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Die Silvester-Krawalle waren erst der Anfang | Das Jahr geht weiter, wie es eingeläutet wurde: Krawalle, Blaulicht und orchestriertes Wegsehen. Wieder stellen zumeist migrantische Jugendliche unter Beweis, wer auf Deutschlands Straßen das Sagen hat. Wieder werden die Randale als bedauernswerter Zwischenfall zu den Akten gelegt. Der Staat scheint machtlos. Hamburg, Bremen, Essen und Bochum sind nur einige Beispiele, wo es am vergangenen Wochenende krachte. Videos auf TikTok zeigen die Tumulte. In gleich mehreren Kinos mußte die Polizei anrücken, weil Jugendliche randalierten. So eskalierte in Bremen etwa ein Kampf um die besten Plätze im Cinespace Multiplex. Während die Auseinandersetzung früher mit Worten und zur Not einem vermittelnden Kino-Mitarbeiter geschlichtet worden wäre, zückten die Teenager am Freitag Messer, bedrohten ihre Rivalen und attackierten sie mit Reizgas. Gleich am folgenden Tag gab es im selben Kino den nächsten Polizeieinsatz, weil sich Kinobesucher nicht benehmen konnten und aufeinander losgingen. Die Beamten ermitteln nach eigenen Angaben wegen gefährlicher Körperverletzung. Ob das Filmtheater ein Sicherheitskonzept einführen wird, um solche Vorfälle künftig zu vermeiden, steht in den Sternen. Auf Nachfrage erhielt die JUNGE FREIHEIT nur die stoisch einstudierte Auskunft: „Das kommentieren wir nicht.“ Videos in den sozialen Medien zeichnen indes das gleiche Bild für Essen, Bochum und Co. Auch dort wurden Vorstellungen wegen randalierenden Jugendlichen teils abgebrochen. In der Hamburger Mönckebergstraße waren es nicht Kinoplätze, sondern Klamotten, um die sich offenbar gestritten wurde. Die Modemarke Reternity hatte angekündigt, bei einer Aktion an dem Tag Kleidung zu verschenken. Als dies nicht wie geplant lief, kippte die Stimmung bei den rund 400 Jugendlichen, die dem Aufruf gefolgt waren. Gruppendynamische Prozesse in Aktion #Hamburg pic.twitter.com/JjVBOpCNoz — krautzone (@KraZMagazin) March 5, 2023
Die Szenen danach wirken wie ein kleiner Ableger der Silvester-Krawalle. Laut der Hamburger Polizei attackierten die Jugendlichen die Beamten mit Böllern und Flaschen. Auch Passanten blieben nicht verschont. Videos auf TikTok und Co. zeigen Jogginghosen tragende „kleine Paschas“, deren Grundwortschatz vor allem die Begriffe „Wallah“ und „Diggah“ beinhalten dürfte. Wie ein sich auf die Brust trommelnder King Kong springt der ein oder andere gar ohne Hemmungen auch mal auf ein Polizeiauto. Südländer trampelt auf Polizeiauto herum, zeigt seine Freude gegen Deutschland und wird von weiteren unherstehenden Südländern angefeuert….die Ausschreitungen in #Hamburg zeigen ein gewohntes Bild aus #Berlin und anderen Städten… pic.twitter.com/DD5Aoo0p6r — mario may (@mariomayl) March 5, 2023 Solche Szenen stehen mittlerweile exemplarisch für die völlige Kapitulation des deutschen Staates gegenüber zumeist migrantischen Jugendlichen, die für ihr Gastland oftmals ohnehin nur wenig übrighaben. Die Randale am Wochenende zeigen: Die Silvester-Krawalle waren eben kein bedauerlicher Einzelfall, sondern erst der Anfang. Es geht um nicht weniger als die Eroberung des öffentlichen Raums. Wenn Jugendliche Kinder mit Messern durch die Eishalle jagen, wie jüngst in Bremen geschehen, oder der Kinobesuch zur Mutprobe wird, ist die Situation schon längst außer Kontrolle. Es fehlt der Wille zu klaren Ansagen und roten Linien. Randale wird es absehbar überall und zu jeder Jahreszeit geben. Von Massenschlägereien und Grabsch-Attacken im Freibad über Gewalt an Schulen bis hin zur Kriegssimulation an Silvester. Es wird ungemütlich – und die Rückzugsräume werden früher oder später erschöpft sein. | Zita Tipold | Krawalle an Silvester, Massenschlägereien in Freibädern, Randale in Kinos: Dem deutschen Staat entgleitet zunehmend die Kontrolle über den öffentlichen Raum. Doch es fehlt der Wille zu klaren Ansagen und roten Linien. Ein Kommentar von Zita Tipold. | Krawalle,Bremen | Kommentar | 2023-03-07T18:16:58+01:00 | 2023-03-07T19:30:05+01:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2023/krawalle-werden-alltag/ |
Allzu modische Deutungen | Noch heute entdeckt man in Spanien Massengräber, die aus der Zeit des Bürgerkriegs stammen. Vor siebzig Jahren endete jene blutige Tragödie, bei der mindestens 400.000 Menschen ihr Leben verloren. Spanische Demokraten verschwiegen nach Francos Tod den Bürgerkrieg, da sie Konflikte scheuten. Trotzdem sollte niemand dieses wichtige Kapitel der Geschichte ignorieren. Helen Graham verfaßte dazu eine informative Darstellung. Der militärische und politische Ablauf des Bürgerkriegs steht im Zentrum. Jedoch ist das analytische Fundament zu schmal konstruiert und enthält einen doppelten Fehler. Graham erörtert nicht die ältere spanische Geschichte, sondern verpflanzt aktuelle Themen in das Spanien der dreißiger Jahre. Warum kennzeichnete enorme Rückständigkeit die verarmte, große Nation? Genauso bleibt zu klären, weshalb viele Angehörige der Oberschicht die Republik ablehnten. Beide Schlüsselfragen beantwortet Graham nicht. Die Ursachen der Misere wurzeln in einem spezifischen Denken, das seit dem Mittelalter entstanden war. Unter anderem ist hier die Geringschätzung wirtschaftlicher Produktivität zu berücksichtigen, aber auch der geistig lähmende Katholizismus, das feuerrote Banner der Inquisition, die Spanien lange terrorisierte. Statt historisch zu argumentieren, sieht Graham in der spanischen Republik den Multikulturalismus vertreten. Dagegen repräsentierte Franco kulturellen Monismus. Unberührt läßt sie die Tatsache, daß an der Seite der Putschisten maurische Söldner kämpften, die zahlreiche Greueltaten begingen. Als Leibwächter dienten Franco ebenfalls Moslems. Daß franquistische Offiziere autoritär herrschten, im republikanischen Lager jedoch zerstrittene Gruppierungen existierten, hat mit multikulturellen Visionen absolut nichts zu tun. Der Bürgerkrieg resultierte aus geschichtlichen Fehlentwicklungen einer spanischen Kultur. Oberflächlich zu aktualisieren, entspricht eher selten dem Vorgehen britischer Historiker. Am gründlichsten betrachtet die Autorin das internationale Umfeld; es ermöglichte Francos Sieg. Skrupellos agierte Großbritannien, dessen politische Klasse die Republik fallenließ. Sie wurde nicht nur deshalb geopfert, weil London kriegerische Verwicklungen mit Deutschland und Italien, die Franco unterstützten, vermeiden wollte. Reiche Engländer glaubten ihre spanischen Besitztümer bei dem Caudillo besser aufgehoben. Auch gab es verwandtschaftliche Beziehungen zwischen parasitären Granden und der Tea-Time-Oberschicht. Helen Graham: Der spanische Bürgerkrieg. Reclam Verlag, Stuttgart 2008, broschiert, 232 Seiten, 6,60 Euro | JF-Online | Noch heute entdeckt man in Spanien Massengräber, die aus der Zeit des Bürgerkriegs stammen. Vor siebzig Jahren endete jene blutige Tragödie, bei der | Kultur | 2009-01-30T00:00:00+01:00 | 2009-01-30T00:00:00+01:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/2009/allzu-modische-deutungen/ |
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Einseitige Ausrichtung | Im sogenannten „Kampf gegen Rechts“ erfahren Extremisten des linken Spektrums erhebliche moralische Unterstützung. Dazu werden Plattformen benötigt, die durch ihre vermeintliche Seriosität dazu geeignet sind, ein breites Publikum anzusprechen. Die Internetangebot „haGalil“ ist in zweifacher Hinsicht interessant: Zum einen handelt es sich dabei um den „größten jüdischen Onlinedienst Europas“, wie die Betreiber immer wieder stolz attestieren. Bis zu 250.000 Besucher im Monat werden registriert, die Summe der angeklickten Seiten im Angebot bewegt sich im gleichen Zeitraum durchschnittlich bei über einer Million. Insgesamt stehen dem Nutzer bis zu 10.000 Seiten mit Artikeln, Analysen und allgemeinen Informationen zur Verfügung. Zudem können die Betreiber mit einer großen Sympathie für ihre Anliegen rechnen, sind ihnen doch ohnehin von einer großen Anzahl bürgerlicher Medien beste Zeugnisse ausgestellt worden. Besonders die Bemühungen um eine „objektive Berichterstattung“ wurden Ende der neunziger Jahre in zahlreichen Berichten gerühmt. Der „rechten Verwilderung“ soll Einhalt geboten werden Der Anstoß zur Bereitstellung des Internetangebotes war nach Angaben der Initiatoren, der aus der ehemaligen Tschechoslowakei stammenden Eva Ehrlich und des israelischen Staatsbürgers David Gall, die Erkenntnis, daß bei der Eingabe von Begriffen wie „Judentum“, „jüdisch“, „Jude“ noch Mitte der neunziger Jahre in Internet-Suchmaschinen den Nutzern in erster Linie Seiten des rechtsextremen Spektrums angeboten worden seien. Durch die Bereitstellung einer Vielzahl eigener Informationen zu diesem Themenspektrum sollte der „rechten Verwilderung“ im Netz Einhalt geboten werden. Zugleich wollten Ehrlich und Gall Kontakte zwischen Juden sowie zwischen Juden und Nichtjuden fördern, eine Möglichkeit zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Austausch schaffen sowie auf einer möglichst breiten Ebene mit Hilfe eigener und fremder Quellen den Wissensstand über das traditionelle sowie das moderne Leben des Judentums verbessern. Ein guter – wenngleich trauriger – Ansatzpunkt bot sich mit der Ermordung des Premierministers Yitzhak Rabins am 4. November 1995, nach dem der Start des Projektes erfolgte. Nach knapp drei Jahren, 1998, stand das Angebot wegen finanzieller Schwierigkeiten kurz vor dem Aus. Um die drohende Einstellung abzuwenden, wurde am 23. August 1998 der „Förderverein haGalil“ gegründet, um die Arbeit auf privater Ebene besser zu unterstützen. Ferner bieten die Betreiber seither gegen finanzielle Vergütung Online-Dienste und Möglichkeiten im Bereich Web-Design an. Ehrlich und Gall geben an, erst durch ihre „haGalil“-Tätigkeit schließlich so viele Einblicke in „Strukturen und Strategien rechtsradikaler Agitation“ erhalten zu haben, daß sie auf diesen Bereich ihres Internetangebots fortan ihren Schwerpunkt legten. Aktiv beteiligten sie sich deshalb am „Kampf gegen Rechts“, der in den Jahren 2000/2001 einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Besonders stolz sind die Betreiber darauf, mit Hilfe eines „Meldeformulares Rechtsextremismus“ im Laufe des letzten Jahres fast einhundert rechtsextremistische Straftaten im Internet erfolgreich zur Anzeige gebracht zu haben. Seit dem Krisenjahr 1998 ist jedoch nicht nur eine Konzentration von „haGalil“ auf dieses Thema festzustellen, sondern auch eine deutliche Zunahme der Kontakte der Herausgeber in das linksextreme Milieu offensichtlich. Seit Jahren sind Dall und Ehrlich Mitglieder der Initiative „Tacheles reden – Gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus e.V.“. Zu den Kooperationspartnern von „Tacheles reden“ zählt unter anderem das Antifaschistische Pressearchiv, eine Initiative, die bereits 1985 in Berlin-Kreuzberg ins Leben gerufen wurde. Ziel dieser „antifaschistischen“ Gruppe ist es, „langfristig gegen den rechten Mainstream in der Gesellschaft anzuarbeiten“. Zu diesem Zweck erfolgt ebenso eine umfangreiche Dokumentationsarbeit über das gesamte rechte, konservative und liberale Spektrum wie regelmäßige Vortragsveranstaltungen an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Durch diese Kontakte richtete sich das Profil von „haGalil“ immer an der These eines „breiten rechten und antisemitischen Konsenses“ in den Gesellschaften Mittel- und Osteuropas aus. Dies hatte zur Folge, daß die Quellenauswahl zunehmend einseitiger und hinsichtlich der Wahrnehmung jüdischen Lebens in den behandelten Ländern selektiver wurde. Während die Zahl der veröffentlichten Artikel aus bürgerlichen Medien immer mehr abnahm, werden nunmehr fast täglich Beiträge aus der ehemaligen FDJ-Zeitung Junge Welt, Jungle World, dem ehemaligen SED-Zentralorgan Neues Deutschland, Blick nach Rechts sowie von Autoren des österreichischen „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes“ (DÖW) in voller Länge zitiert – ohne zu fragen, welchem Zweck diese Informationen eigentlich dienen. Allem, was nicht mit einem ausgesprochen „linken“ Weltbild konform ist – die Korporationen, konservativen und liberalen Verbände und Stammtische, Vertriebenenorganisationen – wird der Kampf angesagt. Ausnahmen von dieser Regel stellen lediglich israelkritische Äußerungen in Organen des linken Spektrums wie kürzlich während des Irak-Krieges dar, die gleichfalls mit Argwohn verfolgt wurden. Auch die historische Betrachtung jüdischer Persönlichkeiten bei „haGalil“ hat sich mittlerweile diesem Schema angepaßt: Während die zahlreichen konservativen Vertreter des Judentums in Europa kaum noch erwähnt oder gewürdigt werden, erfolgt eine Konzentration auf Kommunisten und Sozialisten jüdischer Herkunft, deren Wirken nicht selten vollkommen verklärt wird. Konservative Juden werden kaum erwähnt Ein konkretes Beispiel einer solchen Verzerrung, die kaum dazu geeignet ist, Zeichen für einen konstruktiven Dialog zwischen Juden und Nichtjuden zu setzen, war die kürzliche Behandlung des Themas „17. Juni 1953“ bei „haGalil“. Anstatt ein breites Spektrum von kontroversen Stimmen aus der Zeit der Ereignisse zu zitieren, wurde dem Nutzer lediglich ein Interview mit einem Kommunisten jüdischen Glaubensbekenntnisses präsentiert, der aufgrund seiner einseitigen politischen Einstellung natürlich nicht nur wenig mit dem Aufstand verband, sondern seine Niederschlagung nachdrücklich rechtfertigte. Im einzigen Aufsatz zum 50. Jahrestag des 17. Juni wurde das Aufbegehren der mitteldeutschen Bevölkerung als allgemeiner Schock nicht nur für die wieder in Deutschland lebenden Juden bezeichnet – eine Einschätzung, die bis heute nichts an ihrem wahren Gehalt verloren habe. Als seriöses Diskussionsforum zur Anbahnung von Kontakten zu Nichtjuden und zwischen Juden untereinander sowie als Basis zur Bereitstellung breit gefächerter Informationen über jüdisches Leben und den Staat Israel hat „haGalil“ sicherlich auch in Zukunft gute Entwicklungsmöglichkeiten. Als bloßes Ausführungsorgan zur Etablierung von fragwürdigen und einseitigen Meinungen sollte sich dagegen das größte jüdische Onlineforum eigentlich zu schade sein. Mit seiner einseitigen Konzentration als Mittel im „Kampf gegen Rechts“ kann das Internetforum langfristig nur an Glaubwürdigkeit verlieren. | JF-Online | Im sogenannten "Kampf gegen Rechts" erfahren Extremisten des linken Spektrums erhebliche moralische Unterstützung. Dazu werden Plattformen benötigt, die durch | Politik | 2003-07-11T00:00:00+02:00 | 2003-07-11T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/2003/einseitige-ausrichtung/ |
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Zahl der Arbeitslosen schnellt nach oben | NÜRNBERG. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland hat zum zweiten Monat in Folge zugenommen. Im August 2024 waren 2.872.000 Personen auf dem deutschen Arbeitsmarkt ohne Stelle, teilte die Bundesagentur für Arbeit mit. Das entspricht einer Quote von 6,1 Prozent und stellt einen Zuwachs um 0,1 Prozentpunkte gegenüber Juli dar. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Zahl um 0,3 Prozent. Damit gab es in Deutschland 176.000 Arbeitslose mehr als im August vergangenen Jahres. Agenturchefin Andrea Nahles (SPD) nannte die aktuelle Wirtschaftslage als Grund für den Zuwachs. „Der Arbeitsmarkt bekommt weiter die Folgen der Stagnation zu spüren.“ Jüngst hatte das Münchner Ifo-Instituts einen Abfall der Stimmung in der deutschen Wirtschaft für August verzeichnet. Der Geschäftsklimaindex sank leicht um 0,4 Punkte im Vergleich zum Vormonat. Zudem hatte das Statistische Bundesamt mitgeteilt, daß die deutschen Exporte ins Ausland in der ersten Jahreshälfte um 1,6 Prozent zurückgingen. Ende Juli war zudem bekannt worden, daß Deutschlands Bruttosozialprodukt im zweiten Quartal 2024 entgegen den bisherigen Erwartungen gesunken ist. Zudem bezogen deutlich mehr Arbeitssuchende Arbeitslosengeld. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Zahl im August um 13,3 Prozent auf 925.000 Empfänger. Leicht nach oben ging die Zahl der erwerbsfähigen Bürgergeldberechtigten, die 4.017.000 betrug, 72.000 Personen mehr als im August 2023. „7,3 Prozent der in Deutschland lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter waren damit hilfebedürftig“, teilte die Behörde mit. Dagegen ging die Nachfrage nach Arbeitskräften deutlich zurück. Im August lag die Zahl der bei der Bundesagentur gemeldeten Stellen bei 699.000, 9,4 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Darüber hinaus gab die Bundesagentur für Arbeit bekannt, daß 232.000 Beschäftigte im vergangenen Juni Kurzarbeitergeld bezogen. Gegenüber Mai stieg die Zahl um 7,9 Prozent. (kuk) | JF-Online | Sie wächst und wächst und wächst: Zum zweiten Monat in Folge ist die Arbeitslosenquote gestiegen. Dafür ging eine wichtige Zahl zurück. | Arbeitslose | Wirtschaft | 2024-08-30T16:29:44+02:00 | 2024-08-30T16:29:44+02:00 | https://jungefreiheit.de/wirtschaft/2024/zahl-der-arbeitslosen-schnellt-nach-oben/ |
Historiker Rödder wirft CDU Anpassung an den Zeitgeist vor | BERLIN. Der Mainzer Historiker Andreas Rödder hat der CDU nach den jüngsten Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz dringend geraten, ihre Programmatik zu schärfen. Am Ende der Ära Merkel stehe die CDU nahezu ohne eigene Inhalte da, sagte Rödder, der selbst CDU-Mitglied ist, im Interview mit der Welt. „Die CDU muß wahnsinnig aufpassen, daß sie sich innerlich nicht so entkernt hat, daß sie zusammenbrechen kann.“ Der neue CDU-Chef Armin Laschet müsse Antworten auf die grundsätzliche Frage liefern, warum Leute eigentlich die CDU und nicht die Grünen wählen sollten. „Angela Merkel hat die CDU 18 Jahre als Parteivorsitzende und 16 Jahre Kanzlerin geführt – aber nie eine Richtung verfolgt. Nach der Ära Merkel ist die CDU eine programmatisch entkernte und jetzt auch noch völlig verunsicherte Partei.“ Rödder riet seiner Partei, das zu beherzigen, was ihr Angela Merkel am Ende der Führungszeit von Helmut Kohl vor 21 Jahren gesagt habe: „Die CDU muß laufen lernen und sich zutrauen, den Kampf mit dem politischen Gegner ohne ihr altes Schlachtroß aufzunehmen.“ In den siebziger Jahren habe die CDU auf Bundesebene ihre Rolle in der Opposition dazu genutzt, sich programmatisch neu zu erfinden. Das habe nach dem Regierungsverlust 1998 eigentlich genauso angestanden und sei von Wolfgang Schäuble auch so angestoßen worden. „Doch dann kam die Parteispendenaffäre dazwischen. Angela Merkel hatte als Parteivorsitzende in diesen Jahren tatsächlich alles andere zu tun, als einen ergebnisoffenen programmatischen Neufindungsprozeß zu starten; sie mußte erst mal ihre Macht sichern. Aber darüber ist die programmatische Neuorientierung der CDU ausgeblieben“, kritisierte der Historiker. „Was die CDU in den letzten Jahren unter Merkel als ‘Modernisierung’ verkauft hat, ist letztendlich nichts anderes als die Anpassung an den jeweiligen Zeitgeist gewesen. Es gab keine eigene inhaltlich-programmatischen Akzentsetzung.“ Als Beispiel für eines der großen Versäumnisse bei der ausgebliebenen programmatischen Neuorientierung der vergangenen Jahrzehnte nannte Rödder die Bildungspolitik. Die CDU habe ihr bildungspolitisches Profil, das sie über lange Jahrzehnte ausgezeichnet hätte, verloren. „Die CDU stand für das große gesellschaftliche Versprechen der Sechziger- und der Siebzigerjahre: Sozialaufstieg durch Bildung, und das war eine Erfolgsgeschichte.“ Die CDU habe es aber versäumt, diese Geschichte fortzuschreiben, ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln und die Aufstiegsmöglichkeiten auch denen zu vermitteln, die von den Reformen nicht so hätten profitieren können wie die deutschen Mittelschichten. Ein anderes Beispiel sei der Kampf um die Besetzung von Begriffen. „Vor 50 Jahren war ‘bürgerlich’ der am meisten abgehalfterte, ewig-gestrige Begriff, den man sich vorstellen konnte. Heute kämpft Robert Habeck verbissen darum, daß die Grünen bürgerlich sind, weil sie bürgerlich sein wollen“, erläuterte Rödder. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) habe zudem ein Buch geschrieben, das im Untertitel „Für eine neue Idee des Konservativen“ werbe. „Während viele CDU-Leute den Begriff ‘konservativ’ in den letzten Jahren nicht mal mehr mit spitzen Fingern anfassen wollten.“ Die CDU habe die Auseinandersetzung um die Begriffe aufgegeben, und dem seien dann auch die Inhalte gefolgt. „Bestes Beispiel ist die Ablösung des Begriffs ‘Gleichberechtigung’ durch ‘Gleichstellung’: ‘Gleichberechtigung’ zielt auf Startchancen und ist liberal, ‘Gleichstellung’ zielt auf Ergebnisse und ist staatsinterventionistisch. Wenn man sich die Begriffe abhandeln läßt, merkt man hinterher nicht einmal, daß man eine andere, daß man linke Politik macht.“ Er empfehle deshalb zum Beispiel nach Österreich zu schauen und wahrzunehmen, was Sebastian Kurz mit der ÖVP gelungen sei. „Er regiert mit einem modernen und zugleich erkennbaren Profil. Das heißt: Mit Profil läßt sich Politik machen und lassen sich Wahlen gewinnen.“ In Deutschland hingegen sei zwischen der „Merkel-CDU“ und einer „sich radikalisierten“ und „reaktionären“ AfD eine große Leerstelle entstanden: „Das Feld einer modernen bürgerlichen, liberal-konservativen Politik. Dieses Feld zu bespielen, ist die hohe und dringende Aufgabe der CDU im politischen Spektrum der Bundesrepublik Deutschland.“ (krk) | JF-Online | Der Mainzer Historiker Andreas Rödder hat der CDU nach den jüngsten Landtagswahlen dringend geraten, ihre Programmatik zu schärfen. Inhaltlich stehe die Partei am Ende der Ära Merkel nahezu entkernt da. Die CDU müsse die Frage beantworten, warum man sie und nicht die Grünen wählen sollte. | Rödder, CDU | Deutschland | 2021-03-16T13:27:32+01:00 | 2021-03-25T14:19:55+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2021/historiker-roedder-wirft-cdu-anpassung-an-den-zeitgeist-vor/ |
Spitzentreffen in Paris: Was Weidel und Le Pen besprochen haben | PARIS. AfD-Chefin Alice Weidel hat sich erfreut über die Ergebnisse eines Spitzentreffens mit der Führung des Rassemblement National gezeigt. Die Gespräche mit Fraktionschefin Marine Le Pen und Parteichef Jordan Bardella seien „sehr wichtig und bedeutsam im Hinblick auf unsere gemeinsame Zusammenarbeit und die anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament“, sagte Weidel der JUNGEN FREIHEIT. Dabei seien auch die angeblichen Enthüllungen des regierungsnahen Netzwerks „Correctiv“ Thema gewesen. „Ich habe in dem Gespräch die aktuelle Kampagne gegen die AfD aufgezeigt, die seit der konstruierten Geschichte von ‘Correctiv’ gegen die AfD gefahren wird“, betonte die AfD-Frontfrau. Beide Politikerinnen hätten ausgemacht, sich künftig regelmäßig auszutauschen und im engen Kontakt zu bleiben. „Dieser Kampf gegen Desinformation und Diffamierung schweißt den RN und die AfD nur noch enger zusammen.“ Ich habe mich heute persönlich mit Marine Le Pen und Jordan Bardella ausgetauscht. Wir haben viele politische Themenfelder besprochen und festgestellt, dass wir bei den großen Problemen der heutigen Zeit die gleichen Lösungsansätze verfolgen. Ich bedanke mich sehr für den… — Alice Weidel (@Alice_Weidel) February 20, 2024 Insgesamt habe sich gezeigt, daß die beiden Parteien „in erster Linie große Gemeinsamkeiten in den politischen Ansichten“ hätten. Zuletzt hatte sich das Verhältnis zwischen AfD und Rassemblement National etwas abgekühlt, nachdem Le Pen Kritik an den angeblichen „Vertreibungsplänen“ der AfD geäußert hatte. Sie verfolge keine Politik der „Remigration“, die französischen Staatsbürgern ihre Nationalität entziehe, sagte sie Ende Januar auf Nachfrage eines Journalisten auf einer Pressekonferenz. „Ich denke also, daß wir, wenn es denn so ist, eine krasse Meinungsverschiedenheit mit der AfD haben und daß wir gemeinsam über solche großen Differenzen wie diese sprechen müssen und schauen müssen, ob diese Differenzen Folgen haben für unsere Kapazität, uns in einer Fraktion zu verbünden, oder nicht.“ Jedoch merkte Le Pen auch damals an, daß nicht sie persönlich über die Zusammenarbeit im Europaparlament entscheide. Zudem orientiere man sich nicht an den exakten Parteiprogrammen, sondern versuche gemeinsam die nationale Souveränität der Mitgliedstaaten gegenüber der Europäischen Union zu stärken. Beide Parteien sitzen im EU-Parlament in der ID-Fraktion. Der Spitzenkandidat der AfD für die EU-Wahl, Maximilian Krah, hatte zuvor im Gespräch mit der französischen Zeitung Le Point vermutet, „daß Marine Le Pen auf der Grundlage von Desinformationen gehandelt hat“. Das Konzept der „Remigration“ beziehe sich primär auf illegale Migranten, Kriminelle und Ausländer, die seit Jahren von Sozialhilfe lebten. Deutsche Staatsbürger seien damit nicht gemeint, wie Krah in einem eigens veröffentlichten Video ausführte. (ho) | Henning Hoffgaard | Zuletzt war das Verhältnis zwischen Le Pen und der AfD – auch wegen vermeintlicher Vertreibungspläne – angespannt. Nun haben sich die Frontfrauen der beiden Parteien getroffen. Was sagt Alice Weidel über das Treffen? | Weidel | Ausland | 2024-02-20T18:56:20+01:00 | 2024-02-20T18:56:20+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/ausland/2024/spitzentreffen-in-paris-was-weidel-und-le-pen-besprochen-haben/ |
Nach Messerattacke: Ermittler prüfen islamistisches Motiv | BERLIN. Nach dem Messerangriff eines Afghanen auf Passanten in Berlin am Samstag hat die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen zu einem möglichen islamistischen Motiv aufgenommen. Der 29jährige hatte zunächst eine Gärtnerin im Stadtteil Wilmersdorf mit Messerstichen in den Hals lebensgefährlich verletzt. Anschließend attackierte und verletzte er einen Passanten schwer, der dem Opfer zur Hilfe kam, teilte die Polizei mit. Der Afghane hält sich demnach seit 2016 in Deutschland auf und ist psychisch krank. Er befindet sich in Untersuchungshaft wegen Mordverdachts sowie schwerer und gefährlicher Körperverletzung. Unmittelbar vor der Tat sprach er die Gärtnerin an und störte sich daran, daß sie als Frau einer Arbeit nachgehe. Dann stach er ihr mit einem Messer gezielt in den Hals. Auch den Helfer verletzte er mit Halsstichen. In der Vergangenheit habe der Afghane versucht, seine Nachbarn zum Islam zu bekehren, berichtete die Bild-Zeitung. Dazu soll er unter anderem auf der Straße versucht haben, zu missionieren. Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Georg Pazderski, machte die Politik der rot-rot-grünen Koalition für den Angriff mitverantwortlich. Die Regierung habe „schon lange die Kontrolle über die Sicherheit in der Stadt verloren“. Die Berliner müßten „endlich wieder wirksam vor Übergriffen aller Art geschützt werden. Täter müssen verfolgt, hart bestraft und – soweit sie Ausländer sind – abgeschoben werden“, forderte er. „Ein weiterer unkontrollierter Zuzug von Muslimen aus Afghanistan und anderen archaischen Staaten muß sofort gestoppt werden.“ Der Fall weist Parallelen zur Messerattacke von Würzburg im Juni auf. Damals hatte ein somalischer Asylbewerber, der ebenfalls psychisch krank war, drei Frauen getötet und weitere Personen verletzt. Der Afrikaner hatte seine Tat nach der Verhaftung als „Dschihad“ bezeichnet. (ag) | JF-Online | Nach dem Messerangriff eines Afghanen auf Passanten in Berlin ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft wegen eines möglichen islamistischen Motivs. Der Mann, der sich seit 2016 in Deutschland aufhält, hatte am Samstag zwei Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt. | Messer | Deutschland | 2021-09-06T10:05:14+02:00 | 2021-09-06T10:24:22+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2021/messerattacke-islamistisches-motiv/ |
Flüchtlingsthematik bremst Jamaika-Verhandlungen | BERLIN. Die Jamaika-Verhandlungen sind in der Nacht zu Freitag ins Stocken geraten. Sie sollen am Nachmittag fortgesetzt werden. Ein Ende ist noch offen. Ursprünglich hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den gestrigen Donnerstag als Verhandlungsende ausgegeben, doch sind die politischen Differenzen zwischen Union, FDP und Grüne offenbar noch zu groß, um eine fristgerechte Einigung zu erzielen. Merkel appellierte daher an alle Beteiligten, alles dafür zu tun, daß sich die Parteien auf die Eckpunkte für einen gemeinsamen Koalitionsvertrag verständigen. Wegen der ins Stocken geratenen Sondierungen hatte die CDU ihre ursprünglich für Samstag und Sonntag geplante Bundesvorstandsklausur abgesagt. Statt dessen fand eine etwa einstündige Telefonschaltkonferenz statt. Dabei einigten sich die Teilnehmer darauf, das Wochenende über weiterzuverhandeln. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, der CDU-Vorstand habe einmütig dafür appelliert, alles für das Zustandekommen der Jamaika-Koalition zu tun. Streitpunkt Familiennachzug Begründet wurde dies zum einen mit der „riesengroße Chance für die Demokratie, die festgefahrenen politischen Strukturen aufzubrechen“. Zum anderen wäre es „Wasser auf die Mühlen der Ränder“, wenn „die Demokraten aus dem Wählervotum keine handlungsfähige Regierung“ zustandebrächten. Einer der Hauptknackpunkte ist das Thema Zuwanderung. Einig sind sich die Sondierer, daß die Einwanderung gesteuert werden müsse. FDP und Union, allen voran die CSU, wollen sie jedoch auch begrenzen. Die Union möchte eine nicht verbindliche Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr festschreiben. Die FDP wirbt für einen „Korridor“ von 150.000 bis 250.000 Menschen. Die Grünen lehnen dies ab. Problematisch ist auch der Familiennachzug. Die Grünen wollen ihn auch Flüchtlingen mit begrenztem (subsidiärem) Schutzstatus gewähren. Die Union ist dagegen. Uneinigkeit besteht zudem beim Konzept der sicheren Herkunftsstaaten. Während Union und FDP die Maghreb-Staaten und weitere Länder mit einer Anerkennungsquote unter fünf Prozent zu sicheren Herkunftsstaaten bestimmen wollen, sprechen sich die Grünen dagegen aus. (krk/vo) | JF-Online | Die Jamaika-Verhandlungen sind in der Nacht zu Freitag ins Stocken geraten. Merkel appellierte daher an alle Beteiligten, alles dafür zu tun, daß sich die Parteien auf die Eckpunkte für einen gemeinsamen Koalitionsvertrag verständigen. Hauptknackpunkt ist das Thema Zuwanderung. | Deutschland | 2017-11-17T13:19:02+01:00 | 2017-11-17T13:57:55+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2017/fluechtlingsthematik-bremst-jamaika-verhandlungen/ |
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Das böse Omen aus der Parallelgesellschaft | Umgestürzte, brennende Polizeiautos, aufsteigender Rauch, das Straßenpflaster mit Flaschen und Splittern übersät, aus Hauseingängen lodernde Flammen: Das sah die 62jährige Nelly Parkinson bei den großen Rassenunruhen in Brixton vor nun mehr einem Vierteljahrhundert alles vom Fenster aus. Die blutigen Krawallen gelten heute, rückblickend betrachtet, als Wendepunkt in den Beziehungen der verschiedenen Ethnien Großbritanniens untereinander. Die inzwischen 87jährige Nelly Parkinson gehörte zu den wenigen „Weißen“ in der „Hauptstadt von Schwarz-Britannien“, wie Brixton auch genannt wird. In Yorkshire aufgewachsen, kam sie 1948 in diesen Stadtteil im Süden Londons, weil sie einen Mann aus der Nähe kennengelernt hatte. Schon an jenem Frühlingstag im Jahr 1981 wohnte sie in der Coldharbour Lane, einer der Straßen um den karibisch dominierten Brixton Market, die von den Unruhen am schwersten betroffen waren. „Ich war froh, daß ich ziemlich weit oben in diesem Haus wohnte. Ich habe gesehen, wie sie in einige Häuser unten Brandsätze warfen“, erzählt sie im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT in ihrer jetzigen Wohnung im selben Haus an der sogenannten Frontline. „Ich sah die jungen Männer laufen und beobachtete, wie sie die Geschäfte angezündet haben“, erinnert sie sich weiter. Den ganzen Tag habe sie sich nicht aus dem Haus gewagt. Am Ende sah sie, wie die Unruhestifter sogar die Feuerwehr angriffen. Die Polizei hatte zwischenzeitlich nichts mehr unter Kontrolle. „Gott sei Dank ist hier drin niemand verletzt worden“, resümiert sie. In Brixton herrschten faktisch eigene Gesetze Wie durch ein Wunder wurde damals bei den 36stündigen Ausschreitungen niemand getötet, jedoch wurden mehr als 300 Menschen zum Teil schwer verletzt, darunter 45 der Unruhestifter. Der Sachschaden belief sich auf sieben Millionen britische Pfund. Die Führung der Polizei machte zunächst „Agitatoren von außen“ für die Gewalteskalation verantwortlich. Lokale Organisationen wie das Brixton Defense Committee und das Lambeth Law Centre begannen aber schon wenige Tage nach den Unruhen Vorfälle aufzulisten, die das Vorgehen der Polizei im Vorfeld kritisch beleuchten sollten. Die Beteiligten gehen heute davon aus, daß die massive Präsenz der Sicherheitskräfte besonders im Zusammenhang mit der Operation „Swamp 81“, bei der vier Tage vor Ausbruch 1.000 junge Schwarze durchsucht wurden, die Nachkommen karibischer Einwanderer provoziert habe. In dem Viertel herrschten schon seit langem faktisch eigene Gesetze, vor allem eigene Drogengesetze. Noch heute gehen an der sogenannten Frontline die Dealer offen ihren Geschäften nach, Fotografieren wird leicht zu einer heiklen Angelegenheit. Wegen der Beschaffungskriminalität standen 1981, zwei Jahre nach Regierungsantritt der Konservativen unter Margaret Thatcher, alle jungen Männer mit dunkler Hautfarbe unter Generalverdacht. In Brixton waren die meisten von ihnen schon mindestens einmal von der Polizei aufgegriffen, viele auch mißhandelt worden „Sie hatten keine Chance, ihre Unschuld zu beweisen“, gibt sich heute Peter Blecksley von der Londoner Polizei in einem BBC-Interview zerknirscht, der bei den Unruhen im Einsatz war. Die Provokationen durch massive Polizeipräsenz an der Frontline in Brixton, wo sie sich zuvor wie zu Hause und sicher fühlten, waren offenbar Auslöser der Ereignisse. Jedoch lag die Ursache wohl eher in der Frustration und Verzweiflung der jungen Männer, von denen nur jeder zweite überhaupt einen Job hatte, wenn auch nur einen mies bezahlten. Als Reaktion entwickelte Großbritannien in den achtziger Jahren seine Integrationspolitik, die vor allem im Zugeständnis an kulturelle Eigenheiten besteht, die die Einwanderer pflegen dürfen. Viele der Bewohner Brixtons, deren Eltern oder Großeltern aus der Karibik stammen, sind religiös überzeugte Rastafaris, die rituell Marihuana rauchen. In strafrechtlicher Hinsicht bedeutet hier Integrationspolitik, zwei Augen zuzudrücken. Diese Politik des Multikulturalismus wird häufig fälschlicherweise bezichtigt, die Ghettoisierung zu verstärken. Dem kann entgegengehalten werden, daß die ethnische Dominanz in den Stadtvierteln älter ist als diese Politik. Die aktuellen Terrorpläne haben erneut aufgeschreckt So karibisch wie Brixton war einst Notting Hill, heute vor allem bekannt aus dem gleichnamigen Film mit Julia Roberts und Hugh Grant. Als die Emigranten in den fünfziger Jahren aus Jamaika, Trinidad und anderen karibischen Inseln nach London kamen, lebten dort noch irische Arbeiterfamilien in schäbigen zweistöckigen Häusern. Allmählich lockte die Präsenz von Rastafaris die Hippies an, die sie zu imitieren versuchten. In dieser Subkultur entwickelte sich eine lebhafte Musikszene um Reggae- und Punk-Klänge. Andere Künstler zogen nach, wegen der niedrigen Preise und weil sie das Milieu eher inspirierte als verunsicherte. Weil sich Reiche gerne im Glanz der Kreativen sonnen, ist Notting Hill inzwischen zu einer sehr feinen Gegend mit schick renovierten Häusern geworden. Ein jamaikanischstämmiger Laufbursche könnte sich die Miete dort längst nicht mehr leisten. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich in Brixton ab. Zumindest die Kreativen sind schon da. In dem Häuserkomplex, wo Nelly Parkinson wohnt, sind gelernte Kunstmalerinnen und Fotografinnen anzutreffen. Aus der Karibik kommt keine von ihnen. Neben den Engländern leben dort Italiener, Schweizer, Deutsche und Neuseeländer. Und spätestens seit Beginn des neuen Jahrtausends ist die Gegend offenbar sicherer geworden. „Als ich vor neun Jahren hierher gekommen bin, gab es noch sehr regelmäßig gewaltsame Auseinandersetzungen auf der Straße“, erinnert sich Lynne Wealleans, eine Neuseeländerin, die zunächst in einer Galerie und jetzt im Gartenbau beschäftigt ist. Was die britische Integrationspolitik eher problematisch macht, ist zum einen die wirtschaftliche Hoffnungslosigkeit, die sich für die Menschen von den westindischen Inseln in Brixton nicht wirklich geändert hat. Immer noch wird es erst am Abend an der Frontline so richtig lebhaft, weil am nächsten Tag sowieso nur jeder Zweite früh aufstehen muß, um arbeiten zu gehen. Andernorts jedoch, in Stadtteilen wie Acton oder Southall, die für ihren hohen islamischen Bevölkerungsanteil bekannt sind, ist das Gewaltmonopol des Staates in wirklicher Gefahr. Abgesehen von den jüngst vereitelten terroristischen Anschlägen im Luftverkehr schrecken brutale „Ehrenmorde“ regelmäßig die britische Bevölkerung auf. An diesen Beispielen zeigt sich jedoch, daß die Politik des „Augezudrückens“ an einer Grenze angekommen ist, wo es nicht mehr weitergeht. Fotos: Unruhen von 1981 im Londoner Einwandererviertel Brixton: Als Reaktion erfolgten Zugeständnisse an fremde kulturelle Eigenheiten, Karibisches Flair auf dem Brixton Market: Morgens ausschlafen | JF-Online | Umgestürzte, brennende Polizeiautos, aufsteigender Rauch, das Straßenpflaster mit Flaschen und Splittern übersät, aus Hauseingängen lodernde Flammen: Das sah | Geschichte | 2006-08-25T00:00:00+02:00 | 2006-08-25T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/wissen/geschichte/2006/das-boese-omen-aus-der-parallelgesellschaft/ |
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Zerschlagene Illusionen – Corona und die deutsche Wirtschaft | Die Corona-Krise und die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung werden eine Schneise der Verwüstung in der deutschen Wirtschaft hinterlassen. Die volkswirtschaftlichen Schäden des erzwungenen Stillstands werden einen hohen dreistelligen Milliardenbetrag erreichen. Je länger das ökonomische und gesellschaftliche Leben lahmgelegt ist, desto verheerender: Jede weitere Woche kostet nach Schätzungen des Instituts für Wirtschaftsforschung ifo zwischen 25 und 57 Milliarden Euro. Die Haftungsrisiken durch ESM und EZB sind dabei noch nicht eingerechnet. Die Zahl der Arbeitslosen wird drastisch zunehmen, viele – auch solide – Unternehmen werden die Krise wohl nicht überleben. Das werden auch die im Schnellgang beschlossenen Staatshilfen nicht abwenden können. Das Geld ist auch nicht vom Himmel gefallen, es ist eine weitere Hypothek für die Zukunft. Die sprunghaft wieder gestiegenen Staatsschulden werden eines Tages bezahlt werden müssen – sei es über Steuern oder durch weitere Wohlstandseinbußen durch Inflation. Wie hoch der Schaden am Ende ausfallen wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand seriös prognostizieren. Eines aber läßt sich bereits mit Bestimmtheit sagen: Die erst träge, dann hektische und durchgehend konfuse und wenig durchdachte Krisenreaktionspolitik der schwarz-roten Regierungskoalition wird daran ein gehöriges Maß an Verantwortung tragen. Deutschland war nicht gut vorbereitet Der politisch erzwungene nahezu vollständige Stillstand des ökonomischen Lebens ist der schwerste Mühlstein um den Hals unserer Volkswirtschaft. Vieles spricht dafür, daß er vermeidbar gewesen wäre, hätten die Verantwortlichen rechtzeitig auf Mahnungen und Warnungen gehört, Schritte zur medizinischen, technischen und gesellschaftlichen Prävention ergriffen und mit gezielten Maßnahmen der Ausbreitung des Virus frühzeitig entgegengewirkt. Als andere Länder ihre Karnevalsveranstaltungen längst abgesagt hatten, wurde in Deutschland noch fröhlich gefeiert. Den Preis für die anfängliche Sorglosigkeit bezahlen wir nun alle. Deutschland war nicht nur, entgegen den Beteuerungen von Bundesregierung und Gesundheitsminister, nicht gut vorbereitet, es war gar nicht vorbereitet, obwohl die entsprechenden Pläne seit Jahren in den Schubladen lagen. Keine Pandemie-Strategie, keine Krisen-Infrastruktur, keine Notbevorratung an Schutzausrüstung und krisenrelevantem Material, wie sie andere Länder vorsorglich eingelagert hatten – die Liste der Versäumnisse ist lang. So spät das Problem erkannt wurde, so überzogen fiel der sogenannte „Lockdown“ aus. Kleine und mittlere Unternehmen, Dienstleister, Handwerksbetriebe und Einzelhändler trifft der verordnete Stillstand besonders hart. Ihnen wurde zudem der Zugang zu Überbrückungskrediten besonders schwer gemacht. Von anderen Ungereimtheiten zu schweigen – der Floristen an der Ecke muß sein Geschäft schließen, die Baumarkt-Konkurrenz darf vielfach unter Auflagen weiter verkaufen. Staatshilfen werden Gastronomen nicht retten Nicht minder konfus der widerwillige Einstieg in den Ausstieg. Die Flächengrenze für die Wiedereröffnung von Einzelhandelsgeschäften ist willkürlich; letztlich kommt es nicht auf die Verkaufsfläche an, sondern darauf, ob Sicherheitsmaßnahmen und Abstandsregeln eingehalten werden können. Daß das Gros der Gastronomiebetriebe weiter im Unklaren gelassen wird, möglicherweise bis weit in den Sommer hinein, dürften viele nicht überleben. Daran ändern auch Staatshilfen nichts. Sie sind ein Danaergeschenk. Denn wer zahlt, bestimmt, und je länger die direkte oder indirekte Beteiligung, desto größer der Einfluß. Die staatliche Einmischung in das Wirtschaftsleben durch Gängelung, Überregulierung und Überbürokratisierung ist auch in ruhigen Zeiten zu hoch; sie droht noch weiter auszuufern. Schon deshalb müssen finanzielle Coronakrisen-Staatshilfen die Ausnahme bleiben und strikt zeitlich befristet werden. Welche Versuchung zur Plan- und Staatswirtschaft damit verbunden ist, zeigen nicht nur Phantasien aus der grünen und linken Ecke, die ihnen mißliebige, zum Beispiel als „klimaschädlich“ gebrandmarkte Unternehmen schon mal „gegen die Wand fahren“ oder jedenfalls durch Ausschluß vom Zugang zu Staatshilfen in Existenznot bringen wollen. Reich ist in Deutschland nur die öffentliche Hand Nicht zu vergessen die Begeisterung einiger linker Ideologen, die die wirtschaftliche Bedrängnis vieler Privatvermieter, die durch staatlich angeordnete Mietstundungen noch verschärft werden, am liebsten gleich für Enteignungen nutzen würden. Daß selbst im Wirtschaftsministerium über Staatsbeteiligungen als Krisenmedizin räsonniert wird, ist ebenso alarmierend wie der manifeste Unwille der Kanzlerin, über konkretere Zeitpläne für ein Ende der Beschränkungen auch nur zu diskutieren. Die Corona-Krise hat viele Illusionen zerschlagen, auch die, dass Deutschland ein „reiches Land“ sei. „Reich“ ist die öffentliche Hand, die sich an den Früchten der Arbeit der Steuerbürger ungeniert mit Rekordabgaben bedient und zuviel Einkassiertes nicht wieder herausrückt. Auch von guten Gehältern bleibt so zu wenig, um Rücklagen für schlechte Zeiten zu bilden. Auch für gut wirtschaftende Gewerbetreibende und Selbständige bleibt da als „Retter“ schnell wieder nur: der Staat. Gemessen am Mittelwert der Staatsvermögen stehen die Deutschen erheblich schlechter da als die Bürger der meisten südeuropäischen Staaten, für deren Schuldenstaaten sie gleichwohl über den ESM oder gar „Coronabonds“ noch stärker mithaften sollen. Beim Wohneigentum, das Privathaushalten gerade in Krisenzeiten Rückhalt geben kann, sind die Deutschen besonders weit abgeschlagen; politisch wird Immobilienbesitz in Deutschland eher diskreditiert als mit sinnvollen Maßnahmen gefördert. Zum Wiederaufstieg braucht es Steuersenkungen Die Politik des offenen Geldbeutels und der europäischen Spendierhosen kann Deutschland sich nach dieser Krise nicht mehr leisten. Der Weg zum Wiederaufstieg führt nicht über schuldenfinanzierte staatliche „Konjunkturprogramme“, sondern über den Verzicht auf überflüssige Staatsausgaben, umfassende Steuersenkungen und Steuererleichterungen für Mittelstand und Mittelschicht und das überfällige Abschneiden nationaler und europäischer Bürokratiezöpfe. Wer den Staatswirtschaftsgläubigen und Sozialismus-Infizierten aller Couleur die Überwindung der Corona-Krise überlassen will, der macht den Bock zum Gärtner. ——————– Dr. Alice Weidel ist Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag. | Alice Weidel | Die Corona-Krise und die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung werden eine Schneise der Verwüstung in der deutschen Wirtschaft hinterlassen. Für einen Wiederaufstieg nach der Pandemie bedarf es neben des Verzichts auf überflüssige Staatsausgaben auch dringend Steuersenkungen. Ein Kommentar von AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. | Kommentar | 2020-04-16T17:47:17+02:00 | 2020-04-16T17:47:17+02:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2020/zerschlagene-illusionen-corona-und-die-deutsche-wirtschaft/ |
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Uno: Zahl der Mittelmeermigranten aus Libyen „fast verdreifacht“ | TRIPOLIS/NEW YORK. Die Zahl der Migranten aus Libyen in Richtung Europa ist im vergangenen Jahr stark gestiegen. „Bis zum 14. Dezember hatte die libysche Küstenwache 30.990 Migranten und Flüchtlinge abgefangen und nach Libyen zurückgebracht, fast dreimal so viele wie im Jahr 2020“, heißt es in einem internen Bericht von Uno-Generalsekretär António Guterres an den Sicherheitsrat, über den die Deutsche Presse-Agentur berichtet. Gleichzeitig weise das Papier auf die Situation der Personen hin, die bei der Überfahrt von d er libyschen Küstenwache erwischt werden. Sie kämen willkürlich in Haft und würden in „illegalen und oft unmenschlichen Bedingungen“ in von Milizen kontrollierten Gebäuden oder in „geheimen Einrichtungen“ festgehalten. Laut aktuellen Daten des italienischen Innenministeriums registrierten die römischen Behörden im vergangenen Jahr rund 67.500 Migranten, die über das Mittelmeer nach Italien kamen. 2020 waren es mit 34.200 fast 50 Prozent weniger. Zugleich stieg 2021 auch die Zahl der illegalen Grenzübertritte in die EU auf Rekordhoch. Auch auf der östlichen Mittelmeerroute steigt die Migrantenaktivität. Wie die Zeitung Fileleftheros am Mittwoch berichtete, kamen seit Jahresbeginn mehr als 700 illegale Einwanderer auf die Insel. Die Asylbehörden seien bereits jetzt überfordert, weil noch mehr als 19.000 Anträge aus den vergangenen Jahren abgearbeitet werden müßten. Der seit Jahren anhaltende Migrationsdruck auf Europa hat direkte Folgen für Deutschland. Im vergangenen Jahr kletterte die Zahl der Asylanträge auf das höchste Niveau seit vier Jahren. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge registrierte rund 191.000 Anträge. Mehrere deutsche Städte und Kommunen sind derzeit wieder verstärkt auf der Suche nach passenden Unterkünften. (ls) | JF-Online | Mehr Migranten versuchen wieder, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen. Die Zahl der aus Libyen startenden Asylsuchenden hat sich im vergangenen Jahr verdreifacht. Doch nicht nur dort wächst der Druck. | Migration | Ausland | 2022-01-19T13:21:38+01:00 | 2022-01-19T13:21:38+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/ausland/2022/uno-zahl-der-mittelmeermigranten-aus-libyen-fast-verdreifacht/ |
