtereise/) , ist jetzt ihr Mr Right. „Es war eine lange, aber lehrreiche und auch schöne Zeit im Internet. Ich habe dabei eine Menge über mich selbst gelernt“, sagt sie. Na, bitte, immerhin. Ob nun geschickte Vermarktung, Therapie oder reine Nabelschau: Judith Alwin liefert den Beweis, dass man trotz der Gefahren, die im virtuellen Dschungel lauern, auf der Suche nach dem Traumpartner im World Wide Web nicht ohne Hoffnung bleiben muss. | Günter Fink | Das starke Geschlecht täuscht und lügt, dass sich die Tastaturen biegen. Diese Erfahrung hat zumindest das Model Judith Alwin gemacht. Drei Jahre lang suchte die Frau im Netz nach einem Traumprinzen. Dabei herausgekommen ist ein amüsanter Bericht über digitales Balzverhalten – und die große Liebe. | Regionales | Hamburg | 2008-11-08T11:53:30Z | 2012-05-02T15:14:11Z | Wie Männer bei der digitalen Balz betrügen | https://www.welt.de//regionales/hamburg/article2692680/Wie-Maenner-bei-der-digitalen-Balz-betruegen.html |
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Corona-Lockdown: NRW schickt Schüler ab Montag in den Distanzunterricht | Für die meisten der 2,5 Millionen Schüler in Nordrhein-Westfalen findet nach den Osterferien kein Unterricht mehr in den Klassenräumen statt. Ab Montag werde es wieder Distanzunterricht geben, sagte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Donnerstag. Für Abschlussklassen wird es Ausnahmen geben. Mediziner hätten im Rahmen der Kultusministerkonferenz (verlinkt auf https://www.welt.de/politik/deutschland/article229937101/Unterricht-trotz-Corona-Einheitliche-Regeln-an-Schulen-gefordert.html) bestätigt, dass das Infektionsgeschehen bei Kinder und Jugendlichen zunehme. Gebauer betonte aber: „Die Schulen sind keine Treiber der Pandemie.“ Die Vorgabe gilt zunächst bis zum 16. April. Die Abiturprüfungen sollen planmäßig am 23. April mit dem Fach Englisch starten. Am Mittwoch hatte Ministerpräsident Armin Laschet bei einem Auftritt an einem Impfzentrum noch davon gesprochen, dass die Schulen am Montag mit Wechselunterricht wieder eröffnen. Laschet verwies auf die Pflicht zu zwei Corona-Schnelltests pro Woche. „Die Schulen werden nur öffnen, wenn überall das Testen funktioniert“, sagte der Ministerpräsident. Am Mittwochnachmittag stellte sich dann heraus, dass sich die Auslieferung der Schnelltests an die Schulen (verlinkt auf https://www.welt.de/regionales/nrw/article229958733/Corona-Tests-an-Schulen-Lieferungen-in-NRW-verzoegern-sich.html) von Donnerstag auf Freitag verzögert. In einem Erlass der Ministerien für Schule und Kommunales an die Schulleitungen heißt es, Grund für die Verschiebung der Anlieferungen sei ein erhöhter Zeitbedarf bei der Zusammenstellung der Sendungsinhalte. Der Wechselunterricht war in den beiden Wochen vor den Osterferien als Schritt hin zu mehr Präsenzunterricht angeordnet worden. Allerdings hatten mehrere Kreise auf einen Aufschub wegen steigender Infektionen gedrungen. Die Landesregierung gab dem in Einzelfällen statt. | WELT | Nordrhein-Westfalen verschärft die Corona-Beschränkungen wieder: Ab Montag sollen Millionen Schüler erneut zu Hause lernen. Ausnahmen gibt es nur für Abschlussklassen. Noch am Mittwoch hatte Ministerpräsident Laschet eine Öffnung mit Schnelltests in Aussicht gestellt. | Politik | Deutschland | 2021-04-08T15:42:00Z | 2021-04-08T15:25:11Z | NRW schickt Schüler ab Montag in den Distanzunterricht | https://www.welt.de//politik/deutschland/article229998061/Corona-Lockdown-NRW-schickt-Schueler-ab-Montag-in-den-Distanzunterricht.html |
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Kriminalität: Milliardengeschäft Medikamenten-Schmuggel | Thorsten Schreiner (Name geändert) fischt ein Päckchen aus dem Postsack. Offenbar handelt es sich um eine Büchersendung. Doch der Zollbeamte ist misstrauisch geworden, weil die Röntgenaufnahme auf dem Monitor vor ihm eine „irgendwie auffällige Struktur“ zeigt. Schreiner nimmt das unauffällige Päckchen genauer in Augenschein. Der Absender stammt aus Indien. Für den Zöllner ist das ein weiteres Indiz, dass es sich um Medikamentenschmuggel handeln könnte. Mit einem Teppichmesser schlitzt er die Sendung auf und zieht ein in Folie eingeschweißtes Buch heraus. Als er das Zellophan entfernt und das Büchlein aufklappt, bestätigt sich sein Verdacht: Im ausgehöhlten Innenraum des Buches entdeckt Schreiner insgesamt 120 Pillen, die laut Aufdruck den Wirkstoff Finasterid enthalten. Der wird gegen Haarausfall und die Vergrößerung der Prostata eingesetzt, erschwert zugleich aber den Nachweis von Anabolika – und ist deshalb von der Welt-Antidopingagentur verboten. Die kuriosesten Verstecke Weder ein Einzelfall noch ein Zufallsfund. Schreiner und seine 65 Kollegen des Zolls im Internationalen Postzentrum am Frankfurter Flughafen haben ein Gespür für verbotene Sendungen. „90 Prozent der gefälschten Medikamente stammen momentan aus Indien“, erläutert Zollhauptsekretär Marcus Redanz, zuständiger Sachbearbeiter für den Bereich „Verbote und Beschränkungen“, der außer Arzneimittel auch Waffen, Sprengstoffe, pornografisches Material sowie rechtsradikale Propaganda umfasst. Dabei tüfteln die Schmuggler die kuriosesten Verstecke aus. „Einmal hatten wir eine Mini-Stereo-Anlage, die war innen komplett hohl und mit 500 Anabolika-Ampullen bestückt. Raffiniert waren auch die Wasserflaschen, die zwei Innenwände aufwiesen, genau in Höhe der Etikettränder. Im Hohlraum hinter dem Etikett war Rauschgift verborgen. Medikamente und Betäubungsmittel finden Sie auch in Bonbons, Schuhen, Seife, im Shampoo, eingenäht in Textilien und sogar in Laufrädern für Kinder“, berichtet Schreiner. Waren im Wert von 425 Mio Euro Doch so listig die Medikamentenschmuggler auch sind – immer wieder kommen ihnen die Zöllner vom Frankfurter Flughafen auf die Spur. „Sehen Sie selbst“, erklärt Zollhauptsekretär Schreiner und deutet auf den Monitor. „Das hier ist eine Ladung Zahnpasta aus Lagos.“ Auf dem Monitor ist das Röntgenbild einer umfangreichen Warensendung zu sehen. „Organische Stoffe sind orange, Metalle blau. Aber hier ist nur der obere Bereich der Tuben orange, darunter versteckt sich höchstwahrscheinlich Marihuana.“ Zum Beweis schraubt er den Deckel einer Zahnpastatube ab und schlitzt die Tube der Länge nach auf: Während unter dem Verschluss tatsächlich Zahnpasta klebt, ist der Rest des Behältnisses prall gefüllt – wie vorhergesagt mit Marihuana. Insgesamt hat der deutsche Zoll im vergangenen Jahr gefälschte Waren im Wert von 425 Millionen Euro beschlagnahmt. Lag der Wert der gefälschten Medikamente 2005 noch bei 2,5 Millionen Euro, so hat er sich im Vergleich dazu im vergangenen Jahr mehr als verdreifacht. Auch europaweit nimmt die Zahl der gefälschten Medikamente drastisch zu. 2006 stellten die europäischen Zollbehörden etwa 2,7 Millionen gefälschte Arzneiprodukte sicher. Laut EU-Statistik waren das vier Mal so viele Fälschungen wie ein Jahr zuvor. Betroffen sind vor allem Potenzmittel, Schlankmacher und Anabolika, zunehmend aber auch Psychopharmaka und Medikamente gegen Krebs oder Herzerkrankungen. Konflikt innerhalb der EU In weiteren Päckchen und Briefen finden die Zöllner an diesem Tag blaue und braune Pillen, Glaspfeifen, Anabolika, Vitaminkapseln und Haschisch („Hauspost aus Holland“). Die Schmuggelware wird sofort an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Was nicht zweifelsfrei identifiziert werden kann, schicken die Beamten zur Laboranalyse an ihre Kollegen von der „Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt“ in der Frankfurter Innenstadt. Allerdings können die Zollbeamten nicht alle Medikamente, die auf dem Postweg versandt werden, aus dem Verkehr ziehen. „Bei Transitsendungen sind uns die Hände gebunden“, erläutert Hauptkommissar Redanz. Eine ganze Kiste mit „Ayurveda Medicine“ etwa, deren Absender aus Indien stammt und deren Adressat eine Firma in den USA ist, darf den Zoll unbeanstandet passieren: das deutsche Arzneimittelgesetz AMG greift nicht in den Transitverkehr ein. Schlankheitspillen und Potenzpräparate Dafür verbietet es „die Einfuhr von Medikamenten aus Nicht-EU-Ländern grundsätzlich“, erläutert Andreas Urbaniak, Pressesprecher des Hauptzollamts in Frankfurt am Main-Flughafen, wo insgesamt 900 Zöllner arbeiten. Weitere rechtliche Handhabe liefern den Zöllnern natürlich das Betäubungsmittelgesetz sowie die Produktpiraterieverordnung. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres deckte der Zoll allein am Frankfurter Flughafen 2000 Fälle von illegalen Medikamenteneinfuhren auf – 2006 waren es noch ganze 654 Delikte. Beschlagnahmt wurden Arzneimittel dubioser Herkunft ebenso wie Schlankheitspillen, die wegen ihres hohen Gehalts an dem Wirkstoffs Sibutramin Nebenwirkungen wie Bluthochdruck und teilweise lebensgefährliche Herz-Kreislauf-Störungen hervorrufen können. Am häufigsten aber ziehen die Zöllner gefälschte Potenzmittel aus dem Verkehr. Aber auch andere Lifestyle-Präparate, Psychopharmaka und Anabolika werden in großen Mengen nach Deutschland geschmuggelt. Dabei gibt es von Jahr zu Jahr durchaus Entwicklungen und Veränderungen: „Geschmuggelt werden jene Medikamente, mit denen man gerade am meisten Geld verdienen kann“, sagt Pressesprecher Urbaniak. Auch für Schmuggelware gibt es eine wechselnde Konjunktur. | Pete Smith | Schlankheitspillen, Psychopharmaka und auch Potenzpräparate – Medikamentenschmuggler schleppen alle möglichen Arzneien nach Deutschland. Haupteinfallstor: die Flughäfen und ihre Postzentren. WELT ONLINE berichtet von der Arbeit der Zöllner auf der Jagd nach den illegalen Boten in einem Milliarden-Geschäft. | Politik | 2008-06-17T06:59:26Z | 2015-09-01T10:16:12Z | Milliardengeschäft Medikamenten-Schmuggel | https://www.welt.de//politik/article2111603/Milliardengeschaeft-Medikamenten-Schmuggel.html |
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Geheimnisverrat: Ägyptisches Gericht verurteilt Journalisten zum Tode | Wegen Verrats von Staatsgeheimnissen hat ein Gericht in Kairo (verlinkt auf /politik/ausland/article151319651/Nach-der-Revolution-ist-vor-der-Revolution.html) sechs Personen, darunter drei Journalisten, zum Tode verurteilt. Ihnen war vorgeworfen worden, heikle Informationen an das Emirat Katar (verlinkt auf /themen/al-dschasira/) weitergegeben zu haben, wie die Nachrichtenseite „al-Ahram“ meldete. Die beiden Al-Dschasira-Mitarbeiter und eine weitere angeklagte Journalistin wurden am Samstag in Abwesenheit verurteilt, da sie sich außerhalb des Landes aufhalten. Das Urteil gegen den ebenfalls angeklagten ägyptischen Ex-Präsidenten Mohammed Mursi wurde hingegen auf den 18. Juni verschoben, wie der Richter erklärte. Bei den Todesstrafen handelt es sich um vorläufige Urteile. Der Richter überwies die Fälle an Ägyptens (verlinkt auf /politik/ausland/article152303566/Wo-Christen-Muslimen-die-Daemonen-austreiben.html) Großmufti Schauki Allam, der als höchste religiöse Instanz des Landes zu dem Richterspruch eine Stellungnahme abgeben muss, die jedoch nicht bindend ist. Scharfe Kritik an Urteil Diese Vorgehensweise des Gerichts bedeute wahrscheinlich, dass Mursi keine Todesstrafe bekommen werde, schrieb „al-Ahram“. Der 64-Jährige hatte bereits vor einem Jahr wegen Verschwörung zu einem Gefängnisausbruch während der arabischen Aufstände die Todesstrafe erhalten. Das Urteil löste international scharfe Kritik aus. Der Nachrichtenkanal a l-Dschasira (verlinkt auf /politik/ausland/article150984775.ece) wird von Katar finanziert. Die Regierung in Kairo wirft dem Sender vor, die in Ägypten verbotenen islamistischen Muslimbrüder zu unterstützen. Im vergangenen Jahr waren drei Reporter des Senders zu drei Jahren Haft verurteilt worden, weil sie die Organisation unterstützt haben sollen. Zwei von ihnen wurden von Präsident Abdel Fattah al-Sisi begnadigt. Der dritte, der Australier Peter Greste, hatte vor dem Urteil das Land verlassen. Der zum Tode verurteilte Al-Dschasira-Journalist Ibrahim Hilal sagte dem Sender, das Urteil komme nur wenige Tage nach einem „der größten Verstöße gegen die Pressefreiheit in Ägypten“. Sicherheitskräfte hatte am Sonntag bei einer Razzia in der Kairoer Zentrale des Journalistenverbandes zwei Reporter festgenommen. Mursi war nach dem Sturz des Langzeitherrschers Husni Mubarak als erster frei gewählter Präsident des Landes an die Macht gekommen. Nach Massenprotesten gegen ihn wurde er im Sommer 2013 von der Armee gestürzt. Seitdem geht Ägypten massiv gegen die Muslimbrüder vor, aus deren Reihen Mursi stammt. | WELT | Ein Gericht in Ägypten will die Todesstrafe für sechs Menschen wegen der Weitergabe von Staatsgeheimnissen. Die Angeklagten sollen vertrauliche Papiere nach Katar gebracht haben. | Politik | Ausland | 2016-05-07T14:13:51Z | 2016-05-07T15:32:07Z | Ägyptisches Gericht verurteilt Journalisten zum Tode | https://www.welt.de//politik/ausland/article155133105/Aegyptisches-Gericht-verurteilt-Journalisten-zum-Tode.html |
