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1 | Algerien im Umbruch: Bouteflikas fauler Kompromiss
Die Wahl ist abgeblasen, doch Bouteflika soll vorerst weiter regieren – über das offizielle Ende seiner Amtszeit hinaus. Erneute Proteste sind geplant.
Diese Algerier in Algier feiern, andere sind skeptisch Foto: dpa
ALGIER taz | Wahlen auf unbestimmte Zeit verschoben, Regierung umgebildet, Verfassung verletzt: Mit diesen fragwürdigen Maßnahmen hat Algeriens Regime am Montagabend auf die anhaltenden Massenproteste im Land reagiert. Die herrschende Clique bewegt sich. Zumindest ein bisschen.
Am Montagabend wandte sich der 82-jährige, gesundheitlich angeschlagene Präsident in einem Brief an die algerische Bevölkerung. Darin erklärte er, er werde nicht für ein weiteres Mandat kandidieren – eine der Hauptforderungen der algerischen Jugend.
Per Dekret löste Bouteflika die Wahlkommission HIISE mit sofortiger Wirkung auf und verschob den Urnengang, ohne allerdings einen neuen Wahltermin bekannt zu geben. Auch kündigte er eine „nationale Konferenz des Konsens“ an, in deren Rahmen der politische Übergangsprozess und eine neue Verfassung beziehungsweise eine Verfassungsänderung vorangetrieben werden sollen.
Dass dies die erhitzten Gemüter der Protestbewegung und der Opposition beruhigen wird, ist jedoch praktisch ausgeschlossen. Seit Mitte Februar demonstrieren Hunderttausende gegen eine ursprünglich vorgesehene fünfte Kandidatur von Staatschef Abdelaziz Bouteflika in der Präsidentschaftswahl, die eigentlich im April hätte stattfinden sollen.
Regierung umgebildet
Der auf den Protesten stark angefeindete Regierungschef Ahmed Ouyahia reichte noch am Abend seinen Rücktritt ein. Sein Amt übernimmt der Bouteflika-Vertraute und seit 2015 amtierende Innenminister Noureddine Bedoui. Für den früheren Außenminister Ramtane Lamamra wurde der Posten des Vize-Premierministers geschaffen. Er übernimmt zudem erneut das Amt des Außenministers.
Mit dieser Regierungsumbildung hat sich Bouteflikas Clan offenbar im Machtapparat durchsetzen können. Im unausweichlichen Übergangsprozess zu einem Post-Bouteflika-Algerien dürften seine Leute eine führende Rolle spielen.
Die hinter dem Staatschef stehende Regimefraktion hat es damit geschafft, Bouteflika tatsächlich im Amt zu halten. Nach ersten Interpretationen der Ankündigung vom Montag, wird der greise Präsident damit auch nach seinem offiziellen Mandatsende im April Staatsoberhaupt bleiben – und zwar auf unbestimmte Zeit.
Feiern oder demonstrieren?
Trotz dieses bitteren Beigeschmacks zogen nur Minuten nach den Bekanntgaben Tausende Menschen auf die Straßen der Hauptstadt Algier. Bis in die frühen Morgenstunden feierten sie an der Grande Poste und dem Place Audin in der Innenstadt diesen ersten Teilerfolg.
Die Freude mischt sich jedoch mit Skepsis: „Es gibt keinen Grund zum Feiern, Bouteflika bleibt im Amt und seine Leute verletzten die Verfassung“, sagte ein Café-Betreiber in Sichtweite der demonstrierenden Jugendlichen am Place Audin gegenüber der taz.
In der Tat blieben die meisten, die zuletzt ausgiebig gegen Bouteflikas Kandidatur demonstriert hatten, am Montag zu Hause und bereiteten erste Schritte für das weitere Vorgehen vor. Während in sozialen Netzwerken und seitens zahlreicher Oppositionsparteien für kommenden Freitag erneut zu landesweiten Großdemonstrationen aufgerufen wird, will bereits am Dienstagvormittag die StudentInnenschaft erneut auf die Straße ziehen.
Unklar bleibt derweil, welche Rolle das im Land einflussreiche Militär in den nächsten Wochen zu spielen gedenkt. Bouteflika hatte noch am Montagabend Armeechef Ahmed Gaid Salah empfangen. Staatsmedien veröffentlichten Bilder des Zusammentreffens, jedoch keinerlei Informationen über den Inhalt der Konsultationen. | 234,900 |
1 | Rassismusvorwurf in Bayern: Der geheime Humor der Polizei
In einem Kalender für bayerische Beamte lassen sich rassistische Karikaturen ausmachen. Vielleicht verstehen wir da aber auch etwas nur nicht.
Ein unverstellter Blick auf das, was man als Polizist für lustig hält: das aktuelle März-Motiv. Bild: dpa
Der Kalender gebe den Berufsjargon der bayerischen Polizisten wieder, sagt der Landesvorsitzende der Bayerischen Polizeigewerkschaft, Hermann Benker. Das ist interessant. Heißt das doch mit anderen Worten: Die Witze, über die bayerische Polizistinnen und Polizisten lachen, offenbaren einen unverstellten Blick auf das, was man in diesem Beruf für lustig hält.
Einen Schwarzen zum Beispiel, überzeichnet dargestellt mit wulstigen Lippen und muskelbepackt, der nur gebrochen Deutsch spricht und sich ob seiner Festnahme im Polizeigriff über den Begriff „Verdunkelungsgefahr“ als rassistische Anspielung echauffiert.
In einer anderen Zeichnung weisen zwei PolizistInnen drei Araber darauf hin, dass sie Exkremente, die ihre Kamele im Park hinterlassen haben, ebenso aufzusammeln haben wie jeder deutsche Hundebesitzer. Will heißen: Den „drei Weisen aus dem Morgenland“ muss man die Verhaltensregeln hierzulande erklären, denn hier herrschen andere Sitten als daheim, wo es keine Grünanlagenverordnung gibt und Kamele noch ungerührt auf den Rasen scheißen dürfen.
Humor, den Außenstehende nicht verstehen
„Diese Bilder persiflieren Alltagssituationen, mit denen wir tagtäglich befasst sind“, sagt Benker. Es handle sich bei den Karikaturen um Galgenhumor, den Außenstehende nicht verstünden und der deshalb auch nur für die Kolleginnen und Kollegen der Polizei bestimmt sei.
Auch die Opfer haben eine Stimme: Demonstrationen zum Gedenken an Ouri Jalloh. Bild: imago/Steffen Schellhorn
Nun ist der Kalender, den die Bayerische Polizeigewerkschaft jedes Jahr in einer Auflage von 3.000 Stück verteilt und deren Zeichnungen aus der Feder einer Polizistin stammen, an die Öffentlichkeit geraten und sorgt dort für Empörung – zu Recht. Denn das Bild des Schwarzen auf der Polizeistation weckt Assoziationen mit dem Fall des Asylbewerbers Ouri Jalloh aus Sierra Leone, der 2005 in Dessau festgenommen wurde und in einer Ausnüchterungszelle verbrannte. Die Matratze, auf der Jalloh an Händen und Füßen gefesselt lag, war unter bislang ungeklärten Umständen in Flammen aufgegangen.
Seine Schreie aus der Zelle hörte offenbar niemand, das Signal eines Rauchmelders wurde abgeschaltet. Fraglich, ob es wirklich komisch ist, sich über eine Situation, die sich leicht als Anspielung auf die Umstände des Todes von Ouri Jalloh lesen lässt, in einer Karikatur lustig zu machen.
Unbeirrt in die falsche Richtung ermitteln
Auch vor dem Hintergrund der Mordserie der Zwickauer Terrorzelle löst der unbekümmerte Humor der Polizeigewerkschaft Unbehagen aus. Denn dass die Mordserie nicht früher aufgeklärt wurde, lag zu einem Großteil daran, dass die Beamten, trotz Hinweisen eines Profilers auf einen möglichen rechtsradikalen Hintergrund, unbeirrt in die falsche Richtung ermittelten.
Jahrelang verfolgten sie nur eine These: Die Getöteten seien in mafiöse Strukturen verstrickt und die Mörder deshalb ausschließlich im migrantischen Milieu zu finden. Die Angehörigen der Opfer mussten so nicht nur mit dem Tod eines nahen Verwandten zurechtkommen, sondern auch damit, dass man ihre Familie krimineller Machenschaften beschuldigte.
Kein Verständnis für den Ernst der Lage
Die Karikaturen offenbaren auf schockierende Weise das mangelnde Problembewusstsein, das zumindest bei Teilen der Polizei offenbar noch immer vorherrscht. Sie zeigen die Klischees und Stereotype, die das Weltbild vieler Polizisten prägen – wesentlich auch der bayerischen, in deren Bundesland fünf der insgesamt 10 Morde der NSU verübt wurden. Einige der Ermordeten leben vielleicht auch deshalb nicht mehr, weil die Polizei die Möglichkeit einer rechtsextremen Bedrohung nicht ernst genommen und nicht angemessen verfolgt hat.
Der Kalender sei schon im Oktober 2011 gedruckt worden, führt der Landesvorsitzende der Bayerischen Polizeigewerkschaft, Hermann Benker, zur Verteidigung an. Man werde im nächsten Jahr sensibler vorgehen. Gleichwohl kündigt er aber an: „Auch im nächsten Jahr werden unsere Karikaturen nicht allen gefallen.“ Vom Verständnis für den Ernst der Lage fehlt bei der bayerischen Polizei also offensichtlich noch immer jede Spur. | 234,901 |
0 | »Ja; aber ob sie mich nicht gekannt hat, oder mich nicht kennen wollte,«
sagte Pelz, »weiß ich nicht. Sie sah mir ein paar Secunden starr in's
Gesicht, und ging dann still und ernst an mir vorüber auf's Schiff, das
etwa eine halbe Stunde später seine Taue einholte und, von einem Dampfer
in's Schlepptau genommen, den Strom hinunter qualmte.« | 234,902 |
1 | Kommentar Seenotrettung: Italiens Propagandaminister
Italiens Innenminister Salvini teilte per Tweet mit, Marineschiffe internationaler Missionen blockieren zu wollen. Seine Hetze zahlt sich für ihn aus.
Keine Gnade aus Italien: Migrant*innen auf Schiff der Hilfsorganisation „Open Arms“ Foto: ap
Die NGO-Schiffe hat Matteo Salvini, Italiens Innenminister und Chef der rechtspopulistischen Lega, schon erfolgreich aus Italiens Häfen vertrieben. Doch das reicht ihm noch nicht. Per Tweet ließ er nun in Großbuchstaben wissen, auch die Marineschiffe der internationalen Missionen wolle er „BLOCKIEREN“. Der Grund für seine Aufregung: Ein irisches Schiff hatte am Samstag 106 Flüchtlinge nach Messina gebracht.
Man könnte Salvini nun entgegenhalten, als Innenminister sei er für die EU-Missionen im Mittelmeer gar nicht zuständig – und seine Kollegin aus dem italienischen Verteidigungsministerium tat dies denn auch sofort. Ebenso könnte man ihm entgegnen, er arbeite sich da seit Wochen an einem Nichtproblem ab. Gerade einmal 17.000 Flüchtlinge kamen von Januar an übers Mittelmeer, 80 Prozent weniger als noch letztes Jahr. Vor einem Jahr nämlich schloss die vorherige italienische Mitte-links-Regierung jenes Abkommen mit Libyen, das den Zuwachs der Flüchtlinge drastisch reduzierte.
Salvini aber dürften solche Einwände kalt lassen. Operativ muss er schließlich gar nicht viel bewegen. Stattdessen kann er, gleichsam gratis, Stimmung machen. Dass die Immigration ein großes Übel sei, ist in Italien mittlerweile zum nur noch von kleinen Minderheiten angezweifelten Axiom geworden, ebenso wie das Mantra, Italien werde mit seinen Flüchtlingen allein gelassen.
Für Salvini öffnen sich da große Möglichkeiten – per Twitter und Facebook gibt er eher den Propaganda- als den Innenminister, und seine Stimmungsmache zahlt sich aus. Ohne dass er politisch tatsächlich groß handeln müsste, zeigt seine Popularitätskurve steil nach oben. Auch jetzt wird er kaum etwas unternehmen, um die Häfen wirklich komplett zu sperren.
Folgenlos bleibt seine Politik dennoch nicht. Die Zahl der Toten im Mittelmeer steigt, seit die NGO-Schiffe kaum noch Einsätze fahren können – und zugleich neigt sich das Mitgefühl der großen Mehrheit der Italiener gegenüber den Opfern Richtung null. | 234,903 |
1 | Deutscher in Bulgarien verhaftet: Festnahme auf Geheiß der Türkei
Mehmet Y. wurde in Bulgarien in Gewahrsam genommen. Die Türkei hatte eine Fahndung über Interpol herausgegeben. Ihm droht die Auslieferung.
Bulgarische Grenzschützer patroullieren an der bulgarisch-türkischen Grenze Foto: dpa
BERLIN dpa | Ein deutscher Staatsbürger ist einem Bericht von WDR und NDR zufolge in Bulgarien auf Betreiben der Türkei festgenommen worden. Wie beide Sender am Dienstag berichteten, wurde der Deutsche Mehmet Y. am Sonntag von der bulgarischen Polizei abgeführt. Für ihn soll ein Fahndungsaufruf der türkischen Behörden vorliegen. Der aus Bonn stammende 44-Jährige sitze in Warna in Untersuchungshaft. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Dienstagabend, der Fall sei dort bekannt. Die Botschaft in Sofia betreue ihn konsularisch.
Der Mann arbeitete nach Recherchen beider Sender als Flüchtlingsbetreuer in einer kirchlichen Einrichtung in Bonn. Er sei in den vergangenen Jahren mehrfach innerhalb Europas gereist, aber vor seiner Festnahme laut seiner Familie noch nie in Bulgarien gewesen. Auch über das Interpol-Gesuch sei er nicht informiert gewesen.
WDR und NDR liegt das Protokoll seiner Verhaftung in Bulgarien vor. Demnach sei der Fahndungsaufruf mit einer Verurteilung in der Türkei begründet. Ein Gericht in der türkischen Stadt Adana habe ihn wegen angeblicher Tätigkeit in der PKK in Abwesenheit zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Y. soll dem Bericht zufolge vor der Strafverfolgung nach Deutschland geflohen sein, wo er nach Angaben seiner Familie im Jahr 2001 Asyl erhalten habe. 2009 sei er in Deutschland eingebürgert worden. Die türkischen Behörden hätten ihn danach nicht aus der Staatsbürgerschaft entlassen. Er besitze deshalb sowohl einen deutschen als auch einen türkischen Pass.
Laut seinem Anwalt soll er am Mittwoch dem Haftrichter in Bulgarien vorgeführt werden. Im schlimmsten Fall drohe Y. eine Auslieferung in die Türkei. Weder das Bundeskriminalamt, noch Interpol oder das Justizministerium als beteiligte Behörden äußerten sich auf Anfragen der Sender.
Bulgarien hat in der Vergangenheit Türken, denen deren Heimatland eine PKK-Mitgliedschaft oder Nähe zur Gülen-Bewegung vorwirft, meist an das Nachbarland ausgeliefert. Die türkische Führung macht den in den USA lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen für den gescheiterten Putsch von 2016 verantwortlich. | 234,904 |
1 | Machtkampf im Kongo: Premierminister abgewählt
Das Parlament im Kongo spricht Premier Ilunga das Misstrauen aus. Damit fordert Präsident Felix Tshisekedi seinen Vorgänger Joseph Kabila heraus.
Kann er das Kabila-Machtsystem ins Wanken bringen? Kongos Präsident Felix Tshisekedi Foto: dpa
BERLIN taz | Der Machtkampf in der Demokratischen Republik Kongo zwischen Präsident Felix Tshisekedi und seinem Vorgänger Joseph Kabila spitzt sich zu. Das 500 Abgeordnete zählende Parlament in der Hauptstadt Kinshasa sprach am Mittwochabend mit 367 Stimmen von 382 Anwesenden dem Kabila-treuen Premierminister Sylvestre Ilunga das Misstrauen aus.
Kabila-treue Abgeordnete und Minister boykottierten die Sitzung. Premierminister Ilunga lehnte umgehend einen Rücktritt ab. In einer an das Parlamentspräsidium gerichteten Erklärung sagte er, er werde nicht zurücktreten, solange kein neues Parlamentspräsidium bestimmt worden sei. Dies habe er bei seinen Treffen mit Kabila und anderen Würdenträgern der Region Katanga in Lubumbashi, Hauptstadt von Katanga und zweitgrößte Stadt des Kongo, in den vergangenen Tagen geklärt.
Damit fordert der Premier direkt die Autorität des Präsidenten heraus und stellt dieser die Autorität von dessen Vorgänger entgegen. Auf diese Weise wird die Machtfrage im Kongo, die seit den Wahlen 2018 in der Schwebe geblieben war, neu gestellt.
Bei den Wahlen war Kabila nach knapp 18 Jahren an der Macht nicht mehr angetreten, aber sein Wunschkandidat hatte die Wahlen knallend gegen den wichtigsten Oppositionskandidaten Martin Fayulu verloren. Die Kabila-treue Wahlkommission erklärte daraufhin den schwächeren Oppositionskandidaten Felix Tshisekedi zum Wahlsieger, und der übernahm im Januar 2019 das Präsidentenamt. Kabila behielt ein informelles Vetorecht über wichtige Entscheidungen und weitreichende Vollmachten, seine Parteigänger bewahrten eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und dominierten auch die Regierung unter dem von ihnen gestellten Premierminister Ilunga.
Expräsident hat sich in reicher Bergbauregion verschanzt
Erst im Dezember 2020 kündigte Tshisekedi das Bündnis mit Kabila auf und erklärte seine Absicht, eine eigene Parlamentsmehrheit zu suchen und eine eigene neue Regierung zu bilden, um die Erwartungen der Kongolesen auf Wandel nicht länger zu enttäuschen. Offenbar hat er es nun geschafft, zumindest die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu kippen.
Die bisherige Parlamentsleitung ist bereits abgesetzt, eine neue soll kommende Woche gewählt werden. Wichtige Schwergewichte der kongolesischen Opposition zu Kabila-Zeiten wie Jean-Pierre Bemba und Moise Katumbi, die bei den Wahlen 2018 noch Tshisekedis Kandidatur bekämpften, unterstützen jetzt Tshisekedi in seinen Bemühungen, eine breite Regierungskoalition namens „Heilige Union“ (Union Sacrée) zu bilden.
Wie sehr Tshisekedi – Sohn des historischen Führers der kongolesischen Demokratiebewegung, Etienne Tshisekedi – tatsächlich das Kabila-Machtsystem überwinden kann, bleibt jedoch offen. Der Expräsident hat sich in Kongos reichster Bergbauregion Katanga verschanzt, wo er die Politik dominiert und wo mächtige ehemalige Generäle aus seiner Amtszeit bewaffnete Gruppen unterhalten.
Zuletzt war vor einer Woche in Lubumbashi Ngoy Mulunda verhaftet worden, Chef der Wahlkommission bei den Wahlen 2011, als Kabila sich mittels Wahlmanipulation gegen Etienne Tshisekedi durchgesetzt hatte. Mulunda wurde am Dienstag zu drei Jahren Haft wegen Anstiftung zum Hass verurteilt. Er hatte auf einer Gebetsveranstaltung Kabila zum Führer Katangas erklärt und Nicht-Katangesen – also auch Päsident Tshiekedi – aufgefordert, sich aus Katangas Politik herauszuhalten.
Seine Verurteilung ist eine weitere Schwächung des Kabila-Lagers, das bisher davon ausging, im Kongo das Sagen zu haben, auch wenn es nicht mehr den Präsidenten stellt. | 234,905 |
1 | Vernichtung der syrischen Chemiewaffen: Lob für das Assad-Regime
Am Sonntag begann die Zerstörung des Giftgas-Arsenals. US-Außenminister John Kerry begrüßte die Zusammenarbeit Syriens.
Auf Bali haben sich der US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow getroffen. Bild: dpa
NUSA DUA dpa | US-Außenminister John Kerry hat den Beginn der Chemiewaffenvernichtung in Syrien begrüßt. „Dies ist ein guter Auftakt,“, sagte Kerry am Montag am Rande des Gipfeltreffens der Pazifikanrainerstaaten (Apec) in Nusa Dua auf der indonesischen Insel Bali. „Ich denke, dem Assad-Regime gebührt auch Anerkennung dafür, dass es so schnell das getan hat, was ihm aufgetragen war. Wir hoffen, das geht so weiter.“ Die Chemiewaffenvernichtung sei „ein hervorragendes Beispiel für globale Zusammenarbeit.“
Nach dem Chemiewaffeneinsatz in der Nähe von Damaskus Ende August mit mehr als 1400 Toten und der Androhung eines Militärschlags durch die USA hatten die Vereinten Nationen am 27. September eine Resolution zur Vernichtung der Waffen verabschiedet. Syrien hat zugesagt, sich daran zu halten.
Kerry sprach auf Bali mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow. Eigentlich wollte der russische Präsident Wladimir Putin das Thema dort mit US-Präsident Barack Obama erörtern. Obama sagte seine Teilnahme an dem Gipfel wegen der Haushaltskrise in den USA aber ab.
Syrien hatte am Sonntag unter der Aufsicht internationaler Experten mit der Zerstörung seines Giftgas-Arsenals begonnen. Nach Schätzungen verfügt das syrische Regime über rund 1000 Tonnen Chemiewaffen. Mitte 2014 soll das Land nach einem Beschluss des UN-Sicherheitsrates chemiewaffenfrei sein. | 234,906 |
1 | Einleitung
Von Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher behauptete man, er sei einer gewesen. Phil Collins, weltbekannter Popmusiker, sagt von sich: "Ich bin einer!" Und viele Führungskräfte in Politik, Wirtschaft und Verwaltung reden und leben so, als wären sie gerne einer: ein Workaholic - ein Arbeitssüchtiger. Das Phänomen der Arbeitssucht, das gerne als Produkt unserer leistungsorientierten Industriegesellschaft gesehen wird, wird von manchen belächelt und von anderen als bedrohliches Massenphänomen gesehen. Jüngste Forschungsergebnisse deuten allerdings darauf hin, dass es kaum erstrebenswert ist, arbeitssüchtig zu werden. Die Auswirkungen süchtigen Arbeitens sind vielschichtig und verheerend - nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für sein näheres und weiteres Umfeld, und nicht zuletzt wohl auch für die Gesellschaft insgesamt. Sigmund Freud wurde einmal gefragt, was seiner Meinung nach ein normaler Mensch können müsse. Er hat kurz und knapp geantwortet: "Lieben und arbeiten." Der Vater der Psychoanalyse hat so die Eckpfeiler des menschlichen Daseins, wenn man so will, den Lebenssinn, skizziert. Und in der Tat besteht heute - zumindest in den westlichen Industrienationen - Einigkeit darüber, dass die Arbeit ein, vielleicht das zentrale den Menschen kennzeichnende Merkmal ist. Wenn man auf einer Party neue Leute kennenlernt und diese bittet, etwas über sich selbst zu sagen, so wird in der Regel der Name, vielleicht das Alter, dann aber sehr bald auch der Beruf genannt. Das, was wir tun, unsere Arbeit, trägt maßgeblich zu unserer Identität, zu dem, was wir sind, bei. Daneben kommen der Arbeit aber noch zahlreiche weitere positive Funktionen zu, die sie für uns als Menschen unentbehrlich macht: Die Erwerbsarbeit sichert unsere Existenzgrundlage, durch das mit Arbeit verdiente Geld können wir am gesellschaftlichen Leben und am Konsum teilnehmen. Die Arbeit vermittelt uns Erfolgserlebnisse und stärkt unser Selbstwertgefühl. Wir demonstrieren in ihr Aktivität und Kompetenz. Durch die Arbeit erhalten wir sozialen Kontakt - nach wie vor wird eine Vielzahl von Freundschaften und Ehen "am Arbeitsplatz" geschlossen. Arbeit strukturiert unseren Tag, unsere Woche, unser Jahr. Der Wegfall von Arbeit, die Arbeitslosigkeit, ist für die Betroffenen nicht nur deshalb so gravierend, weil existenzielle Nöte entstehen. Vor allem die Unstrukturiertheit des Tagesablaufs bereitet Probleme. Ähnliches lässt sich häufig auch beim Eintritt ins Rentnerleben feststellen.
Bei so vielen positiven Effekten der Arbeit wird gerne verkannt (oder verdrängt), dass die Arbeit auch negative Folgen nach sich ziehen kann. Über Gefahren und Risiken am Arbeitsplatz, z.B. durch Maschinen, Lärm, Chemikalien, Lärm und Hitze, wird vielfach berichtet, und zahlreiche gesetzliche Verordnungen und Regelungen sollen dazu dienen, diese Gefahren und Risiken zu minimieren. Stress, Herzinfarkte und Suchtprobleme werden als mögliche Folgen unbefriedigender Arbeitssituationen diskutiert, aber die Annahme, dass ein Zuviel an Arbeit, eine eindimensionale Ausrichtung des Lebens auf die Arbeit, ebenfalls nachteilige Konsequenzen für den Einzelnen, aber auch sein Umfeld und die gesamte Gesellschaft haben kann, wird häufig als prinzipieller Angriff auf grundlegende Norm- und Wertvorstellungen unseres Gesellschaftssystems missverstanden und daher abgelehnt. Die Arbeit als unverzichtbares Fundament für menschliches Wohlbefinden, für Wohlstand und Konsum erscheint unantastbar. "Wir sind", so der Soziologe Bernd Guggenberger, "in den letzten 200 - 300 Jahren so gründlich durch die Schule der Arbeit gegangen, haben uns so sehr mit ihr eingelassen, dass wir kaum mehr über sie hinauszudenken vermögen. Für die meisten von uns gilt, dass sie und ihre Hervorbringungen von unserer ganzen Existenz Besitz ergriffen haben, dass sie das Gesamt unserer Hoffnungen und Sehnsüchte umschreiben. Wir haben nur noch Augen und Ohren für die Arbeit, ihre Erfordernisse und das, was durch sie unmittelbar bewirkt und ermöglicht wird: Konsum, Verzehr ihrer Hervorbringungen." Anders gesagt, wir sind abhängig geworden von der Arbeit, als Gesamtgesellschaft, aber auch als einzelnes Individuum. Sucht nach Arbeit - gibt es das überhaupt?
Es mehren sich die kritischen Stimmen und auch die wissenschaftlichen Befunde, dass die Abhängigkeit von der Arbeit, die Sucht nach Arbeit, ein zunehmendes und vor allem ernst zu nehmendes Problem in unserer Gesellschaft darstellt. Einige Wissenschaftler gehen sogar schon so weit, vom "Massenphänomen Arbeitssucht" zu sprechen. Das Krankheitsbild vom Arbeitssüchtigen, vom Workaholic, findet mehr und mehr Anerkennung und Bestätigung, sowohl in alltäglichen Beobachtungen als auch in wissenschaftlichen Untersuchungen. Und auch wenn die Diagnose "Arbeitssucht" noch keinen offiziellen Eingang in die Krankheitsmanuale der Mediziner und Psychologen und die Leistungskataloge der Krankenkassen gefunden hat, so setzt sich doch die Erkenntnis durch, dass Arbeit tatsächlich süchtig entgleisen kann. Es lassen sich Arbeitsformen und Arbeitsstile - und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb der Erwerbsarbeit - finden, die den Kriterien der Sucht entsprechen und die das einzelne Individuum, aber auch sein näheres soziales Umfeld, den Arbeitgeber und schließlich auch die gesamte Gesellschaft nachhaltig schädigen.
Dabei wird durchaus noch kontrovers diskutiert, ob es angemessen ist, bestimmte exzessive Verhaltensmuster mit dem Begriff "Sucht" zu belegen. Die Existenz stoffungebundener Suchtformen wie beispielsweise Spiel-, Sex- und eben auch Arbeitssucht wird von zahlreichen Fachleuten und auch Laien bestritten. Stattdessen fordern diese immer wieder, die Begriffe Missbrauch, Abhängigkeit und Sucht nur im Zusammenhang mit dem Konsum einer spezifischen Substanz wie z.B. Alkohol, Nikotin oder Kokain zu verwenden. Andererseits gibt es jedoch die psychologische Erkenntnis, dass jedes menschliche Verhalten in eine süchtige Entwicklung einmünden kann, die in der Umgangssprache beispielsweise als Gier, Wut oder Leidenschaft beschrieben wird. Insofern kann jedes Bedürfnis und jede Tätigkeit eines Menschen zur Sucht werden. Als Abgrenzung zu lieb gewordenen Gewohnheiten, auf die man nicht verzichten möchte, gehört zur Sucht allerdings ein zwanghaftes Moment. Der Süchtige kann in der Regel nicht aufhören, der Süchtige "muss".
Ein weiteres Problem in der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Arbeitssuchtproblematik ergibt sich aus der Tatsache, dass die Arbeitssucht im Gegensatz zu den stoffgebundenen Abhängigkeiten (z.B. Alkoholismus, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit) und anderen stoffungebundenen Suchtformen (z.B. Spielsucht, Sexsucht) oberflächlich betrachtet eine "saubere" Sucht ist: Der Arbeitssüchtige wirkt aktiv, erfolgreich und scheint sein Leben perfekt im Griff zu haben, während etwa alkoholkranke oder spielsüchtige Menschen als labil und außengesteuert gelten. Obwohl tradierte Sinnsprüche wie "Ohne Fleiß kein Preis" oder "Arbeit macht das Leben süß" in der heutigen Zeit antiquiert anmuten, werden Tüchtigkeit und Einsatzbereitschaft immer noch als Grundfesten der Leistungsgesellschaft angesehen. Der Widerspruch, dass diese höchst anerkannten Tugenden auch Ausdruck einer Krankheit sein können, führt zu erheblichen Vorbehalten gegenüber einer Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeitssucht, die so weitreichend sind, dass manche Menschen - in völliger Verkennung der Ernsthaftigkeit der Problematik - sich selbst stolz als süchtig nach ihrer Arbeit bezeichnen. Arbeitssucht - ein altbekanntes Phänomen
Das Konzept von der "Arbeitssucht" und dem englischen Pendant "Workaholism" hat sich im deutschsprachigen Raum in den achtziger und neunziger Jahren in der fach- wie populärwissenschaftlichen Literatur etablieren können. Dabei ist arbeitssüchtiges Verhalten keineswegs ein Phänomen unserer Zeit. Sowohl in der Belletristik als auch in der gesellschaftspolitischen und der wissenschaftlichen Literatur finden sich schon sehr viel früher Darstellungen arbeitssüchtiger Verhaltensmuster. Diese wurden dort aber selten explizit als Arbeitssucht bezeichnet. Bereits 1852 beschreibt der französische Schriftsteller Gustave Flaubert seine frenetische, pervertierte Liebe zur Arbeit. Paul Lafargue, französischer Sozialist und Schwiegersohn von Karl Marx, beklagt 1883 in seiner Schrift "Das Recht auf Faulheit" eine "seltsame Sucht", welche die Arbeiterklasse aller Länder mit kapitalistischer Zivilisation beherrsche, "die rasende, bis zur Erschöpfung der Individuen und ihrer Nachkommenschaft gehende Arbeitssucht". Der ungarische Psychoanalytiker Sandor Ferenczi erwähnt in einem Aufsatz aus dem Jahre 1919 Patienten, die unter einer "Sonntagsneurose" leiden, welche sich in regelmäßig am Sonntag wiederkehrenden Beschwerden wie Kopfschmerzen, Unwohlsein und Erbrechen äußert. Ferenczi interpretiert das Auftreten der Beschwerden als Reaktion auf die fehlende Arbeit am Sonntag. Für ihn sind diese Patienten abhängig von der Arbeit wie Morphinisten von ihrem gewohnten Gift. Arbeitssucht - Definition und Häufigkeit
Doch was ist Arbeitssucht nun genau? Wie lässt sie sich definieren? Woran erkennt man, ob jemand arbeitssüchtig ist? Empirisch belegte Zahlen zum Phänomen "Arbeitssucht" fehlen zwar noch, doch kann man - vorsichtig geschätzt - von etwa 200 000 Betroffenen in Deutschland ausgehen. Zudem kommt eine empirische Studie zu dem Ergebnis, dass jeder siebte Arbeitnehmer in Deutschland als zumindest tendenziell arbeitssuchtgefährdet gelten muss. Allgemein wird unter Arbeitssucht eine Symptomatik verstanden, die sich primär durch folgende Merkmale kennzeichnen lässt: - Der Betroffene ist der Arbeit völlig verfallen, sein gesamtes Denken und Handeln kreist mehr oder weniger um sie.
- Der Betroffen hat die Kontrolle über sein Arbeitsverhalten verloren, er ist nicht (mehr) in der Lage, Umfang und Dauer des Arbeitens zu bestimmen. Er arbeitet länger, als er eigentlich will. Er arbeitet auch zu Zeiten, die eigentlich der Entspannung und dem Abschalten vorbehalten sind.
- Der Betroffene ist abstinenzunfähig. Er erlebt es subjektiv als unmöglich, kürzere oder längere Zeit nicht zu arbeiten, z.B. am Wochenende oder im Urlaub.
- Beim Betroffenen treten Entzugserscheinungen auf, wenn er nicht arbeitet, bis hin zu vegetativen Symptomen wie Schweißausbrüchen, Herzrasen und Atemnot.
- Der Betroffene entwickelt eine gewisse Toleranz gegenüber der Arbeitsmenge, das heißt, um das Gefühl des "Arbeitsrausches" zu bekommen, muss immer mehr gearbeitet werden.
- Beim Betroffenen treten soziale und/oder psychische Störungen auf. Partnerschaften werden brüchig, die Beziehung zu den Kindern geht verloren, alte Hobbys und Freunde werden vernachlässigt.
Daneben konnte festgestellt werden, dass bei Arbeitssüchtigen häufig eine zwanghaft-perfektionistische Grundeinstellung vorzufinden ist. Die Arbeit muss nach bestimmten, festgelegten Regeln ablaufen. Flexibilität und innovative Veränderungen des Arbeitsablaufs werden vermieden. An die Qualität der Arbeitserledigung werden extrem hohe Ansprüche gestellt, und zwar unabhängig von der Bedeutung einer Arbeitsaufgabe für das Gesamtziel. Die Unfähigkeit, unwichtige von wichtigen Aufgaben unterscheiden zu können, und das Unvermögen, Aufgaben zu delegieren, d.h. Verantwortung abzugeben, kennzeichnen den Arbeitssüchtigen ebenfalls. So übernimmt der Geschäftsführer auch Kopierarbeiten oder kocht den Kaffee, weil er glaubt, dass dies niemand so gut kann wie er. Es ist deutlich herauszustellen, dass die Arbeitssuchtdiagnose keinesfalls nur an rein quantitativen Merkmalen festgemacht werden sollte. Es gibt keine objektiv bestimmbare Wochenarbeitsstundenzahl, ab der von süchtigem Arbeiten die Rede sein kann. Es ist längst nicht entscheidend, wie viele Stunden jemand arbeitet. Viel entscheidender ist die Frage, wie und warum jemand arbeitet, um eine Arbeitssuchtdiagnose stellen zu können.
Angesichts der diagnostischen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Arbeitssucht verwundert es nicht, dass Aussagen zur Häufigkeit der Problematik nur selten zu finden sind. US-amerikanische Forscher schätzen, dass etwa fünf bis zehn Prozent der (amerikanischen) Erwachsenenbevölkerung als arbeitssüchtig zu bezeichnen seien, eine Zahl, die jedoch nicht als statistisch gesichert gelten kann. Es ist davon auszugehen, dass das Vollbild einer Arbeitssuchtproblematik im Vergleich beispielsweise zur Alkoholabhängigkeit sehr viel seltener auftritt. Wichtig jedoch ist festzustellen, dass die Arbeitssucht gleichermaßen Männer wie Frauen betreffen kann. Ebenso handelt es sich bei den von Arbeitssucht betroffenen Personen keinesfalls ausschließlich um Manager oder selbstständig Tätige. Arbeiter und Angestellte können ebenso eine solche Problematik entwickeln. Arbeitssucht tritt im Übrigen auch bei Personen auf, die nicht einer Erwerbstätigkeit im eigentlichen Sinne nachgehen, z.B. bei Hausfrauen, Studenten oder Rentnern. Nach bisherigen Erkenntnissen lassen sich vier Typen von Arbeitssüchtigen unterscheiden:
- Die entscheidungsunsicheren Arbeitssüchtigen
Ihnen fällt es schwer, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Deshalb arbeiten sie immer mehr, weil sie glauben, so die Entscheidung verbessern zu können. Im Endeffekt jedoch schieben sie die Entscheidung nur vor sich her.
- Die überfordert-unflexiblen Arbeitssüchtigen
Sie fühlen sich durch ihre Arbeit überfordert, die Arbeit macht ihnen regelrecht Angst. Mit der Vielarbeit wird diese Angst unterdrückt und kontrolliert.
- Die verbissenen Arbeitssüchtigen
Sie wollen ihre Überzeugungen und Absichten um jeden Preis durchsetzen. Verbissene Arbeitssüchtige lehnen es ab, Verantwortung oder Arbeiten anandere zu delegieren. Kein Wunder, dass der Arbeitstag dann schnell zwölf oder vierzehn Stunden hat.
- Die überfordert-zwanghaften Arbeitssüchtigen
Ausgeprägter Perfektionismus und die Idee, eine Arbeit immer auf genau ein und dieselbe Art und Weise erledigen zu müssen, kennzeichnen diesen Typus. Ein solcher Arbeitsstil führt dazu, dass man nie mit der Arbeit fertig wird, weil man meint, immer noch etwas besser machen zu können.
Andere Autoren kommen zu teilweise anderen Typologien. Weiterer Forschungsbedarf in diesem Bereich ist unverkennbar, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass unterschiedliche Arbeitssuchttypen möglicherweise unterschiedlich behandelt werden müssen. Wege in die Arbeitssucht
Innerhalb der Psychologie gibt es verschiedene Ansätze zur Erklärung der Entstehung von Arbeitssucht, die in der Regel auf verhaltenstheoretischen, psychoanalytischen oder familiendynamischen Überlegungen beruhen. Süchtiges Verhalten wird als eine spezielle Form menschlichen Verhaltens verstanden, ohne hinsichtlich der Erklärung der Entstehung von Sucht zwischen einzelnen Suchtmitteln zu differenzieren.
Verhaltenstheoretische Erklärungen zur Entstehung von Arbeitssucht gehen dabei von der Annahme aus, dass ein Mensch sein persönliches Arbeitsverhalten und seinen persönlichen Arbeitsstil auf der Basis von Erfahrungen erlernt, aufrechterhält und verändert. Süchtiges und normales Arbeitsverhalten unterscheiden sich in diesem Punkt nicht grundsätzlich voneinander. Die Grundlagen der Arbeitssucht sind in Verstärkungen und Bekräftigungen spezifischer Arbeitsverhaltensweisen zu suchen. Arbeitssüchtige lernen schon in frühester Kindheit Verhaltensmuster und Einstellungen bzw. Werthaltungen, die eine enge Beziehung zu Leistung und Produktivität aufweisen ("Lese, lerne, leiste was, dann hast du, kannst du, bist du was!"). Aber nicht nur Belohnungen, sondern auch der Wegfall einer "Bestrafung" kann Ursache für exzessives Arbeitsverhalten sein, z.B. wenn durch das viele Arbeiten eine Auseinandersetzung mit Problemsituationen, eigenen Unzulänglichkeiten oder unangenehmen Gefühlszuständen vermieden wird. Arbeitssüchtige können die Arbeit auch dazu missbrauchen, Gefühle der Angst, der Schuld oder der Unsicherheit zu verdrängen, oder um das eigene Selbstwertgefühl zu stärken.
Die psychoanalytischen Erklärungsmodelle zur Suchtentstehung beziehen sich nicht nur auf den Konsum von psychoaktiven Substanzen, sondern finden auch Anwendung bei so genannten rauschmittellosen Süchten. Innerhalb der Psychoanalyse ist zwischen unterschiedlichen theoretischen Ansätzen zur Suchtproblematik zu differenzieren, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen und damit verschiedenartige Beiträge zur Theorie der Sucht liefern. Die Selbstpsychologie beispielsweise bietet eine Erklärungsmöglichkeit für die insbesondere bei Arbeitssüchtigen häufig feststellbaren Vorstellungen eigener Großartigkeit. Da es Süchtigen nach Auffassung der Selbstpsychologie generell nicht genügend gelungen ist, eine tragfähige Identität zu entwickeln, bleiben sie einem grandiosen Selbst verhaftet. Bei solchen narzisstischen Persönlichkeiten dient das süchtige Arbeitsverhalten dazu, das krankhafte Größen-Selbst aufzutanken und sich dessen Allmächtigkeit und Schutzfunktion gegenüber einer zumeist als frustrierend und feindlich erlebten Umwelt zu versichern, die nicht mehr genügend an Beachtung und Bewunderung zu bieten hat. Solche narzisstischen Persönlichkeitsstörungen sind häufig bei Arbeitssüchtigen zu finden. Sie haben zur Folge, dass der Arbeitssüchtige durch ein ständiges (Mehr-)- Arbeiten ein Gefühl eigener Größe und persönlicher Identität zu erlangen versucht.
In den familiendynamischen Modellen schließlich kommt der Rolle der Familie im Prozess der Suchtentstehung entscheidende Bedeutung zu. Arbeitssucht als gelerntes Verhalten wird als Symptom eines dysfunktionalen Familiensystems in der Kindheit betrachtet, das später in der eigenen Familie fortgesetzt wird und sich auf die eigenen Kinder überträgt. So kann sich ein generationsübergreifender Kreislauf aus gelernten Regeln, Überzeugungen und Verhaltensmustern entwickeln. Das Klima in der Ursprungsfamilie ist häufig durch starre Regeln geprägt, die offene Gefühlsäußerungen oder Auseinandersetzungen über persönliche oder zwischenmenschliche Probleme verhindern. Es wird davon ausgegangen, dass sich bei Familien mit einem arbeitssüchtigen Mitglied ähnliche Dysfunktionalitäten herausbilden wie in Familien mit Alkoholkranken. An Kinder aus Familien mit einem arbeitssüchtigen Mitglied werden unrealistisch hohe Ansprüche gestellt, und Wertschätzung ist stets an Bedingungen geknüpft, z.B. an gute Schulnoten oder besondere Leistungen. Dadurch, dass Zuneigung nie vorbehaltlos gewährt wird, entstehen Minderwertigkeitsgefühle und Versagensängste, die durch noch mehr Anstrengung und exzessives Arbeiten zu kompensieren versucht werden. Aus dem familiären Klima heraus entwickeln sich eine überdauernde perfektionistische Haltung und die Schwierigkeit, befriedigende Beziehungen aufzubauen. Weiterhin wird angenommen, dass dysfunktionale Verhaltensmuster und Gewohnheiten, die in der Ursprungsfamilie gelernt wurden, am späteren Arbeitsplatz unbewusst repliziert und so ungelöste Probleme re-inszeniert werden. Warum Arbeitssucht den Unternehmen schadet
Überstunden und Mehrarbeit belegen es: Vielarbeit ist "in". In Zeiten, in denen wegen hoher Personalnebenkosten mit immer weniger Arbeitskräften immer mehr Produktivität erzielt werden soll, ist es nicht verwunderlich, dass die Unternehmen und Organisationen bislang für das Thema "Arbeitssucht" kaum sensibilisiert sind. Viele Unternehmen scheinen im Gegenteil immer noch von dem Gedanken beseelt zu sein, dass der Vielarbeiter gleichzeitig immer auch ein guter Arbeiter ist. Das dies keineswegs generell angenommen werden kann, haben zahlreiche psychologische Forschungsarbeiten eindrucksvoll unter Beweis stellen können. Arbeitszeit und Arbeitsoutput stehen eben nicht in einem linearen Verhältnis zueinander, und schon gar nicht in einem exponentiellen, wie manche Arbeitssüchtige eigenen Angaben zufolge manchmal zu denken geneigt sind. Arbeitssucht schadet also nicht nur dem Betroffenen, sondern auch und gerade dem Unternehmen, für das er arbeitet. Unternehmen täten also gut daran, arbeitssüchtige Verhaltensmuster ihrer Mitarbeiter frühzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dabei sind die Gründe dafür, eine arbeitssüchtige Belegschaft zu vermeiden, vielfältig: Arbeitssucht hat einen negativen Einfluss auf
a) die Aufgabenerfüllung: Betroffene Mitarbeiter halten sich nicht an Arbeitsteilungen und Kompetenzzuweisungen, sie mischen sich in alles ein, glauben, alles besser zu können.
b) das Interaktionsverhalten: Betroffene Mitarbeiter werden zunehmend kommunikationsunfähig, sie ziehen sich zurück, als Vorgesetzte überfordern sie ihre Mitarbeiter, sie delegieren nicht.
c) die individuelle Leistungsfähigkei: Der problematische Arbeitsstil führt mit fortschreitender Zeit zu physischen und psychischen Auffälligkeiten, die krankheitsbedingte Abwesenheit nimmt zu, längere Arbeitsunfähigkeit und/oder Frühinvalidität droht. Was kann ein Unternehmen gegen Arbeitssucht tun?
Zunächst sollten Unternehmen ihre Personalauswahlverfahren und ihre Anforderungsprofile bei Stellenbesetzungen überdenken, um zu vermeiden, dass eine arbeitssüchtiges Verhalten fördernde Organisationsumgebung entsteht. Zusätzlich sollten die Anreizsysteme, aber auch Arbeitszeit-, Pausen- und Urlaubsregelungen im Hinblick auf suchtfördernde Aspekte untersucht werden. So kann zum Beispiel die Einführung der so genannten "Vertrauensarbeitszeit", die zu mehr Zeitsouveränität und Freiheiten führen soll, schnell das genaue Gegenteil bewirken. Versagensängste und Konkurrenzdruck werden geschürt, ein ständiges Mehrarbeiten und "Nicht-mehr-abschalten-Können" kann die Folge sein. Zugesagte Urlaubstage sollten beispielsweise auch tatsächlich genommen und nicht ausbezahlt werden. Schließlich sollten Unternehmen sich bemühen, Arbeitssüchtige in ihrer Organisation zu identifizieren, die Mitarbeiter insgesamt für die Problematik zu sensibilisieren und geeignete Maßnahmen zur Prävention und Rehabilitation bei Arbeitssucht zu realisieren.