Gedenkstätte mißbraucht Euthanasie-Gedenken für AfD-Bashing | BRANDENBURG AN DER HAVEL. Bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Euthanasiemorde in Brandenburg an der Havel ist es am Sonntag wegen der Anwesenheit einer AfD-Stadrätin zu einem Eklat gekommen. „Ich bitte Mitglieder von Parteien und Gruppen, in denen die Verbrechen des Nationalsozialismus als Vogelschiß bezeichnet werden, die Veranstaltung zu verlassen“, empörte sich die Gedenkstätten-Leiterin Sylvia de Pasquale während ihrer Rede. Zuvor konfrontierte sie die anwesende AfD-Politikerin Lisa-Marie Köster bereits am Eingang und forderte diese auf, den Ort sofort zu verlassen, wie die Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) berichtet. Vereinzelt gab es demnach auch Buhrufe gegen die Stadträtin, die extra einen Kranz mitgebracht hatte. Die aggressive Stimmung veranlaßte den Freie-Wähler-Kommunalpolitiker Norbert Langerwisch, die AfD-Politikerin bei der Niederlegung ihres Kranzes zu begleiten. „Sie kam mir eingeschüchtert und etwas hilflos vor“, sagte Langerwisch der Zeitung. Kurz darauf vergriff sich der Kreisvorsitzende der örtlichen Linkspartei, Daniel Herzog, am AfD-Gebinde und schleppte es weg. Daß die AfD dieses „provokativ“ niederlege, habe die Partei als „heuchlerisch“ und als „Frechheit“ empfunden, teilte die Linkspartei mit. Der AfD-Fraktionschef im Stadtrat von Brandenburg, Axel Brösicke, verurteilte die Vorkommnisse und forderte den Rücktritt von de Pasquale als Gedenkstättenleiterin. „Eine Gedenkveranstaltung sollte frei von Politik und jeglicher Ideologie sein“, sagte er. Die Angesprochene wies die Forderung zurück. „Wer in dieser Partei ist, kann sich nicht freimachen von deren immer radikaleren Positionen und Aussagen“, teilte sie der MAZ mit. Der Zeitung zufolge hatte die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten die AfD-Stadtverordnete allerdings ausdrücklich zur Veranstaltung eingeladen. „Dabei handelt es sich um einen schwerwiegenden Fehler in der Einladungspraxis der Gedenkstätte, der derzeit intern aufgearbeitet wird“, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Viele staatlich subventionierte Gedenkstätten für die Opfer der beiden deutschen Diktaturen boykottieren die AfD. Ende Juni gewann der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner allerdings einen Prozeß gegen die „Gedenkstätte Amthordurchgang Gera“. Diese hatte ihn bereits 2021 aufgrund seiner AfD-Mitgliedschaft ausgeschlossen und sich dabei auf die Möglichkeit in der Satzung berufen, Personen unter anderem aufgrund „rechtsextremer Ansichten“ rauszuwerfen. „Die Mitgliedschaft kann nicht ernsthaft herangezogen werden, einen Konflikt mit dem Satzungszweck des Beklagten zu konstruieren“, urteilte das zuständige Gericht. (kuk) | JF-Online | Eine AfD-Stadträtin wird in Brandenburg zu einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Euthanasie eingeladen – und bringt extra einen Kranz mit. Doch vor Ort wird die junge Politikerin plötzlich massiv angegangen und eingeschüchtert. Dann greift ein Politiker der Freien Wähler ein. | Gedenkstätte | Deutschland | 2024-09-03T15:14:39+02:00 | 2024-09-03T15:40:28+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2024/gedenkstaette-missbraucht-euthanasie-gedenken-fuer-afd-bashing/ |
Sexismus-Vorwurf: Liebesgedicht an Hochschule wird übermalt | BERLIN. Die Alice-Salomon-Hochschule in Berlin will ein angeblich sexistisches Gedicht an ihrer Fassade übermalen. Der Akademische Senat beschloß am Dienstag mehrheitlich, die Verszeilen des Schweizer Lyrikers Eugen Gomringer zu entfernen, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Künftig soll alle fünf Jahre ein neues Gedicht angebracht werden. Gomringer, der 2011 den Poetik-Preis der Hochschule gewonnen hatte, kritisierte die Entscheidung. „Das ist ein Eingriff in die Freiheit von Kunst und Poesie“, sagte der 93jährige. Er behalte sich rechtliche Schritte vor. Der Deutsche Kulturrat, Spitzenorganisation von 250 Bundeskulturverbänden, reagierte „erschüttert“. Asta verfaßte offenen Brief Der Asta der Hochschule im Stadtteil Hellersdorf hatte sich im August 2017 in einem offenen Brief an den Rektor Uwe Bettig über das auf Spanisch verfaßte Gedicht beschwert, das seit 2011 die Mauern der Hochschule ziert. Übersetzt heißt es in „Avenidas“: „Alleen. Alleen und Blumen. Blumen. Blumen und Frauen. Alleen. Alleen und Frauen. Alleen und Blumen und Frauen. Und ein Bewunderer.“ Dies empfanden einige Studenten als sexistisch. (ha) | JF-Online | Die Alice-Salomon-Hochschule in Berlin will ein angeblich sexistisches Gedicht an ihrer Fassade übermalen. Der Akademische Senat beschloß am Dienstag mehrheitlich, die Verszeilen des Schweizer Lyrikers Eugen Gomringer zu entfernen. „Das ist ein Eingriff in die Freiheit von Kunst und Poesie“, beschwert sich der 93jährige Dichter. | Gesellschaft | 2018-01-23T17:43:10+01:00 | 2018-01-26T09:31:05+01:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/gesellschaft/2018/liebesgedicht-an-hochschule-wird-uebermalt/ |
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Letzte Generation: Meinhof-Tochter warnt vor neuer RAF | BERLIN. Die Publizistin Bettina Röhl hat angesichts der Straßenblockaden und Gemälde-Angriffe von selbsternannten Klimaschützern vor einer neuen RAF gewarnt. Auch die 68er-Bewegung habe mit Pudding-Attacken begonnen. Später hätten sie eine Revolution gefordert. „Bei den Klimaaktivisten kann dieser hysterische Kipppunkt zu Gewalt und Terror schnell erfolgen“, sagte sie mit Blick auf die Klima-Chaoten der „Letzten Generation“ gegenüber der Bild-Zeitung. Röhl beschäftigt sich seit Langem mit Terrorismus, sie ist die Tochter von RAF-Mitgründerin Ulrike Meinhof. Hintergrund ist der Hirntod einer Radfahrerin in Berlin. Am Montag war die 44jährige bei einem Unfall von einem Betonmischer schwer verletzt worden. Weil sich selbsternannte Klimaschützer auf die Straße geklebt hatten, kam nach Angaben der Feuerwehr der Spezialwagen verspätet am Unfallort an. Kritik am Vorgehen der „Letzten Generation“ kam auch von Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). „Seit Februar wurden in 18 Fällen Rettungsfahrzeuge behindert. Die Polizei hatte durch die Blockaden über 130.000 Einsatzstunden.“ Gegen die zwei Klima-Extremisten vom Unfall-Tag wird inzwischen wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt. Ihnen droht eine geringe Geldstrafe. In der Hauptstadt blockierten die Klima-Chaoten heute erneut den Verkehr.(st) Wir setzen die Blockaden in #Berlin fort. Größtes Risiko für die Menschheit ist, den Alltag einfach weiterzumachen. Größte Gefahr ist
hinzunehmen, dass die Regierung nicht mal einfachste Sicherheitsmaßnahmen
ergreift. Habt Courage. Unterstützt uns!https://t.co/iMZlqPioBJ pic.twitter.com/5SkmvokJ3S — Letzte Generation (@AufstandLastGen) November 4, 2022 | JF-Online | Die Autorin Bettina Röhl, Tochter der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, warnt vor einer Radikalisierung der Klima-Bewegung. Auch die RAF habe vor ihrem Terror mit vermeintlich harmlosen Taten auf sich aufmerksam gemacht. | RAF,Letzte Generation | Deutschland | 2022-11-04T12:08:38+01:00 | 2022-11-04T12:18:08+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2022/letzte-generation-warnung-neue-raf/ |
Schäffler: Bargeld ist „gedruckte Freiheit“ | BERLIN. Das in der bürgerlichen Mitte verortete „Forum Mittelstand“ startete am Mittwoch in Berlin-Mitte seine neue ordnungspolitische Vortragsreihe: Unter dem als Kampfansage zu versehenden Titel „Nicht mit unserem Geld“ präsentierte dort der Euro-Rebell der FDP, Frank Schäffler, sein gleichnamiges Buch. Vorgestellt wurde es von Josef Schlarmann, vormaliger Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung. Dieser beklagte das in Deutschland inzwischen herrschende „Parteienkartell“, das keine politische Diskussionskultur mehr zulasse. Deutlich geworden war dieser Umstand unter anderem im Mai dieses Jahres, als Schlarmann den diffamierenden Umgang der Etablierten mit der AfD öffentlich rügte. Nicht zufällig habe sein Verband, der heute vom Euro-Kritiker und Bundestagsabgeordneten Carsten Linnemann (CDU) geführt wird, sich „zu hundert Prozent“ gegen die Maßnahmen der Euro-Rettung ausgesprochen. Allerdings war diese Haltung medial weitgehend ignoriert worden. Hinwendung zur sozialistischen Planwirtschaft Hart ins Gericht ging Schlarmann mit seiner Partei und mit der Bundeskanzlerin. Die verordnete „Alternativlosigkeit“ zeige sich – neben dem Euro – ebenso in der „Energiewende“. Deutschland gehe hier einen „einsamen Weg: niemand auf der Welt folgt uns“. Damit, so Schlarmanns Verdikt, bewege sich Deutschland „weg von der Freiheit hin zur sozialistischen Planwirtschaft“. Ähnlich sähe es beim Euro aus: Entgegen offizieller Verlautbarungen seien die Schulden der Griechen längst „europäisiert“ worden, wie es der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, im Vorwort zu Schäfflers Buch dokumentierte. Schlarmann desillusionierend: „Aus dreißig Jahren Stundung werden irgendwann hundert Jahre, bis keiner mehr weiß, daß Griechenland Schulden hatte.“ Die innereuropäische Absprache, daß kein Euro-Staat pleite gehen dürfe, werde dafür sorgen, „daß Europa in einem Schuldensumpf untergeht“. Frank Schäffler zeigte hier wenig Hoffnung, denn es gäbe „zu viele, die ein Interesse daran haben, daß es so weiterläuft“. Anders als Max Otte, der Anfang dieser Woche im Deutschlandfunk einen Zusammenbruch des Euro-Systems in spätestens zwei Jahren für wahrscheinlich erklärte, glaubt Schäffler nicht an den großen Knall oder eine Währungsreform. Zu erwarten sei vielmehr eine Spirale des Interventionismus. Problemländer ignorieren Fiskalpakt Die Folgen hiervon zeigten sich in der Schleifung des Rechts, in zunehmenden Regeln und administrativen Anweisungen, in verstärkter Überwachung, in vermehrter Konzentration und in einem immer größeren Mißtrauen gegenüber der Wirtschaft. So wie der Sozialismus nach dem Prager Frühling 1968 noch Jahrzehnte weiter existierte, könne auch der Euro noch Jahrzehnte überdauern. Da auf einem demokratischen Weg die Vergemeinschaftung der Schulden nicht zu organisieren sei, versuchten die Verantwortlichen, die „Schuldner und Gläubiger so eng zu verknüpfen, das keiner mehr rauskommt“. Die neuen Regulierungen führten in der Interaktion zwischen Regierung, Wirtschaft und Banken zu einer „Kungelwirtschaft“. Sichtbarste Ergebnisse dessen seien die Bankenunion und die bei der EZB angesiedelte Bankenaufsicht. Letztere sei „einer der Kardinalfehler der Bundeskanzlerin“, da er dazu führe, betroffene Banken direkt zu rekapitalisieren. Genau dies sei Mario Draghis eigentliches Ziel. Dieser präsentiert sich zwar als Falke, sei in Wirklichkeit aber eine Taube, der die Währung zu einem lateineuropäischen Euro abwerten wolle. Der Fiskalpakt sei längst „Makulatur: kein einziges Problemland hält sich daran“. Deutschland, so Schäfflers Forderung, müsse sich mit seiner Sperrminorität konsequent verweigern. Privater Widerstand durch alternative Währungen Der von Draghi in Auftrag gegebene Streßtest europäischer Banken, für die dieser sechstausend Prüfer ausgesandt hat, werde aufgrund der alarmierenden Ergebnisse sukzessive zur „Verstaatlichung des europäischen Bankensektors“ führen. Um den deutschen Widerstand hiergegen zu brechen, werde Draghi, so vermutet Schäffler, darauf drängen, daß auch die Commerzbank unter die rekapitalisierungspflichtigen Banken fällt. Die einzige Hoffnung sieht Schäffler, Sprecher der FDP-Gruppierung „Liberaler Aufbruch“, daher im privaten Widerstand durch alternative Währungen, die das Monopol des Staates in Frage stellen. Bargeld, so die Kernthese des FDP-Rebellen, sei „gedruckte Freiheit“. Gerade deshalb schränke die Politik unsere Verfügungsgewalt darüber immer weiter ein, wie gegenwärtig die drastisch limitierten Bargeldgeschäfte in Südeuropa dokumentierten. Auch in Deutschland sei es mittlerweile eine „moralische Hürde, vieles in bar zu bezahlen“. Während es früher nicht ungewöhnlich war, im Geschäft mit eintausend D-Mark zu bezahlen, stünde heute jeder, der mit einem 500-Euro-Schein ankomme, schon mit einem halben Bein im Gefängnis. Mindestens aber würde der Betreffende schräg angesehen. Beispielhaft zeige sich diese Entwicklung an den Bankautomaten, die häufig nur noch den Höchstwert von 50-Euro-Scheinen ausspuckten. Schäfflers Fazit: „Wer Bargeld einschränkt, will uns stärker überwachen.“ Angriff auf das staatliche Geldmonopol Als erste Schritte, die einen Ausweg weisen, sieht Schäffler die „Bitcoin“-Währung. Diese sei der „erste Angriff auf das staatliche Geldmonopol seit dem Mittelalter“. Auch der zunehmende Kauf von Gold- und Silbermünzen dokumentiere die ersten realen „Ansätze eines Geldwettbewerbes“. Dies wollte in einem – vielleicht doch zu optimistischen – Schlußwort Christoph Wiedenhorn vom Mitveranstalter Freiheitswerk unterstreichen: „Ich denke, daß wir Privatgeld sehen werden, ohne daß die Politik etwas dagegen tun kann.“ Doch natürlich wäre dieses Fazit unvollständig gewesen, hätte Schäffler sich nicht auch des eigenen parteipolitischen Dilemmas gewidmet. Er wiederholte seine Ablehnung gegenüber der AfD. Diese sei „keine liberale Partei und deshalb für mich keine Alternative“. Das staatliche Interesse überwiege überall, so auch dort. „Die alte Dregger-CDU gibt es nicht mehr – da wird die AfD nachrücken.“ Doch auch die aktuelle Ausrichtung seiner Partei sei fatal: „Zurück zu Friedrich Naumann – das ist die falsche Entwicklung der FDP. Da haben wir schon die Sozialdemokratie und die Grünen.“ Schäffler sieht als Alternative nur die Bündelung der libertären Inseln in Deutschland zu einem Kontinent, darunter das von ihm in Gründung befindliche Freiheitsinstitut „Prometheus“. | Christian Dorn | Sie teilen das gleiche Schicksal: FDP-Euro-Rebell Frank Schäffler und der frühere Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung Josef Schlarmann stehen mit ihrer Kritik an der Euro-Rettungspolitik Angela Merkels in ihren Parteien weitgehend isoliert dar. Resignieren wollen jedoch beide nicht. | Deutschland | 2014-10-16T14:02:52+02:00 | 2014-10-16T15:52:57+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2014/schaeffler-bargeld-ist-gedruckte-freiheit/ |
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Hessen-Wahl: Höhenflug der Grünen hält an | WIESBADEN. Wäre am kommenden Sonntag Landtagswahl in Hessen könnten sich die Grünen Hoffnung darauf machen, den nächsten Ministerpräsidenten zu stellen. Laut einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF gebe es eine Mehrheit für ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis unter Führung der Grünen. Die Partei unter Spitzenkandidat und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir verbesserte sich im Vergleich zur Umfrage vor zwei Wochen um vier Punkte auf 22 Prozent. Die SPD büßte drei Punkte ein und kommt auf 20 Prozent. Die Linkspartei verharrt bei acht Prozent. Die CDU verliert ebenfalls drei Punkte und liegt derzeit bei 26 Prozent. Bei der Landtagwahl vor fünf Jahren holten die Christdemokraten noch 38,3 Prozent. Keine Mehrheit mehr für Schwarz-Grün Der AfD gelänge mit zwölf Prozent (minus ein Punkt) erstmals der Einzug in den Hessischen Landtag. Bei der Wahl 2013 war die Partei mit 4,1 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Die FDP wäre mit acht Prozent im Landtag, was einem Plus von zwei Punkten im Vergleich zur vergangenen Umfrage entspricht. Rechnerisch würde es auch für ein Bündnis aus CDU, Grünen und FDP (Jamaika) reichen. Eine Große Koalition hingegen wäre nicht regierungsfähig. Auch die bisherige Regierung aus CDU und Grünen hätte keine Mehrheit mehr. Sie käme auf 48 Prozent. Genauso stark wären allerdings auch SPD, AfD, FDP und Linkspartei. (krk) | JF-Online | Wäre am kommenden Sonntag Landtagswahl in Hessen könnten sich die Grünen Hoffnung darauf machen, den nächsten Ministerpräsidenten zu stellen. Laut einer akteullen Umfrage gebe es eine Mehrheit für ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis unter Führung der Grünen. | Deutschland | 2018-10-18T13:50:36+02:00 | 2018-10-18T14:46:36+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2018/hessen-wahl-hoehenflug-der-gruenen-haelt-an/ |
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Untersuchung: Maximal 25.000 Luftkriegsopfer in Dresden | DRESDEN. Bei den Luftangriffen auf Dresden 1945 sind maximal 25.000 Menschen getötet worden. Zu diesem Schluß kommt eine Untersuchungskommission, die jetzt anläßlich des Deutschen Historikertages ihre Ergebnisse vorgestellt hat. Demnach gäbe es „keine Beweise oder belastbare Indizien“ dafür, daß wesentlich mehr Menschen ums Leben gekommen seien. 18.000 Opfer sind nach Angaben der Kommission bislang zweifelsfrei belegbar. Bisher ging die Stadt Dresden von rund 35.000 Opfern aus, andere Historiker schätzten die Zahl wesentlich höher. Die Schwankungen erklären sich auch aus dem Umstand, daß sich während der Luftangriffe zahlreiche Flüchtlinge in der Stadt aufhielten. „Mit Sicherheit“ könne die Kommission jedoch ausschließen, daß zusammen mit den Dresdnern zehntausende weitere Opfern in der Stadt umkamen, heißt es in dem Bericht. Keine Angriffe von Jagdflugzeugen auf Zivilisten Laut Kommission hat es auch den von zahlreichen Zeugen beschriebenen Angriff von Jagdflugzeugen auf Zivilisten nicht gegeben. Untersuchungen auf Brachflächen nach MG-Munition, vor allem der Elbauen, hätten keine Hinweise auf „systematischen Beschuß“ durch Bordwaffen ergeben. Einzelne Todesfälle durch „fehlgeschlagene Feuerstöße“ seien jedoch nicht ausgeschlossen. Eingesetzt wurde die Kommission Ende 2004 mit dem Ziel, einen Mißbrauch der Opfer durch rechtsextremistische Vereinnahmungen zu verhindern. Doch auch die Kommission selbst steht unter Ideologieverdacht. So bestehen Zweifel an einer ergebnisoffenen Forschung der Kommission. Auch die jüngst gefundenen und heimlich bestatteten Toten des Bombenkriegs lassen es fraglich erscheinen, ob tatsächlich alle Überreste der Bombenopfer bereits geborgen wurden. | JF-Online | DRESDEN. Bei den Luftangriffen auf Dresden 1945 sind maximal 25.000 Menschen getötet worden. Zu diesem Schluß kommt eine Untersuchungskommission, die jetzt | Deutschland | 2008-10-02T13:15:00+02:00 | 2008-10-02T13:15:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2008/untersuchung-maximal-25000-luftkriegsopfer-in-dresden/ |
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Hohmann scheitert in Fulda | Am Ende reichte es nur für Platz drei. Martin Hohmann ist mit seinem Versuch gescheitert, als erster parteiloser Kandidat seit 1949 in den Bundestag einzuziehen. Er erreichte in seinem Walkreis 176 in Fulda 21,5 Prozent der Stimmen und landete damit hinter dem CDU-Direktkandidaten Michael Brand (39,1 Prozent) und Claudia Blum (29,7 Prozent) die für die SPD ins Rennen gegangen war. Hohmann macht aus seiner Enttäuschung kein Geheimnis. „Ja, ich hätte gerne mehr erreicht“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT und verwies auf mehrere Umfragen, die ihn vor seinen Mitbewerbern um das Mandat im Wahlkreis Fulda sahen. „Ich habe mir mehr ausgerechnet als die 21,5 Prozent.“ Die politischen Gegner kommentierten Hohmanns Niederlage genüßlich. Die hessische SPD-Landtagsabgeordnete Sabine Waschke sagte der Fuldaer Zeitung, Osthessen wäre bei einer Wahl Hohmanns „bundesweit in eine braune Ecke gestellt worden“. Und der Direktkandidat der Grünen, Bernd Eckard, nannte die 21,5 Prozent für Hohmann „entsetzlich viel“. Sowohl Eckard als auch der FDP-Kandidat Mario Klotzsche hatten vor der Wahl dazu aufgerufen, mit der Erststimme die Kandidatin der SPD bzw. Michael Brand zu wählen. Im Wahlkampf hatte vor allem die CDU mit harten Bandagen gekämpft. Nachdem Hohmann in mehreren Umfragen in Führung gelegen hatte, spielte die CDU ihren Trumpf aus und warnte mit Verweis auf das Bundeswahlgesetz davor, daß bei einer Wahl Hohmanns mögliche Zweitstimmen für die Union unter den Tisch fallen würden (JF 38/05). Zahlreiche Wähler, die für die CDU, aber auch nicht gegen Hohmann waren, dürften es sich unter diesen Umständen noch einmal überlegt haben, ob sie dessen Wahlspruch „Erststimme Hohmann, Zweitstimme wie bisher“ Folge leisten sollten. Hohmann berichtete, daß zudem versucht worden sei, den Wählern einzureden, ihre Stimme wäre komplett ungültig, wenn sie den parteilosen Kandidaten mit der Erststimme wählten. Wie viele Wähler, die mit Hohmann sympathisierten, aus diesen Gründen am Ende wieder mit Erst- und Zweitstimme für die Union stimmten, läßt sich nicht genau feststellen. Hohmann selbst schätzt, daß die Kampage der Union ihn fünf bis sieben Prozent gekostet haben könnte. CDU-Wahlhelfer zerstörten Hohmann-Plakat Doch die CDU begnügte sich nicht mit dem Verweis auf die Tücken des deutschen Wahlrechts. In der Nacht zum vergangenen Freitag mußte die Polizei auf seiten Hohmanns in den Wahlkampf eingreifen: Die Ordnungshüter nahmen zwei Männer fest, die zwei Hohmann-Plakate zerstört und ein weiteres demontiert hatten. Es stellte sich heraus, daß es sich bei den beiden Wahl-„Kämpfern“ um einen Mitarbeiter der CDU-Kreisgeschäftsstelle Fulda und den Vorsitzenden der Jungen Union Fulda handelt – die zudem noch mit einem Fahrzeug des Kreisverbandes der Union unterwegs waren. „Ich hätte mir nicht vorstellen können, daß die Kampagne der CDU gegen mich einen solch traurigen Höhepunkt erreicht“, sagte Hohmann. Aus den Worten spricht auch Enttäuschung über das Verhalten seiner ehemaligen Partei im Wahlkampf. Die CDU ließ daraufhin mitteilen, sie „bedauert und mißbilligt“ das „eigenmächtige Verhalten“ ihrer Wahlhelfer, und forderte sie auf, sich bei Hohmann zu entschuldigen, was diese nach seinen Angaben mittlerweile auch getan haben. Den Wahlabend verbrachte Hohmann in Rommerz in seiner Heimatgemeinde Neuhof. In einem kleinen Gasthof hatte er bei Bier und Würstchen Freunde und Wahlkampfhelfer um sich geschart. Gemeinsam wurden die Wahlkampfsendungen im Fernsehen verfolgt, telefonisch gingen die Ergebnisse aus dem Wahlkreis Fulda ein, die bald die Niederlage deutlich machten. Für Hohmann endete damit nicht nur ein intensiver Wahlkampf, in dem er mit Postwurfsendungen, Hausbesuchen und einem Flugzeug, das mit einem Werbebanner mit der Aufschrift „Wir fliegen auf Hohmann“ über den Wahlkreis flog, für sich geworben hat. Am Sonntag ging vorerst auch Hohmanns politische Karriere zu Ende. Er werde sich aus der Politik zurückziehen und zunächst „aufräumen und Briefe beantworten“, kündigte Hohmann an. Über seine konkrete Zukunftsplanung wollte er sich jedoch nicht äußern. Ob Hohmann tatsächlich den vorgezogenen (politischen) Ruhestand genießen kann, bleibt daher abzuwarten. Schon gibt es Stimmen, die in ihm einen neuen Hoffnungsträger sehen, der konservative Wähler, die sich von der Union nicht mehr repräsentiert fühlen, um sich sammeln könnte. Er selbst sieht das skeptisch, möchte aber auch für die Zukunft ein erneutes politischen Engagement nicht ausschließen. „Ich werde allerdings nicht einer bestehenden Partei beitreten“, sagte Hohmann, der sich zugleich skeptisch zu einer möglichen Neugründung einer konservativen Partei äußerte – diese aber auch nicht grundsätzlich ablehnen wollte. Mit Blick auf die Bundestagswahl verwies er im Gespräch mit der JF darauf, daß das konservative Lager von den Parteien in Deutschland „praktisch nicht mehr repräsentiert wird“. Wenn er in der Union einen Repräsentanten des konservativen Lagers nennen sollte, dann müßte er lange suchen, sagte das ehemalige CDU-Mitglied. Foto: Martin Hohmann am Wahlabend: Feier mit Freunden und Helfern | JF-Online | Am Ende reichte es nur für Platz drei. Martin Hohmann ist mit seinem Versuch gescheitert, als erster parteiloser Kandidat seit 1949 in den Bundestag | Politik | 2005-09-23T00:00:00+02:00 | 2005-09-23T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/2005/hohmann-scheitert-in-fulda/ |
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Die unermüdlichen Mühlen des Terrors | Der erinnerte Schrecken soll seine volle Dimension gewinnen. Deshalb jetzt auch auf deutsch der zweite Band des „Schwarzbuchs des Kommunismus“ von Stéphane Courtois und anderen. Der erste Band, 1997 von Laffont in Paris herausgebracht und bereits im Frühjahr 1998 ins Deutsche übersetzt, gehört mittlerweile zu den Standardwerken neuhistorischer Forschung, eine penible, bis zum letzten Detail vorstoßende Chronik der unerhörten Massenverbrechen, die im zwanzigsten Jahrhundert von den Kommunisten im Namen der „Humanität“ und der „Schaffung des Neuen Menschen“ begangen wurden. Der erste Band konzentrierte sich auf die Vorgänge in der Sowjetunion, dem „Vaterland aller Werktätigen“, und wurde in der deutschen Version durch einen von Joachim Gauck und Ehrhart Neubert geschriebenen Aufsatz über die DDR ergänzt. Der jetzige zweite Band widmet sich – mit gewohnter Ausführlichkeit und Detailgenauigkeit – der kommunistischen Herrschaft im Baltikum und auf dem Balkan einschließlich Griechenlands und dem zwar Episode gebliebenen, doch nicht weniger terroristischen Regiment der KPI-Partisanen Togliattis in Italien nach 1945. Außerdem gibt es einen längeren Essay von Courtois über die Wirkungsgeschichte des ersten Bandes, speziell bei den Pariser Intellektuellen und in Deutschland, sowie Beiträge von Alexander Jakowlew („Der Bolschewismus, die Gesellschaftskrankheit des zwanzigsten Jahrhunderts“) und Martin Malia („Der Einsatz des Terrors in der Politik“). Auch diese, mehr zusammenfassenden als punktuell dokumentierenden, Arbeiten zeichnen sich durch jene strikte Sachlichkeit und stilistische Trockenheit aus, die schon den ersten Band des „Schwarzbuchs“ so berühmt machten, weil sie so schneidend kontrastierten zur grellen Grausamkeit und Exzeptionalität dessen, was mitgeteilt wurde. Courtois und seine Mitarbeiter kommentieren nicht und predigen nicht, sondern sie schildern Sachverhalte, und zwar nur solche, die sie genau beweisen können, für die verläßliche Unterlagen bereitliegen. Zum großen Teil sind das Protokolle der Verbrecher selbst, die nach der Wende aus den Tiefen der NKWD- und sonstigen Herrschafts-Archive ans Licht traten. Vieles liegt noch im Dunkeln, besonders was den chinesischen, koreanischen, vietnamesischen und kambodschanischen Staatsterror mit seinen Hekatomben von Opfern betrifft. Die seinerzeit genannte Zahl von mindestens achtzig Millionen Toten, die der kommunistische Terror gekostet habe, dürfte bald noch weit übertroffen werden; ein dritter Band wird wohl unabdingbar werden. Kriegsopfer, ob Soldaten oder Zivilisten, werden vom „Schwarzbuch“ nicht mitgezählt, es geht ihm nicht um Krieg, sondern um Terror, speziell um Taten, die von den Kommunisten mitten im Frieden begangen wurden. Der Schreckens-Mechanismus, der da erkennbar wird, ist faktisch stets der gleiche: Irgendein Erster Parteisekretär oder irgendein Politbüro beschließen am Grünen Tisch irgendeine neue Kampagne, etwa die „Vernichtung der Kulaken“, die „Ausschaltung der Trotzkisten“, den „Großen Sprung nach vorn“ oder „Die große Kulturrevolution“, und sofort beginnen die Mühlen des Terrors zu mahlen, werden Menschen verhaftet und zu Tode gefoltert, gedemütigt und zu irren „Geständnissen“ gezwungen, zu Tode gehungert, mit Schauprozessen überzogen oder „administrativ“ per Genickschuß erledigt, und zwar massenhaft, zehntausendfach, ohne jede Rücksicht auf Verluste an geordneten Lebens- und Arbeitsverhältnissen. Sehr deutlich wird auch, gerade im zweiten Band, die kraß imperialistische, antinationale Komponente des Kommunistenterrors. Es ging niemals nur gegen „Klassenfeinde“ und „ideologische Abweichler“, immer auch gegen „unbequeme“ Nationen mit einer Kultur, die sich nicht ins marxistische Dogma einfügen wollte. Ganze Völker wurden weggeführt, aus ihrer Heimat vertrieben, in Wüsten dem Verrotten ausgesetzt oder systematisch versklavt, in Bergwerken oder Tagebauen als Akkordarbeiter „verbraucht“. Sehr aufschlußreich der Blick des „Schwarzbuchs“ auf das Treiben der Togliatti-Partisanen, die nach dem Zweiten Weltkrieg eng mit den Tito-Partisanen zusammen“arbeiteten“ und in Norditalien ein Blut-Regime errichteten, das seinesgleichen in der Geschichte sucht. Das Losungswort der Partisanenhäuptlinge lautete „Ausrottung“. Ausgerottet wurde vor allem das gehobene Bürgertum, das sich mit Mussolini arrangiert hatte. Wochen- und monatelang hallten in der Po-Ebene nach dem Abzug der Deutschen die Schüsse der Exekutionskommandos, die Schreie der vergewaltigten Frauen, das Triumphgeheul und die Rotfront-Rufe der Mordgesellen. Diese Epoche wird jetzt auch außerhalb des „Schwarzbuchs“ in Italien zunehmend erforscht. Überhaupt fällt auf, wie sehr sich das intellektuelle Klima verbessert, nämlich normalisiert hat. In dem Essay von Stéphane Courtois über die Wirkungsgeschichte seines Werkes kann man nachlesen, mit welchem heute kaum noch vorstellbaren Haß ihn damals, nach Erscheinen des ersten Bandes, die überall in Europa herrschenden Linken überzogen. In Berlin wurde er auf einer Podiumsdiskussion als „Nazi“ beschimpft und mit Sprechchören wie „Nie wieder Deutschland!“ und „Es lebe die Singularität!“ niedergebrüllt. Mit „Singularität“ war die angebliche Einzigartigkeit der während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland begangenen Verbrechen gemeint, die keinem Vergleich ausgesetzt werden dürften, auch nicht einem Zahlenvergleich. Courtois hatte das übrigens gar nicht im Sinn gehabt. Er wunderte sich, und er wundert sich heute noch. Der zweite Band des „Schwarzbuchs des Kommunismus“, schon 2002 (wieder bei Laffont) im Original erschienen, ist ein notwendiges Buch, und er kommt zu uns im richtigen Moment. „Das schwere Erbe der Ideologie“ ist sein Untertitel. Er erinnert daran, daß jede politisch-weltanschauliche Idee oder Weltanschauung, die sich absolut setzt und andere Menschen mit Druck dazu bekehren will, geradewegs in den Terror führt. Foto: Totenschädel ermordeter Kambodschaner im Tuol Sleng Museum: Stets der gleiche Schrecken Stéphane Courtois u.a.: Das Schwarzbuch des Kommunismus 2. Das schwere Erbe der Ideologie. Aus dem Französischen von Bertold Galli, aus dem Russischen von Bernd Rullkötter. Piper Verlag, München 2004, 541 Seiten, gebunden, 24,90 Euro | JF-Online | Der erinnerte Schrecken soll seine volle Dimension gewinnen. Deshalb jetzt auch auf deutsch der zweite Band des "Schwarzbuchs des Kommunismus" von Stéphane | Kultur | 2004-10-08T00:00:00+02:00 | 2004-10-08T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/2004/die-unermuedlichen-muehlen-des-terrors/ |
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Südfrankreich | Seit zehn Tagen wieder dort, wo ich bereits die letzten zehn Sommerverbracht habe: In einem spartanischen Bauernhaus in Südfrankreich. Es steht auf einem Hügel und ist von mächtigen Eichen und Ginsterbüschen umgeben. Vorn blickt man 150 Meter tief ins Dorf hinunter, hinten liegen mehrere Bergketten terrassenartig hingebreitet – erdgeschichtlich die allerletzten Ausläufer der Alpen. Wohl dem, der die Hausbesitzer (alt-linke Schweizer Ex-Ökos ohne Tunnelblick) zu seinen Bekannten zählt. Ihnen ist es hier im Sommer zu heiß. Weil sie immer noch nicht nach Profit streben und ihr Feriendomizil einfach nur in guten Händen wissen wollen, habe ich in diesem Haus insgesamt schon länger als ein Jahr gewohnt. Jedesmal, wenn ich ankomme, bin ich schlagartig ganz und gar da, als wäre ich höchstens eine Woche fortgewesen. Es ist wie die Rückkehr in die Kindheit. Zugegeben, in meinem Heimatdorf in Vorpommern strahlte der Himmel nicht halb so blau, war der Zikaden- und Grillengesang nicht annähernd so reich orchestriert, das mittägliche Sonnenlicht bei weitem nicht so gleißend wie hier, doch gerade weil die Kindheitswelt in der Erinnerung stets strahlender, prachtvoller, größer erscheint, wird sie hier zur Wirklichkeit. Die Hauswände sind fast einen Meter dick, damit die Hitze draußen bleibt. Sie ruhen auf einem schweren Fundament aus Feldsteinen, das tief in die Erde eingelassen ist. Dennoch erzittern sie bei Gebirgsgewitter wie bei einem Bombenangriff. Ich bin auf einen kleinen Weltempfänger und Solarstrom beschränkt und natürlich ohne Fernseher. Die Internetverbindung ist wacklig, der Computer uralt. Einmal am Tag rufe ich Perlentaucher, Google news und die „E-mails“ ab. Damit ist die Kapazität erschöpft. Das Idyll ist nicht unumstritten. Auf einem Schild am Ortseingang stelltsich das Dorf als „Dorf Europas“ vor. Distanz zum Alltag Das erinnert mich an eine kleine Bahnstation zwischen Rostock und Stralsund, wo bis 1989 auf einem Transparent verkündet wurde: „Hier arbeitet ein vorbildliches Schrankenwärterkollektiv“. Es ist der symbolische Obolus für die EU-Subventionen, mit denen elegante Schweinemastanlagen in die fast noch heile Landschaft geklotzt werden. Betonwahn, willkommen! Jedes Jahr verschwinden Platanen, dafür wurde einer der beiden Dorfplätze mit Betonkübeln ausgestattet, aus denen Grünpflanzen sprießen. Die deutsche Fußgängerzone läßt grüßen. Vor zwei Jahren wurde in ihrem Haus, das mitten in einem Sonnenblumenfeld liegt, eine Nachbarin von einem ortsfremden, durchgedrehten Jura-Absolventen umgebracht. Nur ganz kurz dachte ich daran, daß mein Haus sich noch viel einsamer befindet. Ruhezeit, Wanderzeit, Lesezeit; Zeit, um die Zeitentschleunigung und die Distanz zum Alltag, gerade auch dem politischen, wieder einzuüben. Hier habe ich die dicken Romane von Proust, Musil, Stifter, Raabe, Uwe Johnson und – ja, auch die – von Grass gelesen. Stets dabei sind Bücher von Balzac. Mit der „Menschlichen Komödie“ bin ich fast fertig. Daneben reichlich Zeitgeschichte und politische Theorie – zum Aufmunitionieren! | Thorsten Hinz | Seit zehn Tagen wieder dort, wo ich bereits die letzten zehn Sommerverbracht habe: In einem spartanischen Bauernhaus in Südfrankreich. Es steht auf einem | Kolumne | 2009-07-10T13:09:00+02:00 | 2009-07-10T13:09:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/kolumne/2009/suedfrankreich/ |
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„Kommt die D-Mark, bleiben wir ...“ | Am Ende ist Bundeskanzler Helmut Kohl stolz: Die Umwandlung der DDR-Wirtschaft von einem zentralistischen Kommandosystem in eine soziale Marktwirtschaft gehöre „zu den größten Leistungen der modernen deutschen Wirtschaftsgeschichte“. Gemeint ist die innerdeutsche Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, am 18. Mai von den Finanzministern Theo Waigel und Walter Romberg unterzeichnet und am 1. Juli 1990 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt sind bundesdeutsche Wirtschaftsexperten noch der Überzeugung, mit der DDR den zehntgrößten Industriestaat zu übernehmen. Sie glauben den „Propagandalügen, die von Desinformationsspezialisten des Staatssicherheitsdienstes und der SED überaus geschickt verbreitet wurden“, konstatiert Kohl später: „Alles in allem ist dem DDR-Regime so sicherlich eines der größten Täuschungsmanöver aller Zeiten gelungen.“ Auf 1.200 Milliarden D-Mark wird das Vermögen der DDR geschätzt. Selbst der spätere Chef der Treuhandanstalt, Detlev Carsten Rohwedder, geht von einem Industrievermögen von 600 Milliarden aus. Bei den Verhandlungen habe man „geglaubt, mit dem Verkauf der einstigen volkseigenen Betriebe durch die Treuhand die Schulden der DDR finanzieren zu können“, schreibt Kohl in seinen Erinnerungen „Ich wollte Deutschlands Einheit“. „Ja, wir glaubten sogar, daß wir, nachdem wir einen abschließenden Überblick über das DDR-eigene Vermögen haben würden, an die Bevölkerung Anteilsscheine ausgeben könnten.“ Ähnliche Kaufkraft in beiden deutschen Staaten Die Binnenkaufkraft der DDR-Mark sei in etwa so hoch wie die Binnenkaufkraft der Westmark, erläutert Thilo Sarrazin, der damals als Referatsleiter im Bundeswirtschaftsministerium die Eckpunkte der Wirtschafts- und Währungsunion in einem 14seitigen Papier formuliert, Jahre später dem Managermagazin. Zwar habe ein Wartburg 30.000 und ein Farbfernseher 5.000 DDR-Mark gekostet, aber zum berücksichtigenden Warenkorb hätten auch Lebensmittel, Energie, Mieten und soziale Dienstleistungen gehört: „Und so gesehen, konnten Sie für die DDR-Mark in der DDR genausoviel kaufen wie mit der D-Mark in der Bundesrepublik.“ Sarrazin stützt sich dabei auf Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, nach denen die Arbeitsproduktivität in der DDR-Wirtschaft bei 45 bis 60 Prozent des westdeutschen Niveaus liegt. Auch das Statistische Jahrbuch der DDR habe „nützliche Informationen“ und „richtige Angaben zu Geldumlauf, Sparguthaben und Ähnlichem“ enthalten. Der letztlich ausgehandelte Kompromiß sieht vor, daß Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr 2.000 DDR-Mark eins zu eins in D-Mark umtauschen dürfen, Personen vom 15. bis 59. Lebensjahr 4.000 und Menschen ab 60 Jahren 6.000 Mark. Der Umtausch von höheren Beträgen soll im Verhältnis zwei zu eins stattfinden. Damit sind die Sparguthaben gerettet. Genauso wichtig ist für die Menschen, daß die Löhne und Renten im Verhältnis von eins zu eins umgestellt werden und das bisher geltende Rentensystem an das der BRD angepaßt wird. So steigt die Durchschnittsrente von Mitte 1990 höchstens 600 DDR-Mark am 1. Januar 1994 auf 1.400 D-Mark. Alles diktiert durch Angst vor dem Massenexodus Das alles sind politische Entscheidungen und keine, die irgend etwas mit der Wirtschaftskraft der DDR zu tun haben. Allen Politikern, auch jenen, die, wie der saarländische SPD-Ministerpräsident Oskar Lafontaine, die Einheit torpedieren wollen, ist klar, daß ein schlechterer Umtauschkurs zu anhaltenden Protesten, zum Scheitern eines raschen Vertragsabschlusses und damit zu einem Massenexodus aus der DDR führen würde. Daß die praktisch wertlose DDR-Mark in harte D-Mark – und noch dazu zu einem äußerst günstigen Kurs – umgerubelt wird, ist der größte Erfolg, den die DDR-Revolutionäre nach dem Sturz der SED-Diktatur auf dem Weg zur deutschen Einheit erzielen. Denn vor der beide Staaten „destabilisierenden Wirkung des Übersiedlerstroms“ fürchtet sich Bundeskanzler Kohl seit seinem Auftritt vor der Dresdner Frauenkirchenruine Ende 1989. Daß die Einheit Milliarden kosten wird, ist ihm ebenso klar wie der unausbleibliche Zusammenbruch der Industriebetriebe zwischen Elbe und Oder mit ihrer Unproduktivität und der verschleierten Arbeitslosigkeit, die zudem durch den Wegfall ihrer Absatzmärkte in der Sowjetunion schwer getroffen sind. Sarrazin geht von 1,4 Millionen Arbeitslosen als Folge der Währungsumstellung aus und einem jährlichen Kapitalimport in dreistelliger Milliardenhöhe, um die Industrie im Beitrittsgebiet zu modernisieren. Tatsächlich beendet die Treuhandanstalt ihre Arbeit 1994 mit einem Defizit von rund 250 Milliarden D-Mark. Kohl hat in dieser Zeit nicht nur mit den Alliierten zu verhandeln, die sich von den Deutschen ihre Zustimmung zur Einheit möglichst teuer – selbst die USA forderten Geld – erkaufen lassen wollen, sondern auch gegen den innenpolitischen Widerstand zu kämpfen. In der DDR fabulieren SED/PDS, Ost-SPD und Gewerkschaften vom wirtschaftlichen Ausverkauf und organisieren Warnstreiks und Proteste, im Westen schürt Lafontaine eine Stimmung, nach der die Kosten der Wiedervereinigung die Wirtschaftskraft der Republik überfordern. Streit um Grundstücke und Immobilien Aber es gibt auch zähen Widerstand der DDR-Regierung. Diese will mittels eines komplizierten Erbpachtrechtes verhindern, daß mit Grund und Boden spekuliert wird. Kohl lehnt das ab, da er befürchtet, daß so „jegliche Investitionsbereitschaft im Keim erstickt“ wird. Grundlegende Meinungsverschiedenheiten gibt es auch bei enteigneten Immobilien und Betrieben. Was soll hier Vorrang haben: Rückgabe oder Entschädigung? Als tabu gelten die zwischen 1945 und 1949 unter der Aufsicht der Besatzungsmacht erfolgten Enteignungen. Ein sowjetisches Memorandum vom 28. April 1990 warnt davor, „Gesetzlichkeiten der Maßnahmen und Verordnungen in Frage zu stellen, die die Vier Mächte in Fragen der Entnazifizierung, der Demilitarisierung und der Demokratisierung gemeinsam oder jede in ihrer ehemaligen Besatzungszone ergriffen haben“. Die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse, vor allem in Besitz- und Bodenfragen, unterliege „keiner neuerlichen Prüfung oder Revision durch deutsche Gerichte oder andere deutsche Staatsorgane“. Der Behauptung von Kohl und Waigel, daß der sowjetische Staats- und Parteichef die Beibehaltung der Enteignungen zu einer Bedingung für eine deutsche Einheit gemacht habe, widerspricht Gorbatschow später jedoch. Abtreibungsfrage führt fast zum Scheitern des Vertrages Bei einem besonders für die DDR-Frauen wichtigen Punkt wird ein Kompromiß gefunden: dem legal praktizierten Schwangerschaftsabbruch. Kohl staunt, daß de Maizière, „obwohl selbst Synodaler der Berlin-Brandenburgischen Kirche, unmißverständlich klar macht, die Verhandlungen scheitern zu lassen“, wenn die in der BRD gesetzlich vorgegebene Indikationslösung für ganz Deutschland gelten soll. Letztlich regelt der unter Hochdruck erarbeitete Staatsvertrag Privateigentum, Leistungswettbewerb, freie Preisbildung, die volle Freizügigkeit von Arbeit, Kapitalgütern und Dienstleistungen als Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft, die Währungsunion und die Umstellungsmodalitäten, Wirtschafts- und Sozialunion, Staatshaushalt und Finanzen. Als die Finanzminister das Papier im Palais Schaumburg unterschreiben, ist der erste praktische Schritt zur Herstellung der staatlichen Einheit getan. Zwischen Ende 1990 und Ende 1996 fließen aus dem Bundeshaushalt 720 Milliarden D-Mark in die neuen Länder. Kohl bereitet derweil bereits ein viel größeren Experiment vor, diesmal ohne das Votum des Volkes: die europäische Wirtschafts- und Währungsunion. JF 27/20 | Paul Leonhard | Vor 30 Jahren, am 1. Juli 1990, wurde die D-Mark zum offiziellen Zahlungsmittel in der DDR. Mit der Wirtschafts- und Währungsunion vollzog sich der erste praktische Schritt zur Wiedervereinigung. Die Verhandlungen und die getroffenen Regelungen standen unter dem Einfluß der Sorge vor dem Massenexodus von Ost nach West. | Geschichte | 2020-07-01T13:06:09+02:00 | 2020-07-01T13:07:30+02:00 | https://jungefreiheit.de/wissen/geschichte/2020/kommt-die-d-mark-bleiben-wir?attachment=montagsdemonstration-in-leipzig-1990 |
