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1 | Plädoyers im NSU-Prozess in München: Helfer „voller Stolz“
Die Bundesanwaltschaft widmet sich den Mitangeklagten Carsten S. und Ralf Wohlleben. Es sei erwiesen, dass sie die Mordwaffe lieferten.
Sollen die Pistole besorgt haben: Ralf Wohlleben (links) und Carsten S. (rechts, im grauen Kapuzenpullover) Foto: dpa
MÜNCHEN taz | Jochen Weingarten lässt keinen Zweifel. „In vollem Umfang“ habe sich der Anklagevorwurf gegen Carsten S. und Ralf Wohlleben bestätigt. Der lautet: Beihilfe zu neunfachem Mord. Es sei erwiesen, dass beide dem NSU-Trio die Pistole lieferten, mit der die Rechtsterroristen später neun Migranten erschossen: die Ceska Zbrojovka 83. Und beide, so Weingarten, hätten dies im Wissen getan, dass das Trio die Waffe für ihren rassistischen, „abgrundtiefen“ Hass nutzen würde. Zum Morden.
Der Montag markiert Tag 4 des Plädoyers der Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess. Und nach der Hauptangeklagten Beate Zschäpe knöpfen sich die Ankläger mit Ralf Wohlleben und Carsten S. nun zwei der vier Mitangeklagten vor. Wohlleben soll die Ceska besorgt, S. diese dem untergetauchten Trio überbracht haben. Beide hätten im Prozess in einem gewissen „Schattenwurf“ Zschäpes gestanden, gesteht Weingarten. Davon habe sich seine Bundesanwaltschaft aber nicht beeinträchtigen lassen.
Und beide Angeklagten hätten sich in der Verhandlung nicht unterschiedlicher geben können. Carsten S., 2000 aus der Szene ausgestiegen und zuletzt bei der Düsseldorfer Aids-Hilfe angestellt, lieferte gleich zu Beginn ein Geständnis, teils unter Tränen. Wohlleben, ein früherer NPD-Mann, dagegen machte klar, dass er weiter zur Szene hält – und schwieg lange. Dann schob er alles auf Carsten S.: Nicht er, sondern der Mitbeschuldigte sei der wahre Waffenbeschaffer. Er habe damit nichts zu tun.
Die Bundesanwaltschaft verwirft Wohllebens Version nun in Bausch und Bogen. Der vierjährige Prozess habe klar ergeben, dass es Wohlleben war, der Carsten S. in einen Jenaer Szeneladen schickte, um die Ceska zu besorgen und die nötigen 2.500 DM dafür bezahlte, sagt Weingarten. Zuvor habe das abgetauchte Trio in einem Telefonat mit S. eine Pistole samt Schalldämpfer eingefordert. Nach Erwerb der Ceska habe S. die Waffe schließlich im Frühjahr 2000 den Dreien in einem Chemnitzer Abbruchhaus übergeben.
„Ganz selbstverständlich“, teils „voller Stolz“, hätten die beiden Angeklagten dem Terrortrio geholfen, führt Weingarten aus. Weil sie sich ihren abgetauchten Bekannten „unbedingt verpflichtet“ fühlten und selbst rechtsextrem dachten. Die „naheliegende Möglichkeit“, dass das rassistische Trio mit der Waffe Migranten erschießen würde, hätten beide erkannt, betont der Oberstaatsanwalt.
Bestehender Tatverdacht
Wohlleben reagiert teils kopfschüttelnd auf die Worte, Carsten S. verzieht keine Miene. Und Weingarten legt noch nach: Wohlleben habe auch ein „klandestines Kontaktsystem“ um das abgetauchte Trio aufgebaut, in dem er deren telefonische Aufträge bearbeitete und Mittelsmänner koordinierte, einen davon Carsten S. Für die Terrorgruppe habe Wohlleben damit eine „zentrale Bedeutung“ gehabt.
Die Ausführungen hatten sich abgezeichnet. Als einziger Angeklagter neben Zschäpe sitzt Wohlleben bis heute in U-Haft. Seine Entlassung war immer wieder abgelehnt worden, weil der Tatverdacht fortbestehe. Carsten S. dagegen ist in einem Zeugenschutzprogramm und darf ein mildes Urteil erwarten – wegen seines Geständnisses und seines zur Tatzeit jugendlichen Alters.
Wohlleben nutzte den Prozess zuletzt noch für offene Szeneparolen. Seine Anwälte beantragten, festzustellen, dass Deutschland der „Volkstod“ drohe oder wollten den Tod des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß aufklären. Für Wohllebens Plädoyer lässt das wenig Gutes erahnen. Dieses wird für den Herbst erwartet. Vorher noch gibt es eine vierwöchige Sommerpause. Erst danach wird die Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer beenden, im Anschluss wollen die Opferanwälte plädieren – rund 60 Stunden lang. Erst danach folgen die Schlussworte aller Verteidiger. | 234,700 |
1 | Bürgermeisterwahl in Ungarn: Querfront gegen Fidesz
Die Wahl für ein Bürgermeisteramt in Südungarn gewinnt ein Oppositioneller. Er wird von den Sozialdemokraten und der rechtsextremen Jobbik gestützt.
Keine Trendwende: Protest gegen die Fidesz-Regierung am 23. Februar in Budapest Foto: reuters
WIEN taz | Wünschen sich die Ungarn einen politischen Wechsel? Sechs Wochen vor den bevorstehenden Parlamentswahlen hat die regierende nationalkonservative Fidesz eine unerwartete Schlappe erlitten. In der südungarischen Stadt Hódmezővásárhely (Neumarkt an der Theiß) setzte sich bei kommunalen Nachwahlen überraschend der Kandidat der Opposition für den Posten des Bürgermeisters, der Unabhängige Péter Márki-Zay, mit 57,5 Prozent der Stimmen gegen Zoltán Hegedűs (41,5 Prozent) von Orbáns Fidesz durch. Die Nachwahlen waren durch den Tod des Fidesz-Bürgermeisters notwendig geworden.
Das Erfolgsrezept der Opposition war die Überwindung der ideologischen Vorbehalte. Von der sozialdemokratischen MSZP über die Öko-Partei LMP bis zur rechtsextremen Jobbik konnten sich alle Kräfte auf den parteilosen Márki-Zay einigen – einen gemäßigt konservativen Fidesz-Dissidenten, der seiner Partei aus Entrüstung über die ausufernde Korruption den Rücken gekehrt hat.
Die rechtsextreme Jobbik gibt sich in jüngster Zeit auffällig konstruktiv und geläutert. Symptomatisch ist die Wandlung des 40jährigen Abgeordneten Márton Gyöngyösi, der 2012 die Erstellung einer Liste der in Ungarn lebenden Juden, die „eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellen“ gefordert hatte. Später entschuldigte er sich dafür.
Heute bezeichnet er seine Aussagen von damals als eindeutig falsch. Jobbik bemühe sich, die gespaltene Gesellschaft zu einen und suche Konsenslösungen, so der Politiker am Montag im Interview mit dem Ö1 Mittagsjournal.
Nepotismus und Korruption
Dass die Regierungspartei ausgerechnet in Hódmezövásárhely eine Schlappe erlitt, ist kein Zufall. Die 47.000-Einwohner-Stadt nahe der rumänischen Grenze ist ein Schaufenster von Nepotismus und Korruption.
Dass sich die Affären nicht nur auf der Gerüchteebene abspielen, belegt eine Untersuchung der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf, die einen landesweiten Skandal um neue Beleuchtungskörper für die Gemeinden aufgedeckt hat. Orbáns Schwiegersohn István Tiborcz soll sich über ein Firmengeflecht mehrere Millionen Euro durch manipulierte Ausschreibungen in die eigene Tasche gesteckt haben.
Beleuchtungskörper mit weit geringerer Lebensdauer als angegeben wurden zu überteuerten Preisen angeboten. Die Tiborcz zugerechnete Firma Elios, die federführend beteiligt war, hat ihren Sitz in Hódmezövásárhely.
In dieser Stadt begann auch die Karriere von Orbáns einflussreichem Kanzleramtsminister János Lázár, der hier Bürgermeister war. Auch er ist immer wieder Gegenstand von Recherchen der wenigen verbliebenen unabhängigen Medien zu Korruptionsaffären.
Dass die Wahl eine Trendwende in der öffentlichen Meinung bewirkt, ist nicht anzunehmen. Umfragen lassen erwarten, dass sich Fidesz am 8. April mit knapp der Hälfte der Stimmen – dank des maßgeschneiderten Wahlrechts – bis zu 70 Prozent der Parlamentssitze sichern kann. Außer der Opposition gelingt es, in vielen Wahlkreisen Einheitskandidaten aufzustellen. | 234,701 |
0 | »Wenn du das alles siehst, dann siehst du wohl auch, daß auf der einen
Seite ein sandiges Ufer ist, wo sich viele Kinder tummeln, die den
ganzen Sommer lang dort baden, und daß an einer andern Stelle eine hohe
Felsenwand aufragt, auf der große dunkle Tannen wachsen mit mächtigen
dicken Wurzeln, die wie Schlangen umeinander geschlungen sind. Und
wieder an einer andern Stelle siehst du wohl auch ein Sumpfland, wo
dichtes Erlengebüsch steht, durch das man kaum hindurchkommen kann, und
wieder hinter diesem liegen die schönen ebenen Wiesen, wo das Vieh
weidet.« | 234,702 |
0 | 1: Von diesen sechs Niederlassungen kennen wir Älterleute. Älterleute
zu Ipswich werden erwähnt HR. II 2 n. 44, 7 n. 338 §§ 194,_8,
203,_8; zu Yarmouth Hans. U. B. IV n. 768; zu Lynn Hans. U. B. II
n. 40, X n. 477 § 18; zu Boston Hans. U. B. IV n. 768, HR. II 2 n.
28, 79 § 8; zu Hull Hans. U. B. IV n. 768. | 234,703 |
1 | Tiananmen-Gedenken verboten: Hongkong hört die Signale
In der Sonderverwaltungszone wurde erstmals seit 30 Jahren eine Tiananmen-Mahnwache untersagt. Peking untermauert seinen Machtanspruch.
27. Mai: Anti-Riot-Polizei in Hongkong Foto: Tyrone Siu/reuters
PEKING taz | In Festlandchina werden selbst vage Referenzen an die blutige Niederschlagung der Pekinger Studentenbewegung am 4. Juni 1989 zensiert; in Hongkong dagegen konnte die Bevölkerung in aller Öffentlichkeit des Tiananmen-Massakers gedenken. Bislang jedenfalls: Am Montag haben die Hongkonger Behörden erstmals eine für kommenden Donnerstag angesetzte Demonstration verboten.
Offiziell begründet wird das Verbot mit der coronabedingten Infektionsgefahr, schließlich zogen im vergangenen Jahr laut Angaben der Organisatoren rund 180.000 Menschen in den Victoria-Park. Die Zivilgesellschaft vermutet jedoch politischen Willen hinter der Entscheidung und fragt sich bereits, ob Versammlungen wohl auch zum 4. Juni 2021 untersagt werden.
Am Donnerstag hatte die Kommunistische Partei auf ihrem Nationalen Volkskongress in Peking für ein nationales Sicherheitsgesetz für Hongkong gestimmt, das die vertraglich bis 2047 gesicherte Autonomie der einstigen britischen Kolonie in bislang einmaligem Ausmaß untergraben würde. „Subversive“ und „sezessionistische“ Aktivitäten stellt der Gesetzentwurf unter Strafe, wobei die Regierung in Peking ihre eigenen Sicherheitskräfte zur Durchsetzung der neuen Regelungen installieren könnte.