Auf Unternehmensseite können solche Maßnahmen z.B. abzielen auf die anforderungs- und leistungsgerechte Aufgabenstrukturierung und -verteilung, auf die stärkere Betonung der Partizipation und des Arbeitens in Gruppen, auf dieEinrichtung sinnvoller Karriereentwicklungsprogramme und auf die Arbeitsumfeldgestaltung. Durch Maßnahmen wie Rollenanalysen, Zielvereinbarungen, soziale Unterstützung und Teamentwicklung können zudem die Arbeitsplatzbeziehungen verbessert werden. Schließlich können Mitarbeiter darin unterstützt werden, zu einer angemesseneren Koordination von Arbeitsanforderungen und persönlichen Bedürfnissen zu gelangen, z.B. über Stressbewältigungsprogramme, eine individuelle Gestaltung der persönlichen Arbeitsumgebung sowie Maßnahmen zur Lebensstilplanung. Entspannungstrainings, körperliche Übungen und Coaching sind ebenfalls denkbar. Wichtig ist, dass organisationale Maßnahmen nur dann Erfolg haben werden, wenn auch der Arbeitssuchtgefährdete oder -betroffene prinzipiell bereit ist, die Problematik aktiv zu bewältigen. Was kann der Einzelne gegen Arbeitssucht tun?
Arbeitssucht ist eine gefährliche, im Einzelfall sogar tödlich verlaufende Krankheit. Arbeitssüchtige Verhaltensmuster können zu erheblichen körperlichen, seelischen und sozialen Problemen führen, die den betroffenen Menschen nachhaltig beeinträchtigen und schädigen können. Ist eine erste Einsicht entstanden, dass mit dem eigenen Arbeitsverhalten etwas "nicht stimmt" und man "etwas tun" möchte, so sind gute Voraussetzungen zur Bewältigung der Problematik gegeben. Umgekehrt ist ohne diesen "Leidensdruck" kaum zu erwarten, dass ein Arbeitssüchtiger erfolgreich therapiert werden kann. Bislang gibt es keine spezifischen therapeutischen Interventionen oder gar spezielle Trainings zur Überwindung einer Arbeitssuchtproblematik. Die Aufnahme einer individual- oder gruppentherapeutischen Maßnahme oder auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe für Personen mit Arbeitsstörungen dürfte jedoch in jedem Fall hilfreich und auch unumgänglich sein, um sich der persönlichen Arbeitssuchtproblematik und insbesondere den dahinter stehenden Gründen und Ursachen anzunähern, um dann darauf aufbauend zu einer Einstellungs- und Verhaltensänderung im Problembereich zu gelangen. Unterschiedliche therapeutische Schulen wenden dabei unterschiedliche Vorgehensweisen an. Letztlich gilt es wie bei jeder Therapiemaßnahme individuell und selbstverantwortlich zu prüfen, ob durch die angefragte Hilfe der Betroffene eigene Wünsche, Bedürfnisse und Zielsetzungen realisieren kann oder nicht. Die zunehmende Zahl von Selbsthilfegruppen für Arbeitssüchtige, aber auch die Spezialisierung von ambulant tätigen Psychotherapeuten und stationär arbeitenden Kliniken verdeutlichen, dass es offensichtlich eine Nachfrage nach solchen Leistungen, aber auch eine verstärkte Professionalisierung bei der Bewältigung der Arbeitssuchtproblematik gibt. Es bleibt zu wünschen, dass weitere intensive Forschungsbemühungen in Theorie und Praxis zu fundierten Erkenntnissen bezüglich der Diagnose, Vermeidung und Behandlung der vielschichtigen wie auch an Relevanz gewinnenden Problematik Arbeitssucht führen. Was kann die Gesellschaft gegen Arbeitssucht tun?
Es fehlt im primärpräventiven Bereich bezüglich der Verhinderung, Vermeidung und/oder Eindämmung süchtigen Arbeitens an Hilfsangeboten und unterstützenden Maßnahmen. Hier wäre wünschenswert:
- eine offensivere Öffentlichkeitsarbeit, die auch die möglichen individuellen und gesellschaftlichen Folgekosten eines arbeitssüchtigen Verhaltensstiles berücksichtigt;
- eine Verbesserung des Angebots entsprechender Präventions- und Interventionsmaßnahmen z.B. durch Krankenkassen, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Wohlfahrtsverbände, den Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, Ärztevereinigungen etc.;
- eine stärkere Berücksichtigung des Problems des süchtigen Arbeitens sowohl in der medizinischen als auch in der psychologischen Therapie. Dies erfordert ebenfalls eine stärkere Sensibilisierung der im Gesundheitswesen tätigen Personen für die Arbeitssuchtproblematik; und schließlich
- die Entwicklung und Etablierung geeigneter, zum süchtigen Arbeiten alternativer, auch langfristig stabiler Verhaltensmuster unter besonderer Berücksichtigung der für den Suchtbereich immer wesentlichen Rückfallproblematik.
Eine gesamtgesellschaftliche Diskussion der Arbeitssucht sollte zum einen dazu beitragen, dass interdisziplinäre Forschungsaktivitäten zur Arbeitssuchtproblematik angeregt werden. Zum anderen erscheint - nicht zuletzt unter Berücksichtigung einer immer größer werdenden Zahl von Arbeitslosen und einem stetig wachsenden Missverhältnis von zur Verfügung stehenden Arbeitskräften einerseits und von zu erledigender Arbeit andererseits - eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über den Stellenwert der Arbeit für den Einzelnen wie für die Sozialgemeinschaft notwendig und sinnvoll. Kernpunkte sollten dabei sowohl die gleichmäßigere und gerechte Verteilung der Arbeit als auch die Etablierung neuer Arbeitszeitmodelle sein, um so auch langfristig den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft zu sichern. Die aktuelle Diskussion um Arbeitsformen und Arbeitsverteilungen der Zukunft inklusive der individuellen wie gesamtgesellschaftlichen Bedeutung von Arbeit bietet die Chance, das süchtige Arbeiten in seiner bislang weithin kaum hinterfragten sozialen Erwünschtheit zu relativieren und eine offenere Problematisierung der Arbeitssucht und ihrer im Einzelfall verheerenden Auswirkungen zu erreichen. Internethinweise Externer Link: Arbeitssucht Externer Link: Arbeitssucht 2 Externer Link: Arbeitssucht 3 Externer Link: Hardtwaldklinik
Vgl. Werner Puschmann/Bernhard Wegener, Arbeit: Die Sucht der Angepassten?, in: Suchtreport, 4 (1992), S.29 - 36; Axel Bohmeyer, Workaholismus als Pathologie der Erwerbsarbeitsgesellschaft: http://www.stthomas.edu/cathstudies/cst/mgmt/LE/papers/bohmeyer.htm (03.07.2003); Dieter Henkel, Zur Geschichte und Zukunft des Zusammenhangs von Sucht und Arbeit, in: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.), Sucht und Arbeit, Freiburg 2001.
Vgl. Norbert Semmer/Ivars Udris, Bedeutung und Wirkung von Arbeit, in: Heinz Schuler (Hrsg.), Lehrbuch Organisationspsychologie, Bern 1995.
Vgl. Axel Braig/Ulrich Renz, Die Kunst, weniger zu arbeiten, Frankfurt/M. 2001.
Bernd Guggenberger, Wenn uns die Arbeit ausgeht, München 1988.
Vgl. Holger Heide (Hrsg.), Massenphänomen Arbeitssucht, Bremen 2002.
Beispielhaft sei hier verwiesen auf Bryan E. Robinson, Wenn der Job zur Droge wird, Düsseldorf, 2000.
Siehe dazu auch ausführlich Stefan Poppelreuter, Arbeitssucht, Weinheim 1997, und ders./Werner Gross, Nicht nur Drogen machen süchtig. Entstehung und Behandlung von stoffungebundenen Süchten, Weinheim 2000.
Vgl. Dieter Ladewig/Paul Graw, Neue Erscheinungsformen und theoretische Aspekte der Sucht aus der Sicht des Klinikers, in: Wilhelm Feuerlein (Hrsg.), Theorie der Sucht, Berlin 1986.
Vgl. Werner Gross, Sucht ohne Drogen, Frankfurt/M. 2003.
Vgl. S. Poppelreuter (Anm. 7).
Vgl. Gustave Flaubert, Briefe an Zeit- und Zunftgenossen, in: E.-W. Fischer (Hrsg.), Flauberts gesammelte Werke, Band 9, München 1907.
Paul Lafargue, Das Recht auf Faulheit, Ludwigshafen 1988.
Sandor Ferenczi, Sonntagsneurosen, in: Michael Balint (Hrsg.), Sandor Ferenczi - Schriften zur Psychoanalyse, Band 1, Frankfurt/M. 1970.
Vgl. Stefan Poppelreuter/Claudia Windholz, Arbeitssucht in Unternehmen - Formen, Folgen, Vorkehrungen, in: Wirtschaftspsychologie, 4 (1999), S. 62 - 69.
In Anlehnung an Werner. Schumacher, Untersuchungen zur Psychodynamik des abhängigen Spielverhaltens, in: W. Feuerlein (Anm.8).
Vgl. S. Poppelreuter (Anm. 7).
Vgl. z.B. David J. Cherrington, The Work Ethic: Working Values that Work. New York 1980.
Vgl. S. Poppelreuter (Anm. 7).
Vgl. ebd.
Vgl. Peter Berger, Psychotherapie von Arbeitssucht, in: S. Poppelreuter/W. Gross (Anm. 7); Karl König, Arbeitsstörungen und Persönlichkeit, Bonn 1998.
Vgl. dazu auch Stefan Poppelreuter/Claudia Evers, Arbeitssucht - Theorie und Empirie, in: S. Poppelreuter/W.Gross (Anm. 7)
Vgl. Jay Rohrlich, Arbeit und Liebe, Frankfurt/M. 1984.
Vgl. Bryan E. Robinson, The Workaholic Family: A Clinical Perspective, in: American Journal of Family Therapy, 26 (1998), S. 65 - 75.
Vgl. Diane Fassel, Working ourselves to death, San Francisco 1990; B. E. Robinson (Anm. 23).
Vgl. B. E. Robinson, ebd.
Vgl. Horst Steinmann/Bernd Richter/Sabine Goßmann, Arbeitssucht im Unternehmen. Diskussionsbeiträge des Lehrstuhls für allgemeine BWL und Unternehmensführung an der Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg 1984.
Vgl. dazu auch A. Bohmeyer (Anm. 1).
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0 | IMAGO/Laci Perenyi
Bayern-Trainer Julian Nagelsmann wird nach seiner verbalen Entgleisung beim Spiel gegen Gladbach kritisiert
Montag, 20.02.2023, 11:34
Das Wichtigste
Die verbalen Attacken von Julian Nagelsmann gegen den Unparteiischen Tobias Welz sorgen für Aufsehen.Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich bezeichnet den Ausraster als "abgrundtief respektlos".Er hält die Entwicklung im Umgang mit Schiedsrichtern für bedenklich.
Auch wenn sich der 35-Jährige für seine Wortwahl bereits öffentlich entschuldigt hat, reißt die Kritik an dem Bayern-Trainer nicht ab. Nun hat sich auch Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich dazu geäußert und Nagelsmann sehr scharf kritisiert.
Nach der 2:3-Niederlage am vergangenen Samstag gegen Borussia Mönchengladbach kam es in den Katakomben des Borussia Parks zu einem Eklat zwischen Julian Nagelsmann und Schiedsrichter Tobias Welz. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge ist der FCB-Coach wutentbrannt in die Schiri-Kabine gestürzt. Dabei fielen u.a. Worte wie “Will der mich verarschen? Mein Gott, mein Gott! Dieses weichgespülte Pack!”
Schiedsrichter-Chef Fröhlich: Nagelsmanns Wutausbruch „abgrundtief respektlos“
Der Wutausbruch von Nagelsmann hat mittlerweile auch den DFB-Kontrollausschuss auf den Plan gerufen. Dieser hat ein Ermittlungsverfahren gestartet. Aus Sicht von Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich hat der Bayern-Coach mit seiner Wortwahl eine Grenze überschritten: “Ich finde es abgrundtief respektlos, die Begrifflichkeit ‚Pack‘ zu verwenden, egal, welche Perspektive man auch immer zu einer Situation einnimmt. Da ist dann auch das Verständnis auf Schiedsrichterseite zu Ende“, sagte Fröhlich zu “SPORT1”.
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Aus Sicht von Fröhlich ist nicht nur der Vorfall in den Katakomben ein Problem. Auch die Aussagen in den TV-Interviews im Anschluss haben nicht dazu beigetragen, um die Situation zu entschärfen: “Einfach mal durchatmen, innehalten und nicht immer gleich die öffentliche Bühne nutzen, um sich und seine Perspektive als die einzig richtige darzustellen.”
Fröhlich sieht Entwicklung kritisch: „Wo soll das hinführen?“
Der ehemalige Bundesliga- und Fifa-Referee (u.a. 200 Bundesliga-Einsätze) sieht die Entwicklung in der Bundesliga im Umgang mit den Schiedsrichtern sehr kritisch: “Es geht mir hier nicht um eine Bestrafung, das ist gar nicht mein Thema. Es geht doch um viel mehr: Wie geht man mit unterschiedlichen Perspektiven und Meinungen um? Und wie geht man mit Entscheidungen um, die nicht den eigenen Erwartungen entsprechen? Wo soll das hinführen, wenn das immer wieder zu größeren Schlagzeilen und Konflikten führt?”
Dieser Artikel wurde verfasst von Vjeko Keskic
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Zwei Kracher-Partien! Das sind die Viertelfinals im DFB-Pokal
Spannende Paarungen im Viertelfinale des DFB-Pokals. Marco Rose muss mit RB Leipzig gegen seinen Ex-Klub Dortmund ran. Der FC Bayern hat ein Heimspiel gegen den SC Freiburg. Eintracht Frankfurt empfängt Union Berlin. Zweitligaklub Nürnberg erwartet den VfB Stuttgart.
Oliver Kahn wird deutlich - Bayern-Boss fordert jetzt die „totale Bereitschaft“
Der FC Bayern präsentiert sich in der aktuellen Saison nicht so dominant wie gewohnt. Vor dem Spitzenspiel gegen Union Berlin wird Vorstandschef Oliver Kahn deshalb deutlich. Der Bayern-Boss fordert dabei unter anderen die „totale Bereitschaft“.
Das Original zu diesem Beitrag "Schiedsrichter-Chef nennt Nagelsmanns Auftritt „abgrundtief respektlos“" stammt von fcbinside.de.
fcbinside.de | 234,908 |
1 | Datenspeicherung von Mailanbietern: Zum Überwachen gezwungen
Ermittler wollten von Posteo IP‑Adressen. Der Mailanbieter speichert die Daten nicht. Muss er aber, meint das Bundesverfassungsgericht.
Verbindungsdaten sind die neuen Überwachungskameras Foto: dpa
E-Mail-Anbieter müssen Daten von Nutzer:innen extra für die Strafverfolgung erheben – auch wenn sie das gar nicht wollen. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Woche eine Verfassungsbeschwerde des E-Mail-Anbieters Posteo abgewiesen. Bei datenschutzbewussten Nutzer:innen hat das für Unruhe gesorgt, weil das Gericht damit die Möglichkeiten der Strafverfolger:innen deutlich ausweitet. Doch was bedeutet die Entscheidung nun – für Nutzer:innen, für die Gesellschaft, für privatsphärefreundliche Geschäftsmodelle?
Zunächst einmal hilft es, die Geschichte zu kennen, über die die Verfassungsrichter:innen entschieden haben. Protagonist ist der E-Mail-Provider Posteo. 2009 gründen Patrik und Sabrina Löhr das für den damaligen Markt ungewöhnliche Unternehmen – einen E-Mail-Anbieter, der keine persönlichen Daten verlangt, auf Verschlüsselung setzt und seine Server und Geschäftsräume mit Ökostrom betreibt.
Dafür müssen die Nutzer:innen, anders als bei konventionellen Anbietern wie Gmail, GMX oder T-Online, für ihren Mail-Account zahlen. Wer anonym sein will, steckt den Schein in einen absenderlosen Briefumschlag. Durch ein komplexes Codierungssystem lässt sich die Zahlung zuordnen.
Außerdem treffen Patrik und Sabrina Löhr eine Entscheidung, deren Folgen sie jetzt zu spüren bekommen: Sie verzichten darauf, die IP-Adressen ihrer Kund:innen zu erheben. Das ist eine Ziffernfolge, die Computer in Netzwerken zur Kommunikation verwenden und über die sie identifiziert werden können.
taz am wochenendeDieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Im Zuge der Snowden-Enthüllungen 2013 fällt immer mehr Menschen auf, dass Datenschutz doch eine ganz sinnvolle Sache sein könnte: Posteo wächst. Für das Jahr 2017 beziffert das Unternehmen die Zahl der Postfächer schließlich auf 230.000.
Während Posteo wuchs, verschaffte sich der Staat in den vergangenen Jahren immer mehr Befugnisse in Sachen Überwachung der Telekommunikation. Die Vorratsdatenspeicherung, in erster Auflage von 2007, gehört genauso dazu wie die Überwachung per Trojaner. Historisch gesehen ist das folgerichtig: Früher war die Telekommunikation in staatlicher Hand. Wollte eine Behörde an Daten herankommen, stand sie nicht vor großen Problemen.
Doch bei den Überwachungsmaßnahmen nach der Privatisierung galt für Anbieter von E‑Mail-Diensten bislang: Sie mussten nur das herausrücken, was sie sowieso schon erhoben hatten. Verlangt ein E-Mail-Anbieter also das Geburtsdatum bei der Anmeldung – dann muss er es auch auf den entsprechenden Beschluss hin an die Polizei herausgeben. Hat er es dagegen nie erhoben – dann gehen die Strafverfolger:innen leer aus.
Das Ende der Datensparsamkeit?
Mit ihrer Entscheidung gegen Posteo haben die Verfassungsrichter:innen die Pflichten nun deutlich ausgeweitet: Erstmals muss ein E-Mail-Anbieter Daten – in diesem Fall die IP-Adresse – zum Zweck der Strafverfolgung überhaupt erheben. Und hier wird es etwas kleinteilig. Denn technisch sind IP-Adressen natürlich notwendig, um einen E-Mail-Dienst betreiben zu können.
Nach der Entscheidung könnte Anonymität im Netz schwerer werden
Posteo setzt allerdings auf eine Lösung, bei der die Adressen nur kurzzeitig an der Außenkante des IT-Systems vorhanden sind und die Adressinformationen automatisch durch andere ersetzt werden. Zugriff auf die IP-Adressen hat das Unternehmen nicht. Die Richter:innen fanden dagegen: Schön und gut, das mag für die Vergangenheit gelten. Aber wenn die richterliche Aufforderung kommt, dann möge man bitte die IP-Adresse liefern.
Nach der Entscheidung des Gerichts könnte es schwerer werden, im Netz anonym unterwegs zu sein. „Die Gefahr ist, dass die Entscheidung zur Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen herangezogen wird“, sagt Friedemann Ebelt vom Verein Digitalcourage. Auch das BKA-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das sich auf die Abwehr von Terrorismus bezogen habe, sei später verwendet worden, um die Befugnisse bei normaler Polizeiarbeit auszuweiten.
Und noch etwas kommt erschwerend hinzu: „Für datensparsame Geschäftsmodelle ist diese Entscheidung ein Dämpfer“, sagt Elisabeth Niekrenz von der Digitalen Gesellschaft. Auch Friedemann Ebelt befürchtet, dass als Nächstes andere privatsphärefreundliche Geschäftsmodelle Einschränkungen erfahren werden. Der Anonymisierungsdienst Tor zum Beispiel oder VPN-Dienste, die Nutzer:innen vor Überwachung schützen können.
Dass das Bundesverfassungsgericht gegen Posteo entschieden hat, könnte auch an dem Grund für die Ermittlungen liegen. 2016 hatte ursprünglich das Amtsgericht Stuttgart angeordnet, die Telekommunikation eines verdächtigen E-Mail-Accounts zu überwachen. Der Verdacht: unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln und Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Die Überwachungs-Gesamtrechnung
„Natürlich müssen Ermittlungen möglich sein, aber das Problem ist, dass Datenschutz viel geringer gewichtet wird als das Interesse an Strafverfolgung“, sagt Friedemann Ebelt. Und dass alternative Ermittlungsansätze außen vor blieben. Eine Idee: Ist den Ermittler:innen die Mail-Adresse bekannt, könnten sie beispielsweise eine mit einem Tracking-Pixel präparierte E-Mail schicken. Das ist keine Geheimfunktion; Unternehmen oder Verbände nutzen diese Methode sehr häufig, um herauszufinden, ob und wann ihre Sendungen gelesen werden. Auch die IP-Adressen der Abrufenden lassen sich so erheben. Natürlich lässt sich so ein Pixel blocken – aber den Versuch wäre es wert.
Es gibt einen Begriff, der die Problematik zusammenfasst: die Überwachungs-Gesamtrechnung. Er entstand auf Grundlage eines Verfassungsgerichtsurteils zur Überwachung per GPS. Damals sagten die Richter:innen sinngemäß: Ob eine Überwachungsmaßnahme verfassungsgemäß ist, hängt auch immer davon ab, wie viel Überwachung es sonst so gibt. Je mehr Überwachung es schon gibt, desto kritischer muss man sich die anschauen, die noch dazukommt.
Diesen Begriff verwendete auch eine Expertin, die des grenzenlosen Privatsphäre-Aktivismus relativ unverdächtig ist: die damalige Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff. In einer Stellungnahme, in der sie Posteo bei der Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht attestierte, datenschutzfreundlich zu handeln, wies sie auf die immer weiter ausgedehnten Befugnisse der Sicherheitsbehörden hin. Und forderte das Verfassungsgericht auf, sich gut zu überlegen, ob eine zusätzliche Überwachungsauflage wirklich sein muss.
„Auch deshalb ist es so wichtig, was Posteo macht“, sagt Friedemann Ebelt. Und Elisabeth Niekrenz weist darauf hin: „Schon die Sorge, überwacht zu werden, führt dazu, sich einzuschränken.“ Auch wenn man hierzulande derzeit nicht von politischer Verfolgung sprechen könne – man wisse nie, wie sich die politische Großwetterlage eines Tages ändere.
Posteo hat angekündigt, erst einmal in Ruhe zu prüfen, welche Möglichkeiten bestehen – technisch wie juristisch. Und betont in seiner Stellungnahme: „Wir werden nicht damit beginnen, die IP-Adressen unserer unbescholtenen Kundinnen und Kunden zu loggen.“ Näheres will das Unternehmen nicht sagen. Doch es klingt danach, als suchte man eine technische Lösung, um dann, wenn es ein Gericht fordert, im Einzelfall IP-Adressen erheben zu können. Systemadministrator:innen schätzen das als etwas aufwendig, aber nicht unmöglich ein. | 234,909 |
0 | Nachdem sie uns alles vorgezeigt, nicht ohne traurige Vergleichung der
vorigen und gegenwärtigen Zustände, brachten sie uns in einen
angenehmen kleinen Saal, von dessen Balkon man eine liebliche Aussicht
genoß; hier war für uns beide gedeckt, und es fehlte nicht an einem
sehr guten Mittagessen. Nach dem aufgetragenen Dessert trat der Abt
herein, begleitet von seinen ältesten Mönchen, setzte sich zu uns und
blieb wohl eine halbe Stunde, in welcher Zeit wir manche Frage zu
beantworten hatten. Wir schieden aufs freundlichste. Die jüngern
begleiteten uns nochmals in die Zimmer der Sammlung und zuletzt nach
dem Wagen. | 234,910 |
1 | Klage wegen Hetze: Flüchtling gegen Facebook
Ein syrischer Flüchtling hat eine einstweilige Verfügung gegen Facebook und einen Nutzer beantragt, nachdem eines seiner Bilder zur Verleumdung benutzt wurde.
Dem Kläger „gefällt“ Facebook sicher nicht mehr so, nachdem sein Foto für Hetze missbraucht wurde Foto: ap
WÜRZBURG dpa | Ein syrischer Flüchtling will sich gerichtlich gegen Behauptungen in Facebook-Kommentaren zur Wehr setzen. Der Mann ist auf einem Selfie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu sehen, das Unbekannte für Hetze in dem Netzwerk genutzt haben sollen.
Sein Würzburger Anwalt Chan-jo Jun hat deshalb eine einstweilige Verfügung gegen die Europa-Niederlassung von Facebook und einen Facebook-Nutzer beantragt.
Das Landgericht Würzburg werde über den Antrag am 6. Februar verhandeln, sagte ein Gerichtssprecher am Dienstag und bestätigte damit Informationen der Main-Post.
Hintergrund ist unter anderem die Tat in der Weihnachtsnacht gegen einen Obdachlosen in einem Berliner U-Bahnhof. Sieben junge Männer stehen im Verdacht, den schlafenden Mann angezündet zu haben. Dabei handelte es sich um sechs Syrer und einen Mann aus Libyen, sie sind mittlerweile in Untersuchungshaft.
Nach Angaben des Würzburger Rechtsanwalts wurde das Selfie, auf dem sein Mandant mit der Kanzlerin zu sehen ist, unter anderem mit dieser Tat in Verbindung gebracht. Dem Facebook-Nutzer werde vorgeworfen, die Fotomontage geteilt zu haben, sagte der Gerichtssprecher.
Mit dem Antrag auf einstweilige Verfügung will Anwalt Jun erreichen, dass Facebook es unterlässt, „verleumderische Fake-News“ weiterzuverbreiten, wie er in einem Video erklärte, das er selbst in dem Netzwerk veröffentlichte. Der Fachanwalt für IT-Recht war bereits zuvor rechtlich gegen Facebook vorgegangen. | 234,911 |
0 | »Wenn ich dies alles hier sehe, muß ich unwillkürlich an die Schmiede im
Bergwerkdistrikt denken, die mit dem Feuer umgingen, als sei es vollständig
ungefährlich,« sagte der Junge. »Diese Flößer hier spielen mit dem Wasser,
als seien sie dessen Herren. Sie scheinen es so unterjocht zu haben, daß es
sich nicht mehr an sie heran traut.« | 234,912 |
1 | Wer ist Yehya? Ein Sohn palästinensischer Kriegsflüchtlinge. Einer dieser coolen, laut lachenden jungen Männer mit festem Blick, kräftigen Oberarmen und großem Geltungsdrang. Frech und intelligent, zärtlich zu seinen kleinen Geschwistern. Wütend. Ein Junge, der immer der Beste sein will und von einem Leben mit viel Geld und ohne Sorgen träumt. Sein Status: geduldet. Was bedeutet, dass sein Aufenthalt in Deutschland unrechtmäßig ist, seine Abschiebung jedoch ausgesetzt wird.
Yehya wird 1990 im palästinensischen Flüchtlingslager Schatila im Libanon geboren. Zu dieser Zeit tobt dort der Bürgerkrieg, sodass seine Familie wenige Wochen nach Yehyas Geburt nach Deutschland flieht. Nachdem ihr Asylantrag abgelehnt wird, gelten sie als "staatenlose" Flüchtlinge, die nicht abgeschoben werden können, da es ihre Heimat, den Staat Palästina offiziell nicht gibt. Die Familie hat es schwer, in ihrer neuen Heimat anzukommen. Wie lange ihre Duldung dauert, weiß sie nicht. Monat um Monat, manchmal nach einem halben Jahr oder Jahr muss sie zur Ausländerbehörde. Sie sind sogenannte Kettengeduldete: Menschen, die ihre Zukunft in Deutschland nicht kennen, aber einen großen Teil ihres Lebens dort verbringen. Die Familie lebt in einem sozialen Vakuum. Politisch ist dieser Zustand nicht gewollt, aber seit Jahren gängige Praxis. Laut Ausländerzentralregister lebten Ende 2014 113 221 Geduldete in Deutschland. Fast jeder Fünfte war bereits über zehn Jahre im Land.
"Da wurden Söhne zu Vätern und Väter zu Söhnen"
Yehyas Vater. Ein hagerer Mann mit eingefallenem Gesicht. Kettenraucher. In Kuwait leitete er einmal eine eigene Baufirma. In Deutschland erhält er als Geduldeter zunächst ein jahrelanges Arbeitsverbot. Außerdem ist der Zugang zum Arbeitsmarkt kompliziert und wird durch eine sogenannte Vorrangprüfung geregelt. An erster Stelle stehen deutsche, EU-Bürger oder entsprechend rechtlich gleichgestellte Ausländer und erst, wenn kein anderer den Job will oder dafür geeignet ist, darf ein Geduldeter ihn übernehmen. Die meisten Arbeitgeber stellen sie jedoch gar nicht erst ein, weil ihnen ihr Status zu unsicher ist. Diese Vorrangprüfung entfällt seit Anfang diesen Jahres: Bei bestimmten Fachkräften und Hochschulabsolventen beziehungswiese für Geduldete, die seit 15 Monaten ununterbrochen in Deutschland sind.
Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen im Bereich Migration und Männlichkeit, die zeigen, dass es vielen Vätern in ihrer benachteiligten Lebenslage schwer gelingt, ihrer Funktion in der Familie gerecht zu werden. Krieg in der Heimat und das deutsche Asylrecht haben viele zu gebrochenen Männern gemacht. Es sind Männer, die in der neuen Heimat nie richtig angekommen sind, die schwierige soziale Situation ihrer Familien nicht verbessern konnten und für ihre Kinder keine Vorbilder darstellen. In der Forschung sind die Auswirkungen des Flüchtlingsstatus auf das Eltern-Kind-Verhältnis seit Jahren bekannt, während die Politik mit ihren Maßnahmen hinterherhinke, sagt der Migrationsbeauftragte Berlin-Neuköllns Arnold Mengelkoch: "Die Autoritäten in den Familien wurden degradiert, weil die Kinder sich besser orientieren konnten als die Eltern. Da wurden Söhne zu Vätern und Väter zu Söhnen. Das ist nicht gut gegangen."
Das trifft auch auf Yehya und seine Familie zu. Er ist der Protagonist des Dokumentarfilms "Gangsterläufer". In einer Filmszene erklärt Yehya, dass seine Mutter und sein Vater nicht genug Deutsch könnten, um wirklich zu verstehen, was bei ihm los sei. Briefe der Staatsanwaltschaft verstünden sie nicht. Christian Stahl, Regisseur des Films, glaubt, dass Yehyas Eltern sehr wohl verstanden, aber aus Angst vor der Wahrheit und Scham vor der eigenen Ohnmacht nicht nachgefragt hätten: "Sie sind hilflos einer Welt gegenüber, die sie als Flüchtlinge aufgenommen, aber nie als Bürger akzeptiert hat und ihnen finanzielle Selbstständigkeit verwehrt. Und darüber hinaus können sie die Bedürfnisse ihrer Kinder oft nicht finanzieren", schreibt Stahl in seinem Buch "In den Gangs von Neukölln", das er 2014 veröffentlicht hat.
Das Leben wird zum Doppelleben
Die Geschichte von Yehyas Kindheit liest sich wie die vieler junger Flüchtlingskinder der ersten und zweiten Generation in Deutschland. Seine Heimat ist Berlin, mit einer Mauer drumherum. Bei Klassenausflügen außerhalb der Stadt muss er in der Schule bleiben, weil es ihm die Residenzpflicht nicht erlaubt, seinen Wohnort zu verlassen. Bei der Ausländerbehörde wird er ausgelacht, als er sagt, dass er sich Deutsch fühle, schreibt Stahl in seinem Buch. Und Polizisten wirken bedrohlich auf ihn, weil sie für ihn diejenigen sind, die seine Papiere kontrollieren und ihn und seine Familie abschieben können.
QuellentextYehya E.
In jedem Amt, in jeder Schule und an jeder Schlecker-Kasse kriegt man zu spüren: "Du bist ein Ausländer!" Und da neigt man dann eben auch dazu, zu sagen: "Ja, ich bin ein Ausländer!" und dazu zu stehen, was man ist. Dann bezieht man sich irgendwie auf die Kultur der Eltern. Weil man halt sowieso nicht dazu gehören kann, also tut man so, als ob man es nicht wollte.
Anmerkungen von Yehya E. im Gespräch mit Christian Stahl.
Quelle: Christian Stahl, In den Gangs von Neukölln, Hamburg: Verlag Hoffmann und Campe, 2014, Seite 159.
Yehya ist anders, lebt anders. Ihm fehlt Halt. Er wird zum Träumer, der keine Konsequenzen kennt – führt ein Leben in vom Staat verordneter Perspektivlosigkeit. "Es ist wie ein Gefängnis im Kopf", beschreiben junge Flüchtlinge in Interviews ihre Lebenslage. Was sie lernen ist, wie man ein Doppelleben führt, um bei jedem ein anderes Bild abzugeben: bei Freunden, in der Familie, in der Schule.
Als Yehya zum ersten Mal einen Mitschüler mit dem Messer bedroht, ist er zehn Jahre alt. Mit 13 Jahren hat die Polizei bei ihm bereits über 50 Straftaten registriert, er gilt als Intensivstraftäter. Im Berliner Stadtteil Neukölln nennen sie ihn den "Boss der Sonnenallee". "Wir machen den größten Ausbruch der Geschichte. Abenteuer. Mit Pistolen auf die Polizei schießen. Ich sterbe mit 25 und mein Name wird großgeschrieben. Bei diesen Gedanken hatte ich ein schönes Gefühl", sagt Yehya im Film.
QuellentextYeyha E.
Ich liebte es, in den Klassenraum zu kommen und die Angst in den Gesichtern der Schüler zu sehen, und am schönsten war es, wenn ich den Lehrer am Unterrichten hinderte, dadurch, dass ich Schüler zwang, den Unterricht zu stören.
Auszug aus einer E-Mail von Yehya E. an Christian Stahl über seine Zeit in der Rütli-Schule in Berlin-Neukölln.
Quelle: Christian Stahl, In den Gangs von Neukölln, Hamburg: Verlag Hoffmann und Campe, 2014, Seite 47.
2008 kommt der inzwischen 17-Jährige wegen bewaffneten Raubüberfalls auf den Hamburger Prominenten-Wirt Reinhard R. für drei Jahre ins Gefängnis. Es ist eine brutale Tat, bei der Reinhard R. und dessen Freundin ein Jahr zuvor mit dem Messer verletzt werden und traumatische Folgen davontragen. Eine halbe Million Euro hatten sich Yehya und seine Komplizen von dem Überfall versprochen. "Ich dachte, wenn ich das durchziehe, muss ich nie wieder in meinem Leben klauen", sagt er im Film.
Der Weg raus aus dem Gefängnis
Regisseur Christian Stahl zeichnet in "Gangsterläufer" ein eindrückliches Portrait von Yehya und seiner Familie, die versucht, in Würde in der Fremde zu leben und deren Sohn dennoch zum Intensivstraftäter wird. Seine Geschichte ist zwiespältig, emotional und gewalttätig. Im Film scheint es aber, als würde er die Gründe für sein Handeln Schritt für Schritt begreifen, als würde er den Ausstieg schaffen.
Im Juli 2009 wird Yehya zum Freigänger und darf von 7 bis 17 Uhr das Gefängnis Berlin-Plötzensee verlassen. Nach seiner Entlassung wird er in der Sonnenallee mit "Respekt" begrüßt, weil er jetzt ein Mann mit Geschichte ist, mit Gefängnisaufenthalt. Zugleich wird er zum Schüler, der seinen mittleren Schulabschluss mit der Note zwei nachholt. Yehya: Vorzeigeaussteiger und ab 2010 ehrenamtlicher Streitschlichter bei der Deutsch-Arabisch-Unabhängigen Gemeinde in Neukölln. Einer, der von Politikern als Ansprechpartner eingeladen und zum Berater der Berliner Polizei wird und sie bei der Deeskalation brenzliger Situationen unterstützt, wie es Stahl in seinem Buch schreibt. Yeyha: Ein junger Mann, der über Heiraten und Familiengründung nachdenkt. Es ist der Versuch, sich der bürgerlichen Gesellschaft anzunähern und ein Teil von ihr zu werden. Doch auf seinen vermeintlichen Erfolg folgen Rückschläge.
Die Ausweisung droht
Die Justiz will ihn ausweisen, weil sie das bei Ausländern ab einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren kann. In einem Bescheid der Ausländerbehörde wird Yehya aufgefordert, Deutschland nach dem Ende seiner Haftzeit zu verlassen, sonst wird er abgeschoben – auf Basis eines Rücknahmeabkommens in die Ukraine.
QuellentextChristian Stahl
Die Ursachen der Kriminalität kann man nicht abschieben. Sie sind hier entstanden. Sie werden hier bleiben und sich verstärken, wenn wir nicht endlich die Fehler im deutschen System [der Asyl- und Flüchtlingspolitik] beheben.
Anmerkungen von Christian Stahl zur deutschen Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Quelle: Christian Stahl, In den Gangs von Neukölln, Hamburg: Verlag Hoffmann und Campe, 2014, Seite 221f.
Yehyas Anwalt klagt erfolgreich gegen die Entscheidung der Ausländerbehörde. Das Gericht urteilt, dass er einen Aufenthalt bekommen muss, wenn er sein Abitur macht. Doch als er sein Fachabitur an einem Oberstufenzentrum beginnt, bittet ihn das Direktorium nach wenigen Tagen, die Klasse zu verlassen. Die Ausländerbehörde hat der Schule mitgeteilt, "dass geduldete Flüchtlinge wie Yehya, noch dazu mit seinen Straftaten, keinem Deutschen einen Abiturplatz wegnehmen dürfen", schreibt Stahl in seinem Buch. Yehya macht ein Praktikum bei einem Fotografen. Ein Antrag auf eine Arbeitserlaubnis wird abgelehnt. 2011 beginnt er die Ausbildung zum Sozialassistenten an einer Privatschule und nimmt an Sitzungen des Integrations- und Migrationsbeirates in Neukölln teil. Im Oktober 2012 steht er erneut vor Gericht. Der Vorwurf des Raubüberfalls wird fallen gelassen, doch erhält er wegen einfacher Körperverletzung eine einjährige Bewährungsstrafe. Zu diesem Zeitpunkt ist die Premiere des Films "Gangsterläufer" knapp eineinhalb Jahre her.
Kein Ausstieg, wieder Gewalt, wieder Haft
Yehya ist 23 Jahre alt, als er im März 2014 sein zweites Urteil bekommt: fünf Jahre Haft wegen Diebstahl, schweren Raubs in zwei Fällen, gefährlicher Körperverletzung und Planung eines weiteren Überfalls. Er wird verurteilt als Kopf einer Bande. Über 50.000 Euro erbeuteten Yehya und Komplizen in einer Kaufhauskette, einem Modegeschäft und einer Privatwohnung. "Kriminalität ist keine Krankheit, die man mal so eben heilen kann", schreibt Stahl daraufhin in einem Essay für die Zeitung "Die Welt". Bei Jungen wie Yehya wirke sie wie eine Droge und die Wut sei ihr Antrieb, weil sie das Bedürfnis nach ihr wecke. Der 23-Jährige gibt vor Gericht eine fast halbstündige persönliche Erklärung ab, die Stahl in seinem Buch zitiert. Er berichtet über seine Kindheit und das Gefühl der Ausgrenzung als "nicht-deutsches" Kind, dessen Eltern arbeitslos sind, weil sie nicht arbeiten dürfen. Über seinen Umzug innerhalb Berlins vom bürgerlichen Prenzlauer Berg nach Neukölln, wo er zum ersten Mal das Gefühl der Zugehörigkeit gespürt habe, weil dort Kinder wie er lebten. Wie es sei einer Gruppe anzugehören und sich beweisen zu wollen, wie er "Scheiße baut" und irgendwann "seine Hemmungen verliert". Und Yehya spricht über die Zeit nach der ersten Haft und seiner Arbeit als Streitschlichter: "In meinem ehemaligen Paradies [Berlin-Neukölln] war ich plötzlich der V-Mann. [...] Ich wollte stark genug sein, in Neukölln zu leben und nicht kriminell zu sein. Womöglich schaffen das auch viele. Aber ich bin gescheitert. [...] Ich wollte meine Aufenthaltserlaubnis, meine Arbeitserlaubnis, und ich wollte wegziehen von Neukölln. Ich hab keine Arbeitserlaubnis bekommen und konnte keine Arbeit haben. Wegziehen konnte ich auch nicht. Keiner gibt einem Geduldeten eine Wohnung. [...] Dass ich wenigstens Berlin mal verlassen kann. Abgelehnt. Ausziehen? Keine Chance. Du bleibst dort, du bleibst mitten im Dreck. Das war mein Gefühl."
Wie fühlt es sich an, wenn das Zuhause niemals ein wirkliches Zuhause ist? Ist einem dann alles egal? Sind die Kriegsbiografien palästinensischer Einwandererfamilien ein Grund für die Kriminalität und Gewalt? Wer oder was ist schuld, dass Yehya kriminell geworden ist? Er selbst, die Gesellschaft, das familiäre Umfeld, die Freunde? Oder das enge Korsett bürokratischer Regeln: das Arbeitsverbot, die Residenzpflicht, die ständige Bedrohung, abgeschoben zu werden? Arnold Mengelkoch sagt, dass auch Kinder, die die Traumata nicht bewusst erlebt hätten, die Geschichte und Überlebensstrategie ihrer Eltern verinnerlichten und zum Teil falsch übertragen würden. Es sind Gefühle von Angst, Widerstand und Kampf, die im Inneren der Kinder weiterleben, doch über die in den Familien meist nicht geredet wird.
QuellentextChristian Stahl
Falls Yehya 2018 vorzeitig entlassen wird, wird er, nach heutigem Stand des deutschen Aufenthaltsrechts, weiterhin lediglich eine Duldung haben, keine Arbeits- und keine Aufenthaltserlaubnis bekommen, und die Ausländerbehörde wird weiter ohne Aussicht auf Erfolg versuchen, ihn abzuschieben.
Anmerkungen von Christian Stahl zur Perspektive von Yehya E. nach seiner voraussichtlichen Haftentlassung im Jahr 2018.
Quelle: Christian Stahl, In den Gangs von Neukölln, Hamburg: Verlag Hoffmann und Campe, 2014, Seite 221f.
"Die Schuld muss Yehya tragen", sagt Stahl. Doch reicht es ihm nicht, mit dem moralischen Zeigefinger auf Jungen wie ihn zu zeigen, härtere Strafen zu fordern und pauschal von kulturellen Konflikten und von Abschiebung zu sprechen. Es sei wichtig, die Hintergründe ihrer Geschichte zu verstehen. "Ohne zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist, aber mit der Absicht zuzuhören", schreibt Stahl auf seiner Facebook-Seite.
Mehr als zehn Jahre sind inzwischen vergangen, seitdem er und Yehya sich kennengelernt haben. Der Junge lässt Stahl nah an sich heran, sie reden, sie streiten, Stahl wird zu einer wichtigen Ansprechperson. "Wer das Problem der Intensivstraftäter aus Flüchtlingsfamilien verstehen und abschaffen will, muss mit den jungen Männern und ihren Familien sprechen und nicht über sie", sagt auch Mengelkoch. Auf diese Weise werden der Film und das Buch von Stahl nicht nur das Zeugnis einer ungewöhnlichen Freundschaft, das die Enttäuschung, Erwartung und Sehnsucht nach einem anderen Leben als das der Eltern in einem zum Teil brutalen und intelligenten jungen Mann sichtbar macht, sondern auch eine unbequeme Deutung der deutschen Asylpolitik. "Die Probleme sind hier entstanden. Sie werden hier bleiben und sich verstärken", schreibt der Regisseur in seinem Buch. Für ihn steht fest, dass Yehya kein arabischer oder genauer: palästinensischer, sondern ein deutscher Krimineller ist. Deshalb fragt er: "Wann werden wir in Deutschland aufgewachsene Menschen endlich als Deutsche und die Probleme, die durch verfehlte Einwanderungspolitik mit verursacht wurden, als deutsche Probleme anerkennen?"
Weiterführende Literatur und Links
Bundesregierung, Erleichterungen für Asylbewerber, 02.01.2015, Externer Link: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2014/10/2014-10-29-verbesserungen-fuer-asylbewerber-beschlossen.html
King, Vera (2005): Bildungskarrieren und Männlichkeitsentwürfe bei Adoleszenten aus Migrantenfamilien. In: King, Vera/Flaake, Karin (Hrsg.): Männliche Adoleszenz. Sozialisation und Bildungsprozesse zwischen Kindheit und Erwachsensein. Frankfurt/Main: Campus. S. 57-76
Prömper, Hans/Jansen, Mechtild M./Ruffing, Andreas/Nagel, Helga (Hrsg.) (2010): Was macht Migration mit Männlichkeit? Kontexte und Erfahrungen zur Bildung und Sozialen Arbeit mit Migranten. Opladen/Farmington Hills: Barbara Budrich. S. 19-35
Schäfer, Eberhard/Moradli, Baljan/Yaşaroğlu, Ercan (2006): »Baba – Papa. Väter im Gespräch« – Ein Konzept für die Arbeit mit Vätern mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund in Berlin-Kreuzberg. In: Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Migration und Männlichkeiten. Schriften zur Geschlechterdemokratie. Externer Link: http://www.gwi-boell.de/sites/default/files/uploads/2014/04/migration_oder_maennlichkeiten_nr.14.pdf
Stahl, Christian, „Die Neuköllner Gangs sind süchtig nach Kriminalität“, 22.09.2014, Externer Link: http://www.welt.de/vermischtes/article132494500/Die-Neukoellner-Gangs-sind-suechtig-nach-Kriminalitaet.html
Stahl, Christian, Videos mit Yehya E. in der Justizvollzugsanstalt im Sommer/Herbst 2014, Externer Link: https://www.youtube.com/user/Stahlmedien
Tunç, Michael (2007): Väter mit Migrationshintergrund zwischen Skandalisierung und Vernachlässigung. Umrisse einer Väterarbeit in der Migrationsgesellschaft. In: Zeitschrift für Migration und Soziale Arbeit. Jg. 29. Heft 1. S. 33-39.