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Plan B: Lafontaine und Varoufakis wollen EU zerschlagen | Sie hatten so große Hoffnungen, und dann wurden sie so bitter enttäuscht. Es geschah in diesem Sommer in Athen; an der Wiege der Demokratie wurde die europäische Linke vernichtend von Gläubigern der Griechen geschlagen. Nun wollen einige ihrer führenden Köpfe dieses Europa nicht mehr. Sie denken fieberhaft darüber nach, wie sie der Europäischen Union ein Ende bereiten können. „Wir sind entschlossen, mit diesem Europa zu brechen“, schreibt der frühere Bundesfinanzminister und Linke-Vorsitzende Oskar Lafontaine gemeinsam mit dem früheren griechischen Finanzminister Janis Varoufakis, dem Präsidentschaftskandidaten der französischen Linksfront und Ex-Minister Jean-Luc Mélenchon, dem ehemaligen stellvertretenden italienischen Finanzminister Stefano Fassina und der griechischen Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou. Ihrer Ansicht nach sind EU und Euro das Projekt herrschender neoliberaler Interessen zum Schaden der Bürger. „Wir müssen dem Irrsinn und der Unmenschlichkeit der aktuellen europäischen Verträge entkommen und sie von Grund auf erneuern, um die Zwangsjacke des Neoliberalismus abzustreifen, den Fiskalpakt aufzuheben und TTIP zu verhindern“, schreiben Lafontaine und seine Mitstreiter in ihrem Aufruf mit der Überschrift „Ein Plan B für Europa“. Trauma der machtlosen europäischen Linken Was die fünf da formuliert haben, ist jedoch nicht nur ein Frontalangriff auf die EU, sondern auch ein radikaler Bruch mit dem linken Weltbild, deren integraler Bestandteil bis heute die institutionelle und zentral gesteuerte EU ebenso ist wie der Euro als monetäres Mittel einer vertiefenden Integration und damit letztlich als Garant für ein soziales, gerechtes und demokratisches Europa. Doch nun kommen die fünf daher und rufen die Revolution nicht allein gegen die EU, sondern auch gegen das bisherige Selbstverständnis der europäischen Linken aus! Wer die tiefere Motivation der Autoren ergründen will, muss das Trauma erkennen, unter dem die gesamte europäische Linke leidet, seit sie mit ansehen musste, wie ihr Hoffnungsträger Alexis Tsipras im Sommer Verträge unterschrieb, die künftige griechische Regierungen zu einer Politik verpflichten, die Tsipras selbst jahrelang als „verbrecherisch und barbarisch“ bezeichnet hatte. Wie gern hätte die Linke Syriza als „Beenderin der Austeritätspolitik“ gefeiert, stattdessen verbog ihr Vorsitzender sie „zum ausführenden Organ der Diktatur der Troika“, resümieren die stellvertretende Linke-Vorsitzende Janine Wissler und die Abgeordnete Nicole Gohlke. Mit anderen Worten, sie fühlen sich von ihm verraten und verkauft, denn er führte die europäische Linke in ein Dilemma: Sie musste feststellen, dass sie nicht den geringsten Einfluss auf die Politik in Europa nehmen kann, ganz egal, ob sie an der Regierung ist oder nicht. Oder um es mit Kurt Tucholsky zu sagen: „Sie dachten, sie hätten die Macht. Dabei waren sie bloß in der Regierung.“ Nun bläst die prominente europäische Linken-Vorhut zur Attacke und singt das Hohelied nationalstaatlicher Souveränität: „Die Demokratien der Mitgliedsstaaten brauchen Luft zum Atmen und den politischen Raum, der ihnen die Möglichkeit gibt, sinnvolle Politik auf einzelstaatlicher Ebene voranzubringen.“ Mit ihrem Vorstoß treiben sie einen Keil in das linke Lager und bauen eine Front zu Gregor Gysi, der Links-Ökologin Katja Kipping und anderen Kräften auf, die auch weiterhin fest zur EU und zu Tsipras stehen. Gysi reiste sogar nach Athen, um Wahlkampf für die Reste der Syriza-Partei zu machen, die zerbrach, als sie im Parlament gegen die eigene Überzeugung und Programmatik stimmen musste. Hätte Tsipras erfolgreich gegen Sparauflagen klagen können? Seither fragen sich viele Linke: War das wirklich nötig? Hatte Tsipras wirklich keine andere Wahl? Zweifel scheinen zumindest angebracht. Zwar wird sein Handeln offiziell auch von den neuen Euro-Gegnern wie Sahra Wagenknecht gerechtfertigt. „Die EZB hat ihn erpresst, weil sie damit drohte, die griechischen Banken pleitegehen zu lassen“, nimmt sie den Syriza-Vorsitzenden in Schutz. Aber dass Tsipras bewusst den Varoufakis-Vorschlag einer Parallelwährung in den Wind schlug und die Forderung der Geldgeber akzeptierte, den Finanzminister von internationalen Konferenzen auszuschließen, stößt bei den Euro- und EU-Kritikern in den Reihen der Linken auf Unverständnis. Hinzu kommt, dass Tsipras wohl auch Vorschläge für eine juristische Abwehr der von den Gläubigern geforderten Sparauflagen ignoriert haben könnte. Während des Referendums über die Sparauflagen der Gläubiger veröffentlichten die UN eine Stellungnahme der Menschenrechtsexpertin Victoria Danda und der Experte für demokratische und gleichheitsgerechte Ordnung, Alfred de Zayas, dass völkerrechtliche Verträge und Kreditvereinbarungen, „die zur Verletzung universeller Menschenrechte zwingen“, nach Artikel 53 der Wiener Vertragsrechtskonvention nichtig seien. Bereits ein Jahr zuvor hatte die deutsche Menschenrechtsaktivistin Sarah Luzia Hassel-Reusing dem Syriza-Führer (verlinkt auf /wirtschaft/article146530455/Alexis-Tsipras-vom-Angstgegner-zum-Hoffnungstraeger.html) darauf hingeweisen, dass die Kreditverträge nicht mit den UN-Menschenrechten vereinbar seien. „Darauf hätte sich Tsipras berufen und mit Hilfe der UN vor den Internationalen Gerichtshof ziehen können“, sagt Hassel-Reusing und stellt fest: „Jedenfalls sind die von ihm unterschriebenen Memoranden höchstwahrscheinlich nichtig.“ Vor wenigen Tagen verabschiedete die UN-Generalversammlung ganz in diesem Sinne mit der überwältigenden Mehrheit von 136 zu sechs Stimmen „Neun Prinzipien für einen fairen Umgang mit überschuldeten Staaten“. Sie lauten: Souveränität, guter Glaube, Transparenz, Unparteilichkeit, Gleichbehandlung, Staatenimmunität, Rechtmäßigkeit, Nachhaltigkeit und Mehrheitsentscheidungen. Grundbedürfnisse vor Gläubigerinteresse Gegen diesen Beschluss votierten Deutschland, Großbritannien, Israel, Japan, Kanada und die USA. Kaum war das Votum bekannt geworden, lancierte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein dreiseitiges „internes Papier für eine europäische Insolvenzordnung“ an die Öffentlichkeit, bei der der Internationale Währungsfonds eine entscheidende Rolle einnimmt. Der UN-Beschluss war das Ergebnis einer vor einem Jahr eingeleiteten und auch von der Linken unterstützten Debatte. Dazu hatte die Fraktion zu Beginn des Jahres vergeblich einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem sie dazu aufrief, den Arbeitsprozess der Vereinten Nationen mitzugestalten. Sie forderte, „den Grundbedürfnissen der Bevölkerungen in den Schuldnerstaaten den Vorrang vor Ansprüchen der Gläubiger zu geben“. Umso mehr fragen sich Linke heute, warum Tsipras diese Karte nicht gegen die EU zog. Während er zu alldem schweigt, schreiben unter anderen Varoufakis und linke Ökonomen wie Heiner Flassbeck, Thomas Piketty und James Galbraith in einem offenen Brief zu den neun Prinzipien: „Auf der Grundlage solcher Prinzipien hätten die Fallstricke der griechischen Krise verhindert werden können, in der Politiker den Forderungen der Gläubiger nachgaben, obwohl diese ökonomisch keinen Sinn ergeben und sozial verheerende Auswirkungen hatten.“ So klafft das linke Lager immer deutlicher auseinander. Auf der einen Seite wirbt die Gysi- und Kipping-Fraktion für die Fortsetzung der Tsipras-Regierung und dessen Unterstützung durch die europäische Sozialdemokratie, auf der anderen Seite drängen Lafontaine und Varoufakis zu einem klaren Schnitt, der keinerlei Zugeständnisse mehr toleriert. Wer wie Frankreichs Präsident und Sozialisten-Chef François Hollande oder Italiens sozialdemokratischer Regierungschef Matteo Renzi an der EU-Politik festhält, wird von ihnen als kapitulierender „Mustergefangener“ verhöhnt. Linke Parteien entdecken wieder den Sozialismus Offenbar kommt diese Tonlage an, denn die Zahl ihrer Unterstützer wächst. In Spanien ist es das Linksbündnis Podemos, in Großbritannien hat Labour mit der Wahl von Jeremy Corbyn radikal mit der Ära Tony Blair gebrochen. In Griechenland hat die im August gegründete Volksunion (Laiki Enotita) des früheren Energieministers Panagiotis Lafazanis inzwischen die Rolle von Syriza als linke Kraft übernommen – Syriza selbst steht im Ruf, eine neue Pasok zu werden, also eine eher sozialdemokratische Partei. Sogar in den USA erlebt linke Politik mit dem Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders eine Renaissance, der sich selbst als demokratischer Sozialist bezeichnet und der derzeit riesige Hallen füllt. Doch von Macht und Einfluss ist die radikale Linke heute weiter entfernt als noch vor einem Jahr, wo sie mit Syriza nach den Sternen greifen wollte. Heute schreiben Lafontaine und Varoufakis und die anderen „Plan B“-Autoren, die Verhandlungspartner hätten dem Linksbündnis nie eine Chance geben wollen. Ähnlich hatte sich Varoufakis bereits in mehreren Interviews geäußert. Nun begründen sie diese Einschätzung mit dem Hinweis auf EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der gesagt haben soll, es könne „keine demokratische Wahl gegen die europäischen Verträge geben“. Lafontaine, Varoufakis und die anderen setzten diese Aussage in einen historischen Vergleich, der es in sich hat: „Das ist die neoliberale Adaption der Doktrin ,der beschränkten Souveränität’, erfunden von Breschnew 1968. Damals haben die Sowjets den Prager Frühling mit ihren Panzern niedergeschlagen. Diesen Sommer hat die EU den Athener Frühling mit ihren Banken (verlinkt auf /wirtschaft/article146543940/Kommt-bald-der-naechste-Bankrun-in-Griechenland.html) zerschlagen.“ Und nun? Wie soll es weitergehen? Ihr Ziel ist eine „Kampagne des europäischen zivilen Ungehorsams gegenüber willkürlichen, europäischen Praktiken und irrationalen ,Regeln’“, an die Tsipras sich noch gehalten hat. Sie wollen eine neue Bewegung gegen dieses Europa formen und hoffen dabei auf das, „was in Spanien, Irland – möglicherweise wieder in Griechenland, abhängig von der Entwicklung der dortigen politischen Situation – und in Frankreich 2017 passieren könnte“. Kurz, sie hoffen auf eine Radikalisierung (verlinkt auf /politik/deutschland/article146067881/In-diesem-Punkt-sind-Gauland-und-Lafontaine-sich-einig.html) der politischen Debatte und folglich auch der europäischen Gesellschaften zugunsten der marxistischen Linken. Über erstarkende Bewegungen in den Mitgliedsstaaten wollen sie ein neues Europa schaffen. „Nationalstaat keine Option für Linke“ Gysi, der im Oktober sein Amt des Fraktionschefs abgibt, betrachtet all dies mit großer Sorge. Er sah sich sogar zu einer schriftlichen Stellungnahme veranlasst. Unter der Überschrift „Auftreten statt Austreten“ schreibt er: „Der Fall Griechenlands wird von einigen in Partei und Fraktion genutzt, um die bisherige Politik bzw. gültige Position von Partei und Fraktion gegenüber der Währungsunion und Europäischen Union in Richtung einer Austrittsposition zu ändern.“ Davor könne er nur warnen. Er erinnert an den „Gründungszweck“ der EU, nämlich die Schaffung einer Friedensordnung, der sich schließlich „für die Mitgliedsstaaten der EU bis heute erfüllt“ habe. Ein Austritt aus der EU und der Währungsunion wäre keinesfalls sozialer oder demokratischer, schreibt Gysi und sieht im „Rückfall in die europäische Nationalstaatlichkeit des 19. und frühen 20. Jahrhunderts keine Option für Linke“. Unterstützt wird er von Katja Kipping (verlinkt auf /politik/deutschland/article146407867/Kipping-legt-sich-mit-Lafontaine-und-Wagenknecht-an.html) . „Wir wollen nicht zurück in die nationale Wagenburg“, sagt sie, fordert aber zugleich einen „europäischen Neustart“. Nur wie soll der aussehen? Die Gruppe um Lafontaine denkt bereits über vieles nach: „die Einführung eines parallelen Zahlungssystems, Parallelwährungen, digitalisierte Euro-Transaktionen, einen Austritt aus der Euro-Zone sowie die Umwandlung des Euro in eine (demokratische) Gemeinschaftswährung“. Sie schlagen einen internationalen Gipfel für alle „interessierten Bürgerinnen und Bürger, Organisationen und Intellektuellen“ vor. Im November soll’s losgehen. | Günther Lachmann | Europas Linke hatte alle Hoffnungen in Tsipras gesetzt und erkannte am Ende ihre Machtlosigkeit. Daraus ziehen Oskar Lafontaine und Janis Varoufakis radikale Schlüsse: Die EU geht nur ganz anders. | Politik | Deutschland | 2015-09-19T10:02:25Z | 2015-09-21T15:32:19Z | Lafontaine und Varoufakis wollen die EU zerschlagen | https://www.welt.de//politik/deutschland/article146589813/Lafontaine-und-Varoufakis-wollen-die-EU-zerschlagen.html |
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Abzocke: Das sind die fiesesten Abo-Fallen im Internet | Im Internet tummeln sich immer mehr Angebote, mit denen schnell und einfach die persönliche Lebenserwartung ermittelt, Kurzmitteilungen verschickt oder aber die eine oder andere Lösung für die Hausaufgaben heruntergeladen werden können. Doch die auf den ersten Blick vermeintlich hilfreichen Internetseiten haben eines gemeinsam: Sie verschleiern mehr oder weniger geschickt, dass der Kunde mit einigen Mausklicks ein Abo abschließt – Mindestlaufzeit in der Regel 24 Monate, Zahlung im Voraus. "Die Angaben zu den Kosten und zu den Mindestvertragslaufzeiten befinden sich häufig lediglich klein in den allgemeinen Geschäftsbedingungen", weiß Thomas Hagen von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. So ist beispielsweise auf der Internetseite www.123simsen.com (verlinkt auf http://www.123simsen.com) lediglich in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vermerkt, dass der Verbraucher mit dem Ausfüllen der Eingabemaske ein zweijähriges Abo abschließt. Kosten: 144 Euro. Besonders perfide: "Die Internetseiten, die vermeintlich kostenlosen SMS-Versand oder Hilfe bei den Hausaufgaben anbieten, richten sich überwiegend an Jugendliche", weiß Hagen. Die Abzocke im Netz zieht immer weitere Kreise. "Das gleicht inzwischen modernen Straßenräubern und Wegelagerei", kommentieren die Verbraucherschützer die wachsende Flut an verunsicherten Verbrauchern, die im Internet leichtfertig ihre Adresse angegeben haben und nun zahlen sollen. 750.000 Deutsche hat es schon erwischt Die Verbraucherzentralen schätzen die Zahl der Bundesbürger, die in den vergangenen drei Jahren in eine der zahlreichen Abo-Fallen im Internet getappt sind, auf rund 750.000 – Tendenz steigend. "Durch eine beachtliche Drohkulisse mit Briefen von Inkasso-Unternehmen und Anwälten versuchen die Anbieter dann an das Geld zu kommen", sagt Hagen. Doch Verbraucher sollten den geforderten Betrag nicht einfach überweisen. "Wer nachweisen kann, dass der Hinweis auf den Abschluss eines Abos nicht klar ersichtlich war, sollte vorsorglich den Widerruf und die Anfechtung wegen Irrtums erklären", sagt Hagen. Entsprechende Musterbriefe können Betroffene unter www.vzbv.de (verlinkt auf http://www.vzbv.de) herunterladen. Bei vielen unseriösen Angeboten kommt ohnehin kein gültiger Vertrag zustande. Das gilt insbesondere dann, wenn versehentlich ein Kind ein entsprechendes Abo abgeschlossen hat. Auch sollten sich Verbraucher nicht durch Inkassoschreiben unter Druck setzen lassen. "Handlungsbedarf besteht erst, wenn ein gerichtlicher Mahnbescheid eingeht", erläutern die Experten der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen. Doch auf einen Rechtsstreit sollten sich nur diejenigen einlassen, die über eine Rechtschutzversicherung verfügen. Die Verbraucherzentralen führen inzwischen zahlreiche Klagen gegen die Betreiber entsprechender Internetseiten – in vielen Fällen zumindest in der ersten Instanz mit Erfolg. Doch wer sich möglichen Ärger von vornherein ersparen möchte, sollte mit persönlichen Daten im Internet äußerst sparsam umgehen und zudem die AGB nach Angaben zu möglichen Kosten durchforsten. Weitere Infos gibt es hier (verlinkt auf http://www.vz-nrw.de) , hier (verlinkt auf http://www.klicksafe.de) und hier (verlinkt auf http://www.checked4you.de) . | Barbara Brandstetter | Die Angebote sind verlockend: Webseiten versprechen kostenlosen SMS-Versand, Hausaufgabenhilfe oder Bilder leichtbekleideter Frauen. Dahinter verbergen sich teure Abo-Fallen: Ein falscher Klick kostet Ahnungslose bis zu 500 Euro. Jetzt gibt es eine Liste mit den fiesesten Anbietern. | Wirtschaft | Webwelt & Technik | 2008-02-07T11:09:53Z | 2015-10-03T08:47:41Z | Das sind die fiesesten Abo-Fallen im Internet | https://www.welt.de//wirtschaft/webwelt/article1642149/Das-sind-die-fiesesten-Abo-Fallen-im-Internet.html |