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Philosophie nur für Starke und Reiche | Immobilienhaie, Ausbeuter, Gehirnwäscher, Weltverschwörer und Spitzel – wenn es um Scientology geht, werden viele Vorwürfe laut. Doch was steckt wirklich dahinter? Als die Organisation am 13. Januar ihre neue „Kirche“ in Berlin eröffnete, berichteten viele Medien darüber, wie sich nun die Inkarnation des Bösen in der deutschen Hauptstadt etabliere. Scientology sei eine Gefahr für die Demokratie – was durch die Beobachtung des Bundesamtes des Verfassungsschutz belegt werde. Schlägt man aber in dessen Bericht nach, worin denn die verfassungsfeindlichen Bestrebungen liegen, erhält man keine konkreten Angaben. Dort steht lediglich, daß Scientology politische Ziele verfolge. Es lägen „Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ vor, was durch „aktuelle Aktivitäten und Publikationen bestätigt“ würde. Dennoch wird wenig Aufschluß über die eigentlichen oder vermeintlichen Gefahren der Sekte gegeben. Und so bleibt offen, was nun so besonders gefährlich an Scientology ist. Schließlich gibt es eine Vielzahl von Sekten, Esoterik-Vereinen und Erfolgsphilosophien. Viele davon sind ebenfalls suspekt, und dennoch werden sie unter dem Gebot der Religions- und Meinungsfreiheit toleriert und in den Medien allenfalls als Spinner abgehandelt. Scientology wurde 1950 von dem amerikanischen Science-Fiction-Schriftsteller L. Ron Hubbard ursprünglich als psychotherapeutisches Selbsthilfesystem unter dem Namen „Dianetik“ konzipiert. Nur wenige Jahre später wurde es dann 1954 in den USA als „Church of Scientology“ mit dem Anspruch einer Religion gegründet. Scientology versteht sich in der Tradition des frühen Buddhismus, dessen Lehre Hubbard „perfektioniert“ haben will. Die Lehre beansprucht für sich, exakte Techniken anzubieten, mit deren Hilfe Menschen sich ihrer spirituellen Existenz über mehrere Leben hinweg bewußt werden und zu mehr Leistung in der physischen Welt fähig werden können. In acht Stufen könne sich ein Mensch zum „Operierenden Thetan“ entwickeln. Der Thetan, also die Seele, kann sich dann vom Körper lösen und frei „über Materie, Energie, Raum, Zeit und Denken“ verfügen. Der Begriff Scientology wurde aus dem lateinischen Wort „scio“ und dem griechischen Wort „logos“ gebildet bedeutet soviel wie „Wissen über das Wissen“. Scientology bezeichnet sich selbst als „angewandte religiöse Philosophie“, als „Technologie“ und als „Religion“. In Deutschland ist die seit 1970 niedergelassene Sekte jedoch nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt. 1995 entschied das Bundesarbeitsgericht, daß Scientology dieser Status nicht zustehe. In den USA dagegen gilt sie bereits seit Jahrzehnten offiziell als Religion. Weltweit soll es zehn Millionen gläubige Scientologen geben. In Deutschland sind es nach Angaben der Sekte 30.000, davon tausend in Berlin. Laut dem Verfassungsschutz gibt es hierzulande aber nur 8.000 Anhänger – in Berlin lediglich zweihundert. Der 1911 geborene Hubbard starb bereits 1986. Seitdem ist der Leiter der Organisation David Miscavige, der im vergangenen November Trauzeuge bei der Hochzeit des erfolgreichen Hollywood-Schauspielers und Vorzeige-Scientologen Tom Cruise war. Perfekt werden die Besucher durch die Ausstellung gelotst Im neuen Scientology-Zentrum in Berlin-Charlottenburg tummeln sich nachmittags die Gäste. Schon von der Straße aus können Passanten einen neugierigen Blick hineinwerfen: Die ganze Front besteht aus Glas. Die Sekte will Transparenz vermitteln – oder zumindest den Schein davon. Drinnen befinden sich Menschen allen Alters – auch viele Jugendliche. „Kann ich Ihnen helfen?“ fragt eine etwa zwanzigjährige Schweizerin und lächelt freundlich. Sie trägt einen schwarzen Hosenanzug – eine Art Uniform. So sind die zahlreichen Mitarbeiter der „Kirche“ zwischen den Menschenmassen deutlich zu erkennen. Sie wirken äußerst professionell – sie sind sehr höflich, zuvorkommend und interessiert. Sie geben einem das Gefühl, etwas Besonderes zu sein – wie ein guter Kunde eben. Im neuen Gebäude, das auf 4.000 Quadratmetern Platz für eine Bibliothek, drei Kinosäle und zahlreiche Seminarräume bietet, ist alles auf Hochglanz poliert. Im Hintergrund läuft Musik, die an amerikanische Fernsehserien erinnert. Im Foyer befindet sich eine kurze Ausstellung über Hubbard – daneben werden dessen zahlreiche Lehrbücher zum Kauf angeboten. In einem Nebenraum sind ein Dutzend große Bildschirme aufgestellt: Fast sieht es so aus wie in der Science-Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“. Der Besucher kann es sich auf einer Couch gemütlich machen und insgesamt über zwölf Stunden lang Werbefilme anschauen. Die orangefarbenen Sofas riechen neu – sie erinnern fern an den Geruch in einer Flugzeugkabine. Diese Assoziation wird durch das breite Lächeln der Mitarbeiterinnen verstärkt – sie ähneln Stewardessen: Genauso perfekt geschminkt lotsen sie den Besucher durch die Ausstellung. Journalisten sind dagegen eher unerwünscht: Bei der Eröffnung wurden Medienvertreter gar nicht reingelassen. Doch viele waren da – und das macht die Scientologen nun erst recht mißtrauisch. Sie halten sich zurück, ganz im Gegenteil zu den in den Medien beschriebenen Monstern, die sogar kleine Kinder auf der Straße ansprächen und reinlockten. Hier steht keiner auf der Straße. Es werden keine Flugblätter verteilt – niemand wird irgendwie überredet. Wer Information will, muß die Initiative ergreifen und die netten Damen selber fragen. „In Deutschland war man schon immer intolerant gegenüber religiösen Minderheiten“, erklärt eine Mitarbeiterin den schlechten Ruf der Sekte. Und dennoch wirkt alles irgendwie verdächtig. Zu jeder gestellten Frage gibt es einen passenden Film. Fragt man, woran sie eigentlich glauben, bekommt man die Einführung in die Dianetik und die „Acht Dynamiken des Daseins“ zu sehen. Will man wissen, was sie machen, werden Filme über die zahlreichen sozialen Projekte der Sekte gezeigt. In bunten Farben und mit weichgezeichnetem Bild wiederholen die interviewten Menschen immer wieder das gleiche: wie gut und wirkungsvoll Scientology ist. Die Filme, die an schlecht synchronisierte Angebote auf dem Shoppingkanal erinnern, sollen überzeugen. Will man wissen, wie Scientologen zu anderen Religionen stehen, so wird man in einen der Kinosäle geführt. Hier kann man 45 Minuten lang ein gefilmtes Interview mit Gründer Hubbard anschauen. Hubbard würde diese Frage viel besser beantworten, sagen die Mitarbeiter. „Wie war es?“ fragen sie nach dem Film. Antwortet man: „Sehr interessant – ich würde gerne so ein Persönlichkeits-test ausprobieren, von dem Hubbard im Film gesprochen hat“, freuen sich die Mitarbeiter sehr. Sofort können dann die zweihundert Fragen der „Oxford Persönlichkeits-Analyse“ beantwortet werden. Im Test werden allgemeine Fragen gestellt wie: „Blättern Sie einfach zum Vergnügen in Eisenbahnfahrplänen, Telefonbüchern oder Wörterbüchern?“ und: „Haben Sie oft das Gefühl, daß Leute Sie beobachten oder hinter Ihrem Rücken schlecht über Sie sprechen?“ Nach dem Test werden die Antworten mit Hilfe eines Rechners zu einer Persönlichkeitskurve ausgewertet. Unausgeglichene Menschen mit einem steilen Liniendiagramm können Gelassenheit, innere Ruhe und Effektivität mit Hilfe von Scientology-Kursen üben. Schnell stellt ein junger Mann passende Kurse zum Testergebnis vor. Es sei wichtig zu wissen, daß ein Mensch sich unbegrenzt verbessern könne. „Auch Sie können das“, sagt er. Er persönlich versuche schon seit zehn Jahren, besser zu werden. Natürlich gebe es auch böse Menschen in der Welt, die einen negativ beeinflußten. Aber die meisten Menschen seien von sich aus gut. Diesen Menschen könne Scientology helfen, noch besser zu werden. Die angebotenen „Kurse“ sind in Wirklichkeit Übungshefte, die zwischen sechzig und 150 Euro kosten. Geübt werden kann dann selbständig in den Seminarräumen. Dort sei immer auch ein „Kursüberwacher“ anwesend, der bei schwierigen Fragen helfe, erzählt der Mann. „Sie haben vorhin gesagt, daß Sie sich ein wenig krank fühlen und deshalb gehen wollen“, sagt der Mann. Er hat offensichtlich ganz genau hingehört. „Wissen Sie, daß Krankheit immer auch ihre geistige Fassung widerspiegelt? Mit Hilfe von Scientology bin ich in den letzten zehn Jahren nur wenige Tage außer Gefecht gewesen.“ Es gebe Methoden, mit denen man in so einem Fall schnell Abhilfe schaffen könne. „Wenn Sie wollen, kann ich das Ihnen zeigen“, sagt er. Dafür müsse man in ein ruhiges Zimmer gehen. „Sie schließen nur Ihre Augen und hören, was ich Ihnen sage. Dann berühre ich Ihre Stirn mit meinen Finger. Wichtig ist dabei, daß ich Ihnen immer sage, was ich gerade tue“, erzählt der junge Mann begeistert. „Das hilft bei mir immer!“ Trotz Kreuz – nichts mit dem Christentum gemeinsam Obwohl als eines ihrer wichtigsten Symbole ein Kreuz abgebildet wird, hat Scientology nichts mit dem Christentum gemeinsam: Es ist eine erbarmungslose Erfolgsphilosophie der Starken, was die Scientologen sogar selber zugeben. Versagen und Krankheit zeugten ihrer Meinung nach nur von geistiger und seelischer Schwäche. Solchen Menschen könne nicht mehr geholfen werden und sie seien deshalb uninteressant für Scientology. In Wirklichkeit sind sie deshalb uninteressant für die Sekte, weil sie nicht in der Lage sind, für die existentielle Grundlage des Weltunternehmens zu sorgen. Je höher ein Scientologe in der Hierarchie der „Acht Stufen“ aufsteigen möchte, desto mehr muß er nämlich bezahlen. Über genaue Summen wird viel spekuliert. Sicher ist allerdings, daß Scientology ein weitverzweigtes Netzwerk bildet, das sich über verschiedene wirtschaftliche, politische und soziale Branchen ausdehnt. Narconon zum Beispiel betreibt Drogenrehabilitationszentren, Criminon bekämpft Kriminalität, und Able engagiert sich auf dem Bildungssektor. Zudem hat Scientology zahlreiche eigene „Menschenrechtsorganisationen“ gegründet und schickt „Volunteer Ministers“, also ehrenamtliche „Scientology-Geistliche“, weltweit in Krisengebiete. Scientology bietet auch eine eigene Unternehmensphilosophie. Untergeordnete Unternehmen müssen sich durch Lizenzverträge verpflichten, Hubbards Technologien und Lehren korrekt anzuwenden und dafür ordentlich zu bezahlen. Nach Einschätzung des Sektenbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland, Thomas Gandow, kämen Opfer der Organisation innerhalb von zwei Jahren sogar auf Kosten zwischen 50.000 und 250.000 Euro – Beträge, die Existenzen ruinieren können. Foto: Das neue Scientology-Zentrum in Berlin: Die ganze Front in der Charlottenburger Otto-Suhr-Allee besteht aus Glas. Die Sekte will Transparenz vermitteln – oder zumindest den Schein davon. Organisation Scientology Religious Technology Center (RTC) Das Überwachungsorgan RTC hat zum Zweck , „die Öffentlichkeit und Mitglieder der Kirche vor Mißbrauch des Erlösungsweges zu schützen“. www.rtc. org, www.scientology. org Office of Special Affairs (OSA) Das Büro für spezielle Angelegenheiten ist ein weltweit operierender Scientology-Geheimdienst. Citizens Commission on Human Rights Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte. www.cchr. com, www.kvpm. de, www.fightforkids. com, www.psychcrime. org New Era Verlagshaus www.newerapublishing. com The Way to Happiness Ein „nichtreligiöser Moralkodex“, mit der Scientology neue Mitglieder wirbt. www.thewaytohappiness. org Golden Era Produziert Audiovisuelle Medien. www.goldeneraproductions. org Freedom Magazin Scientology Zeitschrift www.freedommag. org Association for Better Living and Education Die Vereinigung für besseres Leben und Erziehung koordiniert soziale und pazifistische Projekte weltweit. www.able. org Narconon Eine Organisation zur Rehabilitation von Suchtkranken. www.narconon. de, www.narconon. org Criminon Widmet sich der Rehabilitation von Kriminellen und der Verhinderung von Kriminalität. www.criminon. de, www.criminon. org Applied Scholastics Engagiert sich weltweit für bessere Bildung und Lesekompetenz. www.appliedscholastics. org, www.besserebildung. de Scientology Volunteer Ministers Ein Programm, das ehrenamtliche „Scientology Geistliche“ weltweit für soziale Projekte einsetzt. www.volunteerministers. org World Institute of Scientology Enterprises Sorgt als Dachverband dafür, daß Mitglieder – durch Lizenzverträge gebunden – Hubbards Verwaltungstechnologie umfassend verbreiten, indem die Ethikprinzipien und Grundsätze von Scientology nach und nach in die gesamte Geschäftswelt hineingebracht werden. WISE-Mitglieder sind unter anderem in der Personalberatung, Unternehmensberatung, Personalausbildung und im Immobilienhandel tätig. www.wise. org | JF-Online | Immobilienhaie, Ausbeuter, Gehirnwäscher, Weltverschwörer und Spitzel - wenn es um Scientology geht, werden viele Vorwürfe laut. Doch was steckt wirklich | Sonderthema | 2007-01-26T00:00:00+01:00 | 2007-01-26T00:00:00+01:00 | https://jungefreiheit.de/sonderthema/2007/philosophie-nur-fuer-starke-und-reiche/ |
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Gauland und Weidel führen AfD im Bundestagswahlkampf | KÖLN. Alexander Gauland und Alice Weidel werden die AfD im Bundestagswahlkampf anführen. Die Delegierten stimmten auf dem Parteitag der AfD in Köln am Sonntag mit 67,7 Prozent (365 Stimmen) für das Team aus AfD-Vize Gauland und Weidel, die auch Spitzenkandidatin in Baden-Württemberg ist. 28,2 Prozent (152 Stimmen) der Delegierten stimmten gegen den Vorschlag. 4,1 Prozent (27 Stimmen) enthielten sich. Gauland gilt als Vertreter des nationalkonservativen Flügels der Partei, Weidel zählt zum wirtschaftsliberalen Lager. Parteichefin Frauke Petry hatte nach ihrer Niederlage am Sonnabend nochmals betont, nicht für ein Spitzenteam im Wahlkampf zur Verfügung zu stehen. Ihr Co-Sprecher Jörg Meuthen, der am Sonnabend den Parteitag mit einer leidenschaftlichen Rede begeistert hatte, kandidiert nicht für den Bundestag. (krk) JF-TV-Interview mit AfD-Chefin Frauke Petry AfD-BPT 2017: Frauke Petry JF-TV Direkt vom AfD-Bundesparteitag in Köln: Frauke Petry über ihre gestrige Niederlage, ihre politische Strategie und ihre Zukunft in der AfD. Gepostet von JUNGE FREIHEIT am Sonntag, 23. April 2017 JF-TV-Interview mit AfD-Chef Jörg Meuthen AfD-BPT 2017: Jörg Meuthen (JF-TV Direkt) JF-TV Direkt vom AfD-Bundesparteitag in Köln: Jörg Meuthen – "Habemus Spitzenteam!" Gepostet von JUNGE FREIHEIT am Sonntag, 23. April 2017 JF-TV-Interview mit AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel
AfD-BPT 2017: Alice Weidel (JF-TV Direkt) JF-TV Direkt vom AfD-Bundesparteitag in Köln: Alice Weidel, soeben zusammen mit Alexander Gauland ins Spitzenteam zur Bundestagswahl gewählt, über ihre politischen Schwerpunkte im anstehenden Wahlkampf. Gepostet von JUNGE FREIHEIT am Sonntag, 23. April 2017 | JF-Online | Alexander Gauland und Alice Weidel werden die AfD im Bundestagswahlkampf anführen. Die Delegierten stimmten auf dem Parteitag der AfD in Köln am Sonntag mit großer Mehrheit für das Team aus Gauland und Weidel. Gauland gilt als Vertreter des nationalkonservativen Flügels der Partei, Weidel zählt zum wirtschaftsliberalen Lager. | Deutschland | 2017-04-23T13:56:45+02:00 | 2017-04-23T21:15:39+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2017/gauland-und-weidel-fuehren-afd-im-bundestagswahlkampf/ |
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Broders Verschwörung | „Die Amerikaner sind immer die Guten.“ – „Was im Fernsehen gesagt wird, stimmt.“ Dies sollen anscheinend die Botschaften sein, die Henryk M. Broder in einer „Deutschland-Safari“, begleitet von Hamed Abdel-Samad, im Dienste der ARD unters Volk zu bringen hat. Ein Tag Verspätung und eine ungünstige Sendezeit sind allerdings keine idealen Voraussetzungen, um das Licht der Vernunft in den Dschungel der Verschwörungstheorien zu tragen, der seit zehn Jahren um den 11. September wuchert. Doch schauen wir, welche Vorstöße „Entweder Broder“ trotzdem unternimmt, um die unwissenden deutschen Negerlein und ihre bösen Voodoo-Priester zu bekehren. Da finden sich „Jesus, Mohammed und Moses im Gepäck“ und, als zusätzlicher Sympathieträger, der Foxterrier Wilma, der die beiden öffentlich-rechtlichen Missionare begleitet. Falls die Botschaft, daß diese Maskottchen alle gemeinsam in Broders „buntes Playmobil“ passen, die verirrten Seelen nicht erreichen sollte, hat man noch das Dschungelcampgirl Indira aufgeboten, gegen deren Charme als koschere Cola trinkende Proselytin und Blondine der Herzen (seit Verona Pooth, vormals Feldbusch, werden gerne auch brünette Frauen für klassische Blondinenrollen eingesetzt) kaum ein Kraut gewachsen sein könnte. Umgekehrte Brunnenvergiftung Könnte! Denn kaum hat sie ihren süßen Mund aufgetan, ist der böse Satz draußen. Eben hatte sie noch mit ganz lieber Entrüstung die zuvor in einem düsteren Dönerladen von einem „Integrationsverweigerer“ angedeutete Behauptung zurückgewiesen, „die Juden“ steckten hinter dem Anschlag auf das World Trade Center, um dann aber sogleich hinzuzufügen, „die Amerikaner“ seien es selbst gewesen. Zum Glück gibt es wenigstens bei der Rettung dieses armen Seelchens ein Happy End: Als die von Broder onkelhaft angeschwärmte Indira vor dem Hintergrund eines Atomkraftwerks dem gesunden, klaren Wasser entsteigt, läßt sich die Badenixe in eine amerikanische Flagge hüllen, damit sie „nicht friert“. Aber nicht bei allen Leuten gibt Broder den lieben Opa. „Nazis“ zum Beispiel tatscht er nicht so gerne an. Das heißt: Sieht das Drehbuch ein Distanzierungsritual vor, wischen sich Broder und sein treuer Hadschi Halef Omar nach einer Begrüßung des Berliner NPD-Vorsitzenden Uwe Meenen säuberlich die Hände ab. Ein wenig geht die kindische Aktion aber nach hinten los, als sich Meenen der Pappkameradenrolle bei einem neuerlich drohenden Handschlag mit freundlicher Entschuldigung entzieht und Broder stehenläßt. Die Botschaft ist aber schön fernsehmäßig klar: Es gibt Reinheit und Unreinheit. Die richtigen Auffassungen sind so rein und offenkundig, daß sie niemals begründet werden müssen; und die unreinen, die sich in dicken Büchern um Argumentation bemühen, sind keinesfalls näher zur Kenntnis zu nehmen, sondern in Form eines dicken Stapels – darunter auch Alain de Benoists „Die Tragödie des Westens“ – dem reinigenden Wasser eines Brunnens zu überantworten, was wohl eine spielerisch umgekehrte Brunnenvergiftung sein soll. Klischee-Auswalzungen Der Jude entlarvt, wie der Westen seine Brunnen durch seinen Irrwahn selbst vergiftet; und wer dies noch immer nicht begreift, wird von Broder belehrt, daß hinter antiamerikanischen Verschwörungstheorien das Ressentiment deutscher Bildungsspießer stünde, die nicht wahrhaben wollen, daß sie von den „kulturlosen Amis“ „befreit“ worden seien. Alles scheint so klar wie das Wasser, das auf Indiras Busen perlt. Oder doch nicht? Gerade dieser Busen, so erfahren wir, ist „natürlich nicht echt“, und auch „schöne Augen können lügen“. Können die eigenen Augen aber auch trügen, wenn man im Fernsehen zusammenstürzende Twin Towers sieht? Will Broder uns durch seine Klischee-Auswalzungen zu einem kritischen Medienkonsum erziehen? Dazu paßt hervorragend die scheinbar dümmliche Figur, die er so gekonnt bei einer Veranstaltung Jürgen Elsässers zum 11. September mimt: Vordergründig spielt er den Entlarver, aber womöglich macht er mit dem „Verschwörungstheoretiker“ gemeinsame Sache – schließlich würde er ihm sonst kaum durch die Frage, ob Osama bin Laden ein CIA-Agent gewesen sei, so elegant den Ball vorlegen, den ihm Elsässer souverän in Form eines Compact-Magazins über genau dieses Thema zurückspielt. Steht also hinter der Klarheit von „Entweder Broder“ doch wieder nur das ewige „Oder“, das „Broder“ scheinbar alternativlos ersetzt? Nichts Genaues weiß man nicht. | Baal Müller | „Die Amerikaner sind immer die Guten.“ – „Was im Fernsehen gesagt wird, stimmt.“ Dies sollen anscheinend die Botschaften sein, die Henryk M. Broder in einer | Kolumne | 2011-09-15T09:35:00+02:00 | 2013-12-03T19:24:29+01:00 | https://jungefreiheit.de/kolumne/2011/broders-verschwoerung/ |
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Osteuropäer prügeln Bremer Polizisten ins Krankenhaus | BREMEN. Eine Gruppe von sechs Osteuropäern hat am Wochenende in Bremen zwei Polizisten angegriffen und schwer verletzt. Die Täter schlugen einen der beiden Beamten zu Boden und traten mehrfach gegen den Kopf ihres Opfers. Auch der zweite Polizist erlitt schwere Verletzungen. Ein Sprecher der Polizei sagte der JUNGEN FREIHEIT, die Osteuropäer seien jedoch nicht „einschlägig vorbestraft“. Die vier Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 19 und 25 Jahren sind der Polizei mittlerweile namentlich bekannt. Bei der Festnahme eines 23 Jahre alten Tatbeteiligten wurden die Sicherheitskräfte in dessen Wohnung auch von Familienangehörigen des Täters angegriffen. Der Festgenommene wurde nach Abschluß aller polizeilicher Maßnahmen wieder auf freien Fuß gesetzt. Gegen alle Beteiligten wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Der Polizeisprecher wies dabei auf steigende Gewalt gegen Polizeibeamte hin: „Das ist ein bundesweiter Trend, den wir auch hier in Bremen beobachten.“ Linksextremisten locken Polizisten in Hinterhalt Auch in Berlin kam es am Wochenende zu Angriffen auf Polizeibeamte. In Friedrichshain-Kreuzberg zündeten vermummte Linksextremisten in der Nacht zum Sonntag Mülltonnen und Toilettenhäuschen an. Nach Eintreffen der Polizei zogen sich die Randalierer in die umstehenden Häuser zurück und attackierten die Beamten mit Reizgas. Dabei erlitten vier Polizisten Reizungen an den Augen und Atemwegen, blieben ansonsten jedoch unverletzt. Die Beamten leiteten Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte ein. (ho) | JF-Online | Eine Gruppe von sechs Osteuropäern hat am Wochenende in Bremen zwei Polizisten angegriffen und schwer verletzt. Die Täter schlugen einen der beiden Beamten zu Boden und traten mehrfach gegen den Kopf ihres Opfers. Auch der zweite Polizist erlitt schwere Verletzungen. | Deutschland | 2011-10-31T12:40:00+01:00 | 2013-12-03T13:51:14+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2011/osteuropaeer-pruegeln-bremer-polizisten-ins-krankenhaus/ |
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Auch Graichens Bruder ist Regierungsberater | BERLIN. Die Affäre um Staatssekretär Patrick Graichen (Grüne) hat weiter an Fahrt aufgenommen. Wie nun die Bild-Zeitung berichtete, arbeitet auch dessen Bruder Jakob Graichen als Berater für die Bundesregierung. Erst vor kurzem war bekannt geworden, daß Patrick Graichens Schwester Verena Mitglied des Nationalen Wasserstoffrats ist. Nun steht der Vorwurf der Vetternwirtschaft im Raum. Jakob Graichen arbeitet wie Verena Graichen für den Lobby-Verein Öko-Institut. Er ist Mitglied im „Arbeitskreis Klimaneutrale Luftfahrt“ und ist damit Gesprächspartner für das Wirtschafts- und das Verkehrsministerium. „Als zuständiger Referent des Öko-Instituts für den Bereich Energie und Klima vertritt Jakob Graichen das Öko-Institut in den Sitzungen“ des Arbeitskreises, bestätigte die Bundesregierung. Jakob Graichen gehört dem Gremium auf Wunsch des Umweltministeriums an, das von Steffi Lemke (Grüne) geführt wird. Vor seiner jetzigen Tätigkeit im Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck (Grüne) arbeitete sein Bruder Patrick von 2001 bis 2012 für eben dieses Ministerium. Dazwischen war dieser für den Lobbyverein „Agora Energiewende“ tätig. Der „Arbeitskreis Klimaneutrale Luftfahrt“ wurde erst 2022 gegründet und soll für die Bundesregierung Vorschläge für eine klimaneutrale Luftfahrt machen. Aus Jakob Graichens offizieller Biographie auf Seiten des Öko-Institutes ist nicht ersichtlich, welche Expertise der Diplom-Physiker für die Luftfahrt besitzt. (JF) | JF-Online | Nicht nur seine Schwester Verena, sondern auch sein Bruder Jakob arbeiten im Umfeld der Bundesregierung: Der Vorwurf der Vetternwirtschaft um Staatssekretär Patrick Graichen (Grüne) erhärtet sich. An der Expertise von Jakob Graichen gibt es indes erhebliche Zweifel. | graichen | Deutschland | 2023-05-08T18:30:33+02:00 | 2023-05-08T18:37:07+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2023/graichens-bruder-jakob/ |
Ohrenzeugen | Wo die musikalischen Unterschiede kaum wahrnehmbar sind, bedarf es im Genre des Neo Folk weltanschaulicher Alleinstellungsmerkmale, um sich im eng besetzten Nischenmarkt zu behaupten. War einst der heidnisch verharmlosende Bezug auf Aleister Crowley prägend für die apokalyptischen Anfänge der britischen Veteranen, die sich dem Punk entwanden, so hat man sich im folgenden unbedarft und selbstbewußt aller möglichen in der Geschichte vergrabenen Häresien, Okkultismen und Mythen bemächtigt, die den hohen Anspruch eines verwöhnten Publikums nach einer ungewöhnlichen, plakativen und natürlich auch nicht zu anstrengenden Sinnstiftung zu erfüllen versprachen. Die Koblenzer Musiker, die sich unter dem Namen der Titanentochter Hekate ans Werk machten, haben in dieser Hinsicht jedoch eine Zurückhaltung an den Tag gelegt, die sie ehrt. Zunächst atonalen Experimenten verschrieben, erwiesen sie im folgenden realgeschichtlichen Traditionen demokratischer Provenienz ihre Referenz – man mochte sie im Geiste für späte Ausläufer diverser Folkbands aus vergangenen Langhaarzeiten halten, die gemeint hatten, es ließe sich über das rebellische Lied von den Bauernkriegen über 1848 bis hin zur Arbeiterbewegung eine unbefleckte deutsche Identität rekonstruieren. Hekate hat diesen Kanon sogar noch durch – allerdings eher illustrative denn musikalische – Anleihen bei der Jugendbewegung erweitert. Hinsichtlich ihres Sounds bedienen sie sich dabei im Unterschied zu den urwüchsigen Altvorderen der Möglichkeiten, die seit der digitalen Revolution im Prinzip jedem musikalischen Heimwerker zur Verfügung stehen und orchestrales Volumen ohne das mühselige Zusammenspiel von vielen gestatten. Auf der aktuellen CD „Goddess“ (Auerbach Tonträger/ SoulFood) läßt sich nun zum einen eine verstärkte Hinwendung zu mannigfaltigem Schlagwerk erkennen, das in spannungsreiche Konkurrenz zu einer ätherischen Frauenstimme oder (abwechselnd) einem männlichen Gesang mit Hang zur bloßen Rezitation tritt – die Rollenverteilung von Dead Can Dance lebt hier ein Stockwerk tiefer wieder auf. Zum anderen ist der thematische Horizont entgrenzt. Im Schnelldurchlauf führt die CD durch Mythen mit und ohne Bart – von der Arthus-Sage über die Katharer, von Barbarossa bis zum alten Rom, lauter kleine Anspielungen, die über die Etikettierung des jeweiligen Stücks hinaus zwar nicht immer explizit hörbar sind, aber der Phantasie freien Lauf lassen und dem Lauschenden nebenbei das Gefühl vermitteln, nicht bloß zu konsumieren, sondern Ohrenzeuge eines gewichtigen Kulturextrakts zu sein. Die Gefühle, an die das Comedy-Projekt Studio Braun hingegen appelliert, sind weitaus weniger edelmütig. Der Erfolg seiner Bemühungen bemißt sich an der heiteren Schadenfreude, die sich einstellt, wenn man Zeuge werden darf, wie mehr oder weniger unbedarfte Mitmenschen, die absichtsvoll in absurde Situationen gestellt werden, keine gute Figur abgeben. Die CD „Ein Kessel Braunes“ (Trikont/ Indigo) präsentiert davon eine nette Auswahl: Telefonanrufe bei irgendwelchen Leuten, die auf die unverhofften Zumutungen nicht so schlagfertig reagieren wie ein versierter Entertainer in einem wohl einstudierten Dialog. Ein elitärer Unterton hinter der anarchischen Punk-Maskerade ist dabei unüberhörbar. Blödeleien, die subversiv sein wollen, sind anders gestrickt. So billig und vor allem so abgegriffen diese Art der Witzerzeugung auch ist in Zeiten, in denen TV total und die notorischen Titanic-Überfallaktionen in die Jahre gekommen sind, manche der Mitschnitte sind dann doch so unterhaltsam, daß man sie zwei- oder dreimal hören kann. Öfter aber auch nicht. | JF-Online | Wo die musikalischen Unterschiede kaum wahrnehmbar sind, bedarf es im Genre des Neo Folk weltanschaulicher Alleinstellungsmerkmale, um sich im eng besetzten | Kultur | 2004-11-26T00:00:00+01:00 | 2004-11-26T00:00:00+01:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/2004/ohrenzeugen/ |
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EU unterstützt Ukraine mit einer Milliarde Euro | LUXEMBURG. Die Europäische Union hat sich auf eine erste Finanzspritze für die Ukraine in Höhe von einer Milliarde Euro geeinigt. Bei einem Treffen in Luxemburg beschlossen die EU-Außenminister zudem, nahezu sämtliche Zölle für ukrainische Güter und Produkte zu streichen. Gleichzeitig berieten sie über mögliche weitere Sanktionen gegen Rußland. Unterdessen bleibt die Lage im Osten der Ukraine angespannt. Prorussische Paramilitärs haben in mehreren Städten Gebäude besetzt, darunter auch Polizeistationen. Sie fordern ein Referendum nach dem Vorbild der Krim. Betroffen sind vor allem die Regionen um Charkiw und Donezk. Interimspräsident schließt Referendum nicht aus Ein Ultimatum der Übergangsregierung in Kiew, bis 8.00 Uhr MESZ die besetzten Gebäude zu räumen, ignorierten die Separatisten. Die Regierung drohte deswegen mit einem „Anti-Terror-Einsatz“. Bislang blieb es allerdings bei der Ankündigung. Statt dessen erwägt Interimspräsident Alexander Turtschinow offenbar die Möglichkeit eines Referendums über mehr Autonomierechte für den Osten der Ukraine, wie dies von den prorussischen Demonstranten gefordert wird. Eine entsprechende Abstimmung könnte gemeinsam mit der Präsidentschaftswahl am 25. Mai stattfinden, teilte Turtschinow am Montag mit. „Ich bin überzeugt, daß die klare Mehrheit der Ukrainer für eine unteilbare, unabhängige und demokratische Ukraine stimmen würde“, zitierten ihn mehrere Nachrichtenagenturen. Der ukrainische Politiker und Box-Weltmeister Vitali Klitschko sprach sich dagegen gegen eine solche Abstimmung aus. „Ich bin gegen ein Referendum im Osten, denn so beginnt eine Spirale, die wir möglicherweise nicht mehr stoppen können“, sagte er der Bild-Zeitung. Lawrow wirft Westen „Heuchelei“ vor Rußlands Außenminister Sergej Lawrow warnte die ukrainische Übergangsregierung, die Armee gegen die prorussischen Demonstranten einzusetzen. „Diese Entwicklung ist sehr gefährlich. Jene, die die jetzige Führung in Kiew zu diesem Vorgehen ermutigen, müssen dafür die volle Verantwortung tragen“, betonte Lawrow am Montag nach einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti. Gleichzeitig warf er der Regierung in Kiew und dem Westen Heuchelei vor. Es sei „die Spitze des Zynismus“, die Proteste im Südosten der Ukraine als „Terrorismus“ zu verunglimpfen. „Es sei daran erinnert, daß die Gewaltanwendung auf dem Maidan, die mit dutzenden von Toten endete, als Demokratie bezeichnet wurde, während die gegenwärtigen friedlichen Proteste im Südosten als Terrorismus eingestuft werden. Ein Armeeeinsatz im Rahmen einer sogenannten Antiterror-Operation wird angekündigt. Die Heuchelei ufert einfach aus.“ (krk) | JF-Online | Die Europäische Union hat sich auf eine erste Finanzspritze für die Ukraine in Höhe von einer Milliarde Euro geeinigt. Unterdessen bleibt die Lage im Osten der Ukraine angespannt. | Allgemein | 2014-04-14T13:44:31+02:00 | 2014-04-15T10:42:52+02:00 | https://jungefreiheit.de/allgemein/2014/eu-unterstuetzt-ukraine-mit-einer-milliarde-euro/ |
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Öffentliche Sicherheit: Ein Wimmelbild des Grauens | IHR DIGITALER ZUGANG. Einfach registrieren und weiterlesen.
Sie sind bereits Digital-Abonnent? Hier anmelden. | Werner Sohn | Wie sicher können wir uns der öffentlichen Sicherheit noch sein? Wird wegen der grassierenden Gewalt bald jeder Spaziergang zur Mutprobe? Und wo bleibt die Polizei? Eine Einschätzung des Kriminologen Werner Sohn. | sicher | Debatte | 2025-06-01T11:02:57+02:00 | 2025-06-01T11:02:57+02:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/2025/oeffentliche-sicherheit-ein-wimmelbild-des-grauens/ |
Kemmerich verteidigt Wahl-Annahme: FDP distanziert sich | BERLIN. Die FDP-Spitze hat sich am Freitag von den jüngsten Äußerungen des Thüringer FDP-Fraktionsvorsitzenden Thomas Kemmerich distanziert. Der ehemalige Kurzzeitministerpräsident Thüringens hatte am Donnerstag abend auf Twitter geschrieben: „Nicht die Annahme der Wahl war der Fehler, sondern der Umgang der anderen demokratischen Parteien mit der Situation.“ Nach einer Telefonschalte des Präsidiums heute Morgen erklärt der FDP-Generalsekretär @Wissing: Das FDP-Präsidium distanziert sich geschlossen von den aktuellen Äußerungen von Thomas Kemmerich. (1/8) #Kemmerich — FDP (@fdp) October 9, 2020 Kemmerich antwortete einem Nutzer, der ihm vorgeworfen hatte, es habe in Thüringen nie eine größere Verunsicherung gegeben, „als zu Ihrer Amtszeit… nicht zu vergessen der wirtschaftliche Schaden der daraus entstanden ist“. Der FDP-Chef von Thüringen war Anfang Februar überraschend zum Ministerpräsidenten gewählt worden – mit den Stimmen der AfD. Dies sorgte für eine deutschlandweite Empörung. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schaltete sich ein und forderte, die Wahl rückgängig zu machen. Kemmerich trat nach wenigen Tagen zurück. nicht die Annahme der Wahl war der Fehler war, sondern der Umgang der anderen demokratischen Parteien mit der Situation — Thomas L. Kemmerich (@KemmerichThL) October 8, 2020 Am Freitag fand sich das FDP-Präsidium zu einer Telefonschalte zusammen. Der vor kurzem neu gewählte Generalsekretär Volker Wissing teilte anschließend mit: „Das FDP-Präsidium distanziert sich geschlossen von den aktuellen Äußerungen von Thomas Kemmerich.“ Die FDP stehe unter anderem für Freiheit, Bürgerrechte, eine offene Gesellschaft und für eine zukunftsbejahende Politik. „Aus dieser Haltung ergibt sich bereits, daß es keinerlei Schnittmengen mit einer Partei geben kann, die gesellschaftspolitisch auf Ausgrenzung setzt und es nicht schafft, sich klar von völkischen, rassistischen und rechtsextremen Elementen zu distanzieren.“ Mit der AfD könne es keinerlei Zusammenarbeit geben. Sie stand in krassem Widerspruch zu der liberalen Grundhaltung der Freien Demokraten.
Der Bundesverband wird eine Spitzenkandidatur von Thomas Kemmerich bei der nächsten Wahl des Landtags von Thüringen nicht unterstützen. (6/8) — FDP (@fdp) October 9, 2020 Er betonte zudem: „Die Verantwortung für die Wahl zum Ministerpräsidenten von Thüringen am 5. Februar 2020 trägt Kemmerich. Die Wahl kam offenkundig nur durch die geschlossene Unterstützung der AfD-Fraktion zustande.“ Die Annahme sei ein schwerer Fehler gewesen und habe in „krassem Widerspruch zu der liberalen Grundhaltung der Freien Demokraten“ gestanden. „Der Bundesverband wird eine Spitzenkandidatur von Thomas Kemmerich bei der nächsten Wahl des Landtags von Thüringen nicht unterstützen.“ (ls) | JF-Online | Die FDP-Spitze hat sich am Freitag von den jüngsten Äußerungen des Thüringer FDP-Fraktionsvorsitzenden Thomas Kemmerich distanziert. Dieser hatte die Annahme seiner Wahl zum Ministerpräsidenten von Thüringen mit Stimmen der AfD verteidigt. Die FDP beschloß zudem, ihm die Unterstützung bei der nächsten Landtagswahl zu entziehen. | Deutschland | 2020-10-09T12:14:21+02:00 | 2020-10-09T12:14:21+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2020/kemmerich-wahl-fdp-distanziert/ |
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Umweltschützer wollen Flüchtlingsheim verhindern | BERLIN. Eine Bürgerinitiative im Berliner Stadtteil Lichterfelde will den Bau einer Flüchtlingsunterkunft auf einer Grünfläche verhindern. Der Initiative „Lebenswertes Lichterfelde“ haben sich bereits 2.000 Personen angeschlossen. Widerstand gegen die geplante Asylbewerbereinrichtung auf einem Teil des Waldstücks am Dahlemer Weg kommt auch von der Naturschutzorganisation BUND. Dessen Landesgeschäftsführer, Tilman Heuser, sieht keine überwiegenden Gründe des Allgemeinwohls für die Bebauung und verweist auf Alternativstandorte, berichtet der Tagesspiegel. „Die Planungen zum Bau der Modularen Unterkunft schränkt den Lebensraum der streng geschützten Wildbienen, Fledermäuse und weiterer Tierarten ein“, schreibt der Vorsitzende von „Lebenswertes Lichterfelde“, Henning Gerlach. Die Sprecherin der Initiative, Olivia Quel, kündigte bereits an: „Sollte die Umwidmung beschlossen werden, wird die Bürgerinitiative dagegen klagen.“ (tb) | JF-Online | Eine Bürgerinitiative im Berliner Stadtteil Lichterfelde will den Bau einer Flüchtlingsunterkunft auf einer Grünfläche verhindern. Der Initiative „Lebenswertes Lichterfelde“ haben sich bereits 2.000 Personen angeschlossen. | Deutschland | 2019-06-14T14:23:16+02:00 | 2019-06-14T16:28:56+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2019/umweltschuetzer-wollen-fluechtlingsheim-verhindern/ |
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Verbundenheit zum Provisorischen | Von der Party-Laune der Fußball-WM wird die Erinnerung bleiben, daß sie sich mit den Nationalfarben drapierte. Alles andere ist zur Zeit nur Spekulation. Hier soll deshalb nur einigen simplen Fragen nachgegangen werden: Konnte sich zwischen 1945 und 1990 in Deutschland überhaupt ein „normales“ Nationalgefühl entwickeln? Auf welche Staatlichkeit hätte es sich beziehen, unter welchem Dach sich herausbilden können? Und warum kam es anders? Auf eine Definition von Patriotismus oder Nationalstolz und Nationalbewußtsein wird verzichtet, ebenfalls auf die Problematisierung des Begriffs „Normalität“, der auch in anderen Ländern längst wankt. Die Kriegsniederlage 1945 war so eindrucksvoll, daß sie als ein Gottesurteil über die ganze deutsche Geschichte empfunden wurde. Darin waren sich, neben anderen, der bürgerliche Historiker Friedrich Meinecke („Die deutsche Katastrophe“, 1946) und der kommunistische Publizist Alexander Abusch („Der Irrweg einer Nation“, 1946) einig. Begriffe wie „Kahlschlag“ oder „Stunde Null“ standen für ein allgemeines Gefühl. Insofern sie die Vorstellung eines voraussetzungslosen Neubeginns implizierten, lagen sie neben der Wirklichkeit, denn die Voraussetzungen, unter denen das Leben weiterging, waren von den Siegern bereits geschaffen worden. Aus der totalen Erschöpfung erklärt sich, daß beide deutsche Nachkriegsstaaten zu Musterschülern der jeweiligen Systeme wurden. Offiziell wurde die Bundesrepublik vor der DDR gegründet, doch als Reaktion darauf, daß die Sowjets und die SED in ihrer Zone (SBZ) schon quasi-staatliche Strukturen etabliert hatten. Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 verkündet, genau vier Jahre nach der Verhaftung der letzten Reichsregierung unter Dönitz, die die deutsche Staatlichkeit vorläufig beendet hatte. Dieses Datum wie die Grundgesetzpräambel demonstrierten, daß kein auf sich selbst beschränkter Bonner Teilstaat von Gnaden der Besatzer entstanden sein sollte, sondern daß Anspruch auf die Rechtsnachfolge des Reiches und auf die Vertretung aller Deutschen erhoben wurde: ein Auftrag, der erst noch eingelöst werden mußte. In diesem Sinne verstand die „westdeutsche Bundesrepublik“ – so der DDR-Jargon – sich als ein Provisorium, als Fragment. Andererseits wollte und durfte man sich nicht allzu laut auf das Reich berufen. Zum einen, weil die Gründer des Bonner Staates unmittelbar unter dem Eindruck seines Scheitern standen. Zweitens wäre das vom Ausland gar nicht geduldet worden. Dreiviertel der Welt hatten sich nicht deshalb zu seiner Zerschlagung zusammengetan, um kurz darauf seiner Wiederauferstehung zuzuschauen. Zu seiner Verwirklichung fehlten auch die Mittel: Die BRD konnte die DDR nicht exekutieren und erst recht nicht die Ostgebiete heimholen. Das Staatsverständnis blieb also im Vagen: Die Bundesrepublik sei Staatskern, Kernstaat, Rumpf-, Schrumpf,- Irredenta-, Sezessions- oder Magnetstaat – das ist nur eine Auswahl der Definitionsversuche, die in den fünfziger Jahren kursierten. Unter diesen Umständen konnte die BRD gar nicht zum Ausgangspunkt eines „normalen“ Nationalbewußtseins werden. Welches identitätsstiftende Pathos konnte sie denn aussenden? Das der antikolonialen Befreiungsbewegungen war ihr verwehrt, denn anders als die Kolonien, deren Begehren nach nationaler Selbstbestimmung sogar von den Kolonialmächten, murrend zwar, anerkannt wurde, war Deutschland bereits eine unabhängige Nation gewesen und als solche zum Ärgernis geworden. Seine Teilung war international beschlossen und gewollt. Das steigerte wiederum ihre neurotische Brisanz. Martin Niemöller: „Die 17 Millionen Deutschen (in der DDR) haben keinen Nächsten in der Welt, wenn wir im Westen Deutschlands es nicht sind. Es ist den Oststaaten gleichgültig, ob diese 17 Millionen leben oder sterben, Frankreich würde ruhiger schlafen, wenn diese 17 Millionen tot wären. Die Engländer und Amerikaner haben außer sich überhaupt keinen Nächsten.“ Der 23. Mai als Verfassungstag drang gar nicht ins kollektive Bewußtsein, folglich verbreitete sich auch kein Stolz auf die Staatsgründung, was die Idee des „Verfassungspatriotismus“ um so mehr als Kopfgeburt erscheinen läßt. Im Gedenken an den niedergeschlagenen Arbeiteraufstand in der DDR wurde der 17. Juni als „Tag der deutschen Einheit“ begangen, doch das Nationalgefühl, das sich an ihm emporzuranken versuchte, konnte nur mit Bitterkeit und Resignation erfüllt sein oder einen permanenten Alarmzustand bedeuten. Der Ausweg für den Durchschnittsbürger war die Hinwendung zu individuellen Zielen und Interessen, und das „Wirtschaftswunder“ wies dazu den Weg. Nichts war nach den Kriegs- und Nachkriegsjahren verständlicher als der Wunsch nach einem guten Leben. Der Staat schuf dafür den Rahmen, in diesem Sinne identifizierte man sich allmählich mit ihm. Im übrigen verteidigte man den Vorrang des Privaten. Das aber barg die Gefahr in sich, daß der Sinn für das Politische und die Erfordernisse einer intakten Staatlichkeit verlorenging. Außerdem: Die Annahme, am Anfang habe der antitotalitäre Konsens gestanden, der erst durch linke Übermacht zum Antifaschismus verkommen sei, ist in dieser Absolutheit nicht richtig. Eine antifaschistische Grundströmung war von Anfang an wirksam. Er-stens auf der internationalen Ebene, denn das alliierte Bündnis war ein antifaschistisches gewesen. Die Sowjetunion erinnerte die Westmächte gern daran und stieß keineswegs auf taube Ohren. Für viele Franzosen blieb der virtuelle „deutsche Militarismus“ am Rhein bedrohlicher als der reale russische an der Elbe. Im Innern war es ähnlich. Das Unbehagen an „alten Nazis“ in Amt und Würden hatte reale Grundlagen und wurde durch Kampagnen aus Ost-Berlin kräftig geschürt. Für kritische Intellektuelle hob sich die Stringenz der kommunistischen Faschismus-Theorie, die zu den ideologischen Grundlagen der DDR gehörte, von der Unentschiedenheit der BRD positiv ab. Die Saat für die politisch-ideologischen Exzesse der späteren Jahre war bereits gelegt. ……………………………. Im Gedenken an den niedergeschlagenen Arbeiteraufstand in der DDR wurde der 17. Juni als „Tag der deutschen Einheit“ begangen, doch das Nationalgefühl, das sich an ihm emporzuranken versuchte, konnte nur mit Bitterkeit und Resignation erfüllt sein. ……………………………. Blieben zwei nationale Bezugspunkte im Staatsverständnis, die freilich passiv angelegt waren: erstens das „Offenhalten der deutschen Frage“, also der Wille und die Verpflichtung, die deutsche Einheit, sobald die internationalen Konstellationen das zuließen, „zu vollenden“, sowie zweitens die „Obhutspflicht“ für alle Deutschen in den Grenzen von 1937 und darüber hinaus. Letztere sollte sich bis zum Mauerbau und dann wieder in den achtziger Jahren als scharfe Waffe gegen die DDR erweisen. Das aber hatte sie sich selber zuzuschreiben, weil sie ihren Bürgern keine Perspektive offerierte, die der westlichen Paroli bot. Die DDR wird gewöhnlich als „Ideologiestaat“ beschrieben, als staatgewordene Synthese aus Ideologie und Gewalt, die ohne das eiserne Band, welches das russische Militär um sie gelegt hatte, sofort auseinandergefallen wäre. Das trifft zu, doch es gab auch Kohäsionskräfte, die mit den äußeren Zwängen korrespondierten: antikapitalistische Affekte; der antifaschistische Gründungsmythos, der DDR-Bürgern die Möglichkeit gab, im Geiste auf die Seite der Sieger zu rücken; der Egalitarismus der „arbeiterlichen Gesellschaft“ (W. Engler); der Trotz der Benachteilig-ten, die es leid waren, Objekte impotenten Mitleids des Westens zu sein; schließlich auch Träume von einem „deutschen Weg“ zum Sozialismus, die jedoch schnell von der Tagesordnung verschwanden. Von der sowjetischen Siegermacht unmittelbar und existentiell abhängig, argumentierte die SED-Führung bis in die sechziger Jahre gesamtdeutsch. Doch als der Nationalkommunist Wolfgang Harich sie mit einem neutralistischen Wiedervereinigungsszenario beim Wort nahm, verschwand er für acht Jahre im Zuchthaus Bautzen. Dem Ruf, nichts weiter zu sein als eine „Russenzone“, setzte der DDR-Staat den Bezug auf die nationale Kultur entgegen, der lange mit der Abgrenzung von westlicher „Unkultur“ einherging. Zunächst beschränkte er sich auf ein klassizistisch verstandenes Klassik-Erbe und einen revolutionären Traditionsstrang. Da in der DDR ein lässiges, durch Wohlstand versüßtes Arrangement mit dem Staat unmöglich war, dieser ein repressives Monstrum blieb und eine beschränkte Gegenwehr am ehesten auf geistig-kulturellem Gebiet möglich war, kam es zu einer intensiven Auseinandersetzung mit deutschen Kulturtraditionen, die das verengte, offizielle Traditionsverständnis unterminierte. Der SED-Führung wurde, kurz gesagt, das Argument der deutschen Kultur aus der Hand genommen, um es gegen sie zu wenden. Die Motive waren unterschiedlich. Entweder wollte man sich einen ästhetischen Schutzwall schaffen, oder Reformsozialisten, die an eine DDR mit menschlichem Antlitz glaubten, wollten durch die Verbreiterung der geistig-kulturellen Basis politische Reformen befördern. Das wiederum veranlaßte den mit Legitimationsproblemen kämpfenden Staat, das offizielle Geschichtsbild zu erweitern und aufzufächern. Das spektakulärste Beispiel war die Wiederaufrichtung der Reiterstatue Friedrichs II. in Berlin. Das alles führte zu dem Eindruck, die DDR sei irgendwie „deutscher“ als die BRD. In der Summe ergaben sich DDR-typische Prägungen, aber kein DDR-Patriotismus. Der sollte bei den nachwachsenden Generationen durch Initiationsrituale, Fahnenappelle oder Schulungen erlernt werden. Als 1961 der SED-Staat durch den Mauerbau jeden Vorläufigkeitscharakter verlor und auch seine Gegner zum Arrangement mit ihm gezwungen waren, hofften gerade regimekritische Sozialisten, nun würde, frei von westlicher Einmischung, ein demokratischer DDR-Sozialismus zu sich selber kommen, der die Bürger schließlich veranlaßte, den Staat aus freiem Entschluß zu bejahen. Die Periode der wohl größten Übereinstimmung zwischen beiden waren die Jahre zwischen dem VIII. SED-Parteitag 1971, der ein großzügiges Sozial- und Wohnungsbauprogramm beschloß, und dem IX. Parteitag 1976, auf dem die internationale Anerkennung der DDR gefeiert wurde. In dieser Zeit stieg das materielle Lebensniveau deutlich an, zudem schienen die Verhandlungen mit der BRD auf baldige Liberalisierung und Reisefreiheit hinzudeuten. Als 1974 der Bezug auf die einheitliche deutsche Nation aus der DDR-Verfassungspräambel gestrichen wurde, erregte das kaum Aufmerksamkeit. Hatten die DDR-Bürger sich mit der Teilung abgefunden? Die Frage nach der Wiedervereinigung wäre mehrheitlich wohl abschlägig beschieden worden, denn sie hätte absurd geklungen. Die unverrückbar scheinende Mauer war im Bündnis mit der Zeit auch zu einem geistigen Faktum geworden. Auf FDJ-Großkundgebun-gen erscholl der Sprechchor: „DDR – unser Vaterland!“ Aber die entscheidende Probe aufs Exempel wagte die SED nie, konnte sie nie wagen: ihren Bürgern, vor allem der Jugend, Reisefreiheit zu gewähren, ihnen die Wahl zu lassen. Die Zustimmung, die sie bekam, galt nur unter den Bedingungen der Käseglocke. Die aber schien, wie gesagt, unverrückbar. Das Verhältnis der DDR-Bürger zur DDR und zur BRD blieb von unzähligen Schizophrenien geprägt: Obwohl die BRD offiziell als Ausland galt – etwas anderes zu behaupten, hätte nach Bautzen geführt – verglich die DDR-Bevölkerung ihre Lebensumstände mit denen in der BRD, niemals mit den spanischen oder süditalienischen. Die Warenwelt, die Nachrichtensendungen etc. der BRD rückten in eine mythische Position. Das höchste Lob, auch für Partei-fromme, bedeutete es, wenn westliche Politiker (also der „Klassenfeind“) äußerten, die DDR-Bürger könnten stolz auf ihre „Errungenschaften“ sein. Wer daraus freilich einen DDR-Stolz ableitete, der erfuhr im sozialistischen Ausland eine kalte Dusche, wo er zu hören (und zu fühlen) bekam, aus dem „falschen“, dem „schlechten“ Deutschland zu stammen. Die größte Schizophrenie lag darin, daß die bundesdeutsche „Obhutspflicht“ ab Mitte der siebziger Jahre von immer mehr DDR-Bürgern inklusive enttäuschten SED-Mitgliedern als persönliche Notreserve betrachtet und in Anspruch genommen wurde. Einen DDR-Nationalstolz gab es nicht, aber auch keinen gesamtdeutschen. Von diesen Paradoxien erhoffte man sich, durch die Wiedervereinigung erlöst zu werden. Mit Nationalismus, einem dumpfen gar, hatte die Ost-Euphorie von 1989/90 demzufolge nichts zu tun. Auch im Westen führte die ungelöste nationale Frage zu Schizophrenien. Die Annahme lag auf der Hand, daß die Rebellion der akademischen Jugend (aus der sich bald die Kohorten der bis heute tätigen Meinungsproduzenten, Sinn- und Geschichtsdeuter rekrutierten) gegen den „faschistischen Staat“, die antiamerikanischen Demonstrationen in West-Berlin 1967/68 (die, von den USA beim Wort genommen, die umgehende Sowjetisierung der Halbstadt zur Folge gehabt hätte), die Entstehung der Terroristenszene und vieles mehr etwas mit dem Fehlen des Orientierungsrahmens, den ein ausgeglichenes Nationalgefühl darstellt, zu tun hatte. Sogar das Motto „Nie wieder Deutschland!“ war ein negativer Rekurs auf die ungelöste nationale Frage: Es wurde aggressiv etwas verworfen, was man sowieso nicht hatte, man schlüpfte nur aus der Position des Dulders in die des Aktivisten: eine psychologisch verständliche Reaktion. Und nicht nur unreife Schüler, auch ihre Lehrer, glaubten während der achtziger Jahre, als es um die Raketenstationierung ging, „die Russen“ davor in Schutz nehmen zu müssen, „böse“ zu sein. Ihnen hielt der Exilant Joseph Brodsky entgegen, natürlich seien die russischen Soldaten nicht böse, aber sie würden einem Marschbefehl ihrer Führung Folge leisten, weil das System ihnen keine Wahl ließe. ……………………………. Nach der Einheit 1990 aus der intellektuellen Rumpelstilzchen- Existenz befreit zu werden, hätte Lust an Selbsterkenntnis und -kritik vorausgesetzt, die um so weniger vorhanden war, als die DDR und nicht die BRD ihr Lebenslicht ausgehaucht hatte. ……………………………. Selbst ein erfahrener Politiker wie Erhard Eppler sagte, er wisse nicht, ob die Russen tatsächlich kämen, er wisse nur, die Amerikaner seien schon da. In diesen politischen Kindereien drückte sich ein Leiden an der deutschen Ohnmacht aus. Es ist kein Zufall, daß der lebenslang unerwachsene Oskar Matzerath zur populärsten Figur der deutschen Nachkriegsliteratur wurde. Doch wehe, wehe, wenn diese Unreife erst einmal die politisch-historische Wahrnehmung im Staat dominierte. Vordenker wie Norbert Elias oder Ernst Nolte hatten daher bereits in den frühen siebziger Jahren ein neues nationales Selbstverständnis gefordert, das sich auf die Bundesrepublik beschränkte und die Wiedervereinigung nicht mehr zum Dreh- und Angelpunkt hatte. Sie versprachen sich davon mehr politische Rationalität und eine geistige und emotionale Entspannung. Die Risiken wären freilich unwägbar gewesen. Die Chance, die in der deutschen Einheit lag: aus der intellektuellen Rumpelstilzchen-Existenz befreit zu werden, zu erkennen und Erleichterung darüber zu empfinden, hätte Lust an Selbsterkenntnis und -kritik vorausgesetzt, die um so weniger vorhanden war, als die DDR und nicht die BRD ihr Lebenslicht ausgehaucht hatte. Heute sollte klar sein, daß in der Zeit der Teilung auf beiden Seiten tatsächlich etwas jeweils Neues und Verschiedenes entstanden war, daß die „Ossis“ keine anderen sein konnten und die „Wessis“ nicht anders zu haben waren. Die „innere Einheit“ wird nicht einfach durch die Befreiung eines deutschen Ur-Substrats vom Schutt der Nachkriegszeit herbeigeführt. Um ein neues Nationalgefühl zu konstituieren, ist die Wiedervereinigung zum Teil auch als eine Neuvereinigung zu begreifen. Thorsten Hinz , Jahrgang 1962, studierte Germanistik in Leipzig. Er war 1997/98 Kulturredakteur der JUNGEN FREIHEIT und arbeitet heute als freier Autor und Journalist in Berlin. 2004 wurde er mit dem Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten ausgezeichnet. | JF-Online | Von der Party-Laune der Fußball-WM wird die Erinnerung bleiben, daß sie sich mit den Nationalfarben drapierte. Alles andere ist zur Zeit nur Spekulation. Hier | Sonderthema | 2006-07-28T00:00:00+02:00 | 2006-07-28T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/sonderthema/2006/verbundenheit-zum-provisorischen/ |