In jedem Amt, in jeder Schule und an jeder Schlecker-Kasse kriegt man zu spüren: "Du bist ein Ausländer!" Und da neigt man dann eben auch dazu, zu sagen: "Ja, ich bin ein Ausländer!" und dazu zu stehen, was man ist. Dann bezieht man sich irgendwie auf die Kultur der Eltern. Weil man halt sowieso nicht dazu gehören kann, also tut man so, als ob man es nicht wollte.
Anmerkungen von Yehya E. im Gespräch mit Christian Stahl.
Quelle: Christian Stahl, In den Gangs von Neukölln, Hamburg: Verlag Hoffmann und Campe, 2014, Seite 159.
Ich liebte es, in den Klassenraum zu kommen und die Angst in den Gesichtern der Schüler zu sehen, und am schönsten war es, wenn ich den Lehrer am Unterrichten hinderte, dadurch, dass ich Schüler zwang, den Unterricht zu stören.
Auszug aus einer E-Mail von Yehya E. an Christian Stahl über seine Zeit in der Rütli-Schule in Berlin-Neukölln.
Quelle: Christian Stahl, In den Gangs von Neukölln, Hamburg: Verlag Hoffmann und Campe, 2014, Seite 47.
Die Ursachen der Kriminalität kann man nicht abschieben. Sie sind hier entstanden. Sie werden hier bleiben und sich verstärken, wenn wir nicht endlich die Fehler im deutschen System [der Asyl- und Flüchtlingspolitik] beheben.
Anmerkungen von Christian Stahl zur deutschen Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Quelle: Christian Stahl, In den Gangs von Neukölln, Hamburg: Verlag Hoffmann und Campe, 2014, Seite 221f.
Falls Yehya 2018 vorzeitig entlassen wird, wird er, nach heutigem Stand des deutschen Aufenthaltsrechts, weiterhin lediglich eine Duldung haben, keine Arbeits- und keine Aufenthaltserlaubnis bekommen, und die Ausländerbehörde wird weiter ohne Aussicht auf Erfolg versuchen, ihn abzuschieben.
Anmerkungen von Christian Stahl zur Perspektive von Yehya E. nach seiner voraussichtlichen Haftentlassung im Jahr 2018.
Quelle: Christian Stahl, In den Gangs von Neukölln, Hamburg: Verlag Hoffmann und Campe, 2014, Seite 221f.
Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung, Kleine Anfrage der Partei Die Linke, Drucksache 18/3987, 10. Februar 2015 (Seite 26ff): Externer Link: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/039/1803987.pdf
Die Neuregelungen im Asyl- und Staatsangehörigkeitsgesetz sowie bei der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern wurden im Dezember im Bundestag und Bundesrat beschlossen. Es trat mit seinen überwiegenden Regelungen am 1. Januar 2015 in Kraft, einzelne Vorschriften am 1. März 2015. Die Regelungen sind zum Teil umstritten, denn neben Erleichterungen wurden u.a. Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Drittstaaten erklärt. Asylsuchende aus diesen Ländern haben damit kaum Chancen auf ein Bleiberecht in Deutschland. Externer Link: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2014/10/2014-10-29-verbesserungen-fuer-asylbewerber-beschlossen.html
Zum Beispiel: Prömper, Hans/Jansen, Mechtild M./Ruffing, Andreas/Nagel, Helga (Hrsg.) (2010): Was macht Migration mit Männlichkeit? Kontexte und Erfahrungen zur Bildung und Sozialen Arbeit mit Migranten. Opladen/Farmington Hills: Barbara Budrich. S. 19-35 .
Siehe: Haruna, Hadija, "Gekommen, um zu bleiben? Das Leben junger Flüchtlinge in Berlin", www.fluter.de, 23.05.2011; Externer Link: http://www.fluter.de/de/flucht/thema/9330/
Mit den Neuregelungen ab 2015 wird auch die Residenzpflicht nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland formell abgeschafft. An ihre Stelle tritt eine Wohnsitzauflage für Asylbewerber und Geduldete, die auf Transferleistungen angewiesen sind. Sie sind also verpflichtet an einem bestimmten Ort zu wohnen, dürfen sich aber ansonsten frei bewegen. Hier sind Einschränkungen möglich, sodass abzuwarten ist, wie die Wohnsitzauflage wirkt.
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1 | Wahlen in Tunesien: Islamisten liegen vorn
Die islamistische Partei Ennahda hat Tunesiens erste freie Wahlen klar gewonnen. So viel ist schon klar, auch wenn das offizielle Ergebnis noch aussteht.
Anhängerinnen der Ennahda-Partei bei einer Wahlkampfveranstaltung in Tunis. Bild: reuters
TUNIS taz |Am späten Montag Nachmittag war offiziell, was den ganzen Tag bereits durch die verschiedenen Medien geisterte. „Ohne der Unabhängigen Wahlbehörde vorweggreifen zu wollen, werde ich drei Daten bekanntgeben“, erklärte der Kampagnendirektor der tunesischen Islamistenpartei Ennahda, Abdelhamid Jlassi. Seine Formation sei in „allen Wahlbezirken stärkste Kraft“. Ennahda habe mehr als 30 Prozent der Stimmen und der 217 Sitze in der am Sonntag gewählten verfassungsgebenden Versammlung gewonnen.
„Das Parlament ist nicht, wie erwartert zersplittert“, fügte Jlassi hinzu. Es seien nur „fünf oder sechs Farben und einige lokale Unabhängige vertreten. Wie viele der insgesamt 217 Abgeordneten letztendlich an Ennahda gehen werden, wird erst das endgültige amtliche Endergebnis am Dienstag Nachmittag zeigen. Die Sitze werden nach Provinzen vergeben. Die Anhänger, die sich vor dem Parteigebäude in einem Bürobezirk der Haupstadt Tunis versammelt hatten ließen Ennahda hochleben, sangen die tunesische Nationalhymne und riefen "Gott ist groß".
Als erstes Ergebnis wurde das der Immigranten in Deutschland bekannt. Bereits am Sonntag Abend machten die Zahlen bei Facebook die Runde. Demnach gaben 42,8 Prozent der in Deutschland lebenden Tunesier Ennahda ihre Stimme. In Frankreich sollen, so ist durchgesickert, vier der dort insgesamt zehn gewählten Abgeordentensitze an die Islamisten gehen.
Im Laufe des Montags wurden von tunesischen Medien nach und nach Trends und Zahlen aus unterschiedlichen Regionen veröffentlicht, ohne dass es dafür eine offizielle Bestätigung gab. Demnach liegt Ennahda im Großraum Tunis in einigen Wahlbüros deutlich vorn. In der zweitgrößten Stadt des Landes, Sfax, sollen sie sogar über 40 Prozent erreicht haben. Im Landesinneren, wo die Revolte gegen den im Januar gestürzten Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali ihren Ausgang nahm, nachdem sich im Dezember vergangenen Jahres in Sidi Bouzid ein Gemüsehändler selbst verbrannte, ist der Trend ähnlich.
Der Konflikt ist vorprogrammiert
Zweitstärkste Kraft wird wohl die Demokratische Fortschrittspartei PDP unter Generalsekretärin Maya Jribi und Parteigründer Nejib Chebbi sein. Die sozialdemokratisch-liberal orientierte Kraft, die bereits unter der Diktatur Ben Alis zugelassen war, lehnt eine Regierung der Nationalen Einheit unter der Beteiligung Ennahdas ab. Der politische Konflikt ist damit vorprogrammiert.
Die Wahlbeteiligung lag bei über 90 Prozent der mehr als vier Millionen registrierten Wähler, so die Unabhängige Wahlbehörde ISIE am Sonntag Abend. Wie hoch sie bei denen war, die ohne Registrierung mit dem Personalausweis direkt zum Wahllokal des Ortes gingen, wurde noch nicht bekannt. Nur wer sich im Vorfeld registrierte, konnte, trotz abweichendem Wohnsitz in seinen Ausweispapieren, am tatsächlichen Wohnort seine Stimme abgeben. Alle anderen mussten dahin reisen, wo sie gemeldet sind.
Im allgemeinen seien die Wahlen ordentlich über die Bühne gegangen, bestätigte die Wahlbehörde. Allerdings wurden mancherorts die Wähler und Wählerinnen von Beobachtern einzelner Parteien bedrängt, ihrer Formation die Stimme zu geben. Gegen Ennahda liegen mehrere solcher Anzeigen vor.
Während sich die Parteien mit Kommentaren zurückhalten, bis das offizielle Ergebnis vorliegt, wurde vor allem unter Bloggern und in den Facebookgruppen, die einst die Jugend auf die Straße mobilisierten, die Furcht vor den Islamisten laut. "In den letzten Tagen habe ich nur eine Sorge, das Tunesien von morgen. Wie wird es sein? Wer wird es führen? Das Volk oder eine neue Diktatur? Ich bin beunruhigt … ich habe Angst meine Identität zu verlieren, ich habe Angst meine Rechte als Frau zu verlieren ...", schreibt die junge Bloggerin Zohra Ben Khoud.
In einem anderen Post heißt es: "Allen, die in Frankreich Ennahda gewählt haben, wünsche ich Marine Le Pen zur Präsidentin." | 234,914 |
1 | Demogeld für den AfD-Protest: Billig, billiger, AfD
Die AfD zahlt nur 50 Euro Anfahrtsgeld für die Demo in Berlin am Sonntag? Das ist viel zu wenig, findet unser Demogeld-Experte.
Schon stressig, so eine Anfahrt zur Demo. Und dafür gibt es nur 50 Euro? Foto: dpa
Es ist ein Trauerspiel mit dieser Politik von rechts. Sie ist dazu verdammt, an ihrer eigenen Widersprüchlichkeit zugrunde zu gehen. Neuestes Beispiel dieser endlosen Geschichte ist der Versuch der rheinland-pfälzischen AfD, ihre Anhänger zur herbeigesehnten „Großdemo“ nächsten Sonntag nach Berlin zu motivieren. Aufgrund der schleppenden Mobilisierung werden in einem Mitgliederschreiben 50 Euro offeriert, für jeden, der die anstrengende Reise auf sich nimmt. Also, für die ersten 30 Interessierten – mehr als 1.500 Euro ist der AfD ihre Demo dann doch nicht wert.
Demogeld: Richtig, wie so viele Konzepte der Rechten handelt es sich auch hier um eine billige Kopie des linken Originals. Seit einigen Jahren fahren die 48 Busse des Antifa e.V. erfolgreich durchs Land, zusätzlich gezahlt werden übertarifliche Stundenlöhne, und klar, Nacht-, Sonn und Feiertagszuschläge. Wo immer sich Rechte auf die Straße trauen, sind gut motivierte Antifas aus der ganzen Republik schon vor Ort.
Das AfD-Angebot ist, man kann es nicht anders sagen, eine Frechheit. Von der rheinland-pfälzischen Hauptstadt Mainz nach Berlin sind es mit dem Auto 575 km, also locker sechs Stunden Fahrt. One way! 12 Stunden hin und zurück, dazu kommt die eigentliche Demo, also vier bis fünf Stunden sinnloses Herumstehen vor dem Berliner Hauptbahnhof, blockiert von der Antifa. 50 Euro bei 17 Stunden Arbeit macht einen Stundenlohn von 2,94 Euro.
Abzuziehen ist nun noch die Verpflegung: 12,99 Euro für ein Zigeunerschnitzel auf der Raststätte auf dem Hinweg, 13,50 Euro für königsberger Klopse auf dem Rasthof „Fläming Ost“ auf dem Heimweg. Zwei Warsteiner (alkoholfrei) für 8 Euro. Dazu zweimal 70 Cent Sanifair und vergessen, die Gutscheine einzulösen. Da bleibt schon vor Abzug der Spritkosten fast nichts mehr übrig. Kurzum: Es ist ein Minusgeschäft.
Mit ordentlichen Gewerkschaften wäre das nicht passiert, doch da sind wir wieder beim rechten Problem der eigenen Widersprüchlichkeit. Wer war es denn, der die deutschen Gewerkschaften gründlich zerschlagen hat? Bis heute hält sich ganz rechts außen diese Aversion gegen DGB und Co. Wenn am Ende nicht die angemeldeten 12.000 AfDler in Berlin auflaufen, braucht sich die Partei nicht wundern.
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1 | dpa/Fabio Frustaci
Gibt es ein neues „Vatileaks“? Mit Spannung wartet man in Rom auf die Veröffentlichung von zwei neuen Büchern mit vertraulichem Material aus dem Kirchenstaat.
Montag, 02.11.2015, 18:41
Kurz vor der für Mittwoch erwarteten Veröffentlichung zweier Enthüllungsbücher sind im Vatikan zwei mutmaßliche Informanten aus der Kurie festgenommen worden.
Im Zuge der Ermittlungen wegen Weitergabe vertraulicher Informationen seien der Geistliche Lucio Angel Vallejo Balda und die Doktorin Francesca Chaouqui am Wochenende unter Arrest gestellt worden, teilte der Vatikan am Montag mit. Chaouqui sei am Montag wieder freigelassen worden. Die beiden waren Sekretär und Mitglied einer von Papst Franziskus 2013 eingesetzten Kommission zur Reform der Wirtschafts- und Verwaltungsstrukturen im Vatikan.
Am Mittwoch will der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi in Rom ein Buch vorstellen, in dem es unter anderem um die „unglaubliche Geldverschwendung durch die Kirchenführung“ geht. Ein Buch mit ähnlichen Themen will sein Kollege Emiliano Fittipaldi präsentieren.
Nuzzi hatte 2012 den sogenannten „Vatileaks“-Skandal mit ausgelöst, als er in einem Buch geheime Dokumente veröffentlichte, die ihm der Papstdiener Paolo Gabriele zugespielt hatte. Darin ging es unter anderem um undurchsichtige Geschäfte der Vatikanbank, Intrigen, die Gesundheit des Papstes und ein angebliches Mordkomplott. Gabriele wurde im Oktober 2012 zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt und zu Weihnachten von Papst Benedikt XVI. begnadigt. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi hatte in Anspielung auf „Wikileaks“ den Ausdruck „Vatileaks“ für diese Weitergabe vertraulicher Informationen geprägt.
Der Vatikan reagiert am Montag verärgert auf die Ankündigung neuer Enthüllungsbücher. „Auch dieses Mal, wie in der Vergangenheit, sind sie Frucht eines schweren Verrats an dem vom Papst gewährten Vertrauen“, hieß es in der Mitteilung. Man behalte sich rechtliche Schritte dagegen vor. „Veröffentlichungen dieser Art tragen in keiner Weise dazu bei, Klarheit und Wahrheit zu schaffen“, hieß es weiter.
Die Veröffentlichung der Bücher kommt zehn Tage nach dem Ende der von Intrigen und Scharmützeln zwischen konservativen und reformorientierten Kirchenmännern begleiteten Bischofssynode zu Ehe und Familie. Vorige Woche gab es Berichte, dass der Computer des vatikanischen Generalrevisors Libero Milone gehackt wurde. Er war erst im Juni vom Papst berufen worden, um größere Transparenz in die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Vatikan zu bringen.
Auch Kardinäle unter den Tätern? - Papst gesteht hohe Pädophilen-Rate in seiner Kirche
FOCUS Online/Wochit
Auch Kardinäle unter den Tätern? - Papst gesteht hohe Pädophilen-Rate in seiner Kirche
dpa | 234,916 |
1 | Guten Morgen,
beim Thema Abtreibungen ist derzeit viel in Bewegung: In El Salvador sorgt die Verurteilung einer 21-Jährigen für Aufsehen, in den USA und in Deutschland verändert sich die Rechtslage.
🇸🇻 Im Fall von El Salvador ...
hatte die junge Frau bei der Geburt einen medizinischen Notfall erlitten, das Neugeborene starb wenige Stunden später. Ein Gericht warf ihr daraufhin vor, abgetrieben zu haben, und verurteilte sie wegen "schwerer Tötung" zu 50 Jahren Haft. Im katholisch geprägten El Salvador ist Abtreibung illegal. Frauenrechtler/-innen kritisieren das als massiven Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren. Frauen, denen eine Abtreibung vorgeworfen wird, werden in dem mittelamerikanischen Land regelmäßig zu hohen Strafen verurteilt. Nun wurde dafür erstmals die Höchststrafe verhängt.
🇺🇸 Die Entwicklung in den USA
Erst vor wenigen Wochen kippte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten ein Grundsatzurteil von 1973 zum Recht von Frauen auf einen Schwangerschaftsabbruch. Nun können die Bundesstaaten dieses Recht wieder nach eigenem Ermessen einschränken. Die Weltgesundheitsorganisation verurteilte die Entscheidung als Rückschritt: "Alle Frauen sollten das Recht haben, über ihren Körper und ihre Gesundheit zu entscheiden". Papst Franziskus begrüßte das Urteil und verglich Abtreibungen mit dem "Anheuern von Auftragsmördern".
🇩🇪 ... und in Deutschland?
Schwangerschaftsabbrüche können als "Straftaten gegen das Lebe" mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Vor der 13. Woche nach der Empfängnis sind Abtreibungen jedoch grundsätzlich straffrei. Kürzlich hat die Ampel-Koalition den umstrittenen Paragraphen 219a im Strafgesetzbuch gekippt: Ärztinnen und Ärzte dürfen jetzt über Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch ausführlich informieren. Bundesfamilienministerin Paus forderte nun, Schwangerschaftsabbrüche zukünftig zum festen Bestandteil im Medizinstudium zu machen. Momentan ist dies nicht der Fall.
Was es mit dem "Herzschlag-Gesetz" in Texas auf sich hat, liest du hier beim Fluter: Externer Link: https://kurz.bpb.de/dtdp1166
Viele Grüße Deine bpb Online-Redaktion | 234,917 |
1 | Dies ist der dritte Beitrag einer vierteiligen Artikelserie, die zentrale Forschungsbefunde zum Thema Bildungsungleichheit im Überblick behandelt. Die weiteren Beiträge finden sich hier:
Interner Link: Was sind soziale Bildungsungleichheiten Interner Link: Soziale Ungleichheiten in den einzelnen Bildungsbereichen Interner Link: Ansätze zur Verminderung von Bildungsungleichheit
Worin aber liegen die Ursachen für die soeben dargestellten Ungleichheiten? Wie kommen die Vorteile von Kindern aus begünstigten sozialen Verhältnissen zustande? In der erziehungswissenschaftlichen, soziologischen und psychologischen Forschung werden insbesondere drei Bereiche ausgemacht, die für die Entstehung bzw. Veränderung von Bildungsungleichheiten relevant sind (vgl. Maaz, Baumert, Trautwein, 2009):
Bildungsübergänge. Vor allem die soziologische Ungleichheitsforschung konzentrierte sich bislang auf die "Gelenkstellen" zwischen Bildungsinstitutionen, etwa den Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen oder den Übergang von der Schule in das Berufsbildungssystem oder die Hochschule. Hier können soziale Ungleichheiten der Bildungsbeteiligung einerseits dadurch entstehen oder verstärkt werden, dass das Beratungs- und Empfehlungsverhalten von Erzieherinnen/Erziehern und Lehrkräften soziale Verzerrungen in dem Sinne aufweist, dass Kindern aus sozial begünstigen Familien allgemein mehr zugetraut und im Zweifel eher eine höhere, mit den Erwartungen der Eltern konforme Empfehlung ausgesprochen wird. Anderseits unterscheidet sich auch das Entscheidungsverhalten von Eltern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach der sozialen Herkunft. So wird in sozial privilegierten Familien im Zweifel eher der prestigereichere Bildungsgang gewählt, während statusniedrige Familien eine gewisse Distanz zur höheren Bildung aufweisen und sich selbst bei ausreichenden Leistungen mitunter gegen entsprechende Bildungsgänge entscheiden (siehe die Ausführungen zu "sekundären Herkunftseffekten" weiter unten). Unterschiedliche Lernzuwächse in Bildungsinstitutionen. Insbesondere die Gliederung des Sekundarschulbereichs in lehrplanmäßig unterschiedlich anspruchsvolle Bildungsgänge, die für den weiteren Bildungsweg unterschiedliche Anschlussoptionen eröffnen, kann den Einfluss der sozialen Herkunft auf die Schulleistungen verschärfen. Ausschlaggebend dafür ist vornehmlich das Zusammenwirken zweier Mechanismen (vgl. Maaz, Trautwein, Lüdtke & Baumert, 2008): Erstens ist der Übergang in die verschiedenen Schulformen bzw. Bildungsgänge des Sekundarschulbereichs mit dem sozialen Hintergrund assoziiert: je bildungsnäher die Eltern, desto größer ist die Chance der Kinder, auf ein Gymnasium zu wechseln – auch wenn man nur Kinder betrachtet, die gemessen etwa an der kognitiven Grundfähigkeit und/oder der Lesekompetenz leistungsmäßig gleichauf liegen. Zweitens entstehen durch die Aufteilung der Schülerschaft im Sekundarschulbereich relativ homogene Entwicklungsmilieus, d. h. in den Klassen der verschiedenen Bildungsgänge lernen jeweils Schülerinnen und Schüler mit ähnlichem sozialem Hintergrund und ähnlicher Leistungsfähigkeit. Gepaart mit den unterschiedlich anspruchsvollen Lehrplänen führt dies zu unterschiedlichen Lernzuwächsen in den einzelnen Bildungsgängen: Im gymnasialen Bildungsgang sind die Lernzuwächse der Schülerinnen und Schüler am stärksten, in der Hauptschule fallen sie am geringsten aus – und dies gilt auch für Kinder, die mit den gleichen kognitiven Voraussetzungen in die Sekundarstufe I eingetreten sind. In der Forschung spricht man in diesem Zusammenhang von sogenannten Schereneffekten (vgl. Abbildung 10). Außerhalb des Bildungssystems. Schließlich können Bildungsungleichheiten auch außerhalb von Bildungseinrichtungen in der Familie, der Nachbarschaft oder der Region entstehen und wiederum dazu führen, dass sich die Ungleichheiten innerhalb von Bildungsinstitutionen intensivieren. Zu solchen außerschulischen Faktoren zählt beispielsweise die unterschiedliche Kompetenzentwicklung in der schulfreien Zeit, in der Kinder aus sozial begünstigten Familien von einem kognitiv anregenden häuslichen Umfeld profitieren. Auch das regionale Umfeld der Schule kann Bildungsungleichheiten verschärfen: Wohnen etwa in einem Stadtviertel viele sozial benachteiligte Familien, konzentrieren sich womöglich auch in den Schulklassen der örtlichen Grundschule soziale Problemlagen. In der Folge kann die Leistungsentwicklung einzelner Schülerinnen und Schüler ungünstiger verlaufen als es in einer sozial stärker durchmischten Schulklasse der Fall wäre.
Primäre und sekundäre Ungleichheiten – Der Übergang von der Grundschule als Schlüsselübergang
Wie bereits angesprochen, spielen bei der Entstehung von sozialen Bildungsungleichheiten die Übergänge zwischen Bildungsinstitutionen eine wichtige Rolle. In Deutschland ist der Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I besonders bedeutsam, da die Schülerinnen und Schüler hier auf unterschiedliche Schulformen bzw. Bildungsgänge verteilt werden, an denen unterschiedliche Abschlüsse erworben werden. Dass dieser Übergang Schülerinnen und Schüler aus höheren sozialen Schichten weit häufiger auf das Gymnasium führt als jene aus weniger privilegierten Verhältnissen, wurde oben bereits gezeigt (Interner Link: Abbildung 4). Doch worauf genau sind diese schichtspezifischen Ungleichheiten der Bildungsbeteiligung zurückzuführen?
In Anlehnung an den Soziologen Raymond Boudon (1974) kann zwischen zwei Faktoren unterschieden werden, die beim Übergang zwischen Bildungsinstitutionen zusammenspielen:
Primäre Herkunftseffekte: Soziale Unterschiede der Bildungsbeteiligung, die auf unterschiedlichen Leistungen und Fähigkeiten der Lernenden beruhen, werden als primäre Herkunftseffekte bezeichnet. Sie beziehen sich auf den Erwerb der für einen bestimmten Bildungsübergang vorausgesetzten Kompetenzen, die sich beispielsweise in den erreichten Schulnoten ausdrücken. Kompetenzunterschiede zugunsten von Kindern aus privilegierten sozialen Verhältnissen kommen vor allem dadurch zustande, dass sie in der Familie und Nachbarschaft, aber auch in der von ihnen besuchten Schule häufig ein lernförderliches Anregungs- und Unterstützungsmilieu vorfinden. Über die Frage, ob Unterschiede in der Bildungsbeteiligung, die daraus resultieren, dass Kinder je nach Elternhaus ungleiche Entwicklungsbedingungen vorfinden, "gerecht" sind, lässt sich streiten – müsste die Schule solchen herkunftsbedingten Nachteilen nicht stärker Rechnung tragen? Sie etwa durch gezielte Förderprogramme zu kompensieren versuchen oder sie gar in der Leistungsbewertung berücksichtigen? Festzuhalten bleibt, dass die genannten Unterschiede in der Bildungsbeteiligung durchaus mit gängigen Vorstellungen der leistungsbezogenen Verteilungsgerechtigkeit vereinbar sind, wie sie sich gerade auch in den schulrechtlichen Bestimmungen bezüglich des Zugangs zu den einzelnen Bildungsgängen widerspiegeln: Ausschlaggebend dafür, welcher Bildungsgang einem Schüler oder einer Schülerin nach der Grundschule offen steht, sind die bisherigen Schulleistungen, allen voran die in einzelnen Fächern erreichten Noten. Sekundäre Herkunftseffekte: Darüber hinaus entstehen aber beim Übergang in die weiterführenden Schulen neue und zusätzliche Unterschiede der Bildungsbeteiligung, die nicht auf Begabung, Kompetenzen und Schulnoten zurückzuführen sind, sondern darauf, dass sich je nach Sozialschicht das Entscheidungsverhalten der Eltern hinsichtlich der Wahl der weiterführenden Schule unterscheidet. Soziale Unterschiede der Bildungsbeteiligung, die durch Unterschiede im Entscheidungsverhalten von Eltern bedingt sind, werden als sekundäre Herkunftseffekte bezeichnet. Sie kommen zustande, weil Eltern bei der Bildungsgangwahl in Abhängigkeit von der eigenen sozialen Schicht unterschiedliche Kosten-Nutzen-Abwägungen treffen. Demnach wägen Eltern bei der Übergangsentscheidung in die Sekundarstufe I ab, welcher Nutzen sich aus dem Besuch einer bestimmten Schulform ergibt (im Fall des Gymnasiums z. B. viele Anschlussmöglichkeiten und ein hohes soziales Prestige) und welche Kosten damit verbunden sind (im Fall des Gymnasiums z. B. eine längere finanzielle Abhängigkeit des Kindes wegen der längeren Dauer des Bildungsgangs), um dann für ihr Kind diejenige Schulform zu wählen, die den größten Nutzen verspricht, deren Kosten sie tragen können und die eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit auf Erfolg erwarten lässt. In diese Erwägungen fließt insbesondere auch das Motiv des sozialen Statuserhalts ein, wonach Eltern für ihre Kinder in der Regel mindestens das Bildungsniveau anstreben, über das sie selbst verfügen. Die hieraus resultierenden sozialen Ungleichheiten der Bildungsbeteiligung verletzen in besonderer Weise das Gerechtigkeitsempfinden. Denn anders als die aus primären Herkunftseffekten resultierenden Ungleichheiten sind sie nicht das Ergebnis von Leistungsunterschieden zwischen den Schülerinnen und Schülern.
In Erweiterung des Boudonschen Modells lässt sich ferner die institutionelle und rechtliche Rahmung des Bildungssystems mit berücksichtigen (vgl. Maaz et al., 2010). So wird das Übergangsverhalten nicht nur durch die Schulleistungen und das aktive Entscheidungsverhalten der Eltern bestimmt, sondern auch durch Merkmale des Bildungssystems selbst. So zeigt sich z. B., dass das Ausmaß sozialer Ungleichheiten in der Sekundarschulbeteiligung auch davon abhängt, ob die Schullaufbahnempfehlung (wie z. B. in Bayern) einen bindenden oder (wie z. B. in Berlin) einen nicht-bindenden Charakter hat. Dabei tritt der Einfluss der sozialen Herkunft in der Bildungsbeteiligung stärker zutage, wenn die Übergangsentscheidung den Eltern überantwortet wird. Dies mag auf den ersten Blick überraschen, ist aber mit Blick auf die Wirkung sekundärer Herkunftseffekte ganz logisch. Denn unter diesen Bedingungen können sozial begünstigte Familien ihre höheren Bildungsaspirationen mehr oder weniger unabhängig von Leistungsstand des Kindes realisieren, während eine feste Notenbindung diesbezüglich klare Grenzen setzt.
Direkte und indirekte Wirkung von Herkunftseffekten
Theoretisches Modell zum Einfluss der familiären Herkunft auf den Übergang in die weiterführende Schule (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Die primären und sekundären Effekte wirken sich sowohl direkt als auch indirekt auf die Übergangsentscheidung aus (siehe dazu Abb. B, vgl. Dumont, Neumann, Becker, Maaz & Baumert, 2013, S: 134 ff.; sowie Maaz & Nagy, 2009, S. 162).
Der direkte Effekt ist die unmittelbare Wirkung eines Merkmals auf eine abhängige (zu erklärende) Variable. Dies betrifft Merkmale der familiären Herkunft ebenso wie Leistungsmerkmale. Indirekte Effekte auf einen Übergang wirken "versteckt". So kann zum Beispiel die familiäre Herkunft einen direkten Effekt auf die erbrachten Leistungen der Schülerinnen und Schüler haben, gemessen etwa anhand eines Kompetenztests wie PISA. Diese Leistungen wiederum wirken direkt auf die Noten. Als indirekten Effekt der familiären Herkunft auf die Noten würde man Unterschiede in den Leistungen (die wiederum auf die Noten wirken) bezeichnen, die auf die familiäre Herkunft zurückzuführen sind (vgl. Abb.).
Eine Vielzahl empirischer Arbeiten hat die Bedeutsamkeit des Herkunftseffektes beim Übergang am Ende der Grundschule untersucht und nachgewiesen (vgl. Maaz & Nagy, 2009). Zusammenfassend kann die aktuelle Forschungslage so resümiert werden, dass Kinder aus sozial weniger begünstigten Familien im Vergleich zu Kindern aus sozial privilegierten Elternhäusern
über niedrigere schulische Kompetenzen verfügen, bei gleichen Leistungen von den Lehrkräften schlechter bewertet werden, auch bei gleichen Schulleistungen und Noten geringere Chancen auf den Erhalt einer Gymnasialempfehlung haben und bei gleichen Leistungen seltener auf ein Gymnasium wechseln (Dumont, Maaz, Neumann & Becker, 2014; Maaz & Nagy, 2009).
Theoretisches Modell zum Einfluss der familiären Herkunft auf den Übergang in die weiterführende Schule (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Die primären und sekundären Effekte wirken sich sowohl direkt als auch indirekt auf die Übergangsentscheidung aus (siehe dazu Abb. B, vgl. Dumont, Neumann, Becker, Maaz & Baumert, 2013, S: 134 ff.; sowie Maaz & Nagy, 2009, S. 162).
Der direkte Effekt ist die unmittelbare Wirkung eines Merkmals auf eine abhängige (zu erklärende) Variable. Dies betrifft Merkmale der familiären Herkunft ebenso wie Leistungsmerkmale. Indirekte Effekte auf einen Übergang wirken "versteckt". So kann zum Beispiel die familiäre Herkunft einen direkten Effekt auf die erbrachten Leistungen der Schülerinnen und Schüler haben, gemessen etwa anhand eines Kompetenztests wie PISA. Diese Leistungen wiederum wirken direkt auf die Noten. Als indirekten Effekt der familiären Herkunft auf die Noten würde man Unterschiede in den Leistungen (die wiederum auf die Noten wirken) bezeichnen, die auf die familiäre Herkunft zurückzuführen sind (vgl. Abb.).
Theoretisches Modell zum Einfluss der familiären Herkunft auf den Übergang in die weiterführende Schule (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Quellen / Literatur
Boudon, R. (1974). Education, opportunity, and social inequality: Changing prospects in Western society. New York: Wiley.
Dumont, H., Maaz, K., Neumann, M. & Becker, M. (2014). Soziale Ungleichheiten beim Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I: Theorie, Forschungsstand, Interventions- und Fördermöglichkeiten. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 24-2014 (Herkunft und Bildungserfolg von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter: Forschungsstand und Interventionsmöglichkeiten aus interdisziplinärer Perspektive), 141-165.
Maaz, K., Baumert, J. & Trautwein, U. (2009). Genese sozialer Ungleichheit im institutionellen Kontext der Schule: Wo entsteht und vergrößert sich soziale Ungleichheit? Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 12-2009 (Bildungsentscheidungen), 11-46.
Maaz, K. & Nagy, G. (2009). Der Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen des Sekundarschulsystems: Definition, Spezifikation und Quantifizierung primärer und sekundärer Herkunftseffekte. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 12-2009 (Bildungsentscheidungen), 153-182.
Boudon, R. (1974). Education, opportunity, and social inequality: Changing prospects in Western society. New York: Wiley.
Dumont, H., Maaz, K., Neumann, M. & Becker, M. (2014). Soziale Ungleichheiten beim Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I: Theorie, Forschungsstand, Interventions- und Fördermöglichkeiten. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 24-2014 (Herkunft und Bildungserfolg von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter: Forschungsstand und Interventionsmöglichkeiten aus interdisziplinärer Perspektive), 141-165.
Maaz, K., Baumert, J. & Trautwein, U. (2009). Genese sozialer Ungleichheit im institutionellen Kontext der Schule: Wo entsteht und vergrößert sich soziale Ungleichheit? Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 12-2009 (Bildungsentscheidungen), 11-46.
Maaz, K. & Nagy, G. (2009). Der Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen des Sekundarschulsystems: Definition, Spezifikation und Quantifizierung primärer und sekundärer Herkunftseffekte. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 12-2009 (Bildungsentscheidungen), 153-182.
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1 | Vernichtung von Grabmälern in Timbuktu: Im Visier: die Stadt der 333 Heiligen
Schon mehrfach zerstörten islamische Eiferer kulturelles Welterbe. In Timbuktu, der bekanntesten historischen Stätte der Region, geht es gegen heiliggesprochene Muslime.
Insgesamt stehen – bzw. standen – in Timbuktu auf den jahrhundertealten Friedhöfen 16 Mausoleen. Bild: dapd
KIGALI taz Die Vernichtung von historisch einmaligen Grabmälern in der legendären Saharastadt Timbuktu ist nicht die erste Zerstörungsaktion muslimischer Fundamentalisten. Schon im März 2001 sprengten die Taliban im zentralafghanischen Bamyan zwei riesige Buddha-Statuen. Auch die Taliban rechtfertigten diesen Akt der Barbarei damit, dass die Skulpturen Götzen seien und „unislamisch“. Talibanführer Mullah Omar erklärte damals: „Muslime sollten stolz darauf sein, Idole zu zerstören. Es war ein Lob Gottes, dass wir sie zerstört haben.“
Im Sommer des Jahres 2007 machten sich auch die pakistanischen Taliban daran, im hart umkämpften Swat-Tal eine 40 Meter hohe und 1.300 Jahre alte Buddha-Skulptur zu zerstören, indem sie Sprengstoff in Bohrlöcher füllten und zur Explosion brachten. Ein halbes Jahr zuvor hatten sie eine andere Buddha-Skulptur mit Maschinengewehren beschossen.
Insgesamt stehen – bzw. standen – in Timbuktu auf den jahrhundertealten Friedhöfen 16 Mausoleen. Sie sind ein zentraler Teil der Identität dieses kulturellen und politischen Zentrums. Die „Stadt der 333 Heiligen“, wie Timbuktu auch genannt wird, beherbergt islamische Größen vergangener Jahrhunderte, die vor Unglück schützen sollen und deren Namen man zu besonderen Anlässen anruft, ähnlich wie die der Heiligen in der katholischen Kirche. Diese vor allem im afrikanischen Sufi-Islam verbreitete Praxis wird von radikalen Islamisten als ketzerisch bekämpft. In Somalia haben die islamistischen Shabaab-Milizen schon zahlreiche lokale Heiligengräber zerstört.
WeltkulturerbeDie Verleihung des Titels Weltkulturerbe geht auf einen Beschluss der Unesco von 1972 zurück. Es werden nur Stätten aufgenommen, die eine herausragende universelle, historische, künstlerische oder wissenschaftliche Bedeutung besitzen.In Timbuktu zählen drei Moscheen sowie 16 Friedhöfe und Mausoleen seit 1988 zum Weltkulturerbe.Die Rote Liste des gefährdeten Welterbes umfasst solche Kultur- oder Naturdenkmäler, deren Existenz gefährdet ist. 2006 geriet zum Beispiel das Dresdner Elbtal wegen des Baus der Waldschlösschenbrücke auf diese Rote Liste. Drei Jahre später wurde der Titel Weltkulturerbe entzogen, weil die Brücke trotzdem gebaut wurde.Erst vor wenigen Tagen kamen die Stätten Timbuktus auf Wunsch der Regierung Malis auf die Rote Liste. Nach der Zerstörung von drei Mausoleen sprach die Unesco von einer „tragischen Nachricht“. (taz)
Timbuktu, die bekannteste historische Stätte der Sahara- und Sahelregion, ist ein alter Handelsknotenpunkt, in dem die von Tuareghändlern dominierten Transsaharawege auf den Nigerfluss und damit die Geschäftswelt Westafrikas treffen. Für das Nomadenvolk der Tuareg ist Timbuktu ein spirituelles Zentrum, auf dessen kulturellen Reichtum und lange glorreiche Geschichte man sehr stolz ist.
Im 15. und 16. Jahrhundert war Timbuktu das intellektuelle Zentrum des afrikanischen Islam. An der Universität Sankore lernten bis zu 25.000 Studenten gleichzeitig. Hier wurden die in den vergangenen Jahrhunderten verfassten Schriften gesammelt und archiviert – manche auf Arabisch, viele aber auch in der Tuaregsprache Tamaschek und in westafrikanischen Sprachen.
In wirren Zeiten versteckt
Timbuktu ist bis heute Heimat von 300.000 bis 700.000 mittelalterlichen und sogar noch älteren Manuskripten. Die meisten befinden sich in Privathäusern altetablierter Familien – 60 bis 80 Sammlungen, die in wirren Zeiten immer wieder versteckt werden, beispielsweise bei der französischen Eroberung 1894 oder eben dieses Jahr mit dem Aufkommen der bewaffneten Rebellionen.
Die größte Moschee Timbuktus ist die Moschee Djingareyber. Sie wurde von Sultan Kankan Moussa nach seiner Rückkehr von einer Mekka-Pilgerfahrt 1325 errichtet. Auch die Moschee Sankore wurde in dieser Zeit neu gebaut; der zentrale Platz ist nach den Maßen der Kaaba in Mekka ausgelegt. Die dritte große Moschee Sidi Yahia ist älter.
Das Islamische Institut Ahmed Baba, das von der Unesco gefördert wird, wurde 2009 eingeweiht. „Das Salz kommt aus dem Norden, das Gold aus dem Süden, das Geld von den Weißen; aber das Wort Gottes, die Heiligtümer und die erbaulichen Erzählungen gibt es nur in Timbuktu“, lautet das Motto des Instituts, das damit begonnen hat, alte Manuskripte zu konservieren. Auch dies ist ein Affront für den saudisch geprägten Fundamentalismus, der nicht akzeptiert, dass es neben den saudischen heiligen Stätten rivalisierende intellektuelle Zentren des Islam geben kann. | 234,919 |
1 | Nachdem sie ihre Unabhängigkeit durchgesetzt hatten, standen die meisten afrikanischen Staaten vor einem schwerwiegenden Problem: das Potenzial ihrer Wirtschaft lag durch den Einfluss der Kolonialmächte am Boden. Strategien für eine nachhaltige Entwicklung in den Bereichen Industrialisierung und Armutsbekämpfung rückten in den Vordergrund.
Auszug aus: Informationen zur politischen Bildung (Heft 264) - Entwicklungsstrategien für Wirtschaft und Gesellschaft Einleitung
Als die meisten afrikanischen Länder Ende der fünfziger und zu Anfang der sechziger Jahre ihre politische Unabhängigkeit erlangten, standen sie am Anfang einer Entwicklung, die sehr stark von den ehemaligen Kolonialmächten geprägt war. Afrika hat sich bislang wenig industrialisiert und modernisiert. Als Hauptgründe dafür sind die ungünstigen Startbedingungen nach dem Ende des Kolonialismus zu nennen: Eine einseitige Wirtschaftsstruktur und ein großer ländlicher Subsistenzsektor (Selbstversorgung), in dem die Mehrheit der afrikanischen Bevölkerung bis Mitte der achtziger Jahre lebte, sowie eine unzureichende Wirtschaftspolitik und ungünstige weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen. Bis heute führt der Kontinent vor allem landwirtschaftliche, mineralische und fossile Rohstoffe aus. Dagegen sind die meisten Länder auf die Einfuhr von Investitionsgütern, Maschinen, Fertigwaren, Nahrungsmitteln und Mineralöl angewiesen. Eine leichte Diversifizierung (Ausweitung der Produktionspalette) der Produktion ist in einigen Ländern festzustellen – wie in Simbabwe, Südafrika, Mauritius und Botswana.
Seit der Unabhängigkeit haben afrikanische Länder verschiedene Entwicklungsstrategien verfolgt. In den fünfziger Jahren wurde "Wachstum durch Industrialisierung" propagiert und als Armutsbekämpfungskonzept Community Development (Lokale Entwicklung auf dörflicher und städtischer Ebene) verfolgt. In den sechziger Jahren ging man davon aus, daß sich durch Investitionen in die landwirtschaftliche Produktion auch die Beschäftigung und damit die Einkommen der ländlichen Bevölkerung erhöhen würden.
Die siebziger Jahre waren von Umverteilungsansätzen geprägt (Strategien zur Befriedigung bestimmter Grundbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft, Kleidung, Gesundheit und Bildung sowie eine integrierte ländliche Entwicklung). In den achtziger und neunziger Jahren sollten Marktkräfte und Strukturanpassungsmaßnahmen den Durchbruch erzielen bzw. wenigstens die Voraussetzungen für Wachstum verbessern helfen. Ergänzt wurden diese Konzepte schließlich durch soziale Abfederungsmaßnahmen. Dieses von der UNICEF propagierte Konzept hatte zum Ziel, die negativen Effekte der Strukturanpassungsprogramme insbesondere für die arme Bevölkerung durch soziale Maßnahmen zu lindern, beispielsweise durch Sicherung der Staatsausgaben für Bildung und Gesundheit. Leider waren diese Maßnahmen oft nicht ausreichend.
Seit Ende der achtziger Jahre haben auch die Diskussionen um Nachhaltigkeit Eingang in die afrikanischen Reformbemühungen gefunden. So fanden etwa ökologische Ideen einer nachhaltigen Landwirtschaft Eingang in die Politik, ohne allerdings wirklich wirksam zu werden. Gleichzeitig wurden wichtige Umweltprobleme angepackt wie beispielsweise Maßnahmen zur Eindämmung der Desertifikation (Ausbreitung von Wüsten). Industrialisierung
Die Ausgangsbedingungen für Industrialisierung waren zu Beginn der Unabhängigkeit aus folgenden Gründen nicht günstig:
Die wirtschaftlichen Aktivitäten waren einseitig auf das Mutterland gerichtet. Der Industriegütersektor war nur schwach entwickelt, das heißt, es gab lediglich eine sehr kleine Konsumgüterindustrie, die beispielsweise Nahrungsmittel für die städtische Bevölkerung herstellte. Eine einheimische industrielle Unternehmerschicht existierte fast gar nicht. Lediglich im Handwerk gab es lokale Produzenten. Erst allmählich begannen sich nach der Unabhängigkeit lokale Unternehmen außerhalb des Handels herauszubilden.Die Inbesitznahme ausländischer Unternehmen durch den Staat bzw. wenigstens deren starke Kontrolle war Teil der Industriepolitik. Über den Staat sollte die Modernisierung Afrikas erfolgen.
Ziel der Industriepolitik war die Überwindung der kolonialen Arbeitsteilung. Dieses Ziel konnte nur in sehr wenigen Ländern erreicht werden. Auch die Phase der Substitution von Industriegüterimporten war nicht von großem Erfolg gekrönt, denn die Importsubstitution beschränkte sich vor allem auf Nahrungs- und Genußmittel, Bekleidung, chemische Produkte, Metallverarbeitung, Holz-, Möbel- und Baustoffproduktion. Es wurden kaum Vorprodukte (wie Rohstahl) und Investitionsgüter (wie Maschinen, Arbeitsgeräte oder Fabrikanlagen) hergestellt. Import-Substitutionspolitik hatte nur rudimentäre Wirkungen – von Südafrika und Simbabwe abgesehen.
Ein zentrales Problem stellte von Anfang an der Wunsch der staatlichen Eliten dar, möglichst große Industriekomplexe (kapitalintensiv, große Kapazität) zu etablieren, hingegen wurden die Klein- und Mittelindustrie (KMI) sowie das Handwerk vernachlässigt.