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Griechenland: Versorgung in Touristengebieten immer schwieriger | Die Versorgung der Touristengebiete in Griechenland wird immer schwieriger: Trotz einer Notverordnung der Regierung für ein Ende des Streiks haben die Last- und Tankwagenfahrer am Freitag beschlossen, ihren Ausstand unbefristet fortzusetzen. Vor allem auf den griechischen Inseln werden nach Angaben des griechischen Tourismusverbandes dadurch Sprit und Lebensmittel knapp, weshalb die Regierung in Athen eine Krisensitzung abhielt. Das Militär soll jetzt die Versorgung von Krankenhäusern, staatlichen Behörden, Elektrizitätswerken und anderen für die Wirtschaft wichtigen Bereichen übernehmen. Die Marine soll abgelegene Inseln versorgen. Dies beschlossen die zuständigen Minister. In Athen hatten etwa 15 Prozent der Tankstellen Treibstoff. Auf den Touristeninseln Rhodos (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/rhodos-urlaub/) , Paros, Naxos und Chios hatte sich die Situation erheblich verbessert, berichtete der staatliche Rundfunk. Dagegen gab es noch erhebliche Probleme in Nordgriechenland und vor allem auf der touristischen Halbinsel Chalkidiki sowie in einigen Regionen der Insel Kreta (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/kreta-urlaub/) . Die Gewerkschaften der Lkw-Fahrer hatten am Freitag mehrere Stunden über ihr weiteres Vorgehen beraten. Sie beschlossen letztendlich, den Streik „in einer dynamischen Art und Weise“ fortzusetzen, wie Gewerkschaftschef Giorgos Tzortzatos nach dem Treffen sagte. Darum wird gestreikt Hintergrund des Streiks der Tank- und Lastwagenunternehmen ist ein Gesetzentwurf zur Liberalisierung des Berufszweigs. Geplant ist, die Lizenzgebühren drastisch zu senken. Dagegen laufen die Lizenzinhaber Sturm, die seinerzeit hohe Gebühren in Kauf nehmen mussten. Das geplante Gesetz ist Teil der Abmachung zwischen Griechenland (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/griechenland-reisen/) und der Europäischen Union sowie dem Internationalen Währungsfonds (IWF). IWF und EU hatten die Pleite des Landes mit einem milliardenschweren Rettungspaket abgewendet. Die griechische Regierung teilte am Freitag nach einer Krisensitzung mit, die Armee werde mit ihren Transportern zur Versorgung von wichtigen Einrichtungen wie Flughäfen, Elektrizitätswerken und Krankenhäusern beitragen. Die Regierung hob erneut hervor, dass streikende Lastwagenfahrer juristisch verfolgt würden und ihre Zulassungen verlieren könnten. „Der Staat ist nicht ungeschützt und die Gesellschaft ist nicht wehrlos“, sagte Verkehrsminister Dimitris Reppas nach der Kabinettssitzung in Athen. Zur Arbeit verpflichtet Nachdem sich eine Versorgungskrise abzeichnete, hatte Regierungschef Giorgos Papandreou schon am Mittwochabend eine Notverordnung erlassen, in der die Fahrer zur Arbeit verpflichtet wurden. Diese zeigte bislang allerdings keine Wirkung. Die Lastwagenfahrer vertrauten auf die Langsamkeit der Bürokratie, wenn der Staat gegen sie vorgehe, sagte der Sprecher des griechischen Tourismusverbandes HATTA, Giorgos Telonis. Zu spüren bekommen den Streik nach eigenen Angaben auch die griechischen Mietwagenanbieter. „Hunderte Touristen haben ihre Mietwagenbuchung abgesagt, da sie nicht mehr tanken können“, erklärte der Branchenverband. Die Lage in dem Urlaubsland hat sich in den letzten Tagen enorm zugespitzt. In den Supermärkten waren die Obst- und Gemüseregale weitgehend leergekauft. Hunderte Urlauber ließen nach Medienberichten ihre Mietautos stehen, weil ihnen der Treibstoff ausging. Zehntausende mussten nach Angaben von Tourismusverbänden in Hotels und auf Campingplätzen ausharren, weil die Tankstellen keinen Sprit mehr hatten. Die Tankwagenbesitzer blockierten mit ihren Wagen die Einfahrt zu einer Erdölraffinerie, um die Benzinlieferungen zu verhindern. Allein etwa 100.000 serbische Urlauber sollen nach Presseberichten im Norden des Mittelmeerlandes gestrandet sein. „Viele Leute, vor allem die mit einem Wohnmobil unterwegs sind, können nicht zurückfahren. Sie müssen dann ihren Urlaub zwangsweise verlängern“, sagte der Österreicher Eckehard Richter. Der Tourist hat sein Wohnmobil auf einem Campingplatz südlich der Hafenstadt Volos abgestellt und muss dort seinen Urlaub verbringen. „Ich kann noch ein wenig rumfahren, weil andere mir Diesel gegeben haben“, fügte er hinzu. Mehr sei aber nicht möglich. | WELT | Noch immer sitzen zahlreiche Touristen in Griechenland fest. Die Versorgungslage verschlechtert sich zunehmend. Jetzt muss das Militär helfen. | Reise | 2010-07-31T06:01:38Z | 2015-09-01T09:48:38Z | Versorgung in Touristengebieten immer schwieriger | https://www.welt.de//reise/article8741788/Versorgung-in-Touristengebieten-immer-schwieriger.html |
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Der KZ-Wachmann will während des Kriegs nur Bäume gepflanzt haben | Die Erwartungen an diesem Verhandlungstag waren groß – und so fanden sich am Donnerstag deutlich mehr Zuschauer und Journalisten als bislang im NS-Prozess in Brandenburg (verlinkt auf https://www.welt.de/politik/deutschland/article234997610/NS-Prozess-Immer-wieder-stoert-der-Ex-KZ-Mann-den-Prozess-mit-Zwischenrufen.html) an der Havel ein. Der Verteidiger des angeklagten früheren KZ-Wachmanns aus Sachsenhausen hatte im Vorfeld eine Erklärung zur Tätigkeit seines Mandanten in der Zeit des Zweiten Weltkriegs angekündigt. Zuvor hatte der Angeklagte Josef Sch. mehrfach bestritten, jemals im Konzentrationslager Sachsenhausen gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, dort wissentlich und willentlich Hilfe zur grausamen und heimtückischen Ermordung von 3518 Lagerinsassen geleistet haben. In zahlreichen Personaldokumenten der SS aus dem Lager, die heute unter anderem in der dortigen Gedenkstätte, der Stasi-Unterlagenbehörde und dem Bundesarchiv lagern, wird ein Wachmann mit dem Namen, Geburtsdatum und Geburtsort des Angeklagten genannt. Sch. war demnach dort von Ende 1942 bis Anfang 1945 im SS-Totenkopfsturmbann eingesetzt. Während dieser Dienstzeit kamen fast 50.000 Menschen ums Leben – an den Folgen von Hunger und Zwangsarbeit sowie durch systematische Vernichtungsaktionen. Sch. gehört zur Minderheit der Litauendeutschen, galt in den rassistischen Kategorien des Nationalsozialismus als „Volksdeutscher“ und wurde 1941 aus Litauen nach Deutschland umgesiedelt. Laut Anklage (verlinkt auf https://www.welt.de/vermischtes/article234381050/Sachsenhausen-Prozess-Haben-Sie-eine-Seele-fragt-der-Widerstandskaempfer-den-100-jaehrigen-KZ-Wachmann.html) entschloss er sich freiwillig für den Dienst in der Waffen-SS. In einem historischen Dokument aus Sachsenhausen heißt es über Sch.: „Führung: gut“ sowie „Strafen: keine“. Im Brandenburger Prozess lieferte der Historiker Stefan Hördler zahlreiche Belege zur Tätigkeit von Sch. in mehreren SS-Wachkompanien. Am Donnerstag sagte Hördler, dass davon ausgegangen werden könne, dass Sch. im späteren Verlauf sogar eine „Ausbilderfunktion“ einnahm. Der 101-Jährige blieb trotz der eindeutigen Beweise bei seiner Darstellung, nicht als Wachmann tätig gewesen zu sein – und machte erstmals genauere Angaben, was er aus dieser Zeit erinnere. Nach der Umsiedlung habe er zunächst für ungefähr ein Jahr in einer kleinen Firma Metall-Ersatzteile für die Wehrmacht hergestellt. Anschließend habe er auf einem Gut im Zuckerrübenanbau und für weitere landwirtschaftliche Betriebe gearbeitet. Während Sch. laut den historischen Dokumenten im KZ-Wachdienst tätig war, der sich laut Anklage „nahtlos in das Räderwerk des Vernichtungsgeschehens“ einfügte, will er zeitgleich über 120 Kilometer entfernt lediglich für das „Pflanzen von Bäumen“ verantwortlich gewesen sein. „Nee, alles zivil!“ In der Endphase des Krieges sei er dann an die Front in Kolberg im heutigen Polen abkommandiert worden, um dort Schützengräben zu schaufeln und Unterkünfte zu bauen. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Udo Lechtermann, ob er dort Waffen oder eine Uniform besessen habe, sagte Sch.: „Nee, alles zivil!“. In seinem ostpreußisch gefärbten Deutsch ergänzte er: „Dann sind die Russen (verlinkt auf https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article235129324/Fackelmaenner-Befehl-Stalins-Strategie-der-verbrannten-Erde.html) gekommen, haben uns überfallen – ‚Hände hoch!‘ – und haben alle in Gefangenschaft genommen.“ Bis Juni 1946 sei er dann in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen. „Die Russen haben alle in Lager gebracht.“ Der Richter hielt ihm daraufhin ein Dokument der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vor. In dem handschriftlich ausgefüllten Rentenantrag aus dem Jahr 1985 wurde angegeben, dass der Angeklagte nach seiner Tätigkeit im elterlichen Betrieb in seinem Geburtsort im litauischen Mariampol und seiner Lehre als Schlosser für die Zeit von September 1940 bis Mai 1945 im „Wehr- und Kriegsdienst“ tätig war. Unterschrieben ist das Dokument von Sch. Er erklärte jedoch, dass der Antrag damals bei einer Rentenberatung und nicht von ihm persönlich ausgefüllt worden sei. „War fertig ausgefüllt und hingeschoben.“ Unterschrieben wurde das Dokument allerdings am 19. August 1985, die Vorsprache bei der Rentenberatung fand am darauffolgenden Tag statt. Richter Lechtermann fragte ihn daraufhin: „Wollen Sie das wirklich so stehen lassen? Wirklich?“ Aufgrund der ähnlichen Buchstaben in der Unterschrift habe er „den starken Verdacht“, dass der Angeklagte das selbst ausgefüllt habe. „Ich habe erhebliche Schwierigkeiten, Ihnen zu glauben.“ Nebenkläger-Anwalt Thomas Walther regte am Donnerstag an, das Gericht solle einen Gerontopsychiater, eine Psychologin sowie einen SED-Forscher als weitere Sachverständige hören. Damit solle bewiesen werden, dass sich der Angeklagte „eine Scheinwelt über eine Verdrängung geschaffen und nicht eine psychogene Amnesie erlitten“ habe. Weitere Gutachten seien auch nötig zum Beweis der Tatsache, dass „die Lücke eines vollständig verlorenen zeitlichen Erinnerungsabschnitts von drei Jahren nicht nahtlos durch Ersatzabschnitte ausgefüllt“ werden könne. Der Angeklagte habe sich nach seiner langen Beteiligung an der Vernichtung von Menschenleben im SS-System Sachsenhausen (verlinkt auf https://www.welt.de/geschichte/gallery125933739/Der-alltaegliche-Schrecken-von-Sachsenhausen.html) „eine Legende für ein Leben ohne Schuld“ schaffen wollen, um für die Zeit der sowjetischen Besatzung und nachfolgend in der DDR-Gesellschaft „als wertvolles Mitglied im antifaschistischen Kampf gelten zu können“. Das Gericht entschied zunächst nicht darüber. Walther sagte WELT: „Das schwarze Loch in seiner Erinnerung an seine Tätigkeit in Sachsenhausen füllt der Angeklagte mit einer Fantasiegeschichte aus, die als Flucht vor der Realität gesehen werden muss. Obwohl er sich seine Lügen als Realität wünschen würde, ist es sehr unwahrscheinlich, dass irgendetwas von seiner Geschichte die Urteilsfindung beeinflussen kann.“ | Frederik Schindler | Der in Brandenburg angeklagte frühere Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen bestreitet vor Gericht seine Tätigkeit – und behauptet, nur ein einfacher Landarbeiter gewesen zu sein. Für den Nebenkläger-Anwalt ist das eine „Flucht vor der Realität“. | Politik | Deutschland | 2021-12-02T17:09:53Z | 2021-12-02T17:09:53Z | Der KZ-Wachmann will während des Kriegs nur Bäume gepflanzt haben | https://www.welt.de/politik/deutschland/article235426178/Der-KZ-Wachmann-will-waehrend-des-Kriegs-nur-Baeume-gepflanzt-haben.html |
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Flüchtlingsdrama: Italienische Behörden rechnen mit Dutzenden Toten | Auf Sizilien werden rund 200 Überlebende an Land gebracht, nachdem ein Boot kenterte. Wie viele Menschen noch vermisst werden, ist offen. Mindestens 17 Leichen wurden bereits geborgen. | WELT | Auf Sizilien werden rund 200 Überlebende an Land gebracht, nachdem ein Boot kenterte. Wie viele Menschen noch vermisst werden, ist offen. Mindestens 17 Leichen wurden bereits geborgen. | Weltgeschehen | 2014-05-14T08:49:27Z | 2016-12-16T11:42:21Z | Italienische Behörden rechnen mit Dutzenden Toten | https://www.welt.de//vermischtes/weltgeschehen/video127985617/Italienische-Behoerden-rechnen-mit-Dutzenden-Toten.html |