Das umstrittene Gesetzesvorhaben wird zwar dieser Tage erst im Detail ausformuliert, doch Peking lässt keinen Zweifel an seinem allumfassenden Machtanspruch: Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit nannte den Entscheid des Volkskongresses ein Mandat, „die Hongkonger Polizeikräfte vollständig zu führen“, um die Ordnung wiederherzustellen.
Folgen des Sicherheitsgesetzes
Wie weit die Kompetenzen der Pekinger Sicherheitsorgane in Hongkong reichen werden, ist bislang nicht bekannt. So ist etwa unklar, ob sie auch Verhaftungen und Auslieferungen an Festlandchina durchführen dürfen. Doch allein ihre Präsenz wird wohl eine abschreckende Wirkung auf die prodemokratischen Aktivisten in Hongkong haben.
Auch die internationalen Folgen des Sicherheitsgesetzes sind bislang unabsehbar, könnten aber der angeschlagenen Volkswirtschaft schaden. US-Präsident Donald Trump kündigte am Wochenende an, den Sonderstatus für Hongkong aufzuheben, der die Sonderverwaltungszone unter anderem von den gegen Festlandchina verhängten Strafzöllen ausnimmt. Auch sollen gegen einige chinesische Studenten in US-Universitäten Einreiseverbote verhängt werden.
Chinas Regierung reagierte erbost: „Sämtliche Wörter und Handlungen, die die Interessen Chinas beschädigen, werden mit Gegenangriffen beantwortet“, sagte Außenministeriumssprecher Zhao Lijian am Montag. Washingtons Maßnahmen würden eine „ernsthafte Einmischung“ in „Chinas innere Angelegenheiten“ darstellen und die „US-chinesischen Beziehungen unterminieren“.
Ernsthafte Bedrohung
Dass sich die chinesische Führung von den offenen Drohungen nicht beirren lässt, legt die Interpretation nahe, dass Peking die Protestbewegung tatsächlich als ernsthafte Bedrohung des eigenen Machtanspruchs wertet. Dabei hat die Bevölkerung auf dem Festland – auch aufgrund extrem einseitiger Medienberichterstattung – wenig Sympathien für die „Randalierer“ in Hongkong.
Doch auch die Organisatoren der für den 4. Juni angesetzten Gedenkdemo in Hongkong wollen sich nicht beirren lassen: Sie fordern dazu auf, in Kleingruppen von acht Menschen zum Trauermarsch im Victoria-Park zu erscheinen – also genau innerhalb der gesetzlichen Beschränkungen. | 234,704 |
1 | Betätigungsverbot in Deutschland: De Maizière untersagt IS-Aktivitäten
Bisher konnten Anhänger der Terroristen in Deutschland offen die IS-Fahne zeigen. Das ändert sich jetzt. Der Innenminister erlässt ein Betätigungsverbot.
Soll in Deutschland nicht mehr zu sehen sein: Fahne des IS, hier im Nordirak. Bild: dpa
BERLIN dpa | Die Bundesregierung verbietet der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Aktivitäten in Deutschland. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat bei einer Pressekonferenz am Vormittag in Berlin ein Betätigungsverbot für die Terrorgruppe in der Bundesrepublik verkündet. Mit dem Betätigungsverbot soll Anhängern und Mitgliedern des IS in Deutschland auch das Verwenden von Symbolen wie der schwarzen IS-Flagge oder das Tragen von Abzeichen untersagt werden.
Durch das Verbot ist der IS in Deutschland noch nicht als ausländische terroristische Vereinigung eingestuft – dazu ist ein Gerichtsurteil erforderlich. Nach Einschätzung der Bundesregierung sind in der Miliz auch mehrere hundert deutsche Kämpfer aktiv. Zunächst hatten WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung über das bevorstehende Verbot berichtet.
Das IS-Verbot gehört zu einer Reihe von Maßnahmen der Bundesregierung im Kampf gegen die vor allem im Irak und in Syrien tätigen Terroristen. So hat sie neben humanitärer Hilfe für die Flüchtlinge im Irak auch Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak beschlossen, die gegen die IS kämpfen. Nach Angaben des Geheimdienstes CIA hat die IS zwischen 20.000 und 31.500 Angehörige im Irak und in Syrien. Die Zahl sei durch eine verstärkte Rekrutierung seit Juni gestiegen, berichtete der US-Nachrichtensender CNN unter Berufung auf einen CIA-Sprecher.
Die Forderung nach einem IS-Verbot in Deutschland war von Politikern aus allen Bundestagsparteien erhoben worden. Allerdings gab es Zweifel, ob der IS in Deutschland überhaupt eine Organisationsstruktur hat. Das Innenministerium hatte daraufhin mit den Bundesländern geprüft, ob die rechtlichen Voraussetzungen für ein solches Verbot vorliegen.
Noch keine „ausländische terroristische Vereinigung“
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte im ARD-„Morgenmagazin“, das Innenministerium habe geprüft, ein Vereinsverbot oder ein Betätigungsverbot zu hängen. Ein Verbot, das „gerichtsfest“ sein müsse, sei rechtlich kompliziert. „Zumal ein Vereinsverbot allein möglicherweise nicht die gewünschte Wirkung hinterlassen kann. Es geht ja dann darum, eine Organisationsstruktur zu zerschlagen, den Mitgliedern die Basis für ihre Aktivitäten zu nehmen.“
Der IS gehöre auf die Liste der terroristischen Vereinigungen, wofür die Europäische Union verantwortlich sei, sagte Bosbach. „Dass es sich beim IS um eine terroristische Vereinigung handelt, dürfte zweifelsfrei sein.“
Betätigungsverbote sind vom Bundesinnenministerium und den Behörden der Länder bisher beispielsweise 1993 gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK sowie gegen die Nationale Befreiungsfront Kurdistans ERNK verhängt worden – die europäische Führung der PKK. Im Jahr 2008 gab es ein solches Verbot gegen den PKK-Fernsehsender Roj-TV und seinen deutschen Ableger.
Die entsprechenden Regelungen sind im Vereinsgesetz festgeschrieben. Betätigungsverbote werden gegenüber solchen ausländischen Vereinen erlassen, die in Deutschland nicht über gerichtsfest nachweisbare Strukturen verfügen, denen aber eine Betätigung im Inland nachweisbar ist. Ziel ist die Unterbindung jeglicher Aktivitäten von Anhängern und Mitgliedern im Inland. Darunter fallen auch ein Verbot des Tragens von Abzeichen und Versammlungen oder die Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen. Zudem wird die Unterstützung durch Progaganda oder Geld- oder Sachspenden untersagt. | 234,705 |
1 | 1948-1960
Vor der Proklamation des Staates Israel erreichten etwa 70.000 Shoahüberlebende das Land, von Mai 1948 bis 1951 folgten ihnen annähernd 350.000 weitere Überlebende und machten 1951 etwa ein Viertel der israelischen Gesamtbevölkerung aus.
Die israelische Bevölkerung beschäftigte sich mit dem sozialen, wirtschaftlichen und politischen Aufbau des jungen Landes, wollte sich jedoch nicht mit den persönlichen Problemen der Überlebenden, die aus deren schrecklichen Lagererfahrungen resultierten, befassen. Bereits kurz nach der Befreiung der nationalsozialistischen Konzentrationslager war ein festes Bild von den Überlebenden durch Berichte geprägt worden, die Emissäre aus den deutschen DP-Lagern nach Palästina bzw. Israel gesendet hatten. Darin berichteten sie über die negativen Auswirkungen des Lagerlebens, die die Überlebenden physisch vor allem jedoch emotional und moralisch beeinflusst hatten. In den Berichten wurden die Überlebenden geringschätzig als "menschliche Trümmer", "Gesindel" oder "Menschenstaub" bezeichnet.
Auch der einstige Schlachtruf Abba Kovners, dem Anführer des Aufstandes im Ghetto Wilna, "sich nicht wie die Schafe zur Schlachtbank führen zu lassen", wurde umgedreht und als Vorwurf an die europäischen Juden gerichtet, dass sie sich widerstandslos erniedrigen und ermorden ließen. Diese negativen Einschätzungen wurden größtenteils kritiklos von den jüdischen Bewohnern Palästinas übernommen. Der junge Staat sollte nicht vom vermeintlichen Typus des "kränklichen, verweichlichten Diasporajuden", der sich nicht selbst verteidigen konnte, sondern vom starken und gesunden "Neuen Juden", der alles mit eigenen Händen schafft, aufgebaut werden.
Die Opferrolle der verfolgten europäischen Juden passte in den ersten Jahren nicht in das Bild der zionistischen Ideologie, in der neue kämpferische, zu Mythen erhobene Ereignisse die Identitätsbildung des jungen Staates bestimmen sollten. Davon abgeleitet begegnete die israelische Bevölkerung anfangs den immigrierten Überlebenden mit einer ablehnenden Haltung, die durch Vorurteile bestimmt war. Die einzigen Überlebenden, denen vorurteilsfrei begegnet wurde, waren die Ghettokämpfer und Partisanen, die in den Ghettos und Wäldern aktiv bewaffneten Widerstand geleistet hatten.
Mit dem Ende des Unabhängigkeitskrieges und der Etablierung des Staates fand zu Beginn der 1950er Jahre eine erste Auseinandersetzung mit der Shoah statt. Jedoch spielte sich diese nicht innerhalb der israelischen Gesellschaft ab, sondern lediglich auf politischer und juristischer Ebene – sprich in der Knesset und im Gerichtssaal. Dabei standen nur selten die Überlebenden oder die Opfer im Vordergrund, sondern die Diskussionen kreisten um politische Einstellungen und zionistische Idealisierungen.
Das zeigte sich beispielsweise deutlich an der Hervorhebung des heldenhaften bewaffneten Widerstandes in den Ghettos innerhalb der Debatten um den Beschluss zum Shoahgedenktag (1951) und das Yad-Vashem-Gesetz (1953). Bei den kontroversen Auseinandersetzungen in der Knesset um die Entschädigungszahlungen der Bundesrepublik Deutschland im Januar 1952 spielten letztendlich wirtschaftliche Faktoren eine entscheidende Rolle und bei dem Gesetz zur Bestrafung von Nationalsozialisten und deren Kollaborateuren (1950) ging es vorrangig um die "Reinigung" Israels von "jüdischen Verbrechern" , die mit den Nationalsozialisten kollaboriert hätten, wie sich der damalige Justizminister Pinchas Rosen ausdrückte.