Außer diesen grundlegenden Startproblemen haben wirtschaftspolitische Fehlentscheidungen zum sehr niedrigen Industrialisierungsgrad in Afrika beigetragen:
Überbewertete Währungen, die Importe für die großindustrielle Entwicklung verbilligen sollten und damit das Entstehen einer Klein- und Mittelindustrie erschwerten. Mit dieser Währungspolitik sollte die Einfuhr der Investitionsgüter verbilligt werden; mit diesen wiederum sollte ein Industrialisierungsprozeß in Gang gesetzt werden. Die Klein- und Mittelindustrie wurde als wenig innovativ und produktiv angesehen. Außerdem eröffneten die Investitionsgüterimporte einer kleinen einflußreichen Schicht von Staatsbeamten und Händlern eine sichere Einnahmequelle, da sie den Weiterverkauf der Investitionsgüter in der Hand hatten und sich darüber auch bereichern konnten.Diskriminierung der Kleinindustrie durch den Staat beispielsweise bei der Vergabe von Importlizenzen und deren Ausklammerung aus Förderungsprogrammen bis in die achtziger Jahre.Zum Teil sehr niedrige Produktivitäten und geringe Kapazitätsauslastung: Afrika gilt heute im Vergleich zu anderen Kontinenten als teure Produktionsregion.Mangelnde technische Kompetenz und Qualitätsstandards. Unzureichende Infrastruktur, wozu unter anderem häufiger Stromausfall gehört.Niedriges Niveau der Verknüpfungen der großen Industrie mit lokalen Produzenten. Diese blieben auch minimal, nachdem sich die Importe aufgrund der niedrigeren Exporteinnahmen verringerten.In der wissenschaftlichen Literatur wird außerdem betont, daß sich afrikanisches Unternehmertum aufgrund starker Familienbindung nicht entwickeln konnte.
Industrialisierungskonzepte Es wurden verschiedene Industrialisierungskonzepte verfolgt, von denen vier wesentliche hier genannt werden:
Freie Produktionszonen. Mauritius ist das Vorzeigemodell der exportorientierten Industrialisierung. Zahlreiche Versuche in Afrika mit Freihandels- oder Exportproduktionszonen waren nicht so erfolgreich wie in Mauritius.
Mauritius hat bereits in den sechziger Jahren begonnen, seine "Zuckerwirtschaft" umzustrukturieren. Durch gezielte Maßnahmen wurde die Wirtschaft diversifiziert, beispielsweise durch die steuerlich begünstigte Ansiedlung ausländischer Unternehmer und durch die Gründung der Freien Exportzone. Hier siedelten sich zunächst asiatische Textilunternehmen an, die Mauritius als Sprungbrett für den Markt der Europäischen Union ansahen (zollfreie Einfuhr für Produkte aus Mauritius). Später kamen auch andere Industrieunternehmen hinzu. Außerdem entwickelte Mauritius bereits sehr früh die Tourismusbranche.
Import-Substitutionsindustrialisierung. Simbabwe bis zur Unabhängigkeit und Südafrika bis zum Ende der Apartheidpolitik sind relativ erfolgreiche Modelle der Import-Substitutionsindustrialisierung (ISI). Zahlreiche Länder haben vorübergehend ebenfalls eine ISI verfolgt, konnten jedoch nicht ansatzweise den Industrialisierungsgrad von Simbabwe und Südafrika erreichen. Beide Länder aber haben heute große Anpassungsprobleme. Die Ursachen für das Scheitern der ISI sind vor allem darin zu sehen, daß zum Aufbau der Industrie zunächst eine längere Schutzphase – beispielsweise durch hohe Zölle für Importe – notwendig ist. Wird die Industrie zu lange vor der ausländischen Konkurrenz geschützt, besteht die Gefahr, daß die aufzubauende Industrie unproduktiv wird und sie nur weiterhin existieren kann, wenn weitere (staatliche) Maßnahmen wie Subventionen oder noch höhere Zölle erfolgen. Dies ist in fast allen afrikanischen Ländern der Fall gewesen. Die allmähliche Öffnung der Märkte erfolgte zu langsam, zu spät oder gar nicht. Die Folge: Industrien sind nicht mehr effektiv und sie veralten.
Rohstoffexportierende Länder. Dazu gehören die gescheiterten Industrialisierungsversuche in rohstoffexportierenden Ländern wie Nigeria, das auf große und staatliche Industriekomplexe gesetzt hatte, aber die Produktion kaum diversifizieren konnte.
Landwirtschaftlich geprägte Länder. Die landwirtschaftlich geprägten Länder, die von wenigen Ausnahmen wie beispielsweise Elfenbeinküste abgesehen nur geringe Industrialisierungserfolge aufweisen können.
In den letzten Jahren ist es in einigen Ländern zu einer Neuorientierung der Industriepolitik gekommen. Einige Länder können inzwischen sogar gewisse Exporterfolge verzeichnen. "Afrika ist wettbewerbsfähig" – so lautet das Urteil einer Weltbankstudie (von 1995). Diese Einschätzung bezieht sich aber nur auf wenige Nischenprodukte, wie afrikanische Textilien (mit typisch afrikanischem Design), die in Europa und den USA einen Markt gefunden haben. In den meisten Ländern ist das Industrialisierungsniveau jedoch sehr niedrig geblieben. In einem Viertel der Länder liegt der Anteil der verarbeitenden Industrie am Bruttoinlandsprodukt unter fünf Prozent, die Hälfte der afrikanischen Länder weist lediglich einen Anteil von bis zu zehn Prozent auf. Grundbedürfnisstrategien
Während der siebziger Jahre begannen zahlreiche internationale Organisationen wie die Internationale Arbeitsorganisation und die Weltbank, eine Grundbedürfnisstrategie zu fördern. Ziel dieser Strategie war es, die Grundbedürfnisse für eine wachsende Zahl armer Menschen zu sichern, wie beispielsweise Ernährung, Kleidung und Wohnung sowie Bereitstellung von Bildungseinrichtungen und Gesundheitsdiensten. Gerade in diesen Bereichen hat die Entwicklungshilfe der westlichen Länder und der multilateralen Organisationen ihre größten Anstrengungen unternommen, um der ländlichen Bevölkerung die Möglichkeit für produktive Tätigkeiten in der Landwirtschaft und im Handwerk zu eröffnen.
Besonders für Afrika war diese Strategie aufgrund des Scheiterns der Modernisierung in den meisten Ländern von großer Bedeutung. Das wohl bekannteste afrikanische Modell einer Grundbedürfnisstrategie war der "Ujamaa-Sozialismus" (vgl. auch S. 36f.) in Tansania. Damit war beabsichtigt, durch genossenschaftliche Produktion in Dorfgemeinschaften, die durch Zwang etabliert wurden, und gleiche Verteilung der Güter, allen Menschen ein Überleben zu sichern. Allerdings ist dieses Modell – wie viele andere – spätestens mit dem Beginn der Strukturanpassungsprogramme der Weltbank aufgegeben worden. Die Gründe sind einerseits im Scheitern dieser Strategie und andererseits in der neuen "neoliberalen Wirtschaftskonzeption" zu sehen, die an Stelle der staatlichen Planung den Marktkräften Vorrang einräumte. Armutsbekämpfung
An die Stelle der Grundbedürfnisstrategie ist heute eine Mischung aus exportorientierten Entwicklungskonzepten und Armutsbekämpfung getreten.
Armut und Hunger sind in Afrika weiterhin gravierend:
Die Einkommen von sehr vielen Menschen sind so niedrig, daß sie unter Bedingungen permanenter Armut leben müssen. Das soziale Klima verschärft sich.Die Einkommensverteilung ist in den einzelnen Nationen sehr ungleich.Die meisten Länder zeichnen sich durch hohe Nicht- oder Unterbeschäftigung aus. Im "informellen Sektor" der Städte und auch auf dem Land versuchen die Menschen zu überleben. Da die moderne Industrie klein ist und im Staat keine Stellen frei sind, ist die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf Gelegenheitsarbeiten, den Handel und auf die Produktion in Kleinstbetrieben angewiesen. Es handelt sich um eine Armutsökonomie, in der die Menschen das Überleben sichern müssen.
Armut ist besonders gravierend in ländlichen Gebieten. Sie ist sichtbar im städtischen informellen Sektor. Selbstbeschäftigung ist dort die Regel. Armut ist insbesondere hoch unter Menschen mit niedriger Bildung. Sie ist ferner in den letzten Jahren besonders stark unter Frauen, Familien mit vielen Kindern, Familien mit nur einer Verdienstquelle und unter Opfern von Katastrophen und Bürgerkriegen verbreitet.
Obwohl Armuts- und Hungerprobleme weiterhin gravierend und kaum lösbar zu sein scheinen, zeigen einige Indikatoren an, daß es auch Fortschritte bei der Reduzierung von Armut und Hunger gegeben hat. In einigen Ländern Afrikas wie beispielsweise Botswana, Elfenbeinküste und Senegal hat die Armut sogar abgenommen. Auch hat sich die Lebenserwartung in den letzten zwanzig Jahren um durchschnittlich sieben Jahre erhöht.
Die Entwicklungspolitik hat sich seit den sechziger Jahren der Armutsbekämpfung verschrieben. Doch ist umstritten, welcher Weg eingeschlagen werden soll. Sollen die Wachstumskräfte und der Außenhandel gefördert werden (Handel statt Hilfe) oder sollen spezielle Programme zur Armutsbekämpfung durchgeführt werden, wie beispielsweise ländliche Entwicklungsprojekte, Slumbekämpfung, Förderung von alleinerziehenden Frauen oder Kleingewerbeförderung im informellen Sektor.
Im Grunde ist der Streit zwischen Wachstumsstrategie und Armutsbekämpfung durch Entwicklungshilfe müßig. Es kommt – wie so häufig – auf den richtigen "Mix" und die Akteure der Entwicklungszusammenarbeit an. Dies wird deutlich an dem Konzept der "Entwicklung mit menschlichem Antlitz" (UNICEF) und den Beschlüssen des "Weltgipfels für soziale Entwicklung" (UNDP). Nach der sogenannten 20:20-Initiative sollen sich Länder des Nordens und Südens wechselseitig verpflichten, 20 Prozent der Entwicklungshilfe bzw. 20 Prozent der Staatsausgaben in die soziale Grundversorgung zu lenken. Auch die Weltbank sieht es inzwischen als notwendig an, den Kampf gegen die Armut zu verstärken, wobei sie in den Mittelpunkt die Förderung eines breiten arbeitsintensiven Wachstums, die Stärkung der Gesundheitsfürsorge, die Erziehung und Ausbildung sowie die Schaffung sozialer Sicherheitsnetze für die sozial schwächsten Schichten stellt. Oder anders ausgedrückt: "Was Entwicklungsländer brauchen, ist eine Politik, die Armutsminderung nicht ohne die Anregung der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsdynamik anstrebt und die Wachstum nicht ohne wirksame Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten von Armen will" (Hermann Sautter, 1996). Nachhaltige Entwicklung
Auf dem afrikanischen Kontinent nehmen die ökologischen Krisen zu. Wüsten breiten sich aus, Wassermangel ist in vielen Ländern des südlichen Afrika und im Sahel zur Regel geworden. Das rapide Bevölkerungswachstum in den Städten geht mit verheerenden Umweltkatastrophen einher: Die Verkehrsdichte nimmt rapide zu, ohne daß es Maßnahmen gegen Lärm und Abgase gibt. Die sanitären Verhältnisse in den Städten sind katastrophal. Der tropische Regenwald wird mit großer Geschwindigkeit abgeholzt. Die letzten Holzreserven in Zaire, Kongo, Gabun, Liberia und Kamerun werden geschlagen und exportiert. Armutsbedingte Umweltzerstörung (wie beispielsweise Zerstörung der Vegetation oder Abbrennen des Waldes und Bodennutzung durch Wanderhackfeldbau) und Zerstörung der Umwelt durch Holzhandel und Rohstoffausbeutung von transnationalen Unternehmen kommen auf dem afrikanischen Kontinent zusammen und fügen seiner Bevölkerung Schaden zu.
Durch die Diskussionen um die Strategie der "Nachhaltigen Entwicklung" (Brundtland-Bericht) und die Beschlüsse der Rio-Konferenz (1992) haben staatliche und nicht-staatliche Akteure Ansätze zur Nachhaltigkeit entwickelt. Laut dem Brundtland-Bericht ist nachhaltige Entwicklung eine "Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können". Allerdings behindern die Armut der Bevölkerungsmehrheit und das mangelnde Problembewußtsein der Staatseliten einen Durchbruch im Sinne von Nachhaltigkeit.
Inzwischen betonen alle Geldgeber die Bedeutung von Umweltschutz und viele Staaten sowie die Europäische Union verlangen, daß bei Entwicklungshilfeprojekten Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden. Dennoch wird die Umwelt bislang nicht ausreichend in Entwicklungsstrategien berücksichtigt. Dies hat vielfältige Ursachen. Sicherlich spielt eine wichtige Rolle, daß Armut nicht gerade die beste Voraussetzung für eine Umweltpolitik nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit darstellt.
Die Konzepte der Nachhaltigen Entwicklung beinhalten die Idee: Entwicklung statt Wachstum. Entwicklung läßt sich in diesem Sinne als gesellschaftlicher Wandel definieren, der folgende Bausteine umfaßt:
Erhöhung des Wohlstandes, Verbesserung der Lebensbedingungen vor allem für die Armen (intra-generative Gerechtigkeit auch zwischen Nord und Süd),Erhöhung des Bildungsstandes,Verbesserung des Gesundheitsstandes, Zugang zu Wasser für alle,Erhaltung der natürlichen Ressourcen und des Wohlstandes auch für zukünftige Generationen (intergenerative Gerechtigkeit/Fairneß),Risikovermeidung.
Notwendig ist die Erhaltung des "konstanten Naturkapitalstocks", das heißt: Bei erneuerbaren Ressourcen sollte die Abbaurate nicht höher sein als die Nachwachsrate. Die erzeugten Abfallmengen sollten das Assimilationsvermögen der Umwelt nicht übersteigen.
Bei nicht-erneuerbaren Ressourcen sollten die erzeugten Abfallmengen das Aufnahmevermögen der Umwelt nicht überschreiten und der Verbrauch der nichterneuerbaren Ressourcen eine Entwicklung erneuerbarer Substitute im vergleichbaren Umfang verlangen.
Daß Nachhaltige Entwicklung in Afrika nur schwer umsetzbar sein wird, läßt sich aufgrund der Armut leicht ermessen. Dennoch gibt es in einigen Ländern mit aktiven Umweltbewegungen und engagierten Regierungen Erfolge zu verzeichnen, so etwa bei der Wiederaufforstung und beim Kampf gegen die Desertifikation. | 234,920 |
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Politiker und Wirtschafts-Fachleute planen den Kohle-Ausstieg. Sie überlegen: Woher soll unser Strom in Zukunft kommen? Wie schnell können wir den Wechsel schaffen? Klar ist: Der Kohle-Ausstieg wird noch viele Jahre dauern. Manche Experten schätzen: ungefähr 20 oder 30 Jahre.
In Deutschland gibt es viele Kohle-Kraftwerke. Die Kraftwerke verbrennen Kohle und gewinnen daraus Strom. Durch ihre Schornsteine kommt viel Rauch in die Luft. In dem Rauch ist Kohlendioxid. Kohlendioxid verändert unser Klima. Das nennt man den Treibhaus-Effekt.
Forscher haben schon vor vielen Jahren erkannt: Der Treibhaus-Effekt wird für die Menschen gefährlich. Es gibt zum Beispiel mehr Überschwemmungen und schwere Stürme. Dagegen hilft der Klimaschutz. Klimaschutz bedeutet unter anderem: Wir müssen weniger Kohlendioxid ausstoßen. Dazu muss die Wirtschaft anders organisiert werden. Ein wichtiger Teil ist die Strom-Erzeugung. Deshalb sprechen jetzt so viele Menschen über den Kohle-Ausstieg.
Ein Drittel Kohle-Strom
Heute kommt in Deutschland ungefähr ein Drittel des Stroms aus Kohle-Kraftwerken. Diese Kraftwerke sollen aber nach und nach abgeschaltet werden. Das bedeutet: In Zukunft brauchen wir viel mehr Kraftwerke ohne Kohle.
Ein neues Windrad wird gebaut (© picture-alliance/dpa)
Das sind zum Beispiel: Wasser-Kraftwerke Wind-Kraftwerke Sonnen-Kraftwerke und Biomasse-Kraftwerke.
Diese Kraftwerke nutzen "Erneuerbare Energien". Man nennt sie so, weil ihre Rohstoffe nie aufgebraucht werden: Der Wind weht immer weiter. Flüsse fließen von alleine. Biomasse wächst nach. Und die Sonne wird noch sehr lange scheinen.
Abschied vom Steinkohle-Bergbau
In Deutschland gibt es Steinkohle und Braunkohle. Steinkohle wurde früher vor allem in zwei Bundesländern abgebaut: In Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Damit ist aber jetzt Schluss.
Ein Grund ist der Klimaschutz. Ein anderer Grund ist: Der Steinkohle-Bergbau war sehr aufwendig und teuer. Denn die Steinkohle liegt tief unter der Erde. Es lohnt sich schon lange nicht mehr, sie zu fördern. Viele Jahre lang hat der Staat Geld dazugegeben. Dann hat die Regierung beschlossen: Im Jahr 2018 ist Schluss damit.
Ein Bergmann baut in über 1.000 Metern Tiefe Steinkohle ab (© picture-alliance/dpa)
Deshalb machen jetzt die letzten Steinkohle-Bergwerke zu. Im Landtag von Nordrhein-Westfalen gab es eine große Abschieds-Feier. Denn die Steinkohle war lange sehr wichtig für das Land.
Der Steinkohle-Bergbau ist also zu Ende. Aber es gibt trotzdem noch Steinkohle-Kraftwerke. Sie verbrennen jetzt Steinkohle aus anderen Ländern. Große Schiffe bringen die Kohle nach Deutschland. Das heißt: Der Steinkohle-Ausstieg ist noch nicht geschafft.
Streit über die Braunkohle
Braunkohle wird in Deutschland noch weiter abgebaut. Das ist einfacher als der Steinkohle-Bergbau. Denn die Braunkohle liegt weiter oben in der Erde. Man kommt viel leichter an sie heran. Deshalb ist der Abbau nicht so teuer. Braunkohle gibt es unter anderem in diesen Bundesländern: Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg.
Über den Braunkohle-Abbau gab es in letzter Zeit viel Streit. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die Braunkohle-Bagger zerstören die Landschaft. Manchmal werden sogar ganze Dörfer weggebaggert. Die Menschen aus den Dörfern verlieren ihr Zuhause. Ein anderer Grund ist der Klimaschutz. Braunkohle-Kraftwerke sind besonders schmutzig. Auch deshalb sind viele Menschen gegen Braunkohle.
Aber andere Menschen sind für den Kohle-Abbau. Zum Beispiel, weil sie in den Kohle-Firmen arbeiten. Sie sagen: Wir wollen unsere Arbeitsplätze nicht verlieren. Und manche Firmen sagen auch: Wir brauchen den Strom aus der Braunkohle.
Demonstranten auf Bäumen
Besonders heftig war der Streit im Herbst 2018 im Hambacher Forst. Das ist ein Wald in Nordrhein-Westfalen, in der Nähe der Stadt Köln. Der Wald steht neben einem Braunkohle-Tagebau. Die Firma RWE will den Tagebau vergrößern. Dafür soll der Wald abgeholzt werden.
Hoch in den Bäumen haben die Umweltschützer im Hambacher Forst Baumhäuser gebaut (© picture-alliance/dpa)
Braunkohle-Gegner wollen das verhindern. Viele haben gegen den Tagebau demonstriert. Einige haben sich in dem Wald Baumhäuser gebaut. Sie haben gesagt: Wir bleiben hier. Dann können die Bäume nicht gefällt werden. Aber die Baumhäuser waren nicht erlaubt. Die Polizei hat die Menschen aus den Baumhäusern herausgeholt.
Eine Kommission soll entscheiden
Die Politiker in der Bundesregierung haben entschieden: In Zukunft sollen viel mehr Erneuerbare Energien genutzt werden. Irgendwann soll Schluss sein mit dem Kohle-Strom. Wann das sein wird? Und wie Deutschland das schaffen kann? Darüber beraten Fachleute in der Kohle-Kommission. Die Kommission soll einen Plan für den Ausstieg machen.
Schon jetzt steht fest: In Deutschland müssen andere Kraftwerke gebaut werden. Und es müssen auch neue, große Stromleitungen gebaut werden.
Ein Beispiel: Wind-Kraftwerke kann man besonders gut an der Nordsee bauen. Denn da weht oft ein starker Wind. Dann lohnen sich die Windkraftwerke. An der Nordsee wird aber gar nicht so viel Strom gebraucht. Dort gibt es nur wenige Städte und auch nur wenige große Firmen. Städte und Unternehmen in Süddeutschland können den Strom gut gebrauchen. Deshalb werden neue Stromleitungen von Norden nach Süden geplant.
Auch wichtig: Strom sparen
Erneuerbare Energien helfen beim Klimaschutz. Aber man kann noch etwas anderes tun: Strom sparen. Wenn man weniger Strom verbraucht, dann braucht das Land auch weniger Kraftwerke. Man kann zum Beispiel darauf achten, wenn man ein neues Elektrogerät kauft: Wie viel Strom verbraucht es? Ist es sparsam? Damit kann man auch Geld sparen. Sogar, wenn das Gerät etwas teurer ist. Denn den Strom muss man ja auch bezahlen. Und man kann darauf achten, Geräte immer richtig auszuschalten. Viele Geräte verbrauchen auch Strom, wenn man sie nicht benutzt. Zum Beispiel Fernseher und Computer. Manchmal sieht man das an einem kleinen Lämpchen, das immer leuchtet. Man kann die Geräte an eine Steckdose mit Schalter anschließen. Damit kann man die Geräte dann richtig ausschalten.
Ein neues Windrad wird gebaut (© picture-alliance/dpa)
Ein Bergmann baut in über 1.000 Metern Tiefe Steinkohle ab (© picture-alliance/dpa)
Hoch in den Bäumen haben die Umweltschützer im Hambacher Forst Baumhäuser gebaut (© picture-alliance/dpa)
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0 | Die Gesetzgebung des Justinian war der Priesterehe durchaus nicht
günstig, denn in einer Verordnung von 528 heißt es: "Indem wir die
Vorschrift der heiligen Apostel befolgen, verordnen wir, dass so oft ein
bischöflicher Stuhl in einer Stadt erledigt ist, die Bewohner derselben
über drei Personen von reinem Glauben und tugendhaftem Leben sich
vereinigen, um aus ihnen den Würdigsten hervorzuheben. Doch treffe die
Wahl nur einen solchen, der das Geld verachtet und sein ganzes Leben
Gott weiht, der keine Kinder und keine Enkel bat. - - Der Bischof muss
durchaus nicht durch Liebe zu den fleischlichen Kindern verhindert
werden, aller Gläubigen geistlicher Vater zu werden. Aus diesen Ursachen
verbieten wir, jemanden, der Kinder und Enkel hat, zum Bischof zu
weihen." In derselben Verordnung wird den Bischöfen auch verboten, in
ihrem Testamente ihren Verwandten etwas von dem zu vermachen, was sie
als Bischöfe erwarben. | 234,922 |
1 | Paul Mason über das EU-Referendum: „Nur ein linker Brexit macht Sinn“
Großbritannien sollte die EU verlassen – aber nur im Fall einer Labour-Regierung, meint der Kapitalismuskritiker Paul Mason. Unter den Tories droht der soziale Kahlschlag.
Der EU-Ausstieg ist nicht nur in Großbritannien ein heiß diskutiertes Thema: Demonstranten in Athen Foto: Reuters / Yannis Behrakis
taz: Herr Mason, am Donnerstag stimmt Großbritannien über den Brexit ab. Sie sind prinzipiell dafür, aber nicht jetzt. Warum?
Paul Mason: Auf lange Sicht ist es eine gute Idee für Großbritannien, die EU zu verlassen. Wir müssen unsere Stahlindustrie retten. Die EU will das nicht. Außerdem sind wir von Europas unablässiger Forderung, den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren, betroffen. Eine linke Labour-Regierung würde deshalb mit der EU-Kommission kollidieren. Dann käme der Moment, in dem ein Brexit nötig werden könnte.
Im Guardian haben Sie geschrieben: „Bitte lasst uns in der EU bleiben, weil wir sonst Neoliberalen wie Boris Johnson ausgeliefert sind.“
Es ist ein Unterschied, ob wir aus der EU austreten, wenn wir eine linke Regierung haben, oder ob wir es jetzt tun. Boris Johnson steht bereit, die Tories zu übernehmen – also der Mann, der als Exbürgermeister weite Teile von London privaten Investoren überlassen und die staatliche Kontrolle über die Bildungseinrichtungen zerstört hat. Nach dem Brexit wären unsere Rechte als EU-Bürger weg, und die Tories könnten die Zeit bis zur nächsten Unterhauswahl nutzen, um unsere Staatsbürgerrechte zu beschneiden.
Dennoch: Mit einem Brexit unter der Federführung von Labour-Chef Jeremy Corbyn würden Sie eine nationale Lösung als Antwort auf die Globalisierung wählen.
Wenn wir es nicht schaffen, die Globalisierung zu retten, indem wir den Neoliberalismus untergraben, dann gibt es nur ein Element, das Macht über multilaterale Organisationen hat: der Nationalstaat und darunter die Kommunen. Wir sollen das globalisierte System als vorderste Front unserer Demokratie verteidigen. Aber wenn diese Front überrannt wird, etwa wenn China seine Währung entwertet und Stahl zu Dumpingpreisen nach Europa schickt, dann ziehen wir uns hinter die nationalen Grenzen zurück. Und sagen: Eines Tages werden wir zur Globalisierung zurückkehren. Aber jetzt müssen wir verhindern, dass durch Massenimport billigen Stahls Zehntausende arbeitslos werden und sich dem rechten Spektrum anschließen.
Warum ist die Stahlindustrie ein so großer Streitpunkt in der Brexit-Debatte?
In Großbritannien sind rund 40.000 Menschen in der Stahlindustrie beschäftigt. In einigen Städten ist sie der einzige Arbeitgeber. Diese Orte sind nicht wohlhabend, aber es geht ihnen besser als den meisten Städten. Die rechtspopulistische UKIP hat bereits große Gewinne in den früheren Industriezentren in Wales erzielt. Ich will nicht, dass diese Partei das frühere Kernland der Arbeiterklasse kontrolliert.
im Interview:Paul Masonist ein vielfach ausgezeichneter britischer Journalist und Autor. Er arbeitete für die BBC, dann als Wirtschaftsjournalist beim Channel 4 und als Kolumnist für den Guardian. „Postkapitalismus: Grundrisse einer kommenden Ökonomie“ heißt sein jüngstes Buch, das im April bei Suhrkamp erschien.
Corbyn ist so weit links, dass er kaum Chancen hat, britischer Premier zu werden. Da ist die Frage eines linken Brexit doch eine rein theoretische.
Corbyn wird es in der Tat schwer haben, die Wahlen zu gewinnen. Aber nicht, weil er zu links ist, sondern wegen Schottland. Im vorigen Jahr sind 188.000 Menschen in England und Wales Labour beigetreten und haben damit die Größe der Partei verdoppelt. In Schottland sind 60.000 bis 70.000 Menschen der Scottish National Party (SNP) beigetreten, von denen fast alle früher Labour unterstützt haben. Logisch wäre es, wenn sie sich zusammenschlössen.
Aber das Problem ist: Rechte Nationalisten in England mögen die schottischen Nationalisten nicht. Und daraus ergibt sich eine No-Win-Situation für Corbyn. Je mehr er dafür wirbt, dass eine fortschrittliche Regierung mit Labour und SNP möglich ist, desto mehr werden sich manche Leute in England abwenden. Trotzdem ist ein Labour-Sieg in England und Wales möglich.
Sie sind ein notorischer Optimist. Dabei wird ein Hoffnungsträger der Linken links der Sozialdemokratie nach dem anderen klein gemacht. Syriza hat vor einem Jahr eine Art Kapitulationserklärung unterschrieben. Waren die Griechen nicht auf die Auseinandersetzung vorbereitet?
Ihr Fehler war zu glauben, was ihnen Hollande und Renzi gesagt haben: „Ein guter Euro ist möglich.“ Niemals würde man sie aus der EU rauswerfen, es würde einen erträglichen Kompromiss geben. Dass die Eurozone Deutschland und den nordeuropäischen Staaten dazu dient, die Politik mit dem Euro zu steuern, hat Syriza unterschätzt.
Sind Sie für den Grexit?
Wenn Griechenland könnte, sollte es die Eurozone verlassen. Aber Griechenland liegt am äußersten Rand der EU, nur zwei Grenzkontrollen vom „Islamischen Staat“ entfernt und neben einer Türkei, die nicht mehr nach unseren Regeln spielen will. Wir müssen uns bei Griechenland um mehr sorgen als nur um den Euro. Deshalb war es richtig von Syriza, an der Regierung zu bleiben. Wenn eine linke Regierung Griechenland an die Rechte zurückgeben würde, wäre das Chaos wohl noch größer als ohnehin schon.
Der nächste Konflikt steht in Spanien vor der Tür, falls Podemos die Wahlen gewinnt.
Das wird nicht geschehen, weil die PSOE nicht mitspielt. Sie hat nicht verstanden, dass der Neoliberalismus ein sinkendes Schiff ist. Sie wird mit ihm untergehen. Dazu braucht es vielleicht erst eine weitere Wahl. Podemos regiert aber in drei großen Städten. Sozialdemokraten in ganz Europa werden sich das ansehen und sich fragen: Warum haben wir das nicht gemacht? Warum haben wir nicht zu den großen IT-Firmen gesagt, wir besitzen jetzt die Daten? Warum haben wir nicht Airbnb oder Uber rausgeworfen?
Nur die deutsche Linke steckt in der Dauerdepression. Warum?
Ihr habt 4 Prozent Arbeitslosigkeit, die Griechen haben 25 Prozent und Kinder, die keinen Führerschein machen, weil sie nie ein Auto besitzen werden. Ihr werdet jetzt auch die Schattenseiten erleben, weil nach Deutschland Millionen Flüchtlinge gekommen sind. Und es werden weitere Millionen kommen, wenn in Europa nicht entschieden wird, sie auf die Staaten zu verteilen. Die deutsche Linke und die Mitte wissen nicht, wie sie sich dazu verhalten sollen.
In Deutschland existiert eine Form von grünem Linkssein. Das ist sehr liebenswert und attraktiv, solange es keine Krise gibt. Aber für die 10 oder 12 Prozent, die die Alternative für Deutschland wählen, hat diese Form des Linksseins keine Antwort. Die Linke und die Sozialdemokratie sollten sich den Rest von Europa anschauen, um dort Antworten zu finden. | 234,923 |
0 | Damentennis beim Australian Open: Verlässliche Unverlässlichkeit
Drei der vier US-Open-Finalistinnen scheiden bei den Australian Open aus. Und die Deutsche Julia Görges steigt plötzlich zur Mitfavoritin auf.
Dreimal war im Achtelfinale Schluss: Julia Görges wird auch dieses Jahr als eine der Favoritinnen gehandelt Foto: dpa
Was ist eigentlich unmöglich im modernen Damentennis? Das war schon im letzten Jahr die große Frage. Etwa, als die 20-jährige Lettin Jelena Ostapenko wie aus dem Nichts und als erste ungesetzte Spielerin die French Open gewann. Oder als die Langzeitverletzte Sloane Stephens daheim bei den US Open triumphierte, gut vier Wochen, nachdem sie in der Weltrangliste noch auf Platz 957 gestanden hatte.
Wer sich von der neuen Saison und von den Australian Open mehr Verlässlichkeit erwartet hatte, bekam gleich am Wettkampftag eins die Antwort. Nicht zuletzt auch in Person von Stephens, der New Yorker Tenniskönigin. Deren zuletzt schwarze Serie setzte sich auch in Melbourne mit einer bitteren Pleite gegen die Chinesin Zhang Shuai fort.
Ein rein amerikanisches Halbfinale hatte es vor vier Monaten im Big Apple gegeben, anscheinend auch eine Renaissance des amerikanischen Frauentennis jenseits von Neu-Mama Serena Williams.
Doch in Melbourne ging es bloß weiter mit der Achterbahnfahrt, die das Frauentennis hartnäckig prägt. Innerhalb der ersten Stunden waren drei der vier stolzen US-Open-Halbfinalistinnen ausgeschieden. Stephens als erste, Coco Vandeweghe als letzte. Und mittendrin auch noch Venus Williams, immerhin auch Endspielteilnehmerin des Vorjahres. 3:6 und 5:7 unterlag sie der 20-jährigen Belinda Bencic.
Julia Görges gilt als eine der Favoritinnen
Bencic könnte bei ihrem Comeback nun die nächste Überraschungsnummer werden. „Man weiß eigentlich nur, dass man nichts weiß. Dann wenn Serena nicht dabei ist“, sagt Ex-Star Chris Evert (USA) zur Branchenlage, „viele können jetzt vieles schaffen.“
Was auch für eine wie Julia Görges gelten könnte. Melbourne, die Australian Open, das ist ihr Lieblings-Grand-Slam. Schon dreimal ist sie Down Under ins Achtelfinale eingezogen, doch weiter ist sie noch nie gekommen. Im Hier und Jetzt des unberechenbaren Frauentennis ist sie allerdings zu einer Mitfavoritin aufgestiegen.
Boris Becker„Görges kann schaffen, was Kerber bei den Australian Open 2016 gelungen ist.“
Der fabelhafte Schlussspurt in der letzten Saison und der bisher perfekte Einstieg in die 2018er Serie haben auf einmal, nach Jahren der Frustrationen und verpassten Chancen, berechtigte Erwartungen geweckt. „Görges kann schaffen, was Kerber hier 2016 gelungen ist“, sagt Boris Becker, in Melbourne als TV-Experte für Eurosport im Einsatz. Das hieße: Ein Grand-Slam-Sieg.
Auf dem langen Weg bis zu diesem potenziellen Traumergebnis erfüllte Görges am Montag schnörkellos ihre Pflicht, gewann gegen die US-Teenagerin Sofia Kenin 6:4 und 6:4. Fast schon gewohnheitsmäßig dominierte die 29-Jährige die Partie mit erstklassigem Aufschlag und aggressivem Grundlinienspiel. „Es gibt keinen Grund, mich über meine Form zu beschweren“, sagte sie später, „das war die solide Leistung, die man zum Turnierstart braucht.“
Angelique Kerber ist nach einem Albtraumjahr nun obenauf
Görges trifft nun auf die kapriziöse Französin Alize Cornet. Auch Mona Barthel kam weiter und hat es nun mit der an Nummer 32 gesetzten Estin Annett Kontaveit zu tun. Für den erkältungsgeschwächten Philipp Kohlschreiber war dagegen alles vorbei, schon in Runde eins: Er verlor in einer wilden Startpartie mit 3:6, 6:2, 0:6, 6:1 und 2:6.
Am Dienstag greift dann auch Angelique Kerber ins Turnier ein, auch sie eine jener launischen Führungsfiguren im Damentennis. Nach Traumsaison 2016 und Albtraumjahr 2017 ist sie aktuell wieder obenauf, verlor im neuen Jahr noch kein Match und holte sich gerade den WTA-Titel in Sydney. Anna-Lena Friedsam, Kollegin aus dem Fed Cup-Team, ist Kerbers erste Gegnerin.
Wo das nun alles enden wird im Damentennis, wer weiß das schon. | 234,924 |
0 | Was ist aber, Bruder, die heilige Wahrheit vom Leiden? Geburt ist
Leiden, Alter ist Leiden, Krankheit ist Leiden, Sterben ist Leiden;
Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung sind Leiden; von Liebem
getrennt sein, ist Leiden, mit Unliebem vereint sein, ist Leiden; das,
was man begehrt, nicht erlangen, ist Leiden; kurz, die verschiedenen
Formen des Anhangens sind Leiden. Das heißt man, Bruder, die heilige
Wahrheit vom Leiden. | 234,925 |
1 | Transparenz in der Entwicklungspolitik: Mehr Kontrolle für Wohltäter
Die Regierung plant ein neutrales Institut, das Projekte in der Entwicklungsarbeit durchleuchten soll. Noch steht die Idee unter Finanzierungsvorbehalt.
Gibt sich als Verfechter von Transparenz: Entwicklungsminister Niebel (FDP) Bild: dapd
BERLIN taz | Manchmal ist Entwicklungspolitik gut gemeint, aber schlecht gemacht - und keiner merkts. Denn deutsche Organisationen, die in aller Welt Hilfsprojekte betreiben, kontrollieren ihre Arbeit oft fragwürdig. "Es gibt einen großen Bedarf an unabhängiger Evaluation in der Entwicklungszusammenarbeit", sagt Reinhard Stockmann vom Centrum für Evaluation an der Universität des Saarlandes.
Das Entwicklungsministerium plant jetzt ein neues Institut, das mehr Transparenz schaffen soll. Rund 50 MitarbeiterInnen sollen in Zukunft Entwicklungsprojekte nach einheitlichen Kriterien durchleuchten und ans Ministerium berichten. Sitz des Instituts wäre Bonn.
Bisher läuft es so: Staatliche Organisationen wie die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und die Kreditanstalt für Wiederaufbau, aber auch nichtstaatliche Organisationen wie Kirchen oder Caritas planen Projekte im Auftrag des Ministeriums. Sie evaluieren diese jedoch in Eigenregie: Manche beauftragen externe Gutachter mit einer Prüfung, manche lieber gleich Leute aus dem eigenen Haus. Die Ergebnisse sind - naturgemäß - oft wohlwollend.
"Der Auftraggeber des Gutachtens stellt die Fragen", sagt Evaluationsexperte Stockmann. "Und er kann zum Beispiel unbequeme Fragen weglassen." Eine Umfrage unter Mitgliedern der Gesellschaft für Evaluation habe ergeben, dass sich ein Großteil der Gutachter von ihren Auftraggebern in ihrer Unabhängigkeit beeinträchtigt fühlt.
Ein ranghoher Ministeriumsmitarbeiter sagt: "Was die Gutachter der durchführenden Organisationen liefern, ist nicht alles schlecht. Aber durch ein neutrales Institut bekommen wir mehr und objektivere Erkenntnisse." Zudem differenziere sich die Lage in Ländern immer stärker aus, die Situation in Schwellenländern habe sich dramatisch geändert. "Es ist nötig, differenziertere Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit zu entwickeln", sagt der Mitarbeiter. Eine unabhängige Informationssammlung mache dies möglich.
Ob und wie der Plan umgesetzt wird, ist offen - er steht unter Finanzierungsvorbehalt. Grünen-Entwicklungsexpertin Ute Koczy steht der Idee aufgeschlossen gegenüber. "Eine unabhängige Prüfung ist unbedingt notwendig." | 234,926 |
1 | Justizreform in Israel: Das Land brennt
Netanjahu hat die Kontrolle über die Ideologen in seinem Kabinett verloren. Der Abbau der Demokratie hat begonnen, verloren ist sie aber noch nicht.
Stimmte der umstrittenen Justizreform zu: Ministerpräsidentr Benjamin Netanjahu Foto: Maya Alleruzzo/AP
Wer auch immer noch daran gezweifelt hat: Seit Montag, als die israelische Regierung allen Protesten zum Trotz das erste Kernelement der Justizreform durchgepeitscht hat, dürfte allen klar sein, dass die Regierung es ernst meint mit ihrem Staatsumbau.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat einen Golem erschaffen: sein brandgefährliches Kabinett, bestehend aus bedrohlichen Ideologen und Siedlern, die wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt sind. Groß gemacht hat er diese Leute, um sich vor einer potentiellen Haftstrafe in seinem laufenden Gerichtsprozess in Sachen Korruption zu retten. Nun hat er vollends die Kontrolle über sie verloren.
Das Land brennt, die Hälfte der Israelis ist auf den Straßen, es droht eine gewaltvolle Eskalation der Lage, Unternehmer*innen ziehen ihr Geld aus Israel ab, das Verhältnis zu den USA kühlt sich immer weiter ab und mehr als Zehntausend Reservisten verweigern den Dienst – und das in Israel, dem Land, das so sehr auf die Einheit der Armee setzt.
Der einstige Taktiker und Zauberer Netanjahu, das glauben zumindest die meisten, sieht all dies – im Gegensatz zu den Ideologen in seiner Regierung, die glauben, im Auftrag Gottes zu handeln und denen weltliche Steine auf dem Weg zu ihrer Vision egal sind: Ein national-religiöses Regime und ein Groß-Israel, das auch die palästinensischen Gebiete umfasst.
Gestern hat der Abbau der Demokratie mit einem Paukenschlag begonnen. Verloren ist sie noch nicht. Noch stehen einige wichtige Säulen, auf denen sie ruht. Die beeindruckende Protestbewegung, die seit mehr als einem halben Jahr auf den Straßen ist, hat den Prozess des Staatsumbaus erheblich verlangsamt. Ob die Regierung die Zerstörung der Demokratie nach der Sommerpause der Knesset weiterführt, das hängt vor allem von Israels Zivilgesellschaft ab. | 234,927 |
1 | Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege: Der Mann, der heilen will
Der Arzt aus dem Kongo ist Pionier der Rettung von Opfern sexueller Folter. Trotz aller Anfeindungen lässt er sich nicht von seinem Weg abbringen.
Immer wieder wurde Denis Mukwege als Präsidentschaftskandidat gehandelt, aber er ließ sich nie in die Politik hineinziehen Foto: reuters
Als Denis Mukwege den Friedensnobelpreis bekam, war er gerade bei der Arbeit: im OP-Saal seines Krankenhauses in Kongos Millionenstadt Bukavu. „Ich war am Operieren, als plötzlich die Leute zu schreien begannen“, berichtete der Arzt. „Ich kann in den Gesichtern der Frauen sehen, wie glücklich sie sind, anerkannt zu werden. Es war überwältigend.“
Denis Mukwege, so begründete das Nobelpreiskomitee seine Entscheidung, „ist national und international das vorderste und einigendste Symbol des Kampfes zur Beendigung von sexualisierter Gewalt in Krieg und in bewaffneten Konflikten.“ Der Kongolese ist weltberühmt dafür, in Bukavu Opfer unvorstellbarer sexualisierter Folter zu behandeln – einer bewährten Kriegstaktik in den endlosen Konflikten im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Flüchtige Täter des ruandischen Völkermordes, Dorfmilizen, unbezahlte Soldaten: sie alle ergötzen sich seit Jahrzehnten daran, andere zu erniedrigen, indem sie die Frauen des Feindes halb zu Tode foltern.
Zehntausende Überlebende hat Mukwege gerettet; sein Panzi-Krankenhaus in Bukavu ist neben dem von der Britin Lyn Lusi aufgebauten Hilfswerk „Heal Africa“ in Goma eine der wenigen Einrichtungen, die im Kongo diese Kombination von Chirurgie, Gynäkologie und Traumabehandlung anbieten.
Geplant war das nicht. Mukwege, geboren 1955 in Bukavu als Sohn eines protestantischen Pastors, begann seine Laufbahn im Krankenhaus der ostkongolesischen Kleinstadt Lemera. Dort, erzählte er später, traf er auf ein Problem, um das sich damals in den 1980er Jahren niemand kümmerte: den Mangel an Unterstützung für Frauen bei der Geburt. Bei Komplikationen verbluteten sie oder erlitten schwerste Schäden, die sie inkontinent machten. Der junge Arzt ließ sich fortbilden und wurde zum Pionier in der Behandlung solcher Probleme.
Im persönlichen Umgang zurückgezogen und überhaupt kein Volkstribun, wurde Mukwege zum Symbol einer mutigen Zivilgesellschaft
Als 1996 im Ostkongo Krieg ausbrach, weil Ruanda auf der Jagd nach flüchtigen Völkermordtätern im Kongo einmarschierte, erschossen Rebellen des Vaters des heutigen kongolesischen Präsidenten im Krankenhaus von Lemera 30 Patienten in ihren Betten, und Mukwege floh nach Bukavu. Mit schwedischer Hilfe entstand eine Notklinik: Panzi. Sie überstand die Wirren der Kriegsjahre und existiert bis heute.
Der Friedensnobelpreis ist eine der wenigen internationalen Auszeichnungen, die Mukwege noch nicht erhalten hatte. Als Preisträger bezieht er oft Stellung: gegen die Gewalt im Kongo, gegen die Komplizenschaft des eigenen Staates und der Welt. Im persönlichen Umgang zurückgezogen und überhaupt kein Volkstribun, wurde Mukwege zum Symbol einer mutigen Zivilgesellschaft. Kongos Regierung gefiel das nicht. Als das EU-Parlament Mukwege 2014 den Sacharow-Preis für Menschenrechte zusprach und 2015 Thierry Michel den Film „Der Doktor, der die Frauen repariert“ über ihn drehte, überzog Kongos Regierung das Panzi-Krankenhaus mit willkürlichen Steuernachforderungen; der Film wurde im Kongo verboten.