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Lieferdienst: Sabine Christiansen fährt für Hermes Pakete aus | Den besten Eindruck verschafft man sich immer noch selbst. „Ich bin einen Tag lang in Berlin in einem Hermes-Paketwagen mitgefahren“, sagt Sabine Christiansen. Die frühere ARD-Moderatorin und jetzige TV-Unternehmerin wird in den neu gegründeten Aufsichtsrat des Paketdienstes Hermes einziehen. Und auf die Frage, ob sie sich denn im Logistikgeschäft auskenne, kam die Paket-Tour durch die Hauptstadt als Antwort. Christiansen sagt, sie wolle sich bei Hermes um soziale Standards und um die Umwelt kümmern. Die Otto-Tochter Hermes lässt es sich einiges kosten, um das Image des schlecht zahlenden Arbeitgebers loszuwerden. Die Firma war in Medienberichten wegen Stundenlöhnen von weniger als fünf Euro und harter Arbeitsbedingungen kritisiert worden. Hermes will mindestens 7,50 Euro zahlen Hermes selbst beschäftigt weltweit rund 10.000 Mitarbeiter, hinzu kommen in Deutschland an die 15.000 selbstständige Paketfahrer. Eben diese Generalunternehmer werden nun geprüft und vom TÜV Saarland zertifiziert, um Missstände abzustellen. „Kein Fahrer bekommt weniger als 7,50 Euro in der Stunde“, sagt Hermes-Chef Hanjo Schneider. Hermes wird seine Boten auch gut behandeln müssen: Es gibt schlichtweg kaum mehr genug Fahrer am Arbeitsmarkt. Gleichzeitig sind die Wachstumsraten der Paketzusteller immens: Hermes hat 2012 in Europa 452 Millionen Sendungen zugestellt, das sind 7,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. In Deutschland war der Zuwachs ähnlich groß. Treiber ist der Onlinehandel (verlinkt auf /finanzen/verbraucher/article111899845/Online-Handel-bringt-die-Paketdienste-an-ihr-Limit.html) , Hermes arbeitet für sieben der zehn größten Versandhändler Deutschlands. | Birger Nicolai | Ex-ARD-Moderatorin Christiansen macht jetzt in Logistik: Die TV-Unternehmerin sitzt neu im Aufsichtsrat des Paketdienstes Hermes. Um den Konzern kennenzulernen, ging sie sogar selbst mit auf Tour. | Wirtschaft | 2013-04-23T14:55:57Z | 2015-09-07T10:34:33Z | Sabine Christiansen fährt für Hermes Pakete aus | https://www.welt.de//wirtschaft/article115542867/Sabine-Christiansen-faehrt-fuer-Hermes-Pakete-aus.html |
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Ruhrgebiet: Mein lieber Scholli, is dat schön hier! | Über fünf Millionen Menschen leben im Ruhrgebiet. Damit ist der Pott der größte Ballungsraum Deutschlands. Einst durch die Kohleförderung geprägt, feilt das Ruhrgebiet inzwischen an seinem Image. Es will weg vom Kohlenstaub, aus Industrie wird Industriekultur und aus Ruhrpott wird die Metropole Ruhr. Diese lädt ein, die Besonderheiten der Region und seine Menschen neu zu entdecken. Für jeden sein Plätzchen Grüne Ruhrwiesen und rostige Industriedenkmäler, Bergmannshäuser und gläserne Konzernzentralen, früher Hunderttausende Gastarbeiter und heute rund 150.000 Studenten, Samstag ins Stadion und Sonntag ins Folkwang-Museum, Currywurst und Sterneküche, Taubenrennen und Wasserskifahren, Bergmannschöre und Philharmonie: Das Ruhrgebiet ist eine riesige gemischte Tüte. Im Revier hat jeder sein Plätzchen – ob am offenen Fenster mit auf dem Kissen abgelegten Armen oder mit Jute-Beutel auf einem Event in einer stylischen Industriehalle. Und Ruhris sind Grenzgänger: Wohnen in Dortmund (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/dortmund/) , Arbeiten in Essen (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/essen-stadt/) , fürs Theater von Bottrop (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/bottrop/) nach Bochum (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/bochum/) , zum Tanzen aus Mülheim (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/muelheim/) nach Duisburg (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/duisburg/) . Die Metropole Ruhr existiert tatsächlich, und sie ist in Bewegung. Zeit für ein Schwätzken Es kann ganz schnell gehen: Man steht mit einem Bier am Tresen, beim Bäcker in der Schlange oder trifft den neuen Nachbarn im Flur. Nach einem ein-, vielleicht zweistündigen Gespräch weiß man, wie es um die Ehe bestellt ist, warum der Sohn aus der Schule nur Fünfen nach Hause bringt und dass das Geld am Monatsende immer knapp ist. Mit den Menschen des Ruhrgebiets kommt man nicht nur schnell ins Gespräch, sie überzeugen auch mit ihrer Offenheit. Der Prahlhans ist nicht gerne gesehen, den Pelz, sagt ein schönes Sprichwort, trägt man hier nach innen. Bildung made im Ruhrgebiet Erst 1964 eröffnete die erste Uni des Reviers ihren Lehrbetrieb – in Bochum. Heute gibt es an Rhein und Ruhr Europas dichteste Hochschul- und Forschungslandschaft. Hier blühen die Ideen für den nächsten Aufschwung. Die Ruhr-Universität hat politisches Spitzenpersonal wie Bundestagspräsident Norbert Lammert, Schulministerin Sylvia Löhrmann, Wissenschaftsministerin Svenja Schulze ebenso hervorgebracht wie Wirtschaftsführer vom Kaliber des Evonik-Chefs Klaus Engel – und natürlich auch Spitzenforscher. Heimlicher Star ist zurzeit der Biopsychologe Prof. Dr. Onur Güntürkün, 55, einst Bochumer Absolvent, nun Bochumer Grundlagenforscher und Träger des Leibniz-Preises, mit 2,5 Millionen Euro dotiert. Bütterken Wenn Hannelore Kraft ihr Zuhause verlässt, dann nicht ohne Bütterken – geschmiert von Ehemann Udo in der heimischen Küche. Dieser Einblick in das Privatleben der NRW-Ministerpräsidentin zeigt, wie sehr das Ruhrgebiet die kulturelle Lebenswirklichkeit der Krafts aus Mülheim an der Ruhr geprägt hat. Denn das Bütterken ist weit mehr als eine Zwischenmahlzeit. Gefühlsmäßig betrachtet – und was wäre das Revier ohne Gefühle – steht das Bütterken für Heimat, für Fürsorge. Mit jedem Biss spürt man: Hier kümmert sich jemand. Und dieses Sich-umeinander-sorgen, das seine Wurzeln im harten Überlebenskampf der Bergarbeiter hat, prägt nach wie vor das Miteinander der Menschen in dieser Region. Dafür muss man nicht erst Ministerpräsidentin werden. Dem Pott sein Humor Jede Region hat ihren ganz eigenen Humor, speziell in Nordrhein-Westfalen. Während der Rheinländer zu jovialer Heiterkeit neigt und der Westfale eher dem gepflegten Sarkasmus anhängt, mag es der Ruhrpottler eher kerlig-kumpelig. Die Menschen hier tragen das Herz auf der Zunge, es wird Klartext geredet, frank und frei heraus. Manchmal wirkt das machohaft, gar prollig, und eins ist klar: Allzu zart besaitet darf man hier nicht sein. Mimosen stehen im Pott nicht hoch im Kurs. Humor kommt aus dem Herzen, und das trägt der Ruhri – dieser etwas ungehobelte Underdog – auf jeden Fall am rechten Fleck. Die schönsten Redewendungen Was verdanken wir dem Revier nicht alles an herrlichen Formulierungen. Hier sind nur ein paar: Mein lieber Mann, Fräulein; mein lieber Scholli; mein lieber Kokoschinski. Da sieht et aus wie bei Hempels unterm Sofa. Da bisse echt vonne Socken. Komm ausse Pötte! Ich glaub', mich holnse ab. Kerl inne Kiste. Alt und grau darfse werden, aber nich frech für deine Mutter. Bah, wat schön! Überhaupt: Das mit den Ruhrsprüchen, dat kannze halten wie Pfarrer Assmann (also wie du willst). Es grünt so grün Ein Klischee verschmutzt das Ruhrgebiet seit Jahrzehnten besonders stark: Es entstammt alten Erinnerungen an einen dauerlärmenden, schadstoffspeienden Industriemoloch. Freilich wird dabei unterschlagen, dass der grüne Strukturwandel auch im Ballungsraum längst voranschreitet. Wer die A 40 und 42 entlangfährt, sieht noch Überreste und Mahnmale der Schwerindustrie. Der Industriemoloch ist demontiert, aber sein Schatten verblasst langsam. Längst aber ist das Revier grün geworden. Der Himmel ist blau, die Flüsse sauberer. Die verbliebene Industrie produziert umweltfreundlicher. Wer an die Peripherie des Reviers reist, findet rasch Erholungsoasen, Wälder und Felder. Der Bevölkerungsschwund eröffnet immerhin Chancen für ökologische Verbesserungen: Zurückgebaute Stadtviertel und Brachflächen böten neuen Raum fürs Grün. Mutmacher Die Zahl der Firmengründungen (2012: 23.960) an der Ruhr hat zugenommen. Das hat mit der wachsenden Ausstrahlung der Hochschulen zu tun, oft aber auch mit der Kraft des Beispiels. Zahlreiche Mittelständler haben sich zu Marktführern entwickelt. Ehrgeizig ist die Strategie „Zukunft Ruhr 2030“ des Initiativkreises Ruhr. Dadurch soll das Revier in wichtigen Wirtschaftsbereichen zu einer „Metropolregion“ weiterentwickelt werden, mit den Leitthemen Energie, Werkstoffe und Logistik. | WELT | Es sind vergangene Zeiten, die das Bild vom Ruhrgebiet prägen. Längst vorbei ist die Zeit der rauchenden Schlote. Genau deshalb sind viele Ruhrgebietler es leid, dass an ihrer Heimat herumgemäkelt wird. | Regionales | Düsseldorf | 2013-09-08T06:54:32Z | 2017-08-29T23:43:15Z | Mein lieber Scholli, is dat schön hier! | https://www.welt.de//regionales/duesseldorf/article119785013/Mein-lieber-Scholli-is-dat-schoen-hier.html |
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Rekord-Versteigerung: So sieht der größte blaue Diamant der Welt aus | Dieser Diamant, mit dem Namen "The Blue" - der Blaue, ist der größte lupenreine blaue Diamant der Welt. Versteigert wird er beim Auktionshaus „Christie‘s“ - und soll eine schwindelerregende Summe einbringen. | WELT | Dieser Diamant, mit dem Namen "The Blue" - der Blaue, ist der größte lupenreine blaue Diamant der Welt. Versteigert wird er beim Auktionshaus „Christie‘s“ - und soll eine schwindelerregende Summe einbringen. | Weltgeschehen | 2014-05-09T18:43:42Z | 2016-12-16T11:41:44Z | So sieht der größte blaue Diamant der Welt aus | https://www.welt.de//vermischtes/weltgeschehen/video127838162/So-sieht-der-groesste-blaue-Diamant-der-Welt-aus.html |
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Nach Faustschlag zum Idiotentest: Recht: MPU für Fußgänger | Auch Fußgänger können zu einer Medizinisch-Psychologischen-Untersuchung (MPU) aufgefordert werden. Das hat nun das Verwaltungsgericht München in einem Urteil bekräftigt. Die Aufforderung zur MPU erging im verhandelten Fall an einen Fußgänger, der einen Autofahrer geschlagen hatte. Zuvor war er von dem Wagen des Mannes seiner Meinung nach geschnitten worden. Als der Fahrer ausstieg, schlug ihm der Fußgänger ohne Vorwarnung zweimal mit der Faust ins Gesicht. Das zuständige Amtsgericht verurteilte den Schläger daraufhin zu einer Geldstrafe wegen Körperverletzung. Gleichzeitig forderte die Fahrerlaubnisbehörde die Vorlage eines MPU-Gutachtens zur Fahreignung. Der Fußgänger kam der Aufforderung nicht nach, woraufhin sein Führerschein einkassiert wurde. Dagegen klagte er vor dem Verwaltungsgericht mit dem Hinweis, er sei zu Fuß und nicht mit dem Auto unterwegs gewesen. Allerdings blieb die Klage erfolglos. Der Bezug einer Straftat zur Kraftfahreignung setzt dem Gericht zufolge nicht voraus, dass ein Pkw als Mittel zur Straftat genutzt wurde. Schon durch das Verhalten als Fußgänger und die handgreifliche Kritik am Fahrstil eines anderen Autofahrers gebe es einen ausreichenden Zusammenhang. Die vorsätzlich begangene Körperverletzung zeuge zudem von einem hohen Aggressionspotential, so dass begründete Zweifel daran bestünden, ob der Betroffene im motorisierten Straßenverkehr die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer achten würde. (Az.: M 6b S 14.3454) | WELT | Nicht nur bei Trunkenheit am Steuer oder fortgesetzter Raserei kann eine MPU drohen. Selbst wer zu Fuß unterwegs ist, kann zum Test aufgefordert werden. Zumindest bei Gewalttätigkeiten gegen Autofahrer. | Motor | Auto-News | 2015-01-14T15:38:03Z | 2015-01-14T15:38:03Z | Recht: MPU für Fußgänger | https://www.welt.de//motor/news/article136375353/Recht-MPU-fuer-Fussgaenger.html |
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Pakistan: Mehr als 120 Tote bei Tanklastwagen-Tragödie | Auf einer Schnellstraße bei Bahawalpur stürzt ein mit Öl beladener Lastwagen um. Dutzende Dorfbewohner rennen mit Benzinkanistern zur Unfallstelle, um auslaufenden Brennstoff aufzusammeln. Dann bricht ein Feuer aus. | WELT | Auf einer Schnellstraße bei Bahawalpur stürzt ein mit Öl beladener Lastwagen um. Dutzende Dorfbewohner rennen mit Benzinkanistern zur Unfallstelle, um auslaufenden Brennstoff aufzusammeln. Dann bricht ein Feuer aus. | 2017-06-25T07:14:38Z | 2022-05-12T09:10:35Z | Mehr als 120 Tote bei Tanklastwagen-Tragödie | https://www.welt.de//vermischtes/video165907397/Mehr-als-120-Tote-bei-Tanklastwagen-Tragoedie.html |
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Lebensversicherung: Die großen Versicherer jammern zu Unrecht | Trotz ständigen Gejammers wegen angeblich zu strenger Regeln und Dauertiefzinsen streichen die zwölf größten deutschen Lebensversicherer hohe Margen ein. Im vergangenen Jahr erreichten drei Anbieter sogar einen Anteil von mindestens 20 Prozent ihres Rohüberschusses. Zu dieser Gruppe zählen Marktführer Allianz, die Axa und die Debeka. Das zeigt eine Untersuchung des Ludwigshafener Betriebswirtschaftsprofessors Hermann Weinmann (verlinkt auf http://www.hs-lu.de/fachbereiche/fachbereich-dienstleistungen-und-consulting/team/professoren-lehrkraefte/prof-dr-hermann-weinmann.html) . Das Ergebnis unterstreicht, dass es den deutschen Lebensversicherern deutlich besser geht als sie vorgeben. Aufgrund der strengen Regeln und niedrigen Zinsen hatte die Branche im Frühjahr dieses Jahres die Politik um Hilfe angefleht. Im Eilverfahren wurde ein Hilfspaket (verlinkt auf /finanzen/altersvorsorge/article128617426/Lebensversicherer-verschmaehen-Rettungspaket.html) verabschiedet, doch damit waren die Anbieter noch immer nicht glücklich. Gegen stark schrumpfende Margen kämpft tatsächlich die Generali. Sie erreichte nur 6,6 Prozent und war damit der einzige Lebensversicherer der zwölf größten deutschen Anbieter, der unter zehn Prozent fiel. 2012 hatten auch noch die Ergo und Zurich so schwach abgeschnitten. 