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Lachgas darf in Hanau nicht mehr an Jugendliche verkauft werden | HANAU. Die Stadt Hanau hat den Verkauf von Lachgas an Minderjährige ab sofort untersagt. Zudem darf das Mittel, das als Partydroge gilt, nicht mehr in der Nähe von Schulen und Spielplätzen konsumiert werden. Die Stadtverordnetenversammlung beschloß einstimmig eine entsprechende Änderung der Gefahrenabwehrverordnung, wie ein Sprecher der Stadt mitteilte. Zuvor hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung über die Entscheidung berichtet. Damit nimmt Hanau in Hessen eine Vorreiterrolle ein. Der Hessische Städtetag hat nach eigenen Angaben derzeit keine Kenntnis von weiteren Kommunen mit einem ähnlichen Verbot. Der Antrag wurde von der Rathauskoalition aus SPD, CDU und FDP eingebracht. Ordnungsdezernentin Isabelle Hemsley (CDU) begründete das Verbot mit Beobachtungen der Stadtpolizei, die seit längerem einen steigenden Konsum von Lachgas insbesondere bei Jugendlichen festgestellt habe. Das Verbot erstreckt sich auch auf die Abgabe über Verkaufsautomaten. Ein bundeseinheitliches Verbot gibt es bislang nicht. Zwar hatte das damalige Bundeskabinett im November einen Gesetzesentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verabschiedet, der unter anderem den Verkauf von Lachgas über Automaten und Spätkaufläden untersagen sollte – JUNGE FREIHEIT berichtete. Aufgrund der vorgezogenen Bundestagswahl wurde das Vorhaben jedoch nicht mehr umgesetzt. Experten warnen vor den Folgen des Lachgaskonsums. Neben Wahrnehmungsstörungen und Taubheitsgefühlen können auch Koordinationsprobleme, Schwindel, Bewußtlosigkeit sowie Schäden am Herz-Kreislauf-System auftreten. Langfristig besteht zudem die Gefahr von Nervenschädigungen. (rr) | JF-Online | Nichts mehr zu lachen für Partydrogen-Konsumenten: Die Stadt Hanau verbietet den Verkauf von Lachgas an Minderjährige und den Konsum in der Nähe von Schulen und Spielplätzen. Die Stadt reagiert damit auf den steigenden Mißbrauch. | Lachgas | Deutschland | 2025-03-25T17:30:34+01:00 | 2025-03-25T17:30:34+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2025/lachgas-darf-in-hanau-nicht-mehr-an-jugendliche-verkauft-werden/ |
Heino erteilt politischer Korrektheit Absage | BERLIN. Der Sänger Heino hat sich dagegen ausgesprochen, bestimmte Begriffe aufgrund von politischer Korrektheit nicht mehr zu verwenden. Er werde weiter die Tradition deutscher Volkslieder bewahren, auch wenn diese nicht mehr dem Zeitgeist entsprächen. „Ich werde auch weiterhin Lieder wie ‘Lustig ist das Zigeunerleben’ singen“, betonte Heino gegenüber der Bild-Zeitung. Er verstehe nicht, warum man Zigeunersauce nicht mehr so nennen dürfe. „Als hätten wir in Deutschland keine anderen Probleme“, kritisierte er. Er habe viele Freunde, die selbst Roma und Sinti seien. „Wir haben tolle Feste gefeiert und wenn ich meine Zigeunerlieder sang, hat sich keiner am Begriff ‘Zigeuner’ gestört. Im Gegenteil.“ Deshalb werde er im Restaurant auch weiterhin ein „Zigeunerschnitzel“ bestellen. Für ihn ergebe es keinen Sinn, alles politisch korrekt anzupassen. Betroffen seien dann nicht nur seine Lieder, sondern auch berühmte Werke wie die Operette „Der Zigeunerbaron“ des Komponisten Johann Strauss, mahnte Heino. (zit) | JF-Online | Der Sänger Heino hat sich dagegen ausgesprochen, bestimmte Begriffe aufgrund von politischer Korrektheit nicht mehr zu verwenden. Davon seien nicht nur seine Lieder betroffen, sondern auch berühmte Werke wie die Operette „Der Zigeunerbaron“ des Komponisten Johann Strauss. | Heino | Gesellschaft | 2020-10-20T15:41:49+02:00 | 2020-10-20T15:41:49+02:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/gesellschaft/2020/heino-politischer-korrektheit/ |
Ablehnung des Swift-Abkommens stößt auf Zustimmung | BERLIN. Die Aufkündigung des Swift-Abkommens mit den Vereinigten Staaten durch das Europäische Parlament ist in Deutschland überwiegend positiv aufgenommen worden. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberg (FDP), die schon früh Bedenken gegen das Abkommen äußerte, das Amerika die Auswertung europäischer Bankkontobewegungen erlauben sollte, nannte den Entscheid einen Sieg für die Bürger Europas. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar zeigte sich erfreut und sieht die Grundrechte in Europa gestärkt. „Sicherheit gewinnen wir nicht durch immer mehr Daten, sondern durch intelligente Auswertung der relevanten Informationen“, sagte Schaar gegenüber Spiegel Online. Amerika hatte seit den Terroranschlägen 2001 die Rechner der Finanzgenossenschaft Swift überwacht, über die die europäischen Auslandsüberweisungen abwickelt werden. Abkommen durch Deutschland zunächst ermöglicht Zunächst geschah dies ohne Einwilligung der Europäischen Union. Eine Regelung wurde erst im November vergangenen Jahres getroffen. Nach dieser erhalten amerikanische Terror-Fahnder exklusiven Zugriff auf die Daten, europäische Behörden werden gegebenenfalls von Amerika informiert. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) enthielt sich seiner Stimme bei der Entscheidung über das Abkommen. Neue Macht des EU-Parlaments Mit der Entscheidung des EU-Parlaments gegen das Swift-Abkommen machten die Parlamentarier das ersten Mal von der neuen im Lissabon-Vertrag vorgesehene Machtbefugnis gebrauch. „Lassen Sie uns diesen wirklich historischen Moment einen Augenblick genießen“, zitiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung den tschechischen Sozialdemokraten Libor Rouček. „Das Europäische Parlament hat heute gezeigt, daß es seiner neuen Verantwortung als souveräner Gesetzgeber auch im Innen- und Sicherheitsbereich gerecht wird“, sagte der Grünen-Parlamentarier und ehemalige Vorsitzende der Grünen Jugend Deutschland, Jan Philipp Albrecht, dem ein maßgeblicher Anteil an der mit 378 zu 196 Stimmen ausgefallenen Ablehnung zugeschrieben wird. Amerika will EU-Parlament umgehen Allerdings ist fraglich, ob mit der Aufkündigung der amerikanische Zugriff auf die sensiblen Daten verhindert werden kann. Zwar zeigte sich der EU-Parlamentarier und CSU-Politiker Manfred Weber erfreut von einer „selbstbewußten, europäischen Position“, von der aus mit Amerika neu verhandelt werden könne. Jedoch kündigten die Vereinigten Staaten bereits an, bilaterale Abkommen mit den Ländern treffen zu wollen, in denen sich die Swift-Rechner befinden. Vom Ausgang der Abstimmung zeigte sich der amerikanische Vertreter in Brüssel „enttäuscht“. Dieser sei ein „Rückschlag“ im Kampf gegen den Terrorismus. (FA) | JF-Online | Die Aufkündigung des Swift-Abkommens mit den Vereinigten Staaten ist in Deutschland überwiegend positiv aufgenommen worden. Jedoch kündigte Amerika bereits an, das EU-Abkommen durch bilaterale Vereinbarungen zu umgehen. | Ausland | 2010-02-12T15:51:00+01:00 | 2013-12-03T19:03:35+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/ausland/2010/ablehnung-des-swift-abkommens-stoesst-auf-zustimmung/ |
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Paukenschlag in Dresden: Pegida mit Rekordbeteiligung | DRESDEN. An der Pegida-Demonstration in Dresden haben sich am Montag nach JF-Schätzungen etwa 30.000 Menschen beteiligt. Dies ist die höchste in diesem Jahr erreichte Teilnehmerzahl. Die Veranstalter sprachen von bis zu 40.000 Personen, die linke Studentengruppe „Durchgezählt“ will etwa 15.000 Anhänger ausgemacht haben. Die Polizei gibt bereits seit Monaten keine eigenen Schätzungen mehr bekannt. Während der Kundgebung kam es zu zahlreichen Angriffen von Linksextremisten auf Polizisten und Demonstranten. Mindestens ein Pegida-Anhänger wurde schwer verletzt. Die Anhänger der linken Szene versuchten dabei immer wieder, Polizeisperren zu durchbrechen. Insgesamt beteiligten sich nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa etwa 11.000 Personen an den Gegenprotesten, zu denen unter anderem die Linkspartei und die Grünen aufgerufen hatten. Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden. Mehr Informationen Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann eröffnete die Kundgebung mit den Worten: „Wir sind gekommen, um zu bleiben. Und wir bleiben, um zu siegen.“ Er kündigte an, Strafanzeige gegen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zu stellen. Dieser hatte die Pegida-Initiatoren als „harte Rechtsextremisten“ bezeichnet und vor einer Teilnahme an den Demonstrationen gewarnt. (ho) Eine Reportage von den Geschehnissen in Dresden lesen Sie in der kommenden Ausgabe der JUNGEN FREIHEIT. | JF-Online | An der Pegida-Demonstration in Dresden haben sich am Montag nach JF-Schätzungen etwa 30.000 Menschen beteiligt. Dies ist die höchste in diesem Jahr erreichte Teilnehmerzahl. Die Veranstalter sprachen von bis zu 40.000 Personen. Während der Kundgebung kam es zu Angriffen von Linksextremisten auf Polizisten und Demonstranten. Ein Pegida-Anhänger wurde schwer verletzt. | Deutschland | 2015-10-19T20:28:07+02:00 | 2015-10-20T09:37:41+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2015/paukenschlag-in-dresden-pegida-mit-rekordbeteiligung/ |
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Pankraz, die Numerologen und des Teufels Siegel | In der Stadt Stawropol in Rußland kämpft zur Zeit eine Mutter wie eine Löwin um eine "ordentliche, christliche Registriernummer" für ihr neugeborenes Töchterchen. Das örtliche Einwohnermeldeamt hat dem Mädchen routinemäßig die Nummer 666 zugeteilt, und damit ist die Mutter überhaupt nicht einverstanden. 666, sagt sie, sei bekanntermaßen das Siegel des Teufels und geradezu Gotteslästerung. Nie werde sie es hinnehmen, daß ihre Tochter mit dieser Unheilszahl stigmatisiert werde. Die Medien in Stawropol und näherer wie fernerer Umgebung nehmen regen Anteil an dem "Registriernummer-Streit". Wie es der Zufall manchmal will, las Pankraz die Meldung gerade, als er im Aufzug eines neu erbauten Hochhauses nach Stockwerk Nummer 14 unterwegs war. Soeben hatte er Nummer 12 passiert, da wich die Tür schon zurück, und er war in Nummer 14. Es gab in dem Haus kein dreizehntes Stockwerk, offenbar weil bei uns die 13 als Unheilszahl gilt, der man sich möglichst nicht ausliefern will. Unser moderner Alltag ist voll von Angst vor Unheilszahlen, besonders vor der 13. In Flugzeugen oder auf Kreuzfahrtschiffen gibt es keine Sitzreihen bzw. Decks mit der Nummer 13. Auch in Krankenhäusern wird auf die Zimmernummer 13 verzichtet, wie im (Motor-)Sport auf die Startnummer 13. Weiter östlich, nämlich in China, gibt es keine Zimmer, Sitzreihen oder Decks mit der Nummer 4; die 4 ist dort Todessymbol, während die 8 als Glückszahl betrachtet wird, wie bei uns die 7. Sowohl bei uns als auch in China kommen alljährlich Dutzende, wahrscheinlich Hunderte von Neuerscheinungen über "Numerologie" heraus, also über die (wirkliche oder eingebildete) Schicksalsmacht von Zahlen und Zahlenkonstellationen. Es gibt "wissenschaftliche" Kurse zur Einführung in die Numerologie, es gibt numerologische Handbücher und Lexika. Gelernte Mathematiker rümpfen darüber die Nase, aber das, was sie selber betreiben, ähnelt oft verzweifelt den Fingerübungen und Gedankenspielen der Numerologen. Die Grenzen zwischen Numerologie und Mathematik sind unscharf geworden. Mathematiker kennen inzwischen fast unendlich viele Zahlentypen, und fast alle diesen Typen haben eine dunkel-rätselvolle, vielfach auslegungsfähige Rückseite. Man spricht von "abundanten" Zahlen und von "befreundeten" Zahlen, von "defizienten" und von "hyperreellen", von "surealistischen", "vollkommenen" und von "Schnapszahlen". Im notorisch zahlreichen Geschlecht der berühmten Primzahlen unterscheidet man u.a. zwischen "illegalen" und "zwillingshaften" Primzahlen sowie "Pseudo-Primzahlen", und zwar sowohl "schwachen" wie "starken" Pseudo-Primzahlen nebst deren Zwillingen. Von den surrealistisch befreundeten Primzahl-Zwillingen der Mathematiker ist es wirklich nur noch ein kleiner Schritt bis zur glückverheißenden 7 der Numerologen. Die großen Mathematiker der Frühzeit, von Pythagoras bis Leibniz, haben sich denn auch nie gescheut, das eine mit dem anderen zusammenzudenken. Die Zahl war für sie nicht nur praktisches Kerbzeichen beim Alltagsrechnen, sondern auch unüberbietbares Symbol für jene Kraft, die die Welt im Innersten zusammenhält. Nicht das "Atom", also ein angeblich unteilbares, letztes "Teilchen", stand ihrer Meinung nach am Anfang der Welt, sondern eben die Zahl, die sie faktisch mit Gott identifizierten. "Das Buch der Natur ist in Zahlen geschrieben" – dieser weltumstürzende Satz der Kepler und Galilei im siebzehnten Jahrhundert nach Christus wurde zum ersten Mal von den Pythagoreern des sechsten Jahrhunderts vor Christus gedacht. Die Reihe der Zahlen und die strenge Ordnung der geometrischen Verhältnisse erschien diesen Ur-Numerologen als die eigentliche Pointe des Weltlaufs, und jede einzelne Zahl war folglich als Schicksalszeiger befragbar und sollte von klugen Familienvorständen und anderen Führern bei ihren Entscheidungen berücksichtigt werden. Bewies doch schon der Lauf der Gestirne, daß er ganz bestimmten Zahlenverhältnissen gehorchte, genau wie die Musik, die ja von Anfang an ein mächtiges gesellschaftliches Stimulanz war und deren Harmonien – wie die Sternenbahnen – mathematisch berechnet und planvoll in Oktave, Terz oder Quart aufgeteilt werden konnten. Freilich, die Welt bestand nicht nur aus Harmonien, und auch das zeigten die Zahlen. Es gab solche und solche, und man war gut beraten, sich darauf einzustellen. Aus der Eins strahlte der Ur-Anfang, das Göttliche schlechthin. Die Zwei war Symbol der Verdoppelung, und so stand sie sowohl für Schöpfung (positiv) wie für unausweichliche Entzweiung (negativ) – ein sphinxhaftes Doppelwesen, das man verehren mußte, dem man aber lieber nicht zu nahe trat. Die Drei markierte hingegen wieder das Umfassende, die Familie, Mehrung und Vermittlung. Die meisten Religionen und Denksysteme feiern diesen Dreiklang: Osiris, Isis, Horus in Ägypten; Brahma, Wischnu, Schiwa in Indien; Vater, Sohn, Heiliger Geist im Christentum; Thesis, Antithesis, Synthesis in der deutschen Klassik. Die 7 wird deshalb so geliebt, weil sich Fülle und Vollendung in ihr abspiegeln; es gibt sieben Wochentage, sieben Körperöffnungen, sieben Tugenden, sieben Weltwunder. Und die 13 wird deshalb so gefürchtet, weil sich in ihr ruchloser Abstieg in Höllengründe offenbart. Die babylonische Unterwelt hatte dreizehn Folterkammern; das dreizehnte Kapitel der Johannes-Offenbarung handelt vom Antichristen; die jüdische Kabbala kennt dreizehn böse Geister. So könnte man numerologisch noch lange fortschreiten, und die Numerologen tun das auch, denn die Zahl der Zahlen und speziell der Primzahlen ist unendlich, man kommt hier, wie in der "richtigen" Wissenschaft auch, zu keinem Ende. Warum ausgerechnet die Nummer 666 ein Siegel des Teufels ist, wissen wohl nur Bibelforscher, was natürlich nicht gegen den Protest jener Mutter in Stawropol spricht. Deren Kampf ist vielleicht drollig, aber er ist rein. Das Einwohnermeldeamt sollte ein Einsehen haben. | JF-Online | In der Stadt Stawropol in Rußland kämpft zur Zeit eine Mutter wie eine Löwin um eine "ordentliche, christliche Registriernummer" für ihr | Kultur | 2007-03-09T00:00:00+01:00 | 2007-03-09T00:00:00+01:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/2007/pankraz-die-numerologen-und-des-teufels-siegel/ |
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Deutscher Größenwahn | Wollte man im Zuge der Flüchtlingspolitik mal eben „nur“ Europa deutsche Willkommens- und Klatschkultur aufdrücken, steht mittlerweile die ganze Welt im Fadenkreuz bundesrepublikanischer Moralgeschütze. Unter der Rettung des Planeten geht es nicht mehr. „Wenn unser Wertesystem Standard überall in der Welt sein soll, geht das nur mit starkem Deutschland und starkem Europa“, verkündete Mini-Merkel Annegret Kramp-Karrenbauer kürzlich auf Twitter. Als Angela Merkel am Rand des G20-Gipfels in Buenos Aires nach einem Abendessen ins Blitzlichtgewitter einer Smartphone-Menge gerät, schreiben die deutschen Mainstreammedien den Argentiniern zu, die Bundeskanzlerin „gefeiert“ zu haben. Die Botschaft: Merkel ist nicht nur die mächtigste Frau der Welt, sondern auch ein Star, ihre Politik zwischen offenen Grenzen und Atomausstieg ist ein Star, das liberale Deutschland ist ein Star. Wir waren Papst, nun gilt es nach der religiösen Führung die politische zu erringen. Erst recht nachdem die USA mit dem „meschuggen“ Trump als „Weltleader“ ausfallen. Die neuen deutschen Tugenden wirken technik- und wirtschaftsunabhängig „Irgendwer muß doch diesen Laden zusammenhalten, der sich Weltgemeinschaft nennt“, schreibt Spiegel-Kolumnist Stefan Kuzamy online und erklärt Merkel kurzerhand zur „Weltmarke“ und zum „Exportschlager“, der auch nach einem Auszug aus dem Kanzleramt „für das Gute der Menschheit wirkt“. Es reicht nicht mehr als Kanzler über Deutschland zu sein, Angela Merkel ist überall – selbst wenn der Airbus nicht funktioniert. Denn die neuen deutschen Tugenden, für die uns längst nicht mehr alle beneiden, wirken technik- und wirtschaftsunabhängig – das ist das schöne an ihnen. In Deutschland wird die Cebit eingestampft, 5G in Milchkannen ertränkt, in KI zu spät investiert und um die digitale Bildung gezankt. Das Land – von dessen Bewohnern mal gesagt wurde, sie könnten aus einer Konservendose alles erfinden – verliert zunehmend seine Position als Innovationsmotor. China mag die Produktionsstandorte anziehen, aber wir die NGOs zu Soros Gnaden. Werte- statt Warenexport Denn zum Glück baut die politische Elite neben dem noch starken Warenexport längst den Werteexport als künftiges Standbein auf. Da braucht man mittel- bis langfristig gar keine Schlüsselindustrien mehr wie die Automobilbranche. Neue Hybris: Während Hunderte Millionen Chinesen, Inder und Brasilianer ansetzen, sich ein Auto zu kaufen, werden in deutschen Städten mit wenigen Millionen Bewohnern Dieselfahrverbote eingeführt. | Gil Barkei | Wollte man im Zuge der Flüchtlingspolitik mal eben „nur“ Europa deutsche Willkommenskultur aufdrücken, steht mittlerweile die ganze Welt im Fadenkreuz bundesrepublikanischer Moralgeschütze. Es reicht nicht mehr als Kanzler über Deutschland zu sein, Angela Merkel ist überall. Denn die neuen deutschen Tugenden wirken technik- und wirtschaftsunabhängig. Ein Kommentar von Gil Barkei. | Kommentar | 2018-12-06T17:20:20+01:00 | 2018-12-06T18:56:04+01:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2018/deutscher-groessenwahn/ |
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Tradition und Trends | In Istanbuler Vierteln am Bosporus entstehen in der letzten Zeit immer häufiger Lokale, wo besonders Jugendliche dem traditionellen und bisher eher älteren Männern vorbehaltenen Genuß der Wasserpfeife frönen. Türkische Kommentatoren werten dies als „Rückkehr zu den Wurzeln“, als Reaktion auf die Furcht, daß Europa künftig die Tradition und Kultur der Türkei verdrängen könnte. Viel weltoffener und weniger um traditionelle Formen bangend präsentieren sich da deutsche Jugendliche, die in Darmstadt, Köln und Hamburg das Inhalieren des wassergekühlten Rauches aus der Shisha als neues „Kultobjekt“ entdecken und immer häufiger in die süßlich duftenden Lokale mit arabischen Klängen strömen. „Es ist einfach chillig“, begeistert sich der 19jährige Jannis im Darmstädter Echo, weil es auch „den Gemeinschaftssinn“ fördere. Außerdem sei die Atmosphäre in den Lokalen toll. Vielleicht wird bald die blubbernde Shisha in deutschen Dorfkrügen zur rauchfreien Alternative. | JF-Online | In Istanbuler Vierteln am Bosporus entstehen in der letzten Zeit immer häufiger Lokale, wo besonders Jugendliche dem traditionellen und bisher eher älteren | Politik | 2005-01-07T00:00:00+01:00 | 2005-01-07T00:00:00+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/2005/tradition-und-trends/ |
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Wald und Flur, Haus und Hof | Die seit 1991 von Evelyn von Bonin halbjährlich herausgegebene Kulturzeitschrift Rabenflug versammelt in ihrer aktuellen Ausgabe wieder Gedichte, Kurzprosa, Essays und Buchrezensionen. Ein wichtiges Anliegen ist der Herausgeberin, Gegenwartsdichtung und neue Texte früherer Literatur und der Sprache vergangener Kultur gegenüberzustellen und die Gemeinsamkeiten von Literatur und Geschichte auszuloten. So ist das Schwerpunktthema diesmal die verlorene Heimat im Osten. Am Beispiel eines Heimattreffens Siebenbürger Sachsen beschreibt Georg Aescht sehr anschaulich den Verlust von Heimat, von natürlicher Landschaft, Wald und Flur, Haus und Hof, von Menschen und Traditionen, Geschichte und Geschichten. Dennoch dürfe „der Gram darüber niemandes Leben bestimmen“. Fertig werde man mit den Verlustgefühlen ohnehin nicht, denn das hieße ja auch, mit all den Menschen „fertig“ zu sein, die da mit ihren „legitimen, ehrbaren Regungen und Strebungen“ zusammenkommen: „Das ist man nicht, hoffentlich noch lange nicht, nie.“ Über „750 Jahre Königsberg – Die versunkene Stadt“ schreibt Haug von Kuenheim. Seit Barockzeiten ein Zentrum der Philosophie, Theologie und Literatur, war die Königsberger Geselligkeit jedoch stets auch die einer Hafenstadt, in der Kaufleute, Lehrer, Ärzte und Beamte von gleich zu gleich verkehrten. Freimut regierte und die Königsberger Bürgerschaft pflegte ein recht distanziertes Verhältnis zu ihrer Tagesreisen entfernt in Berlin regierenden preußischen Herrschaft. Engländer, Niederländer und Memelländer ließen sich in Königsberg nieder. 1945 ging die Stadt am Pregel mitsamt ihren mächtigen Speichern und den Handelshäusern mit ihren malerischen Giebeln, dem Schloß als historischem Mittelpunkt und dem gotischen Dom aus dem 14. Jahrhundert mit dem Kant-Grab auf der von zwei Pregelarmen eingerahmten Kneiphöfischen Insel im Inferno unter. 1947/48 wurden schließlich die letzten deutschen Einwohner Königsberg vertrieben. Zurück blieben allein die Katzen, die durch die Ruinen streunten. Klaus Hildebrandts Porträt des schlesischen Dichters Horst Lange zu dessen hundertstem Geburtstag beschreibt diesen als einen der bedeutendsten Autoren der deutschen Literatur im 20. Jahrhundert, als wichtigen Vertreter des „magischen Realismus“ und Meister der deutschen Sprache. Schreiben war für den aus den Niederungen der Oder stammenden Autor eine ethische und moralische Aufgabe. Um so schlimmer, daß sein Werk heute – fünfundzwanzig Jahre nach seinem Tod – weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Ein Schicksal, das der Dichter mit anderen bedeutenden Autoren wie Agnes Miegel, Carl Hauptmann, Werner Bergengruen, Hermann Stehr, Friedrich Bischoff und Ernst Wiechert teilt. Zwei seiner schönsten Gedichte – „Attischer Mond“ und „Nachts“ – sind in Rabenflug abgedruckt und rufen die Wurzeln dieses Schlesiers noch einmal in Erinnerung. An Adalbert Stifter, den „Dichter, der mit Worten malte“, erinnert ein Beitrag von Dittker Slark zum 200. Geburtstag des großen Malers und Erzählers. Anschrift: Evelyn v.Bonin. Herminenstr. 7, 65191 Wiesbaden. Einzelpreis 3,20 Euro; Jahresabo 6 Euro. Internet: www.zeitschrift-rabenflug.de | JF-Online | Die seit 1991 von Evelyn von Bonin halbjährlich herausgegebene Kulturzeitschrift Rabenflug versammelt in ihrer aktuellen Ausgabe wieder Gedichte, Kurzprosa, | Kultur | 2006-03-17T00:00:00+01:00 | 2006-03-17T00:00:00+01:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/2006/wald-und-flur-haus-und-hof/ |
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Anna Marinada räumt mit Opferrollen auf | Um gecancelt zu werden, braucht es in Deutschland nicht mehr viel. Als Biodeutscher reicht es bereits, Positionen zu vertreten, die linker Identitätspolitik und Opferkult widersprechen. Schwierig wird es für die Moralpolizisten, wenn sie es mit einer Gegenstimme zu tun bekommen, die selbst einen Migrationshintergrund hat. Umso einfacher jedoch für TikToker wie Anna Marinada, die auf der Plattform unverblümt der schwarzen Community oder den Gender-Befürwortern entgegentritt. Und das mit Erfolg. Erst seit Anfang Juni produziert die Deutsche mit jamaikanischen Wurzeln ihre Kurzvideos auf Social Media. Doch die anfänglich ein paar hundert Likes hat sie mittlerweile weit hinter sich gelassen. Sie hat feste Zuschauer, über 32.000 Follower und 920.000 Likes auf ihre Videos. Anfangs behandelte sie in ihren Videos vor allem Themen, die die Schwarze Gemeinschaft betreffen. So erklärt sie auf humoristische Weise anhand von Lego-Klötzen, wie die Integration für afrikanische Menschen gelingen kann – mit der Melodie von Löwenzahn untermalt. Die Deutschen zu unterdrücken und zu übernehmen, sei dabei ebenso wenig mit guter Einbürgerung kompatibel wie gegenseitiges Bekriegen, erklärt sie. Auf eine „Black Lives Matter“-Demonstration würde sie hierzulande nicht gehen, gibt sie selbst zu. Solche Clips kommen jedoch nicht bei allen gut an: „Ich glaube, was die meisten Schwarzen richtig anpißt, ist, daß ich Sachen sage, die ein Weißer niemals sagen könnte, ohne als der größte Rassist zu gelten.“ Dabei sind ihre Ansichten in keiner Weise problematisch, widersprechen aber fast immer dem links-woken Zeitgeist. Zum Beispiel darin, warum die Frage „Wo kommst du her?“ nicht rassistisch ist. Zum einen zeige die Frage Interesse, sogar ein Gespräch kann sich daraus entwickeln, zum anderen, weil andere dunkelhäutige Personen diese Frage untereinander ebenso stellen würden. Marinada möchte Gleichberechtigung. Daß die Aussagen Weißer genau so gewertet werden wie die Aussagen Schwarzer. Von ihren Zuschauern bekommt sie dafür Zuspruch. Unter den Videos finden sich fast ausschließlich positive Kommentare wie „Du hast die deutsche Kultur verstanden“ oder „Du bist einfach super. Deine Muttersprache ist Tacheles“. Marinada hat keine Lust, sich durch ihre migrantischen Wurzeln hinter einer Opferrolle zu verkriechen. Der Weiße sei für sie nicht an allem schuld, dieses Weltbild ihrer Gegner möchte sie „zerstören“. Für sie funktioniert Integration vor allem durch Anpassung an das Gastland: „Nicht Deutschland und die Deutschen müssen sich an Menschen anpassen, die hierherkommen, sondern die Menschen, die hierherkommen, müssen sich an Deutschland anpassen“, heißt es in einem Video. Mit steigenden Klickzahlen hat sie sich thematisch breiter aufgestellt. Nicht mehr nur die Schwarze Gemeinschaft spielt in ihren Videos eine Rolle, sondern auch das Gendern, Feminismus, Impfschäden oder der mögliche EU-Beitritt der Ukraine. Ihre Aussagen sind dabei immer eindeutig: „Gendern hat in der Kirche nichts zu suchen“, kommentiert sie in einem Video den Vorschlag einer Pfarrerin, Gott zu gendern. Es wirkt in ihren Clips so, als seien die Fronten verhärtet. Mit dem ständigen Verweis auf ihre Gegner und „die anderen“ verpuffen jedoch auch einige ihrer Inhalte. Längere Analysen oder zahlreiche Argumente liefert Anna Marinada nämlich häufig nicht in ihren Videos. Durch ständige Ironie und Humor bleiben einige Diskussionspunkte auf der Strecke – es bleiben einfache Inhalte, in kurzer Zeit vermittelt. Doch das mag auch an der gewählten Plattform liegen. Je kontroverser und verständlicher der Inhalt der Videos, umso erfolgreicher werden sie auf TikTok geklickt. Daß Videos wie die von Anna Marinada überhaupt in die Timelines der Jugendlichen gespült werden und nicht etwa nur Inhalte von des öffentlich-rechtlichen Formates „Funk“, ist dabei bereits als Erfolg zu werten. Konservative Stimmen haben es hier jedoch generell leichter. Das Potential, ihre Community in naher Zukunft noch weiter auszubauen, bietet die Plattform Marinada also. Auch eine qualitative Steigerung durch längere Analysen ist für die Videoproduzentin leicht möglich. Fest steht aber auf jeden Fall: Die links-woke Community hat einen Gegner mehr. | Eric Steinberg | Woke Zeitgeist-Jünger bekommen ein Problem, wenn ihre Diffamierungsmethoden wie Rassismusvorwürfe ins Leere laufen. Das zeigt der wachsende Erfolg der Tiktokerin Anna Marinada, die als Migrantin nichts von woken Ideen hält. | Marinada | Medien | 2023-04-02T10:18:20+02:00 | 2023-04-03T09:33:42+02:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/medien/2023/marinada-raeumt-auf/ |
Ballermann: Sehnsuchtsort und Riesengeschäft | Wenn der Bierkönig vom 17. bis 21. April und der Megapark vom 25. bis 28. April zu ihren großen Eröffnungsfeierlichkeiten begrüßen, startet in El Arenal auf Mallorca die alljährliche Partysaison, die im Juli und August ihren Höhepunkt erlebt. Zehntausende Urlauber, zumeist aus Deutschland, strömen dann in die beiden riesigen Eventlokale, die mit jedem Oktoberfestzelt mithalten können, und in die kleineren Diskotheken, Bars, Restaurants und Biergärten. Für die einen Fremdscham auslösende Proleten unter Palmen, für die anderen Sehnsuchtsort mit einer festen Markierung im Kalender. Am Ballermann, wie die Feierhochburg im Touri-Volksmund oft einfach nur noch heißt und seit 20 Jahren im Duden steht, scheiden sich die Geister. Dabei gibt es diesen ominösen, sagenumwobenen Ort so konkret gar nicht. Der etwa sechs Kilometer lange Sandstrand nennt sich Playa de Palma und hat von den Ausläufern der namensgebenden Inselhauptstadt Palma über ein sehenswertes Aquarium bis zur Marina mehr zu bieten als Trinkgelage und Teutonengrill. Auch der berüchtigte, längst umgebaute und ruhiger gewordene Ballermann 6 heißt eigentlich Balneario (passend: „Heilbad“), ist mehr oder weniger ein simples Strandbistro und hat 14 durchnumerierte Geschwisterbuden von B01 bis B15 die gesamte Promenade entlang. Und hier regieren nicht nur Deutsche: die ersten drei Balnearios sind fest in holländischer Hand, die Letzten beherbergen ein buntes Publikum aus mitunter schicken Hotels. Wie also konnte ausgerechnet die relativ kleine Mitte der langgezogenen sichelartigen Bucht, etwa vom B04 bis zum B08 mit einigen Seiten- und Querstraßen, zum Inbegriff von Eimersaufen, Dauerflirten, siebzehntem Bundesland und Exzeß werden – der Popkultur sowie Tourismus-, Veranstaltungs- und Musikbranche nachhaltig geprägt hat? Denn bei allem teilweise arroganten Naserümpfen: die Strahlkraft des Phänomens Ballermann ist nicht zu verachten. Der Unterhaltungswissenschaftler Sacha Szabo hat sogar ein Buch darüber geschrieben. Youtuber erreichen mit schlüpfrigen Straßenumfragen Hunderttausende. RTL+ zeigt mit „Der König von Palma“ eine Dramaserie über die nicht nur konfliktfreien Anfänge der deutschen Sause. Und Amazon Prime Video nimmt in „Last Exit Schinkenstraße“ das momentane Riesengeschäft damit aufs Korn. Die geschützte Marke Ballermann feiert, nachdem André Engelhardt als junger Student auf die Idee kam, sie einzutragen, dieses Jahr 30. Geburtstag. Jede Ballermann-Party, -CD oder -Spirituose, ob in Deutschland oder in Spanien, ob Kirmes oder Industriegebietshalle, muß eine Lizenzierung beantragen und bezahlen. Längst hat sich neben Volksmusik und Schlager der noch feuchtfröhlichere und provokantere Partyschlager etabliert, dessen Begründer und Topstars wie Mickie Krause, Peter Wackel oder Ikke Hüftgold am Ballermann ihren Durchbruch hatten, stetig zwischen Insel und Festland pendeln und ihre Spuren auch im Karneval, auf der Wiesn und beim Après-Ski hinterlassen haben. Mittlerweile erreichen Mitgrölstücke von der „größeren Insel“ hohe Chartplazierungen und der vermeintlich sexistische Skandalsong „Layla“ wurde 2022 nicht nur Sommerhit, sondern auch zum Politikum. Bei der Debatte über ein Abspielverbot auf Volksfesten präsentierten sich ausgerechnet diejenigen, die gern pikiert auf Tennissocken in Badelatschen blicken, als die wahren Spießer. Den Malle-Urlauber interessiert das ideologisch aufgeladene Gefasel daheim meist herzlich wenig. Ballermann ist auch ausgelassene, bewußt über die Stränge schlagende Auszeit vom enger werdenden, linksgrün-kleinkarierten Lebenskorridor in der Bundesrepublik. So ist der Ballermann unwoker Rückzugsort und gleichzeitig Vorort zur liberal-hedonistischen Hölle angesichts aufdringlicher asiatischer Strandverkäufer, omnipräsenter schwarzafrikanischer Straßenhändler, allgegenwärtiger Promiskuität und zunehmend neudeutscher Urlauber. Angefangen hat alles, als mit der Öffnung Spaniens und Mallorcas für den Tourismus mehrere Karnevals- und Kegelklubs aus dem Rheinland die nah am Flughafen gelegene Bucht für sich entdeckten. Schnell stellten sich die Wirte auf die trinkfreudigen Gäste aus dem Norden ein. S’Arenal, wie es mallorquinisch heißt, war damals geprägt von kleinen Läden und Imbißständen wie dem immer noch existierenden Casa de Jamon. Daher auch der bekannte Begriff „Schinkenstraße“ für die Partymeile, in welcher ebenso der Bierkönig liegt; direkt auf Höhe des Balneario 6. Der Mallorquiner und Gastronom Antonio Ferrer war 1979 – also vor 45 Jahren – der erste Kneipier, der frisch gezapftes deutsches Faßbier an der Playa anbot. Als es daraufhin eines Sommertags so voll wurde, daß sich die deutschen Touristen in seiner „König Pilsener Stube“ stauten, kam die Anweisung an die Kellner, das kühle Bier auch draußen im Sonnenschein zu servieren: Der saloppe Spitzname „Bierstraße“ war geboren, wenige hundert Meter weiter von der „Schinkenstraße“. Ende der Achtziger kam dann der Frankfurter Äppelwoi-Wirt Manfred Meisel auf die Insel, der Legende nach mit einem Koffer mit einer halben Million D-Mark. Den übernommenen und vor 35 Jahren renovierten Bierkönig machte er mit damals revolutionären wie umstrittenen Ansätzen wie lauter Freiluftmusik über das gesamte Areal, Stehtischen, auf denen getanzt wurde, und langem Ausschank bis in die Morgenstunden zu einer von den einheimischen Discobetreibern neidisch beäugten Instanz, die das, was man heute unter Ballermann versteht, mit erfunden hat. Prägten davor eher ältere Vereinsmeier-Semester die Insel und das Tresensportmilieu, kamen nun auch vermehrt jüngere Generationen auf Abifahrt oder Fußballmannschaftsauflug, die bald auf dem Weg zum Strand den ums Eck gelegenen Balneario 06 mit Polonese und Plastikstrohhalmhüten übernahmen. Angesichts der turbulenten bis dahin kaum zu glaubenden promillelastigen Baller-Baller-Szenen („ballern“ = saufen) setzte sich die Spaß-Bezeichnung „Ballermann“ fest, die bald durch die einsetzende Bild-Berichterstattung, Engelhardts erste Partys im Ruhrgebiet und die Suff-Komödie „Ballermann 6“ (1997) positiv wie negativ in aller Munde war und sich später für das gesamte Partygebiet etablierte. Am 12. November 1997 wurde Manfred Meisel zusammen mit seinem achtjährigen Sohn und einer Haushälterin in seiner Finca erschossen. Der Dreifachmord ist bis heute nicht aufgeklärt. JF 16/24 | Gil Barkei | Zu Unrecht belächelt: Der Ballermann auf Mallorca feiert mehrere Jubiläen, die seine enorme Strahlkraft untermauern. Denn neben Exzeß und Eimersaufen hat das Phänomen die Popkultur sowie die Tourismus-, Veranstaltungs- und Musikbranche nachhaltig geprägt. | Ballermann | Sein und Zeit | 2024-04-15T12:31:57+02:00 | 2024-04-16T07:09:39+02:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/sein-und-zeit/2024/ballermann-sehnsuchtsort-und-riesengeschaeft/ |
Rüstungsindustrie: Ausgeplünderte Reserven | Man mag zur Lieferung von Waffen an die Ukraine stehen, wie man will. Klar dürfte sein, daß einem russischen Erfolg in der Ukraine Begehrlichkeiten Putins in Richtung Baltikum oder gar Polen folgen könnten. Dann müßte die Bundeswehr – Nato-Bündnisfall! – ohnehin „ran“. Das Hin und Her von Kanzler Olaf Scholz bei der Lieferung von Kampfpanzern kann man ebenfalls unterschiedlich bewerten – als umsichtig, als Beschädigung des Ansehens Deutschlands oder als Versuch zu vertuschen, wie schlecht die Bundeswehr dasteht. Der Überfall Rußlands vom 24. Februar 2022 auf die Ukraine hat gezeigt, daß Deutschland nach Jahrzehnten ausgekosteter „Friedensdividende“ einem vergleichbaren Überfall hilflos ausgeliefert wäre. Zwar hätte die Nato Deutschland beistehen müssen. Die Bundeswehr selbst aber hatte (und hat) bei den Hauptwaffensystemen einen Klarstand von teilweise nur 40 Prozent: Viele Flugzeuge können nicht fliegen, Fahrzeuge nicht fahren, Schiffe nicht in See stechen. Munition würde bei einer kriegerischen Auseinandersetzung nur für Tage reichen. Schlimmer noch: Der letzte Bericht über die Einsatzfähigkeit der Hauptwaffensysteme erschien Ende 2021. Weitere Berichte dieser Art hat Christine Lambrecht (SPD) unterbunden. Immerhin gibt es nun ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und die Absicht, man wolle die Nato-Verpflichtung erfüllen, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben. Alle anderen Aufgaben hätten sich dem unterzuordnen, erklärte Scholz am 16. September auf einer Führungskräftetagung: „Daran können Sie mich messen.“ Was aber ist seit dem 27. Februar 2022 geschehen? Der Etat der Bundeswehr wurde von 50,4 (2022) auf 50,1 Milliarden Euro für 2023 gekürzt. Das entspricht 1,5 Prozent des BIP. 8,4 Milliarden Euro hat der Haushaltsausschuß am 11. November 2022 aus den 100 Milliarden Euro für 2023 freigegeben. Darunter 1,8 Milliarden für Munitionsbevorratung für die nächsten drei (!) Jahre, wo der Nachholbedarf hier doch auf 20 Milliarden Euro geschätzt wird. Damit hat sich der BIP-Anteil auf rund 1,7 Prozent erhöht. Zum Nato-Zwei-Prozent-Ziel fehlen jährlich gut 20 Milliarden. Zudem könnten die 100 Milliarden Euro inflationsbedingt bald nur noch 85 Milliarden Euro wert sein. Daran wird der „Neue“ im Bendler-Block, Boris Pistorius, gedacht haben, als er meinte, 100 Milliarden Euro würden ohnehin nicht ausreichen. Zudem sind für den Kauf von 35 Stück des US-Kampfjets F-35A 8,3 Milliarden Euro genehmigt. Er soll 2028 einsatzfähig sein. 60 Stück des Transporthubschraubers CH-47 Chinook sind bei Boeing bestellt und werden ab 2026 ausgeliefert. Von einem Preis von sechs Milliarden Euro war die Rede. Nun werden es womöglich zwölf Milliarden Euro. Noch keineswegs mitkalkuliert sind die Kosten, die für neue Kasernen (die Bundeswehr soll um 20.000 Mann wachsen) anfallen. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, wie sich Deutschland gegen einen Cyber-Krieg rüstet. Und noch nicht hochgerechnet sind die Kosten einer Vision von Scholz, der im August 2022 in Prag ein „European Sky Shield“ ankündigte. Daß die Bundeswehr blank dasteht, bewies sich bei ihren Auslandseinsätzen. Dafür mußte Material aus allen Standorten zusammengesammelt werden, um deutsche Kontingente auszustatten. Wie sehr die Bundeswehr wackelt, zeigt jetzt das Beispiel VJTF („Very High Readiness Joint Task Force“). VJTF ist die schnelle Eingreiftruppe der Nato, für die Deutschland 2023 Leitnation ist. Für diese Aufgabe mußte die Bundeswehr nach dem Ausfall von 18 Puma-Schützenpanzern den in den 1970er Jahren produzierten „Marder“ mobilisieren. Nun hat Deutschland der Ukraine bislang geliefert beziehungsweise zugesagt: ein Paket Patriot-Flugabwehr, 30 Gepard-Flugabwehrkanonenpanzer, 14 Panzerhaubitzen 2000 und 40 Marder-Schützenpanzer. Klar war, daß diese Schützenpanzer ihre Wirkung nur im Verbund mit Kampfpanzern entfalten. Deutschland hat der Ukraine am 25. Januar nun in einer ersten Tranche 14 „Leopard 2A6“-Kampfpanzer versprochen und verbündeten Staaten die Genehmigung erteilt, ebenfalls „Leos“ zu liefern. Beisteuern wollen die Niederlande 18 Stück, Polen 14, Norwegen acht, Kanada vier, Portugal vier. Spanien und Finnland haben sich noch nicht erklärt. Die USA liefern nun doch 31 „M1 Abrams“-Kampfpanzer, die Briten haben 14 „Challenger 2“-Kampfpanzer angekündigt. Frankreich mit seinem Kampfpanzer Leclerc zögert. Wird Deutschland in noch größerem Umfang helfen können? Von den 312 vorhandenen „Leos“ (darunter 53 der neuesten Version 2A7V) waren 99 im Frühsommer 2022 in der Instandsetzung. Seitens der Industrie ist die Rede von 22 „Leo2“- und 88 „Leo1“-Panzern, die binnen eines Jahres einsatzbereit wären. Hinzu könnten 29 Stück kommen, die im April 2023 aus Beständen von Rheinmetall nach Tschechien und in die Slowakei geliefert werden sollten. Das wären alles in allem weitere 139 mittelfristig verfügbare „Leos“ aus deutschem Bestand. Deutschland war eine führende Panzerschmiede – auch ab den 1960er Jahren wieder. Verkauft wurde der „Leo“ an 19 Länder. Wie sehr Deutschland als vormalige Panzerschmiede allerdings ins Hintertreffen geraten ist, zeigt, daß Polen mit Hyundai (Südkorea) eintausend Panzer baut. Die ersten davon sind in Gdingen angekommen. Überall gerät die vormals potente deutsche Rüstungsindustrie also ins Hintertreffen. Zum Beispiel ist sie bei der F-35 und dem CH-47 außen vor – auch als Serviceleister. Die Bundeswehr zur stärksten Armee der EU machen: Das ist eine aktuelle Pistorius-Ansage. Sehen wir mal von Frankreich als Atommacht ab: Es wird Jahre dauern, bis die Bundeswehr eine echte Verteidigungs- und Bündnisstreitkraft sein wird. Und es wird dauern, bis die Bundeswehr das Erbe von 16 Jahren Merkel-Regierung samt fünfeinhalb Von-der-Leyen-Jahren sowie das eine Jahr Lambrecht-Lethargie überwunden haben wird. Daß es dabei auch um eine drastische Beschleunigung des Beschaffungswesens gehen muß (verwaltet derzeit von 11.000 Leuten an 116 Standorten), ist überfällig. Sicherheitspolitik muß außerdem in den Fokus der Forschung. Denn es ist ein Unding, daß deutsche Hochschulen mittels „Zivilklausel“ alle Forschung untersagen, die sicherheitspolitisch und sicherheitstechnisch relevant sein könnte. Mit „Friedensdividende“ ist nach dem 24. Februar 2022 jedenfalls kein Blumentopf mehr zu verteidigen. JF 6/23 | Josef Kraus | Die Bundeswehr steht blank dar, aber was ist mit der Rüstungsindustrie? Warum Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten ins Hintertreffen geraten ist. Ein Kommentar von Josef Kraus. | Rüstungsindustrie,Bundeswehr | Kommentar | 2023-02-04T07:00:58+01:00 | 2023-02-04T07:00:58+01:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2023/ruestungsindustrie/ |
NSA bespitzelte auch Altkanzler Schröder | BERLIN. Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ist offenbar vom amerikanischen Geheimdienst NSA abgehört worden. Demnach habe die NSA Schröder spätestens seit 2002 unter der Nummer 388 in ihrer Kartei, der sogenannten „National Sigint Requirement List“, geführt, berichten NDR und Süddeutsche Zeitung. Grund dafür sei die Furcht der Amerikaner vor einem Bruch der NATO im Zuge des damals bevorstehenden Irak-Kriegs gewesen. Schröder erklärte dazu, er habe sich vor Bekanntwerden der NSA-Affäre das Ausmaß der Überwachung nicht vorstellen können. „Damals wäre ich nicht auf die Idee gekommen, von amerikanischen Diensten abgehört zu werden; jetzt überrascht mich das nicht mehr“, sagte er. Ströbele bestätigt Recherchen Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele bestätigt die Information. „Der Grund dafür scheint ja gewesen zu sein, daß die US-Seite sich informieren wollte über die Position Deutschlands zum Irak-Krieg und insbesondere über Aktivitäten Deutschlands zur Verhinderung eines UNO-Beschlusses“, teilte er mit. Auch ein Dokument des Geheimnisverräters Edward Snowden, der derzeit im Exil in Moskau lebt, bestätigt den Bericht. Wie NDR und Süddeutsche Zeitung von NSA-Insidern erfahren haben, belege das Dokument, daß die Abhöraktion 2002 begonnen habe. Anders als bisher angenommen wurde zu diesem Zeitpunkt somit nicht in erster Linie die damalige Oppositionsführerin Angela Merkel (CDU) sondern vor allem Bundeskanzler überwacht. Ströbele hatte Snowden im Oktober in Moskau getroffen. (tb) | JF-Online | Das Ausspähen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durch den amerikanischen Geheimdienst NSA hat zu Verstimmungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis geführt. Nun wurde bekannt: Auch Gerhard Schröder (SPD) war seinerzeit im Visier der NSA. | Deutschland | 2014-02-05T13:12:19+01:00 | 2014-04-04T10:54:45+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2014/nsa-bespitzelte-auch-altkanzler-schroeder/ |
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Marine Le Pen und Richter, die Politik machen | IHR DIGITALER ZUGANG. Einfach registrieren und weiterlesen.