Das beginnende staatliche Shoahgedenken hatte nur eine marginale Position innerhalb der israelischen Erinnerungskultur und stand unter dem Einfluss der zionistischen Ideologie mit übermäßiger Betonung des bewaffneten jüdischen Widerstandes gegen die Nationalsozialisten. Ein Beispiel dafür stellt der Shoahgedenktag, der so genannte Yom haShoah, dar. Seit 1947 hatten verschiedene Veranstaltungen am 19. April – dem Datum des Ausbruchs des Warschauer Ghettoaufstandes – stattgefunden. Gleichzeitig wurde der Ruf nach einem allgemein gültigen Shoahgedenktag vorrangig von Überlebenden, die nicht an den Ghettoaufständen beteiligt gewesen waren, laut. Doch erst 1950 begann die Knesset über solch einen Gedenktag zu diskutieren. Nach langen hitzigen Debatten über das Datum und den Namen des Gedenktages verabschiedete die Knesset am 12. April 1951 den Beschluss zur Errichtung des Yom haShoah uMered haGetaot – Tag der Shoah und des Ghettokampfes, der jährlich am 27. Nissan stattfinden sollte. Erst 1959 wurde der Tag mit dem Gesetz zum Tag des Gedenkens an die Shoah und das Heldentum gesetzlich verankert und offiziell umbenannt. Zunächst stieß der Yom haShoah auf geringes Interesse innerhalb der israelischen Gesellschaft. Eine Änderung bewirkte erst der Eichmannprozess. Spätestens mit dem Einführen des 2-minütigen Sirenensignals am Morgen des Yom haShoah, in der alle im stillen Gedenken verharren sowie der Einführung des israelischen Fernsehens Ende der 1960er Jahre und der damit verbundenen Ausstrahlung themenrelevanter Dokumentationen und Berichte am Gedenktag, wurde der Yom haShoah von der israelischen Gesellschaft angenommen und in den jährlichen Fest- und Trauertagskalender integriert.
Das zunächst geringe Interesse an der Shoah und ihren Überlebenden spiegelte sich auch in der Vermittlung der Shoah im israelischen Schulunterricht wider. Es war vom Lehrer abhängig, was, wie viel und mit welcher Intention unterrichtet wurde, denn der Lehrplan sah dieses Thema in den ersten Jahren nach der Staatsgründung nicht vor.
Die Verknüpfung zwischen Shoah und Heldentum war ebenso deutlich sowohl am Namen als auch an der Ausrichtung der staatlichen Gedenkstätte Yad Vashem (Rashut haSikaron leShoah veleGvura – Institution zum Gedenken an die Shoah und das Heldentum) zu erkennen, die sich stark am staatlichen Shoahgedenken orientierte. Ein provisorischer Vorstand für die Gedenkstätte Yad Vashem wurde im Auftrag des Jüdischen Nationalrats, des Jüdischen Nationalfonds und der Jewish Agency auf dem Zionistischen Kongress im August 1945 ernannt. Allerdings kam die Arbeit in den provisorischen Zweigstellen durch die politischen Unruhen in Palästina und den Unabhängigkeitskrieg fast völlig zum Erliegen. Auch in den ersten Jahren nach der Staatsgründung gestaltete sich die Arbeit schwierig, da für die israelische Regierung unter David Ben-Gurion der Staat Israel an sich zum Gedenken an die Shoah ausreichte und somit keine finanzielle Unterstützung für Yad Vashem gab. Erst durch das Yad-Vashem-Gesetz erhielt die Gedenkinstitution 1953 den Status der nationalen Shoahgedenkstätte und als Ort den Gedenkberg in Jerusalem. Die im Gesetzestext verankerten Aufgaben Yad Vashems beinhalteten das Sammeln sämtlicher Zeugnisse und Dokumente bezüglich der Shoah, die Verewigung des Gedenkens an die ermordeten Juden und die Vermittlung der Shoah an künftige Generationen. Die Leitung der Gedenkinstitution vertrat die offizielle staatliche Einstellung zur Shoah und in den ersten Jahren dominierten das Heldentum und der bewaffnete jüdische Widerstand.
Allerdings gab es neben dieser Art des Gedenkens auch zahlreiche privat von Überlebenden initiierte Gedenkformen. Es erschienen seit Ende der 1940er Jahre erste Yiskor-Bücher (Gedenkbücher), in denen der in den Ghettos und Lagern Ermordeten gedacht wurde, indem man sie namentlich – nach Gemeinden geordnet – nannte. Gedenktage zur Erinnerung an die Befreiung von Konzentrationslagern wurden eingeführt. Tage, an denen ganze Gemeinden fast ausgerottet worden sind, wurden zu Trauertagen ernannt. Es hatten sich viele Organisationen von Überlebenden einzelner Gemeinden sowie von Ghettokämpfern und Partisanen gegründet, die ihren Verwandten und Freunden auf diese Weise bzw. durch das Aufstellen von Gedenkplatten und –steinen ein ewiges Denkmal errichteten. Diese Aktivitäten wurden allerdings in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.
Die Integration der Shoahüberlebenden in die israelische Gesellschaft veränderte sich gegen Ende der 1950er Jahre. Viele von ihnen gehörten zu den bekannten Künstlern des Landes, wie z.B. Ruth Bondy und der unter dem Pseudonym Ka-Tzetnik 135633 publizierende Schriftsteller Yehiel Dinur, den Universitätsprofessoren, Yehuda Bacon, Professor für Bildende Kunst, und den Knessetabgeordneten, Mordechai Nurock und Menachem Begin. Trotzdem konnte dies nicht über das Schweigen über die Shoah – auf beiden Seiten – hinwegtäuschen. Zum einen waren die Überlebenden, die über ihre Lagererfahrungen sprechen konnten und wollten, zum größten Teil inzwischen verstummt, da ihnen niemand zuhören wollte, zum anderen waren viele aufgrund ihrer Traumatisierung nicht in der Lage, über diese schreckliche Zeit zu berichten. Eine substantielle Änderung der Einstellung innerhalb der israelischen Gesellschaft gegenüber den Überlebenden zeichnete sich erst durch den Eichmannprozess im Laufe des Jahres 1961 ab.
1961-1976
Der Prozess der Auseinandersetzung mit der Shoah und ihren Überlebenden innerhalb der israelischen Gesellschaft fand mit der öffentlichen Berichterstattung über den Eichmannprozess seinen Weg in beinahe alle israelischen Haushalte. Durch die Live-Übertragungen im israelischen Rundfunkprogramm und der intensiven Darstellung in den Printmedien führte die Omnipräsenz des Prozesses – vor allem in Form der Zeugenaussagen der Überlebenden – zu einer neuen Wahrnehmung der Shoah in allen Gesellschaftsschichten und in allen Altersgruppen des Landes. Sie trat in das allgemeine Bewusstsein ein. Viele Jugendliche hatten den Prozess intensiv verfolgt und hörten damit teilweise erstmals von den Erlebnissen der Überlebenden. So mit der Geschichte konfrontiert, entwickelten sie Mitleid und Mitgefühl für die Opfer.
Die ersten Eindrücke nach dem Eichmannprozess beschränkten sich allerdings vor allem auf die Empathie mit den Opfern. Innerhalb der verschiedenen Gesellschaftsbereiche fand nur langsam eine Einbindung der Shoah statt. So errichtete 1961 die Bar-Ilan-Universität den ersten Lehrstuhl für Holocaust Studies in Israel. Ein Jahr später wurde an der Hebräischen Universität Jerusalem das Institut for Contemporary Jewry gegründet sowie ein Lehrstuhl für Holocaust Studies eingerichtet.
Mit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 und dem Yom-Kippur-Krieg 1973 änderte sich die Wahrnehmung gegenüber den Überlebenden und das allgemeine Verhältnis zur Shoah innerhalb der israelischen Gesellschaft erneut. Trotz der Empathiebekundungen für die Opfer im Zuge des Eichmannprozesses überwog noch immer das Vorurteil, dass die meisten Verfolgten "wie die Lämmer zur Schlachtbank" geführt worden seien und sich nicht gegen das nationalsozialistische Regime gewehrt hätten.
Bereits am Vorabend des Sechs-Tage-Krieges fühlte sich Israel von den USA und Europa allein gelassen gegen die feindlich gesinnten arabischen Nachbarstaaten. Die Angst vor einer Vernichtung des israelischen Staates und seiner Bevölkerung durch die Nachbarstaaten steigerte sich nochmals kurz vor Ausbruch des Krieges.
Eine weitere und größere Zuspitzung der Situation erfolgte während des Yom-Kippur-Krieges. Israel wurde an dem höchsten Feiertag des jüdischen Kalenders angegriffen. Nur mit Mühe konnte die israelische Armee nach Tagen permanenter Kämpfe das militärische Gleichgewicht zurückerlangen. Zwar unterstützten die USA Israel durch eine Luftbrücke mit Waffenlieferungen, doch konnte dies das überwiegende Gefühl des Alleingelassenseins nicht mindern. Nach dem für Israel siegreichen Ende des Sechs-Tage-Krieges hatte eine euphorische Stimmung im Land geherrscht. Man hatte die Gegner in ihre Schranken verwiesen und große Teile neuen Territoriums für sich gewinnen können. Die Kriegshelden wurden hoch verehrt. Dem Yom-Kippur-Krieg folgte dagegen keine positive, sondern eine eher nachdenkliche Stimmung im Land. Die Angst hatte Spuren hinterlassen.
Bis Anfang der 1970er Jahre gehörten in der offiziellen Gedenkkultur die beiden Begriffe Shoah und Heldentum eng zusammen, doch nach dem Yom-Kippur-Krieg wurde diese Konstellation der Begriffe hinterfragt.
Aus dem Mitleid mit den Opfern der Shoah entwickelten viele Israelis nach den Erfahrungen der beiden Kriege Verständnis für ihre Situation. Teilweise war es ihnen sogar möglich, sich mit ihnen zu identifizieren und zu verstehen, dass es in manchen Situationen einfach unmöglich ist, bewaffneten Widerstand zu leisten.
In den Jahren zwischen dem Eichmannprozess bis zum Ende des Yom-Kippur-Krieges veränderten sich in Israel die Wahrnehmung und Einstellung gegenüber den Überlebenden sehr stark. Diese knapp 13 Jahre bildeten eine wichtige Phase des in Israel seit den 1950er Jahren bis heute andauernden und sich verändernden Prozesses des Umgangs mit der Shoah im Allgemeinen und ihrer Überlebenden im Besonderen. In diese Zeit fiel der Wandel von einer ablehnenden bis negativen Haltung zu einer positiven und selbstidentifizierenden Wahrnehmung der Überlebenden seitens der israelischen Bevölkerung.
Als Folge dessen sind die Besucherzahlen in den bereits existierenden Gedenkstätten Yad Vashem (1954 eröffnet), Martef haShoah (eröffnet 1949) und Beit Lohamei haGetaot (ebenfalls 1949 eröffnet) gestiegen und weitere privat organisierte Shoahgedenkstätten gegründet worden. Als Folge des Eichmannprozesses ist die Aufnahme der Shoah in das Schulcurriculum zu betrachten. Dieses sah vor, dass in der Woche vor dem Yom haShoah in den oberen Klassen eine thematische Auseinandersetzung im Rahmen von sechs Unterrichtsstunden stattfinden sollte. Darüber hinaus besuchten in den Jahren 1966 und 1967 erstmals Schülergruppen aus Israel polnische Gedenkstätten an den Orten ehemaliger Vernichtungslager. Allerdings musste dieses Projekt wegen des Sechs-Tage-Krieges zunächst abgebrochen werden.
Auch wenn im staatlichen Shoahgedenken noch immer der bewaffnete Widerstand im Vordergrund stand, fanden doch Gedenkformen, die aus privater Initiative entstanden sind, sukzessive Eingang in das staatliche Gedenken. So publizierte z.B. die nationale Gedenkstätte Yad Vashem seit den späten 1960er Jahren ebenfalls Gedenkbücher, die einzelnen Gemeinden – nach Ländern geordnet – gewidmet sind. Dieses Projekt hält bis heute an.