Immer wieder wurde Mukwege als Präsidentschaftskandidat gehandelt, aber der Arzt ließ sich nie in Kongos Politik hineinziehen. Das macht den Nobelpreis nicht weniger politisch. Als er verkündet wurde, traf in Kongos Hauptstadt Kinshasa gerade der UN-Sicherheitsrat ein, um mit der Regierung über den Vorlauf der Wahlen im Dezember zu streiten. Kongos Regierung konnte da gar nicht anders, als den Preis zu begrüßen: „Die Regierung beglückwünscht Doktor Mukwege“, sagte ihr Sprecher, „obwohl wir oft unterschiedlicher Meinung gewesen sind.“ | 234,928 |
0 | Einen bedeutenden Industriezweig bildet bei den Bahaustämmen auch
das Flechten von Rotang, Bambus, Pandanusblättern etc. Zwar wird
auch diese Arbeit nicht in grossem Massstab betrieben, sondern im
allgemeinen verfertigt jede Familie das für den Hausstand nötige
Flechtwerk selbst, doch hat dieses Handwerk infolge mannigfacher
Anwendung gleich einigen anderen eine grosse Höhe erreicht. Im grossen
ganzen tragen die Flechtarbeiten der Bahau denselben Charakter wie
die anderer dajakischer Stämme, doch sind sie meistens weniger fein
als die aus dem Baritogebiet stammenden. Möglicherweise jedoch danken
letztere ihre Entstehung dem Reichtum der bandjaresischen Bevölkerung,
die für feine Matten u.a. viel ausgeben kann. In einigen Spezialitäten,
wie in dem Flechtwerk von Schwertgriffen und Messern, liefern auch
die Bahau sehr feine Arbeit. | 234,929 |
1 | Meinungsforschung hat heute einen festen Platz in der politischen Öffentlichkeit. Die mediale Präsenz von Umfragen, Stimmungsbildern und Beliebtheitsranglisten ist enorm; es gibt kaum ein Thema, das demoskopisch nicht begleitet, kaum eine Frage, die nicht gestellt wird. Weil die Politik durch Meinungsforschung vermeintlich imstande ist, den "Puls" der Bevölkerung permanent zu tasten, erkannten Pioniere wie George Gallup in ihr die "demokratische Wissenschaft" schlechthin. Kritiker dagegen sehen in der heutigen Omnipräsenz von Erhebungen eine Gefahr für die Qualität der Demokratie, sollten politische Entscheidungsträger sich zu sehr von Umfrageergebnissen leiten lassen.
Auch um die Effekte von Meinungsumfragen auf Wahlentscheidungen entzünden sich immer wieder Debatten, insbesondere bei knappen oder unerwarteten Wahlergebnissen. Um Beeinflussungen auszuschließen, haben deutsche Medien und Umfrageinstitute lange Zeit freiwillig darauf verzichtet, in der Woche vor der Wahl neue Umfragen zu veröffentlichen. Zur Bundestagswahl 2013 wurde diese Selbstverpflichtung erstmals aufgegeben. Ob das allerdings ausschlaggebend etwa dafür war, dass die FDP den Einzug ins Parlament knapp verpasste – letzte Umfragen hatten die Liberalen über fünf Prozent gesehen – muss offen bleiben.
Ein Blick auf die Methoden der Demoskopie verdeutlicht die Notwendigkeit, ihre Ergebnisse mit der gebotenen Nüchternheit zu interpretieren. Umfragen sind keine exakten "Messungen" der öffentlichen Meinung. Statistische Unsicherheiten etwa um plus/minus drei Prozentpunkte bei der "Sonntagsfrage" sind nicht ungewöhnlich. Frageformulierung, Stichprobe, Gewichtung und Auftraggeber sind ergebnisrelevante Faktoren, die nicht übersehen werden sollten. Wünschenswert wäre daher nicht nur größtmögliche methodische Transparenz seitens der Institute, sondern auch eine aufrichtige mediale Präsentation, die der naheliegenden Versuchung, aus kleinen Schwankungen Nachrichten zu produzieren, widersteht und bestehende Unsicherheiten deutlicher kommuniziert. | 234,930 |
0 | Im Dorf wundern sie sich sehr über soviel Schlechtigkeit. _Sie_ wissen
ja nichts von der Seele eines Kindes; auf so Kostbares verstehen sie
sich nicht. Höchstens meint der eine oder der andere entschuldigend: »Er
is ja noch zu klein«, oder: »Er weiß doch nicht, was er angerichtet
hat«, oder: »Gott sei Dank, daß er nicht meiner is.« | 234,931 |
0 | In diesen Widerspruch verwickelt sie sich dadurch, daß sie sich in
Streit einläßt, und etwas _anderes_ zu bekämpfen meint.--Sie meint
dies nur, denn ihr Wesen als die absolute Negativität ist dieses, das
Anderssein an ihr selbst zu haben. Der absolute Begriff ist die
Kategorie; er ist dies, daß das Wissen und der _Gegenstand_ des
Wissens dasselbe ist. Was hiemit die reine Einsicht als ihr Andres,
was sie als Irrtum oder Lüge ausspricht, kann nichts andres sein als
sie selbst; sie kann nur das verdammen, was sie ist. Was nicht
vernünftig ist, hat keine _Wahrheit_, oder was nicht begriffen ist,
ist nicht; indem also die Vernunft von einem _Andern_ spricht, als
sie ist, spricht sie in der Tat nur von sich selbst; sie tritt darin
nicht aus sich heraus.--Dieser Kampf mit dem Entgegengesetzten
vereinigt darum die Bedeutung in sich, ihre _Verwirklichung_ zu sein.
Diese besteht nämlich eben in der Bewegung, die Momente zu
entwickeln, und sie in sich zurückzunehmen; ein Teil dieser Bewegung
ist die Unterscheidung, in welcher die begreifende Einsicht sich
selbst als _Gegenstand_ gegenüberstellt; solange sie in diesem
Momente verweilt, ist sie sich entfremdet. Als reine Einsicht ist
sie ohne allen _Inhalt_; die Bewegung ihrer Realisierung besteht
darin, daß _sie selbst_ sich als Inhalt wird, denn ein anderer kann
ihr nicht werden, weil sie das Selbstbewußtsein der Kategorie ist.
Aber indem sie ihn zuerst in dem Entgegensetzen nur als _Inhalt_, und
ihn noch nicht als sich selbst weiß, verkennt sie sich in ihm. Ihre
Vollendung hat daher diesen Sinn, den ihr zuerst gegenständlichen
Inhalt als den ihrigen zu erkennen. Ihr Resultat wird dadurch aber
weder die Wiederherstellung der Irrtümer, welche sie bekämpft, noch
nur ihr erster Begriff sein, sondern eine Einsicht, welche die
absolute Negation ihrer selbst als ihre eigne Wirklichkeit, als sich
selbst erkennt, oder ihr sich selbst erkennender Begriff.--Diese
Natur des Kampfs der Aufklärung mit den Irrtümern, in ihnen sich
selbst zu bekämpfen und das darin zu verdammen, was sie behauptet,
ist _für uns_, oder was sie und ihr Kampf _an sich_ ist. Die erste
Seite desselben aber, ihre Verunreinigung durch die Aufnahme des
negativen Verhaltens in ihre sichselbstgleiche _Reinheit_ ist es, wie
sie _für den Glauben Gegenstand_ ist; der sie also als Lüge,
Unvernunft und schlechte Absicht erfährt, so wie er für sie Irrtum
und Vorurteil ist.--In Rücksicht auf ihren Inhalt ist sie zunächst
die leere Einsicht, der ihr Inhalt als ein Anderes erscheint, sie
_findet_ ihn daher in dieser Gestalt, daß er noch nicht der ihrige
ist, _vor_, als ein von ihr ganz unabhängiges Dasein, in dem Glauben. | 234,932 |
1 | Regierungspläne in der Kritik: Streit um Klagen gegen Atomanlagen
Die Bundesregierung will Klagen gegen Atomanlagen auf Grund von Terrorgefahr erschweren. Das ist nicht nur für AKWs relevant.
Kernkraftwerke müssen gegen Terror-Angriffe geschützt werden Foto: imagebroker/imago
FREIBURG taz | In dieser Woche sollen Klagemöglichkeiten gegen die Terrorgefahr von Atomanlagen beschnitten werden. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den die Bundesregierung beschließen will.Atomanlagen müssen nicht nur gegen technische Defekte geschützt werden, sondern auch gegen gezielte Angriffe, zum Beispiel von Terrorist:innen.
Diesen Schutz gegen „Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter“ soll die 17. Novelle des Atomgesetzes neu regeln. Es werden derzeit zwar keine neuen AKWs mehr genehmigt, aber es gibt noch ungenehmigte Zwischenlager. Auch für Atomtransporte und das künftige Endlager ist die Änderung relevant.
Für die Schutzmaßnahmen gegen Terror ist der jeweilige Betreiber zuständig, genehmigt werden sie vom Staat. Wenn Anwohner:innen klagen, weil sie den Schutz nicht für ausreichend halten, entsteht nach Ansicht der Bundesregierung ein Problem. Weil Anti-Terror-Maßnahmen geheim bleiben müssen, können zentrale Dokumente dem Gericht nicht vorgelegt werden. Deshalb bestehe die Gefahr, dass die Behörden entsprechende Prozesse verlieren.
Koalitionsvertrag 2018 sah andere Lösungen vor
Die Lösung der Bundesregierung ist wenig bürgerfreundlich. Sie will die Frage, ob der Schutz von Atomanlagen gegen Terrorgefahren ausreichend ist, allein den Behörden überlassen. Polizei und Verfassungsschutz seien bei Terrorgefahren viel sachkundiger als Richter:innen. Gerichte sollen die Entscheidung der Behörden in der Regel nicht mehr überprüfen könnnen. Die Regierung spricht von einem „Funktionsvorbehalt“ für die Behörden.
Einen entsprechenden Funktionsvorbehalt hat die Rechtsprechung zwar bereits entwickelt, er bezieht sich bisher aber nur auf die Bewertung von Gefahren und Schutzkonzepten. Nun soll er auch die zugrundeliegenden Daten und Informationen umfassen – um geheime Dokumente nicht mehr offenlegen zu müssen.
Im schwarz-roten Koalitionsvertrag von 2018 war noch eine andere Lösung vorgesehen. Danach sollte zumindest das entscheidende Gericht die geheimen Unterlagen prüfen können. Eine derartige Prüfung unter Ausschluss von Öffentlichkeit und Verfahrensbeteiligten nennt man „In-Camera-Verfahren“.
Grüne verweisen auf Koalitionsvertrag
Inzwischen hat sich auch der Bundesrat für ein solches Verfahren ausgesprochen, um ein Mindestmaß an gerichtlicher Kontrolle sicherzustellen. Und bei einer Anhörung im Bundestag war auch eine Mehrheit der Sachverständigen dafür.
Die Grünen haben daher einen Änderungsantrag eingebracht, der die Große Koalition in Verlegenheit bringen soll. Sie beantragen jetzt die Einführung des im Koalitionsvertrags vorgesehenen In-Camera-Verfahrens und nutzen dabei die vom Bundesrat vorgeschlagene Formulierung. Die Atomgesetz-Novelle soll in der Nacht von Donnerstag auf Freitag im Bundestag beschlossen werden.
Die Bundesregierung ist allerdings vom Vorschlag aus dem Koalitionsvertrag abgerückt. Gegen das In-Camera-Verfahren bestünden „verfassungsrechtliche Bedenken“, weil hier der klagende Bürger nicht erfahre, welche Unterlagen dem Gericht vorgelegt werden. Für die Atomexpertin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl, ist das aber immer noch besser, als wenn das Gericht den Behörden ganz ohne Dokumente vertrauen müsste. | 234,933 |
0 | Neues Album "W" von Planningtorock: Schräge Bühnenshows, die rocken
Die Musikerin Planningtorock und ihr verstörend zielgerichtetes Album "W". Bei ihren Auftritten sorgt die Britin mit facettenreichen Outfits für extravagante Bühnenshows.
Mit Maskeraden und schrägen Kostümen auf die Bühne: Planningtorock. Bild: Promo
Zwei angeklebte Beulenprothesen ziehen sich zwischen ihrer Stirn und Nasenspitze. Janine Rostron aka Planningtorock erinnert auf dem Plattencover ihres neuen Albums "W" an eine Mischung aus altgriechischem Sagenwesen und animalischer Raubkatze. Pan meets Frau?
Einen auffälligen Hang zur verwirrenden Kostümierung pflegt die in Berlin lebende britische Musikerin und Videokünstlerin schon seit ihren ersten Auftritten als Planningtorock. Mal erscheint sie als Pantomime in weißer Halskrause und Frack, mal überrascht sie mit silbrigem Papphelm und weit geschnittenem Umhang, der sie bis zur Unkenntlichkeit verhüllt. In ihren Videos, stets integraler Teil ihrer Show, multipliziert sie sich zum Kaleidoskop - so als wäre sie ihrer Identität beraubt. Selbst ihre Stimme zersplittert durch Effekte verfremdet und erhält einen tiefen, unmenschlichen Klang.
"Auf der Bühne stehe aber trotzdem immer nur ich", beteuert Janine Rostron, "und kein Alter Ego." Sie sei nun mal facettenreich wie jeder andere Mensch auch, der die Grenzen seines Ichs erforscht: Die verschiedenen Maskeraden sind der aufrichtige Versuch, jeglichen Rahmen von Definition zu sprengen, durch den sie sich eingeengt fühlt. Wie zum Beispiel: Gender. Sie sei nicht nur eine Frau, sagt sie, und versteht ihren künstlerischen Ansatz durchaus als feministischen Prozess zur Selbstbestimmung der eigenen Identität.
Geburtsstunde dieser Suche war die Erfahrung einer temporären Undefinierbarkeit, die sie Ende der neunziger Jahre machte. Nach ihrem Studium an der Sheffield Art School kommt sie erstmals nach Berlin, um bei einem kleinen Kunstprojekt mitzumischen. In dieser Zeit erfährt Rostron ihr AusländerIndasein als Befreiung und nennt fortan Berlin, wohin sie 2001 zieht, die Stadt ihrer Wiedergeburt: "Daraufhin habe ich mir in Berlin ein eigenes Tonstudio eingerichtet und mich nur noch auf meine Musik konzentriert."
Die Leidenschaft Film
Ihre Musikeinflüsse sind ebenso eklektisch wie die ungeheure Plattensammlung ihrer Mutter, einer Finanzbeamtin: von Klassik bis Rock, von Bach bis zu The Residents. Auch der Vater, Ingenieur, infiziert Janine bereits früh mit seiner ihm eigenen Leidenschaft für das Medium Film. Sie ist gerade mal sieben, als er sie vor "Shining" platziert - mit dem Spruch: "Schau's dir an, der Film wird dir bestimmt gefallen." Das tut Stanley Kubricks Horrorfilm aber vor allem wegen des Soundtracks von Wendy Carlo, erinnert sich Rostron, die als Kind angefangen hat, Geige zu lernen. Nach und nach bringt sie sich selbst auch Flöte, Klarinette und Klavier bei.
Später entscheidet sie sich jedoch nicht für die Musikhochschule - die sei ihr "zu konservativ und zu wenig interdisziplinär", sondern für die bildende Kunst. Dem Zusammenspiel von Musik und Video widmet sie sich dann auch während ihres Studiums in Sheffield, wo sie ihren Abschluss macht: "Es waren sehr persönliche Arbeiten, in denen vor allem ich und ein paar Freunde mitspielten", erklärt sie. "Es kam mir nur logisch vor, auch die Musik selbst zu komponieren."
Ebenso autark und kompromisslos entwickelt sich ihr Projekt Planningtorock weiter. Nur selten spielt Janine Rostron Freunden und Gleichgesinnten ihre Kompositionen vor oder bittet sie um ihre Meinung. Das würde sie sonst nur verwirren.
Parallelprojekte und Klangforschung
In ihren Songs unterlegt sie hallende Beats mit melodramatischen Geigenakkorden, apnoische Saxofoneinheiten kreuzen sich mit schmachtenden Basslinien. Für diese Klangforschung nimmt sich Rostron Zeit. Zwischen ihrem Debütalbum "Have It All" und "W" sind fünf Jahre vergangen. Parallelprojekte verzögern die Arbeit am Eigenen: Sie tourt mit LCD Soundsystem und Peaches, komponiert die Musik für ein Theaterstück der Schwulenikone Bruce LaBruce und werkelt mit The Knife und Mt. Sims am Soundtrack für eine Darwin-Oper.
Immer wieder wird sie auf den Namen ihres Projekts angesprochen: "Ich dachte, es wäre witzig, wenn ich mal berühmt werden sollte und die Leute mich auf der Straße ansprechen: ,Are You Planningtorock?' - Hast du vor abzurocken?" Der Plan geht auf - die Gewissenhaftigkeit, die Rostron mit viel Liebe zum Detail in die Komposition ihrer Musik, in die abstrakten Videos und das Design ihrer Kostüme investiert, macht sich vor allem in ihrer Bühnenperformance bezahlt. Hier erweckt die Künstlerin sich selbst als Gesamtkunstwerk kraftvoll zum Leben und definiert ihre Songwelten stets neu. | 234,934 |
1 | In Leipzig dürfen sich die Bewohner/-innen seit diesem Jahr über mehr Mitbestimmung in der Lokalpolitik freuen: Im April 2022 bestätigte der Stadtrat die Einführung des Bürgerhaushalts. Bürger/-innen konnten somit schon bis Ende Juni Vorschläge für den Leipziger Doppeletat 2023/ 24 einbringen. Bislang war eine Beteiligung an der Haushaltsdebatte nur durch Bürgereinwände gegen den Planentwurf der Verwaltung möglich. Jetzt wird von Anfang an mitgeredet.
Das Gesamtkonzept zum "Leipziger Modell" des Bürgerhaushalts steht auf drei Säulen. Zwei von ihnen sind lokal enger gefasst und stehen einerseits den einzelnen Stadtbezirken, andererseits den "Ortschaften" - 1999 eingemeindeten zuvor selbständigen Orten an Leipzigs Peripherie - zur Verfügung.
So erhalten Ortschaftsräte, also die Vertretungsgremien der einst selbstständigen Gemeinden, sogenannte "Externer Link: Brauchtumsmittel" in Höhe von 6 Euro pro Einwohner/-in . Das Geld dient dazu, Vereine und Verbände, Veranstaltungen der Heimatpflege und des Brauchtums sowie eigene Maßnahmen der Ortschaften zu fördern. Vereine und Initiativen können dafür entsprechende Anträge bei ihren jeweiligen Ortsvorsteher/-innen einreichen.
Außerdem erhalten seit 2021 alle Stadtbezirksbeiräte jährlich ein Bürgerbudget in Höhe von 50.000 Euro, das Mitbestimmungsgremien vor Ort verwalten. Dabei geht es vor allem um Maßnahmen, die das Leben im Viertel verbessern: So wurde im Vorjahr das Geld zum Beispiel für Bänke, Papierkörbe und Fahrradbügel ausgegeben. Alles, was 1000 Euro nicht übersteigt, muss dabei nicht mit der Verwaltung abgesprochen werden.
Streitthema bei der Einführung des Budgets der Stadtbezirksbeiräte war und ist die gerechte Verteilung der Gelder. So forderten die Grünen 2021 erfolglos eine Budgetierung nach Einwohnerzahl, statt für jeden Bezirk gleich, unabhängig von der Dichte der Besiedelung. Schließlich sei Gleichbehandlung ein zentrales Anliegen des Bürgerbudgets.
Das dritte und umfangreichste Projekt, die Einführung des gesamtstädtischen Leipziger Bürgerhaushalts, läuft als Pilotprojekt seit dem Frühjahr 2022. Das Konzept sieht vor, dass Bürger/-innen Vorschläge für den Doppelhaushalt der kommenden beiden Jahre einreichen können – Ideen für Vorhaben, die sozial, kulturell, stadtplanerisch oder ökologisch einen Mehrwert für die Stadtgesellschaft bieten und mindestens einen Wert von 20.000 Euro haben. Nachdem die Verwaltung die Einreichungen rechtlich geprüft hat, stimmen im Sommer rund 15.000 stichprobenartig ausgewählte Leipziger/-innen über die Vorschläge ab. Zudem findet eine sogenannte "Bürgerkonferenz", ein Votum von 150 repräsentativ ausgewählten Bürger/-innen, statt. Beide Abstimmungen werden mit jeweils 50 Prozent gewichtet.
Danach wird es spannend. Denn abschließend berät der Finanzausschuss über die 10 Favoriten, bevor diese in der ersten Ratsversammlung nach den Sommerferien am 14. September in den Haushalt eingebracht werden. Finanzbürgermeister Torsten Bonew bemühte sich dabei schon im April die Erwartungen realistisch zu halten, um Enttäuschung in der Bürger/-innenschaft vorzubeugen: "Wir können froh sein, wenn wir drei Vorschläge umsetzten", sagte er "und müssen aufpassen, dass wir den Etat nicht überziehen."
- Hier finden Sie Externer Link: weitere Informationen zum Leipziger Bürgerhaushalt. | 234,935 |
0 | "Es gibt eine Ewigkeit und einen Weg in die Ewigkeit. Einst hat mich ein
alter Waldbrahmane gelehrt, daß um das Herz hundert feine Adern
gesponnen sind, durch welche die Seele in dem ganzen Körper
umherschweifen kann; eine einzige Ader aber gäbe es, die zum Scheitel
führe, und durch diese verlasse die Seele den Körper. So gibt es auch
hundert, ja tausend und hunderttausend Wege, die in dieser Welt
umherführen, durch mannigfache Leidensstätten, langwierige und
kurzwierige, schön ausgestattete und häßlich ausgestattete: Himmel und
Menschenwelt und Tierreiche und Höllen. Aber einen einzigen Weg gibt es,
der aus dieser Welt gänzlich hinausführt. Das ist der Weg in die
Ewigkeit, der Weg ins Unbetretene. Auf diesem Wege befinde ich mich
jetzt. Wohlan, ich will ihn zu Ende gehen." | 234,936 |
1 | US-Gericht blockiert Einreiseverbot weiter: Neuer Ärger für Trump
Erneute Schlappe für die US-Regierung: Der Stopp des überarbeiteten Einreiseverbots geht in die Verlängerung. Das hat ein Bundesrichter entschieden.
Das Einreiseverbot sei wie ein „Straßenzeichen in Neon“, argumentierte Generalstaatsanwalt Chin Foto: reuters
HONOLULU ap | Das überarbeitete Einreiseverbot der US-Regierung bleibt weiter ausgesetzt. Ein US-Bundesrichter aus Hawaii hat am Mittwoch (Ortszeit) entschieden, die Blockade des Dekrets zu verlängern. Es bleibe so lange außer Kraft gesetzt, bis der gerichtliche Streit darüber gelöst sei, teilte Richter Derrick Watson am Mittwoch (Ortszeit) mit.
Hawaiis Generalstaatsanwalt Douglas Chin hatte argumentiert, dass das Einreiseverbot wie ein „Straßenzeichen in Neon“ sei, das ständig mit den Worten „Verbot für Muslime“ aufblinke. Die Regierung sorge sich nicht darum, dies abzuschalten, so Chin.
Das US-Justizministerium hingegen hatte durchsetzen wollen, dass die Blockade des Einreiseverbotes aufgehoben wird. Es sei das Recht von US-Präsident Donald Trump gewesen, ein entsprechendes Dekret für die nationale Sicherheit zu veranlassen.
Die Behörde forderte zudem, Watson solle sich bei seiner Entscheidung lediglich auf den Teil des Dekrets begrenzen, in dem es um neue Visa geht. Die Exekutivanordnung Trumps hatte die Ausstellung neuer Visa für Staatsbürger aus sechs überwiegend muslimischen Ländern ausgesetzt. Chad Readler vom Justizministerium argumentierte, der Teil der Anordnung, bei dem es um das allgemeine US-Flüchtlingsprogramm gehe, habe keine Auswirkungen auf Hawaii.
Der US-Staat war gegen das Einreiseverbot vorgegangen, weil es die Anordnung – auch trotz der Überarbeitung der Trump-Regierung – als diskriminierend für Muslime wertete. Zudem schwäche es die wirtschaftliche Lage des Staates. Ein erstes Einreiseverbot, das noch sieben Länder betraf, war bereits vor mehreren Gerichtsinstanzen gescheitert und wurde daher von der US-Regierung überarbeitet. | 234,937 |
0 | Zu fragen fuhr er fort: Dort aber rechter Hand
Vom Goldzelt, wessen ist die schwarze Zeltflorwand?
Feldposten eilen her und hin auf Rossen brausend,
Schildwachen aber stehn umher zu Fuße tausend.
Am Haupteingange ragt ein Elefant, ihn schmücken
Prachtdecken, und er trägt die Heerpauk auf dem Rücken.
Doch oben steigt die Fahn aus eines Drachen Rachen,
Mit Sternen übersät, die sie zum Himmel machen.
Wer herrscht zur Seite so dem König Keikawus?
Hedschir antwortete: Sein Kronfeldhauptmann Tus.
Das ist sein Stammesrecht, daß er im Heergefecht
Den Schah vertrete, dem verwandt ist sein Geschlecht.
Auf seinen Wink bereit, vereint auf sein Gebot,
Ist jenes Heer, das dir den Tod von ferne droht.
Und jener Himmel dort, reich an Juwelenzier,
Die Gawejani-Fahn ist es, das Reichspanier;
Das einst Feridun schwang, als er den Sohak schlug,
Der an den Schultern angewachsne Drachen trug.
Geheftet ist der Sieg an dieses heilige Zeichen,
Das ohne Mut kein Freund, kein Feind sieht ohn Erbleichen.
Doch Suhrab lächelte, und gieng mit Fragen weiter:
Im roten Florpalast, wer, sprich, ist dort der Streiter?
Er sitzt im offnen Zelt, und scheint an seinem Haar
Ein Greis bereits, um ihn steht eine Männerschaar;
Sie alle halten ihm ihr Antlitz zugekehrt,
Und jeder ehrt ihn, wie man einen Vater ehrt.
So fragt' er, und Hedschir zog aus der Brust ein Ach
Wie einen Dolch hervor, weil er zu Suhrab sprach:
Das ist Guders, der Greis, von Worte weis' und lind,
Von Schwerte stark und scharf, wie wenig Männer sind;
Ein Vater, der entbehrt fürs Alter nicht der Stützen;
Mit seinem Haus allein kann er ein Reich beschützen.
Denn neunundsiebzig sind der Söhne, die er zält;
Der achtzigste bin ich, der heut im Lager fehlt.
Doch Suhrab sprach: Warum hast du dich laßen fangen?
Sprich Wahrheit! und noch heut kanst du hinab gelangen. | 234,938 |
1 | Am 1. Juli 1997 übergab das Vereinigte Königreich die Kronkolonie Hongkong an China. Damit endete nach 156 Jahre die Interner Link: britische Kolonialherrschaft über die Handels- und Hafenstadt, die China nach dem Ersten Opiumkrieg (1839-1842) an Großbritannien abgetreten hatte. Anlass für die Übergabe war das Auslaufen eines 1898 geschlossenen Pachtvertrags für die Dauer von 99 Jahren über die so genannten "New Territories". Diese umfassten das umliegende Festland sowie mehrere kleinere Inseln um die Hauptinsel Hong Kong Island und die ebenfalls vorher von China an das Vereinigte Königreich abgetretene Halbinsel Kowloon.
In einer "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 hatten sich beide Länder darauf geeinigt, die Souveränität der gesamten britischen Kolonie an China zu übergeben. Im Gegenzug hatte sich die chinesische Regierung verpflichtet, Hongkong den Status als Sonderverwaltungszone zu gewähren und für 50 Jahre den Grundsatz Interner Link: "Ein Land, zwei Systeme" zu gewährleisten.
Britische Übernahme Hongkongs
Die britische Herrschaft über Hongkong geht zurück auf zwei als "Opiumkriege" bezeichnete militärische Auseinandersetzungen zwischen China und dem Vereinigten Königreich. Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte China eine Opium-Epidemie. Hauptimporteur des Rauschmittels war zu diesem Zeitpunkt die Britische Ost-Indien-Kompanie, ein Zusammenschluss britischer Händler, der unter dem Schutz des Vereinigten Königreichs bereits die britische Kolonialherrschaft in Indien begründet hatte. Die Liefermengen von Opium nach China stiegen zwischen 1800 und 1834 um das Acht- bis Zehnfache. Parallel kollabierte die chinesische Wirtschaft.
Die zu dieser Zeit in China herrschende Qing-Dynastie wollte den Opium-Handel mit teils drakonischen Strafen unterbinden. Das Vereinigte Königreich wiederum gab vor, den internationalen Freihandel schützen zu wollen. Aus diesem Konflikt entstand 1839 der Erste Opiumkrieg, den die Briten 1842 für sich entschieden. Mit der Unterzeichnung des Vertrags von Nanking musste China die Halbinsel Hongkong an das Vereinigte Königreich abtreten und den Briten freien Zugang zu den heimischen Häfen gewähren. Am 5. April 1843 erklärte die britische Königin Victoria Hongkong zur Kronkolonie.
Im Zweiten Opiumkrieg zwischen 1856 und 1860 zielten das Vereinigte Königreich und Frankreich auf die Legalisierung und Ausdehnung des Opiumhandels in China ab. Britische und französische Truppen eroberten 1860 Peking und zwangen die Qing-Dynastie in der Konvention von Peking unter anderem dazu, den südlichen Teil der Halbinsel Kowloon an die britische Krone abzutreten. 1898 schlossen das Vereinigte Königreich und die politisch geschwächte chinesische Kaiserdynastie schließlich die Konvention über die Erweiterung des Hongkonger Territoriums. Damit wurden die so genannten "New Territories" für 99 Jahre an das Vereinigte Königreich verpachtet und der Kronkolonie angeschlossen.
Unter der britischen Herrschaft verzeichnete Hongkong eine stetige Fluchtzuwanderung aus China, die insbesondere um den Zweiten Weltkrieg einen Höhepunkt erreicht: Zwischen 1921 und 1941 wuchs die Bevölkerung Hongkongs von etwa 600.000 auf mehr als 1,6 Millionen. Nach der Interner Link: Gründung der Volksrepublik China 1949 flüchteten zudem mehrere Hunderttausend Chinesinnen und Chinesen in die Kronkolonie.
Verhandlungen über eine Rückgabe
Vor dem Hintergrund des auslaufenden Pachtvertrags begannen Anfang der 1980er-Jahre Gespräche zwischen der britischen und der chinesischen Regierung über eine Rückgabe der Kolonie. Die Interner Link: VR China forderte sowohl die Rückgabe der gepachteten Gebiete als auch des Kerngebietes – unter Berufung auf die von China sogenannten ungleichen Verträge: Demnach seien unter anderem die Verträge von Nanking und Peking nach militärischen Niederlagen und somit unter ungerechten Bedingungen geschlossen worden.
Das Vereinigte Königreich zielte hingegen unter der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher auf eine Verlängerung des Pachtvertrages für den wirtschaftlich starken Standort ab. Zudem wollte das Vereinigte Königreich den politischen Einfluss Chinas in Hongkong verhindern und lies sich mit der Formel "Ein Land, zwei Systeme" Interner Link: Deng Xiaoping, auf die Verhandlungen ein.
"Ein Land, zwei Systeme" als Kompromiss
In Hongkong existierte im Gegensatz zur VR China ein kapitalistisches Wirtschaftssystem. Zwar gab es keine freien Wahlen, aber einen gewissen Grad an persönlicher Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger. Statt einer stufenlosen Eingliederung Hongkongs in das kommunistische China, die den wirtschaftlichen Wohlstand Hongkongs hätte gefährden können, schlug die VR eine Sonderverwaltungszone vor.
Die chinesische Parteiführung brachte bereits Anfang der 1980er-Jahre die Idee von Interner Link: "Ein Land, zwei Systeme" ins Spiel. Sie besagt, dass es zwar einen sozialistischen chinesischen Gesamtstaat gibt, einzelne chinesische Regionen aber abweichende politische und Wirtschaftssysteme (vorerst) beibehalten dürfen. Unter dieses Prinzip fällt zum Beispiel auch Macau, Interner Link: das eine mit Hongkong vergleichbare Kolonialgeschichte hat und 1999 von Portugal an China übergeben.
Am 19. Dezember 1984 wurde die Chinesisch-britische gemeinsame Erklärung zu Hongkong unterzeichnet. Darin wurde die Rückgabe des gesamten Gebiets von Hongkong an China zum 1. Juli 1997 vereinbart. China verpflichtete sich, das liberale, soziale und wirtschaftliche System Hongkongs für einen Zeitraum von 50 Jahren unangetastet zu lassen. Darunter fielen auch bürgerliche Rechte und Freiheiten wie die Rede- und Pressefreiheit, die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, das Streikrecht und die Wissenschaftsfreiheit. Das Gebiet sollte weiterhin ein Freihafen sein, ein separates Zollregime haben und als Sonderverwaltungszone behandelt werden. Die rechtliche Ordnung sollte durch ein Grundgesetz geregelt werden, das am 4. April 1990 beschlossen wurde und mit der Übergabe Hongkongs am 1. Juli 1997 in Kraft trat. Es gewährt der Sonderwirtschaftszone Hongkong ein hohes Maß an politischer Autonomie innerhalb Chinas.
QuellentextChinesisch-britische gemeinsame Erklärung zu Hongkong von 1984
Ausgewählte Passagen aus der gemeinsamen Erklärung vom 19. Dezember 1984, die die teilweise politische und wirtschaftliche Autonomie Hongkongs betreffen:
(2) The Hong Kong Special Administrative Region will be directly under the authority of the Central People’s Government of the People’s Republic of China. The Hong Kong Special Administrative Region will enjoy a high degree of autonomy, except in foreign and defence affairs which are the responsibilities of the Central People’s Government.
(2) Die Sonderverwaltungszone Hongkong wird der Zentralen Volksregierung der Volksrepublik China direkt unterstellt sein. Die Sonderverwaltungszone Hongkong wird ein hohes Maß an Autonomie genießen, mit Ausnahme der Außen- und Verteidigungspolitik, die in die Zuständigkeit der Zentralen Volksregierung fällt.*
(5) The current social and economic systems in Hong Kong will remain unchanged, and so will the life-style. Rights and freedoms, including those of the person, of speech, of the press, of assembly, of association, of travel, of movement, of correspondence, of strike, of choice of occupation, of academic research and of religious belief will be ensured by law in the Hong Kong Special Administrative Region. Private property, ownership of enterprises, legitimate right of inheritance and foreign investment will be protected by law.
(5) Das derzeitige Sozial- und Wirtschaftssystem in Hongkong wird unverändert bleiben, ebenso wie die Lebensweise. Die Rechte und Freiheiten, einschließlich der Persönlichkeitsrechte, Meinungsfreiheit, Presse-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Reisefreiheit, der Freizügigkeit, des Schriftverkehrs, des Streiks, der Berufswahl, der wissenschaftlichen Forschung und des religiösen Glaubens werden in der Sonderverwaltungszone Hongkong gesetzlich gewährleistet. Das Privateigentum, das Unternehmenseigentum, das legitime Erbrecht und ausländische Investitionen werden gesetzlich geschützt.*
(12) The above-stated basic policies of the People’s Republic of China regarding Hong Kong and the elaboration of them in Annex I to this Joint Declaration will be stipulated, in a Basic Law of the Hong Kong Special Administrative Region of the People’s Republic of China, by the National People’s Congress of the People’s Republic of China, and they will remain unchanged for 50 years.
(12) Die oben genannten grundlegenden Richtlinien der Volksrepublik China in Bezug auf Hongkong und ihre Ausarbeitung in Anhang I dieser Gemeinsamen Erklärung, werden in einem Grundgesetz für die Sonderverwaltungszone Hongkong der Volksrepublik China vom Nationalen Volkskongress der Volksrepublik China festgeschrieben und bleiben 50 Jahre lang unverändert.* Quelle: Externer Link: https://www.hklii.hk/eng/hk/legis/instrument/A301/all.html *Übersetzt mit deepl.com/translate, bearbeitet von der Redaktion bpb.de
Massenproteste in der Sonderverwaltungszone
China selbst war lange Zeit abhängig vom Wirtschaftsstandort Hongkong. Noch in den 1990er-Jahren liefen 50 Prozent des chinesischen Handels über den dortigen Hafen. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Chinas schwand diese Abhängigkeit, parallel dazu stieg der politische Druck. Im Jahr 2014 kam es zu den so genannten "Regenschirm-Protesten", bei denen Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger Interner Link: Hongkongs für die Abhaltung von freien Wahlen demonstrierten. China hatte Wahlen für die Regierung der Sonderverwaltungszone zugesagt, wollte jedoch nur einen sehr begrenzten Kreis von Kandidatinnen und Kandidaten von einem Wahlmännerkomitee auswählen lassen.
Im Jahr 2019 kam es zu Interner Link: Massenprotesten, an denen sich bis zu zwei Millionen Menschen beteiligten. Auslöser war anfangs ein Auslieferungsgesetz, das die Überstellung von Straftäterinnen und Straftätern in verschiedene Länder, darunter auch nach Festlandchina, regeln sollte. Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes sahen damit die Gewährleistung rechtstaatlicher Verfahren gefährdet. Später wandten sich die Proteste vor allem gegen den steigenden Einfluss der Kommunisten Partei Chinas in Hongkong.
Umstrittenes Sicherheitsgesetz
Kurz darauf, im Jahr 2020, verabschiedete China ein neues Sicherheitsgesetz für Hongkong. Eine solche Regulierung hätte nach Artikel 23 des Hongkonger Grundgesetzes von der Regionalverwaltung selbst erlassen werden sollen. Dennoch entschied sich die chinesische Führung als Reaktion auf die Massenproteste von 2019 dazu, das Gesetz auf den Weg zu bringen. Es sah hohe Strafen bis hin zu lebenslanger Haft für zahlreiche Vergehen vor, darunter: "Abspaltung", "Subversion", "terroristische Aktivitäten" und die "Zusammenarbeit mit ausländischen Mächten zur Gefährdung der nationalen Sicherheit". Außerdem wurde ein Sicherheitsbüro eingerichtet, mit dem der chinesische Sicherheits- und Überwachungsapparat nun auch offiziell in Hongkong vertreten ist. Amnesty International kritisierte, dass die Wahrung der "nationalen Sicherheit", der das Gesetz dienen sollte, bewusst vage gehalten ist und willkürlich ausgelegt werden könnte.
Das neue Sicherheitsgesetz wird von Kritikerinnen und Kritikern als Bruch der chinesisch-britischen Erklärung von 1984 aufgefasst. So stellt etwa die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einer Externer Link: Analyse von 2020 fest, dass das Sicherheitsgesetz die Mehrdeutigkeit des völkerrechtlichen Vertrags veranschauliche, der durch unpräzise Formulierungen der VR China eine Deutungshoheit einräume. Der britische Premier Boris Johnson stellte kurz nach Verabschiedung des Sicherheitsgesetzes bis zu drei Millionen Bürgerinnen und Bürgern Hongkongs die Einbürgerung in das Vereinigte Königreich in Aussicht. China sprach daraufhin von einer "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" des Landes.
Ausgewählte Passagen aus der gemeinsamen Erklärung vom 19. Dezember 1984, die die teilweise politische und wirtschaftliche Autonomie Hongkongs betreffen:
(2) The Hong Kong Special Administrative Region will be directly under the authority of the Central People’s Government of the People’s Republic of China. The Hong Kong Special Administrative Region will enjoy a high degree of autonomy, except in foreign and defence affairs which are the responsibilities of the Central People’s Government.
(2) Die Sonderverwaltungszone Hongkong wird der Zentralen Volksregierung der Volksrepublik China direkt unterstellt sein. Die Sonderverwaltungszone Hongkong wird ein hohes Maß an Autonomie genießen, mit Ausnahme der Außen- und Verteidigungspolitik, die in die Zuständigkeit der Zentralen Volksregierung fällt.*
(5) The current social and economic systems in Hong Kong will remain unchanged, and so will the life-style. Rights and freedoms, including those of the person, of speech, of the press, of assembly, of association, of travel, of movement, of correspondence, of strike, of choice of occupation, of academic research and of religious belief will be ensured by law in the Hong Kong Special Administrative Region. Private property, ownership of enterprises, legitimate right of inheritance and foreign investment will be protected by law.
(5) Das derzeitige Sozial- und Wirtschaftssystem in Hongkong wird unverändert bleiben, ebenso wie die Lebensweise. Die Rechte und Freiheiten, einschließlich der Persönlichkeitsrechte, Meinungsfreiheit, Presse-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Reisefreiheit, der Freizügigkeit, des Schriftverkehrs, des Streiks, der Berufswahl, der wissenschaftlichen Forschung und des religiösen Glaubens werden in der Sonderverwaltungszone Hongkong gesetzlich gewährleistet. Das Privateigentum, das Unternehmenseigentum, das legitime Erbrecht und ausländische Investitionen werden gesetzlich geschützt.*
(12) The above-stated basic policies of the People’s Republic of China regarding Hong Kong and the elaboration of them in Annex I to this Joint Declaration will be stipulated, in a Basic Law of the Hong Kong Special Administrative Region of the People’s Republic of China, by the National People’s Congress of the People’s Republic of China, and they will remain unchanged for 50 years.
(12) Die oben genannten grundlegenden Richtlinien der Volksrepublik China in Bezug auf Hongkong und ihre Ausarbeitung in Anhang I dieser Gemeinsamen Erklärung, werden in einem Grundgesetz für die Sonderverwaltungszone Hongkong der Volksrepublik China vom Nationalen Volkskongress der Volksrepublik China festgeschrieben und bleiben 50 Jahre lang unverändert.* Quelle: Externer Link: https://www.hklii.hk/eng/hk/legis/instrument/A301/all.html *Übersetzt mit deepl.com/translate, bearbeitet von der Redaktion bpb.de
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1 | Die Kommunen leiden Not. Finanzkrise und demografischer Wandel, neue Gesetze und Privatisierung sind die Herausforderungen, denen sie sich zu stellen haben. Wie wirkt sich dies auf die Handlungsspielräume der Kommunen und das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung aus? Haben Elemente der direkten Demokratie, wie Bürgerbegehren, Bürgerhaushalte und Bürgerforen, die kommunalpolitischen Entscheidungsstrukturen verändert? Welche Herausforderungen sind mit direktdemokratischen Elementen verbunden? Diese und weitere Fragen untersuchen die Autoren Jörg Bogumil und Lars Holtkamp in dem Band „Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung. Eine praxisorientierte Einführung“.
Sie erläutern die Entstehung der kommunalen Selbstverwaltung, die Einbindung der Kommunen in das föderale System Deutschlands, ihre Aufgaben und ihre Probleme. Die Autoren gehen problemorientiert im mehrfachen Sinn vor: Einerseits nehmen sie die aktuellen Probleme der Städte in der kommunalen Praxis (Haushaltskrise, demografischer Wandel, Segregation, Parteienverdrossenheit) in den Blick und diskutieren Reformoptionen. Andererseits bietet das Buch wichtige Grundinformationen über die föderale Einbindung, die Aufgaben der Städte und Gemeinden, die Finanzierung und die Kommunalverfassungen.
Damit bietet diese Einführung eine politikwissenschaftlich fundierte, praxisorientierte und allgemeinverständliche Bestandsaufnahme der Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung.
Ein hoch auflösendes Buchcover sowie ein Rezensionsexemplar kann bei der Stabsstelle Kommunikation der bpb angefordert werden: E-Mail Link: [email protected] bzw. findet sich unter Externer Link: www.bpb.de/132810
Produktinformation
Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung. Eine praxisorientierte Einführung Jörg Bogumil, Lars Holtkamp Erscheinungsort: Bonn Bestellnummer: 1.329 Bereitstellungspauschale: 4,50 € Externer Link: www.bpb.de/156902
Interner Link: Pressemitteilung als pdf
Pressekontakt bpb
Bundeszentrale für politische Bildung Daniel Kraft Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: [email protected] Externer Link: www.bpb.de/presse | 234,940 |
0 | Olympia – Turnen, Mehrkampf: Japan holt Silber am grünen Tisch
China holt Gold. Gähn. Deutschland ist raus. Schluchz. Russland zeigt die neuste Ostblockmode. Kotz. Und die Briten müssen nach einem Protest der Japaner mit Bronze zufrieden sein.
Erfolgreiches Teamwork am Barren: China holt Gold im Mannschaftsturnen. Bild: dpa
Die Startbedingungen: Nach der Qualifikation schien alles offen. Aber China und Japan gingen als Favoriten ins Rennen.
Die Entscheidung: Zwei Stunden lang scheint es, als machen die favorisierten Asiaten die ersten beide Plätze unter sich aus: China Gold, Japan Silber. Doch die große Überraschung passiert in den letzten zwei Minuten des Wettkampfes: Japan patzt am Pauschenpferd. Die Briten zeigen eine unglaubliche Leistung und steigen mit der Wertung des letzten Gerätes vom vierten auf den zweiten Platz auf. Die Ukraine wird Dritter und Japan geht leer aus.
Das Drama: Die Deutschen. „Ich versteh die Welt nicht mehr“, sagt Philipp Boy nachdem er an den Griffen des Pferdes hängenbleibt und heruntersteigen muss. Dann fällt er auch noch vom Reck. Oje! Laut Zwischenstand waren die Deutschen sogar kurz mal Zweitplatzierte. Es wäre möglich gewesen. Zum Schluss geht die deutsche Mannschaft als Siebter aus dem Wettkampf.
Sie Schlussfolgerung: Dieses Ergebnis hätte keiner für möglich gehalten.
Und sonst? Diese grauenhaften Jacken der Russen. Was haben die sich bitte bei diesen rot-weißen Bomberjacken mit Zarenschnörkeln gedacht? Man braucht kein Ästhetiksinn, um den Blick von diesem Augenkrebsalarm abwenden zu wollen. Dieses Jacken mit Mustermonster sind vielleicht gut für den sibirischen Winter, aber wozu brauchen die russischen Männer diese in einer Turnhalle im Juli?
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Nachtrag: Da war taz.de schneller als die Wettkampfrichter. Japan legte Protest ein und bekam Recht. Dafür gab es Silber, die Briten holen Bronze, die Ukraine wird Vierter. | 234,941 |
1 | Arabische Länder sind beleidigt: Boykott der Pariser Buchmesse
Zahlreiche arabische Staaten wollen die diesjährige Pariser Buchmesse boykottieren. Der Grund: Israel soll der Ehrengast sein.
Da war keiner beleidigt: Indien als Gastland auf der Pariser Buchmesse. Bild: dpa
PARIS taz Die 28. Pariser Buchmesse, die vom 14. bis 19. März an der Porte de Versailles stattfindet, wird anders ausfallen als die vorausgegangenen: Zahlreiche arabische Staaten - darunter Frankreichs engste Partner in der Region: Libanon, Tunesien, Algerien und Marokko - sowie Dutzende von arabischen Buchverlagen wollen sie boykottieren.