Sie sind bereits Digital-Abonnent? Hier anmelden. | Alain de Benoist | Marine Le Pen darf sich nicht mehr zur Wahl stellen, urteilt ein Gericht. Der Vorgang löst Debatten aus über die Rolle von Juristen in einer Demokratie. JF-Autor Alain de Benoist schildert die Lage diesseits des Rheins. | Le Pen,Politik | Ausland | 2025-04-21T18:05:57+02:00 | 2025-04-21T18:18:50+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/ausland/2025/marine-le-pen-und-richter-die-politik-machen/ |
Kinder in NRW werden zu Geschlechtsumwandlungen gedrängt | DÜSSELDORF. Nordrhein-Westfalens Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU) hat Schulmaterialien für elfjährige verteidigt, in denen die Kinder zu Geschlechtsumwandlungen gedrängt werden. Die Auswahl der Materialien obliege den Lehrern, sagte sie der Bild-Zeitung. In den Arbeitsblättern für die sechste Klasse wird den Heranwachsenden geraten, „sich so rasch wie möglich“ umoperieren zu lassen, falls sie sich im falschen Körper fühlten. Zudem werden die Kinder genötigt, Begriffe wie „Pansexuell“ oder „Demisexuell“ zu definieren und sich mit Transsexualität zu beschäftigen. Beigebracht wird den Heranwachsenden auch, daß es angeblich viele Geschlechter gäbe und diese jederzeit geändert werden könnten. Auf den Arbeitsblättern heißt es unter anderem: „Zeynep fühlt sich im falschen Körper geboren. Sie*Er möchte sich so rasch wie möglich operieren lassen, um endlich als Mann leben zu können.“ Eltern, die damit ein Problem hätten, könnten sich an die Lehrer wenden, schrieb ein Kölner Schulleiter nach Informationen des Blattes an Eltern. Die Risiken dieses massiven und irreversiblen Eingriffs werden dagegen nicht problematisiert. Der Präsident des Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, nannte das Vorgehen „unsensibel und unpädagogisch“. Dies schade mehr als es nutze. (ho) | JF-Online | Aufregung um Schulmaterial für Sechstklässler in NRW. Kinder werden im Unterricht genötigt, sich mit Transsexualität und „Pansexualität“ zu beschäftigen. Geschlechtsumwandlungen werden aggressiv beworben. Die CDU-Schulministerin sieht keinen Handlungsbedarf. Die JF dokumentiert das Material. | Geschlechtsumwandlung,CDU | Deutschland | 2023-01-23T13:18:27+01:00 | 2023-01-23T13:18:27+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2023/cdu-geschlechtsumwandlung/ |
Dortmund: Türke mordete aus Haß auf Deutsche | DORTMUND. Nach der Ermordung eines 58 Jahre alten Deutschen hat die Dortmunder Polizei einen 26jährigen Türken festgenommen. Der Mann soll dem Opfer in einer Tiefgarage am 7. März gezielt aufgelauert und es dann kaltblütig hingerichtet haben. Vorausgegangen war ein Verkehrsunfall der beiden einige Tage zuvor, bei denen das spätere Opfer den Wagen des Täters fotografierte, wovon sich dieser offenbar provoziert fühlte. „Da beschloß der Dortmunder, ihn zu töten“, sagte der ermittelnde Staatsanwalt nach Angaben der Bild-Zeitung. #Tiefgaragenmord: Der Hauptverdächtige, ein Türke (26), sitzt wegen Mordes in U-Haft. Bei dem heimtückischen Mord spiele laut Staatsanwalt auch „Wut und Ablehnung gegenüber deutschen Staatsbürgern“ eine Rolle. pic.twitter.com/0wr9J9mzlo — Andreas Wegener (@Andreas_Wegener) May 25, 2023 Laut Staatsanwaltschaft spielt als Motiv „Wut und Ablehnung gegenüber deutschen Staatsbürgern“ eine Rolle. Der mutmaßliche Mörder sitzt in Untersuchungshaft. Die Polizei hatte nach der Ermordung eine Sonderkommission gebildet und eine Belohnung von bis zu 5.000 Euro für Hinweise auf den Täter ausgesetzt. (ho) | JF-Online | Anfang März wird ein 58 Jahre alter Dortmunder in einer Tiefgarage gezielt hingerichtet. Nun kann die Polizei einen 26jährigen Türken festnehmen. Sein Motiv: „Wut und Ablehnung gegenüber deutschen Staatsbürgern.“ | Deutsche | Deutschland | 2023-05-25T15:07:03+02:00 | 2023-05-25T15:07:03+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2023/hass-auf-deutsche-dortmund/ |
Maskenbeschafferin der Bundesregierung in U-Haft | MÜNCHEN. Die Münchner Polizei hat die Unternehmerin Andrea Tandler und ihren Geschäftspartner festgenommen. Die Tochter des ehemaligen CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler und ihr Kollege Darius N. hatte einen Masken-Deal für die Bundesregierung mit einem bis dahin völlig unbekannten Schweizer Unternehmen klar gemacht und dafür Provisionen in Höhe von 48 Millionen Euro erhalten, wie die Welt berichtete. Wegen Steuermittlungen sitzen die beiden nun in Untersuchungshaft. Tandler und ihrem Partner wird vorgeworfen, Steuern in Millionenhöhe hinterzogen zu haben. Beide bestreiten dies. Sie hatten der Bundesregierung 2020 den Deal mit der Firma Emix vermittelt, die schließlich Corona-Masken für insgesamt 700 Millionen Euro an Deutschland verkaufte. Auch Nordrhein-Westfalen und Bayern konnte das Unternehmen als Abnehmer gewinnen. Dabei verkauften sie ihre Mund-Nasen-Bedeckung zu horrenden Preisen von bis zu knapp zehn Euro das Stück. Als die CSU von dem Geschäft erfahren habe, sei sie empört gewesen. Zunächst wegen Geldwäscheverdachts und später wegen mutmaßlicher Steuerdelikte habe die Münchner Staatsanwaltschaft zu ermitteln begonnen. Den Vorwurf der Geldwäsche ließen die Ermittlungsbehörden jedoch wieder fallen. Nun geht es um den Verdacht von Delikten bei der Gewerbe- und bei der Schenkungssteuer. Tandler hatte die ersten Deals noch mit ihrer Firma Pfennigturm gemacht, einer Werbeagentur in München. Die Einnahmen soll sie offenbar an eine neugegründete Firma in der benachbarten Gemeinde Grünwald weitergegeben haben. Dort sind die Gewerbesteuern deutlich niedriger als in München. (zit) | JF-Online | Andrea Tandler hatte für einen Masken-Deal mit der Bundesregierung 48 Millionen Euro Provision kassiert. Nun sitzt die Tochter von EX-CSU-Generalsekretär Gerold Tandler wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft. | Maske | Deutschland | 2023-01-25T13:03:18+01:00 | 2023-01-25T13:03:18+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2023/tandler-und-die-masken/ |
An der Oberfläche gekratzt | Wer wie Hans-Ulrich Wehler eine „Deutsche Gesellschaftsgeschichte“ in fünf gewichtigen Bänden vorlegt, will weder einen Bericht aus der Forschungswerkstätte abliefern noch ein Volkslesebuch verfassen. Er schreibt für Bibliotheken und Archive. Das unterscheidet Wehlers Erzählung von der populären seines Vorgängers, Golo Manns „Deutscher Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“, die er mit keinem Wort erwähnt. Unter Historikern scheint das nicht ganz unüblich zu sein; denn auch Mann überging, als er seinen „Wallenstein“ herausbrachte, das innovative Werk seines unmittelbaren Vorgängers Hellmut Diwald mit beredtem Schweigen. Doch der Unterschied zwischen Mann und Wehler liegt nicht nur in Kürze, Struktur und Stil. Für Mann ist Gegenstand der Geschichte (ihr Subjekt) die Nation, für Wehler ist es die Gesellschaft; legt Mann den Schwerpunkt auf Politik und Kultur, so liegt er bei Wehler auf Wirtschaft und Sozialem, danach erst rücken Politik und Kultur in seinen Fokus. Diese Schwerpunktverlagerung des Stoffes überrascht insofern, als ja gerade Wirtschaft und Soziales den kontinuierlichen und am wenigsten stets neu zu analysierenden Trend im deutschen Geschichtsfluß ausmachen. Für permanenten Wirbel und Trendbrüche sorgen vielmehr Politik und Kultur, zumal im 20. Jahrhundert. Wehler bezeichnet es im Einklang mit seinem ideologischen Widerpart, dem noch heute überzeugten Kommunisten Eric Hobsbawm, als das „kurze“: Die Zeit vor 1914 gehöre ins 19., die nach 1990 ins 21. Jahrhundert. Doch was bei Hobsbawm verständlich ist, ergibt bei Wehler wenig Sinn. Der vom ökonomischen Liberalismus geprägte Aufstieg Deutschlands zum führenden Industrieland in Europa (und Rivalen Englands und der USA) endete nicht 1914 oder nach 1918; er kam wie im gesamten Westen mit der Weltwirtschaftskrise von 1931/32 zum Stehen. Und das Zeitalter der Globalisierung und weltkapitalistischen Comebacks begann nicht 1990 mit der Hightech-Revolution, sondern bereits in den 1970er Jahren mit der Liberalisierung der Weltfinanzmärkte durch den Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems und dem ersten Ölschock. Nicht nur in der Periodenabgrenzung zeigt Wehler, daß sein Verständnis von Wirtschaft, Sozialem sowie den Möglichkeiten und Grenzen der Wirtschaftspolitik ein sehr vordergründiges ist; er bewertet fast durchgängig die Entwicklung in den beiden deutschen Nachkriegsstaaten seit ihrer Gründung 1949 ex post: mit den Augen und Kriterien des Zeitgeistes von heute. Die DDR ist nichts weiter als eine „Satrapie“ der Sowjetunion, bar aller Eigenentwicklung und kulturellen Autonomie. Erhards Wirtschaftwunder verdankt sich der Wiedereinführung „neoliberaler“ Konzepte ins Wirtschaftsleben. Der wichtige Unterschied zwischen Erhards staatstragendem „Ordo“-Liberalismus und der heutigen Markt-Vergottung geht verloren; die Namen von Erhards Vordenkern und Impulsgebern (Walter Eucken oder Alfred Müller-Armack) werden verschwiegen. Konrad Adenauer, der 1957 die dynamische Altersrente, auch in Wehlers Augen eine sozialpolitische Großtat, gegen Erhard durchsetzte, setzte den Plan eines Kölner Privatdozenten und Verbandsfunktionärs Wilfrid Schreiber um. Es waren die Pläne des bedeutenden Sozialforschers Gerhard Mackenroth und Oswald v. Nell-Breunings, des Doyens der katholischen Soziallehre, die Adenauer durch seinen Sohn Paul kannte. Schreiber propagierte sie nur. Fünfzig Jahre nach der Großtat sieht Wehler Staat und Demokratie in Gefahr, weil der Sozialstaat ausgeufert sei. Er verkennt wie viele Kurzschluß-Ökonomen den nachfrage- und konjunkturstabilisierenden Charakter einer hohen und konstanten Sozialabgabenquote am Bruttoinlandsprodukt; in Skandinaviens Boom-Ländern liegt sie seit langem über fünfzig Prozent. Daß die heutige Krise des vereinigten Deutschlands etwas mit der Einführung des Euro zu tun haben könnte, kommt ihm nicht in den Sinn. Das Stichwort fehlt im Sachregister. Und der Blick ins Personenregister macht deutlich, daß unser Autor nicht einen der die Wirtschafts- und Sozialpolitik des „kurzen“ Jahrhunderts prägenden Ökonomen und Nobelpreisträger kennt oder auswertet: weder Keynes noch Beveridge, Friedman, Samuelson oder Myrdal. Lediglich Schumpeter kommt mit zwei belanglosen Äußerungen zu Wort. Nur: Ohne diese Autoren und ihren Einfluß läßt sich das Wirtschafts- und Sozialgeschehen nach 1949 nicht beurteilen, weder in Deutschland noch der westlichen Welt. Wehlers wissenschaftliches Credo ist der Kompromiß. Er distanziert sich im Kollegenkreis von allzu Neuem oder Eigenwilligem (Karl Dietrich Bracher und natürlich Ernst Nolte). Und er sympathisiert mit Fritz Fischers (weitgehend widerlegter) These vom „Griff nach der Weltmacht“ der deutschen Eliten vor 1914; dieser Wahn habe Weimar überlebt und sei von Hitler übernommen worden. Wehlers Motiv liegt auf der Hand: An Deutschlands Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und seinen Verbrechen sowie an der Verantwortlichkeit der Täter darf nicht gerüttelt werden. Der Historiker wird zum Moralisten. Wehler bekennt sich zu Theodor Mommsens „Pflicht des Historikers zur politischen Pädagogik“. Doch diese Pädagogik muß glaubwürdig sein, die Faktenlage stimmen. Geht es um Schuld und Sühne muß der Anteil aller Beteiligten am schlimmen Ergebnis sorgsam geprüft und gegeneinander abgewogen werden. Gerade an letzterem kommen bei Wehlers Urteilen zur jüngeren deutschen Geschichte Zweifel auf. Golo Mann hat bei seiner Analyse der deutschen Kriegsschuld nichts beschönigt und nichts verschwiegen. Aber — und darin sah er den volkspädagogischen Auftrag des Historikers: Die Begegnung mit der Vergangenheit muß Freude bereiten — durch Schönheit der Sprache, bohrende und mutige Analyse, die Wiederbegegnung mit den Dramatis personae der Geschichte: ihren Helden wie Märtyrern. An dieser Lebendigkeit läßt es der Autor fehlen. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bundesrepublik und DDR 1949—1990. Verlag C.H. Beck, München 2008, gebunden, XVIII und 529 Seiten, 34,90 Euro | JF-Online | Wer wie Hans-Ulrich Wehler eine „Deutsche Gesellschaftsgeschichte“ in fünf gewichtigen Bänden vorlegt, will weder einen Bericht aus der | Kultur | 2008-10-17T00:00:00+02:00 | 2008-10-17T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/2008/an-der-oberflaeche-gekratzt/ |
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Die Krise hat gerade erst begonnen | Die anhaltenden politischen Turbulenzen in Italien haben Ängste vor Instabilität im Euro-Block weiter geschürt. Investoren ließen italienische Staatsanleihen fallen, was die Kreditkosten für das Land stark ansteigen ließ und die Befürchtungen vor einer stärkeren finanziellen Belastung der drittgrößten Volkswirtschaft Europas wieder aufflammen ließ. Neuwahlen stehen aller Voraussicht an und die Anleger befürchten das Ausscheiden Italiens aus der Währungsunion. Dies könnte erhebliche Auswirkungen auf das europäische Finanzsystem und seine Wirtschaft haben. Am gestrigen Mittwoch konnte Italien am Markt zehnjährige und fünfjährige Anleihen platzieren, mußte den Investoren allerdings mit drei beziehungsweise 2,3 Prozent, fast doppelt so hohe Renditen versprechen wie bei der letzten Auktion. Italien muß mit 350 Milliarden Staatskrediten wirtschaften Ganz gleich, wie es am Ende politisch kommen wird: In den nächsten sechs bis acht Jahren muß Italien mit rund 350 Milliarden Euro laufenden Staatskrediten, davon 300 Milliarden notleidend, und rund 65 Milliarden Euro laufenden Krediten der größten italienischen Unternehmen versuchen zu wirtschaften. Der EU fällt dazu wenig ein. Sie will die alte Idee der European Safe Bonds (ESB) wieder aufleben lassen und die Schulden mehrerer Staaten in dieser „sicheren Anleihe“ bündeln. „Nur private Investoren würden das Risiko und die Verluste teilen“, heißt es im Entwurf der EU-Kommission. Doch sie versteht nicht, daß es italienische Anleihen nicht sicherer macht, wenn deutsche Anleihen als Verpackung genutzt werden. Nur eines wird passieren: Deutsche Staatsanleihen werden riskanter. Rating Agentur hat offenbar aus Fehlern gelernt Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat bereits erklärt, daß sie den ESBs nicht das höchste Rating zuerkennen wird. Sie hat anscheinend gelernt aus der Vergangenheit, in der sie und andere Agenturen aufgrund vermeintlicher Staatsgarantien ungerechtfertigt hohe Ratings abgaben. Die Zentralbanker scheinen mittlerweile mit ihrem Latein am Ende zu sein und für die EZB wird es immer schwieriger, die Währungsunion in ihrer jetzigen Form zusammenzuhalten. Der Schwur Draghis aus dem Jahr 2012 („Whatever it takes!“) verhallt. Die Krise ist noch lange nicht gebändigt. Sie fängt gerade erst an. | Henning Lindhoff | Die anhaltenden politischen Turbulenzen in Italien haben Ängste vor Instabilität im Euro-Block weiter geschürt. Investoren ließen italienische Staatsanleihen fallen, was die Kreditkosten für das Land stark ansteigen ließ. Italien muß in den kommenden Jahren mit 350 Milliarden Euro laufenden Staatskrediten wirtschaften. Der EU fällt dazu wenig ein. Sie will alte Ideen wieder aufleben lassen. Ein Kommentar von Henning Lindhoff. | Kommentar | 2018-05-31T08:49:44+02:00 | 2018-05-31T09:59:30+02:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2018/die-krise-hat-gerade-erst-begonnen/ |
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Kubicki für Meinungsfreiheit: „Man muß Beleidigungen ertragen“ | HAMBURG. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hat das Recht verteidigt, auch kontroverse Ansichten äußern zu dürfen. „Meinungsfreiheit bewährt sich gerade dann, wenn man eklige Meinungen hört. Solange sie nicht strafbar sind, müssen sie auch ertragen werden können. Wer das nicht will, engt das Spektrum des Sagbaren immer weiter ein mit fatalen Folgen“, sagte er in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“. Dazu gehöre auch, in einer Diskussion Beleidigungen auszuhalten. „Man muß Beleidigungen ertragen, wenn sie als Stilmittel dienen, um eine Sache zu transportieren“, forderte der 66 Jahre alte Politiker. In der moralischen Verurteilung abweichender Meinungen liege eine Gefahr für die Gesellschaft und die Debattenkultur. „Wenn wir dazu übergehen, daß wir alle Meinungen, die wir nicht teilen, moralisch diskreditieren, dann ist es in diesem Land bald finster.“ Kubicki kritisiert Habecks Entschuldigung In dem Zusammenhang äußerte sich Kubicki auch zur Entschuldigung des Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck für dessen Thüringen-Aussage. Habeck hatte in einem Twitter-Video behauptet, erst grüne Wahlerfolge in Thüringen würden das Bundesland frei und demokratisch machen. „Habeck glaubt das wirklich, daß Thüringen erst dann demokratisch wird, wenn mehr grün gewählt wird“, kommentierte Kubicki. Nach heftiger Kritik im Netz hatte sich Habeck entschuldigt und von der Online-Plattform zurückgezogen. Er könne die Entschuldigung nicht nachvollziehen, betonte Kubicki. „Ich entschuldige mich auch nicht dafür, daß ich glaube, daß ich gut bin.“ (ag) | JF-Online | Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hat das Recht verteidigt, auch kontroverse Ansichten äußern zu dürfen. Dazu gehöre auch, Beleidigungen auszuhalten. In der moralischen Verurteilung abweichender Meinungen liege eine Gefahr für die Gesellschaft und die Debattenkultur. | Deutschland | 2019-01-09T14:18:24+01:00 | 2019-01-09T15:29:49+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2019/kubicki-fuer-meinungsfreiheit-man-muss-beleidigungen-ertragen/ |
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WDR-Reporterin zur Asylkrise: Wir sollen positiv berichten | KÖLN. Der WDR hat die Behauptung einer Reporterin zurückgewiesen, nach der der öffentlich-rechtliche Rundfunk angewiesen sei, positiv über die Asylpolitik der Bundesregierung zu berichten. „Das entspricht in keinster Weise der Haltung des Unternehmens“, teilte die stellvertretende Pressesprecherin des Senders, Ingrid Schmitz, auf Anfrage mit. Tatsache sei: „Die Berichterstattung des WDR und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgt nach höchsten journalistischen Standards – ausgewogen und unabhängig. Das gilt für die gesamte Berichterstattung, auch für die über Flüchtlinge.“ Hintergrund sind die Äußerungen der WDR-Reporterin Claudia Zimmermann im holländischen Radiosender L1. In der Sendung „De Stemmung“ (Die Stimmung) hatte Zimmermann mit Bezug auf die Asylkrise in Deutschland gesagt: „Wir sind natürlich angewiesen, pro Regierung zu berichten.“ „Problem in einer positiveren Art angehen“ Die Anweisung sei von mehreren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zuständigen Ausschüssen gekommen. Durch die Rundfunkgebühren seien die Sender eher regierungsfreundlich ausgerichtet. „Wir sind öffentlich-rechtlicher Rundfunk und darum angehalten, das Problem in einer positiveren Art anzugehen. Das beginnt mit der Willkommenskultur von Merkel bis zu dem Augenblick, als die Stimmung kippte und es mehr kritische Stimmen im Rundfunk und auch von der Politik gab“, berichtete Zimmermann. In der Mitteilung des WDR distanzierte sich Zimmermann am Montag von ihren Äußerungen: „Ich habe an dieser Stelle Unsinn geredet. Unter dem Druck der Live-Situation in der Talkrunde habe ich totalen Quatsch verzapft. Mir ist das ungeheuer peinlich. Denn ich bin niemals als freie Journalistin aufgefordert worden, tendenziös zu berichten oder einen Bericht in eine bestimmte Richtung zuzuspitzen.“ (krk) | JF-Online | Der WDR hat die Behauptung einer Reporterin zurückgewiesen, nach der der öffentlich-rechtliche Rundfunk angewiesen sei, positiv über die Asylpolitik der Bundesregierung zu berichten. Dies entspreche nicht der Haltung des Senders, sagte eine Sprecherin. Genau dies hatte zuvor eine WDR-Reporterin im niederländischen Rundfunk berichtet. Mittlerweile distanziert sich die Journalistin aber von ihrer Aussage. | Medien | 2016-01-18T13:51:01+01:00 | 2016-01-18T14:54:49+01:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/medien/2016/wdr-reporterin-zur-asylkrise-wir-sollen-positiv-berichten/ |
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EU: Mehr als 60 Prozent der Asylbewerber in Deutschland registriert | BRÜSSEL. Beinahe zwei von drei Asylbewerbern in der EU haben sich seit Jahresbeginn erstmals in Deutschland registrieren lassen. Das geht aus Zahlen der Europäischen Kommission hervor. Demnach hätten von den europaweit 287.100 Asylsuchenden im ersten Quartal 2016 rund 175.000 Personen beziehungsweise 61 Prozent ihren Antrag in der Bundesrepublik gestellt. Das bedeutet für Deutschland einen Anstieg um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Mit großem Abstand zu Deutschland folgt Italien mit 22.300 Asylbewerbern beziehungsweise acht Prozent aller Erstanträge. Europaweit ist die Zahl der Erstanträge um rund ein Drittel gesunken. Den stärksten Rückgang verzeichnen die Länder Schweden (minus 91 Prozent), Finnland (minus 85 Prozent), Dänemark (minus 74 Prozent), Niederlande ( minus 72 Prozent), Belgien ( minus 70 Prozent), Luxemburg (minus 59 Prozent) und Österreich (minus 55 Prozent). Alle Länder haben ihre Asylpolitik im vergangenen Jahr teilweise deutlich restriktiver ausgerichtet. Die größte Einwanderergruppe in der EU mit 102.400 Personen gab Syrien als Herkunftsort an. Hier ließen sich sogar 88.500 Personen beziehungsweise 85 Prozent in Deutschland registrieren. Ende März waren EU-weit noch mehr als eine Million anhängige Asylanträge zu verzeichnen, davon der bei weitem höchste Anteil in Deutschland mit 473.000 Anträgen. (FA) | JF-Online | Beinahe zwei von drei Asylbewerbern in der EU haben sich seit Jahresbeginn erstmals in Deutschland registrieren lassen. Von den europaweit 287.100 Asylsuchenden haben im ersten Quartal rund 175.000 ihren Antrag in der Bundesrepublik gestellt. Das entspricht einem Anstieg von acht Prozent zum Vorjahreszeitraum. | Deutschland | 2016-06-17T10:24:36+02:00 | 2016-06-17T11:03:06+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2016/zwei-von-drei-asylbewerbern-in-deutschland-registriert/ |
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TV-Dolmetscherin im „Dschungel von Calais“ vergewaltigt | CALAIS. Die Übersetzerin eines Reporters soll laut Presseagentur AFP während eines Fernsehdrehs im sogenannten „Dschungel“ der nordfranzösischen Stadt Calais von einem Flüchtling vergewaltigt worden sein. Der TV-Journalist und seine afghanischstämmige Paschtu-Dolmetscherin hätten in der Nacht auf Dienstag in dem Flüchtlingslager eine Reportage über minderjährige Flüchtlinge aufgenommen, teilte die zuständige Staatsanwaltschaft mit. Dabei seien sie nach eigenen Angaben von drei vermutlich afghanischen Flüchtlingen attackiert worden. Die Männer hätten zunächst die technische Ausrüstung des Teams rauben wollen. Dann habe einer von ihnen die 38jährige Frau mit einem vorgehaltenen Messer zum Sex gezwungen. Die zwei anderen Männer hätten den Journalisten gehindert einzugreifen. Die drei Angreifer konnten nach der Tat fliehen. Nach ihnen wird gesucht. Das berüchtigte Flüchtlingslager von Calais soll demnächst geräumt werden. Die französischen Behörden wollen die Menschen auf Unterkünfte im ganzen Land verteilen. (gb) | JF-Online | Die Übersetzerin eines Reporters soll während eines Fernsehdrehs im sogenannten „Dschungel von Calais“ von einem Flüchtling vergewaltigt worden sein. Drei vermutlich afghanische Männer hätten zunächst die technische Ausrüstung rauben wollen. Dann habe einer von ihnen die 38jährige Frau mit einem vorgehaltenen Messer zum Sex gezwungen. | Ausland | 2016-10-19T15:02:28+02:00 | 2016-10-19T16:07:14+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/ausland/2016/tv-dolmetscherin-im-dschungel-von-calais-vergewaltigt/ |
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Union-Präsident Zingler: Werden als Klub nicht gendern | BERLIN. Der Präsident des Fußballbundesligisten 1. FC Union Berlin, Dirk Zingler, hat sich dagegen ausgesprochen, daß sein Verein sich jedem zeitgeistigen Trend unterwirft. „Wir sind kein Verein, der sich ständig anpaßt oder jedem Trend folgt. Was die Menschen bei uns bekommen, ist Verläßlichkeit“, erläuterte Zingler im Interview mit der Welt. Als Beispiel nannte er die zuletzt aufgekommenen Nachfragen nach veganen Würstchen im Stadion. Er habe grundsätzlich nichts gegen vegane Würstchen. „Aber wir werden nicht jeden Wunsch erfüllen. Denn Fußball bedeutet bei uns: Bratwurst, Bier, 90 Minuten Fußball. Auch die Sprache darf bei uns im Stadion rauh sein. Nicht verletzend oder diskriminierend. Aber wir werden als Klub eben auch nicht gendern.“ Der Verein mache niemandem etwas vor oder versuche etwas darzustellen, das er nicht sei. Wem gefalle, was der FC Union darstelle, sei bei den „Eisernen“ herzlich willkommen. Gleichzeitig erneuerte Zingler seine Kritik an den Corona-Maßnahmen der Politik. Daß die Bundesligapartien nun wieder weitgehend ohne Zuschauer als Geisterspiele stattfinden müßten, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Die Stadien als Ansteckungsort auszumachen, sei unehrlich. „Die Zuschauer sind an der frischen Luft, wir lassen aktuell nur Geimpfte und Genesene rein, die zusätzlich getestet sind oder Masken tragen. Das Risiko ist gering in den Stadien.“ Und dennoch treffe die Politik andere Entscheidungen: „Wir leeren die Stadien und schicken die Leute nach Hause oder in die Kneipen, wo sie dann zusammensitzen und das Spiel sehen. Die Fans werden aus der frischen Luft in die Innenräume geholt. Das ist aus meiner Sicht falsch!“ Erst Anfang Dezember hatte der Union-Präsident seinem Unmut über die Corona-Maßnahmen Luft gemacht. Das Land sei in einem katastrophalen Zustand, weil es katastrophal geführt werde, klagte er. CSU-Chef Markus Söder bezeichnete er in dem Zusammenhang indirekt als „Clown aus München“. Der FC Union war 2019 in die erste Fußballbundesliga aufgestiegen und spielt dort nun seine mittlerweile dritte Saison. Derzeit rangieren die „Eisernen“ aus Berlin-Köpenick vor dem Stadtrivalen Hertha BSC, gegen den es Mitte Januar im DFB-Achtelfinale um den Einzug in die nächste Runde geht, auf dem siebten Platz der Liga. Am Wochenende startet nach kurzer Winterpause die Rückrunde der Saison. Dann trifft Union in Leverkusen mit der Bayer-Werkself auf den Tabellenvierten. (krk) | JF-Online | Union-Präsident Dirk Zingler ist als Mann der klaren Worte bekannt. Angst, dabei anzuecken, hat der Chef des Fußballbundesligisten offenbar nicht. Sein Verein unterwerfe sich nicht jedem Trend des Zeitgeists. Gendern komme für den FC Union daher ebensowenig in Frage wie vegane Würstchen im Stadion. | Zingler | Gesellschaft | 2022-01-06T14:53:17+01:00 | 2022-01-06T16:31:05+01:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/gesellschaft/2022/union-praesident-zingler-gegen-gendern/ |
Jugend voran? | Sicher, alle Nachfolgenden sind zunächst durch die Vorangehenden geprägt und nicht allein aus sich selbst orientiert. Aber kann es möglich sein, daß in Deutschland die zweite, vielleicht dritte weitgehend entpolitisierte Generation heranwächst? Zunächst das: Sicher bin ich, daß ich mit einem harten Kern jener Gymnasiasten, die ich gerade als Honorarlehrer in Deutsch und Philosophie unterrichte, sofort in einen Kleinbus steigen und nach Böhmen in eine Winterhütte brummen könnte, wo wir flott das Kaminholz gespalten und einen Wochenplan für ein paar vitalisierende Touren in freier Natur zusammengeschustert hätten. Die jungen Leute sind verläßlich und zu klaren Absprachen in der Lage. Vor allem sehnen sie sich nach Verantwortung und Bewährung. Sie wollen herangelassen werden an das echte, eigentliche Leben, das es doch irgendwo geben muß, und zwar jenseits des Prinzips Ganztagsschule, das jeden festhalten will wie eine überängstliche Mutter, und über all die faden inszenierten Projekte hinaus. Vielleicht lieben die Jungen deswegen die neue, von David Belle inspirierte Sportart Parkour, weil dabei die geschlossenen Räume endlich verlassen werden und man in Erprobung von Kraft und Geschick über die Hindernisse der urbanen Welt setzt. Allzu viele wachsen mit einer Art ptolemäischem Weltbild auf Aber mal abgesehen von meiner Klasse, die in mancherlei Hinsicht überm Schnitt liegen dürfte: Allzu viele wachsen mit einer Art ptolemäischem Weltbild auf, in dessen Mittelpunkt sich – etwa dort, wo früher das himmlische Jerusalem eingezeichnet wurde – die Fetische der Gegenwart befinden, insbesondere die Apparate des Netzes und eine Menge chipbasierter Wiedergabeelektronik. Vielleicht ist es das: Zuviel bloße Wiedergabe, andauernd nur Play-Taste. Die Systeme generieren immerfort virtuelle Welten, die die eigentliche so überlagert haben, daß sie erst wieder freigelegt werden muß. Phänomenal, daß mit jedem internetfähigen Handy jederzeit und allerorten das gesamte Weltwissen zur Hand ist, aber so wenig daraus gestaltet wird. Eindrucksvoll ferner, daß die Ortsbestimmung überall erfolgen kann, aber kaum jemand weiß, wo er – immer in Relation zum anderen – nun eigentlich steht, und zwar ebensowenig geographisch wie von seiner Haltung, der inneren Position her. Erst, wenn ich irgendwo fest stehe, wenn mir der wesentlichste Teil jeder Karte bewußt ist, der Pfeil des „Sie-sind-hier!“, kann ich mich vergleichen und urteilen. Ort, das war im Germanischen die auf den Punkt zulaufende Spitze des Speers. Man konnte ihn in den Boden stechen und sagen: Hier stehe ich! Letztlich: Einerseits war lange keine Generation so sehr an Zeichen, an Schrift gebunden wie die jüngste. Sie produzieren allesamt permanent Texte, denn sie mailen, chatten, simsen, twittern, kommentieren bei Facebook, ja die Qualifizierteren kippen all die zahllosen Independent-Verlage mit ihren Elaboraten zu. Dank Microsoft-Word geht das verdammt schnell. Und trotzdem wurde im Durchschnitt wohl nie so schlecht geschrieben. Zwanzig Prozent funktionale Analphabeten unter Fünfzehnjährigen in Deutschland – eine Zahl, die die Kultusbürokraten lieber gleich wieder vergaßen. Und kaum je mußte man in sogenannter junger Literatur so lange suchen, bis man einen Gedanken von Belang fand. Dennoch gibt es davon so viele Publikationen wie nie. Inflationiert das Geld, sinkt die käuflich zu erwerbende Qualitätsmenge; inflationieren die Zeichen, führt’s zum großen Geschwätz. Deutschland quatscht sich leer, so ein früherer Werbespot der Telekom. Unfreiwillig treffend. Ängstlich kopiert die Jugend die Elternkarrieren Mich wundert, weshalb eine Jugend, die rein medial alle Möglichkeiten und dazu sämtliche Freiheitsrechte hat, so wenig subversiv, so wenig widerständig ist, sondern die Entwürfe der Elternkarrieren willig – und vor allem ängstlich! – kopiert. Fragt man in vertraulichen Momenten nach, heißt es etwa, man will nun mal nicht auf Hartz IV landen. Sicher ehrenwert. Aber man könnte doch ebenso die immerhin funktionierenden demokratischen Strukturen nutzen und mal voll eingreifen in die verschnarchte Politik, um „der Mitte“ zu zeigen, was man vom Rand her losmachen kann. Die großen Initiatoren kommen immer vom Rand, weil die Zentren sich in Selbstgefälligkeit erledigt haben. In Rom und an der damaligen Sorbonne mußten sie lange blättern, wo denn dieses Wittenberg liegt, aus dem Luther wetterte. Kants Königsberger Universität galt nicht als allererste Adresse der Philosophie; er selbst hatte über fünfzehn Jahre nicht publiziert, weil er nämlich nachgedacht hatte. Nachdenken gilt mindestens in der Publizistik kaum noch etwas, denn es soll permanent produziert werden. Und selbst Einstein stellte die klassische Physik auf den Kopf, als er nur subalterner Beamter im Berner Patentamt war, aber während eines Spaziergangs beim Anblick zweier weit auseinander liegender Turmuhren wach genug, den Ansatz für die spezielle Relativitätstheorie zu finden. Die Mitte kommt auf nichts mehr, sie pflegt die eigene Sklerose. Allerdings: Nirgendwo sehe ich soviel junge Kraft versammelt wie um die Junge Freiheit, die Blaue Narzisse und die Sezession. Ein Zeichen? Bestimmt. Vom Rande, ja, aber das ist der richtige Platz. | Heino Bosselmann | Sicher, alle Nachfolgenden sind zunächst durch die Vorangehenden geprägt und nicht allein aus sich selbst orientiert. Aber kann es möglich sein, daß in | Kolumne | 2012-02-09T09:29:00+01:00 | 2012-02-09T09:29:00+01:00 | https://jungefreiheit.de/kolumne/2012/jugend-voran/ |
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Ausflüge in die Nacht | Seit 20 Jahren gibt es jetzt Splatting Image, die „Fachzeitschrift für den unterschlagenen Film“, sprich: Horror, Pornos und Trash – jene Erzeugnisse, die den sogenannten dunklen Teil der Seele spiegeln und zugleich ansprechen. Wie eine Kultur mit ihnen umgeht, ist totsicherer Indikator ihrer Fähigkeit, den Menschen ganzheitlich zu integrieren. Die aktuelle Ausgabe der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift präsentiert als Ausgrabung „Hoffmanns Erzählungen“ (1923) von Max Neufels: ein früher Ausflug in die Nacht, wo der zerrüttete E.T.A. Hoffmann von einem Schatten verfolgt wird, sein Spiegelbild verliert, eine Wunderbrille findet und sich in die Puppe namens „Olympia“ verliebt. Ein lange vergessenes Verbindungsstück zwischen expressionistischem Film und Hollywoods Horrorklassikern der frühen 1930er, stellen die Autoren fest. Die Heft-Reihe über türkische Trashfilme rückt diesmal „Drakula Istanbul‘da“ (1953) ins Zentrum. In Ermangelung christlicher Kreuze – die Türkei ist eine primär islamische Kultur – muß in dieser Bram-Stoker-Adaption der Knoblauch als Abwehrmaßnahme genügen. Was natürlich einer Säkularisierung gleichkommt. Da die Türkei über eine große Urwaldfläche verfügt, kam auch ein „Tarzan Istanbul‘da“ (1952) in die Kinos – cineastische Perlen, von deren Existenz man sonst kaum erfahren hätte. Die Sparte „Asian Fruits“ stellt neue Geisterfilme aus Indonesien und Thailand vor, während „Nollywood Horrors“ erzählt, wie 1992 in Nigeria mit VHS-, Hi 8- oder DVD-Material eine der „produktivsten Filmindustrien der Welt“ entstand, die inzwischen auch in Europa ihr Publikum findet. Übrigens, niemand sollte mehr eine Debatte über Wert und Unwert der zeitgenössischen Filmproduktion Deutschlands führen, der bloß gelackte Großproduktionen kennt, nicht aber die hier unter „Jungmutationen“ präsentierten Außenseiterfilme. Darunter der Kurzfilm „Krebs“ (2008), der den Horror schildert, wenn der tödlich erkrankte Körper zum Gefängnis wird. A propos Körper: Das Erotische ist diesmal mit einem Bericht über die ökologische FFF (Fuck for Forest)-Produktion abgedeckt, eine Gruppe norwegischer Porno-Hersteller, die ihren Profit ausschließlich in Umweltprojekte investiert. Zahlreiche DVD-Kritiken runden die Lektüre ab. Auch hier werden seltene Klassiker empfohlen wie „Körkarlen“ (Der Fuhrmann des Todes, 1920), Orson Welles’ „Othello“ (1952) oder „The Gorgon“ (Die brennenden Augen von Schloß Bartimore, 1964). Die Beiträge sind meist intelligent, gut recherchiert und schwungvoll geschrieben. Es ist bedauerlich, die „Schnittparade“ nicht mehr anzutreffen. Darin wurden einst die verschiedenen Länder-Fassungen desselben Films miteinander verglichen. So zeigte sich, welche Szenen die Zensoren des jeweiligen Landes dem Publikum vorenthielten: eine soziologische Studie über die Ängste unterschiedlicher Kulturen, die das Selbstlob des Westens als „freie Gesellschaft“ gnadenlos demontierte. Trotzdem ist die Splatting Image-Lektüre immer noch ein kurzweiliger, globaler Panoramaschwenk, der enthüllt, wie die Menschheit ihre Furcht und Begierde für 90 Minuten auf Film „bannt“. Kontakt: Splatting Image, Florastr. 6, 12163 Berlin, Tel. 030 / 79 78 44 09, Internet: www.splatting-image.de | JF-Online | Seit 20 Jahren gibt es jetzt Splatting Image, die „Fachzeitschrift für den unterschlagenen Film“, sprich: Horror, Pornos und Trash – jene Erzeugnisse, die den | Kultur | 2009-04-10T00:00:00+02:00 | 2009-04-10T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/2009/ausfluege-in-die-nacht/ |
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USA weisen Vorwurf der Konfiszierung von Schutzmasken für Berlin zurück | BERLIN. Die US-Regierung hat die Vorwürfe des Berliner Senats zurückgewiesen, wonach die Amerikaner eine Schutzmaskenlieferung nach Deutschland abgefangen hätten. „Die Regierung der Vereinigten Staaten hat keine Maßnahmen ergriffen, um 3M-Lieferungen mit Ziel Deutschland umzuleiten, und wir hatten auch keine Kenntnis von einer solchen Sendung“, teilte das US-Außenministerium mit. 3M ist ein Technologiekonzern aus den Vereinigten Staaten, der unter anderem Schutzmasken herstellt. Die USA hätten ihre eigene „Produktion von Materialien im Inland erheblich“ gesteigert und versuchten zudem, „überschüssige Vorräte aus anderen Ländern zu kaufen, um unseren eigenen Bedarf zu decken“, heißt es in der Mitteilung. „Gleichzeitig arbeiten die Vereinigten Staaten solidarisch mit unseren Partnern und Verbündeten zusammen, um bedürftigen Ländern humanitäre Hilfe zu leisten und alle möglichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus zu ergreifen.“ Washington sei „besorgt über um sich greifende Versuche, die internationalen Bemühungen durch unbelegte, nicht zugeschriebene Desinformationskampagnen zu spalten“. Die Vorwürfe aus Berlin werden in der Stellungnahme jedoch nicht direkt angesprochen. Innensenator sprach von „Akt moderner Piraterie“ Am Freitag hatte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) das angebliche Verhalten der USA im Sender n-tv als „Akt moderner Piraterie“ bezeichnet. Washington habe eine Lieferung mit medizinischen Masken abgefangen, die für das Land Berlin bestimmt gewesen seien. Die USA hätten mittels eines Ausfuhrverbots dafür gesorgt, daß die Sendung auf dem Flughafen von Bangkok „konfisziert“ und in die USA weitergeleitet worden sei. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) bezeichnete den angeblichen Vorgang als „unmenschlich“. Am Samstag zog der Senat seine Anschuldigungen teilweise zurück. „Es gab eine Bestellung der Polizei von 400.000 Schutzmasken FFP2. Nicht, wie behauptet bei einer US-amerikanischen Firma, sondern bei einem deutschen Unternehmen für medizinischen Fachhandel. Die erste Marge von 200.000 Stück hat Berlin nie erreicht. Wir prüfen gerade gemeinsam mit dem Händler die Angaben zur Lieferkette.“ Auch 3M und der Flughafen Bangkok hatten die Berliner Vorwürfe nicht bestätigt. Im ZDF-„Morgenmagazin sprach Geisel am Montag nicht mehr direkt von einer Konfiszierung. „Fakt ist, wir haben eine entsprechende Lieferung bestellt, … wir haben diese Lieferung auch bezahlt“, sagte der SPD-Politiker. Die Masken seien auch auf dem Weg nach Berlin gewesen. „Unabhängig davon, ob sie … konfisziert worden sind, ob sie storniert wurden und dann in die USA umgeleitet worden sind, oder ob jemand mit dem Geldkoffer gekommen ist und es in die USA umgeleitet hat: Unsere Schutzmasken sind in den USA gelandet. Und das ist nicht in Ordnung.“ (ls) | JF-Online | Die US-Regierung hat die Vorwürfe des Berliner Senats zurückgewiesen, wonach die Amerikaner eine Schutzmaskenlieferung nach Deutschland abgefangen hätten. Am Freitag hatte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) das angebliche Verhalten der USA als „Akt moderner Piraterie“ bezeichnet. | Ausland | 2020-04-06T17:17:37+02:00 | 2020-04-06T17:17:37+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/ausland/2020/usa-weisen-vorwurf-der-konfiszierung-von-schutzmasken-fuer-berlin-zurueck/ |
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Trump droht Rußland mit Zöllen und Sanktionen | WASHINGTON DC. US-Präsident Donald Trump hat weitere Wirtschaftssanktionen gegen Rußland ins Spiel gebracht. „Angesichts der Tatsache, daß Rußland die Ukraine derzeit auf dem Schlachtfeld regelrecht ‚verprügelt‘, denke ich ernsthaft über großangelegte Bankensanktionen, Sanktionen und Zölle gegen Rußland nach, bis ein Waffenstillstand und eine endgültige Einigung über den Frieden erreicht ist. An Rußland und die Ukraine: Setzen Sie sich sofort an den Verhandlungstisch, bevor es zu spät ist. Ich danke Ihnen!!!“, schrieb Trump am Freitag auf X. „Based on the fact that Russia is absolutely ‚pounding‘ Ukraine on the battlefield right now, I am strongly considering large scale Banking Sanctions, Sanctions, and Tariffs on Russia until a Cease Fire and FINAL SETTLEMENT AGREEMENT ON PEACE IS REACHED. To Russia and Ukraine,… pic.twitter.com/kwrfbaQw4d — President Donald J. Trump (@POTUS) March 7, 2025 Zuvor hatte der US-Präsident die Ukraine unter Druck gesetzt. Anfang März ordnete er zunächst den Stop der Militärhilfe für Kiew an, wenige Tage später auch die geheimdienstliche Zusammenarbeit mit dem Land. Kurz darauf attackierte Moskau die ukrainische Gas- und Energieinfrastruktur. Einem Bericht der Washington Post zufolge erhielten indessen Teile der ukrainischen Armee ohne US-Geheimdienste keine Koordinaten mehr für Ziele außerhalb von 65 Kilometern Entfernung. Diese Entscheidungen Trumps waren auch in den eigenen Reihen unterschiedlich aufgenommen worden. So sagte der republikanische Abgeordnete Don Bacon gegenüber der US-Zeitung Politico: „Schade, daß Iran, Nordkorea und China ihre Militärhilfe und wirtschaftliche Unterstützung nicht einstellen.“ Es gebe im Rußland-Ukraine-Krieg „einen Eindringling und ein Opfer, es gibt eine Demokratie und eine Diktatur, es gibt ein Land, das Teil des Westens sein will, und eines, das den Westen haßt. Wir sollten eindeutig auf der guten Seite sein“. Der diplomatischen Eiszeit mit Kiew war ein Staatsbesuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Washington vorangegangen, der in einem heftigen Streit mit Trump und US-Vizepräsident JD Vance endete. Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden. Mehr Informationen Bei dem Wortgefecht wurden teils heftige Anschuldigungen ausgetauscht. So rechtfertigte Selenskyj die heikle Situation der Ukraine mit den Worten: „Während eines Krieges hat jedes Land Schwierigkeiten, selbst Sie würden welche haben. Sie haben einen schönen Ozean, deswegen spüren Sie das noch nicht, aber Sie werden es spüren.“ Trump reagierte harsch auf diese Äußerung: „Sagen Sie uns nicht, was wir zu spüren haben! Sie sind nicht in der Position, uns das vorzuschreiben!“ (st/fw) | JF-Online | US-Präsident Trump schlägt harte Töne gegen Rußland an und droht mit Wirtschaftssanktionen. Auch an die ukrainische Führung richtet er den dringenden Appell, einen Frieden auszuhandeln. | Trump | Ausland | 2025-03-07T18:04:34+01:00 | 2025-03-07T18:04:34+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/ausland/2025/trump-droht-russland-mit-zoellen-und-sanktionen/ |
Berlin vergibt Preis gegen „antieuropäischen Populismus“ | BERLIN. Das Land Berlin und die EU-Kommission haben angekündigt, sich stärker gegen Kritiker der Europäischen Union zu engagieren. Am Dienstag wurde deswegen erstmals die Auszeichnung „Blauer Bär“ vergeben. Den mit 1.500 Euro dotierten Preis erhielt die Initiative „Europa macht Schule“ unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Joachim Gauck. „Angesichts eines zunehmenden antieuropäischen Populismus und der Bedrohung unserer europäischen Grundwerte soll die Auszeichnung ein deutliches Zeichen des Bekenntnisses Berlins zur europäischen Integration setzen“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Dafür in Frage kämen ausschließlich Berliner Initiativen, Projekte und Personen, „die mit ihrem überwiegend ehrenamtlichen Engagement in unterschiedlichsten Gesellschafts- und Politikbereichen zum Zusammenwachsen Europas und seiner Menschen beitragen“, betonte Müller. Die Nominierungen erfolgten durch die EU-Lobbygruppe „Berliner Netzwerk Europa“. (ho) | JF-Online | Das Land Berlin hat angekündigt, sich stärker gegen Kritiker der Europäischen Union zu engagieren. Am Dienstag wurde deswegen erstmals die Auszeichnung „Blauer Bär“ vergeben, die Vereine auszeichnet die sich gegen „antieuropäischen Populismus“ engagieren. | Deutschland | 2015-05-06T10:16:18+02:00 | 2015-05-06T11:39:04+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2015/berlin-vergibt-preis-gegen-antieuropaeischen-populismus/ |
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"Selbst Herr über unsere Zukunft sein" | Herr Gollnisch, Umfragen zufolge will beim Referendum über die EU-Verfassung am 29. Mai etwa die Hälfte der Franzosen mit Ja, die andere mit Nein stimmen. Glauben Sie, daß Frankreich mit einem Nein zur EU-Verfassung diese zu Fall bringen könnte? Gollnisch: Ich glaube, daß sich das „Nein“ in Frankreich durchsetzen wird. Und tatsächlich kann das „Nein“, die Ablehnung der Ratifizierung des Textes durch ein einziges Mitgliedsland, ausreichen, und diese Verfassung wird niemals in Kraft treten können. Die EU kann ein „Nein“ Frankreichs nur schwer ignorieren oder das Ergebnis dieses Votums umgehen, wie es in Irland oder Dänemark passiert ist. Frankreich ist einer der „großen“ Mitgliedsstaaten der EU, ein Gründungsmitglied und Nettozahler. Natürlich wird man auf mancher Seite versuchen, ein solches Hindernis kleinzureden und die Abstimmung in Frankreich vielleicht gar zu wiederholen, aber es wird dann noch viel schwieriger sein zu bestehen. Wäre ein Nein Frankreichs zur EU-Verfassung das Ende der europäischen Integration, oder würde es zu einer Neuverhandlung über die Verfassung kommen? Gollnisch: Auf keinen Fall stellt das ein Ende der europäischen Integration dar, vielmehr wird die Hoffnung auf eine grundlegende Richtungsänderung geschürt. Im Falle der Ablehnung wird die EU auch weiterhin funktionieren und zwar auf der Basis der bestehenden Verträge, wie sie zuletzt in Nizza modifiziert wurden. Das Zentrum der politischen Krise müßte man dann aber nicht in Brüssel suchen, sondern vielmehr in Frankreich selbst, vor allem in der Sozialistischen Partei, welche dann die Konsequenzen ihrer internen Widersprüche zu tragen hat. Somit müssen auch Regierung und Parlament, die beide sehr für ein „Ja“ eintreten, ihre Lehren aus der Ablehnung durch das Volk ziehen. Der Verlauf des nationalen Ratifikationsprozesses nach einem „Nein“ der Franzosen könnte dazu führen, daß sich auch andere Mitgliedsstaaten motiviert sehen, die Verfassung abzulehnen. Bei fünf oder sechs „Nein“-Ergebnissen müßte die EU-Verfassung im Falle einer Neuverhandlung unter komplett anderen Gesichtspunkten erarbeitet werden, was dann zumindest die nach Brüssel abgetretenen Politikbereiche betrifft. Die Befürworter der EU-Verfassung, allen voran Präsident Jacques Chirac, argumentieren, daß Frankreich bei einer Ablehnung der EU-Verfassung in der EU politisch isoliert und an Einfluß verlieren würde. Sehen Sie das auch so? Gollnisch: In keinster Weise. Als sich Frankreich gegen den zweiten Irak-Krieg stellte, und sich viele seiner europäischen Partner sowie beinahe alle Beitrittskandidaten hinter Washington stellten, war Frankreich damals isoliert? Ganz im Gegenteil, man hat die verbliebenen Mitstreiter wiedervereint. Und mit mehr Entschlossenheit hätte Frankreich noch weiter gehen können. Wie viele Völker Europas, die nicht von deren Regierung um ihre Haltung gefragt wurden, ich denke da vor allem an die Deutschen, stehen dem Text ablehnend gegenüber? Auch unter den Befragten werden es mehrere Völker Europas als Opfer des pro-europäischen medialen Drucks nicht wagen, mit „Nein“ zu stimmen, weil sie denken, ihres wäre ohnehin nur eines der „kleinen“ Mitgliedsländer oder vielleicht gar ein EU-Neumitglied, aber diese könnten dank des französischen Beispiels derartige Hemmschwellen überwinden! Frankreich ist weit davon entfernt, isoliert zu sein, und wird als Wegbereiter auftreten, der das Wort erhebt im Namen aller europäischen Völker, die das Projekt der EU-Verfassung ablehnen. Ein anderes Argument der Befürworter lautet, daß mit der in der EU-Verfassung vorgesehenen gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik Europa mit einer Stimme spräche, was notwendig sei, damit Europa in der Weltpolitik eine Rolle spielen kann. Wie kann sich Europa in der Welt, vor allem im Verhältnis zu den USA, behaupten? Gollnisch: Mit einer Stimme sprechen? Genau in diesem Bereich ist die Verfassung selbst alles andere als eindeutig. Wer spricht denn da jetzt für wen? Der europäische Super-Minister für außenpolitische Angelegenheiten oder der Ratspräsident, die ja ohnehin beide damit betraut sind, die EU nach außen hin zu repräsentieren? Wer wird in dieser Angelegenheit das Wort haben? Die Stimme der EU in ihrer Entität, die gegen die unterschiedlichen Interessen des einen oder anderen Mitgliedslandes spricht, oder jene, welche die Interessen aller Mitglieder vertritt? Wenn sich Brüssel also weigert, die Klausel zum Schutz vor der chinesischen Textilüberschwemmung ins Spiel zu bringen, entspricht das mit Sicherheit den Erwartungen jener Länder, die nicht in der Textilindustrie engagiert sind, während diese Entscheidung für die gesamte EU steht: Schon alleine wegen der globalen Einigkeit besteht kein Interesse, einen wirtschaftlichen Konflikt mit China vom Zaun zu brechen. Und schon gar nicht, wenn der Preis dafür mehrere Zigtausende zusätzliche Arbeitslose wären. Eine gewichtige Rolle in der internationalen Politik zu spielen, würde des weiteren bedeuten, auch eine unabhängige und konsequente militärische Gewichtigkeit zu präsentieren. Nun aber besagt der Artikel I-41 §7 der Verfassung sehr klar, daß die von den USA dominierte Nato das Fundament der EU-Verteidigung darstellt und auch als eingreifende Instanz fungiert. Anders gesagt, das politische Gewicht der EU hängt unweigerlich von Washington ab! Ich sehe keine Veranlassung, für diesen Verfassungstext zu stimmen, wenn die Stimme Europas jene von Mr. Bush sein wird. Inwieweit spielen Gründe wie etwa der auch in Frankreich unpopuläre EU-Beitritt der Türkei oder die Dienstleistungsrichtlinie der EU für die ablehnende Haltung der Franzosen eine Rolle? Gollnisch: Diese Themen sind eng miteinander verbunden. Die Türkei hat teilgenommen am Konvent und der zwischenstaatlichen Konferenz zur Entwicklung der Verfassung. Ebenso hat sie den finalen Akt in Rom am 29. Oktober 2004 unterzeichnet. Der Text wurde so auf den Beitritt eines muslimischen Landes in die Europäische Union adaptiert, daß alle Bezüge auf die christlichen Wurzeln Europas gestrichen wurden. In der Verfassung hängt die Gewichtigkeit jedes Mitgliedsstaates in den Institutionen prinzipiell von der jeweiligen Bevölkerungszahl ab. Anders gesagt, die Türkei mit perspektivisch 100 Millionen Einwohnern wäre dann das Land mit dem meisten Einfluß auf die europäischen Entscheidungen! Was die oft erwähnte Richtlinie von Ex-EU-Kommissar Frits Bolkestein betrifft, so sind die Grundsätze, darunter auch jener Grundsatz des Herkunftslandes, in die Verfassung aufgenommen worden, und zwar in den Artikeln III-144 bis III-148. Ein „Nein“ zur Verfassung wäre also gleich bedeutend mit einem „Nein“ zum Beitritt der Türkei sowie der multikulturellen Ausweitung der EU. Aus welchen Gründen lehnt Ihre Partei die EU-Verfassung ab? Gollnisch: Die Worte sind niemals unschuldig. Wenn der Text als Verfassung bezeichnet wird, heißt das, es wird ein Staat gegründet. In diesem Falle ein europäischer Super-Zentralstaat, der über alle Nationen hinwegschreitet. Der wesentliche Grund, der uns antreibt, ist, daß wir unsere Identität wahren und selbst Herr über unsere Zukunft sein wollen. Damit verteidigen wir das Recht eines jeden Volkes, vor dem Hintergrund der eigenen Identität selbst darüber entscheiden zu können. Halten Sie eine Verfassung für die EU überhaupt für sinnvoll? Welche Kompetenzen sollte Brüssel haben, und welche sollten bei den Mitgliedstaaten bleiben? Gollnisch: Wir stehen einem europäischen Einheitsstaat und der ganzen Verfassung ablehnend gegenüber. Das einzig vertretbare Projekt in diesem Rahmen ist jenes eines Kooperationsvertrages der den souveränen Staaten erlaubt, in frei gewählten Interessensbereichen zusammenzuarbeiten. Und das ist auch möglich, ohne sich durch die Brüsseler Bürokratie kämpfen zu müssen, wie es die Erfolge von Airbus und Ariane bewiesen haben. Diese Projekte sind dem Brüsseler Europa absolut keine Rechenschaft schuldig. Im Gegenteil, wenn Brüssel seine Nase in alle diese Angelegenheiten gesteckt hätte, indem Monopole und staatliche Unterstützungen verboten worden wären, hätte man diese Projekte niemals aus der Taufe heben können. Es sind nicht nur wirtschaftliche Bereiche, in denen eine derartige Kooperation möglich wäre: Die Polizeieinheiten etwa haben nicht erst einen EU-Vertrag benötigt, um kooperieren zu können. Interpol und der internationale Haftbefehl existieren seit Jahrzehnten. Was sind die dringendsten Aufgaben, die Europa künftig lösen muß? Gollnisch: Das ist vor allem das demographische Problem. Es ist unbedingt nötig, die Geburtenraten in allen Ländern Europas zu dynamisieren indem man familienfreundliche politische Aktivitäten in die Tat umsetzt. Davon hängt nämlich eine Vielzahl von Bereichen ab: das Überleben unseres sozialen Schutzsystems, das Wirtschaftswachstum, unsere internationale Position, aber natürlich auch der Weiterbestand unserer Identität. Die Natur hat Angst vor dem Vakuum, sagt man. Der demographische Einbruch, der sich in Europa abzeichnet, fördert die massive Zuwanderung und somit das Ersetzen unserer Bevölkerung durch nicht-europäische Bevölkerungsgruppen, die leider viel zu oft keine Bereitschaft zeigen, sich hier zu integrieren, sondern vielmehr darauf abzielen, uns heute deren Gesetze und Sitten aufzudrängen. Genau das wäre durch die Europäische Verfassung zusätzlich erleichtert, jenem Text, der jede Diskriminierung auf nationalen Ebenen verbietet, den Mitgliedsländern jedes Recht entzieht, über den Zutritt Fremder auf das eigene Territorium zu entscheiden, und ihnen vorschreibt, auch all jene aufzunehmen, die sich vielleicht aus x-beliebigen Gründen im EU-Gebiet aufhalten. Nur eine kühne Familienpolitik, eine restriktive Immigrationspolitik und eine komplett neu überdachte Politik der Entwicklungshilfe könnten diese Probleme lösen. Prof. Dr. Bruno Gollnisch , Jahrgang 1950, ist seit 1980 Rechtsanwalt in Paris und seit 1981 Professor für Japanisch und japanische Kultur an der Universität Lyon. Seit 1986 Mitglied des politischen Vorstands und seit 1995 Generalsekretär des Front National (FN). Außerdem ist Gollnisch Mitglied des Stadtrats von Lyon und Mitglied des Regionalrates von Rhônes-Alpes. Im EU-Parlament ist Gollnisch seit 1989, derzeit Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, Vize-Mitglied im Ausschuß für Verkehr und Fremdenverkehr sowie Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu Japan. Foto: Bruno Gollnisch im EU-Parlament: Es droht ein Super-Zentralstaat, der über alle Nationen hinwegschreitet weitere Interview-Partner der JF | JF-Online | Herr Gollnisch, Umfragen zufolge will beim Referendum über die EU-Verfassung am 29. Mai etwa die Hälfte der Franzosen mit Ja, die andere mit Nein stimmen. | Politik | 2005-05-20T00:00:00+02:00 | 2005-05-20T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/2005/selbst-herr-ueber-unsere-zukunft-sein/ |