1977 bis heute
Der Regierungswechsel von der Arbeiterpartei zum Likud unter Menachem Begin im Jahr 1977 bedeutete nicht nur einen Machtwechsel in Israel, sondern läutete auch einen Generationswechsel nach der Ära der Gründerväter um David Ben-Gurion ein. Menachem Begin, selbst Überlebender, benutzte den Begriff Shoah so häufig wie kein anderer Politiker vor und nach ihm. Durch ihn wurde die Instrumentalisierung des Begriffes in der israelischen Öffentlichkeit salonfähig und wird bis heute weiter praktiziert. Die Shoah fand spätestens durch die permanente Präsenz in den Medien, Eingang in den Alltag der israelischen Bevölkerung. In der Politik und im öffentlichen Leben wurde der Shoaherinnerung ein immer größerer Raum zuteil.
Damit setzte sich aber auch die Instrumentalisierung fort und war besonders in politischen Krisensituationen, wie dem Libanonkrieg, dem Golfkrieg und der ersten und zweiten Intifada sowie der Siedlertätigkeit bzw. während der Räumungen von Siedlungen präsent. Folgende Beispiele, wie die medialen Vergleiche zwischen Yassir Arafat und Adolf Hitler; das Verteilen von Gasmasken während des Golfkrieges zum Schutz vor einem eventuellen Giftgasangriff und der damit einhergehenden Parallele zu den Gaskammern in den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern oder das Anstecken des Gelben Sterns von Siedlern, die gegen die Räumung des Gazastreifens demonstrierten, verdeutlichen die Allgegenwart der Shoah in der Öffentlichkeit. Die Instrumentalisierung erweiterte sich zu einem Prozess der Mythologisierung der Shoah, der die israelische Bevölkerung weitestgehend einigte. Durch die fehlende Unmittelbarkeit zu den historischen Geschehnissen, was durch das Ausscheiden der Zeitzeugen bedingt war, kam es zu einer gleichzeitigen Überhöhung und Profanisierung der Shoah. Dies äußerte sich z.B. in dem Vergleich zwischen der Shoah und anderen politische Ereignissen, wie etwa Menachem Begins Libanon- und Anti-PLO-Politik.
Gerade nach der Generation der Gründerväter brauchte das Land, neben der Religion, neue Mythen und einigende Ereignisse. Durch die zunehmende Zentralität der Shoah wurde sie als Element der kollektiven Erinnerung zum Identitätsstifter schlechthin, zum Grundpfeiler der "säkularen Religion" Israels.
Somit hat sich die Einstellung der israelischen Gesellschaft gegenüber der Shoah und ihren Überlebenden von anfänglicher Distanzierung, Abwertung und Klischeevorstellungen über die Auseinandersetzung, bedingt durch den Eichmannprozess, bis hin zu Instrumentalisierung und Mythologisierung gewandelt.
Diese Veränderungen sind nicht nur in den israelischen Shoahgedenkstätten deutlich geworden, sondern auch an der Vermittlung der Shoah im israelischen Schulunterricht. Infolge der beiden Kriege und des Regierungswechsels erfolgte Ende der 1970er Jahre eine Überarbeitung des Schulcurriculums und dem Thema Shoah wurde eine höhere Stundenzahl im Unterricht eingeräumt. Allerdings wies der Unterricht noch immer substantielle Schwachstellen auf. So wurde mehr der emotionale denn der wissenschaftliche Aspekt angesprochen und es fehlte die Einbettung in den historischen Kontext. Nachdem diese Mängel erkannt worden waren, änderte sich der Unterricht und gestaltete sich in den letzten 20 Jahren immer umfang- und inhaltsreicher. Seit Ende der 1980er Jahre begannen erneut die Fahrten nach Polen und sind bis heute – mit dem regelmäßigen Besuch israelischer Shoahgedenkstätten – integraler Bestandteil des Shoahunterrichts.
Heute ist die Shoah eines der wichtigsten identitätsstiftenden Elemente der israelischen Gesellschaft, der ashkenasischen und der sephardischen, der säkularen und größtenteils auch der religiösen Israelis. Bei einer aktuellen Umfrage aus dem Jahr 2007, die von Yad Vashem durchgeführt wurde, kam es zu dem Ergebnis, dass 89% der jüdischen Bevölkerung Israels das Shoahgedenken als bedeutenden Bestandteil ihrer Identität ansehen. Bemerkenswert daran ist, dass die Bedeutung der Shoah sowohl bei ashkenasischen als auch sephardischen Jugendlichen beinahe den gleichen Stellenwert einnimmt.
Heute gibt es in Israel etwa zehn Shoahgedenkstätten, viele Denkmäler und unzählige Gedenksteine. Das Spektrum der Gedenkformen in Israel reicht von privatem über öffentliches bis hin zum offiziellen Gedenken; von religiös-zionistischem, säkular-zionistischem bis zum säkularen Gedenken. Es ist so breit gefächert wie in keinem anderen Land auf der Welt.
Segev, Tom: Die siebte Million. Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung. Hamburg 1995. S. 162, 164.
Zertal, Idith (2003): Nation und Tod. S. 108
"Mythologisierung" bedeutet keineswegs eine absichtliche Fälschung der historischen Tatsachen, sondern eine Haltung gegenüber bestimmten Abschnitten, die durch den Verlust an Unmittelbarkeit und durch Werturteile bezüglich des historischen Phänomens den Rang eines Mythos erreichen. (aus: Zimmermann, Moshe: Israels Umgang mit dem Holocaust. S. 390)
Zimmermann, Moshe: Wende in Israel. Zwischen Nation und Religion. Berlin 1997 S. 87
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0 | An diesem Ausflusse hat er, wie die Leute erzählen, verschiedene Jahre
her abgenommen; das will aber gegen die übrige ungeheure Masse gar
nichts sagen. Obgleich alles voll Schnee lag, so waren doch die
schroffen Eisklippen, wo der Wind so leicht keinen Schnee haften läßt,
mit ihren vitriolblauen Spalten sichtbar, und man konnte deutlich
sehen, wo der Gletscher aufhört und der beschneite Felsen anhebt. | 234,707 |
0 | Aus Mangel an Besserem musste die Galerie, an die unser Haus gebaut
war, und in der _Midan_ seine Küche eingerichtet hatte und _Doris_ die
Vögel und Säugetiere abhäutete, als Versammlungssaal dienen. Viele,
denen diese Beschäftigungen noch so gut wie unbekannt waren, zeigten
für das, was meine Leute vornahmen, mehr Interesse als für das, was
verhandelt wurde. In der Theorie durfte sich zwar jeder frei äussern
und mitstimmen, aber in Wirklichkeit waren es doch hauptsächlich
die alten, angesehenen Männer, welche die Beschlüsse fassten. Da
beim Hausbau hauptsächlich den Priestern, als den Kennern der
Vorzeichen, Gehör geschenkt werden musste, schwiegen die anderen von
selbst. Übrigens ist es bei den Kajan am Mahakam allgemein Sitte,
dass bei dergleichen Versammlungen die jungen Leute zu allem, was
die Alten wollen, Ja und Amen sagen. Die Versammlung dauerte trotz
der Hitze in dem kleinen Raum von morgens 9 Uhr bis zum Abend, wobei
stets neue Leute, die sich für die Angelegenheit interessierten,
zuhören kamen und jeder tat, was er wollte. In diesem Fall war die
Freiheit des Einzelnen, wegen der Enge des Raumes, in dem jeder nur
einen Sitzplatz einnehmen durfte, beschränkt, so dass er nicht, wie
wo anders, sein Netz weben, einen Korb flechten, eine Schnur drehen
konnte. Aus diesem Grunde waren die Teilnehmer wohl auch für einen
schnellen Verlauf der Beratungen, denn obwohl es sich um ernste Dinge
handelte, waren die Beschlüsse abends bereits gefasst; nach einigen
Tagen sollte mit dem Hausbau begonnen werden, ferner wurde bestimmt,
wieviel jede Familie nach der acht an Baumaterial zu liefern hatte;
meine Pläne wurden zwar besprochen, doch fand man, dass sie keine
Eile hatten; die Besteigung des Batu Lesong wurde allgemein als
ein zweckloses, sehr gewagtes Unternehmen aufgefasst und für unsere
Reise zur Küste hatten sie wegen des Hausbaus, der den ganzen Stamm
in Beschlag nahm, weder Lust noch Verständnis. | 234,708 |
0 | Der Propst hatte als junger Mann von feuriger Seele und großer
Rednergabe den Wunsch gehabt, Geistlicher zu werden. Seine wohlhabenden
Eltern waren dagegen gewesen; sie hätten es lieber gesehen, wenn er das
gewählt hätte, was sie eine "_unabhängige_ Lebensstellung" nannten. Aber
ihr Widerstand spornte seinen Eifer noch mehr an, und als er fertig war,
ging er ins Ausland, um dort weiter zu studieren. Auf der Durchreise
lernte er in Dänemark eine Dame kennen; sie gehörte einer
Glaubensrichtung an, die ihm nicht streng genug und darum verwerflich
erschien. Er suchte ununterbrochen auf sie einzuwirken; aber die Art,
wie sie ihn dabei ansah und ihn zum Schweigen brachte, konnte er später
während seines ganzen Aufenthaltes im Ausland nicht vergessen. Als er
zurückkam, suchte er sie sogleich auf. Sie verkehrten viel zusammen und
gewannen einander immer mehr lieb, bis sie sich schließlich verlobten
und gleich darauf heirateten. Nun aber stellte es sich heraus, daß jedes
von ihnen dabei einen Nebengedanken gehabt hatte. Er hatte sich
vorgenommen, sie mit all ihrer Lieblichkeit zu sich hinüberzuziehen in
seine düstere Lehre, und sie hatte sich wie ein Kind in der Sicherheit
gewiegt, seine Kraft und Beredsamkeit für den Dienst ihrer
Glaubensgemeinschaft gewinnen zu können. Sein erster, ganz leiser
Versuch stieß auf _ihren_ ersten, ganz leisen. Enttäuscht, mißtrauisch
zog er sich zurück. Sie war klug genug, das sofort zu merken, und von
diesem Tag an lauerte er nun immer auf einen weiteren Versuch
_ihrerseits_ und sie auf einen zweiten Versuch _seinerseits_. Aber keins
von ihnen machte einen zweiten; denn beiden war angst geworden. Er hatte
Angst vor seiner eigenen leidenschaftlichen Natur, und sie hatte Furcht,
sie würde sich durch einen verfehlten Versuch jede Aussicht verscherzen,
ihn zu sich herüberzuziehen. Denn diese Hoffnung gab sie nie auf; die
war ihr zur Lebensaufgabe geworden. Nie aber kam es zum Kampf; denn wo
sie war, da gab es keinen Kampf. Irgendwie jedoch mußte er seinem
arbeitenden Willen, seiner zurückgedrängten Leidenschaft Luft machen;
und das geschah jedesmal, wenn er auf der Kanzel stand und sie unter
sich sitzen sah. Wie in einem Wirbel riß er dann die Gemeinde mit sich
fort; bald erhitzte er seine Zuhörer, bald erhitzten sie ihn. Sie sah es
mit an und ließ ihr geängstigtes Herz ausruhen in Wohltätigkeit, und
später, als sie Mutter wurde, bei ihrem Kinde, das sie in körperlichem
und geistigem innigsten Umfangen an ihren stillen Stunden teilnehmen
ließ. Da gab sie, da empfing sie, da wiegte sie ihr eigenes großes Kind
in der Unschuld des Kindes, da feierte sie ein Fest der Liebe, von dem
sie zu ihm, dem Strengen, zurückkehrte mit aller vereinten Milde des
Weibes und des Christentums; und ihm war es dann natürlich nicht
möglich,--etwas zu sagen, was nicht liebreich gewesen wäre. Er _mußte_
sie ja lieben, über alles auf der Welt, aber um so schmerzlicher war es
ihm, um so heftiger blutete ihm das Herz, daß er ihr nicht helfen konnte
bei ihrer Seele Seligkeit. Mit dem stillschweigenden Recht der Mutter
entzog sie auch das Kind seiner religiösen Unterweisung. Die Liedchen
des Kindes, die Fragen des Kindes wurden ihm bald eine neue und tiefe
Quelle des Schmerzes. Und hatte ihn dann auf der Kanzel seine
leidenschaftliche Gemütsbewegung bis zur Härte aufgestachelt, so
begegnete ihm, wenn sie miteinander heimgingen, sein Weib nur mit um so
größerer Milde; die Augen redeten; der Mund redete nie ein Wort. Und die
Tochter nahm seine Hand und sah zu ihm auf mit Augen, die die Augen der
Mutter waren. | 234,709 |
1 | Kontrolle über die Gaza-Verwaltung: Hamas geht auf Fatah zu
Die Organisation des palästinensischen Präsidenten Abbas reagiert vorsichtig auf das Angebot der in Gaza herrschenden Hamas zur Aussöhnung.