2013 kamen diese dann auf 13,1 und 15,5 Prozent. Weinmann führt die gestiegenen Margen vor allem auf höhere Nettoverzinsungen zurück. Hohe Bewertungsreserven Die Allianz Leben und die Axa erzielten mit 5,5 Prozent die höchste Nettoverzinsung. Die meisten der zwölf größten deutschen Lebensversicherer hatten hochverzinsliche Papiere verkauft und konnten dadurch hohe Gewinne einstreichen. Dennoch haben die meisten noch nicht alles Tafelsilber losgeschlagen und einen großen Puffer an Bewertungsreserven: Bei der Allianz sind es immerhin noch 22 Milliarden Euro, die R+V kommt auf knapp fünf Milliarden, bei der Bayern-Versicherung sind es mehr als zwei Milliarden Euro. Etwas dünner wird die Luft dagegen bei der HDI mit 1,3 Milliarden Euro, die Generali hat nur noch 1,7 Milliarden und bei der Cosmos sind es 400 Millionen Euro – das sind nur 3,8 Prozent des Buchwerts der Kapitalanlagen. Zum Vergleich: Bei der Allianz sind es fast 14 Prozent. Cosmos kann dagegen mit niedrigen Kosten punkten: Die Abschlussaufwendungen der Generali-Tochter liegen nur bei 1,8 Prozent der Beitragssumme. Dem Direktversicherer kommt zugute, dass er auf ein teures Vertriebsnetz verzichtet. Die Debeka erreicht eine Quote von 3,6 Prozent. Sie profitiert davon, mit angestellten Außendienstmitarbeitern zusammenarbeiten, die wenig Provision erhalten. Bei den übrigen Versicherern stiegen dagegen die Kosten für den Abschluss im Vergleich zum Vorjahr leicht, ein besonderes dramatische Entwicklung zeigt sich bei der HDI. Die Abschlusskostenquote der Talanx-Tochter stieg von 6,9 auf 7,9 Prozent. Grund dafür war vor allem das rückläufige Neugeschäft (verlinkt auf /finanzen/article129634863/Der-langsame-Tod-der-deutschen-Lebensversicherung.html) . „Die internen Abschlusskosten konnten wohl nicht entsprechend schnell angepasst werden, sodass höhere Abschlusskostenquoten die Folge sind“, schreibt Weinmann. Frust für Aktionäre So verzeichnete die HDI 23,1 Prozent weniger Geschäft mit laufenden Neubeiträgen, bei der Zurich waren es 21,8 und bei der Ergo sogar 25,5 Prozent. Auch Branchenprimus Allianz, Debeka, Generali, AachenMünchner und R+V litten unter zweistelligen Rückgängen. Dafür profitierten sie vom anziehenden Geschäft mit Einmalbeiträgen: Bei der Allianz lag der Zuwachs bei 30,5 Prozent. In diesem Jahr erwies sich die Stuttgarter Lebensversicherungstochter auch wieder etwas großzügiger gegenüber ihren Versicherten: Mit 16,5 Prozent ihres Rohüberschusses überwies sie einen niedrigeren Anteil ihres Gewinns an die Muttergesellschaft in München. HDI Leben und die Generali Leben tragen mit 2,5 und 1,3 Prozent schon seit Längerem wenig zum Ergebnis ihrer börsennotierten Mütter bei. „Nimmt man die Sicht der Verbraucher ein, sind solche Werte fantastisch“, schreibt Studienautor Weinmann. Für die Aktionäre ist dies dagegen unerfreulich. | Anne Kunz | Den deutschen Lebensversicherern geht es besser als sie vorgeben. Trotz eines katastrophal niedrigen Zinsniveaus und strenger Regeln zur Ausschüttung verfügen sie noch immer über hohe Reserven. | Finanzen | 2014-09-16T05:40:52Z | 2015-10-02T07:24:24Z | Die großen Versicherer jammern zu Unrecht | https://www.welt.de//finanzen/article132286587/Die-grossen-Versicherer-jammern-zu-Unrecht.html |
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Ausstellung: Minarett als Rakete – Kunst aus Istanbul | Laut. Unglaublich laut. Nervenzerhämmernd, ohrenzerfetzend laut. Die zehnte Istanbul Biennale ist ein Mahlstrom aus Musik. "Smoke on the Water" brät aus den Boxen, trifft unterwegs auf das Gelärme einer chinesischen Punkband, und von anderswo drängt sich der Krach eines manischen Schlagzeugers dazwischen. Die Segnungen der Videokunst. Musik kann Folter sein. "Optimismus im Zeitalter des globalen Krieges" lautet das Motto der diesjährigen Biennale, und: Ja, das mit dem Krieg kann man durchaus nachvollziehen. Und: Nein, der Optimismus ist nicht leicht zu entdecken. Wie auch, bei der Themenwahl? Unweit des Punkband-Videos stößt man auf eine Fototapete der russischen Künstlergruppe AES+F. Jugendliche, die Samuraischwerter in der Hand halten und sich mit erschütterndem Ennui gegenseitig entleiben. Eiskalt. Der Kulturminister reagierte nicht negativ Am Ende des durchwachsenen Mega-Kunstsommers 2007 präsentiert sich die Istanbul Biennale als echte Ausstellungsperle. In den alten Lagerhallen des Antrepo Nr. 3, am Ufer des Bosporus gelegen, zeigt der chinesische Kurator Hou Hanru dem Hauptteil der über 100 vertretenen Künstler. Mehr als ein Viertel der Biennaleteilnehmer stammt diesmal aus dem mittleren und fernen Osten, ein gutes Dutzend aus der Türkei. Die Künstler sind jung, politisch und provozieren. Hamra Abbas, zum Beispiel: Die Kuwaiterin bildet erotische Szenen aus der indischen Miniaturenmalerei als lebensgroße Puppen-Skulpturen ab. Schweigen herrscht über das Minarett, das Huang Yong Ping umgelegt hat. Im schiefen Winkel ragt der Turm in die Luft, gehalten von ein paar Eisenstangen. Assistent Orhun, der über die Biennale führt, murmelt etwas von "Baustelle" und von "Mobilität der Religionen". Trotzdem sieht die Konstruktion aus wie ein Raketenwerfer. "Sagen Sie das nicht", beschwört Orhun. Nach den jüngsten Wahlsiegen der islamisch-konservativen AKP ist man auch im Elfenbeinturm des Kunstbetriebs etwas nervös. Zwar hat Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan keinen Besuch angekündigt, doch der türkische Kulturminister war schon bei der Eröffnung da. "Die Reaktionen waren positiv", sagt Biennale-Sprecher Üstüngel Inanç. Was so viel heißt wie: Sie waren nicht negativ. Dass sich die Politik stärker für die Kunst engagieren wird, glaubt nämlich niemand. Nur fünf Prozent steuert der Staat zum Biennale-Budget bei. Kunstförderung ist in der Türkei Privatsache. Die konservativen Anatolier sind in der Mehrheit So wie im neuen Museum "Istanbul Modern". Die Familie Eczacibaþi, Besitzer eines Pharmakonzerns, zeigt gerade eine Überblicksausstellung über die vergangenen Istanbul-Biennalen. Man ahnt, wie wichtig die Biennale für die innertürkische Diskursproduktion sein kann. Die Bilderfeindlichkeit fanatischer Muslime reibt sich per se an einer Kunstausstellung, zudem beschäftigt sich die Großschau mit den Spannungen in der islamischen Gesellschaft: Schon 1995 waren in Istanbul Selbstporträts der noch recht unbekannten Shirin Neshat zu sehen. Auf den Bildern trägt die Künstlerin Tschador und Gewehr und hat ihre Hände mit Versen verziert, die die weibliche Sexualität thematisieren. Ein Tabubruch, weil sie die Rolle der Frau im Islam kritisch hinterfragt. Zehn Jahre später feierte der Videokünstler Phil Collins dann den Freiheitsgedanken des Pop, indem er junge Istanbuler zur Karaoke vor der Kamera einlud. Auf der stockenden Fahrt zur historischen Halbinsel ändert sich das Bild: Gläubige hasten zum Freitagsgebet in die Neue Moschee. 14 Millionen Menschen drängen sich mittlerweile im Großraum Istanbul. Die Metropole ist immer noch Sehnsuchtsort aller laizistischen Türken ist, die hier ihren europäischen Lebensstil pflegen. Und doch stammen mittlerweile über zwei Drittel der Zuwanderer aus Anatolien. Es sind konservative, gläubige Landbewohner. In Atatürks Kulturzentrum scheitern die Utopien Am Atatürk Boulevard liegt das IMC, eine Basaranlage aus verwittertem Beton, die in den Sechzigern für Textilhändler errichtet wurde. Einige Geschäfte stehen leer, hier zeigt Biennale-Kurator Hanru globalisierungskritische Kunst. Zwischen Läden, die Kopftücher und bodenlange Jeansmäntel verkaufen, können Muslimas nun auf eine Modekollektion stoßen, die von brasilianischen Prostituierten entworfen wurde. Als durchaus gelungenes Beispiel der türkischen Moderne ist das IMC ebenso vom Abriss bedroht wie das Atatürk Kültür Merkezi (AKM). Am zentralen Taksim-Platz gelegen dient das Kulturzentrum von 1978 als Veranstaltungsort für Opern- und Theateraufführungen. Der Monolith der kemalistischen Moderne ist islamfundamentalistischen Hardlinern ein Dorn im Auge. Verschiedene Ersatzbauten waren in Gespräch. Erst sollte eine Moschee entstehen, dann ein Einkaufszentrum. Am Ende wird vielleicht eine Moschee mit Einkaufszentrum den Taksim-Platz beherrschen. Und so beschleicht einen im Inneren des AKM schon ein wehmütiges Gefühl, wenn das Nachmittagslicht durch die hohen Fenster fällt. Hou Hanru zeigt im AKM Kunst, die sich mit dem Scheitern von Utopien auseinandersetzt: Markus Krottendorfers Fotozyklus über das verschwundene Hotel Rossija in Moskau etwa. Oder Vahram Aghasyans Bilder einer Hochhaussiedlung in Armenien, deren Aufbau nie vollendet wurde. Wilde Arbeiten von Tracey Emin und Gilbert & George Sehr trist wirkt das alles. Als ob eine Epoche den Bach hinunter geht. Und doch gibt es Istanbuler, die sich gegen den Abriss des AKM wehren. So wie der Architekt Cengiz Bektas: "Die nachfolgenden Generationen brauchen Räume für Musik und Kunst", erklärt Bektas. In diesem Punkt stimmt er mit seinem Kollegen Can Elgiz überein, obwohl die beiden sonst nicht viel verbindet: Bektas lebt in einem engen Nachbarschaftsgefüge, Elgiz hinter hohen Mauern in einer Villa mit Bosporusblick. Leise Salsa-Rhythmen plätschern durch die Nacht. Can Elgiz und Gattin Sevda haben zur Pool-Party geladen, feiern mit Gästen wie dem Künstler Nedko Solakov oder dem Berliner Galeristen Matthias Arndt. Das türkische Sammlerpaar hat 2001 das erste Museum für zeitgenössische Kunst in Istanbul gebaut. Eine paar schöne wilde Arbeiten von Tracey Emin, Jan Fabre oder Gilbert & George gibt es dort zu sehen. Salsa und der Ruf des Muezzin "Kunst ist unser Way of Life geworden", sagt Sevda Elgiz. Und den will sie auch ihren Landleuten nahe bringen. Etwa mit Hilfe von Jonathan Meese, der in der Türkei noch sein volles Schockpotential entfalten kann. Ob Meeses "Diktaktur der Kunst" vom durchschnittlichen Anatolier wahrgenommen wird, bleibt offen. Wie viele progressive Türken ist auch Sevda Elgiz frustriert über die Entwicklungen im Land. "Jahrzehnte haben wir nach Westen geblickt. Jetzt wollen sie, dass wir uns umdrehen", sagt sie. Aus der Ferne mischt sich der Ruf des Muezzins in die Salsa-Musik. 10. Istanbul Biennale: Bis 4. November, Katalog 35 YTL | Tim Ackermann | Zwischen Moderne und Traditionalismus: Die türkische Hauptstadt ist ein Gewirr widerstreitender Stimmen. Die aktuelle Istanbuler Kunst-Biennale macht da keine Ausnahme. Gezeigt werden überraschend provozierende Arbeiten, die Kamsutra mit Knarren mischen. | Kultur | 2007-09-26T22:00:00Z | 2015-10-04T04:59:34Z | Minarett als Rakete – Kunst aus Istanbul | https://www.welt.de//kultur/article1216028/Minarett-als-Rakete-Kunst-aus-Istanbul.html |
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Ex-bin-Laden-Leibwächter: Dass Deutschland Sami A. zurückholen muss, ist absurd | Der Rechtsstaat macht nicht immer Freude – etwa wenn ein Gericht entscheidet, dass ein Muslim aus dem Umfeld eines islamistischen Top-Terroristen (verlinkt auf /politik/deutschland/article179314400/Ex-Leibwaechter-von-Bin-Laden-Sami-A-muss-nach-Deutschland-zurueckgeholt-werden.html) zurück nach Deutschland geholt werden muss. Zwar lässt sich einwenden, es sei nicht die Aufgabe des Rechtsstaats, Freude zu verbreiten. Aber zumindest muss der Rechtsstaat entschlossen handeln und verhindern, dass man ihm auf der Nase herumtanzt. Wie es zum Beispiel Sami A. gelingt, dem Ex-Leibwächter von Al-Qaida-Chef Osama Bin Laden (verlinkt auf /politik/deutschland/plus172620518/Al-Qaida-Terrorist-Christian-Ganczarski-Osama-Bin-Ladens-vergessener-General.html) , der am Freitagmorgen aus Deutschland nach Tunesien abgeschoben wurde und jetzt auf richterlichen Beschluss zurückgeholt werden muss. Es wurden „grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien“ verletzt, urteilte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Nachmittag. Denn es sei nicht auszuschließen, dass der Tunesier in seiner Heimat gefoltert werde. Der Fall geizt nicht mit Absurditäten: Erstens hatte eine andere Kammer des Gelsenkirchener Gerichts am Mittwoch die Abschiebeanordnung für rechtmäßig erklärt – hier fielen sich also Richter gegenseitig in die Arme. Mit ihrer widersprüchlichen Auslegung der Fakten vergrößern sie nicht eben das Vertrauen in die Rechtsprechung. Zweite Absurdität: Jene Kammer, laut der die „grob rechtswidrige“ Abschiebung korrigiert werden muss, hat sich offenkundig zu viel Zeit gelassen mit seinem Abschiebeverbot. Das entsprechende Fax (ja! Fax! die älteren Leser erinnern sich!) ging beim zuständigen BAMF morgens um 8.27 Uhr ein, als Sami A. bereits im Flugzeug nach Tunis saß. Er selbst hatte zuvor einen Eilantrag gestellt, um seine Abschiebung doch noch zu verhindern. Dritte Absurdität: Zuvor hatte das BA (verlinkt auf /politik/deutschland/article179260478/Seehofers-Masterplan-Abzuschiebende-sollen-ins-Gefaengnis.html) MF dem Verwaltungsgericht nicht die erforderliche Stellungnahme geschickt, obwohl die Behörde die Verhaftung und Abschiebung angeordnet hatte, berichtet „Bild“. Gerade das BAMF sollte im Moment aber professionell arbeiten. Fast wäre die Maßnahme schon dadurch geplatzt, auch ohne die widerstreitenden Richtermeinungen. Vierte Absurdität: Es ist ungeheuerlich, dass Sami A., der 1997 zum Studium nach Deutschland kam, nach seiner militärischen Ausbildung im Jahr 2000 in einem Al-Qaida-Lager in Afghanistan (verlinkt auf /politik/ausland/plus178529170/Hamid-Karsai-Mit-den-Taliban-reden-Warum-nicht.html) und seiner in dieser Zeit ausgeübten Leibwächtertätigkeit für den Terrorchef Osama Bin Laden überhaupt nach Deutschland zurückkehren konnte. Die Bundesanwaltschaft ermittelte gegen ihn, weil er als salafistischer Prediger ein Gefährder sein soll. Ergebnislos. Seit 2014 bemühten sich Behörden um seine Abschiebung. Vergeblich. Fünfte Absurdität: Der tunesische Minister für Menschenrechte, Mehdi Ben Gharbia, hatte „Bild“ zum Fall Sami A. erklärt: „Ich kann Ihnen versichern und ich kann garantieren: Bei uns gibt es keine Folter!“ Das sahen die Gelsenkirchener Richter nicht als ausreichend an. Was erwarten sie? Einen Staatsvertrag über das Schicksal des 42-Jährigen, der auf Kosten des Steuerzahlers lebt und zwischendurch für einen Sicherheitsdienst gearbeitet haben soll? Nein, der Rechtsstaat ist nicht dazu da, uns Freude zu bereiten. Aber er muss sich koordinieren, muss sich konzentrieren. Hätten sich Justiz, Ermittlungsbehörden und BAMF unmittelbar nach Sami A.s Rückkehr aus Afghanistan um seine Abschiebung gekümmert und darüber mit den tunesischen Behörden verhandelt, hätte man nicht nur in diesem Fall viel Steuergeld sparen können. Sondern auch ein Zeichen dafür gesetzt, dass sich Deutschland nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Innenminister Horst Seehofer hat sich über die Bemühungen zur Abschiebung dieses Islamisten immer wieder informieren lassen und auf eine Beschleunigung gedrängt. Seehofer sollte trotz des Rückschlags weitermachen. Deutschland will Sami A. nicht haben. Raus mit ihm! Aber beim nächsten Mal bitte in rechtsstaatlich einwandfreier Weise. | Ansgar Graw | Erst abgeschoben, jetzt soll er zurückgeholt werden: Auf richterlichen Beschluss muss Deutschland einen Islamisten aus dem engsten Kreis des Al-Qaida-Chefs einfliegen. Der Fall geizt nicht mit Absurditäten. | Debatte | Kommentare | 2018-07-13T19:44:26Z | 2018-07-13T20:05:55Z | Dass Deutschland Sami A. zurückholen muss, ist absurd | https://www.welt.de//debatte/kommentare/article179324160/Ex-bin-Laden-Leibwaechter-Dass-Deutschland-Sami-A-zurueckholen-muss-ist-absurd.html |