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„Wir sind die Wende“ | Sie war als „Mega-Demo“ angekündigt worden. Seit Tagen trommelten einschlägige Gruppen in sozialen Medien für Kundgebung und sogenannte Spaziergänge in Magdeburg für diesen Samstag. Treffpunkt: Der Alte Markt. Rund 1.500 sind auf dem Platz erschienen. Tausende weitere stehen auf den Straßen davor. Die Polizei hat den Markt abgeriegelt, will verhindern, daß Abstände nicht eingehalten werden. Doch Regeln sind in den Augen der meisten Demo-Teilnehmer ohnehin nur Verordnungen eines Staates, dem sie zutiefst mißtrauen und die Anerkennung verweigern. Maskenpflicht? Kaum einer trägt den Mund-Nasen-Schutz. Abstand? Wird trotz reduziertem Einlaß von vielen nicht eingehalten. „Das System ist am Ende, wir sind die Wende“, ruft jemand aus der Menge während des Spaziergangs durch die Innenstadt. Mit dem System meinen nicht wenige der Demonstranten die Bundesrepublik Deutschland. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, wer mit „Wir“ gemeint ist. Denn die Protestler, die in diesen Tagen in Hunderten deutscher Städte auf die Straße gehen, sind keine homogene Gruppe. Esoteriker aus dem grün-alternativen Milieu sind ebenso darunter wie Sarah-Wagenknecht-Fans aus der Linkspartei oder AfD-Anhänger des Höcke-Flügels. Tausende Demonstranten ziehen am Samstag nachmittag durch #Magdeburg und protestieren gegen die #Corona-Maßnahmen. Sie skandieren unter anderem: „Friede, Freiheit, keine Diktatur!“ #md0801 pic.twitter.com/HnD9NeiEb5 — Junge Freiheit (@Junge_Freiheit) January 8, 2022 In Magdeburg ist es die Ärztin und Heilpraktikerin Carola Javid-Kistel, die als eine der ersten auf der am Alten Markt aufgebauten Bühne das Wort ergreift. Vor einem Jahr hatte die Polizei ihre Naturheilpraxis im niedersächsischen Duderstadt nach Beweismaterial durchsucht. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen die 55jährige Anklage wegen Urkundenfälschung erhoben. Sie soll zwischen April 2020 und März 2021 gleichlautende Atteste ausgestellt haben, mit denen bescheinigt wird, daß die jeweiligen Personen aufgrund gesundheitlicher Probleme aus ärztlicher Sicht vom Maske tragen befreit seien. Javid-Kistel soll laut Anklage jedoch gewußt haben, daß es solche Einschränkungen bei ihren „Patienten“ überhaupt nicht gab. Die Atteste waren später auf einer Corona-Demonstration in Hannover aufgetaucht und hatte die Ankläger auf ihre Spur gebracht. „Die Menschen werden krank- und totgeimpft“, ruft sie auf dem Alten Markt von Magdeburg in die Menge. Die Impfungen seien „der größte Genozid, der die Erde gerade überzieht, es ist Völkermord“. Ihre Tochter habe sie „rausgebracht“. Raus aus Deutschland, nach Albanien. Dort habe sie „tolle Leute kennengelernt“, die „auch im Widerstand“ seien. „Die Deutschen müssen ungehorsamer werden, Schluß mit dem Kadavergehorsam“, schreit die Heilpraktikerin ins Mikrofon. Jubel und Beifallsbekundungen unter den Zuhörern. Es sind Männer in Flecktarnhosen und -jacken. Männer mit langen Bärten. Einige mit langen Haaren, andere mit kahlrasiertem Haupt. Leute mit großen Ohrlöchern, sogenannten Fleshtunnel. Frauen mit Rastazöpfen und gefärbten Haaren. Andere sind in Thor-Steinar-Pullover gekleidet oder tragen Totenkopf-Kutten. Auch mutmaßliche Rechtsradikale sind darunter, vermummen sich vor der Polizei oder tragen dunkle Sonnenbrillen. Einige der Protestler haben Plakate und Transparente mitgebracht. „Zurück in die Zukunft“, steht auf einem zur DDR-Fahne gebastelten Transparent. „Wenn Widerstand zur Pflicht wird“, auf einem anderen, das eine junge Frau hochhält. „Wer unter Medienmachern seine Restglaubwürdigkeit bewahren will, muß spätestens jetzt Konsequenzen ziehen“, steht ein Zitat des Journalisten Milosz Matuschek darunter. Matuschek war unter Impfgegnern zu einer Art Märtyrer geworden, nachdem er im September 2020 in einer Kolumne der Neuen Zürcher Zeitung von „kollabierter Kommunikation“ sprach und fragte: „Was, wenn die ‘Covidioten’ Recht haben?“ Nachdem Matuschek dem Verschwörungsportal KenFM die Erlaubnis zur Zweitverwertung seines Artikels erteilte, war es zum Eklat zwischen dem Autor und seiner Zeitung gekommen, das Blatt beendete die Zusammenarbeit mit ihm. Eine ältere Frau hält ein Pappschild in der Hand. „Laßt euch von den Klaus Schwabs dieser Welt nichts mehr diktieren, und ihr könnt fortan angstfrei und glücklich sein“, heißt es da. Schwab ist Gründer und geschäftsführender Vorsitzender des Weltwirtschaftsforums, der aufgrund seiner Initiative „The Great Reset“ als Haßfigur in der Demo-Szene gilt. Seine Kritiker wittern in seinen Plänen die Errichtung einer neuen Weltordnung. Bis weit ins bürgerliche Lager hinein stößt sein Projekt auf Skepsis. Unterdessen kündigt einer der Organisatoren die nächste Rednerin an, nachdem er Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff „und seine Schergen“ für deren Demo-Beschränkungen kritisiert hat. Es ist die AfD-Bundestagsabgeordnete Christina Baum, eine enge Vertraute Björn Höckes und Anhängerin des offiziell aufgelösten „Flügels“ der Partei. Immer wieder kommt es auch zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizisten. #md0801 pic.twitter.com/a58VtacTKX — Junge Freiheit (@Junge_Freiheit) January 8, 2022 „Liebe Polizisten, ihr werdet euch eines Tages entscheiden müssen, auf welcher Seite ihr steht. Auf der Seite des deutschen Volkes oder auf der anderen Seite. Der Tag dazu ist noch nie so nahe gewesen.“ Starke Beifallsbekundungen auf dem Marktplatz. Zuvor hatten die Organisatoren der Demonstration zum Kundgebungsauftakt betont: „Die Polizisten machen nur, was sie tun müssen, sie sind nicht unsere Feinde.“ Davon ist während der Spaziergänge wenig später nicht immer etwas zu spüren. Mehrfach kommt es zu Rangeleien zwischen radikalen Protestlern und den Beamten. Der Großteil der Demonstranten bleibt jedoch abgesehen von einer aufgeheizt-aggressiven Stimmung friedlich. Mit Trillerpfeifen und Sirenen ziehen sie durch die Magdeburger Altstadt, skandieren „Freiheit“ und „Wir sind das Volk“. Einige Protestler versuchen, eine Polizeiblockade zu durchbrechen, rufen „Straße frei“. Plötzlich wieder Gerangel, dann Geschrei. Ein kahlköpfiger Mann geht zu Boden, einige Demonstranten beschimpfen die Polizisten, andere skandieren „Wir sind friedlich, was seid ihr?“ Pressevertreter werden bei Erscheinen mit dem Ruf „Lügenpresse“ begrüßt. Doch die Polizeiblockade hält, die Protestler ziehen sich zurück. „Wir finden einen anderen Weg“, ruft eine ältere Frau. Impressionen vom heutigen Tag in #Hamburg.#HH0801 pic.twitter.com/PebXfWndoQ — Christian Horst (@chr_horst_hh) January 8, 2022 Stundenlang war die Magdeburger Innenstadt durch die „Spaziergänger“ lahmgelegt. Laut Polizei waren es rund 5.000 Teilnehmer. Noch größer und teils mit Rekordbeteiligungen fielen die Demonstrationen in Hamburg aus. Rund 16.000 Menschen hatten sich dort an den Protesten beteiligt, erwartet wurden lediglich 11.000. Auch in Freiburg (6.000 Teilnehmer), Frankfurt am Main (5.000 Demonstranten), Berlin und Schwerin (bis zu 2.000 Teilnehmer) fanden größere Protestkundgebungen statt. Vor dem Düsseldorfer Landtag hatten sich Polizeiangaben zufolge rund 6.000 Menschen versammelt. Angemeldet waren 2.000. Laut einem Demonstrationskalender fanden an diesem Samstag Dutzende Demonstrationen gegen die geplante allgemeine Impfpflicht und härtere Corona-Maßnahmen statt. Aus der Politik kommen inzwischen Forderungen, die Pläne für eine solche Impfpflicht zurückzunehmen. Auch für Sonntag und Montag sind weitere Kundgebungen geplant. Aufhören wollen die Veranstalter und Protestler vorerst nicht. | Hinrich Rohbohm | Erneut gingen deutschlandweit Zehntausende gegen die geplante Impfpflicht und Corona-Maßnahmen auf die Straße. Eine „Mega-Demo“ war in Magdeburg angekündigt. Dem Ruf der Veranstalter folgten Tausende – von ganz rechts bis ins grün-alternative Milieu. Eine Reportage. | Corona | Deutschland | 2022-01-09T06:46:58+01:00 | 2022-01-10T12:20:34+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2022/corona-protest-magdeburg/ |
„Internationale Legionen könnten nach Waffenlieferungen gleich loslegen“ | Der Ukraine-Krieg tobt auch zu Wasser. Dabei geht es beispielsweise um die Blockade der Häfen durch die russische Marine. Kriegsschiffe sind allerdings nicht entscheidend, sagt der Militärexperte Alexander Jag im zweiten Teil des Interviews mit der JUNGEN FREIHEIT. Und welche Rollen spielen eigentlich die ausländischen Freiwilligen, die zu Beginn des Krieges große mediale Aufmerksamkeit erfahren haben? Und wie sieht die russische Strategie für den Winter aus? Viel ist anfangs des Krieges über den Einsatz von ausländischen Freiwilligen in einer eigens aufgestellten ukrainischen Fremdenlegion spekuliert worden. Haben Sie Informationen, wie viele Ausländer dem Ruf gefolgt sind und wie sie sich schlagen? Jag: Offiziell sind derzeit 30.000 Mitglieder der ukrainischen Fremdenlegion im Land aktiv. Es sollen auch noch die gleichen Leute wie zu Beginn des Krieges sein, eine Rotation wird jedoch wohl bald stattfinden. Anderenfalls wären auch die physischen Belastungen nach den Monaten im Einsatz an der Front zu hoch. Insgesamt dürften sich aber rund 60.000 ausländische Kämpfer in der Ukraine aufhalten. Es gibt ja noch Einheiten wie beispielsweise die georgische, tschetschenische und dagestanische Legion und weitere Einheiten; also viele Truppen aus anderen Ländern, die in deutschen Medien nicht vorkommen. Zu erwähnen ist auch die Einheit „Freies Rußland“, die aus übergelaufenen Russen besteht, die nun für die Ukraine kämpfen. Von den Kämpfern der internationalen Legionen haben viele die Fähigkeit, mit westlichen Waffensystemen umzugehen. Somit können sie bei entsprechenden Waffenlieferungen der US-Amerikaner, Franzosen und Briten das Material übernehmen und gleich loslegen. Das gilt auch für Panzer wie den Marder. Aufgrund der ausbleibenden Weizen-Exporte aus der Ukraine befürchten Experten eine weltweite Hungersnot. Hat die Ukraine die Möglichkeit nach der Versenkung des russischen Flaggschiffs „Moskwa“ die Blockade ihrer Häfen zu durchbrechen? Wie stellt sich der Seekrieg allgemein dar? Jag: Das Problem beim Thema Getreideversorgung der Welt aus der Ukraine ist weniger ein logistisches Problem. Denn das Straßennetz ist intakt. So könnten Weizen, Mais und ähnliches mit LKW transportiert werden. Das Problem ist die Existenz des Getreides, der Lebens- und Futtermittel. Denn es gehört auch zur russischen Strategie, den Hunger als Waffe einzusetzen. Dazu werden Nahrungslager gezielt bombardiert und Felder abgebrannt. Wie gesagt, es geht weniger um logistische Probleme in dem Zusammenhang der Getreideversorgung. So gesehen ist eine Hafenblockade da nur ein Baustein. Das Problem bei Hafenblockaden sind auch nur zum Teil die Schiffe, der andere Teil sind Minen. Denn die Russen haben ihre Schiffe bereits weitgehend zurückgezogen. Sie müssen nämlich davon ausgehen, daß die Ukrainer über britische und dänische Anti-Schiffsraketen verfügen, die eine hohe Reichweite haben. Die Versenkung der „Moskwa“ ist so ein Beispiel. Die Minen sind das größere Problem bei der Verschiffung von Getreide. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung des Krieges? Wird es einen Abnutzungskrieg geben? Falls ja, wer hätte da die besseren Chancen? Jag: Die russische Strategie sieht vor, den Krieg bis Anfang Januar am Leben zu erhalten. Denn dann setzen die Minusgrade in der Ukraine ein. Da reden wir von bis zu Minus 25 Grad, mitunter bis zum März. In der Zeit würden Angriffe auf Heizwerke und Nahrungslager dazu führen, daß die Bevölkerung bei geschätzten Minus 15 Grad Zimmertemperatur ohne Nahrung in ihren Häusern ausharren müßte. Das wäre dann ein Genozid, bei dem das Wetter die Dreckarbeit erledigt. In dem Kalkül würden die Ukrainer dann im Frühjahr geschwächt aufgeben oder wären nicht mehr zur Gegenwehr fähig. Wie kalkuliert die Gegenseite? Jag: Der Westen hingegen will den Krieg daher bis zum Winter beenden. Daher wird es nochmal eine Flut von Waffenlieferungen an die Ukraine geben. Auch pazifische Staaten wie Japan, Korea und Australien beteiligen sich daran. So könnte sich die Kriegslage insgesamt bis zum Winter ohne Androhung des Einsatzes von Atomwaffen stabilisiert haben. Sollte das dem Westen nicht gelingen, wird es wohl im Frühwinter zum Einsatz von Nato-Truppen in der Ukraine kommen. Dann wäre das Ziel, den Krieg über den Winter einzufrieren und das Land zu stabilisieren, damit die Ukrainer nicht erfrieren und im Frühjahr würden die Kämpfe schlimmstenfalls von Neuem aufflammen. Im Moment ist es ein Abnutzungskrieg mit Materialschlachten wie im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront. Die Vorteile liegen dabei auf Seiten der Ukraine. Da das Land einen Verteidigungskrieg um seine Existenz führt, kann es fast hundert Prozent seiner Ressourcen und seines Humankapital aktivieren. Nach Schätzungen stehen derzeit eine Million Menschen in der Ukraine unter Waffen. Insgesamt hat die Regierung Zugriff auf rund 15 Millionen Männer zwischen 18 und 60 Jahren. Aber auch Frauen melden sich zur Armee. Moskau hingegen hat das Problem, seine Leute überhaupt motivieren zu müssen, da es nicht bedroht ist. Zudem ist Rußland heute schwächer als es die Sowjetunion war und weniger ideologisch radikalisiert. Dabei gilt zu bedenken: Die Sowjets mußten sich nach einem langen Guerrillakrieg geschlagen aus Afghanistan zurückziehen. Wie sehen Sie die Chance, daß die Ukraine eine Gegenoffensive starten kann? Welche Voraussetzungen müßten dafür erfüllt sein? Jag: Jetzt im Sommer wird es noch verschiedene Gegenoffensiven der Ukrainer geben. Aber wirklich strategische Gegenoffensive starten erst dann, wenn die meisten westlichen Waffen angekommen sind. Das könnte dann Spätherbst bis Frühwinter werden. Das Ziel wird dann der Donbass sein. Am Ende dessen wird nicht nur der Donbass, sondern auch Donezk und Luhansk wieder ukrainisch sein. Die Krim wird nicht angegriffen werden. Die wird vielmehr über einen jahrelangen Prozeß mittels „soft power“ zurückgeholt. Es sind ja gerade 700 Milliarden Dollar russischen Vermögens eingefroren. Womöglich wird der Internationale Gerichtshof dieses Geld nach dem Krieg quasi als Enteignung der Ukraine für Reparationen zugeschlagen. So kann das Land mit dem Geld seinen Wiederaufbau bestreiten und wird sich damit auch verbessern. Gleichzeitig wird Rußland durch die bestehenden Embargos immer ärmer und der Lebensstandard sinkt dort weiter. Diese Entwicklung wird auch auf der Krim registriert werden, wo man sich dann wieder von Moskau abwenden wird. Und wenn es zehn Jahre dauert, die Krim wird irgendwann freiwillig zur Ukraine zurückkommen; schon aufgrund des dort höheren Lebensstandards. Denn der Mercedes und das iPhone sind attraktiver als ein rostiger Lada und ein Mobiltelefon aus gelbem Plastik. | Alexander Graf | Der Ukraine-Krieg wirft für die Öffentlichkeit viele Fragen auf. Der Militärexperte Alexander Jag beantwortet die oft gestellten, beispielsweise nach Aussichten der Ukraine für Gegenoffensiven, ausländischen Freiwilligen oder Strategien der Konfliktparteien. Lesen Sie hier den zweiten Teil des JF-Interviews. | Waffen | Interview | 2022-06-20T17:38:01+02:00 | 2022-06-20T18:48:57+02:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/interview/2022/ukraine-waffensysteme/ |
Die Hüpfecke bleibt leer | Die Sonne scheint an diesem Montagmorgen auf den Dom an der Berliner Museumsinsel. Schon von weitem sieht man die vielen weißen Zeltdächer und Ballons, die den Besucher zum ersten Deutschen Familientag am 15. Mai lotsen. „Jetzt ist Familie drin“ – heißt das Motto des Tages. Mit dem Familientag, der unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler steht, will die Bundesregierung eine „Aufbruchstimmung“ für mehr Familie erzeugen. In der Zeltstraße präsentieren sich unter anderem die „Lokalen Bündnisse für Familie“, die Kirchen, Wissenschaftler und prominente Unterstützer aus Wirtschaft und Politik. Angekündigt für den Tag sind neben den vielen „Fachforen“ und „Themeninseln“ eine Rede von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), ein Rundgang mit der Ministerin und dem Bundespräsidenten, ein Weltrekordversuch für das größte Familienfoto der Welt und viele Bühnenprogramme für Kinder. Für die Fachforen haben sich über 1.300 Interessenten angemeldet, aber da der Familientag eine öffentliche Veranstaltung ist, könne man keine genauen Aussagen über die Besucherzahlen treffen, sagt die Sprecherin der Veranstaltung, Sophie Matz. Am Vormittag ist noch nicht viel los – man kann sich also an jedem Stand Zeit nehmen, um sich in aller Ruhe über das Familienleben in Deutschland zu informieren. Es gibt, zumindest bis dahin, kein Gedrängel, keine gestreßten Aussteller und keine quengelnden Kinder. Ja, bisher gibt es überhaupt keine Kinder. Die Hüpfecke ist leer, der Janosch-Stand ebenso. Ein Mann steht davor mit einem Handvoll gelber Papierfahnen zum Verteilen – nur gibt es keine Kinder, die sie haben wollen. An dieser Stelle wird deutlich, wie bitter notwendig Familienförderung in Deutschland ist. Nachdem man die hinterste Ecke der Zeltstraße erreicht hat, ist dann plötzlich doch Kinderlachen zu hören. Als nächstes sieht man einen zwei Meter großen Plüschlöwen mit seinem Freund dem Frosch einen Tänzchen machen. Circa zwanzig Kinder im Kindergartenalter amüsieren sich darüber prächtig. Die kleinsten Besucher des Familientages sitzen hier in der Kinderbetreuungsstätte und frühstücken gemeinsam, während ihre Eltern sich über die verschiedene Initiativen informieren. An Information gibt es hier mehr als genug. Als Besucher wird man von dem vielseitigen Angebot regelrecht überfordert. Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, generationenüberbrückende Zusammenarbeit und bürgerschaftliches Engagement sind nur ein paar Probleme, die in den Fachforen diskutiert werden. Vertreten sind alle denkbaren Organisationen, die sich in irgendeiner Art und Weise mit Familien im Zusammenhang sehen. Von der Katholischen Kirche bis hin zu der anthroposophischen Firma Weleda, die „ganzheitliche“ Körperpflegeprodukte und Arzneimittel herstellt, ist alles zu finden. Die einen fordern alte Werte zurück, die anderen dagegen, daß alternative Familienformen gesellschaftlich akzeptiert werden. Ein paar Männer verteilen Flugblätter zum Thema Väterrechte. Soviel wäre über Familien zu sagen – fragt sich nur, warum das alles in Deutschland von den Politikern nicht schon viel früher propagiert wurde. Es verwundert freilich, daß diese gut strukturierte Veranstaltung der Familienministerin in Berlin ausgerechnet an einem ganz normalen Montag stattfinden muß. Viele interessierte Familien konnten vermutlich deshalb daran nicht teilnehmen. Vielleicht erklärt dies auch die bescheidene Zahl der anwesenden Kinder jenseits des Kindergartenalters: Montag war in der Hauptstadt ein ganz normaler Schultag. Essensgutscheine für die Experten Was die Veranstaltung letztlich bringen wird, bleibt offen. Ob junge Menschen dadurch tatsächlich animiert werden, Familien zu gründen, ist fraglich. Ebenso der finanzielle Aufwand, immerhin haben alle 1.300 angemeldeten Besucher Essensgutscheine über vier Euro erhalten. Auch wenn dies nur ein kleiner Betrag im Haushalt des Familienministeriums sein mag, stellt sich dennoch die Frage, ob das Geld im Sinne der Familien nicht an anderer Stelle besser eingesetzt gewesen wäre. | JF-Online | Die Sonne scheint an diesem Montagmorgen auf den Dom an der Berliner Museumsinsel. Schon von weitem sieht man die vielen weißen Zeltdächer und Ballons, die | Politik | 2006-05-19T00:00:00+02:00 | 2006-05-19T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/2006/die-huepfecke-bleibt-leer/ |
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Neue Vorwürfe gegen Sebastian Edathy | HANNOVER. Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft Hannover mehr kinderpornographisches Material heruntergeladen haben, als bisher bekannt war. Demnach habe Edathy noch im November 2013 über die Server des Bundestags gezielt illegale russische Internetseite besucht, berichtet der Spiegel. Dort soll er „einschlägiges kinderpornograpisches Material“ heruntergeladen haben. Die Internetadressen waren laut dem Magazin nicht über einen Namen, sondern nur über eine Zeichenkombination auffindbar. Dies ist ein beliebtes Mittel von Verkäufern illegaler Inhalte, um ihren Internetauftritt zu verschleiern. Gericht entscheidet über Anklage Zuletzt soll der SPD-Politiker die Seiten am 10. November 2013 aufgerufen haben. Vier Tage, bevor bekannt wurde, daß ein kanadischer Versandhandel, der auch Kinderpornos verkaufte, von der Polizei geschlossen wurde. Dort war auch Edathy Kunde. Nach eigenen Angaben soll das von ihm bestellte Material jedoch nicht gesetzeswidrig gewesen sein. Gegen Edathy wird seit Monaten wegen des Verdachts des Kaufs von kinderpornografischem Material ermittelt. Derzeit muß das Landgericht Verden entscheiden, ob die Vorwürfe für eine Anklage ausreichen. (ho) Mehr zum Fall Edathy: https://jungefreiheit.de/thema/sebastian.edathy/ | JF-Online | Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft Hannover mehr kinderpornographisches Material heruntergeladen haben, als bisher bekannt war. Demnach habe Edathy noch im November 2013 über die Server des Bundestags gezielt illegale russische Internetseite besucht. | Deutschland | 2014-11-10T14:43:30+01:00 | 2014-11-10T15:46:29+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2014/neue-vorwuerfe-gegen-sebastian-edathy/ |
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Für Schweden war der Ukrainekrieg ein echter Weckruf | IHR DIGITALER ZUGANG. Einfach registrieren und weiterlesen.
Sie sind bereits Digital-Abonnent? Hier anmelden. | Ferdinand Vogel | Schweden hat seine Lehren aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gezogen und rüstet auf. Im Konzept der „Totalen Verteidigung“ hat jeder seine Rolle. So ist Stockholm auf dem Weg, auch für das Baltikum unverzichtbar zu werden. Eine Einschätzung von Ferdinand Vogel. | Schweden,Militär | Ausland | 2024-12-22T15:47:57+01:00 | 2024-12-22T17:08:58+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/ausland/2024/fuer-schweden-war-der-ukrainekrieg-ein-echter-weckruf/ |
Zwielichtige Finanzierung | Zwei Jahre schwelte der Streit um den Bau einer schiitischen Moschee im Frankfurter Stadtteil Hausen. Anwohner, Vertreter einer Bürgerinitiative und Mitglieder einer freikirchlichen sowie einer russisch-orthodoxen Gemeinde protestierten vergeblich gegen kulturelle Überfremdungstendenzen und das dritte islamische Gotteshaus innerhalb des Stadtareals (JF 42/07). 2008 erteilte die Stadt die Genehmigung zur Errichtung des Gebäudes mit seinem 16 Meter hohen Minarett. Nicht nur die örtliche „Antifa“, die Kritiker des Bauvorhabens als „Rassisten“ beschimpft hatte, jubilierte über diese Entscheidung. Nun wurde am Samstag ohne Gegenproteste der Grundstein im Beisein hochrangiger Politiker gelegt. Die Anwohner waren von der Gemeinde zur Grundsteinlegung eingeladen worden, doch nur sehr wenige erschienen. Und somit konnten sie auch nicht miterleben, wie Hessens Justiz- und Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) seine Freude über den Moscheebau zum Ausdruck brachte, diesem „eine gesegnete Zukunft“ wünschte und sein Gefühl äußerte, daß die schiitische Gemeinde fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehe. Deutschland sei ein Einwanderungsland, sagte Hahn, zudem aber auch ein Land mit einem zu respektierenden Wertesystem, das Religionsfreiheit, Gleichberechtigung der Geschlechter und die Freiheit des Individuums beinhalte. Frankfurts Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne), die einst protestierenden Anwohnern den Fortzug nahegelegt hatte, erklärte, daß Moscheen zur Stadt gehörten, weil Muslime zur Stadt gehörten. Es müsse gesellschaftliche Offenheit für Moscheen geben, aber auch Offenheit in Moscheen. Gabriele Scherle, evangelische Pröbstin für Rhein-Main, ergänzte, die Anerkennung der Tatsache, daß Menschen auch anders leben und glauben, habe die christlichen Kirchen „menschlicher und ihre Botschaft biblischer“ gemacht. Als Mittel gegen die Bildung muslimischer Parallelgesellschaften und als „Motor der Integration“ bezeichnete der Generalsekretär der Hazrat-Fatima-Gemeinde, Ünal Kaymakci, die neue Moschee. Bei der Feier äußerte er, daß sich Parallelgesellschaften eher in Hinterhofmoscheen entwickelten, in denen es keinen Kontakt zur Außenwelt gebe. Nach der Fertigstellung Ende nächsten Jahres soll die Moschee als Anlaufpunkt Platz für 300 Gläubige bieten. Der Imam der Gemeinde, Sabahattin Türkyilmaz, wertete den Bau als Grundstein für Dialog und Annäherung: „Auch wenn wir einen anderen Glauben haben, ist Deutschland unsere Heimat.“ Zwielichtig bleibt die Finanzierung des Bauvorhabens. Von den rund drei Millionen Euro Baukosten konnten nur etwa 300.000 Euro an Spenden gesammelt werden. Der Rest wurde über Bankkredite finanziert, „mitten in der Finanzkrise“, wie die Freien Wähler kritisch anmerkten. Aus welchen Motiven Banken derart viel Geld für ein im Ernstfall nicht veräußerbares Gebäude herausgeben, wer hierfür möglichenfalls Bürgschaften hinterlegt hat, bleibt unbekannt. so bedaure ich das sehr und entschuldige mich ausdrücklich." | JF-Online | Zwei Jahre schwelte der Streit um den Bau einer schiitischen Moschee im Frankfurter Stadtteil Hausen. Anwohner, Vertreter einer Bürgerinitiative und | Politik | 2009-06-19T00:00:00+02:00 | 2009-06-19T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/2009/zwielichtige-finanzierung/ |
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Mein rechter, rechter Platz ist frei | Immer wieder beklagt die AfD, daß sie als größte Oppositionsfraktion im Bundestag so gut wie nie in die Talkrunden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eingeladen werde. Und ein Blick auf die Gästelisten von Anne Will, Maischberger und Co. scheint ihr rechtzugeben. Während sich dort neben Karl Lauterbach und Peter Altmaier die Spitzenvertreter von Grünen und FDP gefühlt die Klinke in die Hand geben, sucht man Vertreter der AfD nahezu vergeblich. Ein Umstand, den gerade erst der Spitzenkandidat der AfD in Rheinlandplatz, Michael Frisch, am Wahlabend in der ARD beklagte. Seine Partei werde auf Bundesebene medial ausgegrenzt. In den Talkshows sei sie „kein einziges Mal vertreten“ gewesen. Das sei ein „Ding der Unmöglichkeit“. Auch AfD-Chef Jörg Meuthen kritisierte am Mittwoch bei Markus Lanz im ZDF, die AfD könne in den öffentlich-rechtlichen Talksendungen zu aktuellen Themen wie beispielsweise der Corona-Krise keine Stellung beziehen, während die anderen Parteien ihre Positionen „in fast epischer Breite darlegen“ dürften. Meuthen bezog in die Kritik ausdrücklich Moderator Lanz mit ein, weshalb dieser sich genötigt sah, darauf zu reagieren. Die Behauptung des AfD-Chefs sei nicht wahr, betonte Lanz. Man frage regelmäßig an, aber: „Von Alice Weidel fangen wir uns seit Monaten immer wieder eine Abfuhr nach der anderen ein. Woche um Woche um Woche.“ Er verstehe nicht, warum sich Weidel einem solchen Gespräch verweigere. Liegt es also gar nicht an den Talksendungen, daß dort keine Politiker der AfD zu sehen sind, sondern an der Partei selbst? Meuthen bestreitet dies. Die Daten seien diesbezüglich eindeutig. „In Ihrer Sendung, beginnend vom 1. Januar 2020 bis zum Ende letzter Woche, waren 200 Vertreter von im Bundestag vertretenen Parteien. Von der AfD exakt null. Ich glaube, das ist eine ziemliche Schieflage“, erwiderte Meuthen. Doch Lanz blieb dabei: Alice Weidel würde „immer wieder und wieder“ eingeladen, sage aber stets ab. Nachfrage bei der AfD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag: stimmt das? Weidels Büro bestätigt auf Anfrage der JF, daß es in der Vergangenheit Einladungen von Lanz gegeben habe, die man abgesagt hätte. Dies habe aber terminliche Gründe gehabt, da die Aufzeichnung der Sendung zumeist mit den Fraktionssitzungen zusammengefallen wäre. Es gebe seitens der AfD-Fraktionschefin keinerlei generelle Vorbehalte gegen Markus Lanz und seine Sendung. Wie oft Weidel Lanz bereits einen Korb gegeben habe, konnte ihr Mitarbeiter nicht sagen. Eine Nachfrage bei Lanz hierzu blieb von der zuständigen ZDF-Pressestelle bislang unbeantwortet. Ebenso die Frage, ob auch andere AfD-Politiker in den vergangenen Monaten angefragt wurden und abgesagt haben. Bei der Redaktion von Lanz ist man mittlerweile schon mit der nächsten Sendung beschäftigt. Dort geht es am Donnerstag abend erneut um Corona und die Folgen. Zu Gast ist dabei einmal mehr: Talkshowkönig Karl Lauterbach. | Felix Krautkrämer | Die AfD beklagt regelmäßig, ihre Vertreter würden fast nie in öffentlich-rechtliche Talksendungen geladen. So könne sie ihre Positionen zu aktuellen politischen Themen nicht darstellen. AfD-Chef Meuthen hielt dies im ZDF nun auch Markus Lanz vor. Doch der konterte: Seine Redaktion lade immer wieder Alice Weidel ein, doch die AfD-Fraktionschefin gebe ihm stets einen Korb. | Lanz,Weidel | Medien | 2021-03-18T15:44:18+01:00 | 2021-03-18T17:02:21+01:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/medien/2021/lanz-und-weidel/ |
Trübe Aussichten in Königsberg | Seit zehn Jahren bin ich nun jedes Jahr in Ostpreußen, insgesamt habe ich etwa anderthalb Jahre dort verbracht. Vor zehn Jahren herrschte dort eine fast euphorische Stimmung. Ostpreußen sollte die Wirtschaftssonderzone „Jantar“ (Bernstein) werden, das „Hongkong des Nordens“, gemeinsam mit Rußland würden die interessierten Staaten – darunter selbstverständlich auch Deutschland – hier investieren und so den Aufbau dieses Gebietes vorantreiben. Der damalige Gouverneur des „Oblast Kaliningrad“ wollte dazu 250.000 Rußlanddeutsche ins Land holen. Private, aber durchaus prominente russische Kreise, beispielsweise von der Universität, forderten auch die alten Ostpreußen auf, zurückzukehren! Unter der einheimischen Bevölkerung gab es starke Bestrebungen, der Stadt Königsberg und damit dem ganzen Bezirk den alten Namen zurückzugeben. Von all dem ist wenig geblieben. Der Umbenennung der Stadt und anderer ostpreußischer Städte hat Moskau einen Strich durch die Rechnung gemacht, so daß Kaliningrad wohl die einzige Stadt in Rußland ist, die noch den Namen eines kommunistischen Funktionärs trägt. Auch die 700-Jahrfeier der Gründung von Königsberg wurde dieses Jahr weitestgehend unterbunden. Es wird die Legende verbreitet, das Gebiet sei „urslawischer“, ja sogar „urrussischer Boden“. Die Zukunft als EU-Enklave wird noch schwieriger Das nördliche Ostpreußen, das schon in der ganzen Sowjetzeit ein armes Gebiet war, ist noch mehr verarmt, denn es hat seinen Daseinszweck für Rußland weitgehend verloren. Es hat zwar noch immer einen fast jeden Winter eisfreien Hafen, aber nun ohne Hinterland, weit entfernt und durch Grenzen getrennt vom eigentlichen Rußland. Auch das Ziel, die ewig aufmüpfigen baltischen Staaten ruhig zu halten, wurde nicht erreicht, diese Staaten sind für Rußland verloren. Der „Oblast Kaliningrad“ sollte auch einmal das Sprungbrett nach dem Westen für den „Tag X“ sein, deshalb auch die Erhaltung der Bahnstrecke zwischen Königsberg und Berlin in europäischer Normalspur, aber auch das spielt heute keine Rolle mehr, die Raketenbasen sind darum auch wohl fast alle abgebaut, und der Oblast ist nicht mehr militärisches Sperrgebiet. Die Armee und der Hafen waren aber einmal die großen Arbeitgeber im Gebiet. Nicht umsonst lebt fast die Hälfte der Bevölkerung in der Hauptstadt. Nun droht mit dem Beitritt Polens und Litauens zur EU eine weitere Katastrophe, der kleine Grenzhandel, – man könnte auch Schmuggel sagen – würde dann aufhören, wenn die Bewohner des Grenzgebiets nicht mehr ohne Visum ihre Tagestouren über die Grenze machen könnten, um in Polen und Litauen billiges Benzin, Zigaretten und Wodka zu verkaufen und dafür von dort Textilien und ähnliches mitzunehmen. Angeblich soll das schon in diesem Herbst beginnen. Das versprochene Dauervisum für Fahrten von und nach Rußland ist für die meisten ohne Wert, es begünstigt nur die staatlichen Beamten und die kleine Gruppe von „Neuen Russen“, wie man die Neureichen, oft Mitglieder der alten Nomenklatura, nennt. Einem wirtschaftlichen Aufschwung steht eine wuchernde Bürokratie und eine korrupte Verwaltung entgegen. Ausländische Investoren kamen bisher nur wenige. Beispielsweise schreiben die schwierig und nur langfristig zu bekommenden Arbeitsvisa eine direkte Anmeldung in Königsberg vor. Besonders die korrupte „Miliz“ (Polizei) sieht in den meist deutschen Touristen eine Chance zur Aufbesserung der armseligen Gehälter durch unverschämtes Abzocken unter den fadenscheinigsten Vorwänden. Zwar nahm das Warenangebot im ganzen Gebiet zu, aber die Kaufkraft blieb sehr gering. Die zunächst zugewanderten Rußlanddeutschen stellten fest, daß die Arbeitsmöglichkeiten sehr begrenzt, dafür die Arbeitslosigkeit extrem hoch waren, daß die Bundesrepublik zwar beträchtliche Summen zur Finanzierung rußlanddeutscher Einrichtungen in Sibirien ausgab, aber das nördliche Ostpreußen für „nicht besonders förderungswürdig“ erklärte (so wörtlich ein Vertreter des Bundesinnenministeriums vor acht Jahren in Königsberg vor Vertretern der Rußlanddeutschen). Deshalb wanderten und wandern die Rußlanddeutschen zum großen Teil in die Bundesrepublik weiter. Selbst der Tourismus stagniert in Nordostpreußen Die „weiße Industrie“ des Tourismus kommt nicht in Schwung. Die Schwierigkeiten bei der Visumbeschaffung, bei und nach der Einreise mit stundenlangen Wartezeiten an der Grenze, die allerdings auch zum Teil von den polnischen Zöllnern verursacht werden, und immer noch mit anschließender Anmeldepflicht bei der Miliz des zuständigen „Rayons“ behindern den Tourismus, der eine gute Einnahmequelle sein könnte, denn das Land ist schön und hat an der Ostsee und auf der Nehrung, in der Rominter Heide und am Wystiter See viel zu bieten. Die Polen in Masuren und die Litauer im Memelland nutzen diese Chance. Dort nimmt der Tourismus zu, im nördlichen Ostpreußen geht er zurück, weil die „Heimweh-Touristen“ aussterben und andere durch die erwähnten Schikanen und die mangelnde touristische Infrastruktur vom Besuch abgehalten werden. Daneben könnte die Landwirtschaft, der Bernstein und das dort vorkommende hochwertige Erdöl gute Einnahmequellen sein. Statt dessen werden Lebensmittel zum Teil aus Polen und Litauen eingeführt, während große Flächen von Ackerland versteppen, Bernstein ist oft in Polen billiger, obwohl das nördliche Ostpreußen das einzige Gebiet der Welt ist, wo der Bernstein in Palmniken im Tagebau gefördert wird. Schon bald nach der Öffnung des Gebietes ging die Rede: „Nach Ostpreußen gehen nur Idealisten, Spinner und Spekulanten“. Die Spekulanten bleiben schon länger aus, es gibt nichts zu spekulieren. Ich habe es aber nicht bereut, daß ich nach Ostpreußen gegangen bin und – wenn es meine Gesundheit erlaubt – auch weiter gehen werde, denn ich habe ein schönes Land mit seiner großen deutschen Tradition kennen und lieben gelernt. Ich lernte auch die Russen und ihre Welt, ihre Kultur kennen, verstehen und schätzen und begriff, daß Deutschland und wir Deutschen eine Brückenfunktion zwischen Ost und West hatten und haben. Ich konnte in meiner Arbeit zum besseren Verstehen zwischen diesen beiden Völkern beitragen, die ja beide im letzten Jahrhundert so schrecklich gelitten haben. Ich habe Sympathie und Verständnis für die Rußlanddeutschen gewonnen, die nach ihrem furchtbaren Schicksal, von dem man bei uns kaum etwas weiß, endlich eine Heimat finden wollen – und die dabei in der Bundesrepublik wenig Verständnis finden und oft sogar auf Ablehnung stoßen – und das oft bei Leuten, die uns sonst von der „multikulturellen Gesellschaft“ vorschwärmen. Und ich konnte helfen – bei den Russen und Aussiedlern, sowohl dort in Ostpreußen als auch in der neuen Heimat in Deutschland. Die Sprachkurse und die Informationen über Deutschland haben geholfen, und hier in der „kalten Heimat Bundesrepublik“ half oft einfach die Tatsache, daß jemand sich überhaupt – und nicht „von Berufs wegen“ – für die Aussiedlerfamilien interessiert. So steht über der Zukunft des nördlichen Ostpreußen ein großes Fragezeichen – schade für die Menschen dort, sie hätten unsere Hilfe für eine bessere Zukunft verdient, und die meisten Russen hoffen dabei immer noch auf deutsche Unterstützung, aber sie scheinen dabei weder in Berlin noch in Moskau auf allzuviel Interesse zu stoßen! | JF-Online | Seit zehn Jahren bin ich nun jedes Jahr in Ostpreußen, insgesamt habe ich etwa anderthalb Jahre dort verbracht. Vor zehn Jahren herrschte dort eine fast | Geschichte | 2003-09-12T00:00:00+02:00 | 2003-09-12T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/wissen/geschichte/2003/truebe-aussichten-in-koenigsberg/ |
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Polizei: Migranten lassen sich nicht mit Grenzkontrollen stoppen | BERLIN/DÜSSELDORF. Die Bundespolizei-Gewerkschaft hat mangelnde Unterstützung der Politik bei den Grenzkontrollen kritisiert. Der Vorsitzende des GdP-Bezirks Bundespolizei, Andreas Roßkopf, sagte, es fehle „an allem“. Roßkopf bemängelte gegenüber der Rheinischen Post: „Da hapert es an professioneller Ausstattung der Kontrollstellen, an anständiger Unterbringung und an ausreichenden Mitteln, um die Reisekosten der Kollegen zu bezahlen.“ Derzeit seien 16 Hundertschaften, und weitere Kräfte von Inlandsdienststellen bei den Grenzkontrollen zusätzlich im Einsatz. „Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf seitens der Regierung und zwar dahingehend, daß wir zusätzliche Mittel brauchen, um unsere Kollegen vor Ort anständig versorgen und unterstützen zu können“, forderte Roßkopf. Zugleich zweifelte er an, ob die Kontrollen tatsächlich die irreguläre Migration zurückzudrängten: „Man behilft sich jetzt politisch mit Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz. Das ist nicht die Lösung. Das sind Menschen, die flüchten aus größter Not, aus Afghanistan, Syrien oder der Türkei.“ Diese Menschen ließen sich nicht durch Grenzkontrollen abhalten. Außerdem seien die Schleuser hochprofessionell und hochkriminell. „Da gehen Milliarden über den Tresen. Das verhindern wir nicht durch Grenzkontrollen.“ Roßkopf forderte eine verstärkte Ermittlungsarbeit gegen Schleuserbanden und die Trockenlegung von Strukturen. Er unterstützte auch den Vorschlag, daß Migranten bereits im Ausland einen Asylantrag für Deutschland stellen sollen. (fh) | JF-Online | Bei den Grenzkontrollen „hapert es an allem“, kritisiert die Polizei-Gewerkschaft - und fordert Hilfe von der Regierung. Außerdem reduzierten die Kontrollen die Massenmigration nicht. | Grenzkontrollen | Deutschland | 2023-12-29T10:01:15+01:00 | 2023-12-29T10:01:15+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2023/polizei-migranten-lassen-sich-nicht-mit-grenzkontrollen-stoppen/ |
Fall Arnsdorf: Verfahren gegen alle Beteiligten eingestellt | KAMENZ. Der Prozeß gegen die vier Männer, die im vergangenen Jahr einen randalierenden Asylbewerber aus einem Supermarkt gedrängt und gefesselt haben, ist am ersten Verhandlungstag wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Der Richter am Amtsgericht Kamenz begründete die Einstellung des Verfahrens am Montag unter Zustimmung von Staatsanwalt und Verteidiger mit der geringen Schuld der Angeklagten. Die Prozeßkosten trägt die Staatskasse. Zwar hätten die vier Beschuldigten den psychisch kranken Iraker an einen Baum gefesselt, doch selbst wenn im Rahmen der Beweisaufnahme eine Freiheitsberaubung oder Nötigung festgestellt worden wäre, wäre lediglich eine Geldstrafe in geringer Höhe die Folge gewesen, erläuterte der Richter. Zudem betonte er, die vier Männer seien strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Asylbewerber war der Polizei bekannt Die Männer im Alter von 29 bis 56 Jahren hatten den 21 Jahre alten Flüchtling im Mai vergangenen Jahres nach einer Auseinandersetzung aus einem Supermarkt im sächsischen Arnsdorf gebracht, mit Kabelbindern an einem Baum fixiert und der Polizei übergeben. Der Asylsuchende hatte sich zuvor bereits zwei Mal wegen einer nicht-funktionierenden Handykarte im Supermarkt beschwert und mußte von der Polizei hinausbegleitet werden. Laut JF-Informationen war der Mann bereits zuvor polizeilich in Erscheinung getreten, als er mit einer Eisenstange auf Passanten losging. Der Iraker war vergangenen Montag tot in einem Wald etwa 60 Kilometer von Arnsdorf entfernt aufgefunden worden. Eine Obduktion der Leiche ergab, daß er bereits vor Monaten an Unterkühlung gestorben war. Er sollte als Zeuge angehört werden. Laut Richter habe der Asylsuchende allerdings kein Interesse an einer Rechtsverfolgung gezeigt. Es habe zudem keine Hinweise gegeben, daß die Beschuldigten einer Bürgerwehr angehörten, betonte der Richter mehrfach. Der CDU-Politiker Benno Detlef Oelsner, der als einer der vier Männer auf der Anklagebank gesessen hatte, zeigte sich nach der Einstellung des Verfahrens gegenüber der JF erleichtert. „Es hätte gar nicht erst zu einer Anklage kommen dürfen“, sagte er. „Die Einstellung des Verfahrens war die optimalste Lösung.“ Er sei sich aber sicher, wäre das Verfahren weitergelaufen, wären er und die anderen Beteiligten freigesprochen worden. „Mehr Erfolg geht nicht“ Auch sein Anwalt Maximilian Krah war mit dem Ausgang der Verhandlung zufrieden. „Zivilcourage darf nicht strafbar sein – um diese Botschaft ging es von Anfang an. Und das steht nun fest. Wir haben am ersten von zehn angesetzten Verhandlungstagen das Ziel erreicht, für das wir bereit waren, durch drei Instanzen zu streiten. Mehr Erfolg geht nicht.“ Der Amtsrichter habe in seiner Erklärung zur Verfahrenseinstellung letztlich klargemacht, daß diese Anklage nie hätte erhoben werden dürfen, sagte Krah der JF. „Die Ermittlungsakte enthält nicht einmal einen Ansatz eines Verdachtes, dass die Angeklagten einer Bürgerwehr angehören. Wenn man diesen Befund mit der Medienberichterstattung vom letzten Sommer vergleicht wird deutlich, wie sehr die Medien die Tatsachen verdreht haben.“ Für die vier Angeklagten entstanden durch das Verfahren dennoch erhebliche Kosten in Höhe von etwa 20.000 Euro für die Verteidigung. Rund 17.000 Euro konnten allerdings bereits durch Spenden, unter anderem von der Initiative „Ein Prozent“, aufgebracht werden. (ls) > Ein ausführlicher Bericht über den Prozeß erscheint am Freitag in der kommenden Ausgabe der JUNGEN FREIHEIT (JF 18/17) | JF-Online | Der Prozeß gegen die vier Männer, die im vergangenen Jahr einen randalierenden Asylbewerber aus einem Supermarkt gedrängt und gefesselt haben, ist am ersten Verhandlungstag wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Der Fall aus dem sächsischen Arnsdorf hatte im vergangenen Jahr deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt. | Deutschland | 2017-04-24T16:16:47+02:00 | 2017-04-24T19:01:17+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2017/fall-arnsdorf-verfahren-gegen-alle-beteiligten-eingestellt/ |
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Otto von Habsburg gestorben | PÖCKING. Der frühere Kronprinz von Österreich-Ungarn, Otto von Habsburg, ist am Montagmorgen in seinem Haus in Pöcking (Bayern) gestorben. Er war der älteste Sohn des letzten regierenden Kaisers von Österreich-Ungarn, langjähriger CSU-Europaabgeordneter und Präsident der Internationalen Paneuropa-Union. Er wurde 98 Jahre alt. Otto von Habsburgs Vater war Erzherzog Karl, der von 1916 bis 1918 Kaiser von Österreich und König von Ungarn war. Nach dem Zusammenbruch der Habsburger-Monarchie ging die Familie 1919 in die Schweiz ins Exil, später nach Madeira. Otto von Habsburg wuchs in Spanien und Belgien auf. Er war ein Gegner des Nationalsozialismus und ein Befürworter der Eigenständigkeit Österreichs. Rückkehr auf den Thron blieb ihm verwehrt Während des Zweiten Weltkriegs kämpfte er im amerikanischen Exil für die Wiederherstellung der Monarchie. Dies mißlang. In der Nachkriegszeit setzte sich Otto von Habsburg für die Einigung Europas ein. Von 1973 bis 2004 war er Chef der Paneuropa-Union, die dieses Anliegen vertritt. Zudem war Otto von Habsburg von 1979 bis 1999 Abgeordneter der CSU im EU-Parlament. Er war Mitglied im Außenpolitischen Ausschuß, wo er sich für das Selbstbestimmungsrecht der Völker und für Minderheitenrechte einsetzte. Gleich nach seinem Einzug ins Parlament forderte er, einen Stuhl im EU-Parlament freizulassen – für die unterdrückten Völker Osteuropas. Nach dem Ende der Sowjetherrschaft sprach sich Otto von Habsburg für eine rasche Osterweiterung aus. Im Jahr 1989 war er der Initiator und Schirmherr eines „Paneuropäischen Picknicks“ an der österreichisch-ungarischen Grenze, bei dem mehr als 600 Deutsche aus der DDR in die Freiheit gelangten. Vertriebene würdigen Einsatz für die Rechte von Minderheiten Der CSU-Europaabgeordnete Präsident der Paneuropa-Union Deutschland, Bernd Posselt, würdigte von Habsburg als „den letzten großen Baumeister der Europäischen Einigung aus der Pionier-Generation“, der entscheidend dazu beigetragen habe, den Eisernen Vorhang niederzureißen. Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU), sagte, die Vertriebenen verlören mit Otto von Habsburg „einen langjährigen Freund, eine starke Stütze ihrer Anliegen und einen verständnisvollen Vermittler zwischen den europäischen Völkern”. Im Europäischen Parlament habe er sich für die Rechte von Minderheiten und das Selbstbestimmungsrecht der Völker eingesetzt und sich energisch gegen Vertreibung und Kollektivschulddenken“ gewandt. (rg/krk) JF-Bericht von der 90sten Geburtstagsfeier Otto von Habsburgs. | JF-Online | Der frühere Kronprinz von Österreich-Ungarn, Otto von Habsburg, ist am Montagmorgen in seinem Haus in Pöcking (Bayern) gestorben. Er war der älteste Sohn des letzten regierenden Kaisers von Österreich-Ungarn, langjähriger CSU-Europaabgeordneter und Präsident der Internationalen Paneuropa-Union. Er wurde 98 Jahre alt. | Deutschland | 2011-07-04T11:46:00+02:00 | 2013-12-03T17:15:19+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2011/otto-von-habsburg-gestorben/ |
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Verteidigerin Frankreichs | Die französische Schauspielerin und engagierte Tierschützerin Brigitte Bardot ist von einem Gericht wegen „extremer Kritik am Islam“ (O-Ton ARD-Tagesschau) zu einer Geldstrafe von 5.000 Euro verurteilt worden. Klage und Urteil bezogen sich auf verschiedene Textstellen ihres Buches „Ein Ruf aus der Stille“ (Langen Müller, München, JF 20/04). In dem Kapitel „Bartholomäusnacht“ wendet sich B.B. beispielsweise gegen eine „Islamisierung Frankreichs“ und „eine gefährliche, unkontrollierte Unterwanderung“ und nennt das islamische Opferfest Aid-el-Kabir „ein grausames Gemetzel, ein Grauen ohnegleichen!“ Tatsächlich ist es an diesem Tag bei Frankreichs Muslimen üblich, an den Straßenrändern ihrer Wohnviertel, in den Höfen von Wohnblöcken, in Treppenhäusern oder auf Feldern Schafe und Lämmer zu schächten, das heißt ohne Betäubung zu schlachten und deren Häute, Knochen und blutige Köpfe anschließend bestenfalls in Abfalleimern oder Müllcontainern zu entsorgen. Daß dergleichen bei Tierschützern auf Abscheu und breite Ablehnung stößt, ist kaum verwunderlich. Zudem ist es illegal, wird jedoch stillschweigend geduldet. Auch in Frankreich will sich niemand gern dem Vorwurf der „Ausländerfeindlichkeit“ aussetzen. Bardots „extreme Kritik“ richtet sich jedoch auch gegen die – in französischen Medien euphemistisch als „Jugendliche“ bezeichneten – Banden junger arabischer Einwanderer aus Nordafrika, die in den Vorstädten der französischen Großstädte „die Bevölkerung terrorisieren, junge Mädchen vergewaltigen, Pitbulls zu Killern drillen, die Polizei verspotten“. Islamisten, die Terroranschläge verüben wie in New York oder Moskau nennt sie – politisch äußerst unkorrekt – „teuflische Menschen“. Ein Rundumschlag ist ihre durchaus berechtigte Kritik dennoch nicht, die Obszönität einer Oriana Fallaci mit ihrem blindwütigen Haß auf Muslime ist Brigitte Bardot völlig fremd. Ihr geht es allein um die kulturelle Identität Frankreichs, die sie durch fremde Einflüsse von innen und außen bedroht sieht, und um den Schutz der wehr- und rechtlosen Tiere als unserer Mitgeschöpfe, denen sie sich verpflichtet fühlt. Die jetzt verhängte Geldstrafe gegen Brigitte Bardot ist nicht die erste und wird gewiß auch nicht die letzte sein. Das Ziel, sie in den finanziellen Ruin zu treiben, haben ihre Gegner, linke „Menschenrechts“-Lobbyisten und deren muslimische Klientel, inzwischen fast erreicht. Ihre Anzeigen gegen die organisierte Tierquälerei des illegalen Schächtens brachten der Schauspielerin astronomisch hohe Geldstrafen ein, die sie zudem auch noch an jene zahlen mußte, die diese grausamen Bräuche fördern und unterstützen. Wer also etwas über die Fragwürdigkeit französischer – und nicht nur französischer – Justizurteile zu den Sitten und inakzeptablen Praktiken integrationsunwilliger Zuwanderer erfahren will, wird in den Urteilen gegen Brigitte Bardot wertvolle Aufschlüsse finden. Foto: Brigitte Bardot verläßt am 11. Februar 2004 eine Pariser Moschee | JF-Online | Die französische Schauspielerin und engagierte Tierschützerin Brigitte Bardot ist von einem Gericht wegen "extremer Kritik am Islam" (O-Ton ARD-Tagesschau) zu | Kultur | 2004-06-18T00:00:00+02:00 | 2004-06-18T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/2004/verteidigerin-frankreichs/ |
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„Überheblich und moralbesoffen“ | IHR DIGITALER ZUGANG. Einfach registrieren und weiterlesen.