Nach der Erklärung war unklar, ob die Hamas bereit sein würde, ihre Sicherheitskräfte unter Abbas' Kontrolle zu stellen Foto: dpa
RAMALLAH ap | Die radikalislamische palästinensische Organisation Hamas will nach eigenen Angaben die seit zehn Jahren andauernde Konfrontation mit der Fatah von Präsident Mahmud Abbas beenden. Sie akzeptiere dessen zentralen Bedingungen für eine Aussöhnung und Überwindung der politischen und territorialen Spaltung, teilte die Hamas mit. Ein Fatah-Führer, Mahmud Alul, reagierte am Sonntag vorsichtig. „Wir wollen das tatsächlich geschehen sehen, bevor wir den nächsten Schritt machen“, sagte er im Rundfunksender Stimme Palästinas.
Die Hamas hatte die Fatah 2007 aus dem Gazastreifen vertrieben, Abbas hat seitdem nur noch die Kontrolle über die autonomen Gebiete im von Israel besetzten Westjordanland. Seine Vorbedingungen für eine Aussöhung mit der Hamas sind insbesondere die Abhaltung allgemeiner Wahlen im Gazastreifen und Westjordanland und die Auflösung des von der Hamas dominierten Verwaltungskomitees, das den Gazastreifen regiert. Zu beidem erklärte sich die Hamas in ihrer Erklärung bereit.
Allerdings sind seit 2007 bereits mehrere Versuche zur innerpalästinensischen Aussöhnung gescheitert. In den vergangenen Tagen hatten ägyptische Vermittler in Gesprächen mit Hamas- und Fatah-Delegationen versucht, einen neuen Anlauf zu nehmen.
Die Hamas erklärte nun, Abbas' Regierung zu einer Rückkehr nach Gaza eingeladen zu haben. Das Verwaltungskomitee sei bereits aufgelöst worden. Die Gruppe wünscht sich laut eigener Aussage nationale Einheit.
Nach der Erklärung war unklar, ob die Hamas bereit sein würde, ihre Sicherheitskräfte unter Abbas‘ Kontrolle zu stellen – ein schwieriger Punkt in bisherigen Aussöhnungsverhandlungen, die wiederholt gescheitert waren.
Die Hamas ist seit einer israelischen und ägyptischen Blockade, drei Kriegen mit Israel und durch internationale Isolation stark geschwächt. Die Wirtschaft in Gaza liegt am Boden, Bewohner des Gebiets haben nur wenige Stunden am Tag Strom. Vor sieben Tagen hatte sich die Hamas erstmals zu Aussöhnungsgesprächen ohne Vorbedingungen bereit erklärt. Um die Gruppe unter Druck zu setzen, hatte Abbas nicht nur den Strom im Gazastreifen abgedreht, sondern auch die Gehaltszahlungen an Zehntausende Staatsbedienstete ausgesetzt. | 234,710 |
1 | Rechter Mordanschlag in Saarlouis 1991: Festnahme nach 11.583 Tagen
Ein zweiter Beschuldigter ist wegen des Brandanschlags festgenommen worden, 32 Jahre nach der Tat. Er gilt als Anführer der damaligen Neonazi-Szene.
Die Antifa Saar fordert einen Untersuchungsausschuss und Entschädigungen für die Opfer Foto: Thomas Frey/dpa
BERLIN taz | 11.583 Tage nach der Tat hat die Generalbundesanwaltschaft einen zweiten Verdächtigen im Zusammenhang mit dem tödlichen Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Saarlouis 1991 festgenommen. Der am Dienstag verhaftete 54-jährige Peter St. steht im dringenden Verdacht der Beihilfe zum Mord und versuchten Mordes, wie die Bundesanwaltschaft mitteilte.
Der von nationalsozialistischen und rassistischen Überzeugungen geprägte Tatverdächtige St. habe damals eine hohe Stellung in der regionalen Skinhead-Szene eingenommen und habe mutmaßlich auf den bereits angeklagten Hauptbeschuldigten eingewirkt und ihn in seinem Tatentschluss bekräftigt. Wegen des offenbar rassistisch motivierten Brandanschlags steht in Koblenz bereits der 51-jährige Peter Werner S. vor dem Oberlandesgericht, er ist angeklagt wegen Mordes und 20-fachen versuchten Mordes.
Bei dem Attentat in der Nacht zum 19. September 1991 starb Samuel Yeboah an seinen schweren Verbrennungen. Der Asylbewerber aus Ghana wurde 27 Jahre alt. Zwei weitere Opfer brachen sich Knochen beim Sprung aus Fenstern, 18 weitere Bewohner*innen konnten physisch unverletzt fliehen.
Die Staatsanwaltschaft ermittelte damals trotz einer bundesweiten Welle rechter Gewalt in alle Richtungen und stellte das Verfahren nach elf Monaten ein – obwohl es allein in den Jahren 1991 und 1992 mehr als zwanzig Anschläge auf Flüchlingsunterkünfte in den Landkreisen Saarlouis und Saarbrücken gab und Hinweise auf Tatverdächtige aus der rechten Szene, auf die antifaschistische Initiativen seit Jahrzehnten immer wieder hinwiesen.
Mutmaßlicher Täter prahlte auf einer Grillparty
Seit dem Sommer 2020 ermittelte die Polizei in Saarland nach einer verspäteten Anzeige durch eine Zeugin erneut – der Angeklagte hatte mit der Tat bei einer Grillparty geprahlt. Das Verfahren landete bei der Generalbundesanwaltschaft. Im Januar 2021 gab es erste Durchsuchungen, im April 2022 wurde Peter Werner S. wegen dringenden Tatverdachts festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft.
Die Bundesanwaltschaft wirft dem am Dienstag festgenommenen Peter St. vor, dass dieser in der Tatnacht mit dem Hauptverdächtigen und weiteren rechten Skinheads in einer Kneipe gesessen habe. Dabei habe St. habe mit Blick auf rechte Gewalt in Ostdeutschland zum hierarchisch unterstellten S. gesagt: „Hier müsste auch mal so was brennen oder passieren.“ S. schritt offenbar noch in der selben Nacht zur Tat, als er kurz darauf in den frühen Morgenstunden das Asylbewerberheim in der Saarlouiser Straße anzündete. Er habe das Gebäude betreten, im Treppenhaus des Erdgeschosses Benzin ausgegossen und es in Brand gesteckt.
Martina Renner, Rechtsextremismus-Expertin von der Linken, fragte: „Was mag es für die Betroffenen rechter Gewalt bedeuten, dass mehr als 30 Jahre vergehen, bis es ernsthafte Anstrengungen gibt, den Mord an Samuel Yeboah aufzuklären?“ Es brauche umfassende Ermittlungen zu allen ungeklärten Anschlägen in den Neunzigern, forderte Renner. Die Antifa Saar fordert im Zusammenhang mit der Anschlagsserie einen Untersuchungsausschuss und Entschädigungen für die Opfer.
Mittlerweile haben Sicherheitsbehörden Fehler eingestanden, der Landespolizeipräsident hat sich entschuldigt. Einige der überlebenden Opfer des Attentats mussten später noch einen weiteren versuchten Brandanschlag auf eine andere Unterkunft erleiden. Die mittlerweile Festgenommenen tauchten später auf Fotos auf, die sie bei einer Nazi-Demo zusammen mit den NSU-Terroristen Zschäpe, Mundlos und Wohlleben zeigten.
Hinweise zurückgewiesen
Das Antifa-Magazin „Der Rechte Rand“ beschrieb die jahrzehntelange mangelnde Aufklärung mit Blick auf die damaligen Verhältnisse im Saarland so: Gegen antifaschistische Initiativen gab es Repression, für die Rechten „akzeptierende Sozialarbeit“. Im Fall Saarlouis hätten Antifa-Strukturen im Zusammenhang mit dem tödlichen Brandanschlag schon seit den Neunzigern auf S. hingewiesen. Politiker wie Sicherheitsbehörden hätten die Hinweise zurückgewiesen.
Kritik gibt es auch an der Kreisstadt und ihrem Umgang mit dem mörderischen Brandanschlag. Erst vor zwei Jahren wurde am Jahrestag eine Hinweistafel aufgestellt. Die Stadt habe 30 Jahre lang vertuscht und verharmlost, es handele sich dabei um ein „Erinnern ohne Vergangenheit“. Einen bereits 2001 von Antifaschist*innen am Rathaus befestigten Gedenkstein hatte die Stadt wieder entfernen lassen – für einen der mutmaßlichen Verantwortlichen gab es ein Strafverfahren. | 234,711 |
0 | Was T--, machen Sie denn so lange auf dem Lande, das ist ja nicht
auszuhalten. Ihr Herz, den kriegt ja kein Mensch zu sehen, noch zu
genießen, den hat die Witwe Hohl vermutlich an ihrem Bettstollen
angebunden. Es ist doch schändlich, daß der Mensch ihr so hündisch
getreu ist, da sie ihn offenbarlich hintergeht. | 234,712 |
1 | Protestbewegung in Nicaragua: Daniel Ortega lässt scharf schießen
Die Polizei stürmt die seit Monaten besetzte Autonome Universität in Managua. Zwei oppositionelle Studierende werden per Kopfschuss getötet.
Etwa 200 Uni-Besetzer flüchteten in die nahe gelegene Kirche Divina Misericordia Foto: ap
Mit einer Offensive gegen die Autonome Nationaluniversität (UNAN) hat der Konflikt in Nicaragua in der Nacht von Freitag auf Samstag einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Antiaufruhrpolizei, ausgerüstet mit Sturmgewehren und anderem Kriegsgerät, attackierte gemeinsam mit maskierten Paramilitärs den seit zwei Monaten von Studierenden besetzten Campus der Universität in Managua. Die beiden Studenten Gerald Vásquez und Ezequiel Gutiérrez wurden durch Kopfschüsse getötet.