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Konjunktur: US-Notenbank bereitet Strategiewechsel vor | Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) warnt immer lauter vor den wirtschaftlichen Folgen des hohen Preisdrucks in den Vereinigten Staaten. Wie die Fed in ihrem Bericht zur Lage der Konjunktur mitteilte, leiden die US-Verbraucher inzwischen stark unter den Kostenanstiegen bei Energie und Lebensmitteln. Der private Verbrauch, eigentlich die Stütze der US-Wirtschaft, habe deutlich nachgelassen, was sich an schwachen Einzelhandelsumsätzen ablesen lasse. Der inneramerikanische Tourismus scheine darüber hinaus unter den hohen Spritkosten (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/benzinpreise/) zu leiden. Die meisten US-Bürger verreisen innerhalb ihres Landes mit dem Auto und müssen dafür immer tiefer in die Tasche greifen. In ihrem sogenannten „Beige Book“ zeichnet die Fed weiter ein recht düsteres Bild der US-Konjunktur. Zuletzt sei die Wirtschaftsaktivität niedrig geblieben beziehungsweise in einigen Landesteilen sogar noch schwächer geworden. Insbesondere der Immobilienmarkt (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/immobilienmarkt/) stehe weiter unter erheblichem Druck. Neben den Verbrauchern sei auch die Industrie von den starken Preiserhöhungen bei Energie und Rohstoffen wie Metallen und chemischen Vorprodukten betroffen. Es sei ihr aber zum Teil gelungen, die höheren Kosten auf die Kunden abzuwälzen. Analysten erklärten, die Notenbank habe ihre Warnung vor der hohen Inflation in dem Bericht weiter verschärft. „Das Beige Book klingt noch ein bisschen mehr besorgt über die Inflation“, sagte Scott Brown, Chefvolkswirt bei Raymond James & Associates. Ob die aktuelle Bestandsaufnahme jedoch ausreichen werde, die Fed Ende des Monats zu einer Zinserhöhung zu bewegen, sei nicht sicher, meinte Robert Brusca von Fact & Opinion Economics in New York. Die Federal Reserve entscheidet am 25. Juni das nächste Mal über die Leitzinsen (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/leitzins/) in den USA. Die meisten Analysten rechnen damit, dass die Notenbanker ihre Serie von Zinssenkungen, die sie zur Stützung der Konjunktur auf dem Höhepunkt der Finanzkrise begonnen hatten, nicht fortsetzt. Notenbank-Chef Ben Bernanke hatte zuletzt wiederholt und eindringlich vor den Gefahren der steigenden Inflation gewarnt und zudem erklärt, er fühle sich mit dem erreichten Zinsniveau bislang recht wohl. Die Fed hatte den Leitzins (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/leitzins/) binnen weniger Monate von 5,25 Prozent auf nunmehr zwei Prozent gekappt. Unterstützung bekam Bernanke von weiteren Top-Notenbankern. Der Chef der Fed von St. Louis, James Bullard, sagte, die Zentralbank müsse in der zweiten Jahreshälfte den Kampf gegen die Inflation aufnehmen. „Nach einer zehn Monate andauernden Phase, in der die dominierende Sorge dem Zustand der Finanzmärkte galt, kann die Geldpolitik damit beginnen, sich mit der Inflation zu beschäftigen.“ Bernankes Vize Donald Kohn sagte auf einer Konferenz in Boston, der enorm starke Teuerungsdruck habe bereits dazu geführt, dass die privaten Haushalte mit weiteren Preisschüben rechneten. Die Fed müsse dafür sorgen, dass die Inflationserwartungen nicht noch weiter zunähmen. An den Finanzmärkten wird damit gerechnet, dass die Notenbanker den Leitzins im September erhöhen könnten. Bullard erklärte, er sei für eine klare Festlegung der Fed auf ein Inflationsziel. „Ich wäre ein Verfechter einer solchen Präzisierung. Nimm eine Zahl und steh dazu.“ Im Gegensatz etwa zur Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Federal Reserve keine konkrete Marke für die Inflationsrate, unterhalb derer sie noch von Preisstabilität spricht. Die EZB sieht bei einer Inflation knapp unter zwei Prozent Preisstabilität gegeben. | WELT | Die Federal Reserve warnt laut und eindringlich vor der hohen Inflation in den USA. Mit gutem Grund: Die US-Verbraucher üben sich wegen der kräftig steigenden Preise für Energie und Lebensmittel bereits in Zurückhaltung. Das setzt die Notenbank unter Druck – es deutet sich ein Ende der Zinssenkungspolitik an. | Finanzen | 2008-06-12T04:48:02Z | 2013-03-04T11:44:02Z | US-Notenbank bereitet Strategiewechsel vor | https://www.welt.de//finanzen/article2093981/US-Notenbank-bereitet-Strategiewechsel-vor.html |
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G8-Gegner: Hamburger Schulsenator warnt vor Reformbaustelle | Die Drähte in Teilen der Elternschaft glühen heiß. Rund 1600 Hamburger haben bis zum Dienstag bereits die Petition unterzeichnet, mit der die Elterninitiative „G9 jetzt!“ für die Einführung einer Wahlfreiheit zwischen acht- und neunjähriger Schulzeit an Gymnasien streitet. „Es gibt einen wunderbaren Schwung“, sagt die Initiatorin, Mareile Kirsch. „Wir bekommen im Moment viele begeisterte Mails von Schülern, Eltern, Großeltern, Lehrern und Unterstützern und Befürwortern des G9“. Die Elterngruppe setzt zunächst auf die Überzeugungskraft ihrer Petition. „Sollte das aber noch nicht reichen, haben wir als Elternintiative ,G8-Jetzt-HH´ auch einen zweiten Schritt, nämlich eine Volksinitiative, geplant“, kündigte Mareile Kirsch gegenüber der Welt an. Man wolle aber besonnen, ohne Aktionismus, vorgehen. Um die erste Stufe der Volksgesetzgebung zu nehmen, müsste die Gruppe innerhalb von sechs Monaten 10.000 Unterschriften sammeln – vorher allerdings eine Initiative gründen, Vertrauenspersonen benennen und offiziell ihre Absicht beim Senat anzeigen. Klare Absage vom Schulsenator Schulsenator Ties Rabe hat dem Anliegen der Eltern schon mal eine klare Absage erteilt – allerdings nicht, weil der SPD-Politiker ein glühender G8-Verfechter wäre, sondern weil die Rückkehr zu G9 die Gymnasien nach seiner Überzeugung zu einer mehrjährigen Reformbaustelle machen würde. „Es gibt in der Tat gute Gründe für und gegen eine verlängerte Schulzeit“, sagte Rabe. Deshalb würden in Hamburg (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/hamburg-staedtereise/) an Gymnasien und Stadtteilschulen beide Wege angeboten. „Wer das jetzt wieder ändern will, zettelt ohne Not einen großen Schulstreit an, der Politik, Verbände, Öffentlichkeit, Lehrer, Eltern und Schüler jahrelang in Atem halten wird“, argumentierte Rabe. Gleichzeitig würden Hamburgs Gymnasien in eine länger dauernde Reformbaustelle gestürzt. „Stundentafeln, Stundenpläne, Bildungspläne, Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, Stellenpläne, Raumpläne, Baupläne und vieles mehr – praktisch die gesamte Mechanik der Gymnasien müsste in einem langwierigen Verfahren mit unübersehbaren Folgewirkungen geändert werden“, warnte Rabe. An die Schulstruktur will er nicht herangehen, womöglich aber an die Umsetzung an den Schulen. „Die Hamburger Bildungspläne wurden bereits angepasst“, sagte Rabe. Es gehe aber weiterhin darum, Unterricht, Klassenarbeiten und Hausaufgaben auf G8 einzustellen. Dennoch sei der Unterschied zu G9 geringer, als viele dächten. „Ein Hamburger G8-Gymnasiast hat täglich 20 Minuten mehr Schule ein G9-Stadtteilschüler.“ Man müsse sich gut überlegen, ob es lohne, deswegen sämtliche Gymnasien in eine Reformbaustelle zu verwandeln.“ | WELT | 1.600 Hamburger haben bis zum Dienstag die Petition der Initiative „G9 jetzt!“ unterzeichnet. Senator Rabe (SPD) erteilt der Rückkehr zu G9 jedoch eine Absage. Er will die G8-Strukturen verbessern. | Regionales | Hamburg | 2013-01-16T13:36:01Z | 2013-01-17T11:42:55Z | Hamburger Schulsenator warnt vor Reformbaustelle | https://www.welt.de//regionales/hamburg/article112807438/Hamburger-Schulsenator-warnt-vor-Reformbaustelle.html |
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Offensive in Syrien: Für die Türkei wäre der Verlust Idlibs ein Tiefschlag | Dichte, graue Rauchschwaden steigen in den Himmel (verlinkt auf /politik/ausland/article181466542/Syrien-Aktivisten-melden-schwere-Luftangriffe-auf-Idlib.html) , und riesige Feuerbälle explodieren zwischen den Häusern. Es sind russische Kampfflugzeuge, die seit Samstag ihre Luftschläge auf die letzte Bastion der Rebellen in Idlib intensivieren. Hubschrauber der syrischen Armee werfen ihre gefürchteten Fassbomben ab - mit Nägel, Benzin und Sprengstoff gefüllte Tonnen. Gleichzeitig feuern Regimetruppen schwere Artillerie ab. Hauptziel der Angriffe ist der Süden des Rebellengebiets. Für eine Bodenoffensive gibt es noch keine Anzeichen. Aber sie könnte in den nächsten Tagen auf mehreren Achsen erfolgen, wie regimenahe Medien schreiben. Für sie hat die „riesige Offensive auf Idlib“ (verlinkt auf /debatte/kommentare/article181467940/Syrien-Ohnmaechtig-schaut-der-Westen-auf-die-Schlacht-um-Idlib.html) bereits begonnen, über die seit Wochen spekuliert wird. Denn die immensen Luftangriffe und Granatenbeschüsse könnten nur einen Sinn haben, nämlich „die Stellungen der Aufständischen für die Sturmtruppen der syrischen Armee aufzuweichen“. Für die Türkei ist es ein empfindlicher außenpolitischer Tiefschlag, sollte die Offensive auf Idlib tatsächlich im Rollen sein. Ankara ist die Schutzmacht der Rebellen, die sie seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011 finanziert und bewaffnet. Ob radikale oder moderate Islamisten – Unterschiede wurden da kaum gemacht. Ankara hat seine Rebellen wie Söldner für zwei ihrer Invasionen in Nordsyrien gegen die verhassten Kurden eingesetzt. Bis heute fungieren die syrischen Rebellen dort als türkische Ordnungsmacht. 2017 machte Ankara aus ihnen dann die „Syrische Nationale Armee“. In Idlib droht nun dieser türkischen Hilfsarmee nicht nur eine Niederlage, sondern ihre Vernichtung. Denn Russland und das syrische Regime sind bekannt dafür, mit allen kurzen Prozess zu machen, die sie für „Terroristen“ halten. Und in Idlib lassen beide nicht den geringsten Zweifel daran. Wie der russische Außenminister Sergej Lawrow formulierte, „muss dort ein „Eitergeschwür liquidiert werden“. Die neue Entwicklung in Idlib ist keine Überraschung. Ein Foto vom Gipfeltreffen zwischen Russland, dem Iran und der Türkei vom Wochenende in Teheran spricht Bände. Auf dem Bild ist ein ratloser Recep Tayyip Erdogan zu sehen, der geistesabwesend in den Nüssen auf dem Teller vor ihm stochert. Für den türkischen Präsidenten lief es bei den Gesprächen mit seinen russischen und iranischen Amtskollegen, Wladimir Putin und Hassan Ruhani, nicht sehr gut. Gemeinsam sollte über das Schicksal Idlibs entschieden werden, das von rund 300.000 Regimesoldaten umzingelt ist. Aber von „gemeinsam“ war am Ende keine Rede. Die Türkei blieb mit ihren Wünschen außen vor. Erdogan hatte in Teheran einen Waffenstillstand in Idlib gefordert. „Ein Angriff auf Idlib mündet in ein Desaster, in ein Massaker und eine menschliche Tragödie“, rechtfertigte Erdogan sein Anliegen. Aber in Wirklichkeit brauchte er nur Zeit, um mit den Rebellen zu verhandeln. Sie sollten ausnahmslos in die von Ankara gegründete „Nationale Armee“ integriert werden. Danach hätten sie aus Idlib in das von der Türkei besetzte Nordsyrien abziehen dürfen. Erdogan scheint Konfrontation aus dem Weg zu gehen Aber Russland lehnte den vorgeschlagenen Waffenstillstand kategorisch ab. „Für uns ist das inakzeptabel, wenn man Terroristen abziehen lässt“, sagte Kremlchef Putin, „um sie vor Angriffen zu bewahren, und das auch noch unter dem Vorwand, die Zivilbevölkerung zu schützen.“ Mit „Terroristen“ meint Putin in erster Linie die al-Qaida nahestehenden Gruppen in Idlib, von denen es gleich mehrere gibt. Die größte davon ist Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die etwa 60 Prozent der Provinz kontrolliert. Besser bekannt ist sie unter ihrem ehemaligen Namen „Nusra-Front“. In dieser Dschihadistenmiliz kämpfen auch einige Tausend Europäer. „Wir werden das syrische Volk bis zum Märtyrertod verteidigen“, sagten einige holländische Mitglieder maskiert in Internetvideos. Von der türkischen Armee in Idlib kam bisher noch keine Reaktion. Sie hat insgesamt zwölf Beobachtungsposten auf Rebellengebiet entlang der Frontlinie zur syrischen Armee. Diese Posten wurden im Laufe dieses Jahres in regelrechte Basen ausgebaut und verfügen sogar über moderne Luftabwehrsysteme. Erdogan scheint jedoch einer Konfrontation mit der syrischen Armee und besonders Russlands aus dem Weg zu gehen. „Wir werden weder von außen nur zusehen noch uns an diesem Spiel beteiligen“, schrieb der türkische Präsident auf Twitter, wenige Stunden, nachdem seine Waffenstillstandsforderung von Putin abgelehnt worden war. Weder zusehen noch beteiligen? Im Grunde genommen heißt das nicht anderes als still halten. Letztendlich bleibt Erdogan auch kaum Handlungsspielraum, und schon gar kein militärischer, um die Offensive aufzuhalten – es sei denn, auf Kosten einer Eskalation –, und das mit unkalkulierbaren Folgen. Ankara kann nur versuchen, auf die Rebellengruppen in Idlib Einfluss zu nehmen. Viele sind ja von der Türkei abhängig, beziehen seit Jahren ihre Gehälter und Waffen. Ankara müsste sie möglichst schnell zur Aufgabe überreden, bevor die Offensive auf vollen Touren läuft. Aufgabe ist nichts Neues. In Damaskus und zuletzt in Daraa, im Süden Syriens, gaben die Rebellen ihre schweren Waffen ab, und im Austausch bekamen sie freies Geleit. Dass dieses Modell allerdings in Idlib erneut funktioniert, ist zu bezweifeln. Denn Putin hat in Teheran deutlich gesagt, dass er die Rebellen aus Idlib nicht einfach so ziehen lassen will. Die Türkei könnte höchstens einen Teilabzug erreichen. Für die Bewohner Idlibs sind die Verhandlungen zwischen Russland, der Türkei und dem Iran bisher nur eine einzige Enttäuschung. Am Wochenende waren Tausende von ihnen auf die Straße gegangen, um für ein Eingreifen der Türkei zu demonstrieren. „Sie muss uns vor der Offensive beschützen“, sagte ein junger Mann, der aus Daraa geflüchtet war, einem arabischen Fernsehsender. „Wir werden nicht aufgeben und ganz bestimmt nicht in das Territorium von Präsident Assad fliehen.