Sie sind bereits Digital-Abonnent? Hier anmelden. | Moritz Schwarz | Er brachte im Sommer Annalena Baerbock in erhebliche Erklärungsnöte: Trotzdem ist Hadmut Danisch kaum jemandem bekannt. Nun kommen die Grünen doch an die Macht. Warum kämpft der IT-Experte seit Jahren mit aller Kraft dagegen an? Ein Interview. | Danisch,Baerbock | Interview | 2021-12-03T12:19:32+01:00 | 2021-12-03T12:20:07+01:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/interview/2021/danisch-blog-interview-baerbock/ |
Zwischen Front und Friedensgesprächen: Die Ukraine am Scheideweg | IHR DIGITALER ZUGANG. Einfach registrieren und weiterlesen.
Sie sind bereits Digital-Abonnent? Hier anmelden. | Ferdinand Vogel | Der Herbst bringt der Ukraine nicht nur fallende Blätter, sondern auch die erdrückende Realität des Krieges. Während die russische Offensive sich langsam, aber stetig voranschiebt, kämpft Kiew mit schwindenden Reserven und internationaler Ermüdung. Kommt nun doch eine diplomatische Lösung? Der Lagebericht von Ferdinand Vogel. | Ukraine | Ausland | 2024-09-12T16:08:29+02:00 | 2024-09-12T16:08:29+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/ausland/2024/zwischen-front-und-friedensgespraechen-die-ukraine-am-scheideweg/ |
„Das kann ihn das Amt kosten“ | IHR DIGITALER ZUGANG. Einfach registrieren und weiterlesen.
Sie sind bereits Digital-Abonnent? Hier anmelden. | Moritz Schwarz | Rußlandkenner Thomas Fasbender hat jüngst seine neue Biographie über Rußlands Präsident Wladimir Putin vorgelegt. Was treibt den Kreml-Herrscher an? Was will er wirklich? Und welche Konsequenz könnte der Überfall auf die Ukraine für ihn haben? Darüber spricht Fasbender im Interview mit der JF. | Putin | Interview | 2022-03-05T11:15:15+01:00 | 2022-03-05T11:15:15+01:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/interview/2022/286530/ |
Der hohle Wirtschaftsboom in Deutschland | Die Freude über den Wirtschaftsboom in Deutschland verfliegt schneller als Draghi Geld drucken kann. Erstens, weil die Rekordsteuereinnahmen daraus von der neuen GroKo gerade wieder verschleudert werden. Zweitens, weil das hohe Wachstum mit einem aus deutscher Sicht zu niedrigem Euro teuer erkauft ist. Der Euro wirkt auf die deutsche Exportindustrie wie süßes Gift. Die Probleme des Landes werden nicht angegangen. Die gute Konjunktur von 2017 war von der anziehenden Weltwirtschaft abhängig; diese wächst übrigens weiterhin stärker als bei uns. Das Produktivitätswachstum verweilt auf dem niedrigen Niveau der vergangenen Jahre und war sogar geringer als im Vorjahr. Rekordsteuereinnahmen, Rekordhaushaltüberschuss und der Rekord-Export demonstrieren nur die expansive Geldpolitik der Superlative. Zinsen und Euro sind angesichts der Wirtschaftslage unnatürlich niedrig. Bundeshaushalt und Exporte werden auf Kosten der Sparer über die EZB-Niedrigzinspolitik subventioniert. Wie die Bundesbank errechnet hat, musste der Bund seit 2008 insgesamt 290 Milliarden weniger Zinsen zahlen. Künstlich zum Billiglohnland degradiert Investitionen werden bei einem zu niedrigem Euro in Deutschland fragwürdig. Deutschland wird künstlich zum Billiglohnland degradiert. Sparen lohnt sich aber auch nicht. Der anziehende Ölpreis wird die Inflation in die Höhe treiben. Spätestens dann fliegt mit anziehendem Zins die Maskerade der Euro-Rettung auf. Im Übrigen haben die Kunden Deutschlands über die „Target-Salden“ der EZB bald fast eine Billion Euro „anschreiben“ lassen. Wieviel wir davon wiedersehen, steht in den Sternen. Wer die wirtschaftliche Lage in Deutschland ernst nimmt, muß sich fragen, ob man mit einer Anhebung des Sparerfreibetrages oder mit Senkung der Unternehmenssteuer Abhilfe schaffen will. Entlastung statt Belastung muß die Devise jetzt lauten. China hat zuletzt die Steuern für ausländische Unternehmen gesenkt. Die Steuerreform in den USA war der Anstoß. Der Standortwettbewerb ist in vollem Gange und Deutschland verschläft die Entwicklung. Es wird zu wenig investiert, in der energieintensiven Industrie sinkt das reale Nettoanlagevermögen sogar. Doch die beste Medizin, um deutsche Wettbewerbsfähigkeit, deutsche Arbeitsplätze und deutsche Steuerzahler zu schützen wäre aber der Ausstieg aus dem Euro. Dabei bleibe ich! – – – – – Prof. Dr. Ing. E.h. Hans-Olaf Henkel ist Mitglied des Europäischen Parlaments für die Partei Liberal-Konservative Reformer. | Hans-Olaf Henkel | Die Freude über den Wirtschaftsboom in Deutschland verfliegt schneller als Draghi Geld drucken kann. Der Euro wirkt auf die deutsche Exportindustrie wie süßes Gift. Zudem haben die Kunden Deutschlands über die „Target-Salden“ der EZB bald fast eine Billion Euro „anschreiben“ lassen. Entlastung statt Belastung muß die Devise jetzt lauten! Ein Kommentar von Hans-Olaf Henkel. | Kommentar | 2018-01-19T14:15:05+01:00 | 2018-01-20T08:43:44+01:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2018/der-hohle-wirtschaftsboom-in-deutschland/ |
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Hauptsache die Erzählung stimmt | Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zieht seinen harten Maßnahmen-Stiefel auch nach dem Auffliegen seiner falschen Zahlen zum Impfstatus der Corona-Infizierten in seiner Stadt weiter durch. Zur Erinnerung: Corona-Infektionen mit ungeklärtem Impfstatus wurden in Hamburg über Wochen den Ungeimpften zugerechnet. Obgleich die angebliche Faktenlage, auf der der SPD-Mann seine strenge Regulierungspolitik bislang aufbaute, mit der Enthüllung der von ihm zu verantwortenden kreativen Statistikführung de facto weggefallen ist, verkündet der Bürgermeister unbeirrt neue Verschärfungen der Corona-Regeln für die Hanse-Stadt. „Wenn es Verunsicherungen gegeben“ habe, bedauere er dies zwar „sehr“, sagte Tschentscher der Bild-Zeitung, er „versichere den Hamburgerinnen und Hamburgern“ aber, „daß unsere Empfehlungen sehr gut begründet sind“. Ein Mann, ein Wort, das muß den Hamburgern offenbar genügen. Aber welchen Grund hätten sie auch, dem in Bremen geborenen Mediziner zu mißtrauen? Die verfälschten Zahlen waren sowieso nicht seine Schuld, wie er beteuert. An den verschiedenen IT-Systemen, die bei der Erfassung genutzt wurden, soll es gelegen haben. „Hinzu kam, daß die stark steigende Zahl an Infektionen nicht mehr schnell genug eingestuft werden konnte“, versichert der ehemalige Finanzsenator von Olaf Scholz. So richtig böse scheint dem wackeren Pandemie-Bekämpfer sowieso kaum jemand zu sein. Die Zeiten, in denen ein Betrug dieses Ausmaßes für einen regierenden Politiker ganz selbstverständlich ein Rücktrittsgrund gewesen wäre, auch unabhängig von seiner vermeintlichen oder tatsächlichen unmittelbaren Mitschuld, scheinen ohnehin unwiederbringlich vorbei zu sein. Zudem hat es Tschentscher ja gut gemeint. Da kann man ihm schon mal verzeihen, daß er falsche Zahlen vorgelegt und mutmaßlich gelogen hat. So scheinen das zumindest viele Medienvertreter zu sehen. Daß Journalisten die ideelle „Wahrhaftigkeit“ des Hamburger Bürgermeisters im Kampf gegen Corona und die Ungeimpften schwerer gewichten als seine wahrheitswidrigen Angaben, ist kein Zufall. Tschentscher ist der perfekte Kommunikationspartner für den modernen Haltungsjournalisten, dem eine stimmige Erzählung im Zweifel wichtiger ist, als daß die Geschichte wirklich stimmt. Einige Medienvertreter schmeißen sich sogar regelrecht in die Bresche für den Hamburger Geschichtenerzähler, der ihnen mit seinen Darlegungen über die Pandemie der Ungeimpften genau das geliefert hat, was sie sowieso berichten wollten. „Mal ein paar Gedanken zu den Meldungen über ´Land XY hat Corona-Fälle mit unbekannten Impfstatus als ungeimpft gezählt´. Das ist statistisch unsauber, keine Frage. An den Debatten darüber stört mich aber was“, twitterte die stellvertretende Leiterin des Correctiv.Faktencheck, Alice Echtermann, um dann anzuführen, warum sie es für falsch hält, wenn von Kritiker jetzt „die Perspektive eingenommen“ werde. Die würde nämlich „den Argumenten für Corona-Maßnahmen den Boden wegziehen“. Denn was bedeute es, wenn bei, „sagen wir mal, 30 Prozent der Fälle der Impfstatus unbekannt ist? Richtig, diese Leute könnten sowohl alle *geimpft* als auch alle *ungeimpft* sein. Oder teils-teils. Wie die Verteilung ist, weiß niemand“, blubbert die Faktencheckerin über die gefakten Fakten vor sich hin. Und weiter: „Es kann sein, daß die Verteilung genauso ist wie bei dem Teil der Fälle, wo der Impfstatus bekannt ist. Dann hätten diese unbekannten Fälle genau null Auswirkungen auf die Grundaussage der Statistik.“ Mit anderen Worten: Nur weil die in den Statistiken genannten Zahlen falsch sind, heißt das noch lange nicht, daß sie nicht richtig sind – oder zumindest nicht doch richtig sein könnten. Mal ein paar Gedanken zu den Meldungen über „Land XY hat Corona-Fälle mit unbekannten Impfstatus als ungeimpft gezählt“. Das ist statistisch unsauber, keine Frage. An den Debatten darüber stört mich aber was. (Thread) — Alice Echtermann (@echt_alice) December 17, 2021 Wenn die Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin, die 2020 Teil des Teams für die Recherche „Kein Filter für Rechts“ zur rechten Szene auf Instagram war und dafür mit dem internationalen Sigma Award for Data Journalism ausgezeichnet wurde, bei ihrer Verteidigung der objektiv falschen, aber möglicherweise vielleicht doch irgendwie richtigen Zahlen zur großen Schuld der Ungeimpften ganz schön ins Schwimmen gerät, steht sie damit geradezu exemplarisch für das derzeit völlig verschobene Faktenverständnis. Die Fakten müssen nicht stimmen, sie müssen nur richtig, bzw. die richtigen sein. Dann kann man sich nicht nur zum staatlich subventionierten Correctiv aufschwingen, sondern es mit etwas Glück sogar bis zum Bundesgesundheitsminister bringen kann. | Boris T. Kaiser | Das mit den falschen Corona-Zahlen sei ein Versehen gewesen, versichert Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Keinesfalls habe er gelogen. Und überhaupt: Die Empfehlungen seiner Regierung seien sehr gut begründet. Ein Mann, ein Wort. Das soll den Hamburgern offenbar genügen. Ein Kommentar. | Tschentscher | Kommentar | 2021-12-22T16:14:11+01:00 | 2021-12-22T16:14:11+01:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2021/tschentscher-hauptsache-die-erzaehlung-stimmt/ |
Einzige Quelle der Verwünschungen war Albert Speer | IHR DIGITALER ZUGANG. Einfach registrieren und weiterlesen.
Sie sind bereits Digital-Abonnent? Hier anmelden. | Stefan Scheil | Hitlers berüchtigter Nero-Befehl vom 19. März 1945 über die „Zerstörungsmaßnahmen im Reichsgebiet“ wurde von Albert Speer in Umlauf gebracht. Deshalb muß es nicht wahr sein. Dagegen spricht ein späteres Diktat. | Speer,Hitler | Geschichte | 2025-03-19T15:54:06+01:00 | 2025-03-19T15:55:28+01:00 | https://jungefreiheit.de/wissen/geschichte/2025/einzige-quelle-der-verwuenschungen-war-albert-speer/ |
Streit um Ausländerpolitik spitzt sich zu | Die niederländische Regierungskoalition aus Christdemokraten (CDA), Rechtsliberalen (VVD) und der kleinen linksliberalen Partei D’66 setzt ihren harten Kurs in der Asylpolitik fort. Trotz massiver Proteste will die niederländische Ministerin für Ausländerpolitik und Integrationsfragen, Rita Verdonk (VVD), etwa 26.000 Asylbewerber, die keine Aussicht auf eine Aufenthaltsgenehmigung haben, endgültig ausweisen. Nach den Vorstellungen der Ministerin sollen die Niederlande abgeschobene Asylanten in „Ausweisungszentren“ unterbringen und innerhalb von acht Wochen ausweisen. Mit den rigorosen Maßnahmen will die 48jährige Kriminologin ein Ende der sich über Jahre hinschleppenden juristischen Verfahren um die An- und Aberkennung vieler Flüchtlinge erreichen. Kritiker fürchten, abgewiesene Asylanten würden sich weiterhin illegal in den Niederlanden aufhalten und sich ihrer Abschiebung widersetzen. Von den 9.800 Sondergesuchen um eine Aufenthaltsgenehmigung, die Verdonk in den letzten Wochen erreichten, wurden nur zwei Prozent bewilligt. Unter den Asylanten, die abgeschoben werden sollten, befinden sich auch Familien mit Kindern, die in den Niederlanden aufgewachsen sind. Einige dieser Kinder verfügen – dank der liberalen Einbürgerungspolitik des letzten Jahrzehnts – sogar über einen niederländischen Paß. Kein Wunder, daß die angekündigten Maßnahmen stark in der Kritik geraten sind. Mit einem „Generalpardon“ für die 26.000 jetzt schon in den Niederlanden lebenden Asylanten würde die Regierung sich eine breitere Basis für ihre strenge Asylpolitik schaffen, meinte der Den Haager Bürgermeister Wim Deetman (CDA). Der ehemalige Minister für Entwicklungshilfe, Jan Pronk, nannte die geplanten Verfahren „schamlos“ und „unmenschlich“. Die Regierung behandle Menschen ungleich und ungerecht, meinte der Sozialdemokrat. Bereits im Mai 2003 hatte der Verein Human Rights Watch (HRW) das beschleunigte Asylverfahren in den Niederlanden kritisiert. Das lange Zeit gerühmte offene, liberale niederländische Asylverfahren hatte nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation seinen Glanz verloren; die HRW sprach von einem „menschenverachtenden Vorgehen“. Die Niederlande würfen für Asylbewerber unzumutbare Hürden auf. Das sogenannte „AC-Verfahren“ (accelerated procedure), in dem Asylanträge innerhalb weniger Tage geprüft werden, wurde bereits 1994 (unter einer sozialliberalen Regierung) eingeführt, um unbegründete Asylverfahren früh „auszusieben“. Inzwischen wird das AC-Verfahren bei ungefähr 60 Prozent der Asylanträge in den Niederlanden angewendet. Vertreter lokaler Behörden und Kirchen haben angekündigt, sich den Anweisungen der Regierung zu widersetzen und abgewiesene Asylanten aufzunehmen. Der ehemalige Minister für Integrations- und Ausländerpolitik Hilbrand Nawijn verurteilte den angekündigten Protest. Die Beschlüsse seien demokratisch legitim zustande gekommen und müßten jetzt ausgeführt werden, so der Politiker von der Liste Pim Fortuyn (LPF). Der Fehler liege in der Vergangenheit, so Nawijn: Die Asylanten hätten schon längst abgeschoben werden müssen. Über die Zulassung der Asylanten entscheide allein der Staat, nicht die Gemeinden. Auch für den CDA-Abgeordneten Wim van Fessem sind die Kritiker an der falschen Adresse. „Die niederländischen Städte und Gemeinden haben immer um eine deutliche Asylpolitik gebeten. Die gibt es jetzt.“ Die Städte sollten mitarbeiten, diese demokratisch zustande gekommene Politik zu realisieren. Die Unterstützung von Kirchen und lokaler Politik biete nur „falsche Hoffnung“. Abgewiesene Asylanten sollten so schnell wie möglich in ihr Herkunftsland zurückkehren. Van Fessem verlangt von der Ministerin aber Aufklärung darüber, wie es möglich ist, daß Kinder von Asylanten ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung über einen niederländischen Paß verfügen. In einem Kommentar meinte die Tageszeitung Trouw, die Ministerin zeige mit dem Festhalten an den „peinlichen, aber notwendigen Änderungen“ Mut. Laut einer aktuellen Umfrage wünscht sich eine knappe Mehrheit (50,4 Prozent) der niederländischen Bevölkerung eine weniger harte Asylpolitik. 47,5 Prozent findet – laut der Meinungsumfrage des Instituts Intomart – die Zahl von 2.300 zugelassenen Asylanten pro Jahr zu niedrig. Die Medienberichte über mitleiderregende Einzelschicksale von Asylanten zeigen offenbar Wirkung. Seit dem Aufstieg des im Mai 2002 ermordeten Politikers Pim Fortuyn (siehe JF 20/02 und 20/03) beherrscht die Diskussion über Asyl- und Integrationspolitik die niederländische Öffentlichkeit. Für Aufsehen sorgte kürzlich der Bericht einer Parlamentskommission, die im Auftrag der niederländischen Regierung die Integrationspolitik seit den siebziger Jahren untersucht hatte. Die Kommission unter dem Vorsitz des VVD-Abgeordneten Stef Blok war der Ansicht, daß die Integration der in den Niederlanden lebenden Minderheiten zum größten Teil gelungen sei, auch wenn die Politik lange Zeit zu liberal geblieben sei. Nahezu alle Parteien im niederländischen Parlament hatten für den Bericht nur Hohn übrig. „Die Allochthonen (so der in den Niederlanden gängige Begriff für Einwanderer und ihre Nachkommen) nehmen die falschen Spitzenpositionen ein: Sozialhilfe, Kriminalität, Schulabbruch, Lernrückstände: Überall sind sie oben“, meinte CDA-Fraktionsvorsitzende Maxime Verhagen. „Die Schlußfolgerungen der Kommission stimmen nicht mit der Wirklichkeit überein“, meinte die VVD-Abgeordnete Ayaan Hirsi Ali – eine Einwanderin aus Somalia mit niederländischem Paß. Themen wie islamischer Fundamentalismus und Intoleranz gegenüber Frauen und Homosexuellen seien außer acht gelassen worden, kritisiert Ayaan Hirsi Ali. Die Integrationspolitik sei mißlungen, meinte auch Bloks eigener Fraktionsvorsitzender Jozias van Aartsen (VVD). Die niederländischen Grünen und die sozialdemokratische Partei van der Arbeit (PvdA) stimmten der Kommission zwar im wesentlichen zu, kritisierten aber, daß sie keine konkreten Vorschläge für eine Verbesserung der Integrationspolitik gemacht habe. Die innerniederländische Diskussion gibt übrigens einen Vorgeschmack auf das, was auch in anderen EU-Ländern bevorsteht. Die EU will die Abschiebung von illegal eingereisten Ausländern in den kommenden zwei Jahren mit 30 Millionen Euro mitfinanzieren. In Pilotprojekten sollen von EU-Ländern Flugzeuge angemietet werden, um Illegale aus mehreren EU-Ländern zeitgleich in ihre Heimat zurückzubringen. Zugleich will die EU den Abgeschobenen in ihren Heimatländern bei der Wiedereingliederung helfen. Uno-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers hat letzten Monat sogar die Einrichtung EU-weiter zentraler „Asylzentren“ vorgeschlagen, da die zehn neuen EU-Länder nach ihrem Beitritt noch nicht in der Lage seien, den zu erwartenden Ansturm von Asylbewerbern zu bewältigen. | JF-Online | Die niederländische Regierungskoalition aus Christdemokraten (CDA), Rechtsliberalen (VVD) und der kleinen linksliberalen Partei D'66 setzt ihren harten Kurs | Politik | 2004-02-06T00:00:00+01:00 | 2004-02-06T00:00:00+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/2004/streit-um-auslaenderpolitik-spitzt-sich-zu/ |
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Von der Leyen rechtfertigt Kurzstreckenflug mit Corona-Bedenken | BRÜSSEL. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat auf die Kritik an ihrem Kurzstreckenflug von Wien nach Bratislava reagiert. Grund für die Nutzung des Privatjets auf Kosten der EU-Steuerzahler bei einer Distanz von 47 Kilometern seien logistische Schwierigkeiten gewesen sowie die Sorge, sich in öffentlichen Verkehrsmitteln mit dem Coronavirus anzustecken, sagte ein Sprecher der CDU-Politikerin der Bild-Zeitung. Die Fahrt mit dem Zug hätte rund eine Stunde gedauert. Stattdessen entschied sich Von der Leyen für den 19minütigen Flug, bei dem etwa 1130 Kilogramm CO2 ausgestoßen wurden. Die Brüsseler Politikerin drängt selbst regelmäßig auf einen intensiveren Kampf gegen den Klimawandel. Beim Auftakt der Klimakonferenz in Glasgow hatte sie von einer Verantwortung gesprochen, die alle betreffe. Zudem forderte sie ein höheres Tempo bei der Umsetzung von Maßnahmen. Kritik erntete Von der Leyen unter anderem vom Generalsekretär des Europäischen Steuerzahlerbundes, Michael Jäger. „Dieser Flug wird dreifach teuer für die Kommissionspräsidentin. Denn: Er kostete viel Steuergeld, viel Zeit für die Wege von und zu den Flughäfen und vor allem: viel Glaubwürdigkeit. Dieser Kurzstreckenflug ist eine ökologische Sünde.“ Aufgedeckt hatte den Skandal um die Privatjet-Flüge der EU-Granden die konservative britische Zeitung Daily Telegraph. Nach ihren Recherchen hat von der Leyen bei 18 ihrer 34 offiziellen Reisen das gecharterte Privatflugzeug genutzt. Privatjets stoßen etwa 20 Mal so viel CO2 pro Passagier und Kilometer aus wie bei einem Linienflug fällig werden und etwa 50 Mal so viel CO2 wie bei einer Zugreise. Die EU-Kommissionschefin trage damit zu einem „Klimadesaster“ bei, befand eine Sprecherin der Umweltgruppe Green Alliance. Die Enthüllungen des Telegraph wurde besonders in Brexit-freundlichen und EU-kritischen Zeitungen begierig aufgegriffen. „EU must be joking“, donnerte der Londoner Express. Die Zeitung The Sun titelte: „EU-Heuchler: Euro-Chefs sammeln Zehntausende Meilen in Privatjets vor dem COP26 – und sie schulmeistern gleichzeitig die Briten über grüne Politik“. (zit/js) | JF-Online | EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen rechtfertigt ihren Kurzstreckenflug für eine Distanz von 47 Kilometern mit Bedenken, sich in den öffentlichen Verkehrsmitteln mit dem Coronavirus zu infizieren. Die CDU-Politikerin hatte zuvor selbst auf Verantwortungsbewußtsein im Kampf gegen den Klimawandel gedrängt. | Von der Leyen | Ausland | 2021-11-04T17:24:26+01:00 | 2021-11-04T17:27:02+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/ausland/2021/von-der-leyen-kurzflug/ |
Selbstachtung bewiesen | Mit dem Austritt aus der CDU hat der Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche seine Selbstachtung verteidigt. Die CDU, statt ihn gegen die Kampagne des politischen Gegners in Schutz zu nehmen, wollte ihn zur Selbstkritik nötigen. Diese Prozedur, die einst der Reinigung der kommunistischen Parteien von Abweichlern diente, ist zum typischen Unterwerfungsritual des bürgerlichen Lagers geworden. Nitzsche sollte die Existenz des deutschen "Schuldkults" leugnen und damit sich entweder zum Dummkopf, Lügner oder zum Feigling stempeln. Entschuldigen sollte er sich auch für die Aussage, "Multi-kulti-Schwuchteln" hätten das Land auf den Irrweg geführt. Das ist deftige Wahlkampfpolemik, sicher, aber nicht so diffamierend wie der Totschlagbegriff "Neonazi". Welches Wort wäre denn besser geeignet, um beispielsweise den verkrachten Studenten, Ex-Schwulenfunktionär und Multikulturalisten Volker Beck, der zum Parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen aufgestiegen ist, auf seinen unwesentlichen Kern zu reduzieren? Beck bedient sich eines aggressiven, tuntigen Jammertons, um sich als Angehöriger einer historischen Opfergruppe unangreifbar und durch moralische Erpressung wettzumachen, was ihm an Sachkompetenz fehlt. Der sächsische CDU-Generalsekretär Kretschmer erklärte, Nitzsches Äußerungen lägen außerhalb "des Unions-Denkens". Doch wann hätte die CDU zu denken begonnen? Der politische Gegner bestimmt, was sie sich zu sagen getraut. Sie ist der pluralistische Vorwand, den andere sich leisten. | JF-Online | Mit dem Austritt aus der CDU hat der Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche seine Selbstachtung verteidigt. Die CDU, statt ihn gegen die Kampagne des | Debatte | 2006-12-22T00:00:00+01:00 | 2006-12-22T00:00:00+01:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/2006/selbstachtung-bewiesen/ |
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Herzensfreude ist Leben | Die zweimonatlich vom Verein Vision 2000 herausgegebene gleichnamige Zeitschrift bezeichnet sich als "Medium, das Mut zu einem christlichen Leben machen will und Christen Orientierung zu bieten versucht". Theologisch steht das papsttreue Magazin den charismatischen Strömungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche nahe und versäumt nicht, regelmäßig auf der letzten Seite eine Rubrik den angeblichen "Botschaften" der Muttergottes in Medjugorje zu widmen. Nun sind die Erscheinungen in Medjugorje von vatikanischer Seite bis jetzt jedoch offiziell nicht anerkannt und gelten somit als reine Privatoffenbarungen. In anderen wichtigen Fragen wie "Lebensschutz", "Frauenpriestertum", "Zölibat", Sexualmoral", "Dialog mit dem Islam" etc. argumentiert Vision 2000 allerdings entschieden konservativ und hebt sich damit erfreulich von einem Großteil der offiziösen Kirchenpresse ab. So schreibt Christof Gaspari in der Einleitung zu seinem Beitrag "Aufbruch in die Kultur des Lebens": "Wir leben in einer Gesellschaft, die sich häuslich im Umfeld von Massentötungen eingerichtet hat." Doch laste damit eine "dunkle Wolke von Schuld" auf uns, die wir uns dazu noch als Vorkämpfer der Menschenrechte wähnten. Um so wichtiger sei es daher, immer wieder auf diesen Themenkreis zurückzukommen, auch wenn manche es nicht hören könnten und selbst die Zahlen inzwischen abgedroschen wirkten, da sie keinerlei Neuigkeitswert mehr hätten. Während die Geburtenraten europaweit nie dagewesene Tiefstwerte erreichen und die Zahl der unter Vierzehnjährigen innerhalb der EU um 20 auf 74 Millionen abgenommen hat, wurde den ungeborenen Kindern aus Nützlichkeitsüberlegungen das Lebensrecht abgesprochen. Am anderen Ende dieser Skala stehen in Holland und Belgien mittlerweile die Alten und Leidenden außerhalb des Rechtsschutzes. Weil es um Leben und Tod, Segen oder Fluch geht, werde es für Christen daher immer weniger möglich, "im vorherrschen Ambiente einfach nur mitzuschwimmen". Gegen das eigenmächtige Herumhantieren an der Schöpfung helfe nur die Besinnung auf Jesus Christus, "der das Leben selbst ist". Der Autor zitiert Benedikt XVI.: "Die Option für das Leben und die Option für Gott sind identisch!" Über die steigende Zahl von Suiziden gerade bei jungen Menschen schreibt Urs Keusch. Bereits die Heiligen hätten immer wieder auf die große Gefahr der Traurigkeit, der Schwermut, der Depression für das geistliche Leben hingewiesen. Und auch die Bibel mahnte schon vor über 2.000 Jahren: "Überlasse dich nicht der Sorge, schade dir nicht selbst durch dein Grübeln! Herzensfreude ist Leben für den Menschen, Frohsinn verlängert ihm die Tage. Überrede dich selbst und beschwichtige dein Herz, halte Verdruß von dir fern! Denn viele tötet die Sorge, und Verdruß hat keinen Wert." (Sir 30, 22-23) Da bleibt Christa Meves nur noch der Hinweis, daß gerade bei Kindern der Streßabbau durch die körperliche Nähe der Mutter stattfindet. Statt dessen hält unsere beratungsresistente politische Klasse jedoch eisern an dem alten sozialistischen Hut eines flächendeckenden Krippensystems fest. Kontakt: Vision 2000. Elisabethenstr. 26, A-1010 Wien. Internet: www.vision2000.at | JF-Online | Die zweimonatlich vom Verein Vision 2000 herausgegebene gleichnamige Zeitschrift bezeichnet sich als "Medium, das Mut zu einem christlichen Leben machen | Kultur | 2006-12-22T00:00:00+01:00 | 2006-12-22T00:00:00+01:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/2006/herzensfreude-ist-leben/ |
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Körperverletzung und Erpressung: Somalier zu Bewährungsstrafe verurteilt | FULDA. Das Landgericht Fulda hat einen Somalier nach einer Reihe von Straftaten zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Dem 21 Jahre alten Asylbewerber werden gefährliche Körperverletzung, versuchte räuberische Erpressung, Bedrohung und gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr zur Last gelegt, berichtete Radio Tele FFH. Das Gericht wandte aber Jugendstrafrecht an, da sich der Angeklagte unreif und unüberlegt verhalten habe. Der Somalier hatte am 3. Juli vergangenen Jahres in Bad Hersfeld einen damals 49 Jahre alten Mann während einer körperlichen Auseinandersetzung auf eine Straße geschubst. Ein herannahender Lkw konnte gerade noch rechtzeitig bremsen. Laut der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen, sei es zu dem Streit gekommen, weil der 50jährige gegen Ausländer gepöbelt hat. In einer Asylunterkunft in Ronshausen hatte der 21jährige vier Tage zuvor versucht, eine Mitarbeiterin um Bargeld zu erpressen. Der Frau und einer weiteren Mitarbeiterin drohte er mit dem Tod. Noch am selben Tag versuchte der Somalier eine weitere Erpressung in einem anderen Asylbewerberheim. Bedenken wegen Bewährung Der Richter argumentierte, der Verurteilte habe eine bewußt schwere Verletzung seines Opfers in Kauf genommen. Ein absichtlicher Totschlagversuch, weswegen ihn die Staatsanwältin zuvor angeklagt hatte, konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. Die Kammer habe, so der Vorsitzende Richter, die Strafe nur mit erheblichen Bedenken zur Bewährung ausgesetzt, da der Verurteilte schädliche Neigungen habe. Der Somalier wurde zu 150 Arbeitsstunden und Deutschkursen verpflichtet. (ls) | JF-Online | Das Landgericht Fulda hat einen Somalier trotz einer Reihe von Straftaten zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Unter anderem hatte der Asylbewerber einen 50 Jahre alten Mann während einer Auseinandersetzung auf eine Straße geschubst. Ein Lkw konnte gerade noch rechtzeitig bremsen. | Allgemein | 2016-04-29T11:47:30+02:00 | 2016-04-30T19:19:20+02:00 | https://jungefreiheit.de/allgemein/2016/koerperverletzung-und-erpressung-somalier-zu-bewaehrungsstrafe-verurteilt/ |
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Es wachsen nur die Sozialausgaben | Auf den aktuellen SPD-Wahlplakaten prangt der Slogan: „Mit Sicherheit mehr Wachstum“. Dahinter ein Konterfei von Kanzler Olaf Scholz mit einem Gesichtsausdruck, als würde er das selber nicht ernst nehmen. Und in der Tat, größer könnte der Kontrast zwischen Anspruch und Wirklichkeit kaum sein. Denn Zahlen des Statistischen Bundesamtes für 2024 belegen ein einziges Desaster: Im zweiten Jahr in Folge ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zurückgegangen, um 0,2 Prozent nach minus 0,3 Prozent im Vorjahr. Damit liegt die Wirtschaftsleistung in Deutschland nur noch knapp (um 0,3 Prozent) höher als 2019, also vor dem Einbruch während der Corona-Zeit. In anderen Ländern ist sie dagegen im gleichen Zeitraum deutlich gestiegen, in der EU insgesamt um gut fünf Prozent, in den USA sogar zwölf Prozent. Der Niedergang Deutschlands hat strukturelle Gründe, wie die Statistiker mit bemerkenswerter Klarheit betonen. Neben den hohen Energiekosten gehören demnach sinkende Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten und breite Verunsicherung über die wirtschaftliche Zukunft dazu. In den Zahlen spiegelt sich das deutlich wider. So lahmt trotz zunehmender Erwerbstätigkeit und steigender Realeinkommen der Arbeitnehmer der private Konsum. Vor allem bei Gaststättenbesuchen und Einkäufen von Kleidung und Schuhen versuchen die Konsumenten zu sparen. Schuld daran sind auch die hohen Preise, die allein im Verlauf von Januar bis Dezember um 2,6 Prozent gestiegen sind. Nach dem aussagekräftigeren, dem harmonisierten Verbraucherpreisindex der EU betrug dieser Anstieg sogar 2,9 Prozent. Das ist die weitaus relevantere Größe als der Anstieg im Jahresdurchschnitt, wobei aber auch dieser mit 2,2 Prozent über dem Zielwert von zwei Prozent lag. Noch alarmierender ist der Rückgang der privaten Investitionen. Im Bausektor gingen sie 2024 um 4,3 Prozent zurück, bei den übrigen Unternehmen sogar um 5,3 Prozent. Auch im Export hat der einstige Weltmeister Deutschland nicht mehr viel zu begucken. Während unsere Industrie unter immer höheren Klimaabgaben und grüner Reglementierung ächzt, nimmt uns der größte CO₂-Emittent China immer mehr Marktanteile auf den Weltmärkten ab. Kein Wunder bei all diesen Hiobsbotschaften, daß die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im letzten Jahr stark zugenommen hat. Wachsen tut in Deutschland praktisch kein privater Wirtschaftsbereich mehr mit Ausnahme des Informations- und Telekommunikationssektors. Dagegen nehmen die staatlichen Ausgaben immer weiter zu, finanziert nicht zuletzt durch neue Schulden. So hat trotz sinkender Wirtschaftsleistung der öffentliche Konsum 2024 um 2,6 Prozent zugelegt, bedingt vor allem durch explodierende Kosten beim Bürgergeld, bei den Gesundheitsausgaben und den Renten und Pensionen. Das Statistikamt wertet dies absurderweise als Konjunkturstützung. Aber jedem denkenden Menschen sollte klar sein, daß es so nicht weitergehen kann. Wenn immer weniger produziert wird, muß auch das Sozialsystem über kurz oder lang zusammenbrechen. Da kann der Staat noch so viel Geld drucken und Schulden machen, am Ende steht der ökonomische Ruin. Immerhin haben auch die staatlichen Investitionen zugenommen, was angesichts der maroden Infrastruktur auch dringend geboten ist. Wie viele Windräder, Radwege und Prachtbauten für die Regierung darin enthalten sind, geht aus den amtlichen Angaben allerdings nicht hervor. Aus der JF-Ausgabe 05/25. | Ulrich van Suntum | Der Niedergang Deutschlands hat strukturelle Gründe. Praktisch kein privater Wirtschaftsbereich wächst noch. Zugleich explodieren die Sozialausgaben. Das wird Folgen haben. | Sozial,Wirtschaft | Wirtschaft | 2025-01-25T07:57:09+01:00 | 2025-01-25T07:57:09+01:00 | https://jungefreiheit.de/wirtschaft/2025/es-wachsen-nur-die-sozialausgaben/ |
#Aufschrei 0.0 – Wenn die feministische Empörung ausbleibt | Es ist ziemlich genau drei Jahre her, daß uns im Januar 2013 Rainer Brüderle und ein altherrendämlicher Anmachversuch in einer Hotelbar eine Sexismus-Debatte in Deutschland bescherte, angeheizt durch den sogenannten #aufschrei bei Twitter. Da waren wir also, wir Damen. Opfer der FDP, Opfer der Männer, Opfer von Verbalattacken, von falschen Blicken, falschen Worten. Alles mächtig schlimm, denn es war klar: Frauen sind ständig dem unkontrollierbaren Potenzgebaren und den patriarchalen Unterdrückungsphantasien heterosexueller weißer Männer ausgesetzt. Nun sind wir drei Jahre weiter. In der Neujahrsnacht haben sich Szenen auf der Kölner Domplatte und vor dem Hauptbahnhof abgespielt, die ich als blanken Horror bezeichnen würde. Bislang haben über 30 Frauen Anzeige erstattet, selbst die Polizei vermutet noch eine große Dunkelziffer von Opfern, die sich bisher nicht bei der Polizei gemeldet haben. Eine Gruppe von geschätzt 40 bis 100 Männern hat systematisch junge Frauen eingekreist, sie betatscht, ihnen in den Schritt, an die Brüste, unter den Rock gegriffen. Sie als Huren beschimpft, sie ausgelacht und teilweise auch noch ausgeraubt. Laut Presseberichten ist einer jungen Frau Strumpfhose und Slip heruntergerissen worden, eine andere berichtet, sie habe die fremden Hände in „allen Körperöffnungen“ gespürt. Gleiche Szenen scheinen sich auch ganz in der Nähe vor dem Alten Wartesaal in Köln ereignet zu haben. Auch vom Stuttgarter Bahnhof wird aus der Silvesternacht ähnliches berichtet, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie in Köln. Es waren wohl die falschen Täter Und während man spontan vermutet, in einem Land, in dem jedes falsche Wort und jeder vermeintlich falsche Blick zu einem feministischen #aufschrei führt, weil Mann sich angeblich falsch benommen hat, bleibt das feministische Netz angesichts dieser unglaublichen Vorgänge in Köln stumm. Aufschrei 2016? Eher Aufschrei 0.0 – kein Aufschrei, nirgends. Der Grund ist einfach: Es waren wohl die falschen Täter. Laut Augenzeugenberichten und Zeugenaussagen der betroffenen Opfer waren es nämlich arabisch aussehende Männer, die Polizei selbst sprach von nordafrikanisch aussehenden Männern. Wer auch immer sie waren, die Polizei hat inzwischen eine Ermittlungsgruppe zusammengestellt, die die Vorfälle untersucht. Eines ist klar: Es waren offenbar Männer mit Migrationshintergrund. Und wohl deswegen bleibt das feministische Netz stumm. Eine kurze Durchsicht bei Twitter, Emma, Missy Magaziny, sonst Garanten akuter Empörungsreflexe, zeigt: Keine Reaktion. Ich poste einen Bericht zu den Kölner Vorfällen auf meiner Facebook-Seite, die Reaktionen sind erwartungsgemäß in drei Fraktionen aufgeteilt: Entsetzte Reaktionen angesichts dieses Ausmaßes an sexuellen Übergriffen mitten im öffentlichen Raum. Ein Drittel spontanes Dumpfbackentum, das Messer zücken will und zur Lynchjustiz aufruft an allen, die irgendwie fremd aussehen und innerhalb von Sekunden bei der Unterstellung landet, das passiert eben, wenn so viele Flüchtlinge von der „doofen Merkel“ ins Land gelassen werden. Wenn es sich um deutsche Hooligans gehandelt hätte
Und dann das unvermeidliche Gutmenschentum, das sich darüber beschwert, daß überhaupt veröffentlicht wird, daß es Männer mit arabischem oder afrikanischem Aussehen waren. Denn das sei ja irrelevant, außerdem hetzerisch und rassistisch und spiele zudem „nur den Dumpfbacken“ in die Hände. Also mal besser nicht darüber reden, wer die Täter wohl waren, wie sie aussahen, bloß keine Details, man will ja niemandem auf die Füße treten. Damit sind sie auf einer Linie mit Löschung von diversen Facebook-Postings in Diskussionsforen, wo über die Kölner Vorfälle berichtet wurde. Sowohl Kritik an dem Einsatz der Polizei als auch die Hinweise auf die mögliche Abstammung der Täter und selbst Augenzeugenberichte wurden immer wieder von Administratoren gelöscht. Augen zu, Ohren zu, Mund zu. Nun könnte man ja sagen: Na gut, solange man noch nichts sicher weiß und die Identität der Täter nicht klar ist, wollen wir mal nicht spekulieren und falsche Debatten anheizen. Zwei Einwände: Hätte es sich bei den Tätern zum Beispiel um deutsche Hooligans gehandelt, wir wüßten alle inzwischen deren Vornamen, die „Tagesschau“ hätte berichtet, und Justizminister Maas hätte einen runden Tisch eingesetzt. Niemand hätte ein Problem damit, daß die Identität der Täter offen genannt wird, zumal Pranger in Deutschland ja wieder ganz hoch im Kurs stehen. Wir sind ein Land sprachlicher Fettnäpfchen geworden
Wie um Himmels willen soll nach Tätern gefahndet werden, wenn es nicht mehr möglich sein darf, sie zu beschreiben? Und ja, verdammt, es ist relevant, wie jemand aussah, genauso relevant wie die Frage, welche Sprache er sprach, welchen Akzent er hatte oder wie alt er ungefähr war. Wer einen Täter finden will, muß ihn so genau wie möglich beschreiben (dürfen). Noch einmal zurück zu Rainer Brüderle. Ein angetrunkener Politiker macht einer Journalistin ein mißglücktes Kompliment – das reichte vor drei Jahren aus, um die halbe Bevölkerung Deutschlands als sexistische Chauvinisten unter Generalverdacht zu setzen. Es reichte aus, um Forderungen nach neuen Gesetzen und Verhaltenskodexen aufzustellen. Und es reichte aus, Mann zu sein, um sich latent auf der Täterseite wiederzufinden, selbst wenn man sich nie etwas hatte zuschulden kommen lassen. Wir sind ein Land geworden, in dem man sprachlich nur noch von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen tappt, weil sich eine Frau oder eins der Hunderte von Geschlechtern falsch, gar nicht, oder nicht angemessen sprachlich berücksichtigt fühlt. Wir sind ein Land, in dem man als Mann überlegt, zu einer Frau alleine in den Aufzug zu steigen oder als Vorgesetzter Gespräche mit Mitarbeiterinnen noch unter vier Augen zu führen, es könnte ja falsch verstanden werden. Ich will kein Verständnis haben
Und jetzt Köln. Männer, die Frauen massiv körperlich betatschen, sie sexuell nötigen, sie beleidigen, sie ausrauben. Auf einem öffentlichen Platz. Kein Einzelfall, sondern massiv, gezielt und offenbar ohne Angst vor der Videoüberwachung und der Polizeipräsenz. Der Aufschrei bleibt aus. Genauso übrigens, wie er im Herbst ausblieb, als die ersten Berichte aus Flüchtlingsunterkünften veröffentlicht wurden, daß es dort zu sexuellen Übergriffen gegenüber Flüchtlingsfrauen kommt. Auch damals kein Aufschrei, statt dessen der Rechtsextremismusvorwurf an diejenigen, die Sorge äußern, daß ein Frauenbild zuwandert in unser Land, das wir nicht dulden können. Auch hier waren es wohl die falschen Täter. Der Sexismus-Vorwurf, sonst schnell zur Hand, weicht der Aufforderung zum Verständnis für andere Kulturen. Ich will kein Verständnis haben und werde es auch nicht aufbringen. Es ist mir egal, welche Nationalität ein Täter hat, welche Hautfarbe oder welche Sprache. Und wenn wir mit manchen Nationalitäten, Hautfarben und Sprachen mehr Probleme haben, als mit anderen, gehört es zur ganzen Wahrheit dazu. Weil es auch keinen Unterschied macht, ob das Opfer eine Deutsche oder eine Frau mit Migrationshintergrund ist, ob sie Flüchtling ist oder Asylbewerberin. Wenn wir Täter jedoch mit zweierlei Maß messen, lassen wir die betroffenen Frauen im Stich. Der Text erschien zuerst auf nrwjetzt.de | Birgit Kelle | In der Neujahrsnacht haben sich unglaubliche Szenen auf der Kölner Domplatte abgespielt. Junge Frauen wurden eingekreist, betatscht, beschimpft und gedemütigt. Der Aufschrei der Feministen blieb allerdings aus. Es waren wohl die falschen Täter. Ein Gastkommentar von Birgit Kelle. | Kommentar | 2016-01-05T10:22:28+01:00 | 2016-01-05T11:34:20+01:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2016/aufschrei-0-0-wenn-die-feministische-empoerung-ausbleibt/ |
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Stromproduktion aus Kohle klettert auf Rekordwert | BERLIN. In Deutschland wird immer mehr Strom aus Braunkohle gewonnen. Wie die „Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen“ berichtet, stieg die Produktion im vergangenen Jahr auf 162 Milliarden Kilowattstunden. Damit erreichte sie den höchsten Wert seit 1990 (170,9 Milliarden Kilowattstunden). Im gleichen Zeitraum sank die Stromproduktion aus Atomkraftwerken von 152,5 Milliarden Kilowattstunden auf 97 Milliarden. Bei den erneuerbaren Energien stieg der Wert von 19,7 Milliarden Kilowattstunden (1990) auf 147,1 Milliarden (2013). Sie allerdings profitieren vor allem vom Erneuerbare-Energien-Gesetz, das feste Preise für den produzierten Strom aus nicht-fossilen Brennträgern festschreibt. Grüne fordern Konsequenzen Die Grünen zeigten sich entsetzt über die Zahlen. „Wer es mit dem Klimaschutz ernst meint, muß dafür sorgen, daß immer weniger Strom aus der Braunkohle kommt“, sagte die Umweltpolitikerin Bärbel Höhn. „Der CO2-Ausstoß braucht einen entsprechenden Preis, damit sich klimaschonendere Gaskraftwerke durchsetzen können.“ Der Trend hatte zu mehr Kohlestrom hatte sich bereits in den vergangenen Jahren angekündigt. Seitdem die Bundesregierung 2011 einen Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen hatte, nahm die vergleichsweise kostengünstige Stromproduktion aus Braun- und Steinkohle beständig zu (Siehe Tabelle). Zudem werden konventionelle Kraftwerke benötigt, um die starken Schwankungen bei den erneuerbaren Energien auszugleichen. (ho) | JF-Online | In Deutschland wird immer mehr Strom aus Braunkohle gewonnen. 2013 stieg die Produktion auf 162 Milliarden Kilowattstunden. Damit erreichte er den höchsten Wert seit 1990. Der Anteil der Kernenergie ging dagegen zurück. Die Grünen zeigten sich empört. | Wirtschaft | 2014-01-07T14:26:34+01:00 | 2014-01-07T17:49:28+01:00 | https://jungefreiheit.de/wirtschaft/2014/stromproduktion-aus-kohle-klettert-auf-rekordwert/ |
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Nach Corona-Aussagen: Musikgruppe „Höhner“ feuert Gitarristen | KÖLN. Die Kölner Musikgruppe „Die Höhner“ hat sich wegen Äußerungen zur Corona-Pandemie und seinen politischen Ansichten von ihrem Gitarristen Joost Vergoossen getrennt. Dessen „Haltung zur weltweiten, Covid-19 bedingten Pandemie, die er in mehreren Postings auf seinen Social Media Plattformen veröffentlicht hat, entsprechen nicht der Überzeugung der Band. Zahlreiche Diskussionen zu den erfolgten und bestehenden Covid-19-Maßnahmen zwischen Joost und den anderen Bandmitgliedern verliefen ergebnislos“, teilten die verbliebenen Bandmitglieder auf Facebook mit. Ausschlaggebend für die Trennung sei gewesen, daß Vergoossen „sich schließlich öffentlich zu einem niederländischen Rechtspopulisten und dessen Partei bekannt“ habe. Daher habe man sich nach weiteren Gesprächen entschlossen, getrennte Wege zu gehen. Ob es sich dabei um Geert Wilders und seine „Partei für die Freiheit“ (PVV) handelte, ließ sich nicht feststellen, da ein entsprechender Beitrag auf der nicht verifizierten Facebook-Seite des Musikers nicht zu finden war. Vergoossen wiederum erhob Vorwürfe gegen die Band. Seine ehemaligen Mitmusiker hätten sich einem Gespräch verweigert. Er betonte, er sei kein Corona-Leugner „oder jemand, der die Grenzen für Flüchtlinge schließen will“. Zugleich wies er die Anschuldigung zurück, ein Rassist zu sein. „Die Höhner“, die einem breiten Publikum gerade durch ihre Auftritte zur Karnevalszeit bekannt sind, engagierten sich bereits wiederholt „gegen Rechts“. So wirkten die Musiker unter anderem an einem Video gegen die Vereinnahmung durch Rechte mit. In den vergangenen Tagen hatte es in Deutschland weitere Kritik aus der Kulturbranche an der Corona-Politik gegeben. Die satirische Protestaktion „#allesdichtmachen“ von über 50 Schauspielern sorgte für Aufregung. Darin gingen die Prominenten, darunter Jan Josef Liefers und Ulrich Tukur, hart mit den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung ins Gericht. Die Aktion löste zugleich Empörung aber auch Zustimmung aus. So äußerte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) Verständnis für das Anliegen der Künstler. (ag) | JF-Online | Die Kölner Musikgruppe „Die Höhner“ hat sich wegen Äußerungen zur Corona-Pandemie und seinen politischen Ansichten von ihrem Gitarristen Joost Vergoossen getrennt. Ausschlaggebend für die Trennung sei gewesen, daß Vergoossen „sich schließlich öffentlich zu einem niederländischen Rechtspopulisten und dessen Partei bekannt“ habe. | Corona | Gesellschaft | 2021-04-26T10:46:19+02:00 | 2021-04-26T14:13:16+02:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/gesellschaft/2021/corona-aussagen-hoehner/ |
Wüst versucht, den Asyl-Salto seines Chefs nachzuturnen – und scheitert | IHR DIGITALER ZUGANG. Einfach registrieren und weiterlesen.