Etwa 200 der Besetzer flüchteten in die nahe gelegene Kirche Divina Misericordia (Göttliche Barmherzigkeit), wo sie vom dortigen Pfarrer Kirchenasyl bekamen. Allerdings, so die lokalen Medien, hätten die Angreifer auch die Kirche die ganze Nacht attackiert und den Abtransport von Schwerverletzten verhindert.
Erst die Intervention des Apostolischen Nuntius Waldemar Sommertag und des Kardinals Leopoldo Brenes beim Präsidenten konnte am folgenden Morgen die Belagerung beenden. In den Krankenhäusern warteten schon Polizisten, um die Verletzten festzunehmen. Die Überlebenden wurden in der Kathedrale wie Helden empfangen.
Der ehemalige sandinistische Bildungsminister und Universitätsprofessor Carlos Tünnermann hatte vergeblich gewarnt: „Wenn die Sicherheitskräfte oder Paramilitärs den Campus gewaltsam einnehmen wollen, verletzt das die Hochschulautonomie.“
Barrikaden – stärkste Waffe der Protestbewegung
Seit drei Monaten lässt Präsident Daniel Ortega gegen eine immer größer werdende Protestbewegung scharf schießen. Zwischen 350 und 370 Todesopfer werden inzwischen gezählt. Ortega hat einen von den katholischen Bischöfen moderierten nationalen Dialog, der Demokratisierung und eine Vorverlegung der Wahlen bringen sollte, sabotiert. Aufrufe internationaler Organisationen, die Repression einzustellen, verhallen bislang ungehört.
Auch in anderen Landesteilen wurden Straßensperren gewaltsam geräumt. Die Zahl der Todesopfer und Verletzten ist noch unklar. Barrikaden und Straßensperren sind die wichtigsten Druckmittel, mit denen die Protestbewegung die Abdankung Ortegas und seiner mächtigen Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo durchsetzen will.
Was den Tod von vier Polizisten betrifft, die Tage zuvor im Südosten des Landes getötet wurde, gibt es inzwischen neue Informationen. Sie sollen sich geweigert haben, eine Barrikade mit Gewalt zu räumen, und deswegen von Ortega-treuen Paramilitärs erschossen worden sein. Ihre Leichen weisen Kopfschüsse auf. Die Demonstranten sind in der Regel nur mit Steinschleudern und Feuerwerkskörpern bewaffnet.
Bevölkerung steht hinter dem Generalsteik
Die zunehmende Unzuverlässigkeit der eigenen Truppen dürfte Ortega veranlasst haben, Hilfe aus Kuba anzufordern. Es wurden Gruppen von „Schwarzen Wespen“ gesehen; das sind Elitetruppen der kubanischen Streitkräfte, die schon in Angola eingesetzt wurden.
Ein Generalstreik, zu dem die oppositionelle Bürgerallianz aufgerufen hatte, wurde am Freitag weitgehend eingehalten. Industrieparks, kleine und mittlere Geschäfte, Restaurants und Lokale in der Hauptstadt Managua und den meisten Provinzstädten blieben 24 Stunden geschlossen.
Nur auf einigen Märkten boten Händlerinnen verderbliche Ware an, die sie nicht verlieren wollten. Aus mehreren Städten wurde gemeldet, dass regierungstreue Paramilitärs Geschäftsinhaber mit dem Tode bedrohten, wenn sie ihren Laden nicht aufmachten. Aber auch die Bevölkerung befolgte weitgehend den Aufruf und verzichtete auf Einkäufe. | 234,713 |
1 | Milliardenhilfe-Zusagen aus Russland: Kirgistan schließt US-Militärbasis
Die USA haben einen strategisch wichtigen Luftwaffenstützpunkt für die Einsätze in Afghanistan verloren. Binnen sechs Monaten müssen sie die Basis in Kirgistan räumen.
Wenn die USA den Stützpunkt geräumt haben, will Russland die Basis nutzen. Bild: dpa
BERLIN taz Das kirgisische Parlament kündigt den USA. Bei nur zwei Gegenstimmen beschlossen die Volksvertreter des zentralasiatischen Landes am Donnerstag die Schließung der US-amerikanischen Luftwaffenbasis "Manas". Die Basis dient zur Versorgung der US-Truppen in Afghanistan. Nach der Unterschrift des kirgisischen Präsidenten Kurmanbek Bakijew unter den Parlamentsbeschluss müssen die US-Truppen in 180 Tagen das Land verlassen. Vielleicht lasse sich Bakijew damit aber auch noch mehr Zeit, vermuten einige Beobachter.
"Militärische Mittel haben in Afghanistan keinen Erfolg", begründet der kirgisische Parlamentarier Kabai Karabekow die Entscheidung. Dagegen warnte der Abgeordnete Sainiddin Kurmanow, dass Kirgisien sich durch den Beschluss in eine geopolitische Sackgasse begebe.
Bakijew hatte in Moskau Anfang Februar die Schließung des US-Stützpunktes angekündigt. Im Kreml erhielt er ein lukratives Angebot. Russlands Präsident Dimitri Medwedjew versprach dem Kirgisen 2 Milliarden US-Dollar für zinsgünstige Kredite und Investitionen in den Ausbau der Wasserkraft.
Zurück in Bischkek, betonte Bakijew, dass Kirgisien von den USA ein stärkeres wirtschaftliches Engagement erwarte. Aber Washington blieb stur. 2005 war das anders. Damals hatte Bakijew das erste Mal den Abzug der US-Truppen aus Zentralasien gefordert. Sofort eilten der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Außenministerin Condoleezza Rice nach Bischkek und besänftigten den Staatschef. Nun reagieren die USA mit eisigem Schweigen. Der kirgisische Außenminister beklagte im Parlament, dass die USA noch nicht mal ein neues Angebot gemacht hätten. Kirgisiens Parlament und Regierung vertrauen lieber den russischen Zusagen. Die Duma hat die Vereinbarungen mit Kirgisien trotz der schwächelnden Wirtschaftskraft in Russland abgesegnet.
Schon 2004, als die russische Wirtschaft noch boomte, hatte der damalige Präsident Wladmimir Putin versucht, mit einer 2-Milliarden-Dollar-Zusage Kirgisiens Nachbarn Tadschikistan enger an Moskau zu binden. Putin versprach der tadschikischen Führung Investitionen in Wasserkraftwerke und Aluminiumfabriken. Daraus wurde nichts. | 234,714 |
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| 234,715 |
1 | Militärdienstverweigerer aus Syrien: Zwischenerfolg vor dem EuGH
Eine Expertin plädiert dafür, dass Menschen Asyl erhalten, die vor dem Kriegsdienst in Syrien fliehen. Das Bamf hatte zuletzt anders entschieden.
Krieg in Syrien: Asyl in der EU für alle, die nicht auf Seiten von Assad mitmachen wollen? Foto: reuters
KARLSRUHE taz | Syrische Militärdienstverweigerer sollten in Europa Asyl erhalten können. Dafür plädierte Generalanwältin Eleanor Sharpston am Donnerstag in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Konkret ging es um den Fall eines heute 31-jährigen Syrers. Er hatte nach Abschluss des Studiums sein Heimatland verlassen und war 2015 nach Deutschland geflüchtet. Er wollte damit dem Militärdienst entgehen, denn er befürchtete, dass er im syrischen Bürgerkrieg gezwungen sein werde, Kriegsverbrechen zu begehen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte den Asylantrag des Syrers jedoch ab. Er sei in der Heimat nicht politisch verfolgt gewesen. Der Mann erhielt in Deutschland zwar „subsidiären Schutz“, klagte wegen der Nachteile beim Familiennachzug aber auf einen vollen Asylstatus.
Auf Vorlage des Verwaltungsgerichts Hannover landete der Fall beim EuGH, denn das deutsche Asylrecht beruht vor allem auf EU-Richtlinien. Die unabhängige Generalanwältin Sharpston bereitet mit ihrem Gutachten das Urteil vor. Anders als der Name es vermuten lässt, ist die Position der Generalanwälte des EuGH nicht mit denen der Staatsanwälte vor nationalen Gerichten vergleichbar. Stattdessen unterbreiten sie einen unabhängigen Vorschlag für ein urteil, dem die Richter des EuGH oft folgen.
Sharpston kommt zum Schluss, dass die Verweigerung des Militärdienstes in einer Situation wie in Syrien durchaus als asylrelevante „politische Überzeugung“ eingestuft werden könne. Aus ihrer Sicht komme es aber immer auf den Einzelfall an.
Falls der EuGH in einigen Wochen Sharpston folgt, dürfte das die Asylchancen für syrische Militärdienstverweigerer deutlich erhöhen. Die letzte Entscheidung läge aber immer bei nationalen Gerichten.
(Az.: C-238/19) | 234,716 |
0 | Dietegen gab ihr aber die Hand nicht, sondern das Weinfläschchen und
sagte: »Nimm einen Schluck Wein, es wird dir gut tun.« Sie trank und
nahm auch von dem guten Brot ihres Vaterhauses, das er ihr gebracht. So
wurde es ihr besser zu Mut, und als sie sah, daß er nicht weiter mit ihr
sprechen wollte, zog sie sich schweigend auf ihr Lager zurück und weinte
leise, bis sie in einen ruhigen Schlaf versank. | 234,717 |
0 | Dennoch fordern die führenden Vertreter von Industrie und Wirtschaft
immer noch Bildung ein und sagen Schulen und Universitäten ihre
Unterstützung zu. Bei näherer Betrachtung erweist sich ihre Haltung
jedoch als doppelzüngig. Die amerikanische Wirtschaft brauchte
natürlich Menschen wie Cooper, Edison und Bell; auf ihren
Entdeckungen und Erfindungen wurde die amerikanische Industrie
aufgebaut. Als sie in Gang gekommen war, benötigte man Konsumenten
mit ausreichend Geld, um die Produkte dieser Industrie zu kaufen.
Wirtschaft förderte Bildung als ein allgemeines Recht und verwendete
alle Steuersubventionen darauf, diese Bildung gemäß den Interessen
von Wirtschaft und Industrie auszurichten. Als Folge zählen in der
amerikanischen Gesellschaft Ideen und Gedanken nur auf einer
materiellen Ebene, nur insofern als sie Nützlichkeit, Bequemlichkeit,
Luxus und Unterhaltung fördern, bzw. den Profit erhöhen. "Je eher,
desto besser" ist eine Maxime, die diesen Effizienzanspruch gut
ausdrückt, eine Maxime, die sich für die Nebenwirkungen von
Produktion und Handlungen nicht interessiert, solange der Hauptzweck
der Profitmaximierung erfüllt ist. Als "smart fellow" gilt nicht der
gebildete Bürger, sondern der, der reich geworden ist, ganz gleich
mit welchen Mitteln. Eine derartige Wertschätzung des materiellen
Erfolges ungeachtet der dafür aufgewendeten Mittel ist Teil der
amerikanischen Teleologie (die sich bisweilen in trauter Eintracht
mit der amerikanischen Theologie befindet). | 234,718 |
1 | Gewalt in Syrien: Tote bei Attentaten in Damaskus
Während landesweit demonstriert wird, sind in Damaskus Bomben detoniert. Die Muslimbruderschaft fordert die UN auf, Syriens Mitgliedschaft auszusetzen. UN-Beobachter treffen in Daraa ein.