Der Grund ist der Ehrengast: Israel. Nachdem zunächst vor allem palästinensische Organisationen gegen die Einladung zum 60. Jahrestag der Gründung des Staates Israel protestiert hatten, sorgen jetzt die israelischen Angriffe auf Zivilisten im Gazastreifen dafür, dass die Boykottaufrufe quer durch die arabische Welt gehen. Auch einer der 40 offiziell von der Buchmesse eingeladenen israelischen Schriftsteller hat abgesagt. Er wolle nicht an einer "Propagandaveranstaltung" für einen brutalen Staat teilnehmen, erklärte der Dichter Aaron Shabtai.
In Paris fallen die Reaktionen bislang zurückhaltend aus. Die Kulturministerin Christine Albanel und Außenminister Bernard Kouchner bedauern die Absagen und die "Politisierung" der Messe "außerordentlich". Christine de Mazières, Geschäftsführerin des französischen Verlegerverbandes, der die Buchmesse organisiert, erklärt gegenüber der taz: "Wir laden die Literatur ein, nicht den Staat. Die Messe ist ein Ort der Freiheit und der Schriftsteller." Und der in Frankreich lebende marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Yelloun nennt den Boykottaufruf "Unfug" und schreibt, dass unter den geladenen Gästen zahlreiche langjährige Befürworter des israelisch-palästinensischen Friedensdialogs sind.
Andere Autoren halten dagegen, dass sie zwar prinzipiell die direkte Begegnung mit den israelischen Schriftstellern suchen, aber die Messe boykottieren werden, darunter die in Paris lebende libanesische Romanautorin Hoda Barakat. Sie erklärt, dass sie israelische Autoren bewundert und dennoch den Boykott als "symbolische Aktion" unterstützt.
Ursprünglich hatte die palästinensische Schriftstellerunion zum Boykott der Buchmesse aufgerufen. Begründung: der 60. Jahrestag Israels, der Anlass der Einladung, sei zugleich der 60. Jahrestag der Nakba - der Vertreibung der PalästinenserInnen. In den vergangenen Tagen schlossen sich auch zahlreiche arabische und muslimische Organisationen dem Boykottaufruf an. Darunter die Isesco, die aus der "Islamischen Konferenz" hervorgegangen ist. Die drei nordafrikanischen Länder beteiligen sich jetzt ebenfalls offiziell am Boykott. Für ihre Verleger und Schriftsteller ist der Preis besonders hoch. Die Messe in Paris ist ihre wichtigste internationale Vitrine.
So hört man auch bedauernde Stimmen über den Boykott. Der algerische Verleger Mohamed Boilattabi erklärt die Buchmesse wegen ihres Ehrengastes zu einem "antikulturellen Ereignis" und bedauert dennoch zugleich, dass er nicht hingehen kann. Er würde gerne seine AutorInnen von dem "aktiven palästinensischen Widerstand" sprechen lassen.
Umstritten ist der Boykottaufruf auch in anderen arabischen Ländern. So hat in Ägypten Alaa al-Aswani, der den inzwischen auch verfilmten Bestsellerroman "Das Haus Yacoubian" geschrieben hat, erklärt, es sei ein "sehr schwerer Fehler", ein Land als Ehrengast zur Buchmesse einzuladen, das sich "Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig" mache. Dennoch wird Alaa al-Aswani nach Paris zur Buchmesse reisen. Am Stand seines Verlegers will er andere Formen des Protests erproben: Er beabsichtigt, "Fotos von libanesischen und palästinensischen Kindern zu verteilen, die Opfer der israelischen Politik geworden sind".
Die Pariser Buchmesse, die sich an das große Publikum richtet, hat im vergangenen Jahr 200.000 Menschen angezogen. Von den in Frankreich verlegten Büchern stammt ein im internationalen Vergleich hoher Anteil von 20 Prozent von ausländischen AutorInnen. Darunter besonders viele aus dem Maghreb und den anderen französischsprachigen Ländern Afrikas. Für die feierliche Messeeröffnung waren ursprünglich zwei Staatsoberhäupter vorgesehen. Doch Schimon Peres macht es nun allein mit der französischen Kulturministerin. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wird fehlen. Er hat, wie es heißt, an dem Tag in Brüssel zu tun. | 234,942 |
0 | In der Nacht darauf kam Josefine zu ihrem Mann herunter, als er schon
schlief. Ihr Haarknoten hatte sich gelöst; mit dem großen, hohläugigen
Gesicht, von dem das schwarze Haar abstand, den Augen, die starr über
die Lampe wegstierten, die sie trug, sah sie aus wie eine Besessene oder
eine Nachtwandlerin. Er richtete sich im Bett auf und wollte aufstehen.
Sie hielt ihn mit der Hand zurück und sagte eintönig: "Ich muß mit Dir
reden, Ole; ich kann nicht schlafen. Diese Frau, die Frau meines
Bruders, wird uns unsern Jungen nehmen." | 234,943 |
1 | Eon-Manager wird EnBW-Chef: Grüne küren Atomfreund
Frank Mastiaux hat zwar Erfahrungen mit Ökostrom, sein Lebenslauf ist jedoch hauptsächlich von fossilen Energien geprägt. Abwickeln wird er die Kernenergie wohl nicht.
Soll neuer EnBW-Chef werden: Frank Mastiaux. Bild: dpa
Über die Nachfolge von EnBW-Chef Hans-Peter Villis war viel spekuliert worden. Schließlich ist in Karlsruhe ein ungewöhnlicher Posten zu besetzen: Ein Atomkonzern, der zwischenzeitlich zu knapp der Hälfte einem grün regierten Land gehört, muss grundlegend umgebaut werden. Nach Meldungen des Manager Magazins ist die Entscheidung nun gefallen: Der Eon-Manager Frank Mastiaux soll die Leitung des drittgrößten deutschen Stromkonzerns übernehmen.
Der 47-jährige promovierte Chemiker hat in den letzten Jahren bei Eon die Sparte Erneuerbare Energien aufgebaut und sich dort als Freund der Großprojekte präsentiert: Offshore-Windparks in Nordeuropa gehöre die Zukunft, sagte er einmal, auch das Wüstenstromprojekt Desertec unterstützte er. Als besonderer Freund der Fotovoltaik hat er sich hingegen noch nicht gezeigt: Er halte es „nicht für sinnvoll, sozusagen gegen die Physik größere Solaranlagen in Deutschland zu errichten“, sagte er 2008 nach seinem Antritt bei Eon.
Dorthin gelangte Mastiaux, weil der damalige Konzernchef Wulf Bernotat ihn aus früherer gemeinsamer Tätigkeit für Veba Oel und Aral kannte. Seither hat er zwar ein paar Jahre Erfahrung mit dem Ökostrom sammeln können – mehr noch aber prägen die fossilen Energien seinen Lebenslauf. Bevor er zu Eon kam, war er bei BP für das Flüssiggasgeschäft in 15 Ländern verantwortlich. Seinen Wechsel zu Eon begründete er damals so: „Ich komme aus der Öl- und Gasindustrie und habe 15 Jahre lang erleben müssen, wie Stellen abgebaut wurden. Jetzt will ich sehen, wie es ist, Stellen zu schaffen.“
Dass dieser Wunsch nun ausgerechnet bei der EnBW in Erfüllung geht, ist aber eher unwahrscheinlich. Denn die EnBW ist – bedingt durch ihre Jahrzehnte währende Fixierung auf die Atomkraft – ein Sanierungsfall. Im vergangenen Jahr verzeichnete der Konzern einen Verlust von 867 Millionen Euro, jährliche Einsparungen von mehreren 100 Millionen Euro sind damit unvermeidbar. Letzten Sommer war bereits die Rede von 2.500 Stellen, die bis 2013 abgebaut werden sollen.
Mastiaux wird also bei der EnBW einige Herausforderungen zu meistern haben. Zumal das Abwickeln der Atomkraft auch nicht unbedingt das ist, was der Manager sich einst vorstellte. Vor Fukushima sagte er noch: „Die Kernenergie gehört zu einem vernünftigen Mix dazu.“ | 234,944 |
0 | heitsrücksichten 1860 in die Heimat zurückgekehrt,
privatisierte er zunächst in Stuttgart, nahm 1864 die
Diakonatsstelle in Pfullingen an, begab sich aber 1870 im Auftrag
der englischen Regierung von neuem nach Indien und zwar nach Lahor
im Pandschab, um daselbst in Verbindung mit einigen Sikhpriestern
eine Übersetzung der heiligen Bücher der Sikh
auszuführen. 1872 habilitierte er sich in Tübingen als
Privatdozent und erhielt 1874 die ordentliche Professur der
orientalischen Sprachen an der Universität zu München, wo
er 5. April 1885 starb. Sein Hauptwerk ist "The Adi Granth, or the
holy scriptures of the Sikhs, translated from the original
Gurmukhi" (Lond. 1877). Außerdem veröffentlichte er:
"Materialien zum Übersetzen aus dem Deutschen ins
Hebräische" (Heilbr. 1854); "Sindhi reading book" (Lond.
1858); "Über die Sprache der sogen. Kasirs im indischen
Kaukasus" (im 20. Bd. der "Zeitschrift der Deutschen
Morgenländischen Gesellschaft"); "The Sindhi Diwan of
Abd-ul-Latif Shah" (1866); "Grammar of the Sindhi language" (Lond.
1872); "Grammar of the Pashto or language of the Afghans etc."
(das. 1873); "Einleitung in das Studium der arabischen Grammatiker"
(Münch. 1876); "Das Taufbuch der äthiopischen Kirche"
(äthiopisch u. deutsch, das. 1876); "Der Kampf Adams"
(äthiopischer Text, das. 1880); "Die Religion der Sikhs"
(Leipz. 1881); "Der arabische Satzbau" (Münch. 1879);
"Grammatische Untersuchungen über die Sprache der Brahuis"
(das. 1881); "Das Hexaemeron des Pseudo-Epiphanius"
(äthiopisch und deutsch, das. 1882); "Der Bedingungssatz im
Arabischen" (das. 1882) etc. | 234,945 |
0 | Im Obersatze wird von einem Wesen geredet, das überhaupt in jeder
Absicht, folglich auch so wie es in der Anschauung gegeben werden mag,
gedacht werden kann. Im Untersatze aber ist nur von demselben die
Rede, sofern es sich selbst, als Subjekt, nur relativ auf das Denken
und die Einheit des Bewußtseins, nicht aber zugleich in Beziehung
auf die Anschauung, wodurch sie als Objekt zum Denken gegeben wird,
betrachtet. Also wird per Sophisma figurae dictionis, mithin durch
einen Trugschluß die Konklusion gefolgert*. | 234,946 |
1 | Bomben explodieren im Einkaufsviertel: Islamistischer Anschlag in Stockholm
Mitten im belebten Zentrum Stockholms sind am Samstag zwei Bomben explodiert. Außer dem Selbstmordattentäter starb niemand. Die Polizei stuft die Tat als "sehr ernsten Terrorakt" ein.
Ein Auto explodierte während des Weihnachtsgeschäfts in Stockholms belebten Zentrum. Bild: reuters
STOCKHOLM afp/dpa | Die schwedische Hauptstadt Stockholm ist offenbar nur knapp einem verheerenden Terroranschlag entgangen. Bei zwei Explosionen in einem belebten Einkaufsviertel in der Innenstadt starb am Samstagnachmittag ein mutmaßlicher Selbstmordattentäter. Zwei Passanten wurden verletzt. Die schwedische Polizei stufte den Anschlag als "sehr ernsten Terrorakt" ein.
Und auch Außenminister Calr Bildt erklärte über den Kurznachrichtendienst Twitter, es habe sich um einen "sehr beunruhigenden Versuch eines Terrorangriffs gehandelt". Kurz zuvor war in einem offenbar islamistischen Drohbrief vor einer nicht näher benannten Aktion gewarnt worden. "Gescheitert - aber hätte wahrhaft katastrophal sein können", schrieb Bildt in einer Mitteilung über den Anschlag in unmittelbarer Nähe der belebten Drottninggatan Straße im Zentrum Stockholms.
Der Attentäter war nach der Explosion einer Rohrbombe an seinem Körper auf der nur relativ kleinen Bryggergatan im Stadtzentrum kurz vor 17 Uhr sofort tot. Als erster Augenzeuge berichtete ein Mann mit dem Vornamen Pascal in der Zeitung Dagens Nyheter: "Es sah aus, als trug er etwas, was dann direkt vor seinem Bauch explodierte." Pascal versuchte, dem mit einer riesigen Bauchwunde am Boden Liegenden erste Hilfe zu leisten: "Ich hab Herz- und Lungenmassage versucht, aber es war zu spät." Der Mann hatte seinen Rucksack mit Reißnägeln sowie weiterem Sprengstoff gefüllt.
Wenige Minuten zuvor war nur 200 Meter entfernt ein Auto explodiert. Dabei wurden zwei Menschen leicht verletzt, die daraufhin im Krankenhaus behandelt werden mussten, wie Rettungskräfte mitteilten. Sowohl bei der Polizei als bei der schwedischen Nachrichtenagentur TT gingen kurz vor den Explosionen Droh-Mails ein. Darin rief ein Mann zum "Heiligen Krieg" gegen Schweden auf.
Die Nachrichtenagentur TT bestätigte, dass ihr ein gesprochener Text als Anhang zur Droh-Mail zugeschickt worden sei, wie andere schwedische Medien berichteten. Er sprach den Text sowohl auf schwedisch als auch auf arabisch. Der Sprecher der Sicherheitspolizei Säpo, Anders Thornberg, wollte zur Identität des mutmaßlichen Attentäters keine Angaben machen, bevor dessen Familie verständigt ist.
Nach Angaben der Zeitung Aftonbladet soll der Absender der Droh-Mail und des gesprochenen Textes ein 28-jähriger Mann sein, der mit seinem vollen Namen unterschrieben haben. In der Mail nannte er "das Schweigen des schwedischen Volkes" zur Mohammed-Karikatur des schwedischen Karikaturisten Lars Vilks, der den Propheten Mohammed als Hund dargestellt hatte sowie die schwedischen Soldaten in Afghanistan als Grund für seinen Aufruf zum Jihad: "Jetzt müssen eure Kinder, Töchter und Schwestern sterben, so wie unsere Brüder, Schwestern und Kinder sterben."
In dem gesprochenen Text berichtete der Mann, dass er sich bei einem Aufenthalt im Nahen Osten für den Jihad habe ausbilden lassen. Seine Familie bat er um Vergebung, weil er sie über die Gründe für die Reise getäuscht habe und bat seine Ehefrau, die Kinder von ihm zu küssen. Der Text endete mit einem Aufruf an die "Mudschahedin" (islamischen Kämpfer) in Schweden und Europa "zurückzuschlagen".
Der Sprecher der Sicherheitsbehörden sagte dazu, er habe die E-Mail nicht im Detail gelesen, aber der Attentäter sei "nicht erfreut" über Schweden gewesen. "Wir haben Truppen in anderen Ländern und es wurden schlechte Dinge über den Propheten gesagt", fügte Thornberg mit Blick auf die Email hinzu.
Die Leiche des Attentäters blieb bis in die Nacht für umfangreiche Untersuchungen am Ort der Explosion in der Bryggergatan liegen. Die Polizei sperrte auch die Umgebung der Drottninggatan weiträumig ab. Sie ist Stockholms beliebteste Einkaufsstraße.
Der Sprecher der Sicherheitspolizei Säpo, Anders Thornberg, sagte am Sonntag, man gehe jetzt nicht von weiteren akuten Bedrohungen für Schweden aus. Man werde deshalb die seit Oktober geltende Einstufung beim Terroralarm unverändert lassen. In der Stockholmer Innenstadt soll dennoch ab sofort zusätzlich Polizei patrouillieren. | 234,947 |
0 | Die Kartoffeln schälen, in Spalten schneiden, mit Salz, Pfeffer und Chili würzen. Auf ein Backblech mit Backpapier geben und bei 200 °C 20 Minuten backen.Neue Kartoffeln braucht man nicht zu schälen.In der Zwischenzeit die Lauchzwiebeln waschen und in ca. 2 cm große Stücke schneiden. Die Tomaten halbieren oder vierteln (je nach Größe) und das Fleisch in größere Stücke schneiden.Alles in einer großen Schüssel mit dem Pesto vermischen und mit Salz und Pfeffer würzen.Die Kartoffeln aus dem Ofen nehmen, mit dem Hähnchen-Gemüse-Mix vermengen und wieder aufs Blech geben.Die Backzeit beträgt jetzt noch ca. 30 Minuten Nach der halben Zeit alles nochmal durchmischen. | 234,948 |
0 | Ich war wieder am Rande des Weges emporgestiegen und blickte unverwandt
dem Wägelchen nach, wie es durch den staubenden Sand dahinzog. Immer
schwächer hörte ich das Gebimmel des Glöckchens; einmal noch sah ich ein
weißes Tüchelchen um die Kisten flattern; dann allmählich verlor es sich
mehr und mehr in den grauen Herbstnebeln.--Da fiel es plötzlich wie eine
Todesangst mir auf das Herz: du siehst sie nimmer, nimmer wieder!--"Lisei!"
schrie ich, "Lisei!"--Als aber dessenungeachtet, vielleicht wegen einer
Biegung der Landstraße, der nur noch im Nebel schwimmende Punkt jetzt
völlig meinen Augen entschwand, da rannte ich wie unsinnig auf dem Wege
hintendrein. Der Sturm riß mir die Mütze vom Kopf, meine Stiefel füllten
sich mit Sand; aber so weit ich laufen mochte, ich sah nichts anderes als
die öde baumlose Gegend und den kalten grauen Himmel, der darüberstand.
--Als ich endlich bei einbrechender Dunkelheit zu Hause wieder angelangt
war, hatte ich ein Gefühl, als sei die ganze Stadt indessen ausgestorben.
Es war eben der erste Abschied meines Lebens. | 234,949 |
0 | Es herrscht unter der Menschheit eine zweifache Ansicht: die Einen sagen,
man solle recht wenig trinken und besonders nichts während der Mahlzeit;
Andere dagegen behaupten, man solle bei jeder Speise eine Zugabe von
Flüssigkeit zu sich nehmen, Wasser, Bier oder Wein. Was mag wohl das Rechte
sein? Ich will es dir, lieber Leser, auseinandersetzen. Die Speise, die du
in dich aufnimmst, muß zuerst von den Zähnen gut verarbeitet werden, je
gründlicher, desto besser; -- denn _gut gekaut ist halb verdaut_. -- Die
Speise muß ferner mit Speichel vermischt werden; im Mund sind mehrere
Drüsen, die den Mundspeichel absondern. Wenn nun die Speisen gegen die
Drüsen drücken, so fließt der Speichel aus und vermischt sich mit der
gekauten Speise. Je besser die Speisen mit Speichel vermischt werden, um so
besser sind sie vorbereitet für den Magen. In diesem werden die
aufgenommenen Speisen mit Magensaft vermischt, und je inniger die
Vermischung, um so besser wird auch die Verdauung sein; denn der Magensaft
muß ja die Speisen zersetzen und auflösen, die weichsten wie die
härtesten. Außer diesen zwei Umwandelungen der Speisen im Mund und im Magen
finden noch mehrere andere im Darmkanal statt bis der Speisebrei so
zersetzt ist, daß die Natur das für sie Nothwendige ausziehen kann. Es wird
also Derjenige nicht recht thun, der die Speisen, ohne sie ordentlich zu
zerkauen, verschluckt. Müssen aber die Speisen mit dem Magensaft vermischt
werden, so fragt es sich: Wird Dieß ebenso gut geschehen, wenn man während
des Essens öfters trinkt, als wenn man nicht trinkt? Trinkt Jemand beim
Essen, dann werden nothwendiger Weise die Speisen zuerst mit dem Getränke
vermischt, und in Folge davon können die Magensäfte nicht mehr so
eindringen in die Speisen, weil sie bereits mit Flüssigkeit durchtränkt
sind. Wer ein Tuch roth färben will, wird dieses Tuch nicht erst in's
Wasser tauchen, ehe er's in die rothe Farbe legt. Wie dünn werden ferner
die Magensäfte, wenn sie fünf bis sechs Mal, ja noch öfter mit Flüssigkeit
vermischt werden! Sind aber die Magensäfte zu sehr verdünnt, so haben sie
keine Kraft mehr, die Speisen zu verarbeiten. Dann kann aber auch die Natur
nicht Alles bekommen, was in den Speisen enthalten ist; es wird ein großer
Theil der Speisen unaufgelöst und unausgenützt abgehen. Der allein richtige
Grundsatz ist: Trinke, wenn dich dürstet; denn der Durst sagt dir, es fehle
an Flüssigkeit für die Magensäfte. Dürstet dich nicht, so sind deine
Magensäfte schon dünn genug; dann laß das Trinken bleiben! | 234,950 |
1 | Prozess gegen „Revolutionäre Zellen“: „Es waren harte Zeiten“
Sie versteckten sich 24 Jahre, jetzt stehen sie vor Gericht. 2010 traf die taz die ehemaligen Mitglieder der „Revolutionären Zellen“ Sonja Suder und Christian Gauger. Eine Dokumentation.
Fahndungsfotos von Sonja Suder und Christian Gauger aus dem Jahr 1978. Bild: dapd
taz: Frau Suder, Herr Gauger, wann merkten Sie erstmals, dass Sie observiert werden?
Sonja Suder: Es war im Sommer 1978. Wir waren gerade vom Urlaub aus Südfrankreich zurück nach Frankfurt gekommen. Wir sind um 6 Uhr morgens los, um unseren Stand auf dem Flohmarkt am Eisernen Steg am Mainufer aufzubauen.
Und da merkten Sie, dass Ihnen jemand folgt?
Suder: Um sechs Uhr morgens ist es auffällig, wenn jemand von deiner Haustür bis zum Flohmarkt hinter dir ist und dann selber keinen Stand aufbaut. Wir haben das am Nachmittag überprüft, und da war es klar: Wir werden überwacht. Es wurde ein heißer Sommertag in Frankfurt am Main, ich glaube im August. Und wir mussten eine Entscheidung treffen.
Warum?
Na ja. Es waren harte Zeiten, ein Jahr nach der Schleyer-Entführung und den Toten in Stammheim. Wir beschlossen wegzugehen.
Rückblende
1978. Wer erinnert sich an 1978, das Jahr, in dem Sonja Suder und Christian Gauger von der Bildfläche verschwanden, um die nächsten 22 Jahre lang unauffindbar zu bleiben? Das Jahr, in dem Argentinien die Fußball-WM gewann. Oder in dem die heutige Vizechefin der Partei Die Linke, Katja Kipping, geboren wurde. Die DDR gab es noch, und Westeuropa befand sich in der Spätphase der Achtundsechzigerbewegung. In Nicaragua stürmten die Sandinisten den Nationalpalast, in Italien ermordeten die Roten Brigaden den Christdemokraten Aldo Moro.
Und in der Bundesrepublik Deutschland macht sich im Juni 1978 ein - nach Ansicht der Staatsanwaltschaft - Bekannter von Sonja Suder und Christian Gauger daran, eine Bombe am Konsulat Argentiniens in München zu platzieren. Herrmann F. hieß er und soll wie Suder und Gauger im Umfeld der sogenannten Revolutionären Zellen agiert haben. Die RZ waren für den Staatsschutz schwer einzuschätzen, da sie nach ihrer Spaltung 1976/77 ohne erkennbare Steuerung agierten. Die Gruppierung propagierte Anschläge mit Sachschäden und versuchte, anders als die RAF, Opfer zu vermeiden.
Suder und Gauger sollen, sagt die Staatsanwaltschaft heute, 1977 an zwei Anschlägen gegen Firmen, die Urangeschäfte mit Südafrika machten, sowie einem Brandanschlag aufs Heidelberger Schloss 1978 beteiligt gewesen sein. Am 15. September 1978 erließ ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof deshalb Haftbefehl gegen die zwei.
Falls sich Gauger, Suder und F. tatsächlich kannten, wie die Staatsanwaltschaft glaubt, dann dürften sie sich 1978 darin einig gewesen sein, Argentinien als Unrechtsstaat zu betrachten. Die Militärs hatten dort 1976 geputscht und in der Folge über 30.000 Menschen ermorden lassen. In diesem Land fand unter skandalösen Umständen die Fußballweltmeisterschaft statt. Und die sozialliberale Koalition in Bonn tolerierte Geschäfte deutscher Firmen mit der argentinischen Diktatur, während sie in argentinische Folterhaft geratenen deutschen Staatsbürgern nur zögerlich half.
Es gab also wahrnehmbare Missstände, auch wenn nur wenige wie Hermann F. deshalb versuchten, ein Loch in die Mauer des argentinischen Konsulats zu bomben. Zu dem Anschlag auf das Konsulat kam es nie. Für Hermann F., den mutmaßlichen Bekannten Suders und Gaugers, verlief die Vorbereitung fatal. Der Sprengsatz explodierte am 23. Juni in Heidelberg vorzeitig, F. verlor beide Beine und Augen.
GeschichteUntergetaucht: Im Sommer 1978 bemerken Sonja Suder und Christian Gauger in Frankfurt, dass sie beschattet werden. Sie setzen sich ins Ausland ab und nehmen eine falsche Identität an. Vermutlich lebten sie dann in Frankreich, zuletzt in Lille im Norden des Landes. 1997 erleidet Gauger einen Schlaganfall und verliert seine Erinnerung – an die falsche und an die wahre Identität.Aufgeflogen: Im Jahr 2000 werden sie entdeckt und vor einem Hotel in Paris festgenommen. Getrennt verbringen sie einige Monate in Untersuchungshaft.Prozess: Seit Freitag stehen die beiden ehemaligen Mitglieder der Revolutionären Zellen Christian Gauger und Sonja Suder in Frankfurt wegen der Beteiligung an mehreren Anschlägen in den 70er und 80er Jahren vor Gericht. Suder soll zudem an der Geiselnahme bei der OPEC-Konferenz in Wien 1975 beteiligt gewesen sein.
Der Schwerverletzte wurde damals offenbar noch in der Uniklinik Heidelberg von Fahndern vernommen. Über Wochen und Monate hinweg, sagen Freunde und Anwälte, isolierten die Ermittler F., um an Informationen über die Organisationsstruktur der Revolutionären Zellen zu gelangen. Auch über Suder und Gauger. Die Ermittler protokollierten, was ihnen F. unter Medikamenteneinfluss und ohne Rechtsbeistand eigener Wahl gesagt haben soll - und was er später widerrief.
Wenige Wochen nach F.s Unfall bemerkten Suder und Gauger die Observationsteams in Frankfurt - und entzogen sich ihnen. Seither sollen sie irgendwo im Ausland gelebt haben und - so sie es vorher waren - nicht mehr im Zusammenhang mit den RZ aktiv gewesen sein.
Der Tatverdacht gegen Suder und Gauger "stützt sich im Wesentlichen auf die Angaben des Zeugen F. von 1978," bestätigt die Frankfurter Staatsanwaltschaft jetzt auf Nachfrage. Erst 1999 kam laut der Behörde ein weiterer Verdacht gegen Sonja Suder hinzu. Vorwurf: Beteiligung am Opec-Überfall 1975 in Wien und Beihilfe zum Mord. Die Verjährungsfrist für die Anschläge, die Gauger und Suder ursprünglich zur Last gelegt wurden, beträgt 20 Jahre. Sie wäre 1998 verstrichen. Doch, so sagt die Staatsanwaltschaft, die Verjährung sei "mehrfach unterbrochen" worden und sie könne "maximal bis zur doppelten Zeit - also 40 Jahre - laufen". Aus einer Brandstiftung von 1978 (Verjährungsfrist: 10 Jahre) kann eine menschengefährdende Brandstiftung (Verjährungsfrist: 20 Jahre) werden und die Verjährungsfrist auf 40 Jahre ausgedehnt werden.
2000 kam es zur spektakulären Enttarnung und Festnahme der beiden "RZ-Rentner" in Paris, wie sie genannt wurden. Seither ringen deutsche und französische Behörden zäh um Suder und Gauger. 2001 wies Frankreich ein Auslieferungsbegehren der Deutschen ab. Nun könnte sich das Blatt aufgrund des neuen EU-Haftbefehls gegen die zwei Siebziger-Jahre-Linken wenden. Im Moment liegt der Fall beim französischen Verfassungsgericht. Ob Frankreich ausliefert, ist völlig ungewiss.
2010. Paris, St. Deniz, nahe der Universität 8. Auf sehr kleinen Grundstücken stehen sehr kleine Häuser, in der Ferne sieht man die Kulisse einiger Hochhäuser. Ein nasskalter Tag, kaum Menschen auf den Straßen. In einem der Häuschen, oder besser gesagt: in einem winzigen Teil eines dieser Häuschen leben seit ihrer Enttarnung und vorübergehenden Inhaftierung Sonja Suder und Christian Gauger. Sonja Suder ist mittlerweile 77 Jahre alt, Christian Gauger 68. Sie waren schon vor ihrer Flucht 1978 ein Paar. Es ist das erste Mal, dass sie mit der deutschen Presse sprechen. Es gibt Tee und Gebäck zum Gespräch. Ihre Wohnküche ist keine 16 Quadratmeter groß.
Wie ist das, wenn man deutsche Firmen wegen ihrer Geschäfte mit dem Apartheidstaat Südafrika attackierte, dann abtauchte, ein klandestines Leben in Frankreich führte, um Jahrzehnte später enttarnt und verhaftet zu werden? Suder und Gauger lächeln. Darüber reden sie nicht. Die beiden suchen das Gespräch mit der taz unter der Voraussetzung, dass sie keine Fragen beantworten müssen, die für die Verfahren juristisch relevant sein könnten. Sie sagen nicht, ob und, wenn ja, wofür sie Verantwortung tragen.
***
taz: Wie lange leben Sie schon im Exil?
Sonja Suder: Seit 1978.
Sie haben vorher in Frankfurt am Main gelebt?
Suder: Ja, ich hab Medizin studiert. Als wir weg sind, war ich fast fertig.
Wie alt waren Sie damals?
Suder: Da muss ich um die 45 gewesen sein.
Und Sie, Herr Gauger?
Christian Gauger: Ich hab auch in Frankfurt gelebt. Ich hatte ein Diplom in Psychologie und bei den Sonderpädagogen an der Uni gearbeitet.
Als wissenschaftlicher Mitarbeiter?
Gauger: Nein, als wissenschaftlich Bediensteter. So hieß das damals.
***
Gauger mustert den Journalisten. Er nippt an seiner Tasse, trinkt wie Suder Kräutertee, ist konzentriert, ruhig. Sein schneeweißes Haar hat er hinten zum Zopf zusammengebunden, das Gesicht rahmt ein kurz geschnittener weißgrauer Bart. Mit seinem Blümchenhemd und dem leichten hessischen Dialekt könnte er direkt aus einem Antiquariat in Frankfurt-Bockenheim marschieren. Sonja Suder hat die Gesprächsführung. Ihre 77 Jahre merkt man ihr nicht an. Eine agile, lebhafte und spontane Persönlichkeit mit resoluter Stimme, schwarz und sportlich gekleidet, und mit kürzerem, dunklem Haar.
Das Zimmer in St. Deniz ist mit gebrauchten Holzmöbeln eingerichtet, gemütlich und unaufwendig, so wie man es aus vielen Wohngemeinschaften der Alternativszene kennt. Antikonsumismus scheint eine praktische Ideologie für das spartanische Leben in der Klandestinität, ohne Rente und festes Einkommen. Neben Büchern fallen unzählige Messerbänkchen in den Regalen auf.
Messerbänkchen benutzt man in Frankreich gern zur Ablage des Bestecks zwischen den Gängen, um den Tisch nicht zu beschmutzen. Sie sind aus Porzellan und Edelmetall, aus verschiedenen Mineralien, schlicht oder kunstvoll gefertigt. Jeder Mensch hat ein Hobby, und das Sammeln von Messerbänkchen ist das von Christian Gauger. Er erzählt langsam, fast schleppend. 1997 hatte er einen Schlaganfall und musste wiederbelebt werden.
***
taz: Wie war die Situation, als Sie im Jahr 2000 festgenommen wurden?
Suder: Wir waren gerade in Paris und sind aus dem Hotel rausgekommen. Es ging alles sehr schnell: Hände hoch! Und dann Arme und Gesicht zur Wand.
Französische Polizei?
Suder: Ja. Französische Polizei.
Keine Deutschen dabei?
Suder: Nee, erst später im Bullenrevier, da waren dann auch Deutsche dabei. Die haben sich zwar nicht sehen lassen, du hast sie aber gehört, wie sie miteinander sprachen.
Ist es Ihnen wichtig, dass wir von "Bullen" reden?
Suder [lacht]: Nein, wir können auch Polizei sagen.
Hatten Sie damit gerechnet, 2000 geschnappt zu werden?
Suder: Nee. Nicht zu diesem speziellen Zeitpunkt, auch wenn du eine Einstellung zu deinem Leben hast, als könne es jederzeit passieren. Man weiß ja nie, was gerade tatsächlich läuft. Insofern rechnest du prinzipiell damit.
Also, es gab keinerlei konkrete Hinweise, die Sie bemerkten?
Suder: Nee. Obwohl die sicher schon eine Weile an uns dran waren.
Wissen Sie, wie man Sie nach 22 Jahren aufspüren konnte?
Suder: Es ist unklar. Wir hatten damals ein Treffen mit einer Verwandten. Vielleicht haben sie sich irgendwie an die drangeklemmt.
Meinen Sie, Sie hatten die ganzen Jahre ein Zielfahndungskommando am Hals?
Suder: Ich glaube, nicht. Bis zu den Aussagen von Hans-Joachim Klein 1998/99 waren wir zeitweise wohl nicht einmal europaweit zur Fahndung ausgeschrieben. Das muss sich danach geändert haben.
Hans-Joachim Klein war am Opec-Überfall in Wien 1975 beteiligt. Er distanzierte sich danach vom Terrorismus, wurde aber erst 1998 von Zielfahndern in Frankreich gestellt. Nach seiner Verhaftung behauptete er 1999 erstmals, Sonja Suder könne als Logistikerin am Opec-Anschlag beteiligt gewesen sein. Bis 1999 gab es keinen internationalen Haftbefehl?
Suder: Nein, das sagen unsere Anwälte. Deswegen haben wir wahrscheinlich vorher auch ziemlich unsere Ruhe gehabt.
Herr Gauger, Sie halten sich sehr zurück? Möchten Sie an unserem Gespräch nicht richtig teilnehmen?
Gauger: Ich habe an vieles keine eigene Erinnerung. Ich hatte einen Schlaganfall und lag im Koma.
Wann war das?
Suder: 1997.
Gauger: Ich hatte einen Herzstillstand. War praktisch tot. Sonja hat mich wiederbelebt. [Herzstillstand und Schlaganfall und die damit einhergehende Beeinträchtigung von Gehirn und Erinnerungsvermögen bestätigen medizinische Gutachten aus Frankreich.]
War Ihre falsche Identität so gut, dass Sie ärztliche Betreuung in Anspruch nehmen konnten?
Suder: Mussten! Allein wegen der Kontrolle und der Medikamente. Die Reha hab ich dann selber mit ihm gemacht. Das war schon eine sehr blöde Situation.
Und Sie flogen nicht auf?
Suder: Nein. Manchmal hat man zwar tief Luft geholt, aber bei unserem Alter, da sind die Leute nicht mehr so misstrauisch.
Gauger: Ich hatte vollständig meine Erinnerung verloren.
Aber Sonja Suder haben Sie wiedererkannt?
Suder: Was mich auch gewundert hat, muss ich sagen.
Gauger: Aber ich hab vorher nicht gewusst, dass sie existierte, erst als sie ins Zimmer zurückkam, hab ich sie erkannt.
Was ist das für ein Gefühl, wenn man alles vergessen hat, im Untergrund lebt und einer einzigen Person vertrauen muss, die einen lehrt, wer man ist?
Gauger: Da kam irgendwann die Furcht: Oh Scheiße, was ist, wenn ich jetzt blöd bleibe. Als ich diese Furcht bekam, war das aber auch zugleich der Punkt, an dem ich merkte, dass ich jetzt wieder selber denken kann. Das hat ein Weilchen gedauert.
Sonja Suder musste Ihnen auch erzählen, weswegen Sie im Untergrund lebten?
Gauger: Ja. Aber ich weiß natürlich nicht, ob sie mir alles erzählt hat. Das weiß ich einfach nicht.
Suder: Das kannst du ja auch nicht. Du kannst ja nicht ein ganzes Leben erzählen. Wenn jemand fragt und wenn man mit bestimmten Reha-Büchern arbeitet, kann man einiges re-erzählen, aber man darf ja auch einen Kopf nicht überhäufen. Das geht Stückchen für Stückchen.
1997 und 2000 - zwischen Herzstillstand und Verhaftung lag gar nicht so viel Zeit.
Suder: Ja, aber er war schon stabilisiert. Der Punkt, von dem er vorhin sprach, das war nach anderthalb Jahren Reha. Aber bis heute fragt mich der Christian nach Dingen aus seiner Vergangenheit, und wir setzen die Reha praktisch fort.
Sie sind nach der Verhaftung sofort getrennt worden?
Suder: Ja, sofort.
Haben Sie noch Familie in Deutschland?
Suder: Ja. Wir haben beide zu unseren Schwestern Kontakt.
Herr Gauger, dann können Sie also jetzt selbstständig überprüfen, ob es stimmt, was Ihnen Frau Suder erzählt hat?
Gauger: Ja, zumindest das ist leichter geworden.
Wie war Ihre Lage bei den Vernehmungen nach der Verhaftung?
Suder: Wenn du vorher ausgemacht hast: "Wenn einmal was passiert, dann kein Wort, keine Aussage", dann hast du ein sehr sicheres Gefühl.
Wie lange waren Sie beim ersten Verfahren 2000/2001 in Untersuchungshaft?
Suder: Nicht ganz drei Monate. Christian saß in Paris, das Frauengefängnis war außerhalb.
War dies Ihr erster Aufenthalt im Gefängnis?
Suder: Ja, ich war Ende 60, Christian Anfang 60.
Wie war das im Gefängnis?
Suder: Man sagt, die französischen seien die schrecklichsten Gefängnisse der Welt. Aber ich kann das nicht sagen. Ich kam in eine Zelle und hatte ganz normalen Hofgang. Ich bin gleich auf ein paar Baskinnen gestoßen. Von da an wurde mir alles, was ich brauchte, wie von allein organisiert, natürlich unter der Hand. Ich war also gleich ein bisschen privilegiert. Diese Solidarität war faszinierend.
Was war das Belastendste im Gefängnis?
Suder: Eigentlich der Krach. An jedem Zugang sind Eisentüren, die permanent aufgeschlossen und wieder zugeknallt werden. Das ist ein fortwährendes Knallen. Ein unglaublicher Krach. Das Eingeschlossensein selber war für mich nicht so schlimm, da befasst du dich ja auch vorher schon ein wenig mit. Du musst sofort schauen, das man etwas tun kann, Sport treiben, lesen.
Herr Gauger, wie ging es Ihnen?
Gauger: Beim Hofgang ist gleich einer auf mich zugekommen. Der wusste schon Bescheid. Da war ich dann immer mit dem und noch einem anderen zusammen beim Hofgang. In der Zelle waren wir zu dritt. Unangenehm waren die Stockbetten. Im dritten oben, das ist doch ganz schön hoch, da kann dir schwindlig werden. Ansonsten: Mäuse und Kakerlaken, das sind doch Haustiere. Besser als eine weiß gekachelte Einzelzelle, wo du niemanden siehst und hörst.
Was denkt man, wenn man nach mehr als zwanzig Jahren im Exil verhaftet wird?
Suder: Jetzt hat's uns doch noch erwischt.
Gauger: Und ich hab gedacht: Das muss doch nicht sein.
Sie wissen, was Ihnen konkret vorgeworfen wird?
Suder: Drei Anschläge, zwei gegen das Atomprogramm des damaligen Apartheidregimes in Südafrika und ein Anschlag gegen die Stadtsanierung in Heidelberg. Und mir zusätzlich Wien. Diese Opec-Geschichte. Und damit die Behauptung: Beihilfe zum Mord. In Frankreich wäre auch dies verjährt. Das Einzige, was hier nicht verjährt, sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Überraschte Sie der Vorwurf der Beteiligung am Opec-Anschlag?
Suder: Ja.
***
Rückblende
1975. Kleins Festnahme 1998 kam genauso aus heiterem Himmel wie seine Behauptungen von einer Tatbeteiligung Suders. Klein hatte im Dezember 1975 einem Kommando unter Führung von Ilich Ramírez Sánchez, genannt "Carlos", angehört, das in Wien für den Tod von drei Menschen verantwortlich war. Dem bei der Aktion selber angeschossenen Klein gelang mit anderen Kommandomitgliedern und Opec-Ministern als Geiseln die Flucht.
1976 entführte dann ein deutsch-palästinensisches Kommando eine Air-France-Maschine nach Entebbe; dabei starben Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, die als Köpfe der frühen RZ gelten. Die RZ formierten sich danach neu und gingen auf Distanz zu nahöstlichen Gruppierungen und Gestalten wie Carlos. Sie kritisierten Antiamerikanismus und Antizionismus in der "antiimperialistischen Linken" und propagierten Anschläge, die keine Todesopfer fordern sollten.
Auf Nachfrage bestätigt die Staatsanwaltschaft Frankfurt heute, dass es bis 1999 und außer Kleins Aussagen keinerlei Hinweise gegeben habe, Suder könne in die frühe Phase der RZ bis 1976 involviert gewesen sein. Klein, dessen Glaubwürdigkeit oft mit der des ehemaligen RAF-Mitglieds und -Geschichtenerzählers Peter-Jürgen Boock verglichen wird, bezichtigte 1999 RZ-Mitglieder und andere Personen, am Wiener Opec-Überfall beteiligt gewesen zu sein.
Rudolf Schindler wurde deswegen bereits 2001 vor dem Landgericht Frankfurt der Prozess gemacht. Und er wurde, entgegen Kleins Aussagen, vom Vorwurf der Mittäterschaft am Opec-Überfall freigesprochen. Das Gericht bezweifelte Kleins "Identifizierungssicherheit bei der Lichtbildvorlage vom 2. 9. 1999". Bei dieser beschuldigte er neben Schindler auch Suder, "obwohl er diesbezüglich zuvor nie von einer weiteren Frau gesprochen hat", befand das Gericht schon 2001. Außer Kleins Aussagen hat die Staatsanwaltschaft auch heute nichts gegen Suder in Sachen Opec in der Hand.
***
taz: Wie präsent waren Ihnen all die Jahre die Vorwürfe aus den Siebzigern, aus einer immer weiter zurückliegenden Phase Ihres Lebens? Konnten Sie ein normales Leben führen?
Suder: Erst mal nicht. Da schaust du ja immer, ob jemand hinter dir her ist. Deutsch spricht.
Gauger: Möglichst kein Kontakt zu Deutschen, das ist sehr wichtig.
Frau Suder, Herr Gauger, kam Ihnen in all den Jahren nicht auch einmal in den Sinn: Die Geschichte liegt so lange zurück, was soll das, wir wollen zurück und stellen uns der Vergangenheit?
Suder: Also mir nicht. Und dir, Christian?
Gauger: Doch, wenn die Haftbefehle aufgehoben worden wären.
Suder: Sehr witzig. Jetzt ist aber klar: Sollte Frankreich dem Auslieferungsbegehren stattgeben, werden wir uns dem Verfahren in Deutschland stellen.
Die Gruppierung, der Sie angehört haben sollen, hat sich Anfang der Neunzigerjahre endgültig aufgelöst. Hatte das zuletzt irgendwelche Auswirkungen auf das Verfahren?
Suder: Juristisch keine. Nachdem die neue EU-Rechtsprechung kam, sind wir 2007 ein zweites Mal in Frankreich verhaftet worden. Christian für vierzehn Tage und ich für einen Monat. Und seit 2009 müssen wir täglich mit der Auslieferung rechnen, obwohl das französische Gericht eine Auslieferung 2001 bereits abgelehnt hatte.
Nach Ihrer Enttarnung im Jahr 2000 und der Niederschlagung des Auslieferungsverfahrens lebten Sie in Paris erstmals wieder legal. Wie war das für Sie?
Suder: Wenn du ständig mit einer Legende lebst, kannst du keine wirklichen Freundschaften aufbauen. Wir lebten all die Jahre eher zurückgezogen. In Paris hatten wir zunächst gar keine Kontakte. Unsere Anwältin hatte dann für uns einen italienischen Genossen aufgetrieben, damit wir überhaupt eine Wohnadresse vorweisen konnten, um aus dem Gefängnis rauskommen zu können. Dann hat uns eine sehr nette Frau aufgenommen.
Ich glaube, in Deutschland wäre das alles etwas schwieriger gewesen. Aber die republikanische Kultur in Frankreich hat eine reiche, jahrhundertealte Tradition, Exilanten einen Zufluchtsort zu geben. Menschen, die wir nicht kannten, haben uns für ein halbes Jahr ihr Haus überlassen, sind in ihr Haus nach Südfrankreich gefahren und so konnten wir uns erst mal hier in Paris eine eigene Wohnung suchen.
Die haben uns und unsere Geschichte praktisch kaum gekannt und haben einfach geholfen. Wir waren auch schnell integriert in die große italienische Exilszene um die geflüchteten Militanten aus den Siebzigern, mit ihren Diskussionen und Festen. Sie sind sehr solidarisch. Da haben wir viel Glück gehabt. | 234,951 |
0 | Omnisport
Bild 1/51 - Biss mit Folgen: Luis Suarez wird nach seinem Ausraster gegen Italien lange gesperrt
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Bild 2/51 - 13. Juli, Finale, Deutschland - Argentinien 1:0. Mario Götze trifft in der 113. Minute und schießt Deutschland den vierten Stern vom Himmel.