“ Die Menschen haben Angst, dass sie als Oppositionelle in einem Gefängnis des Regimes verschwinden. „Die Schlacht um Idlib wird für Russland die Hölle“ Deshalb forderte Staffan de Mistura, der UN-Spezialgesandte für Syrien, nicht nur eine ausreichende Anzahl von Fluchtkorridoren für die Bewohner Idlibs. Sie müssten eine „sichere Route und ihr Ziel frei wählen können“, sagte de Mistura vor dem UN-Sicherheitsrat. Gleichzeitig plädierte der Spezialgesandte für eine „deadline“ für alle Kämpfer, insbesondere für die radikalen Islamisten. Sie müssten innerhalb einer Frist aus allen Wohngegenden abziehen und würden währenddessen nicht angegriffen. „Das gelte besonders für die „Nusra-Front“, so de Mistura, „mit der die Türkei als Bürge in Kontakt stehen soll.“ Realistisch klingt das nicht. Denn die ehemalige Nusra-Front wird kaum ihre Verteidigungsstellungen aufgeben, an denen sie jahrelang im Geheimen gearbeitet hat. Es wäre ein militärischer Glücksfall, wenn es in Wohngebieten keine Kämpfer mehr gäbe, welche sich dann irgendwo anders, völlig isoliert, vernichten ließen. Sehr beliebt sind die radikalen Islamisten in Idlib nicht. „Wir haben sie lange bekämpft“, sagte Ahmed, ein Aktivist aus Idlib, über WhatsApp. „Aber jetzt brauchen wir sie, und niemand will die militärische Einheit zerstören.“ Denn sonst werde das Regime in Idlib viel schneller einmarschieren, als allen lieb ist. Angesichts der Offensive kooperieren alle Rebellengruppen, egal, wie verfeindet sie vorher gewesen sein mögen. Sie haben einen gemeinsamen „operation room“, also eine militärische Einsatzzentrale, eingerichtet. „Die Schlacht um Idlib wird für Russland die Hölle“, sagte Ali Basha, der Kommandeur von Ahrar al-Sham, einer islamistischen Miliz, die Ankara seit Langem unterstützt. Nach Aufgabe klingt „Hölle“ nicht. Für die Türkei dürfte es schwierig werden, die Rebellen vom kampflosen Abzug aus Idlib zu überzeugen. Zumal selbst diejenigen, die auf der Lohnliste stehen, bis zum Ende kämpfen wollen. Wie schon zuvor in Aleppo, al-Ghuta und Daraa scheint es niemanden zu geben, der Russland und das Regime stoppt. US-Präsident Donald Trump hat zwar versichert, er werde genau hinsehen, was in Idlib geschieht. Aber amerikanische Gegenschläge muss Trump – via Pentagon – zuerst mit Russland absprechen. | Alfred Hackensberger | Die Verhandlungen zwischen Russland, dem Iran und der Türkei sind gescheitert. Die russische Luftwaffe bombardiert Idlib. Syrische Medien melden den Beginn der Offensive auf die letzte Bastion der Rebellen. | Politik | Ausland | 2018-09-08T18:44:39Z | 2018-09-10T12:03:31Z | Für die Türkei wäre der Verlust Idlibs ein Tiefschlag | https://www.welt.de//181469544 |
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Ausstellung: Villa Stuck zeigt haarige Fotografien von Koelbl | Was taugt besser zur Selbstinszenierung als Haare? Womit lässt sich die Persönlichkeit überzeugender unterstreichen als mit einer Frisur? Haare sind Symbol für die individuelle Identität, sie repräsentieren die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, dienen aber gleichzeitig auch der bewussten Abgrenzung. All den kulturgeschichtlichen Facetten des Themas Haare widmet sich die bekannte Fotografin Herlinde Koelbl in ihrem neuesten Zyklus von 120 Werken, von dem das Museum Villa Stuck 70 Schwarz-Weiß- und Farbaufnahmen in einer Ausstellung zeigt. Seit sich die 1939 in Lindau geborene, zunächst als Modedesignerin ausgebildete Herlinde Koelbl ab Mitte der 70er-Jahre der Fotografie zuwandte, arbeitet sie konsequent in Serien, die stets auch als Bildbände realisiert wurden. Die Milieustudien „Das deutsche Wohnzimmer“ oder „Feine Leute“ sind heute längst Klassiker. Zu Koelbls herausragenden Arbeiten gehören jedoch auch die „Jüdischen Porträts“ sowie „Starke Frauen“ und „Männer“. Berühmt machte sie die fotografische Langzeitstudie „Spuren der Macht“, in der sie die Veränderungen bekannter Politiker wie Angela Merkel oder Gerhard Schröder während deren politischer Tätigkeit dokumentierte. Auf Spurensuche Das Thema Haare allerdings beschäftigte Koelbl schon ihr Leben lang. „Als Kind, mit rötlichem Haar und Sommersprossen, bin ich nicht wie die anderen gewesen, die blond waren oder dunkel“, sagt sie. So ging sie auf Spurensuche: zurück zur Bibel, in der die Sünderin Maria Magdalena Jesus mit ihrem Haar die Füße trocknet. Ins Märchen, in dem Rapunzel ihr Haar herablässt. Zum Volkslied der Loreley. „Was mich interessiert ist: Warum wird das Haar als Mythos so besungen“, fragt Herlinde Koelbl. An die sechs Jahre war sie auf vier Kontinenten unterwegs und sprach Leute mit auffallender Haartracht an, die sie ins Fotoatelier lud. Dort wurden sie, perfekt ausgeleuchtet vor neutralem Hintergrund, in Nahsicht aufgenommen. Name, Datum, Ort – nichts von der realen Situation wurde festgehalten, sodass man in der Stuck-Villa nur anonyme Gegenüber hat. Männer mit Glatze Doch die sind aussagekräftig genug, denn die Fotografin interessiert sich nicht nur für die Ästhetik, sondern auch für Tabus. So sieht man neben lockigem Blondhaar, üppigen Mähnen, den Körper umhüllendem Langhaar auch Haarverlust: eine Frau nach der Chemotherapie, mal haarlos, mal mit Perücke, oder Männer mit Glatze. Selbst intime Bilder wirken durch Koelbls Augen gesehen weder peinlich noch provokant: Blicke auf wegrasierte Schamhaare, die einer Tätowierung weichen mussten, das martialische Genitalpiercing, ein animalisch behaarter Männerrücken, wild behaarte Achselhöhlen, altersgraue Haare, ja sogar ein Schrumpfkopf, bei dem nur ein paar schüttere Strähnen an eine einst vielleicht üppige Haarpracht erinnern. Selbst die Reste schockieren Koelbl nicht, wenn sie etwa Haare im Abfluss zeigt. Zur Vielfalt des Fotospektrums gehören jedoch vor allem Haare, die auf unterschiedliche Kulturkreise und Religionszugehörigkeiten schließen lassen. Da zeigt sich ein jüdischer Junge mit den traditionellen Schläfenlocken, sind die Haare eines muslimischen Mädchens unter dem Kopftuch verborgen, hängt ein zotteliger Yogi-Bart halb über die Brust. Rasta-Look für eine coole Lebenseinstellung Kunstvoll sind afrikanisch inspirierte Flechtfrisuren arrangiert, elegant wirkt der aufwendig inszenierte Kopfputz japanischer Geishas, demonstrativ steht die Glatze harter Szenetypen für ihre politische Orientierung oder der Rasta-Look für eine vermeintlich coole Lebenseinstellung. Dass bei Frauen Haare Signalwirkung besitzen, dass sie der direkteste Ausdruck für Schönheit sind, dass sie den geheimen Codes der Mode unterworfen sind, demonstrieren die zahlreichen Frauenporträts, die von wilden Struwwelpeter-Mähnen bis zum sauberen Seitenscheitel reichen „Ich möchte, dass das Haar fühlbar wird“, sagt Herlinde Koelbl. Das gelingt ihr mit der Serie „Haare“ perfekt. „Haare“, Museum Villa Stuck, Fotografien von Herlinde Koelbl (6..März bis 15.Juni) | Barbara Reitter-Welter | Haare beschäftigten die bekannte Fotografin Herlinde Koelbl schon ihr Leben lang. Den kulturgeschichtlichen Facetten des Themas widmet sie sich in ihrem neuesten Zyklus von 120 Werken, von dem das Museum Villa Stuck 70 Schwarz-Weiß- und Farbaufnahmen in einer Ausstellung zeigt. | Regionales | München | 2008-03-03T09:02:04Z | 2017-08-15T12:11:25Z | Villa Stuck zeigt haarige Fotografien von Koelbl | https://www.welt.de//regionales/muenchen/article1750441/Villa-Stuck-zeigt-haarige-Fotografien-von-Koelbl.html |
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Stichwort: Das VW-Gesetz | Nicht jeder Konzern kann sich auf ein eigenes Gesetz verlassen. Volkswagen macht dabei eine umstrittene Ausnahme. Das VW-Gesetz trat am 21. Juli 1960 in Kraft, als die Volkswagenwerk GmbH privatisiert und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. 60 Prozent des Gesellschaftskapitals wurden veräußert, 40 Prozent verblieben zunächst bei Bund und Land. Der öffentlichen Hand sollten dennoch Mitspracherechte gesichert werden. Dafür räumt das Gesetz dem Land Niedersachsen als größtem Einzelaktionär überproportionalen Einfluß ein. Kein anderer Aktionär kann zudem mehr als 20 Prozent der Stimmrechte ausüben, unabhängig davon, wie viele Anteile er am Unternehmen hält. Das Land ist heute mit 13,7 Prozent an VW (verlinkt auf https://www.welt.de/themen/vw/) beteiligt und hält 18,2 Prozent der stimmberechtigten Stammaktien. Die EU-Kommission sieht in dem VW-Gesetz einen Verstoß gegen das Recht auf freien Kapitalverkehr und leitete daher ein Verfahren gegen Deutschland ein. Wegen der Sonderregelung könnten ausländische Großinvestoren abgeschreckt werden, lautet die Befürchtung. | WELT.de/dpa | Stichwort: Das VW-Gesetz | Wirtschaft | 2005-09-24T22:00:00Z | 2011-11-15T21:10:39Z | Stichwort: Das VW-Gesetz | https://www.welt.de//wirtschaft/article167001/Stichwort-Das-VW-Gesetz.html |
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Bethlehem erstarrt in Angst | Die Krippenstraße ist ausgestorben. Am ersten verregneten Morgen dieses Herbstes kommt einem knapp vier Kilometer vom Stoßverkehr Jerusalems entfernt auf der nördlichen Hauptgeschäftsstraße Bethlehems nur noch das Gespenst des Krieges entgegen. Keine Katze wagt sich ins Freie, kein Mensch zu sehen. Durchsiebte Autos parken quer am Bordstein, überfahrene Mülltonnen versperren den Weg, Panzerketten haben das Pflaster aufgerissen, viele Wagen demoliert und ein Auto wie mit einer Schrottpresse platt gewalzt. Alle Türen sind mit Stahltüren verriegelt. Ein Laternenpfahl ist umgeknickt. Rußgeschwärzte Fassaden, durchschossene Fenster und Splitter überall, und leere Patronenhülsen. Plötzlich zerreißt ein Feuerstoß aus dem Paradies-Hotel die Totenstille, vielleicht 50 Meter hinter uns. Vor uns antwortet Kalaschnikoff-Geknatter dem Feuer hinter unserem Rücken, dann knallt und kracht es von allen Seiten, wie mitten in einem Feuerwerk. Die Krippenstraße Bethlehems ist zur Combat-Zone geworden. Ein Steinwurf vor dem verrammelten Restaurant, wo wir letzte Woche noch Lamm gegessen haben, ruft uns ein altes Ehepaar unter den Kugelhagel hindurch in einen Hauseingang, der Mann gelb im Gesicht und nass vor Schweiß, mit einem Plastiksack in der Hand. Können wir ihn mitnehmen? Bethlehem erstarrt in Angst. Eine Straßenecke weiter kauert eine Gruppe schwarzgekleideter Milizen auf einer Treppe, die automatischen Waffen im Anschlag. Ein Wunder, dass es bei dem Trommelfeuer der letzten Tage nur so wenige Tote gab. Am Mittwoch wurde Ahmed Abayat auf dem Nachhauseweg von Siedlern erstochen, am Donnerstag kamen drei Brüder der Abayat-Familie in einer Bombenfalle ums Leben, am Freitag starb der junge George Abu Eid und Abu Srour in verirrten Kugeln und Maryam Subai, eine Mutter von sechs Kindern. Am gleichen Tag kam die schwangere Rihab Nofal mit ihrem Kind in einem Krankenwagen um, mit dem sie nicht durch die Kontrolle durchgelassen wurde, und Aischa Odeh, einer Mutter von acht, und am Sonntag der taubstumme Mohammed Suleiman Baraka: 16 Tote insgesamt seit letztem Dienstag. Jetzt versammeln sich in der Hirtenstraße die Angehörigen eines 17-jährigen Ministranten, den am Sonntagmorgen ein Hochgeschwindigkeitsgeschoss auf dem Krippenplatz in die Schläfe traf, als er mit seinen Neffen spielte. Der Wind weht ein Flugblatt mit der Erklärung des Papstes vom Sonntag aus Rom über den belebten Platz: "Im Namen Gottes sage ich noch einmal: Gewalt ist für alle nur ein Weg des Todes und der Zerstörung; sie entehrt die Heiligkeit Gottes und die Würde des Menschen." Die Regierungen in aller Welt müssten von Israel verlangen, die "dramatische Gewaltanwendung" in den Palästinensergebieten zu stoppen, die nun bis in den "Geburtsort unseres Erlösers" vorgedrungen sei, wo alle Bewohner das "Geschenk" hätten, in dem Land zu leben, das Juden, Christen und Muslimen heilig sei. Hier müssten Palästinenser und Israelis endlich zu der "Würde zurückfinden, die Gott ihnen gegeben hat". Der Checkpoint aus der Stadt heraus ist undurchlässig von einer Festung aus fünf schweren Panzern und Bulldozern mit lässig freundlichen Soldaten der Armee versperrt, an denen vorbei eine Familie mit einem Kleinwagen aus Bethlehem zu fliehen versucht. Blaulicht erhellt die Straßen Jerusalems. Am Zionsplatz demonstrieren über 80.000 Menschen mit Plakaten, auf denen sie Osama Bin Laden neben Arafat als "Twins" vorstellen. Am Stadtrand bei Gilo liegen die Lichter von Beit Dschallah funkelnd wie Damaskus auf dem anderen Seite des Tals. Geschützfeuer flackert fahl in den Straßen auf, Rauch steigt in die Höhe. Eine schwere schwarze Wolke senkt sich aus dem Nachthimmel auf Bethlehem herab. War das alles nur ein Traum? Am nächsten Morgen strahlt die Sonne in aller Pracht über den judäischen Hügeln. Am Checkpoint ist kein einziger Panzer mehr zu sehen. Nach einem Aufruf der Patriarchen haben sich hunderte von Christen aller Denominationen vor der Stadt versammelt, um die Blockade in einem "Pilgerzug der Solidarität" und einem langen Autokonvoi zu durchbrechen - mit vielleicht noch einmal so vielen Medienvertretern aus aller Welt. Die Soldaten winken sie durch. Jubel empfängt die Fahnen und Kutten der Pilger auf dem Krippenplatz. Vielen der geröteten Gesichter der palästinensischen Sprecher sieht man das Blut der Kreuzfahrer noch deutlich an, die vor 800 Jahren neben einer Vielzahl von Bauten auch einen enormen Gen-Pool im heiligen Land hinterlassen haben. Jetzt ist es, als klänge in ihren Gebeten und Gesängen ein letztes Echo auch jene Freude nach, die sie im Jahr 1099 wohl bei der Sprengung der Belagerung Antiochiens empfunden haben müssen. Kein Abzug Jerusalem - Ungeachtet aller internationalen Kritik will Israel seine Truppen in den sechs Palästinenserstädten stationiert lassen. Besonders die USA hatten in ungewohnt heftiger Form den sofortigen Abzug gefordert. Israels Ministerpräsident Ariel Scharon rechtfertigte den Einsatz am Montagabend als Selbstverteidigung nach der Ermordung des Tourismus-Ministers Rechawam Seewi durch palästinensische Attentäter. "Israel, wie jedes demokratische Land, nimmt sein Recht auf Selbstverteidigung wahr", so Scharon. Er bekräftigte zudem seine Forderung an Palästinenser-Präsident Jassir Arafat, "die Mörder Seewis und deren Hintermänner auszuliefern, terroristische Organisationen zu bekämpfen und aufzulösen". Die Arbeitspartei des israelischen Außenministers Schimon Peres erwog den Auszug aus der Koalition. Die USA kritisierten in bisher schärfster Form die größte israelische Militäraktion in den Autonomiegebieten seit mehreren Jahren. US-Außenamtssprecher Philip Reeker forderte den sofortigen israelischen Rückzug aus den palästinensischen Gebieten. | DW | Die Krippenstraße ist zur Kampfzone geworden - 16 Tote seit Dienstag | Print-welt | 2001-10-23T22:00:00Z | 2011-11-16T20:37:29Z | Bethlehem erstarrt in Angst | https://www.welt.de//print-welt/article483119/Bethlehem-erstarrt-in-Angst.html |