Das syrische Staatsfernsehen zeigte diesen Bus und einzelne Leichenteile als Beweis für den „terroristischen Akt“. Bild: AP
BEIRUT rtr/dpa | Die Gewalt im Konflikt zwischen Regierungsgegnern und dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad macht auch vor der Hauptstadt Damaskus immer weniger Halt. Bei einem Selbstmordanschlag in der Nähe einer Moschee im Stadtzentrum wurden am Freitag nach staatlichen Angaben mindestens neun Menschen getötet und 20 verletzt. Die vor gut zwei Wochen in Kraft getreten Waffenruhe scheint damit einmal mehr nur auf dem Papier zu existieren.
Der mutmaßliche Anschlag konnte trotz scharfer Sicherheitsvorkehrungen rund um die Sain-al-Abidin-Moschee verübt werden. Ein Assad-Gegner sagte, er sei von Sicherheitskräften daran gehindert worden, zu dem Gebäude zu gelangen, weil sich dort oft im Anschluss an die traditionellen Freitagsgebete Proteste formierten. „Dann hörten wir die Explosion. Es war sehr laut. Krankenwagen rasten an uns vorbei. Ich konnte ein paar Leichenteile und Fleischstücke auf der Straße sehen. Die Fassade eines Restaurants sah zerstört aus, Menschen schrien.“
Ein Bewohner sagte, ein Mann sei auf Soldaten zugegangen und habe einen Sprengstoffgürtel zur Detonation gebracht. Staatlichen Medien zufolge befanden sich Sicherheitsleute unter den Opfern. Ob es Hintermänner gab, war nicht bekannt. Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand.
Die Innenstadt von Damaskus blieb seit Beginn der landesweiten Proteste gegen Assad vor 13 Monaten bislang weitgehend von Gewalt verschont. Der Anschlag vom Freitag ist jedoch nach der Explosion einer Autobombe vor einem iranischen Kulturzentrum der zweite binnen weniger Tage in der Hauptstadt. „Die Action nimmt zu und es scheint, als ob die Rebellen und Assads Truppen den Kampf jetzt auch in Damaskus austragen“, sagte ein Aktivist aus dem Bezirk Midan, in dem sich die Sain-al-Abidin-Moschee befindet.
UN-Chef kritisiert Syrische Führung
Insgesamt haben syrische Sicherheitskräfte nach UN-Angaben bislang mehr als 9000 Menschen während des Aufstands getötet. Die syrische Führung hat erklärt, Aufständische hätten mehr als 2600 Soldaten und Polizisten umgebracht. Ex-UN-Chef Kofi Annan hat im Auftrag der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga einen Friedensplan erarbeitet, in dessen Rahmen vor zwei Wochen eine Waffenruhe vereinbart wurde. Sowohl Assad-Gegner als auch die Regierung werfen sich jedoch gegenseitig vor, diese mehrfach gebrochen zu haben.
So erklärte das oppositionelle Syrische Netzwerk für Menschenrechte, Sicherheitskräfte hätten bisher 86-mal die Waffenruhe verletzt. Informationsminister Adnan Mahmud warf den Rebellen gar 1300 Verstöße vor. Er fügte laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Sana hinzu, der Staat behalte sich das Recht vor, auf jeden Verstoß und jeden Angriff reagieren zu dürfen.
Muslimbrüder fordern Ausschluss Syriens aus der UN
Die Muslimbruderschaft hat den Ausschluss Syriens aus den Vereinten Nationen gefordert, solange Präsident Baschar al-Assad an der Macht ist. Das Regime sei eine kriminelle Bande, die Frauen und Kinder töte, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung. Die islamistischen Organisation ist zwar in Syrien offiziell verboten, gehört aber dennoch zu den wichtigsten Oppositionsgruppen.
Syrien sollte solange suspendiert werden, "bis es eine Regierung gibt, die dem Willen des Volkes entspricht", heißt es weiter. Die Arabische Liga hatte die Mitgliedschaft Syriens im vergangenen November wegen der brutalen Unterdrückung der Protestbewegung eingefroren.
Die Islamisten forderten außerdem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf, die Friedensmission des Sondergesandten Kofi Annan offiziell für beendet zu erklären. Der Annan-Plan für ein Ende der Gewalt in Syrien sei gescheitert. Jeden Tag würden Dutzende von Menschen getötet. Die internationale Gemeinschaft ist aus Sicht der Muslimbrüder mit schuldig daran, da sie Waffenlieferungen an die Regimegegner verhindere.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warf der syrischen Führung am Donnerstag vor, sich nicht an den ausgehandelten Friedensplan zu halten. Die anhaltende Präsenz von Soldaten und schweren Waffen in mehreren Städten bereite ihm tiefe Sorge. Er forderte die Regierung auf, ihre Zusagen umgehend umzusetzen und die Truppen abzuziehen. Frankreich hat damit gedroht, auf eine UN-Resolution zu dringen, die letztendlich auch den Weg für einen internationalen Militäreinsatz freimachen könnte. Dies dürfte allerdings am Veto Russlands und Chinas scheitern, die eine Eskalation ähnlich wie in Libyen fürchten.
Überwacht werden soll die Waffenruhe von UN-Beobachtern. Deren Einsatz kommt jedoch nur stockend voran. Derzeit befinden sich gerade einmal 15 Beobachter im Land, angedacht sind mindestens 300. Bis Montag sollen es 30 sein. | 234,719 |
1 | Videoüberwachung in Berliner U-Bahnhof: Gesichts-Scans von Fahrgästen geplant
Im Kreuzberger U-Bahnhof Kottbusser Tor wollen die Berliner Verkehrsbetriebe Passanten scannen. Noch fehlen rechtliche Grundlagen und das Geld. Datenschützer sind erbost.
Videoüberwachung gleich mehr Sicherheit und weniger Drogenhandel - so die Logik der BVG fürs Kottbusser Tor. Bild: dpa
Der U-Bahnhof Kottbusser Tor ist alles andere als ein glänzendes Aushängeschild des öffentlichen Nahverkehrs. Wer hier von der Linie 1 in die Linie 8 umsteigen will, beeilt sich meist, durch verwinkelte Gänge und schummrig beleuchtete Aufgänge möglichst schnell zu seinem Ziel zu finden.
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) planen nun, den Umschlagplatz für allerlei Illegales in einen cleanen Musterbahnhof zu verwandeln. Zusammen mit der Polizei will sie ein umfangreiches Kameraüberwachungssystem installieren, um der Kriminalität Herr zu werden. "Wir wollen vor allem den Drogenhandel eindämmen und so für die Sicherheit unserer Fahrgäste sorgen", sagt BVG-Sprecher Klaus Wazlak. Dabei sollen zunächst die bisherigen Kameras mit festem Fokus durch dreh- und schwenkbare Geräte ersetzt werden. Außerdem könnten hier demnächst auch neue Techniken der Videoüberwachung ausprobiert werden: Eine weitere, verschärftere Variante wären spezielle Kameras mit biometrischem Gesichtserkennungsverfahren oder einem Erfassungssystem für bestimmte Bewegungsabläufe. "Wir untersuchen bislang alle Möglichkeiten, die sich uns bieten. Die Planung steckt aber noch in den Kinderschuhen", meint BVG-Sprecher Wazlak.
Der Datenschutzbeauftragte von Berlin, Alexander Dix, hält die - bisher noch sehr vagen - Pläne der BVG für fragwürdig. "Die biometrische Gesichtserfassung entbehrt bisher jeder rechtlichen Grundlage. Auch die Technik ist noch nicht wirklich ausgereift."
Ein Feldversuch des Bundeskriminalamtes (BKA) zur biometrischen Kameraüberwachung im Mainzer Hauptbahnhof scheiterte 2007 an schlechten Lichtverhältnissen und ständig versagender Kameratechnik. Die Speziallinsen identifizierten wildfremde Menschen als verdächtige Elemente und ließen die Testpersonen unerkannt passieren. Jetzt hoffen BVG und Polizei darauf, dass der technische Fortschritt des letzten Jahres zu mehr Fahndungserfolgen führt.
Bleibt das rechtliche Problem. "Der Versuch in Mainz geschah unter der Voraussetzung der Freiwilligkeit", sagt Dix. Die Versuchspersonen erklärten sich damit einverstanden, dass ihre Gesichter eingescannt wurden. Am Kotti müsste das laut Datenschützer Dix genauso ablaufen: "Es muss absolute Transparenz für die Bürger herrschen, dass hier biometrische Kameras getestet werden. Große Schilder und Informationsmaterial wären das Mindeste." Zwar muss seit 2005 jeder sein Gesicht rastern lassen, wenn er einen neuen Reisepass beantragt. Dennoch ist es noch nicht erlaubt, an öffentlichen Plätzen und ohne Verdachtsmoment Passanten ohne ihr Einverständnis einzuscannen.
Den Ideen von Polizei und BVG mangelt es aber nicht nur an der rechtlichen und technischen Grundlage. Das Wichtigste fehlt: Geld. Denn die neue Überwachungstechnik ist teuer, bisher reicht es eben nur für Schwenkkameras. "Noch hätten wir gar kein Personal, um die biometrischen Daten auszuwerten", sagt BVG-Sprecher Wazlak dazu.
Datenschützer Dix meint entschieden: "Bisher hat mich die BVG noch überhaupt nicht befragt. Ich finde, sie sollten in dieser wichtigen Angelegenheit recht bald auf mich zukommen." | 234,720 |
0 | 2.»Wie lange, Herr, willst du mich so ganz vergessen? Wie lange willst
du dein Angesicht vor mir verbergen? Wie lange soll ich in meiner Seele
sorgen und tägliche Trauer in meinem Herzen fühlen?«[73] Vergebens
wende ich mich zur Rechten und vergebens zur Linken; ach Herr, mein
Gott, die Menschen sind nur schlechte Tröster, die fassen meinen Schmerz
nicht und wollen meine Klagen nicht hören, ja, selbst die, auf deren
Freundschaft ich rechnete, sind mir untreu geworden, und ihre Gunst und
Hingebung war nur auf flüchtigem Sand gebaut. O du, der du ewig derselbe
bist, »mein Herz bringt vor dich dein eigen Wort.«»Suche mein
Angesicht!« Nun suche ich dein Angesicht, Herr, und du hast ja gelobt,
daß du den nicht verlassen willst, der dir vertraut, und daß du deine
Hand nicht von ihm ziehen willst; o, so laß mich deine väterliche Liebe
zu mir auch in der Züchtigung erkennen, und »ich will schweigen und
meinen Mund nicht auftun, denn du bist es ja, der es getan hat.«[74]
Ja »ich will stille sein und auf dich hoffen und dadurch wahre Stärke
gewinnen.«[75] O, so zeige mir deine Gnade wieder; sprich zu mir:»Ich
bin bei dir in der Not; fürchte dich nicht, zage nicht, denn ich bin
dein Gott, ich stärke und erhalte dich.« Amen! | 234,721 |
1 | Der 17. Juni 1953 sollte in einer Reihe mit den großen europäischen Freiheitsbewegungen stehen. Die Welt wurde an diesem Tag für immer verändert. Für mich bildet der 17. Juni auch ein einmaliges Datum. Es ist der Tag, an dem meine Eltern, der Kameramann Albert Ammer und die Fotografie-Meisterin Jutta-Regina (damals) Lau die historischen Externer Link: Ereignisse in Halle an der Saale professionell mit einer ARRI-Filmkamera in Szene setzten. Damit wurden Lebenswege ganz neu geschrieben.