AFP
Bild 3/51 - 12. Juli, Spiel um Platz drei, Brasilien - Niederlande 0:3. Noch so ein schwarzer Abend fürs Gastgeberland, das sich auf fürchterliche Art und Weise von der Heim-WM verabschiedet. In Brasilia spielt die Selecao fast schon lustlos, die Niederlande haben leichtes Spiel.
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Bild 4/51 - 09. Juli, Halbfinale, Niederlande - Argentinien 2:4 n.E. In einem von Taktik geprägten Spiel, in dem sich beide Mannschaften wenig zutrauen, muss das Elferschießen her. Dort versagen Vlaar und Sneijder für Oranje - damit steht Argentinien im WM-Finale gegen Deutschland.
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Bild 5/51 - 08. Juli, Halbfinale, Brasilien - Deutschland 1:7. Ein WM-Halbfinale für die Ewigkeit. Brasilien kommt mit den eigenen Nerven nicht klar, spielt wie eine Schülermannschaft, Deutschland nutzt die Fehler gnadenlos aus und spielt sich in einen Rausch.
AFP
Bild 6/51 - 5. Juli, Viertelfinale, Argentinien - Belgien 1:0. Ein Schuss, ein Tor, der Gonzalo! Higuain schießt die Argentinier gegen dei schwachen Belgier in einem mäßigen Spiel in Brasilia ins Halbfinale.
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Bild 7/51 - 4. Juli, Viertelfinale, Deutschland - Frankreich 1:0. Viel Arbeit, viel Willen - große Belohnung. Dank eines Kopfballs von Mats Hummels unter die Latte schlägt Deutschland die starken Franzosen und steht im Halbfinale.
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Bild 8/51 - 1. Juli, Achtelfinale, Belgien - USA 2:1 n.V. Kevin de Bruyne trifft in der 93. Minute zum 1:0 für Belgien. Es ist der 30. Torschuss für die "Roten Teufel". Die USA wacht zu spät auf - Klinsmanns Kicker scheiden aus.
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Bild 9/51 - 1. Juli, Achtelfinale, Argentinien - Schweiz 1:0 n.V.
Die Schweizer liegen weinend am Boden, Argentinien jubelt. Bis zum Ende kämpfen die Schweizer und haben große Chancen, dann zerstört di Maria in Minute 118 alle Träume.
dpa
Bild 10/51 - 30. Juni, Achtelfinale, Deutschland gegen Algerien 2:1 nach Verlängerung. Zittern, zittern, zittern - die deutsche Mannschaft erlebt in Porto Alegre einen harten Kampf. Schürrle erlöst das DFB-Team.
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Bild 11/51 - 30. Juni, Achtelfinale, Frankreich - Nigeria 2:0. Elf Minuten vor Schluss köpft Paul Pogba Frankreich in Führung. Nigeria ist bis zu diesem Zeitpunkt besser, gibt sich dann aber auf. Frankreich steht im Viertelfinale.
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Bild 12/51 - 29. Juni, Achtelfinale, Costa Rica - Griechenland 6:4 n.E. Erst kurz vor Schluss gleicht Griechenland aus, im Elfmeterschießen scheitert dann der ehemalige Bundesliga-Torschützenkönig Theofanis Gekas.
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Bild 13/51 - 29. Juni, Achtelfinale, Niederlande - Mexiko 2:1. Fünf Minuten reichen Oranje, um Mexiko aus dem Turnier zu schießen. Klaas-Jan Huntelaar ist mit einem Tor und einer Vorlage der Matchwinner.
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Bild 14/51 - 28. Juni, Achtelfinale, Kolumbien - Uruguay 2:0. Mit zwei Toren schießt Jungstar James Rodriguez sein Land ins WM-Viertelfinale. Im Maracana gelingt dem 22-Jährigen beim ersten Tor ein Traumtreffer.
dpa
Bild 15/51 - 28. Juni, Achtelfinale, Brasilien - Chile 4:3 nach Elfmeterschießen. Torwartheld Cesar hält im Elfmeterschießen zwei Schüsse und rettet Brasilien damit den Traum vom WM-Sieg im eigenen Land.
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Bild 16/51 - 26. Juni, Gruppe H, Algerien - Russland 1:1. Islam Slimani nutzt den Patzer von Russland-Keeper Igor Akinfejew zum Ausgleich. Die Afrikaner sind weiter und treffen auf Deutschland.
AFP
Bild 17/51 - 26. Juni, Südkorea - Belgien: 0:1. Her mit dem Achtelfinale gegen die USA! Belgiens Jan Vertonghen bejubelt den entscheidenden Treffer. Die Südkoreaner scheiden aus.
dpa
Bild 18/51 - 26. Juni, Gruppe G, Deutschland - USA 1:0. US-Coach Jürgen Klinsmann packt sich DFB-Torschütze Thomas Müller. Der gestikuliert treffend: Was soll's? Wir sind doch beide weiter.
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Bild 19/51 - 25. Juni, Gruppe E, Honduras - Schweiz 0:3. Die wilde Show des jungen Bayern-Stars: Mit drei Toren knallt Xherdan Shaqiri die Schweiz ins Achtelfinale und darf sich feiern lassen.
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Bild 20/51 - 25. Juni, Gruppe E, Ecuador - Frankreich 0:0. Ein hartes Spiel sehen die Fans im Maracana-Stadion in Rio. Durch das Remis scheidet Ecuador aus dem Turnier aus, Frankreich sichert sich den Gruppensieg.
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Bild 21/51 - 25. Juni, Gruppe F, Nigeria - Argentinien 2:3. Lionel Messi macht beim Sieg einen Doppelpack gegen die Afrikaner, den Siegtreffer erzielt Marcos Rojo. Für Nigeria trifft Ahmed Musa zweimal. Beide Teams sind weiter.
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Bild 22/51 - 25. Juni, Gruppe F, Bosnien-Herzegowina - Iran 3:1. Bosnien-Außenverteidiger Avdija Vrsajevic krönt seine Leistung mit einem Tor. Es ist Bosniens erster WM-Sieg, Iran schießt sein erstes Tor. Trotzdem scheiden beide aus.
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Bild 23/51 - 24. Juni, Gruppe C, Griechenland - Elfenbeinküste 2:1. Griechenland jubelt über den Last-Minute-
Einzug ins Achtelfinale. Elfmeter-Torschütze Samaras lässt sich feiern.
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Bild 24/51 - 24. Juni, Gruppe C, Japan - Kolumbien 1:4. James Rodriguez belohnt sich nach seiner Einwechslung selbst und lupft Kolumbien ins gelbe Glück. Japan scheidet nach großem Kampf aus.
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Bild 25/51 - 24. Juni, Gruppe D, Italien - Uruguay 0:1. Diego Godin (l.) feiert seinen Siegtreffer. Uruguay zieht nach einem skandalträchtigen Spiel ins Achtelfinale ein.
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Bild 26/51 - 23. Juni, Gruppe A, Kamerun - Brasilien 1:4. Superstar Neymar jubelt über einen seiner zwei Treffer gegen Kamerun. Als überragender Mann auf dem Platz führt er sein Team ins Achtelfinale.
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Bild 27/51 - 23. Juni, Gruppe B, Niederlande - Chile 2:0. Leroy Fer (r.) köpft das 1:0 - der Grundstein zum Gruppensieg der Niederländer.
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Bild 28/51 - 23. Juni, Gruppe B, Australien - Spanien 0:3. Beide Teams waren schon ausgeschieden, Spanien verabschiedet sich mit versöhnlichen drei Toren von der WM. Hier erzielt David Villa das 0:1 per Hackentrick.
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Bild 29/51 - 22. Juni, Gruppe H, Südkorea - Algerien 2:4. Islam Slimani startet das Torfestival gegen eine desolate asiatische Abwehr - der erste WM-Sieg Algeriens seit 1982!
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Bild 30/51 - 21. Juni, Gruppe F, Nigeria - Bosnien-Herzegowina 1:0. Alle Hoffnungen ruhten bei der ersten WM-Teilnahme auf Edin Dzeko. Doch im Spiel gegen Nigeria wurde dem Stürmer erst ein Tor verweigert, in der Schlussminute traf er zudem nur den Pfosten. Durch die Pleite ist Bosniens WM-Aus bereits besiegelt.
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Bild 31/51 - 21. Juni, Gruppe F, Argentinien - Iran 1:0. Dieser Messi! Als die schwachen Argentinier damit rechnen, gegen den Iran mit einer Nullnummer leben zu müssen, dreht der Superstar einen wundervollen Distanzschuss ins Tor - und zwar in der Nachspielzeit. Ein herrliches Tor, das Argentinien den zweiten Sieg im zweiten Gruppenspiel beschert.
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Bild 32/51 - 21. Juni, Gruppe H, Honduras - Ecuador 1:2. Der Mann für die Ecuador-Tore bei der WM: Enner Valencia, erzielte erst den 1:1-Ausgleich und markierte dann auch noch den Siegtreffer.
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Bild 33/51 - 20. Juni, Gruppe H, Schweiz - Frankreich 2:5. Oben auf: Olivier Giroud, der Torschütze zum 1:0 für Frankreich lässt sich von seinen Teamkollegen feiern. Es sollte nicht der letzte Treffer der Franzosen in diesem Spiel sein.
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Bild 34/51 - 20. Juni, Gruppe D, Italien - Costa Rica 0:1. Der Kopfball ins Glück: Bryan Ruiz köpft zum 1:0 für Costa Rica ein, lässt sein Team dadurch ins Achtelfinale einziehen und wirft England aus dem Turnier.
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Bild 35/51 - 20. Juni, Gruppe C, Japan - Griechenland 0:0. Dieses Unentschieden hilft keinem der beiden Teams so wirklich weiter. Dafür kann sich Kolumbien dadurch über den Achtelfinal-Einzug freuen.
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Bild 36/51 - 19. Juni, Gruppe D, Uruguay - England 2:1. "Pistolero" Luis Suarez feiert ein Comeback nach Maß und schießt Uruguay mit seinem Doppelpack im Alleingang zum Sieg. Den zwischenzeitlichen Ausgleich für England erzielte Wayne Rooney.
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Bild 37/51 - 19. Juni, Gruppe C, Kolumbien - Elfenbeinküste 2:1. Kolumbiens Sieg-Torschütze Fernando Quintero (l.) feiert seinen entscheidenden Treffer und macht damit die Tür in Richtung Achtelfinale ganz weit auf.
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Bild 38/51 - 18. Juni, Gruppe A, Kamerun - Kroatien 0:4. Die "unbezähmbaren Löwen" sind raus. Schuld ist die eigene Disziplinlosigkeit, die Stürmer Pierre Webo nicht versteht. Kroatiens Bundesliga-Trio Mandzukic, Olic und Perisic macht alle vier Tore.
AFP
Bild 39/51 - 18. Juni, Gruppe B, Spanien - Chile 0:2. Die Champions fahren nach Hause! Sergio Ramos und Spanien scheiden nach der Pleite gegen Chile schon in der Vorrunde aus.
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Bild 40/51 - 17. Juni, Gruppe H, Belgien - Algerien 2:1. Dries Mertens dreht mit diesem Schuss das Spiel endgültig für Belgien gegen tapfer verteidigende Algerier.
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Bild 41/51 - 17. Juni, Gruppe G, Ghana - USA 1:2. Jubel bei den US-Boys! Das Klinsmann-Team gewinnt durch ein spätes Tor von Hertha-Profi John Brooks gegen Ghana.
AFP
Bild 42/51 - 16. Juni, Gruppe F, Iran - Nigeria 0:0. Fußball-Fest? Nicht mit uns! Die Teams aus Iran und Nigeria zeigen Gruselfußball. Kein Wunder, dass am Ende das erste torlose Match dieser WM herauskommt.
AFP
Bild 43/51 - 16. Juni, Gruppe F, Argentinien - Bosnien-Herzegowina 2:1. Entscheidend, aber noch nicht überragend: Lionel Messi führt Argentinien mit Tor und Vorlage zum Auftaktsieg gegen Bosnien.
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Bild 44/51 - 15. Juni, Gruppe E, Frankreich - Honduras 3:0. Drin oder nicht drin? Die Torlinientechnik beweist schließlich: Der Ball zum 2:0 für die Franzosen ist hinter der Linie - eine Premiere.
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Bild 45/51 - 15. Juni, Gruppe E, Schweiz - Ecuador 2:1. Der Moment des Schweizer Sieges. Haris Seferovic dreht zum Jubel ab. Er hat gerade das Last-Minute-Tor zum 2:1 erzielt.
dpa
Bild 46/51 - 15. Juni, Gruppe C, Elfenbeinküste - Japan 2:1. Nachdem der ivorische Superstar Didier Drogba in der 62. Minute reinkam, drehen die Afrikaner das Spiel.
AFP
Bild 47/51 - 14. Juni, Gruppe D, Uruguay - Costa Rica 1:3. Sensation im heißen Fortaleza: Joel Campbell (r.) triumphiert mit Costa Rica über Diego Godins Uruguay.
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Bild 48/51 - 14. Juni, Gruppe C, Kolumbien - Griechenland 3:0. Der Kolumbianer Pablo Armero (2.v.r.) trifft zur Führung in Belo Horizonte und die ganze Mannschaft jubelt.
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Bild 49/51 - 14. Juni, Gruppe B, Chile - Australien 3:1. Alexis Sanchez bringt die Südamerikaner in Führung. Doch der Sieg in der Hitzeschlacht von Cuiaba steht lange auf der Kippe.
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Bild 50/51 - 13. Juni, Gruppe A, Mexiko – Kamerun 1:0. Viel Diskussionsstoff gibt es zwischen dem mexikanischen Trainer Miguel Herrera und dem Schiedsrichter Wilmar Roldán. Der Kolumbianer hatte den Mittelamerikanern zwei reguläre Treffer aberkannt.
AFP
Bild 51/51 - 12. Juni, Gruppe A, Brasilien – Kroatien 3:1. Neymars Doppelpack ebnet Brasilien den Weg zum Auftaktsieg.
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Freitag, 04.07.2014, 10:21
Die WM 2014 ist ein Turnier der Extreme – heftiges Klima, enorme Distanzen. Vor allem die Europäer kämpfen mit den Bedingungen. Alle News zur Weltmeisterschaft, bunte Geschichten, witzige Vorfälle und besonderen Momente lesen Sie hier im Ticker von FOCUS Online.
16.25 Uhr: Fifa-Vizepräsident Julio Grondona hat die Strafe gegen Uruguays Fußball-Nationalspieler Luis Suárez als übereilt kritisiert und eine maßvollere Sanktion angemahnt. "Wer über Luis Suárez entschieden hat, tat dies hastig", sagte der Chef des argentinischen Verbands dem Radiosender Cadena Cope. Es sei eine Angelegenheit, die gründlich analysiert werden müsse. "Die Berufungskommission muss bei seiner Beschwerde berücksichtigen, den Betroffenen zu rehabilitieren anstatt ihn zu töten."Suárez war wegen seiner Beißattacke gegen Italiens Giorgio Chiellini bei der WM in Brasilien vom Weltverband Fifa für neun Pflicht-Länderspiele gesperrt und vier Monate von allen Fußball-Aktivitäten ausgeschlossen worden. Der uruguayische Verband hatte einen Einspruch gegen die Strafe angekündigt, zuletzt hatte sich Suárez öffentlich entschuldigt.
15.04 Uhr:
Twitter/WorldCupProblems
Luis Suarez beißt jetzt auch Flaschen auf
Luis Suarez nutzt seine Zähne nicht nur, um seine Gegner zu beißen. Nein, mit den Beißern des Urus kann man jetzt sogar auch etwas sinnvolles machen: Flaschen öffnen! Dieses lustige Bild vom Suarez-Öffner ist der Hit im Netz - und ein lustiges Geschenk noch dazu.
07.44 Uhr: So ein WM-Aus, das schmerzt... Englands Mittelfeld-Star Steven Gerrard leckt seine Wunden derzeit auf Ibiza. Und lässt die Fans via Instagram am Badespaß mit Frau und Kids teilhaben:
Instagram/stevengerrard
Entspannte Bilder aus dem Urlaub von Steven Gerrard
Der Liverpool-Star war beim Turnier in Brasilien mit seinem Team bereits in der Vorrunde gescheitert.
Instagram/stevengerrard
Relaxen auf Ibiza: Steven Gerrard samt Begleitung
03. Juli, 05.21 Uhr: Der Unfalltod einer 26 Jahren alten argentinischen WM-Journalistin hat auch die Nationalmannschaft um Lionel Messi in ihrem WM-Camp bei Belo Horizonte tief betroffen gemacht. Die angesetzte Pressekonferenz mit zwei Spielern fiel am Mittwoch deswegen aus. "Die Spieler fühlen sich sehr schlecht", sagte Delegationschef Juan Carlos Crespi: "Das ist ein Schmerz für alle." Die verunglückte Frau ist die Tochter eines berühmten Sportjournalisten im Land des zweimaligen Weltmeisters. Sie war am Mittwoch in Brasilien bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Das große Pfosten-Drama des Schweizers Dzemaili
Erst Pfosten, dann raus! WM endet für Schweiz mit bitterem Stolper-Drama
FOCUS Online/Wochit
Dzemaili verpatzt WM-Sensation: Erst Pfosten, dann raus! WM endet für Schweiz mit bitterem Stolper-Drama
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1 | Mittwoch, 09.09.2015, 23:52
Stürzt Deutschlands beliebtester Politiker über eine abgekupferte Doktorarbeit? Die Vorwürfe mehren sich, Verteidigungsminister Guttenberg habe geschummelt und fremde Texte ohne Quellenhinweis kopiert. Jetzt erhebt auch die „FAZ“ schwere Anschuldigungen.
Nach Angaben der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ soll Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Einleitung seiner Doktorarbeit aus einem Artikel in dem Blatt abgeschrieben haben. Der einleitende Absatz der Arbeit decke sich fast wortwörtlich mit einem am 27. November 1997 erschienenen Text der Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig über das Vorbild Amerikas für Europa, berichtet die Zeitung am Mittwoch auf ihrer Homepage. Das Zitat sei bei Guttenberg weder im Text als solches kenntlich gemacht noch sei Zehnpfennig als Quelle angegeben, heißt es. Lediglich im Literaturverzeichnis ist Zehnpfennigs Text aufgeführt. „Das ist eindeutig ein bewusstes Plagiat“, sagte der Dresdner Medienwissenschaftler Stefan Weber gegenüber „FAZ.NET“.Ähnlich äußerte sich der Chefredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) am Sonntag“. „Guttenberg schmückt sich mit fremden Federn“, sagte Felix Müller gegenüber FOCUS Online mit Blick auf einen Artikel in seiner Zeitung aus dem Jahr 2003. Bei einem Textblock aus Guttenbergs Doktorarbeit handele es sich „absolut um ein Plagiat“. Guttenberg solle das zugeben. „In einem zweiten Schritt müsste er eigentlich zu uns kommen und sagen, dass es ihm Leid tut“, forderte Müller eine Entschuldigung.
Uni Bayreuth prüft Plagiatsvorwürfe
Guttenberg erhielt im Jahr 2007 für seine juristische Dissertation an der Universität Bayreuth die Bestnote summa cum laude. Die erhobenen Plagiatsvorwürfe wies er als „abstrus“ zurück. Er sei aber gerne bereit zu prüfen, „ob bei über 1200 Fußnoten und 475 Seiten vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten“; er würde dies bei einer Neuauflage berücksichtigen. Zudem wies Guttenberg daraufhin, dass keiner seiner Mitarbeiter an der Dissertation mitgewirkt habe: „Die Anfertigung dieser Arbeit war meine eigene Leistung.“
Rückendeckung erhielt Guttenberg von seinem Doktorvater Peter Häberle. „Die Arbeit ist kein Plagiat. Sie wurde von mir in zahlreichen Beratungsgesprächen eingehend kontrolliert“, sagte Häberle der „Bild“-Zeitung vom Donnerstag. Im schlimmsten Fall könnte dem CSU-Minister der Doktortitel aberkannt werden.
Die Universität Bayreuth begann am Mittwoch mit der Prüfung der Vorwürfe. Das Verfahren der Dissertation Guttenbergs sei korrekt verlaufen, auch seien renommierte Gutachter daran beteiligt gewesen, erklärte der Dekan der Bayreuther Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Markus Möstl.
jba/dapd/dpa/AFP | 234,953 |
1 | Vergewaltigungsvorwurf gegen Assange: WikiLeaks-Gründer wird befragt
Nach sechs Monaten haben sich Schweden und Ecuador geeinigt: Julian Assange darf von der schwedischen Polizei wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung befragt werden.
Wird in der ecuadorianischen Botschaft befragt: Julian Assange. Foto: ap
QUITO rtr | Ecuador gestattet den schwedischen Behörden, den WikiLeaks-Gründer Julian Assange in der Botschaft des Landes in London zu befragen. Beide Staaten hätten nach sechs Monaten Verhandlungen eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet, teilte die Regierung in Quito am Wochenende mit.
Der 44-jährige Australier Assange lebt seit mehr als drei Jahren in der Botschaft, um einer Auslieferung nach Schweden zu entgehen. Dort wird gegen ihn wegen des Vorwurf der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung ermittelt.
Assange bestreitet die Anschuldigungen und sagte, er befürchte, dass die schwedischen Behörden ihn an die USA ausliefern wollten. Dort könnte er wegen der Veröffentlichung geheimer US-Dokumente durch Wikileaks vor Gericht gestellt werden.
Großbritannien warf Ecuador vor, es behindere die Justiz, indem es Assange Gastrecht in der Botschaft gewähre. | 234,954 |
1 | 61,5 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, ihre Stimme bei der Bundestagswahl abzugeben. Darunter knapp 3 Millionen junge Menschen, die den Bundestag erstmals wählen durften. 2.559 Direktkandidaten bewarben sich in den einzelnen Wahlkreisen um einen Platz im Bundestag. Bundesweit 111 von ihnen sind parteilos. Die Direktkandidaten konnten per Erststimme gewählt werden. 34 Parteien standen mit mindestens einer Landesliste zur Wahl.
Ein sechs-Fraktionen-Parlament
Nach dem vorläufigen Ergebnis (Quelle: Bundeswahlleiter, Stand 5:25 Uhr) sind im neuen Bundestag sechs Fraktionen vertreten. Neben der CDU/CSU (33 %), der SPD (20,5 %), den Linken (9,2 %) und den Grünen (8,9 %) schaffte auch die FDP (10,7 %) wieder den Sprung ins Parlament, erstmalig ist der AfD (12,6 %) der Einzug in den Bundestag gelungen. Die Wahlbeteiligung lag mit 76,2 % fast fünf Prozent höher als bei der letzten Bundestagswahl 2013. Dem neuen Parlament werden mit Überhang- und Ausgleichsmandaten 709 Abgeordnete angehören, 111 mehr als in der vergangenen Legislaturperiode.
Sowohl CDU/CSU (-8,6 %) als auch SPD (-5,2 %) verloren deutlich an Stimmen, Linke (+0,6 %) und Grüne (+0,5 %) konnten ihre Ergebnisse leicht verbessern, zu den Gewinnern gehören die FDP (+ 6 %) und die AfD (+7,9 %).
Vergleich der Sitzverteilung der Bundestagswahlen 2017 und 2013
Weitere Zahlen zur Bundestagswahl 2017 können auf den Seiten des Externer Link: Bundeswahlleiters abgerufen werden. CDU 200 Sitze (2013: 255)darunter 185 Wahlkreissitze (2013: 191) SPD 153 Sitze (2013: 193)darunter 59 Wahlkreissitze (2013: 58) AfD 94 Sitze (2013: - )darunter 3 Wahlkreissitze (2013: - ) FDP 80 Sitze (2013: - )darunter keinen Wahlkreissitz (2013: - ) DIE LINKE 69 Sitze (2013: 64)darunter 5 Wahlkreissitze (2013: 4) GRÜNE 67 Sitze (2013: 63)darunter 1 Wahlkreissitz (2013: 1) CSU 46 Sitze (2013: 56)darunter 46 Wahlkreissitze (2013: 45)
Wahlkampf
Den Schwerpunkt ihres Wahlkampfes setzten die Parteien in ihren Programmen auf Themen wie Steuern, innere Sicherheit, Energie, Bildung sowie die deutsche Asylpolitik. Umstritten waren insbesondere die Haltungen der Parteien zum außenpolitischen Kurs gegenüber der Türkei sowie zum Umgang mit dem sogenannten Diesel-Skandal. Bundeskanzlerin Angela Merkel ging als Spitzenkandidatin der CDU ins Rennen. Merkels Herausforderer war der Sozialdemokrat Martin Schulz. Der SPD-Spitzenkandidat ist seit März 2017 auch Parteivorsitzender, zuvor war er fünf Jahre lang Präsident des Interner Link: Europäischen Parlaments. CSU-Spitzenkandidat war Joachim Herrmann, die CSU unterstützte allerdings die CDU-Spitzenkandidatur Angela Merkels. Die Linke trat mit einem Spitzenduo aus Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch an. Ebenfalls zwei Spitzenkandidaten schickten die Grünen mit Katrin-Göring Eckardt und Cem Özdemir ins Rennen. Für die FDP kandidierte Parteichef Christian Lindner, für die AfD Alice Weidel und Alexander Gauland.
Das Wahlsystem
Bei der Bundestagswahl hat jeder Wahlberechtigte zwei Stimmen: eine Erst- und eine Zweitstimme. Die Erststimme wird auf der linken Hälfte des Stimmzettels, die Zweitstimme auf der rechten Hälfte vergeben. Mit der Erststimme wird der Wahlkreiskandidat gewählt, also der Politiker, der für seine Region in den Bundestag einziehen soll. 299 Wahlkreise gibt es in Deutschland. Der Kandidat, der in seinem Wahlkreis die meisten Erststimmen erhält, gewinnt das Direktmandat und erhält damit einen Sitz im Bundestag. Hierbei genügt die relative Stimmenmehrheit.
Mit der Zweitstimme werden die Landeslisten der Parteien gewählt. Für die Zusammensetzung des Bundestags ist letztlich die Zweitstimme entscheidend, weil sie darüber bestimmt, wie viele Parlamentssitze eine Partei erringt. Parteien ziehen dann in den Bundestag ein, wenn sie mindestens fünf Prozent aller Zweitstimmen oder drei Wahlkreise gewonnen haben. Wenn nicht, verfallen die Zweitstimmen.
Der Bundestag besteht aus mindestens 598 Abgeordneten: aus den 299 direkt gewählte Abgeordneten und mindestens 299 Abgeordneten, die über die Landesliste einer Partei in den Bundestag einziehen. Falls eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate gewonnen hat, als ihr dort Sitze durch die Zweitstimmen zusteht, behält sie diese Sitze jedoch (Überhangmandate). Die entstandenen Überhangmandate werden dann durch ein mehrstufiges System ausgeglichen, sodass anschließend alle Parteien im Bundestag im Verhältnis ihrer Zweitstimmen vertreten sind. Dadurch erhöht sich die Anzahl der Abgeordneten im Bundestag. Der 18. Bundestag hatte deshalb 630 Sitze. | 234,955 |
1 | Neonazi-Gewalt in Sachsen-Anhalt: Angriff mit fatalen Folgen
Neonazis verletzen einen türkischstämmigen Imbissbetreiber in Bernburg lebensgefährlich. Die Polizei ermittelt gegen neun Tatverdächtige.
Tatort Bernburger Bahnhof, Zugang zum Imbiss. Bild: wlf/taz
DRESDEN taz | Ein aus der Türkei stammender Imbissbetreiber ist in der Nacht zum Sonntag auf dem Bahnhof von Bernburg in Sachsen-Anhalt lebensgefährlich verletzt worden. Der 34-Jährige, der seit 13 Jahren in Bernburg lebt, geriet in Konflikt mit neun alkoholisierten jungen Männern, als er sein Schnellrestaurant Alibaba abschließen wollte. Nach Angaben seiner Freundin ließen sowohl die ausländerfeindliche Parolen als auch die Glatzen und Bomberjacken der Männer auf Anhänger der rechten Szene schließen.
Nach verbalen Attacken sollen die Angreifer auf den jungen Türken eingeschlagen und ihn so schwer verletzt haben, dass er in der Universitätsklinik Halle in ein künstliches Koma versetzt werden musste.
Die Mitteldeutsche Zeitung berichtet aus dem Umfeld des Opfers, dass der Imbissbetreiber einen Schädelbruch erlitt und in der Nacht notoperiert wurde. „Nach Auskunft der Ärzte wird er bleibende Hirnschäden behalten“, zitiert das Blatt seinen Bruder. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Magdeburg bestätigte der taz, dass der Schwerverletzte in der Nacht zum Montag noch in Lebensgefahr schwebte. Von zunächst neun festgenommenen Tatverdächtigen befinden sich noch drei in Haft. Sie sind zwischen 24 und 29 Jahren alt. Zwei von ihnen sind der Polizei bereits als „rechtsmotiviert“ bekannt.
Sie gehörten zu einer Gruppe, die aus der Stadt kam und mit einem Bierkasten am Bahnhof eintraf. Als die Beschimpfungen einsetzten, konnte die Freundin des Opfers noch die Polizei alarmieren. Die traf nur zwei Minuten danach am Tatort ein, konnte aber dem Opfer nicht mehr helfen. Gegen die Festgenommenen ermittelt der Staatsschutz. Ihnen wird versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.
Die Grünen in Sachsen-Anhalt lobten die schnelle Reaktion des Bernburger Polizeireviers als „gutes Signal“. Ihr innenpolitischer Sprecher Sebastian Striegel geht nach den Indizien ebenfalls von einem rechtsextremen Angriff aus. Er forderte die Ermittlungsbehörden auf, insbesondere die Motive der Täter zu ergründen. Präventiv sollten die Mittel des Landesprogamms für Demokratie auf drei Millionen Euro aufgestockt werden, um Bildungs- und Beratungsarbeit im Kampf gegen rechts zu verstärken. | 234,956 |
0 | Der Kloß verdrehte die Augen, flüsterte, schlug die roten Deckel zurück,
die, ohne Lider, nur im engen Schlitz sich noch öffneten. »Das ist
ungeheuerlich. Das ist nicht mein Sohn. Das soll ein Mensch sein . . .
Warum erschlägt man das nicht. Ist das Gottes Güte? . . . Mein Sohn, den
ich auf die Steuerschule schickte . . .« | 234,957 |
1 | Rekonstruktion der Mordserie des NSU: Enver Simsek war der erste Tote
Von 2000 bis 2007 ermordete der rechtsextremistische NSU acht türkische Kleinunternehmer, einen griechischen Ladenbesitzer und eine Polizistin. Eine Chronologie.
Die Mordopfer des NSU: (oben, v.l.) Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kilic und die Polizistin Michele Kiesewetter, sowie (unten, v.l) Mehmet Turgut, Ismail Yasar, Theodorus Boulgarides, Mehmet Kubasik und Halit Yozgat. Bild: dpa
9. September 2000: Der Blumenhändler Enver Simsek wird in Nürnberg erschossen. Es folgen der Schneider Abdurrahim Özüdogru (13. Juni 2001, Nürnberg), der Obsthändler Süleyman Tasköprü (27. Juni 2001, Hamburg) und der Gemüseverkäufer Habil Kilic (29. August 2001, München).
10. November 2001: Die überregionale Presse beginnt zu berichten. Die Polizei teilt mit, dass alle vier Morde mit derselben Waffe verübt wurden: einer Ceska, Kaliber 7,65 Millimeter. Die Welt nennt eine Verbindung „in den Rauschgiftbereich“. Die Nürnberger Nachrichten fühlen sich an das „brutale Vorgehen von albanischen Banden“ erinnert, „die Türken für sich arbeiten lassen“.
Dezember 2001: Erstes Phantombild des „Serienkillers“. „Hinsichtlich politischer oder religiöser Motive oder Schulden brachten die Ermittlungen keine Ergebnisse“, schreibt die SZ.
25. Februar 2004: In Rostock wird der Dönerverkäufer Yunus Turgut erschossen. „Eine Verwechslung?“, fragt der Spiegel. Der illegale Migrant sei erst kurz in Rostock und sollte den Dönerstand nur aufschließen.
9. Juni 2005: Wieder Nürnberg: Mord an dem Dönerverkäufer Ismail Yazar. Sechs Tage später wird in München der Grieche Theodorous Boulgarides in seinem Schlüsseldienstladen erschossen. Die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ spricht von „regelrechten Hinrichtungen“. „Als wollten die Mörder ein Zeichen setzen“, so die Frankfurter Rundschau.
15. Juni 2005: Die Polizei sieht keine Verbindung zwischen den sieben Toten. Der Täter nahm nie Geld mit, brauchbare Spuren seien nicht zu finden. „Das spricht für einen Profi“, zitiert Die Welt einen Ermittler und mutmaßt über einen „Auftrag einer aus den Bergen Anatoliens heraus operierenden Bande“, später von einer Istanbuler Handelsfirma, die europaweit in Drogenschmuggel und Menschenhandel verwickelt sei.
16. Juni 2005: Die Polizei verteilt in Nürnberg Steckbriefe: Zwei Radfahrer, die sich sehr ähnlich sehen, sollen Yazar erschossen haben. „Knapp 1,90 Meter groß, dunkelhaarig, schlank“, schreibt die Süddeutsche. „Der eine trug Baseballmütze, der andere Sonnenbrille, beide Rucksack.“ Heute ist bekannt, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos auch zu ihren Banküberfällen mit Fahrrädern und Rucksäcken anrückten. Die Raubzüge begannen 1999. Eine Verbindung wurde offenbar nie gezogen.
23. Juni 2005: Die Polizei prüft eine Verbindung der Mordserie zu einem Nagelbombenattentat am 9. Juni 2004 in Köln. Bei dem Anschlag wurden 22 Menschen, darunter viele Migranten, verletzt. Auffällig: Fotos zur Tatzeit zeigen einen Mann mit Basecap und Fahrrad. Das Kölner Attentat wird später in der Berichterstattung zu der Mordserie wieder ausgeblendet.
6. April 2006: Halit Yozgat wird in einem Internetcafé in Kassel erschossen, mit einer Ceska mit Schalldämpfer - der neunte und letzte Mord dieser Serie. Drei Cafébesucher sagen, nichts mitbekommen zu haben. Ein vierter wird Wochen später aufgetan: ein Beamter des Verfassungsschutzes. „Jetzt gibt es zum ersten Mal einen Verdacht, wer der große Unbekannte sein könnte“, schreibt Die Welt. Die Oberstaatsanwaltschaft wiegelt ab.
15. April 2006: Die Soko Bosporus erhöht die Belohnung für Hinweise auf 300.000 Euro. Der Focus zitiert Soko-Leiter Wolfgang Geier: Die Morde seien „sehr rational, überlegt und planvoll ausgeführt“. Von einem ausländerfeindlichen Hintergrund halte er „überhaupt nichts“. Bild nennt „vier heiße Spuren“: „Drogenmafia, organisierte Kriminalität, Schutzgeld, Geldwäsche“. Für die Frankfurter Rundschau „liegt der Gedanken an einen fremdenfeindlichen Hintergrund nahe“. Jedoch fehlten Indizien, die auf ein politisches Motiv hinwiesen.
30. Mai 2006: Die Ermittler bekämen „vielleicht einen Tee mit Minze, aber keine Antworten auf ihre Fragen“, schreibt das Hamburger Abendblatt über die türkische Community. Auch der Spiegel beklagt: „Die schwer durchdringbare Parallelwelt der Türken schützt die Killer.“ In der Süddeutschen äußert sich ein bayerischer Oberstaatsanwalt über die türkischen Bekanntenkreise der Opfer: Er habe den Eindruck, „da weiß einer mehr, aber er will es uns nicht sagen“. Soko-Chef Geier sagt der Süddeutschen, er habe „angesichts der Mauer des Schweigens“ den Eindruck, dass „die Türken noch nicht in dieser Gesellschaft angekommen sind“.
3. August 2006: In „Aktenzeichen XY … ungelöst“ nennt Moderator Rudi Cerne drei mögliche Hintergründe: „Organisierte Kriminalität“, „Auftragskiller“ oder „haben sich die Opfer selbst in kriminelle Geschäfte verwickelt?“.
7. August 2006: Die Ermittler legen eine radikale Kehrtwende hin: Der Profiler Alexander Horn verwirft die Theorien von kriminellen Netzwerken. Der Täter sei wohl eher ein Serientäter, der seine Opfer zufällig auswähle, nach deren türkischen Erscheinungsbild. „Irgendetwas mag im Umgang mit Türken vorgefallen sein, das ihm extrem negativ oder demütigend erschien“, sagt er der Süddeutschen. Rechtsextremisten schließt er aus: Neonazis könnten kein politisches Kapital aus den Morden schlagen.
11. September 2006: In Kassel demonstrieren mehrere tausend Türken: „Kein 10. Opfer“. Erst jetzt widmet die taz den Morden einen ersten großen Artikel. Die Serie wirke „wie ein dunkles, unheimliches Märchen, das Realität wurde“.
25. April 2007: In Heilbronn wird die Polizistin Michéle Kiesewetter erschossen, ein Kollege schwer verletzt. Eine Verbindung zur Mordserie vermuten weder Polizei noch Medien. Soll für den „NSU“ damit eine neue Serie beginnen? Auf der Bekenner-DVD werden am Ende Fotos von Kiesewetter eingeblendet, der Film stoppt, „DVD 2: Paulchen‘s neue Streiche“, heißt es.
18. Juli 2007: Das türkische Innenministerium appelliert an die „fast drei Millionen in Deutschland lebenden Türken“, bei der Fahndung zu helfen. Nur so könnten weitere Morde verhindert werden.
12. September 2009: Der Spiegel berichtet von einer Verbindung der Morde zur deutschen und türkischen Wettmafia. „Wer nicht zahlen kann, der wird übel zugerichtet.“ Der Anwalt eines verdächtigten Türkens spricht von „Verleumdung“.
Dezember 2009: Die Soko Bosporus, zwischenzeitlich mit 160 Ermittlern, wird aufgelöst. 32 Millionen Handy- und Kreditkartendaten und 11.000 Bürger wurden erfolglos überprüft. Die Frankfurter Rundschau schreibt, „seit RAF-Zeiten haben sich wahrscheinlich nicht so viele Polizisten um einen Fall gekümmert“. Die einzige Spur: die Ceska. Das Modell wird auf acht Exemplare eingegrenzt. Die Waffe sei wohl „Warnung und Visitenkarte“, so Ermittler zur Welt.
21. Februar 2011: Der Spiegel vermutet nun hinter den Taten eine „mächtige Allianz zwischen rechtsnationalen Türken, dem türkischen Geheimdienst und Gangstern“. Im August dieses Jahres legt das Magazin nach: Es gebe einen Zeugen, der die Ermittler zu „einer romantischen Villa nahe des Bodensees führen“ könne. Dort liege die Tatwaffe in einem Tresor. „Alles frei erfunden“, dementiert der Verfassungsschutz. Der Spiegel schreibt: „Die Morde, so viel wissen die Ermittler, sind die Rechnung für Schulden aus kriminellen Geschäften oder die Rache an Abtrünnigen.“
4. November 2011: Nach einem Banküberfall in Eisenach werden in einem brennenden Wohnmobil Böhnhardt und Mundlos gefunden, sie haben sich erschossen. In Zwickau explodiert eine Wohnung, die beide mit Beate Zschäpe bewohnten. Vier Tage später stellt sie sich der Polizei.
11. November 2011: Die Bundesanwaltschaft verkündet, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe die Morde an den Ladenbesitzern und an der Polizistin Kiesewetter verübt haben sollen. In der Zwickauer Wohnung wird die Bekenner-DVD gefunden. | 234,958 |
1 | Assad lässt Großneffen verhaften: Suleiman der Vollmundige
Assads Großneffe soll auf offener Straße einen Autofahrer hingerichtet haben. Nach Protesten will der Machthaber nun seinen Verwandten bestrafen.
Geht jetzt gegen seinen Cousin vor: Syriens Machthaber Baschar al-Assad. Foto: dpa
BERLIN taz | Das passiert nicht alle Tage: Ein Verwandter des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ist festgenommen worden. Nicht etwa, weil er in dem Bürgerkriegsland in Ungnade gefallen ist oder sich gar der Opposition angeschlossen hat, sondern wegen eines Vorfalls im Rahmen eines Überholvorgangs auf der Straße. Eines Vorfalls überdies, der politisch brisant ist.
Suleiman Hilal al-Assad, Sohn eines Cousins des syrischen Machthabers, war Berichten zufolge am Donnerstagabend in der Küstenstadt Lattakia unterwegs, als ein Auto eines hohen Offiziers ihn überholte. Daraufhin habe Suleiman den Luftwaffenoberst in seinem Wagen verfolgt und ihm den Weg abgeschnitten. Dann sei Suleiman al-Assad ausgestiegen und habe den Oberst „mit einer Salve aus einer automatischen Waffe erschossen,“ wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete. Die Festnahme wurde inzwischen von staatlichen Medien bestätigt.
Dass männliches Jungvolk der syrischen Nomenklatura sich gelegentlich auf den Straßen austobt oder sich Autorennen liefert (Verletzte und gelegentlich Tote eingeschlossen), konnte man schon in den achziger Jahren in der Innenstadt von Damaskus beobachten. Doch dieser Vorfall fällt in eine Zeit, die der die mehrheitlich von Alawiten bewohnte Küstenregion zahlreiche Opfer in Assads Krieg zu verzeichnen hat. Hinzu kommt, dass Hassan al-Scheich, der Ermordete, auch noch der Luftwaffe angehörte und, ebenso wie Suleiman al-Assad, ein Alawit war.
Die Tatsache, dass der Präsident laut der regierungsnahen Zeitung Al-Watan bereits angekündigt hat, Suleiman zu bestrafen, „egal, wer er ist“, kann vermutlich darauf zurückgeführt werden, dass Alawiten und Assad-Anhänger nach dem Mord demonstrierten, weil Suleiman nicht gleich festgenommen wurde; einige forderten seine Hinrichtung. Das ist das Allerletze, was der militärisch bedrängte Assad gebrauchen kann: einen inneralawitischen Konflikt in seiner eigenen Hochburg, der Provinz Lattakia.
Doch Suleiman selbst scheint sich keine allzu großen Sorgen zu machen. In seinem Facebook schreibt er vollmundig, bar jeden Schuldbewußts und gekoppelt mit Drohungen: „Ich bin unschuldig und die Wahrheit wird bald enthüllt werden. Und diejenigen, die mich beleidigt haben, werden bestraft werden. (...) Ehe ihr mich bestraft, geht und bestraft diejenigen, die Idlib und Palmyra verraten haben sowie den Justizminister, und wenn jeder seine Strafe bekommt, werde ich auch meine akzeptieren.“ Die Provinzhauptstadt Idlib wurde von einem Bündnis von Rebellengruppen erobert, Palmyra von den Extremisten des „Islamischen Staates“. | 234,959 |
0 | Die Verbindung zwischen beiden blieb über alle Freuden und Leiden des
Lebens hinaus bestehen, wenn es auch zweifellos ist, daß hier, wie im
Verkehr mit Prinzeß Augusta, Jenny die Gebende war, die anderen die
Empfangenden. Ihre Briefe, von denen leider so wenige erhalten blieben,
sind stets die stärksten Emanationen ihrer Seele gewesen. Die Form des
Briefes wählte sie auch da am liebsten, wo ein größeres Publikum der
Adressat war, wie z. B. im "Chaos" und später im "Wilhelmsthaler
Journal". Für die Hofgesellschaft war dies ein literarischer Mittelpunkt
geworden, wie das "Chaos" es für Ottiliens Kreis gewesen war. Manche
jener schwärmerischen Briefe der Herzogin Helene fanden Aufnahme darin;
da jedoch das Blatt nicht gedruckt wurde, ging der größte Teil seines
Inhalts verloren. | 234,960 |
0 | Drohender Streik in Italiens Erstliga: Erhöhter Druck
Fußballitalien ist in heller Aufregung. Es liegt weiter ein Spielerstreik in der Luft. Darüber würden sich vor allem die Fernsehsender ärgern.
Präsident der Spielergewerkschaft AIC, Damiano Tommasi: "Wir spielen nicht, wenn der Vertrag nicht unterschrieben ist!" Bild: dapd
Ein Trainer kettet sich am Verbandstor an. Ein Sportdirektor rät den Fußballern zu einer "Spar-Yacht" für nur 1,95 Millionen Euro. Ein Politiker versteigt sich zu Drohgebärden. Und eine Sportzeitung macht einen Kniefall. Kurz vor dem avisierten Beginn der neuen Saison ist Fußballitalien in heller Aufregung, weil dem ersten Spieltag wegen Streikgefahr eine Verschiebung blüht.
"Streikt nicht!", bettelte die Gazzetta dello Sport auf ihrer Titelseite am Donnerstag. Ganz überraschend hat sich in Italien die Wahrscheinlichkeit eines Streiks in der Serie A erhöht. Wollten zunächst die Profis dem neuen Rahmenvertragswerk, das seit einem guten Jahr auf Eis liegt, nicht zustimmen, so blockierten am Mittwochabend die Vereine.
Kein Spielraum für Verhandlungen?
Die Fronten sind verhärtet. "Ich sehe keinen Spielraum für Verhandlungen", sagte am Donnerstagmorgen Liga-Präsident Maurizio Beretta, bevor er sich zu - na klar - Verhandlungen zurückzog. "Wir spielen nicht, wenn der Vertrag nicht unterschrieben ist", machte der Präsident der Spielergewerkschaft AIC, Damiano Tommasi, seine Position klar und versuchte gleichzeitig, die Tifosi zu beruhigen: "Was macht es denn, wenn der erste Spieltag verschoben wird? Da haben die Mannschaften eine Woche mehr Vorbereitungszeit."