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Polnisch-Sowjetischer Krieg: Ein Wunder ließ Polen über die Rote Armee triumphieren | Ironie zu erkennen ist bekanntlich eine Eigenschaft, die nicht jedem gegeben ist. Daher brandete Beifall auf, als der Abgeordnete Stanislaw Stronski im polnischen Parlament, dem Sejm, die erfolgreiche polnische Offensive im August 1920 gegen die Rote Armee als „Wunder an der Weichsel“ bezeichnete. Das sollte einen bissigen Unterton zu dem „ukrainischen Abenteuer“ liefern, in das der Staatschef und Generalissimus Józef Pilsudski (verlinkt auf /geschichte/article150231209/Kriegsheld-Diktator-und-Vorbild-fuer-Kaczynski.html) mit seinem Vormarsch nach Osten seit April Polen geführt hatte und das Stronski nun geißelte. Aber Pilsudskis Anhänger im Sejm verstanden keine Ironie. Und so wurde das „Wunder an der Weichsel“ zum Ruhmeskapitel in der Wiederauferstehungsgeschichte Polens im 20. Jahrhundert. Am 11. November 1918, an dem Tag, an dem das Deutsche Reich in Compiègne den Waffenstillstand mit der Entente unterzeichnete, hatte Pilsudski als „vorläufiges Staatsoberhaupt“ die Macht in Polen übernommen. Ein Monat zuvor hatte der Regentschaftsrat in Warschau einen unabhängigen Staat proklamiert und damit die 123 Jahre währende Zeit der Unterdrückung beendet, in der Polen unter Russland, Österreich und Preußen beziehungsweise Deutschland aufgeteilt gewesen war. Doch was war Polen, wo lagen seine Grenzen? Den einen schwebte eine Renaissance des alten Reichs der Piasten vor, zu dem Schlesien und andere Teile des Deutschen Reiches gehört hatten. Andere träumten von der Wiedererstehung des Imperiums der Jagiellonen und der Union mit Litauen (verlinkt auf /geschichte/article113591091/Alte-Grossmacht-zwischen-Deutschland-und-Russland.html) , das sich weit ins Baltikum, nach Weißrussland und in die Ukraine bis zum Schwarzen Meer erstreckt hatte. Entsprechend breit gespannt waren die Forderungen, mit denen Polen auf der Friedenskonferenz von Versailles auftrat. Ein Vorrücken der Grenze nach Westen, das auch dem französischen Konzept eines breiten „Cordon Sanitaire“ zwischen Deutschland und Sowjetrussland entsprochen hätte, scheiterte am Einspruch Englands. In London wollte man Deutschland als mögliches Bollwerk gegen die Bolschewiki erhalten. Das war durchaus im Sinn Pilsudskis und seiner Anhänger. Sie träumten von einer Wiederherstellung Polens in den Grenzen des 17. Jahrhunderts. Der Bürgerkrieg, der Russland erschütterte (verlinkt auf /kultur/literarischewelt/article135924973/Als-die-Bolschewisten-wueteten-wie-heute-der-IS.html) , bot die Chance dazu. Seit 1918 kämpfte Lenins Regime gegen die Armeen der Weißen und Expeditionskorps verschiedener Großmächte um seine Existenz. Pilsudski nutzte das Machtvakuum, das der Rückzug der deutschen und österreichischen Truppen (verlinkt auf /geschichte/article174133033/Erster-Weltkrieg-Wie-Deutschland-Russland-den-Frieden-diktierte.html) aus dem Osten hinterlassen hatte, und begann, die Grenze schrittweise nach Osten vorzuschieben, wobei es wiederholt zu Kämpfen mit sowjetischen Truppen kam. Als klar wurde, dass die Rote Armee im Bürgerkrieg siegen würde, schlug er zu. Am 25. April 1920 eröffneten polnische Armeen eine Großoffensive, wobei die Warnungen des Obersten Rats der Entente (England, Frankreich, Italien, Belgien, Japan) geflissentlich übersehen wurden. Bereits am 7. Mai war mit Kiew die Metropole der Ukraine in polnischer Hand. Doch den Polen sollte es kaum besser ergehen als den Griechen, die zur gleichen Zeit mit wohlwollender Duldung durch die Siegermächte ihren Anteil am Osmanischen Reich zu gewinnen suchten. Die Logistik in den straßenlosen, zudem vom Krieg verwüsteten Weiten des Ostens brach zusammen. Zwar waren die polnischen Truppen hoch motiviert, und viele Soldaten hatten im Ersten Weltkrieg auf verschiedenen Seiten Kampferfahrung sammeln können. Aber sie mussten mit einem Sammelsurium an Waffen kämpfen und hatten oft nicht einmal Schuhe an den Füßen. Auf der anderen Seite hatte die von Leo Trotzki organisierte Rote Armee (verlinkt auf /kultur/article9094887/Ein-Eispickel-gegen-den-Kopf-der-Weltrevolution.html) unter großen Opfern den Bürgerkrieg bestanden und war zu einem hochgerüsteten Kampfinstrument geworden, das auch von einer ideologischen Sendung angetrieben wurde. „Im Westen entscheidet sich das Schicksal der Weltrevolution; über den Leichnam Polens führt der Weg zum allgemeinen Weltbrand“, hatte der ehemalige zarische Oberleutnant und nun Oberbefehlshaber Michail Tuchatschewski der Westfront als Tagesbefehl am 2. Juli ausgegeben. Damit begann die sowjetische Gegenoffensive. Die polnische Front brach zusammen. In ihrer Not bat die polnische Regierung den Ententerat um Hilfe. Der verwies auf die Demarkationslinie am Bug, die der damalige britische Außenminister George Curzon im Dezember 1919 als Ostgrenze Polens vorgeschlagen hatte, weil bis dort Polnisch die Mehrheitssprache war. Doch die Bolschewiki hatten andere Pläne. Für sie war Polen ein letztes Bollwerk, das niedergewalzt werden musste, um die Weltrevolution endlich nach Westen zu exportieren. Ein „Polnisches Revolutionäres Komitee“ unter der Führung des Tscheka-Gründers Felix Dserschinski (verlinkt auf /geschichte/article171750779/Geheimdienste-Die-Tscheka-erhob-den-Terror-zur-Staatsdoktrin.html) , der verarmtem polnisch-litauischem Adel entstammte, stand in Bialystok bereit, um die Macht in Polen zu übernehmen. Und mehrere sowjetische Armeen schickten sich an, über die Weichsel zu setzen und die Hauptstadt Warschau in die Zange zu nehmen. Da entwickelte Pilsudski einen tollkühnen Plan. Die zum Teil noch desorganisierten polnischen Divisionen sollten sich an und hinter der Weichsel eingraben oder sich so weit zurückziehen, dass ihre Gegner in leere Räume vordringen würden. Auf jeden Fall sollten sie sie ablenken und binden, damit eine „Reservearmee“ in die Lücke stoßen konnte, die zwischen der sowjetischen West- und Südwest-Front klaffte. Diese Truppe bestand aus 20.000 erfahrenen und hoch motivierten Kämpfern, denen sich weitere Divisionen anschließen sollten. Die französische Militärmission, die inzwischen die polnische Führung beriet, hielt den Plan für Wahnsinn, nicht zuletzt weil Pilsudski zuvor eher als Revolutionär und Politiker denn als Militärführer Erfahrung gesammelt hatte. Auch zahlreiche Kommandeure Pilsudskis äußerten Zweifel, wurden aber von dem Argument überzeugt, dass nur dieses riskante Flankenmanöver den Zusammenbruch der Front verhindern würde. Und einer unterstützte mit seinen Intrigen unwissentlich die polnischen Pläne: Josef Stalin. Als Politischer Kommissar der Südwestfront wollte er sich gegenüber Lenin profilieren. Auch hasste er die ehemaligen zarischen Offiziere (verlinkt auf /kultur/history/article108896097/Warum-Stalin-beschloss-um-Stalingrad-zu-kaempfen.html) wie Tuchatschewski, die sich der Revolution zur Verfügung gestellt hatten. Daher verzögerte er den Vormarsch der gefürchteten Reiterarmee seines Genossen Semjon Budjonny, eines zarischen Unteroffiziers, der im Bürgerkrieg Karriere gemacht und später zu einem der mächtigsten Paladine Stalins aufsteigen sollte. Pilsudskis Plan ging auf. Seine Funkaufklärung hatte den sowjetischen Code geknackt. Auch gelang es, Tuchatschewskis Funkverkehr zu stören, sodass die roten Divisionen keine Befehle erhielten, in der polnischen Abwehr verbluteten oder sich fluchtartig zurückzogen. Lenin erkannte, dass ein polnischer Triumph für die Weltrevolution gefährlicher als ein siegreicher Durchbruch ihr förderlich werden würde und schloss in Riga Frieden mit Polen. Polens Grenze wurde 200 bis 300 Kilometer über die Curzon-Linie hinaus nach Osten geschoben. Der Triumph verlieh Pilsudski einen Nimbus, der ihn bis zu seinem Tod 1935 zum starken Mann Polens machte. Stalin vergaß den Streit mit Tuchatschewski nicht und machte ihm 1937 einen Schauprozess (verlinkt auf /geschichte/article156103827/Stalins-Saeuberungswelle-in-der-Roten-Armee-beginnt.html) , den der nicht überlebte. Nach dem Pakt, den der rote Diktator im August 1939 mit Hitler geschlossen hatte, ließ er im September 1939 die Rote Armee in Polen einmarschieren. Die Grenze zwischen beiden Diktatoren wurde in etwa die Curzon-Linie. Sie ist bis heute die Ostgrenze Polens. Sie finden „Weltgeschichte“ auch auf Facebook. Wir freuen uns über ein Like. (verlinkt auf https://www.facebook.com/weltgeschichte/) | Berthold Seewald | Der Versuch der neu gegründeten Republik Polen, weite Teile Russlands zu vereinnahmen, drohte im August 1920 in einer Katastrophe zu enden. Doch an der Weichsel gelang eine überraschende Wende. | Geschichte | 2018-08-25T06:34:16Z | 2018-08-25T06:34:16Z | Ein Wunder ließ Polen über die Rote Armee triumphieren | https://www.welt.de//geschichte/article181294676/Polnisch-Sowjetischer-Krieg-Ein-Wunder-liess-Polen-ueber-die-Rote-Armee-triumphieren.html |
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Beinamputierter Star: „Sturzbetrunkener“ Pistorius geht auf Klubgast los | Paralympics-Star Oscar Pistorius (verlinkt auf /themen/oscar-pistorius/) hat laut Medienberichten (verlinkt auf http://www.iol.co.za/news/crime-courts/drunk-oscar-insulted-my-friends-and-zuma-1.1719802) am Wochenende in einem Nachtklub für Ärger gesorgt. Der des Mordes an seiner Lebensgefährtin Reeva Steenkamp angeklagte 27-Jährige wurde demzufolge nach einer Auseinandersetzung mit einem Gast sogar an die Luft gesetzt. Pistorius soll im VIP-Bereich eines luxuriösen Johannesburger Nachtklubs mit dem Geschäftsmann Jared Mortimer gestritten haben. Der „Blade Runner“ sei „sturzbetrunken“ gewesen, berichtet ein anderer VIP-Gast. Der Sportler habe den Mann, dessen Freunde und Südafrikas Präsident beleidigt. Da er nicht aufhörte, weiter Ärger zu machen, mussten die Türsteher aktiv werden. Die Sprecherin von Pistorius sagte der Zeitung „The Star“ (verlinkt auf http://www.iol.co.za/the-star) , Mortimer habe Pistorius in aggressiver Art und Weise auf den laufenden Mord-Prozess angesprochen. Daraus sei eine Diskussion entstanden, in deren Verlauf Pistorius gebeten habe, in Ruhe gelassen zu werden. Kurz darauf habe er den Nachtklub verlassen. „Oscar Pistorius hat die Entscheidung bereut, sich in die Öffentlichkeit zu begeben und dadurch unwillkommene Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen“, wird seine Sprecherin zitiert. Tweet sorgt für Diskussionen Es ist das zweite Mal innerhalb kürzester Zeit, dass der Paralympics-Star von sich reden lässt. Am Samstag hatte sich Pistorius nach langer Zeit wieder via Twitter (verlinkt auf https://twitter.com/search?q=Pistorius&src=typd) zu Wort gemeldet und den Bibelpsalm „Nahe ist der Herr den zerbrochenen Herzen“ gepostet. Wenig später lud er eine Fotocollage hoch. Auf den Bildern ist Pistorius mit mehreren beinamputierten Kindern zu sehen. Anschließend stellte er einen Auszug aus dem Buch „Der Mensch auf der Suche nach Sinn“ des österreichischen Neurologen und Psychiaters Viktor Frankl online. Am Montagmorgen schließlich verbreitete der aus einer religiösen Familie stammende Pistorius auf seinem Twitter-Profil ein Kurzgebet: „Gott, heute bitte ich dich darum, diejenigen, die in Schmerzen leben, im Fluss deiner Heilung zu baden. Amen“. Die Botschaften des Südafrikaners sorgten für gemischte Reaktionen. Einige Nutzer ermunterten den 27-Jährigen, andere warfen ihm vor, er wolle seine Tat vergessen machen. 25 Jahre Haft drohen ihm Pistorius, der sich wegen der Tötung seiner Freundin Reeva Steenkamp (verlinkt auf /vermischtes/article126926234/Wie-Oscar-Pistorius-Reeva-Steenkamp-kontrollierte.html) in der Nacht zum Valentinstag 2013 vor Gericht verantworten muss, war zuletzt am Jahrestag der Tat bei Twitter aktiv gewesen. Damals sprach er der Familie von Steenkamp sein Bedauern aus. Pistorius gibt zu, Steenkamp durch die geschlossene Toilettentür seines Hauses erschossen zu haben. Allerdings will er sie für einen Einbrecher gehalten und in Panik geschossen haben. Die Anklage ist dagegen überzeugt, dass Pistorius seine Freundin nach einem Streit erschoss. Sollte er schuldig gesprochen werden, drohen ihm bis zu 25 Jahre Haft. Die Abschlussplädoyers in dem Prozess sollen am 7. und 8. August gehalten werden. | WELT | Erst bei Twitter einen Psalm gepostet, dann in der Bar ausgerastet: Oscar Pistorius gerät wieder in die Schlagzeilen. Nach Streit mit einem Gast muss der Ex-Leichtathletik-Star den Klub verlassen. | Vermischtes | 2014-07-15T10:52:15Z | 2017-08-22T14:59:27Z | „Sturzbetrunkener“ Pistorius geht auf Klubgast los | https://www.welt.de//vermischtes/article130171689/Sturzbetrunkener-Pistorius-geht-auf-Klubgast-los.html |