Sie sind bereits Digital-Abonnent? Hier anmelden. | Ulrich Clauß | Die schwarz-grüne Migrationspolitik von NRW-Ministerpräsident Wüst ist mit dem Blutbad von Solingen krachend gescheitert. Jetzt macht er bei Caren Miosga auf „wildes Pferd“ und dementiert den eigenen Koalitionsvertrag. | Wüst,Asyl | Kommentar | 2024-09-16T16:45:59+02:00 | 2024-09-16T17:02:13+02:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2024/wuest-versucht-den-asyl-salto-seines-chefs-nachzuturnen-und-scheitert/ |
Unterschriften für Ampel-Aus: FDP vor der Zerreißprobe | BERLIN. Die Initiatoren für eine Mitgliederbefragung über das Ausscheiden der FDP aus der Bundesregierung haben am Donnerstag in der Berliner FDP-Zentrale mehr als 600 Unterschriften übergeben. 200 weitere haben sie, so sagen sie zur Sicherheit, noch in petto. Matthias Nölke, Kreisvorsitzender der FDP in Kassel und Georg Nippert, FDP-Kreisvorstand aus Worms, händigten die hunderten Zettel dem Bundesgeschäftsführer der Partei, Michael Zimmermann, aus. Dessen Mitarbeiter müssen nun die Gültigkeit prüfen. Sind es mindestens 500, muß die interne Befragung starten. Diese ist zwar nicht bindend, würde bei einem deutlichen Ergebnis aber enormen Druck entfalten und die FDP vor eine Zerreißprobe stellen. Nölke hofft auf eine Beteiligung von „60 bis 70 Prozent“ der 77.000 FDP-Mitglieder. Seine Forderung nach dem Austritt der Liberalen aus der Regierung begründet er so: „Das Festhalten an der Verantwortung bringt das Land an den Abgrund und die FDP in den Sog gleich mit dazu.“ Die Initiatoren wünschen sich eine Abstimmung bereits im Januar und am „besten digital“. So wäre eine hohe Beteiligung möglich. Nölke hofft, die Mehrheit könnte das so sehen wie er: „In der Energie- und Migrationspolitik verhelfen wir Rot-Grün zu Mehrheiten, für die wir nicht gewählt worden sind.“ Doch die Parteiprominenz ist vehement gegen einen Ausstieg aus der Koalition mit SPD und Grünen. Parteichef Christian Lindner sagte kürzlich dem Handelsblatt: „Die FDP bestimmt deutlich den Kurs mit, den die Bundesregierung einschlägt.“ Es gebe aktuell keinen Anlaß, so der Finanzminister, „der ganzen Unsicherheit, die es derzeit in der Welt gibt, noch eine weitere hinzuzufügen“. Auch der sonst als Parteirebell bekannte Frank Schäffler, der allerdings trotz monatelanger Kritik auch dem Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zustimmte, will in der Regierung bleiben. Dem Spiegel sagte er: „Wir müssen jetzt in dieser Phase cool bleiben.“ In der „Zeitenwende der öffentlichen Haushalte dürfen wir das Schiff nicht verlassen“. Lindner bescheinigte er, dabei der „Steuermann“ zu sein. Gerade das sehen die Befürworter des Ampel-Aus anders. Die Haushaltskrise, die erst offenbar wurde, als die Unterschriftensammlung schon lief, betrachten sie als Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt. Die von Lindner kürzlich für das laufende Jahr nachträglich ausgerufene „Notlage“ nannte er eine „Notlüge“. Und sein Partner Nippert gab ein Stimmungsbild wieder, das er an der Basis und bei den Wählern feststelle: „Wenn wir sagen, es war ein Fehler, diese Koalition, wir stecken zurück für Deutschland, dann haben mir 90 Prozent der Menschen gesagt: Dann würde ich auch wieder FDP wählen.“ (fh) | JF-Online | Die Initiatoren übergeben dem FDP-Bundesgeschäftsführer deutlich mehr Unterschriften, als für eine Mitgliederbefragung nötig sind. Wie geht es weiter? Drückt die FDP-Basis das Ampel-Aus durch? | FDP | Deutschland | 2023-12-08T00:01:22+01:00 | 2023-12-08T11:30:52+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2023/unterschriften-fuer-ampel-aus-fdp-vor-der-zerreissprobe/ |
Rußlands Angriff – ein Gigant taumelt | Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Abend des 23. Februar ins Bett ging, wußte er offensichtlich nicht, daß er tatsächlich in einer neuen Welt aufwachen würde. Er hatte in den Wochen zuvor, trotz hinreichender Anzeichen für einen bevorstehenden Großangriff Rußlands, keine Generalmobilmachung angeordnet und auf die Einberufung von Reservisten im großen Stil verzichtet. Wie viele auch, darunter etliche Experten aus Militär und Politik, hatte er die Lage falsch eingeschätzt und gehofft, durch Deeskalation einen Krieg vermeiden zu können. Stattdessen startete Wladimir Putin von seinem Bunker im Ural aus den größten Landkrieg, den Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs gesehen hat. In den ersten zwölf Stunden des Krieges schien der Angriff Russlands nach Plan zu verlaufen. Gelenkte Bomben und Präzisionswaffen zerstörten im Vorfeld ausgekundschaftete Ziele in der Ukraine wie Waffendepots, Flugabwehrstellungen und Militärflughäfen. Binnen kürzester Zeit hatten russische Luftlandetruppen den Flughafen bei Hostomel nahe Kiew eingenommen, von dem aus eine Luftbrücke in die ukrainische Hauptstadt eingerichtet werden konnte. Der Widerstand der Ukrainer brach an der Krim-Front zusammen und erlaubte Panzerspitzen der Russen den Vorstoß über weite Flächen des Landes bis an den Fluss Dnepr. Doch bereits am zweiten Tag des Krieges zeigten sich zunehmend die Probleme, mit denen die russischen Streitkräfte zu kämpfen hatten. Treibstoffmangel, poröses Reifengummi bei den Fahrzeugen, Koordinations- und Kommunikationsschwierigkeiten der Truppenteile und der Mangel an Kampfmoral bei den einfachen Soldaten, verlangsamten den Vormarsch. Erschwerend kam hinzu, daß die Ukrainer nach dem anfänglichen Schock ihre Reihen schließen und eine beachtliche und effiziente Verteidigung etablieren konnten. Der Einsatz moderner Javelin-Waffensysteme und die Tatsache, daß die ukrainische Luftwaffe und Luftabwehr nicht vollständig zerstört waren, sorgten für empfindliche Verluste bei den russischen Truppen. Überall kam es zur Erlahmung der russischen Aktionen. Die mediale Flut an Bildern von demotivierten russischen Wehrpflichtigen, aufgegebenen Panzern und brennenden Kolonnen der Eroberer, dürften nicht zum Plan Putins und seiner Berater gehört haben. In knapp zwei Wochen haben sich die russischen Streitkräfte selbst entzaubert. Von der angeblich hoch gerüsteten Hightech-Armee, die es laut eigener Darstellung mit den Nato-Staaten in einem konventionellen Krieg aufnehmen könne, bleibt nicht viel. Was an Hightech vorhanden war, wurde größtenteils in den ersten Kriegsstunden eingesetzt und bereits verloren. Was bleibt, ist die alte, russische Dampfwalze, die sich jetzt wie in Tschetschenien daran macht, Städte einzukreisen und zu „magdeburgisieren“; ein Begriff an Anlehnung an die Zerstörung der mitteldeutschen Stadt im 30jährigen Krieg. Mittlerweile scheint offensichtlich, daß im Kreml eine völlige Fehleinschätzung der ukrainischen Armee vorgelegen haben muß. Die ersten Kriegsstunden und der Einsatz der Fallschirmjäger sprechen dafür, daß Putin darauf abzielte, die Ukraine in einem „Blitzkrieg“ im Handstreich zu nehmen. Ähnlich, wie es ihm auf der Krim 2014 gelungen war. Man ging davon aus, die ukrainische Armee beim ersten Feindkontakt mit den überlegenen russischen Streitkräften in die Flucht zu schlagen. Russische Spezialkräfte hätten dann Selenskyj und die ukrainische Führung festnehmen oder töten können, was die Auflösungsprozesse der Ukrainer beschleunigt und einen Vormarsch Rußlands bis nach Lemberg in wenigen Tagen möglich gemacht hätte. Daß heute die Russen in genau jenem Schlamm stecken bleiben, in dem auch die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg liegen blieb, ist eine Ironie der Geschichte. Ähnlich verblüffend ist, daß man in Moskau den Gegner ähnlich geringgeschätzt hat, wie einst die Deutschen im letzten großen Krieg ihre östlichen Nachbarn. Putin hat den Ukrainern in seiner verqueren Geschichtsunkenntnis ihre Staatlichkeit und ihr Existenzrecht als eigenes Volk abgesprochen. Er ist augenscheinlich überzeugt davon, es sei Rußlands Mission, das Brudervolk der Ukrainer zu „befreien“. Daß die Ukrainer sich ihren „Befreiern“ widersetzen und die russischen Soldaten nicht mit Blumen, sondern mit Raketen und Kugeln empfangen würden, war in Moskau nicht in diesem Maße einkalkuliert worden. Die slawischen und baltischen Staaten, die jahrhundertelang unter dem Einfluß Rußlands viel zu erdulden hatten, sind in ihrer skeptischen Haltung gegenüber Moskau bestätigt worden. Selbst die Finnen, die um ein gutes Verhältnis zu Russland stets bemüht waren, sprechen sich nun mehrheitlich für einen Beitritt zur Nato aus. Mit dem Angriff auf die Ukraine hat Putin die fragwürdige Nato-Osterweiterung nicht aufgehalten, sondern die Länder rund um Rußland herum ermutigt, sich so schnell wie möglich unter den Schutzschild Washingtons zu stellen – mit allen politischen, kulturellen und militärischen Konsequenzen. | Ferdinand Vogel | Der von Moskau geplante kurze Waffengang gegen die Ukraine ist gescheitert. Nach Anfangserfolgen sind die russischen Truppen vom Widerstand überrascht worden und haben zugleich eigene Unzulänglichkeiten offenbart. Rußlands Präsident Putin ist seinen eigenen Illusionen erlegen. Ein Kommentar. | Rußland | Kommentar | 2022-03-08T10:24:20+01:00 | 2022-03-09T17:21:34+01:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2022/russlands-angriff-ein-gigant-taumelt/ |
Umfrage: Deutsche wollen weniger Zuwanderung | BERLIN. 51 Prozent der Deutschen meinen, daß Deutschland „eher zu viele Flüchtlinge“ aufgenommen hat. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes INSA für die Bild am Sonntag hervor. Jeder Dritte, 33 Prozent, dagegen findet die Zahl angemessen. Im vergangenen Jahr beantragten laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 217.774 Menschen in Deutschland erstmals Asyl – so viele wie seit dem Höhepunkt der vergangenen Asylkrise 2016 nicht mehr. Sie stammen mehrheitlich, so das Bamf, aus islamischen Ländern wie Syrien, Irak, Afghanistan und der Türkei. Hinzu kommen mehr als eine Million Ukrainer, die 2022 vor dem Krieg in ihrer Heimat in die Bundesrepublik flüchteten. Derweil protestieren an zahlreichen Orten in Deutschland Anwohner gegen die Unterbringung von Einwanderern aus dem arabischen Raum. Nach den aufsehenerregenden Demonstrationen im Zusammenhang mit dem mecklenburgischen Upahl gibt es nun unter anderem auch starken Unmut in der Oberpfalz (Bayern). Im dortigen Örtchen Bach sollen 200 Asylbewerber auf einem ehemaligen Donau-Kreuzfahrtschiff untergebracht werden. Laut der INSA-Umfrage meinen elf Prozent der Befragten, Deutschland solle noch mehr Menschen aufnehmen. Das Institut hatte Ende vergangener Woche 1003 Personen befragt. (fh) | JF-Online | Der neue Asylrekord bringt Kommunen in Not. Die Angst vor Gewalttaten häuft sich. Laut einer neuen Umfrage will nun auch die Mehrheit der Deutschen eine Begrenzung der Zuwanderung. | Umfrage | Deutschland | 2023-02-06T11:30:45+01:00 | 2023-02-06T11:44:26+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2023/umfrage-weniger-zuwanderung/ |
Freibadgäste gehen bei Massenschlägerei aufeinander los | BERLIN. Am vergangenen Montag abend haben rund 30 Personen im Sommerbad in Berlin-Pankow randaliert. Auslöser war laut Berliner Polizei ein Streit zwischen zwei Bademeistern und zwei Jugendlichen im Alter von 14 und 16 Jahren. Als vier Sicherheitsmitarbeiter herbeieilten, kam den Minderjährigen eine Gruppe von etwa 30 anderen Jugendlichen zur Hilfe und attackierte das Freibadpersonal. „Bereits vor dem Eintreffen der alarmierten Einsatzkräfte flüchtete der Großteil der Gruppe“, schrieb die Berliner Polizei. Es sei jedoch gelungen, die Identitäten der beiden Jungen aufzunehmen, deren Streit mit den Bademeistern die Massenschlägerei ausgelöst hatte. Der 16jährige erlitt Verletzungen an einem Arm und im Gesicht und wurde zur ambulanten Behandlung in ein Krankenhaus gebracht. Sein 14jähriger Freund wurde „nach Absprache mit den Erziehungsberechtigten vor Ort entlassen“. Die Polizei ermittelt inzwischen wegen Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung. Laut Bild-Zeitung soll der 16jährige aus dem Libanon stammen, der 14jährige soll eine „ungeklärte Staatsbürgerschaft“ haben. Schon Anfang Juni mußten Sicherheitsmitarbeiter des Berliner Sommerbades wegen einer Prügelei die Polizei rufen. Am Wochenende ereigneten sich ähnliche Szenen im Herzogenriedbad in Mannheim. Polizeiangaben zufolge kam es zum Streit, weil zwei unbekannte Erwachsene einen zwölfjährigen ins Becken geschubst und dessen Kopf unter Wasser gedrückt hatten. Daraufhin habe das Kind seine Brüder zu Hilfe gerufen. Als diese die beiden Männer zur Rede stellen wollten, eskalierte die Situation: Es kam zur Massenschlägerei mit weiteren Freunden und Verwandten der Konfliktparteien. Insgesamt 40 Personen seien an dem Gewaltausbruch beteiligt gewesen. Vier Personen wurden durch Schläge leicht verletzt, einer weiteren sollen zusätzlich das Handy und Bargeld geklaut worden sein. Ein 24jähriger wurde durch einen Messerstich leicht verletzt. Die Polizei fahndet nach zwei Männern mit „südosteuropäischem Erscheinungsbild“. Von ihnen fehlt jede Spur. (st) | JF-Online | Soft-Eis, Pommes, Mutproben auf dem Sprungturm und unbeschwerte Kindheitserinnerungen. Doch immer öfter wird der Badespaß zum Albtraum. Das zeigen zwei aktuelle Gewaltexzesse in Freibädern. | Massenschlägerei | Deutschland | 2023-06-20T17:16:55+02:00 | 2023-06-20T17:20:12+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2023/freibad-massenschlaegerei/ |
Hitlergruß? Gericht gibt AfD-Politiker recht | MÜNCHEN. Die Staatsanwaltschaft München ist mit ihrem Versuch gescheitert, den AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron wegen eines vermeintlichen Hitler-Grußes anzuklagen. Das Amtsgericht lehnte ein Verfahren ab. Es bestehe „kein hinreichender Tatverdacht“. Das berichtet reitschuster.de. Bystron, der sieben Jahre Mitglied der FDP war, hatte bei seiner Rede gegen die Impfpflicht am 5. März mit dem rechten Arm gestikuliert. Macht man von dieser Szene ein Foto, könnte mit viel Phantasie der Eindruck entstehen, der AfD-Politiker zeige die verbotene Geste, obwohl der Daumen nach oben gerichtet ist. Videos von dem Auftritt belegen aber klar, daß dies nicht der Fall ist und die Vorwürfe konstruiert sind. Gewinnspiel: Wer hier einen #Hitlergruß sieht, gewinnt einen Praktikumsplatz bei der Staatsanwaltschaft München I, im Büro der Gruppenleiterin #Diplich. #Immunitätsaufhebung.https://t.co/btsljD3RUG — ᴘᴇᴛʀ ʙʏsᴛʀᴏɴ (@PetrBystronAfD) July 9, 2022
Daß die Staatsanwaltschaft München trotzdem an dem Versuch festhielt, Bystron vor Gericht zu bringen, hat ihr nun eine juristische Ohrfeige eingebracht. „Die exakte Ausführung eines ‚Hitlergrußes‘ ist daher in dieser Bewegung gerade nicht zu sehen“, schreibt das Gericht laut reitschuster.de. „Auch eine zum Verwechseln ähnliche Geste nach § 86a Abs. 2 StGB ist hierin nicht zu erkennen.“ Zwar hebe der Angeschuldigte den rechten Arm, weitere Ähnlichkeiten mit dem Hitlergruß seien „jedoch ebenfalls aus der frontalen Kameraperspektive gerade nicht erkennbar“. Dennoch will die Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung ihrer Anklage Beschwerde einlegen. (fh) | JF-Online | Die Staatsanwaltschaft scheitert mit dem Versuch, den AfD-Abgeordneten Bystron wegen eines vermeintlichen Hitler-Grußes anzuklagen. Das Gericht sagt, die Geste sei „gerade nicht zu sehen“. Mit Video. | AfD | Deutschland | 2022-08-17T09:58:49+02:00 | 2022-08-17T10:03:05+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2022/hitlergruss-gericht-gibt-afd-politiker-recht/ |
Mit offenen Augen blind | Eileen S. ist 18, eine hübsche, blondhaarige Gymnasiastin aus Berlin-Hohenschönhausen. Kürzlich durfte sie in der Berliner Zeitung in der Rubrik „Klartext“ eine Kolumne schreiben. Die letzte März-Woche war für Eileen eine besondere, denn „es war die bundesweite Aktionswoche gegen Rassismus, die vom Verein Gesicht zeigen! und dem Interkulturellen Rat bereits zum siebten Mal initiiert wurde“. Höhepunkt war für sie der Schulbesuch der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth, die sich „enthusiastisch für mehr Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus und für eine gerechte Einbürgerungspolitik“ aussprach – für Eileen „eine gute Idee“. Nur würde eine Einbürgerungspolitik, die Claudia Roth für „gerecht“ hält, den Bevölkerungsanteil der Antisemiten raketenhaft nach oben treiben. Doch eine Achtzehnjährige muß solch Widerspruch nicht interessieren. Die Wichtigkeit von Claudia Roths Engagement erwies sich für Eileen bereits während der Veranstaltung, als ein Mitschüler den Gast „aufgebracht, fast trotzig mit der Frage konfrontierte, was die Jugend für die Verbrechen der Deutschen während des Nationalsozialismus könne und warum sie sich derer schuldig fühlen solle. Nicht nur die Politikerin mußte bei dieser Frage schlucken, auch unter den meisten Lehrern und Schülern erregte sie großes Aufsehen und rief beschämende Gefühle hervor.“ „Sowas fragt man nicht!“ zischen die Mitschüler Was sind „beschämende Gefühle“? Doch wohl Emotionen, derer man sich zu schämen hat. Wollte die Schreiberin ihre Scham darüber ausdrücken, daß nicht sämtliche Mitschüler und Lehrer dem einzigen in der Runde, der Widerspruch gewagt hat, beigesprungen sind? Hat sie heimlich Sympathie für ihn empfunden? Aus dem Kontext ergibt sich leider das Gegenteil. Sie wollte ihren Lesern mitteilen, daß die meisten Zuhörer sich schämten, weil ein Schüler aus der Rolle fiel und eine abweichende Meinung zu äußern wagte. Eine persönliche Erinnerung: An der Erweiterten Oberschule in einer Kleinstadt der DDR ist der Kreisstaatsanwalt zu Besuch. Der Verfasser nimmt all seinen Mut zusammen und erinnert in der Sklavensprache, mit der Abweichler sich tarnten, um Sanktionen zu entgehen, an die Hetzkampagnen der BRD gegen die DDR, die sich an der angeblich fehlenden Freizügigkeit entzündeten. Wie sich denn die sozialistische Gesetzlichkeit dazu verhielte? In diesem Moment wurde die Luft im Raum zu Eis, Mitschüler zischten ihn an: „Sowas fragt man nicht!“, er fühlte sich sehr einsam. Nachträglich möchte man solche Erfahrungen nicht missen, denn sie haben einen unempfindlich für falsche Mehrheitsmeinungen gemacht. Für Eileen war der Widerspruch „ein Zeichen dafür, daß es nicht reicht, die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs im Unterricht aufzuarbeiten. Vielmehr sollte man den Blick in die Zukunft nicht vergessen, denn einige Schüler scheinen nicht zu verstehen, daß es nicht um etwas Vergangenes geht, sondern um die Zukunft.“ Überschrieben ist die Kolumne: „Nie wieder kollektives Augenschließen“. Man kann allerdings auch blind sein mit offenen Augen. „Unwissende damit ihr / unwissend bleibt / werden wir euch / schulen“, schrieb Reiner Kunze vor 40 Jahren über die politische Bildungsarbeit in der DDR. Auch im Text von Eileen findet sich kein einziger Gedanke, der nur einen Millimeter von der volkspädagogischen Dauerbeschallung durch Politik, Schule und Medien abweicht. Schlimmer noch: Widerspruch, der überhaupt erst Denkprozesse in Gang setzt, empfindet sie als Bedrohung. Da würde man sich in einer Situation, in der es hart auf hart kommt, doch lieber auf ihren widerspenstigen Mitschüler verlassen. | JF-Online | Eileen S. ist 18, eine hübsche, blondhaarige Gymnasiastin aus Berlin-Hohenschönhausen. Kürzlich durfte sie in der Berliner Zeitung in der Rubrik "Klartext" | Kultur | 2007-04-13T00:00:00+02:00 | 2007-04-13T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/2007/mit-offenen-augen-blind/ |
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Phantomdebatten über Atombomben | Es ist ein altbekanntes politisches Ritual: Da wird eine steile These formuliert, die für ordentlich Schlagzeilen und mal mehr, mal weniger Empörung sorgt. Droht das Ganze außer Kontrolle zu geraten, ist der Urheber gefordert, die Sache „wieder einzufangen“. Aktuelles Beispiel: „Das ist keine Forderung, sondern eine Feststellung, eine sehr realistische Feststellung.“ Gesagt hat das Katarina Barley, die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl. #Atomwaffen für #Europa? Im #berlindirekt-Interview mit @an_maurer ordnet @katarinabarley #SPD ihre Äußerung ein: Es sei „keine Forderung, sondern eine Feststellung, eine sehr realistische Feststellung“, sagt sie im @ZDF.
Sehen Sie hier das komplette Interview:
👇 pic.twitter.com/ry8DkVW7W3 — Berlin direkt (@berlindirekt) February 18, 2024
Damit wollte sie im ZDF am Sonntag einfangen, was sie fünf Tage zuvor losgetreten hatte. Im Interview mit dem Tagesspiegel meinte die EU-Abgeordnete und frühere Bundesjustizministerin, „angesichts der jüngsten Äußerungen von Donald Trump“ sei auf den nuklearen Schutzschirm der Amerikaner für die Europäer „kein Verlaß mehr“. Die anschließende Frage, ob die EU dann eigene Atombomben brauche, beantwortete Barley so: „Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das ein Thema werden.“ Die erste und deutlichste Klatsche dafür bekam Barley gleich aus der eigenen Partei: „Das ist eine Eskalation in der Diskussion, die wir nicht brauchen“, versuchte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) einen Debatten-Flächenbrand im Keim zu ersticken. Das ganze Thema sei zu „komplex“, er „halte nichts von aufgeregten Debatten zur Unzeit“. Im Klartext: Genossin, du hast keine Ahnung, halt den Mund! Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag und EU-Spitzenkandidatin für die FDP, Marie-Agnes Strack Zimmermann, beschied Barley, besser zu schweigen. „Das Thema ‘Atomar’ gehört nicht in der Öffentlichkeit diskutiert“. Ähnlich der außenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Norbert Röttgen. Er meinte, der Vorstoß sei „in jeder Hinsicht, rechtlich, europa- und sicherheitspolitisch nicht von dieser Welt“. Sein stellvertretender Fraktionschef Johann Wadephul forderte eine Klarstellung von Kanzler Olaf Scholz, inwiefern dies abgesprochen oder eine offizielle Position der Bundesregierung sei. Er fürchte, „daß die Aussage die völlige Ahnungs- und Bedeutungslosigkeit von Frau Barley belegt“. Dabei ist die ganze Debatte ohnehin nicht neu. Bereits im Frühjahr 2017 wurde kontrovers über eine mögliche europäische nukleare Abschreckungsstrategie diskutiert. Anlaß waren – wie heute – Überlegungen, die Vereinigten Staaten könnten ihr Engagement in der Nato reduzieren. Zugleich stellte sich die Frage, ob Franzosen und Briten – die einzigen europäischen Atomwaffen-Mächte – wegen der hohen Kosten für den Erhalt oder die Modernisierung ihres Arsenals eine finanzielle Beteiligung anderer Partnerstaaten anregen könnten. Einen Militärhaushalt hat die EU indes nicht. Aufkommen müßten für eine solche Finanzierung also die nationalen Verteidigungshaushalte der anderen Staaten, geregelt über bilaterale Verträge. Wobei sich daran anschließend fragen ließ: Welche Gegenleistungen würden Paris oder (nicht im EU-, aber im Nato-Rahmen) London dafür erbringen? Würden die beiden einen Teil ihrer Hoheit über die eigenen Waffen, über die „roten Knöpfe“ abgeben? Ernsthafte Hinweise auf eine diesbezügliche Bereitschaft gab es bisher weder bei Franzosen noch Briten. Auch eine Stationierung in anderen europäischen Ländern erscheint eher unrealistisch, da sich der Großteil der französischen Atomwaffen seegestützt auf U-Booten befindet. Welchen sicherheitspolitischen Nutzen hätte Deutschland also von solch einer kostspieligen Beteiligung? Die weitergehende Überlegung wäre also, ob dann nicht Berlin eine eigene Atombombe anschaffen sollte. Klar ist, daß zwei völkerrechtlich bindende Verpflichtungen einer eigenen atomaren Bewaffnung Deutschlands entgegenstehen: Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) von 1968, auch „Atomwaffensperrvertrag“ genannt, und der „Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland“, besser bekannt als „Zwei-Plus-Vier“-Vertrag vom September 1990. Dieser faktische Friedensvertrag zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs machte den Weg zur Wiedervereinigung frei. Dort wird noch einmal ausdrücklich als bindend bestätigt: „Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihren Verzicht auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen. Sie erklären, daß auch das vereinte Deutschland sich an diese Verpflichtungen halten wird.“ Wer also plant, die Bundesrepublik in eine Nuklearmacht zu verwandeln, müßte nicht nur den Atomwaffensperrvertrag kündigen, sondern auch das völkerrechtliche Vertragswerk, das die deutsche Einheit ermöglichte. Außer solchen hohen rechtlichen Hürden bestehen auch technische. Viele Experten bezweifeln, daß Deutschland nach seinem Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie überhaupt in der Lage wäre, eine Atombombe herzustellen. Nicht betroffen von solchen rechtlichen und technischen Hürden ist nach wie vor die sogenannte „nukleare Teilhabe“. Sie basiert auf dem „Zwei-Schlüssel“-Prinzip, wonach ein Kernwaffenstaat entsprechende Waffen auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staats stationiert hat, über deren Einsatz beide Staaten nur gemeinsam entscheiden können. So haben die Amerikaner – offiziell nicht bestätigt – auf dem Fliegerhorst im rheinland-pfälzischen Büchel etwa 20 thermonukleare Bomben („Wasserstoffbomben“) des Typs B61 gelagert. Insgesamt sollen es in Europa 150 Stück an fünf weiteren Standorten in Nato-Mitgliedsstaaten sein. Es handelt sich um Freifall-Bomben, die nicht gelenkt werden können, sondern von Flugzeugen – darunter deutschen „Tornados“ beziehungsweise nach Einführung deutschen F-35 – ins Ziel gebracht werden müßten. Nicht zuletzt aufgrund dieser eher altmodischen und aufgrund moderner Flugabwehr risikoreichen Methode ist sogar im äußersten Ernstfall („Ultima ratio“) der Nutzen solcher Waffen mittlerweile fraglich. Von einer „Pseudodebatte“ spricht mit Blick auf Barleys Äußerungen und das Folgende der Fachmann für das Thema „Nukleare Abschreckung“ bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, Peter Rudolf. Kaum jemand sei sich der technischen oder strategischen Folgen einer solchen Idee bewußt, kritisierte er in der FAZ. „Eine Atombombe zu haben bedeutet ja erst einmal gar nichts.“ Im Gegenteil würde dies eher die Krise verstärken. Notwendig zur Abschreckung sei ein Arsenal von „überlebensfähigen“ Waffen. „Dazu bräuchte man nuklear angetriebene U-Boote, die monatelang auf dem Wasser bleiben können“, wandte Rudolf ein. Tatsächlich ist für ein wirksames „Gleichgewicht des Schreckens“ die sogenannte Zweitschlagsfähigkeit notwendig. Das heißt vereinfacht gesagt, ein atomar angegriffenes und möglicherweise schwer verwüstetes Land könnte mit seinen auf U-Booten stationierten Atomsprengköpfen den Gegner ebenfalls noch verheerend treffen. Seit dem Brexit ist Frankreich das einzige EU-Mitglied, das solche Kapazitäten hat. Dafür muß es allerdings jährlich etwa ein Zehntel seines Verteidigungshaushalts in die atomare „Force de Frappe“ investieren. Entscheidend aber ist: Bereits jetzt sind sowohl die französischen als auch die britischen Atomwaffen Teil der europäischen Abschreckung, da Artikel 5 des Nato-Vertrags beide Länder verpflichten würde, im Falle eines Angriffs Deutschland (oder jedem anderen Mitgliedstaat) beizustehen. Frankreich ist zudem als EU-Mitglied in die europäische Bündnisklausel (Artikel 42 des Lissabon-Vertrags) mit einer Beistandspflicht eingebunden. Inwieweit man sich hierzulande noch auf die Amerikaner verlassen könnte, wird nicht zum ersten Mal hinterfragt. So machte vor 14 Jahren das Gerücht die Runde, Washington erwäge, seine in Deutschland gelagerten Atombomben abzuziehen. Präsident war seinerzeit nicht Donald Trump, sondern sein Vorgänger, der Demokrat Barack Obama. JF 09/24 | Christian Vollradt | Als Trump die europäischen US-Partner zu mehr Selbstständigkeit auffordert, bricht Panik aus. Die SPD-Spitzenkandidatin zur Europawahl will sogar die eigene Atombombe nicht ausschließen – doch die Aufregung liegt fernab der Realität. Von Christian Vollradt. | Atombombe,Europa | Deutschland | 2024-02-25T09:30:56+01:00 | 2024-02-25T09:30:56+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2024/phantomdebatten-ueber-atombomben/ |
Der Totalausfall | Als Joachim Zeller vor zwei Jahren zum Vorsitzenden der Berliner CDU gewählt wurde, hat die JUNGE FREIHEIT prophezeit, daß er über den Status einer Marionette nicht hinauskommen würde (JF 23/03). Die Einschätzung hat sich als richtig erwiesen. Äußerlich hebt der 1952 im schlesischen Oppeln geborene Zeller sich vorteilhaft von seinen aalglatten Politikerkollegen ab, doch ein Rübezahl, der mit seinem Donnern die rot-rote Landesregierung und die Karrieristen und Intriganten in der eigenen Partei Mores lehrt, ist er deswegen noch lange nicht. Zeller ist bloß der fleischgewordene kleinste gemeinsame Nenner. Den Vorsitz der Landespartei erhielt er, weil die Bezirksfürsten ihn für hinreichend machtlos hielten, um ihre Kreise nicht zu stören. Ähnliches gilt für den Stadtbezirk Berlin-Mitte, wo er seit 1995 als Bürgermeister amtiert. Dort gibt es unter den Stadtverordneten eine klare linke Mehrheit, die untereinander jedoch heillos zerstritten ist. Also wurde Zeller als Kompromißkandidat auf den Schild gehoben. Um oben zu bleiben, darf er nirgends anecken. Es ist das Schicksal der Christdemokraten in Berlin, nur noch Geduldete zu sein. Der diplomierte Slawist und Vater von vier Kindern lehrte an der Ost-Berliner Humboldt-Universität. Er trat 1990 der CDU bei, gehörte also nicht zu den Blockflöten. Sein Manko an politischer Erfahrung hat er bis heute nicht ausgleichen können. Eine Hausmacht besitzt er ebenfalls nicht. Auch politisch-konzeptionell hat er sich als Totalausfall erwiesen. Als die CDU/FDP-Mehrheit im Bezirk Steglitz-Zehlendorf beschloß, am 8. Mai auch der deutschen Opfer zu gedenken, und danach eine volksfrontartige Kampagne losbrach, vermied er es, „klare Kante“ zu zeigen und damit endlich stadtweit bekannt zu werden. Als der CDU-Abgeordnete Torsten Hippe in diesem Zusammenhang in einem ZDF-Interview erklärte: „Ich bilde mir eigene Positionen und übernehme keine Positionen der NPD, wenn sie sich teilweise decken mögen … dann kann ich das nicht ändern“, verlangte Zeller, anstatt humoristisch auf die vier Grundrechenarten zu verweisen, die für Demokraten wie für Extremisten gleichermaßen gelten, unbesehen den Parteiausschluß – konnte sich aber nicht durchsetzen. Um den düpierten Konservativen in der CDU zu schmeicheln, erklärte er einige Tage darauf, die Abwahl des Berliner „Linksblocks“ wäre für die Stadt ein „Tag der Befreiung“. Kaum ging die Meldung durch die Presse, stellte er sich, unter dem Wutgeheul ebendieses Linksblockes, freiwillig in die Schäm-Ecke. So einer ist peinlich und als Stadtoberhaupt undenkbar. Eine kraftvolle Opposition würde in Berlin jetzt Morgenluft wittern. Denn die Stimmung in der Hauptstadt ist fast so miserabel wie die Lage. Die flittchenhaften Allüren des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) verfangen nicht mehr. Die Wähler fragen nach politischen Alternativen. Was sie vorfinden, ist ein Vakuum namens Zeller/CDU. | JF-Online | Als Joachim Zeller vor zwei Jahren zum Vorsitzenden der Berliner CDU gewählt wurde, hat die JUNGE FREIHEIT prophezeit, daß er über den Status einer Marionette | Interview | 2005-03-25T00:00:00+01:00 | 2005-03-25T00:00:00+01:00 | https://jungefreiheit.de/debatte/interview/2005/der-totalausfall/ |
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Kritik aus den eigenen Reihen: „CDU fehlen prägnante Köpfe“ / Der Vorsitzende der Jungen Union Hessen, Peter | Kritik am programmatischen Fundament der CDU übt der Vorsitzende der Jungen Union Hessen, Peter Tauber, im Interview mit der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT, die am Freitag erscheint. Er wirft seiner Partei vor, daß sie ihr Programm seit der Wiedervereinigung auf Wirtschaftspolitik beschränke. Konservative Wertfragen und soziale Themen würden vernachlässigt. Die CDU wisse nicht mehr, was ihr Leitbild sei und erreiche „in vielen Bereichen nicht mehr die Lebenswirklichkeit der Menschen.“ Zudem mangele es der Union an prägnanten Persönlichkeiten konservativer und christlich-sozialer Prägung. Dieses Defizit könnte der Union künftig weitere Einbußen bei Wahlen bescheren: „Wer keine Antwort auf die Frage gibt, für welches Gesellschaftsbild seine Partei eintreten will, der steht mit Blick auf die Zukunft auf schwankendem Grund“, so Tauber. Das vollständige Interview finden Sie unter www.jungefreiheit.de V.i.S.d.P.: Thorsten Thaler, stellv. Chefredakteur, Hohenzollerndamm 27a, 10713 Berlin Vollständige Liste mit den Autoren und Interviewpartnern der JUNGEN FREIHEIT | JF-Online | Kritik am programmatischen Fundament der CDU übt der Vorsitzende der Jungen Union Hessen, Peter Tauber, im Interview mit der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT, die | Politik | 2008-03-06T00:00:00+01:00 | 2008-03-06T00:00:00+01:00 | https://jungefreiheit.de/politik/2008/kritik-aus-den-eigenen-reihen-cdu-fehlen-praegnante-koepfe-der-vorsitzende-der-jungen-union-hessen-peter-tauber-kritisiert-seine-partei-im-interview-mit-der-jungen-freiheit/ |
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Tessiner Nationalrat Cassis in den Bundesrat gewählt | BERN. Der Tessiner FDP-Politiker Ignazio Cassis ist vom Nationalrat zum neuen Schweizer Bundesrat gewählt worden. Er ist damit seit dem Ausscheiden von Alt-Bundesrat Flavio Cotti 1999 der erste Politiker aus der italienischsprachigen Schweiz, der in dem Siebener-Gremium Platz nehmen wird. Der bisherige Nationalrat setzte sich im zweiten Wahlgang mit 125 Stimmen gegen seine FDP-Konkurrenten Pierre Maudet (90 Stimmen) und Isabelle Moret (28 Stimmen) durch. Der 56jährige gilt als wirtschaftsliberal und staatskritisch. Seine Position hinsichtlich einer stärkeren Anbindung der Schweiz an die Europäische Union ist vage. FDP, SVP und Sozialdemokraten stellen je zwei Bundesräte Die Neuwahl war durch den Rücktritt des bisherigen Außenministers Didier Burkhalter (FDP) nötig geworden. Traditionell erhebt die FDP Anspruch auf zwei Sitze in der Regierung. Die SVP ist ebenfalls mit zwei Politikern dort vertreten, genauso wie die Sozialdemokraten. Die Christdemokraten verfügen über einen Sitz. Im jährlichen Wechsel übernimmt jeweils ein Bundesrat die Aufgaben des Staatsoberhauptes als Bundespräsident. Turnusmäßig übt diese Funktion derzeit Doris Leuthard (CVP) aus. Welches Ministeramt Cassis erhalten wird, steht derzeit noch nicht fest. Das Zugriffsrecht auf Ministerien erfolgt nach dem Anciennitätsprinzip. Der neugewählte Bundesrat steht dabei hinten an. (tb) | JF-Online | Der Tessiner FDP-Politiker Ignazio Cassis ist vom Nationalrat zum neuen Schweizer Bundesrat gewählt worden. Er ist damit seit dem Ausscheiden von Alt-Bundesrat Flavio Cotti 1999 der erste Politiker aus der italienischsprachigen Schweiz, der in dem Siebener-Gremium Platz nehmen wird. | Ausland | 2017-09-20T13:14:17+02:00 | 2017-09-20T16:44:41+02:00 | https://jungefreiheit.de/politik/ausland/2017/tessiner-nationalrat-cassis-in-den-bundesrat-gewaehlt/ |
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Der gute Ruf | Noch vor kurzem ist die New York Times von Journalisten rund um den Erdball zur besten Zeitung der Welt gekrönt worden. Die NYT gilt als eine der zuverlässigsten Quellen, wenn es um Nachrichten aus der US-Hauptstadt Washington geht. So einen Ruf gilt es zu verteidigen. Jetzt hat das Ansehen der Zeitung schweren Schaden genommen. Bei einem x-beliebigen anderen Blatt hätte der folgende Vorfall weniger Aufregung erzeugt. Aber beim globalen Marktführer sehen natürlich alle besonders genau hin. Ein Reporter der NYT hat offenbar jahrelang Falschinformationen verbreitet. Jayson Blair klaute mehrfach Informationen von Agenturen und anderen Blättern. Zudem erfand er Zitate und gab vor, mit Personen gesprochen zu haben, die ihn nie zu Gesicht bekommen haben. Er hat inzwischen gekündigt und schreibt jetzt wahrscheinlich Romane im Fantsygenre. Für die NYT ist es ein Tiefpunkt in der 152jährigen Geschichte. Besonders ärgerlich ist, daß seinen Vorgesetzten schon vor einem Jahr die unsaubere Arbeitsweise des 27jährigen aufgefallen ist. Es folgte ein Zwangsurlaub, nach dem Blair allerdings befördert wurde. Für seine Berichterstattung über den Todesschützen von Washington erhielt er sogar noch das Lob seines Chefs. Gerüchten zufolge wurde Blair wegen – als Schwarzer – bewußt bevorzugt. Einzigartig ist der Vorgang jedoch nicht. 1981 verfaßte Janet Cook einen frei erfundenen Bericht über eine drogensüchtige Familie. Der Artikel erschien in der Washington Post. Frau Cook erhielt dafür den Pulitzer-Preis! | JF-Online | Noch vor kurzem ist die New York Times von Journalisten rund um den Erdball zur besten Zeitung der Welt gekrönt worden. Die NYT gilt als eine der | Zeitgeist | 2003-05-23T00:00:00+02:00 | 2003-05-23T00:00:00+02:00 | https://jungefreiheit.de/kultur/zeitgeist/2003/der-gute-ruf/ |
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