Ganz so einfach ist die Sache natürlich nicht. Vor allem den Sendern Sky und Mediaset, die in diesen Wochen verstärkt um Abonnenten werben, käme eine Verschiebung ungelegen. Weil die TV-Rechte mehr als 60 Prozent des Budgets aller Serie-A-Klubs ausmachen, haben sie durchaus Einfluss. Angesichts des Manipulationsskandals hatte Sky im Frühjahr bereits mit einer Kürzung der Zahlungen gedroht, wenn die "Qualität des Produkts" nicht aufrechterhalten werden kann. Der Druck der Sender könnte zum Zünglein an der Waage werden.
Momentan fetzen sich die Kontrahenten aber noch. Die Vereinspräsidenten wollen unbedingt in das neue Vertragswerk den Passus einfügen, dass die Spieler allein verantwortlich für das Abführen der von Finanzminister Tremonti vorgeschlagenen Besserverdienendensteuer von de facto 5 Prozent sind. "Es kommt gar nicht infrage, dass die Vereine das bezahlen. Das ist Sache der Spieler. Da können sie ihr Leben lang streiken", polterte Milans Vizepräsident Adriano Galliani. Der Lega-Nord-Politiker Roberto Calderoli drohte gar: "Diese Kaste der Verwöhnten soll aufpassen, dass wir ihr nicht die doppelte Steuer aufbrummen."
Steuern und geteilte Trainingsgruppen sind Ursache des Streits
Inzwischen hat die AIC eingewilligt, dass die Spieler die Steuern zahlen. In dem Kompromisspapier vom Mittwoch fehlte aber die Verpflichtung, was die Wut der Klubverantwortlichen auslöste. "Die Spieler sollen sich keine Yacht für 2 Millionen Euro, sondern eine für 1,95 Millionen kaufen oder am besten gleich mit einem einfachen Boot fahren, so wie ich eines habe", tönte Parmas Sportdirektor Pietro Leonardi.
Der zweite Streitpunkt betrifft den Versuch der Vereine, die Kader in unterschiedliche Trainingsgruppen aufzuteilen. Das solle streng nach trainingsmethodischen Vorstellungen geschehen, versichern sie. Die Profis und ihre Vertreter vermuten aber, dass vor allem die Spieler aussortiert werden sollen, für die der Verein keine Verwendung mehr hat. Sie fürchten ein Absinken des Marktwertes dieser Spieler sowie Mobbinggefahr.
Tatsächlich hat sich in den letzten beiden Jahren der Druck auf Spieler, einen Vereinswechsel zu schlechteren Konditionen anzunehmen, signifikant erhöht. Die Klubs, die wegen des Financial Fairplay nur Geld ausgeben dürfen, das sie auch verdient haben, versuchen durch Verkäufe - und das Wegfallen der in besseren Zeiten vereinbarten Gehaltszahlungen - Spielraum zu gewinnen. Doch weil die potenziellen Käufer ebenso sehr aufs Geld achten und die Spieler eher nicht zu Gehaltsabstrichen zu bewegen sind, gibt es einen Stau auf den Trainingsplätzen. Der aktuelle Konflikt ist eine direkte Folge der Verschwendungspolitik der Vergangenheit. Ein wenig unterzugehen in der Aufregung um Steuerlast und Trainingsgruppen drohte ein echter Kardinalfehler des neuen Vertragswerks.
Für die unteren Ligen wurde die Verpflichtung gestrichen, nur ausgebildete und dem Verband angehörige Trainer zu beschäftigen. Aus Protest dagegen kettete sich der Präsident der Trainervereinigung AIAC, Renzo Ulivieri, am Sitz des Verbandes an. Das ist doch einmal eine starke Geste. Ulivieri verfügt als ehemaliger kommunistischer Kader eben über ein breiter angelegtes Protest-Know-how als die Spieler, die sich nur vertreten lassen. | 234,961 |
0 | Backofen auf 60 Grad vorheizen. Teller und Platte vorwärmen.Das Olivenöl in der Bratpfanne erhitzen, Fleisch darin unter Wenden 2-3 Min. anbraten, dann mit Salz und Pfeffer würzen 1 TL Mehl darüber stäuben, aus der Pfanne nehmen und zugedeckt warmstellen.Die Pfanne mit Haushaltspapier ein wenig abtupfen. Die Speckwürfeli darin leicht anbraten, die gehackte Zwiebel und den Knoblauch beigeben und alles kurz anbraten. Die geschälte und gewürfelte Tomate und den Portwein beigeben, zugedeckt alles leicht einkochen lassen. Die Kräuter beigeben und mit der Bratensauce ablöschen, mit Salz, Pfeffer und etwas Paprika abschmecken. Kurz aufkochen und nachher das Fleisch in die Sauce geben, etwa 5 Minuten darin erwärmen und sofort servieren.Dazu passen Wildreis oder Risotto und ein gemischter Salat. | 234,962 |
1 |
Das Land bzw. der ländliche Raum werden in der breiten Öffentlichkeit meist entweder als Idyll, als Natur- und Erholungsraum betrachtet oder als defizitär – gekennzeichnet durch Abwanderung junger Leute, baulichen Verfall, industrialisierte Landwirtschaft und mangelhafte Infrastruktur. Der Fokus der Berichterstattung von Politik und Gesellschaft liegt tendenziell eher auf den städtischen Ballungszentren und den Boomregionen.
Das wahrgenommene Gefälle zwischen Stadt und Land setzte in den vergangenen Jahren allerdings eine verstärkte Diskussion darüber in Gang, wie das von der Bundesregierung mit hoher Priorität verfolgte politische Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland zu erreichen sei. Gleichwertigkeit bedeutet dabei, den Menschen überall im Land ähnliche Lebenschancen zu bieten.
Übersehen wird bei dieser Diskussion oft, dass es den Gegensatz Stadt – Land so gar nicht mehr gibt. Es kann auch nicht pauschal vom ländlichen Raum gesprochen werden. Vielmehr handelt es sich um eine Vielzahl ländlicher Räume, die sich in ihren gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Merkmalen grundlegend voneinander unterscheiden.
Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland leben außerhalb von Großstädten, über die Hälfte in Dörfern und Kleinstädten. Ländliche Räume tragen insgesamt einen hohen Anteil zur ökonomischen Wertschöpfung bei, heimische Landwirtschaftsbetriebe gewährleisten die Versorgung mit Nahrungsmitteln, und viele unbekannte Weltmarktführer, sogenannte Hidden Champions, haben ihren Unternehmenssitz in den ländlichen Räumen.
Es gibt aber auch vielfältige Herausforderungen und Probleme, vor die sich Menschen in ländlichen Räumen gestellt sehen. Dazu gehören beispielsweise die Abwanderung junger Menschen und die starke Alterung in den Orten, das Verschwinden von Einrichtungen der Daseinsvorsorge wie Lebensmittelgeschäften, Schulen, Ärzten und Banken.
Neben Politik und Verwaltung versuchen auch die Menschen vor Ort in unterschiedlichsten Initiativen diesen Entwicklungen entgegenzuwirken und ihre Wohnorte für sich und andere attraktiv zu gestalten. Wie wichtig insbesondere der Ausbau der digitalen Infrastruktur ist, zeigt sich gerade in Zeiten der Coronavirus-Pandemie, in der ortsungebunden Homeoffice und Homeschooling für viele Menschen zum Alltag wurden. Solche Maßnahmen, Gestaltungsspielraum für kreative Ideen, Rückkehrerprogramme, aber auch steigende Wohnkosten und sinkende Lebensqualität in so mancher Großstadt können bewirken, dass ländliche Räume gerade für junge Familien attraktiv werden.
Verfasst haben diese Themenausgabe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Thünen-Instituts für Ländliche Räume in Braunschweig. Auf der Basis eines von ihnen entwickelten Typisierungsindexes untersuchen sie die ländlichen Räume in sieben Kapiteln unter verschiedenen Aspekten. Sie beschreiben, was die ländlichen Räume ausmacht, vor welchen Herausforderungen diese angesichts der sich aktuell abzeichnenden gesellschaftlichen und technologischen Umbrüche stehen und welche Möglichkeiten Politik, Gesellschaft und Wirtschaft haben, um darauf zu reagieren. | 234,963 |
0 | Der Prinz aber hatte den einen goldenen Schuh gefunden. »Mit diesem
Schuhe muß ich sie auch finden!« sagte er. Und der Prinz ging in alle
Häuser der Stadt, aber der Schuh war für alle Mädchen zu klein. Er kam
auch in Aschenputtels Haus. Die Stiefmutter war froh und dachte: »Ha,
nun kann meine Tochter Prinzessin werden!« Aber der Schuh war zu klein
für die eine und für die andere auch. Von Aschenputtel sagte die
Mutter kein Wort. Der Prinz aber sprach: »Ihr habt noch eine Tochter,
ich weiß es; ich will sie sehen.« »O,« sagte die Stiefmutter, »die ist
nicht für Euch, mein Prinz, sie ist in der Küche und ist nicht schön.«
Aber der Prinz wollte sie sehen, und Aschenputtel kam in das
Zimmer. Und der Prinz rief: »Das ist sie, ja, das ist sie. Das ist
dein Schuh! Ja, liebes Mädchen, du bist mein, mein!« Und der Prinz
setzte Aschenputtel auf sein Pferd, und beide ritten vom Hause. | 234,964 |
1 | UN-Behindertenrechtskonvention: „Hochkritische“ Entwicklung
Die UN-Behindertenrechtskonvention galt als Meilenstein zur Selbstbestimmung. Doch zehn Jahre später sieht es damit nicht gut aus.
Mittlerweile arbeiten mehr Menschen in Behindertenwerkstätten – wie hier in Teltow bei Berlin Foto: Karsten Thielker
BERLIN taz | Als vor zehn Jahren die UN-Behindertenrechtskonvention (UNBRK) in Deutschland in Kraft trat, war Inklusion ein kaum bekannter Fachbegriff und die Behindertenpolitik wurde traditionell dominiert vom Fürsorge- statt vom Selbstbestimmungsprinzip. In dieser Hinsicht habe sich Substanzielles getan, bilanzierte das Deutsche Institut für Menschenrechte am Mittwoch in seinem 10-Jahres-Bericht.
Aber eine Dekade nach Inkrafttreten der UNBRK leben mehr Menschen in Behindertenwohnheimen, arbeiten mehr Menschen in Behindertenwerkstätten und ist die Quote der Kinder mit Behinderung, die abseits des regulären Schulsystems unterrichtet werden, in einigen Bundesländern sogar gestiegen. Als „hochkritisch“ bewertet Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle UNBRK des Deutschen Instituts für Menschenrechte, diese Entwicklung.
Kein anderer völkerrechtlicher Vertrag wurde je so schnell von so vielen Staaten unterzeichnet wie die UNBRK: 177 Staaten und die EU haben sie seit 2008 ratifiziert, Deutschland gehörte zu den Erstunterzeichnern. Seit dem 26. März 2009 ist die UNBRK hierzulande rechtsverbindlich: Bund und Länder haben demnach darauf hinzuwirken, dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigt zu allen Lebensbereichen Zugang haben. In Deutschland hat jedeR Zehnte eine anerkannte Schwerbehinderung, im Sinne der UNBRK sind sogar bis zu 25 Prozent aller Deutschen beeinträchtigt.
Die unabhängige Monitoring-Stelle am Deutschen Institut für Menschenrechte überwacht im Auftrag der Bundesregierung die bundesweite Umsetzung der UNBRK. In ihrer Bilanz hat sie nun Schlaglichter auf die wesentlichsten Lebensbereiche geworfen.
Fortschritte im Bereich Wohnen erzielt
So sind im Bereich Wohnen Fortschritte zu verzeichnen: Mehr Menschen leben selbstbestimmter in eigenen Wohnungen – vor allem Menschen mit psychischer Beeinträchtigung profitieren von dieser Entwicklung. Parallel dazu hat sich allerdings auch die Zahl der Menschen, die stationär in Sondereinrichtungen untergebracht sind, erhöht. Insgesamt leben über 60 Prozent der Menschen, die Anspruch auf Hilfe zu einem selbstbestimmten Leben haben, in Behindertenwohnheimen.
Mit der UNBRK, so der Bericht, sei das ebenso wenig vereinbar wie die Tatsache, dass Behindertenwerkstätten für viele Menschen mit Behinderung die einzige Option auf Beschäftigung ist. Die Anzahl der dort Beschäftigten steigt seit Inkrafttreten der UNBRK kontinuierlich an und lag 2017 15 Prozent über dem Wert von 2009. Zwar ist auch die Zahl der Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen, gestiegen.
Auch in Werkstätten bräuchte es Mindestlohn
Aber noch immer zahlen in Deutschland 37.000 Unternehmen lieber eine Strafabgabe, als auch nur einen einzigen Menschen mit Behinderung einzustellen. Um bestehende Sonderstrukturen abzubauen, wie es die UNBRK verlangt, ist es laut Bericht unumgänglich, auch in Werkstätten schrittweise den gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Bislang verdienen die dort Beschäftigten im Schnitt weniger als 200 Euro monatlich.
Auch in dem Bereich, der in Sachen Inklusion am meisten Schlagzeilen machte, fällt die Bilanz durchwachsen aus: Die Quote der SchülerInnen, die nicht im regulären Schulsystem, sondern an Förderschulen unterrichtet werden, ist seit 2009 nur minimal gesunken und in drei Bundesländern sogar gestiegen.
Hoffnungslos ist man in der Monitoringstelle nicht: Gerade die zahlreichen Aktionspläne zur Umsetzung der UNBRK auf Bundes- und Landesebene, die Weiterentwicklung der Behindertengleichstellungsgesetze und der wahlrechtlichen Regelungen, die zunehmende Datensammlung zur Lebenssituation von Menschen mit Behinderung und vor allem ihre Beteiligung an den sie betreffenden politischen Entscheidungen seien als große Erfolge zu werten. Mit Folgen für die gesamte Gesellschaft.
„Deutschland hat sich durch die UN-Behindertenrechtskonvention positiv verändert“, resümiert Valentin Aichele. Aber Barrieren blieben in allen Lebensbereichen, und nur ein Teil von Politik und Gesellschaft nehme den Auftrag der UNBRK wirklich ernst. Im Jahr 2020 soll der nächste Kontrollbericht der Monitoring-Stelle erscheinen. | 234,965 |
0 | Mirzel. D'rauf haben wir das alte Mütterl in unsre Hütten g'sperrt
und sind in den Steinbruch hinaus, doch in einer halben Stund'
kommt des Gluthahns Weib halbtot und lamentiert, daß ihr Mann mit
einem alten Weibe auf dem Wagen über Stock und Stein davon g'fahren
ist, und wir möchten nachlaufen und sehen, was er denn vorhätt';
denn ein Kohlenbauer wär' ihm auf der Alpenmarkt-Straßen begegnet
und wie sie so lamentiert, wird ihr nicht gut und sie fallt uns in
d' Arm' und stirbt. | 234,966 |
0 | Der Gegenkandidat meines Mannes war ein alter Reaktionär, den der Bund
der Landwirte auf seinen Schild erhoben hatte. Der Zolltarif galt ihm
als ein »gigantisches Werk«; die Arbeitslosenversicherung, die in diesem
Jahre wirtschaftlicher Depression für uns eine immer dringendere
Forderung geworden war, erklärte er für »unmoralisch«; dem gesetzlichen
Arbeiterschutz, dessen Ausbau auf dem Wege zu unseren Zielen lag, müsse,
so sagte er, ein »Stopp« entgegengerufen werden, und wider den
Großkapitalismus, dessen Entwicklung eine Voraussetzung des Sozialismus
war, galt es, den Mittelstand mobil zu machen. Als der typische
Konservative war er der willkommenste Gegner, weil sich hier, klar
voneinander geschieden, zwei Weltanschauungen gegenüberstanden. Zwischen
ihnen schwankten, als das Zünglein an der Wage, die Liberalen des
Kreises hin und her. Sie wollten nicht glauben, daß wir ein gut Stück
Weges zusammengehen konnten und es einer Verleugnung aller liberalen
Grundsätze gleichkam, wenn sie den Konservativen Gefolgschaft leisten
wollten. | 234,967 |
1 | Anschlag im Jahr 2000 in Düsseldorf: Belastendes Gesamtbild
Fast 17 Jahre tappten die Ermittler zum Anschlag auf den Bahnhof Wehrhahn im Dunkeln. Dann führte sie ein Inhaftierter zum Neonazi Ralf S.
„Eine fremdenfeindliche Absicht.“ Der damalige Tatort, S-Bahnhof Wehrhahn Foto: dpa
BERLIN taz | Es war ein wohl eher tristes Leben, das Ralf S. zuletzt führte. Einsame Spaziergänge mit seinen Hunden, ein Sorgerechtsstreit mit seiner Exfrau, eine schlecht laufende Sicherheitsfirma. Am Dienstagabend wurde es noch trister. Da stand die Polizei vor der Tür der Wohnung des 50-Jährigen in Ratingen bei Düsseldorf und verhaftete ihn.
Der Vorwurf: Ralf S. soll der Verursacher des Anschlags auf den S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000 sein. Fast 17 Jahre lang hatte die Polizei erfolglos nach dem Täter gesucht – bis zum Dienstag. „Das Gesamtbild belastet den Verdächtigen schwer“, sagt am Mittwochnachmittag der Düsseldorfer Kriminaldirektor Markus Röhrl.
Bei dem Anschlag war eine selbstgebaute Handgranate explodiert, die in einer Tüte an einem Geländer des S-Bahnhofs hing. Zwölf Personen standen zu dem Zeitpunkt in der Nähe. Sieben Frauen und drei Männer wurden teils schwer verletzt, eine Schwangere verlor ihr ungeborenes Baby. Sechs der Opfer waren Mitglieder lokaler jüdischer Gemeinden.
Der Anschlag hatte für bundesweites Aufsehen gesorgt. Als wenige Monate später auch ein Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge erfolgte, rief der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) einen „Aufstand der Anständigen“ aus.
„Heiße Spur“ fehlte
Im Fall Wehrhahn aber tappte die Polizei lange im Dunklen. 1.400 Zeugen befragte sie, mehr als 300 Spuren wurden verfolgt, 69.000 Aktenseiten angehäuft. Eine „heiße Spur“ aber fehlte – bis zum Juli 2014.
Da meldete sich laut Ermittler Udo Moll ein Mann aus der JVA Castrop-Rauxel. Der berichtete: Ein Mitinhaftierter, Ralf S., habe ihm gestanden, den Wehrhahn-Anschlag mit einer ferngezündeten Bombe verübt zu haben. S. saß damals in Haft, weil er eine Geldstrafe nicht bezahlt hatte. „Jede Akte, jede Spur wurde darauf neu durchleuchtet“, sagt Kriminaldirektor Röhrl.
Für die Ermittler war Ralf S. kein Unbekannter. Schon wenige Tage nach dem Anschlag hatten sie ihn als Verdächtigen befragt. S. aber behauptete, er sei zur Tatzeit zu Hause gewesen. Eine Zeugin stützte die Aussage. Die Ermittler konnten das Alibi nicht entkräften.
Nun aber stießen sie auf zwei weitere Zeugen, die aussagten, S. hatte bereits im Vorfeld den Anschlag angekündigt. Auch zog die damalige Alibi-Zeugin ihre Aussage zurück. Und ein Vorfall wurde bekannt: Vor der Tat hatten laut Moll zwei Neonazis Schüler der Sprachschule bedroht. Sie wurden vertrieben und flüchteten damals in den Laden von Ralf S. Dieser Vorfall, so Moll, könnte die Tat ausgelöst haben.
Für die Ermittler wird Ralf S. zudem dadurch belastet, dass er sich aus seiner früheren Bundeswehrzeit mit Munition auskennt. Zur Tatzeit habe er auch über ein Schweißgerät verfügt, mit dem die selbstgebaute Handgranate wohl bearbeitet wurde. Und S. habe bei seinen Rundgängen mit seinen Hunden die „Routineabläufe“ der Opfer ausgekundschaftet, so Moll.
Für Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück ist klar: „Der Tat lag eine fremdenfeindliche Absicht zugrunde.“ Fast alle seiner damaligen Probleme habe Ralf S. Ausländern zugeschrieben, ergänzt Moll. Der Vorwurf lautet nun auf versuchten Mord in zwölf Fällen. Nur durch Zufall sei es zu keinen Todesopfern gekommen, betont Herrenbrück.
NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) lobt die Festnahme. „Es ist wichtig, dass die Opfer endlich erfahren, wer dieses feige und hinterhältige Verbrechen verübt hat“. Auch Michael Szentei-Heise von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf spricht von „vorsichtigem Optimismus“. „Das Verbrechen bekommt die Chance, gesühnt zu werden.“
Thema im NSU-Ausschuss in NRW
Am kommenden Dienstag wird sich auch der NSU-Untersuchungsausschuss in NRW in einer Sondersitzung mit dem Anschlag Wehrhahn beschäftigen. Das Gremium wurde in den letzten Wochen vertraulich über die Ermittlungsstände informiert. Ausschusschef Sven Wolf (SPD) begrüßt die Festnahme: Die langen Spekulationen über eine rechtsextremes Motiv seien nun beendet.
Gegen Ralf S. erließ ein Richter inzwischen Haftbefehl. S. bestreitet die Vorwürfe pauschal und schweigt. Bis zuletzt bot er seine Dienste als „Sicherheitsberater“ an, bewarb „Survival Outdoor Trainings“. Offenbar ohne Erfolg: Die Ermittler bezeichnen S. als arbeitslos.
Seine Gesinnung hatte sich der 50-Jährige wohl bewahrt. Eine Einbindung in rechtsextreme Strukturen sei nicht bekannt, sagt Oberstaatsanwalt Herrenbrück zwar. Im Internet aber zeigte sich S. in Tarnkleidung oder bei einem Schießtraining. Zum Weihnachtsfest versandte er Grüße auch an „Kameraden“. Später fragte er: „Was aber wollen wir? Ruhe, Friede oder Multikulturelle?“ | 234,968 |
1 | Kommentar Entschädigung für Roma: Ein preisgünstiger Völkermord
Nach 70 Jahren erhalten tschechische Roma nun eine Entschädigung für ihr Leid im KZ. Der späte Zeitpunkt ist ebenso zynisch wie die geringe Summe.
Erinnerung an Orte des Massenmordes am Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma Foto: imago/Martin Müller
Es ist eine längst überfällige Geste, und eine geizige noch dazu: 2.500 Euro Entschädigung erhalten tschechische Roma, die das Grauen der deutschen Konzentrationslager überlebt haben. Hunderttausende Menschen aus ganz Europa fielen aufgrund ihrer „Fremdrassigkeit“ und als „geborene Asoziale“ dem Massenmord der Nazis zum Opfer, darunter viele aus den besetzten Gebieten im Süden und Osten des Kontinents.
Die Justiz der jungen Bundesrepublik leugnete die rassistische Dimension des Verbrechens – mit einer offensichtlich rassistischen Begründung. Die Sinti und Roma hätten schließlich schon immer Anlass gegeben, sie „besonderen Beschränkungen zu unterwerfen“, heißt es in einem Gerichtsurteil von 1956. Dazu passt die jahrzehntelang hohe Ablehnungsquote beantragter Entschädigungsleistungen für die Opfer.
Dass nun für das letzte gute Dutzend tschechischer Überlebender eine Regelung gefunden wurde, ist somit auf symbolischer Ebene ein durchaus großer Schritt der Anerkennung des Unrechts, in der konkreten Ausgestaltung jedoch mindestens „lächerlich“, wie ein Vertreter des Opferverbandes konstatiert. „Zynisch“ trifft es vielleicht eher. Der Rechtsnachfolger des verbrecherischen faschistischen Staates benötigte mehr als 70 Jahre, um einer Handvoll alter Menschen, die zum Teil auf dem Sterbebett liegen, einen Almosen zu gewähren.
Während die früheren Opfer ihre Familien in den Gaskammern der Konzentrationslager verloren und mit ihren Nachkommen zum Teil in bitterer Armut leben mussten, konnten viele Täter in der Bundesrepublik fast nahtlos an ihre Kriegskarrieren anknüpfen. Für die lebenslange rassistische Ausgrenzung und vor allem für das Menschheitsverbrechen der Vernichtung der „Zigeuner“ in Europa lässt sich kaum eine angemessene Entschädigungssumme finden – eine würdigere als 2.500 Euro pro Person aber wäre schon viel eher möglich gewesen.
So bleibt jener Völkermord nicht zufällig ein eher preisgünstiges Verbrechen, sowohl für die individuellen Täter als auch für den deutschen Staat. | 234,969 |
0 | Dann wurde es kalt, und der Peter hauchte in die Hände, wenn er
früh am Morgen heraufkam, aber nicht lange; denn auf einmal fiel
über Nacht ein tiefer Schnee, und am Morgen war die ganze Alm
schneeweiß und kein einziges grünes Blättlein mehr zu sehen ringsum
und um. Da kam der Geißenpeter nicht mehr mit seiner Herde, und
Heidi schaute ganz verwundert durch das kleine Fenster, denn nun
fing es wieder zu schneien an, und die dicken Flocken fielen fort
und fort, bis der Schnee so hoch wurde, dass er bis ans Fenster
hinaufreichte, und dann noch höher, dass man das Fenster gar nicht
mehr aufmachen konnte und man ganz verpackt war in dem Häuschen.
Das kam dem Heidi so lustig vor, dass es immer von einem Fenster
zum anderen rannte, um zu sehen, wie es denn noch werden wollte und
ob der Schnee noch die ganze Hütte zudecken wollte, dass man müsste
ein Licht anzünden am hellen Tag. Es kam aber nicht so weit, und
am anderen Tag ging der Großvater hinaus--denn nun schneite es
nicht mehr--und schaufelte ums ganze Haus herum und warf große,
große Schneehaufen aufeinander, dass es war wie hier ein Berg und
dort ein Berg und dort ein Berg um die Hütte herum; aber nun waren
die Fenster wieder frei und auch die Tür, und das war gut, denn als
am Nachmittag Heidi und der Großvater am Feuer saßen, jedes auf
seinem Dreifuß--denn der Großvater hatte längst auch einen für das
Kind gezimmert--, da polterte auf einmal etwas heran und schlug
immerzu gegen die Holzschwelle und machte endlich die Tür auf. Es
war der Geißenpeter; er hatte aber nicht aus Unart so gegen die Tür
gepoltert, sondern um seinen Schnee von den Schuhen abzuschlagen,
die hoch hinauf davon bedeckt waren; eigentlich der ganze Peter war
von Schnee bedeckt, denn er hatte sich durch die hohen Schichten so
durchkämpfen müssen, dass ganze Massen an ihm hängen geblieben und
auf ihm festgefroren waren, denn es war sehr kalt. Aber er hatte
nicht nachgegeben, denn er wollte zu Heidi hinauf, er hatte es
jetzt acht Tage lang nicht gesehen. | 234,970 |
0 | »E Gemeinheit!« erwiderte Bindegerst Adolfs fragenden Blick. »Des ganz
menschlich Lewe is e Gemeinheit! Wege lumbige dreidausendfimfhunnert
Mark verklagt aan die Lumbegesellschaft! Da gibbts Barone, die hawwe e
Milljon Schulde unn kaa Mensch verklagt se! Awwer der Middelstand, der
muß ja immer draa glaawe! Uff uns solide Berjersleut, da reit' ja der
Staat erum wie e dressierter Aff uff'me Kamel!« | 234,971 |
1 | Kommentar S21-Prozess eingestellt: Gedankenlose Befehlsempfänger
Zuletzt wurde der S21-Prozess immer interessanter – bis ihn die Richterin einstellte. Nun bleibt die Frage: Wird der ehemalige Polizeipräsident angeklagt?
Hunderte Schwerverletzte. Und keiner ist es gewesen? Bild: dpa
Sie haben getan, was ihnen angewiesen wurde: Schlosspark räumen um jeden Preis. Die Polizei ist eine hierarchische Organisation. Sich aufzulehnen braucht Mut. Den hatten die beiden Angeklagten nicht.
Die Richter hätten zwar weitere Ansatzpunkte finden können, den beiden Einsatzabschnittsleitern mehr als nur „geringe Schuld“ nachzuweisen. Die Polizisten hätten dem sogenannten Führungsstab zurückmelden müssen, welche Eskalation sie sahen. Das Gericht hätte weiter herausfinden können, wann die Angeklagten von Schwerverletzten erfahren haben. Der Leiter der Sanitäter, der Hunderte Verletzte behandelt hat und mehrere Rettungswagen gerufen hatte, wurde aber gar nicht als Zeuge gehört.
Warum die bislang so gründliche Richterin zu einem Zeitpunkt, da der Prozess immer interessanter zu werden versprach, nicht dranbleibt, sondern das Verfahren lieber einstellt, ist eines der großen Fragezeichen der Entscheidung. Bei den S-21-Gegnern schießen die Spekulationen ins Kraut.
Die spannende Frage bleibt: Kommt es zu einer Anklage gegen den ehemaligen Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf? Noch laufen die Ermittlungen. Im Fall eines Prozesses würde die Schuldfrage auf höchster Hierarchieebene geklärt.
Wer war schuld an den vielen Verletzungen? Wer trägt die Verantwortung, die untere oder die obere Hierarchieebene? Offenbar braucht die Polizei zur Klärung dieser schwierigen Frage die Hilfe eines Gerichts.
Sollten die Ermittlungen gegen Stumpf aber im Sande verlaufen, wäre das eine Bankrotterklärung der Staatsanwaltschaft in der juristischen Aufarbeitung des „schwarzen Donnerstags“. Und es bliebe der beunruhigende Eindruck haften, dass die Polizei nicht mehr ist als ein Haufen gedankenloser Befehlsempfänger. | 234,972 |
1 | IT-Experte Schneier über Wikileaks: "Obama enttäuscht mich"
Obamas Sicherheitspolitik sei schlimmer als die von Bush, meint US-Sicherheitsexperte Bruce Schneier – und äußert sich zum Afghanistan-Coup von Wikileaks und einer mysteriösen Datei.
Bruce Schneier, US-Sicherheitsexperte: "Das Nadel-im-Heuhaufen-Problem wird uns erhalten bleiben." Bild: Foto: I am the Jeff / Lizenz: BY 2.0
Herr Schneier, waren Sie überrascht darüber, wie umfangreich die Afghanistan-Kriegstagebücher waren, die Wikileaks kürzlich ins Netz stellte?
Bruce Schneier: Es gibt 1,5 Millionen US-Militärangehörige und rund eine halbe Million zivile Vertragsarbeiter. Wenn jeder von denen nur eine Datei pro Tag anlegt, sind 77.000 Files in einer Stunde produziert. Und es sollte bedacht werden, dass Dateien gerne im Bündel gespeichert werden. Ich könnte auch 77.000 einzelne Files auf meinem PC haben. Jeder einigermaßen große Unternehmensserver trägt eine Million Dateien oder mehr. In Wahrheit sind 77.000 Dateien nicht viel. Die eigentliche Überraschung ist doch, dass solche Leaks nicht dauernd vorkommen.
Ist die IT-Sicherheit beim US-Militär etwa gefährdet?
Es hat weniger damit zu tun, wie gut die Sicherheitsvorkehrungen sind. Wichtig sind diejenigen, die dort arbeiten. Das US-Militär besteht nun mal aus Menschen. Diese Menschen sind dazu autorisiert, auf geheime Daten zuzugreifen - so erledigen sie ihren Job. Wenn also einer von ihnen Informationen aus der Organisation herausschleusen und veröffentlichen will, lässt sich das fast nicht stoppen.
Trotzdem ist der Datenschatz, den Wikileaks veröffentlicht hat, sehr groß. Die Schwierigkeit ist wohl, die wirklich wertvollen Daten im Informationshaufen zu finden.
Das ist in der Tat ein Problem, das stetig schwieriger wird - und es kommt nicht einmal so sehr auf die Art der Daten an. Der Trick dabei ist, viel zu automatisieren. Es gibt einfach nicht genügend Zeit und Geld dafür, das jemand sich hinsetzt und manuell tausende Seiten liest, um die wirklich interessanten Informationen zu filtern.
Bruce SchneierBruce Schneier ist einer der bekanntesten IT-Sicherheitsexperten der USA. Er entwickelte verschiedene weit verbreitete Verschlüsselungsverfahren, schrieb kritische Bücher zum Thema Heimatschutz nach dem 11. September und wird sowohl in der Hackerszene als auch in der amerikanischen Politik respektiert.***insurance.aes256 nennt sich eine 1,4 Gigabyte große, hart verschlüsselte Datei, die an die von Wikileaks veröffentlichten "Afghan War Diaries" angehängt wurde. Über ihren Inhalt wird weitläufig spekuliert. Wikileaks-Gründer Julian Assange äußerte sich bislang nicht, während der deutsche Sprecher Daniel Schmitt gegenüber dem Freitag nur knapp angab, die Datei nicht hochgeladen zu haben und sie deshalb nicht zu kennen.
Es wird aber viel auf diesem Gebiet geforscht. Einige Systeme funktionieren schon ziemlich gut in speziellen Bereichen. Für das Lesen von allgemeinen Datensätzen gibt es noch keine wirklich erfolgreichen Ergebnisse. Das wird sich ändern. Doch das Nadel-im-Heuhaufen-Problem wird uns erhalten bleiben. Auch weil wir immer mehr Daten bekommen.
Der US-Militäranalyst Bradley Manning, dem die US-Regierung vorwirft, geheime Daten und womöglich auch die Kriegstagebücher veröffentlicht zu haben, wurde von einem anderen ehemaligen Hacker verraten. Was halten Sie davon. Gibt es nicht so etwas wie eine Hacker-Ehre?
Je mehr ich über diese Geschichte lese, desto mehr frage ich mich, was da wirklich passiert ist. Wir wissen wirklich nur sehr wenig über die Gespräche oder Emailwechsel zwischen Manning und Adrian Lamo, dem Ex-Hacker und heutigen Journalisten - und wiederum dessen Gespräche mit Chet Uber, der ihn dann an die US-Regierung gemeldet haben soll. Wir wissen auch nicht, was zwischen Uber, Lamo und den Beamten passierte. Viel von dem, was wir glauben zu wissen, wird vermutlich falsch sein. Ich selbst will mich deshalb mit einem ethischen Urteil auf Basis der wenigen Informationen zurückhalten.
Glauben Sie, dass die US-Regierung nun versuchen wird, Wikileaks-Mitglieder verstärkt zu beschatten? Der Wikileaks-Sprecher Jacob Appelbaum wurde beispielsweise bei der Einreise in die USA vergangene Woche drei Stunden lang verhört.
Das kann ich nicht sagen. Es könnte ein politische Aktion sein unter dem Motto: Wir verbreiten Angst, um von den Inhalten der Kriegstagebücher und ihrer weiteren Veröffentlichung abzulenken.
Barack Obama hat auch deshalb die Wahl gewonnen, weil er versprach, mehr Informationen zu veröffentlichen und weniger Geheimnisse um Sicherheitsmaßnahmen oder Überwachungen zu machen als sein Vorgänger. Sind Sie enttäuscht darüber, was da jetzt passiert?
Ich bin sehr enttäuscht. Obama macht einfach mit den gleichen Regierungsprogrammen weiter und erweitert sogar einige - und zwar mit den gleichen Vollmachten des Präsidenten, gegen die er in den Wahlkampf zog.
Ist Obama schlimmer als Bush oder genauso schlimm?
Ich bin von Obama enttäuschter, weil ich besseres von ihm erwartet habe - und das geht vielen Amerikanern so. Sobald etwas sowohl von einem Republikaner als auch von einem Demokraten im Weißen Haus getan wird, wird es institutionalisiert - und lässt sich später um so schwerer wieder aufheben.
Vor wenigen Tagen tauchte eine mysteriöse Datei auf Wikileaks auf, die den Titel "insurance.aes256" trägt - eine verschlüsselte "Lebensversicherung". Niemand scheint zu wissen, was sich darin befindet, selbst der deutsche Wikileaks-Sprecher sagt, er könne es nicht sagen. Können Sie es?
Da kann auch ich nur spekulieren. Es könnten weitere oder noch belastendere Dokumente sein. Es könnte aber auch gar nichts sein. Ohne den zugehörigen Schlüssel weiß das nur die Person, die die Datei erstellt hat.
Könnte es nicht auch eine "Versicherung" von Julian Assange sein, mit der er sich und seine Helfer vor einer Verhaftung schützen will?
Das scheint die Idee dabei zu sein - es ist eine Art zu sagen, "wenn uns etwas passiert, werden wir das Passwort für diese Datei veröffentlichen". Das ist allerdings nur eine glaubwürdige Drohung, wenn die US-Regierung den Inhalt dieser Datei kennt. Wer weiß, vielleicht hat Wikileaks der Regierung ja eine entschlüsselte Kopie geschickt. | 234,973 |
0 | Sie legte ihre Arme um seinen Hals und sah ihn mit rührender
Heiterkeit und Liebe an. Ich hab'ihn ja nicht so lieb wie dich, sagte
sie, und tu' lieber, was du mir sagst, als was er von mir bittet. Nun
ist es ein mal so gekommen, Andree, und es gäb' eine neue
Todfeindschaft, wenn ich jetzt käm' und sagte: Ich mag ihn nicht. Sei
nur wieder gut und komm selber herüber, die Tante Anna läßt dich so
vielmals schön grüßen und es verlangte sie sehr, daß du kämst, sie
hätt' dir viel zu sagen, und ich mein', so heilig sie ist, wär' sie
doch gar froh, wenn du die garstige Kutte wieder auszögst, in der du
gar nimmer wie der schmucke Andree ausschaust, der du ehemals gewesen
bist. Tu mir's zulieb', ich hab' doch keine Freud', wenn ich denken
muß, du lebst hier so traurig, und wenn dir was zustößt, Krankheit
oder so, bin ich nicht da, für dich zu sorgen. Versprich mir's,
Andree, daß du wenigstens zur Hochzeit hinunterkommen willst und alles
mit der Tante bereden. | 234,974 |
1 | Mafia-Strukturen in Rom: Gut geschmierte Politiker
Kreditwucher, Geldwäsche, Bestechung. In Rom wurde ein Kartell zerschlagen, dem auch Gianni Alemanno angehörte. Er ist Ex-Bürgermeister und Ex-Faschist.
Mit Schärpe: 2009 war Gianni Alemanno noch Stadtoberhaupt. Bild: ap
ROM taz | Mit einer Großaktion zerschlug Roms Staatsanwaltschaft am Dienstag ein Kartell von Berufsverbrechern, Politikern und Unternehmern. 37 Haftbefehle, dazu weitere 67 Ermittlungsbescheide: Die Staatsanwälte ermitteln wegen Bildung einer mafiösen Vereinigung, wegen systematischer Korruption, Kreditwucher, Geldwäsche.
Massimo Carminati heißt der Boss der Bosse am Tiber. Mit den süditalienischen Mafia-Organisationen allerdings hat er nichts zu tun. Stattdessen zog der 56-Jährige, der in den späten 70er Jahren erst als Rechtsterrorist, dann als führendes Mitglied einer damals in Rom aktiven Verbrecherbande Karriere gemacht hatte, genuin römische Mafia-Strukturen auf. Und sein Clan war in den Jahren bis 2008-2013, als der Ex-Faschist Gianni Alemanno den Bürgermeisterposten bekleidete, bestens mit der Stadtspitze vernetzt. Der Chef der städtischen Müllabfuhr ebenso wie der Chef einer kommunalen Gesellschaft, die einen großen Immobilienbesitz verwaltet, standen auf seiner Payroll.
Aber auch engste Mitarbeiter des Bürgermeisters erhielten regelmäßig „Zusatzeinkommen“ von bis zu 10.000 Euro monatlich. Im Gegenzug sorgten sie dafür, dass städtische Großaufträge – bei der Müllabfuhr genauso wie für das Management von Roma- oder Flüchtlingslagern – an Genossenschaften gingen, die zu Carminatis Netzwerk gehörten. Neben dem Geld half auch immer wieder die gemeinsame faschistische Vergangenheit. Die Folge: Jetzt wird gegen Ex-Bürgermeister Alemanno ebenso wie gegen zahlreiche seiner Gefolgsleute ermittelt.
Doch Carminati war durchaus in der Lage, über seinen ideologischen Schatten zu springen. Sein wichtigster Kumpan heißt Salvatore Buzzi. Vorbestraft wegen Totschlags, gründete Buzzi noch im Knapst seine erste Genossenschaft. Mittlerweile kontrolliert er ein Genossenschaftsimperium von 1.000 Beschäftigten. „Mit Zigeuner- und Flüchtlingslagern lässt sich mehr Geld verdienen als mit Drogen“, prahlte er in einem von den Staatsanwälten abgehörten Telefongespräch.
Für 150.000 Euro gekauft
Buzzis Image als „Linker“ erwies sich als sehr nützlich, als Alemanno im Jahr 2013 die Wahlen verlor. Sofort knüpfte der Clan Kontakte in die neue Stadtregierung unter dem linken Bürgermeister Ignazio Marino. Über Mirko Coratti, Präsident des Stadtrats, weiß Buzzi in einem abgehörten Telefonat zu berichten, „den hab ich gekauft, 150.000 Euro habe ich ihm versprochen“.
Die Schmiergelder flossen munter weiter, auch wenn Buzzi in einem anderen Telefongespräch bilanzierte, „die Linken sind weniger diebisch als die Rechten“. Und weiterhin erhielten die Genossenschaften die lukrative städtischen Aufträge. Sorgen machten sie sich nicht: Auch der kommunale Beauftragte für Korruptionsbekämpfung – er soll in den nächsten Tagen sein Amt entzogen bekommen – war „Freund“ der mafiösen Seilschaft.
Vorerst sind weder Bürgermeister Marino selbst oder sein engsten Gefolgsleute noch erst recht auf nationaler Ebene aktive Politiker in den Skandal verwickelt. Doch dass in Italiens Hauptstadt wichtige Vertreter nicht bloß der Rechten, sondern auch der Partei des Ministerpräsidenten Matteo Renzi keine Scheu hatten, mit großkalibrigen Kriminellen Korruptionsdeals zu schließen, dürfte Schockwellen in die gesamte italienische Politik aussenden.
Schon heute ist die übergroße Mehrheit der Bürger überzeugt, dass sie von einer ebenso unfähigen wie korrupten politischen Klasse regiert wird. Für diese Überzeugung gibt es nun weiteres Anschauungsmaterial. | 234,975 |
0 | »Aber ich bitte Sie, Johanna, was meinen Sie mit 'ja denn'? Das klingt
ja ganz anzüglich und sonderbar, und Sie werden doch nichts gegen
Predigerstöchter haben ... Es war ein sehr hübsches Mädchen, was
selbst unsere Offiziere - wir hatten nämlich Offiziere, noch dazu rote
Husaren - auch immer fanden, und verstand sich dabei sehr gut auf
Toilette, schwarzes Sammetmieder und eine Blume, Rose oder auch
Heliotrop, und wenn sie nicht so vorstehende große Augen gehabt hätte
... ach, die hätten Sie sehen sollen, Johanna, wenigstens so groß (und
Effi zog unter Lachen an ihrem rechten Augenlid), so wäre sie geradezu
eine Schönheit gewesen. Sie hieß Hulda, Hulda Niemeyer, und wir waren
nicht einmal so ganz intim; aber wenn ich sie jetzt hier hätte und sie
da säße, da in der kleinen Sofaecke, so wollte ich bis Mitternacht mit
ihr plaudern oder noch länger. Ich habe solche Sehnsucht, und...«, und
dabei zog sie Johannas Kopf dicht an sich heran, »... ich habe solche
Angst.« | 234,976 |
1 | Klausurtagung der Linkspartei : Gregor Gysi will keine Führungsdebatte
Nach Mauerstreit und Castro-Brief warnt der Fraktionschef vor neuer Personaldiskussion. Und gibt sich demonstrativ optimistisch.
Bitte keine Personaldebatte! Nicht jetzt! Gregor Gysi fleht wohl vergeblich. Bild: dapd
ROSTOCK dpa/dapd/afp | Nach den Querelen bei der Linkspartei über die Gründe des Mauerbaus und das Glückwunschschreiben an Kubas Revolutionsführer Fidel Castro hat sich Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi gegen eine Personaldebatte ausgesprochen. "Wir haben auf demokratische Art und Weise zwei Vorsitzende gewählt. Sie sind es, bis wir Neuwahlen haben. Ob sie dann noch mal antreten, das müssen sie selbst entscheiden", sagte Gysi am Freitag in Rostock zu Beginn einer Klausurtagung seiner Fraktion. Die Linke habe derzeit keine Personaldebatte, sie brauche auch keine. Er befürwortete ausdrücklich den Vorschlag von Parteichef Klaus Ernst, eine Mitgliederbefragung zur künftigen Parteispitze zu veranstalten. Dabei könne es dann "unterschiedliche Kandidaten geben".
Zugleich appellierte Gysi an seine Partei, sich nach den vielen internen Debatten jetzt der Zukunft zuzuwenden. Es sei es an der Zeit, "dass wir uns so darstellen, wie wir sind, nämlich hochpolitisch", sagte er. Die Linkspartei müsse eine Zukunftspartei sein und auch jüngere Leute ansprechen. "Die können mit der Mauer gar nichts anfangen." Die Linke stehe derzeit in der Öffentlichkeit "nicht gut genug da, das ärgert mich", sagte Gysi.
Fraktionsvize Dietmar Bartsch übt sich derweil in Zweckoptimismus. "In den vorpommerschen Dörfern interessiert sich niemand für Castro", verkündete er am Rande der Linken-Klausur am Freitag in Rostock.
Auch Gysi gibt sich bei den Beratungen in der Hansestadt demonstrativ optimistisch. Aber der Fraktionschef, der in seiner langen Karriere bei PDS und Linken schon mehrfach die Brocken hingeworfen hat, deutet an, dass ihm die Zuversicht nicht immer leicht fällt: "Wenn ich nicht optimistisch wäre, würde ich ganz andere Konsequenzen ziehen." | 234,977 |
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