Irgendwann im Jahre 2001 blickte ich erstmals auf eine Stasi-Fotografie, die meine Eltern bei den Dreharbeiten am 17. Juni auf dem Marktplatz zeigt. Dieses Bild war ein wieder entdecktes Beweismittel der Stasi vor dem DDR-Gericht 1953. Kameramann und Filmassistentin stehen hoch auf dem Dach eines mit jungen Menschen besetzten LKW auf dem Marktplatz in Halle und filmen. Erst um den 50. Jahrestag 2003 erhielt meine Mutter erstmals Kopien von Einzelbildern, die zeigten, was sie damals als Filmassistentin mitgeholfen hatte auf Film zu bannen. Ein emotionaler Tsunami erfasste sie, weil lang vergessene Erinnerungen wieder präsent wurden. Die gemeinsamen Filmaufnahmen hatte ihr späterer Mann mit drei Jahren DDR-Gefängnis bezahlt. Die Stasi-Aufnahme, die ihr Handeln bewies, betrachtete meine Mutter stets als ein Instrument der „Täter“. Sie verachtete jenes Bild. Daher wird es für diesen Artikel nicht reproduziert, sondern nur beschrieben. Das Filmmaterial meiner Eltern ist bis heute verschollen, denn die Stasi zerschnitt den Film und erstellte Bildabzüge von Einzelbildern, um damit demonstrierende Bürgerinnen und Bürger zu identifizieren und als Beweismittel für deren Verrat gegen die DDR einzusetzen.
Ich habe die erhaltenen Einzelbilder meiner Eltern jahrelang studiert und analysiert. Viele Forscher:innen halfen mit anhand jener Aufnahmen und mit damaligen Stasi-Ermittlungsakten, die Ereignisse in Halle minutiös zu rekonstruieren. Für mich sprechen aus den Bildern vor allem bisher unbekannte Menschen. Ihre Gesichter und ihre Aktionen erzählen ganz eigene und zum Teil unerwartete und bisher eher wenig bekannte Geschichten zum 17. Juni 1953 in Halle. Mit dem Krieg in der Ukraine und dem Kampf einer europäischen Nation für ihre Freiheit und gegen feindliche Panzer hat für mich der Aufstand vom 17. Juni 1953 neue Aktualität.
Albert Ammer und Jutta-Regina Lau zogen ohne einen Drehauftrag mit ihrer Ausrüstung los und filmten an vier Drehorten in Halle: am berüchtigten Gefängnis Roter Ochse, entlang der Straßen Richtung Innenstadt, auf dem Marktplatz und die Gefängnisbefreiung in der Kleinen Steinstraße. Ihre auf Film festgehaltenen Aufnahmen konservieren für immer einmalige Stimmungen der Bürger:innen und zeitlose Botschaften der Menschen vom 17. Juni 1953.
Oft frage ich mich: Was kümmern mich heute alte, schwarz-weiße Aufnahmen, auf denen ich niemanden kenne? Doch die Gesichter der Menschen haben eine andauernde Anziehungskraft auf mich. Es ist kein Zufall, denn auf den Bildern blicken die Menschen direkt in die Filmkamera von Albert Ammer. Ich frage mich, was es über eine Staatsmacht aussagt, wenn sie diese Aufnahmen von Demonstrant:innen auf drakonische Weise unter Verschluss nahm. Auch heute, 70 Jahre nach den Filmaufnahmen sehe ich auf den erhaltenen Bildern Belege für großartigen Mut der Menschen aus der Region Halle. Viele zeigen offen Ihre Unterstützung für Freiheit und Demokratie. Die Bilder entfalten Wirkmacht und offenbaren Menschlichkeit. Unter Unrechtsregimen werden Beweise für unbewaffnetes und friedliches Aufbegehren zu psychologischem Sprengstoff, der verboten werden muss. Vielleicht sind diese Bilder gerade deswegen in der DDR unter Verschluss geraten und führten den Kameramann ins Gefängnis, denn die Bilder sprechen von Freude, Heiterkeit und Freiheitswillen.
Mutige Menschen vor und hinter der Kamera
Im Juni 1953 gab es im gesamten Regierungsbezirk Halle, vielleicht sogar in ganz Sachsen-Anhalt, lediglich zwei professionellen Standards genügende Filmkameras. Eine davon war die von Albert Ammer. Diese Filmkamera bestand aus massivem Stahl. Stativ und Kamera waren groß und schwer. Ohne Filmassistent:innen waren Dreharbeiten nicht möglich. Ein Filmteam zog die Blicke der Menschen auf sich. Dreharbeiten bildeten damals eine besondere Attraktion.
Der Kameramann Albert Ammer stammte aus einfachen Verhältnissen und hegte ein Leben lang Sympathien für die „Menschen des Alltags“. Er hatte ein Auge dafür die Sensation im Alltäglichen aufzuspüren. Am 17. Juni verwandelte er mit seiner Kamera Menschen zu Held:innen unserer Geschichte.
Unruhe vor der Hallenser Haftanstalt "Roter Ochse" am Kirchtor. Ein Demonstrant wirft einen Stein gegen das Eingangstor. Albert Ammer wurde am folgenden Morgen von der Stasi hinter den Mauern des "Roten Ochsen" weggesperrt und kehrte erst drei Jahre später aus der DDR-Haft zurück. (© Archiv Alexander K. Ammer)
Das Besondere an den Aufnahmen des Drehteams Ammer und Lau bilden die Menschen, die sie dokumentieren. Es brauchte damals Mut, sich den Demonstrant:innen anzuschließen. Vor dem berüchtigten Gefängnis Roter Ochse demonstrierten Angehörige und Student:innen für die Freilassung der Inhaftierten. Für mich sind insbesondere die zahlreichen Kinder und Jugendliche auf den Bildern von Bedeutung. Mutig werfen sie sich dem Wachpersonal entgegen und trotzen dem Wasserstrahl aus dem Inneren des Gefängnisses. In den Vordergrund einer Szene setzt Albert Ammer ein junges Paar, die Frau legt ihren Arm um ihre Begleitung. Kurzum, die Ereignisse in Halle trieben massenhaft junge Menschen zum Protest und auf die Straße. Wer sich damals vor einem Gefängnis versammelte und in Sprechchören gegen die DDR-Regierung schrie, verspürte großen Zorn gegen die DDR-Regierung.
Ich frage mich, ob ich den Mut gehabt hätte, auf eigene Faust von dem exponierten und gut sichtbaren Standort des LKW aus, jenes dramatische Geschehen zu filmen. Ein gezielter Schuss auf den Kameramann hätte genügt, um die Dreharbeiten zu beenden. Mein Vater besaß eine Courage, die ich vielleicht nicht gehabt hätte. Er brannte für die Filmarbeit. Bereits im Zweiten Weltkrieg hatte er Bomben und Kugelhagel an der Seite der Filmkamera überlebt. Noch vor meinem Studium an der Filmhochschule berichtete er mir stets, dass es die oberste Pflicht eines Berichterstatters sei, so nah wie möglich am Geschehen und immer in vorderster Reihe zu filmen. Der Mut des Drehteams und der Demonstrant:innen spricht aus den Bildern. Nur wenige Minuten später starben am Roten Ochsen Studenten durch Kugeln der Sicherheitskräfte des Gefängnisses. Auch wenn die Bilder diese Gegengewalt der DDR nicht dokumentieren: Gefahr, Verzweiflung und der Mut der Bürger:innen sind in den Aufnahmen präsent.
Am Morgen des 18. Juni 1953 verschwand der Kameramann Albert Ammer, verhaftet von der Stasi, in einer Kellerzelle genau jenes Roten Ochsen. Wäre ich bereit, mein Leben für Filmaufnahmen zu riskieren? Wer wäre bereit für Angehörige oder Insassen hinter Gittern sein Leben auf’s Spiel zu setzen?
Der fröhliche und heitere Aufstand
Auf diesem Standbild aus den Filmaufnahmen von Albert Ammer ist der Demonstrationszug auf dem Markt in Halle am 17. Juni 1953 zu sehen. Der winkende Mann im weißen Hemd vorn ist Herbert Gohlke, Chef des Zentralen Streikkomitees. Er kann sich später seiner Verhaftung durch Flucht entziehen. Albert Ammer wurde für seine Aufnahmen am 18. Juni 1953 verhaftet und verbüßte drei Jahre DDR Gefängnis. Die junge Filmassistentin Jutta-Regina Lau wurde nach den Dreharbeiten von der DEFA ohne jede Anhörung fristlos entlassen. (© Archiv Alexander K. Ammer)
Die Menschen lächelten in Albert Ammers Filmkamera, selbst wenn die politischen und gesellschaftlichen Umstände eher Anlass zu Verzweiflung boten. Die Interner Link: Versorgungslage 1953 war mies. Die Repressionen des SED-Regimes z.B. durch die Einführung von Genossenschaften führten dazu, dass Selbstständige, Bauern und Geschäftsleute schnell wegen „Vergehen“ in Haft landeten. Aufgestauter Unmut trieb am 17. Juni die Menschen in die Hallenser Innenstadt. Dort filmte das Drehteam große Demonstrationszüge: Frauen, Männer, Arbeiter:innen, Beamt:innen, Student:innen und andere Streikende. Auf dem Marktplatz Halle versammelten sich am Nachmittag mehrere zehntausende von Demonstrant:innen. Vom erhöhten Drehort des LKW filmte Ammers Kamera einzigartige Ausblicke auf die versammelten Bürger:innen. Das Bild mit dem fröhlich winkenden Streikführer Herbert Gohlke wurde inzwischen zu einer Art Bildikone des Hallenser Aufstandes. Doch für mich erzählen die Filmbilder, die nur wenige Sekunden später eingefangen wurden, noch eindringlichere und fesselnde Geschichten. Die Belegschaft eines Krankenhauses, mehrere Dutzend Frauen in weißer Kleidung lachen und winken vielleicht meiner Mutter zu, die dicht neben der Kamera, auf dem LKW-Dach als Filmassistentin agierte.
Unruhe vor der Hallenser Haftanstalt "Roter Ochse" am Kirchtor. Ein Demonstrant wirft einen Stein gegen das Eingangstor. Albert Ammer wurde am folgenden Morgen von der Stasi hinter den Mauern des "Roten Ochsen" weggesperrt und kehrte erst drei Jahre später aus der DDR-Haft zurück. (© Archiv Alexander K. Ammer)
Auf diesem Standbild aus den Filmaufnahmen von Albert Ammer ist der Demonstrationszug auf dem Markt in Halle am 17. Juni 1953 zu sehen. Der winkende Mann im weißen Hemd vorn ist Herbert Gohlke, Chef des Zentralen Streikkomitees. Er kann sich später seiner Verhaftung durch Flucht entziehen. Albert Ammer wurde für seine Aufnahmen am 18. Juni 1953 verhaftet und verbüßte drei Jahre DDR Gefängnis. Die junge Filmassistentin Jutta-Regina Lau wurde nach den Dreharbeiten von der DEFA ohne jede Anhörung fristlos entlassen. (© Archiv Alexander K. Ammer)
Jutta-Regina war damals eine junge und ambitionierte Frau, die erst tags zuvor ihre Meisterausbildung zur Fotografin erfolgreich abgeschlossen hatte. Sie hegte Sympathie für die Frauen, die sich nach mehr Freiheit und Glück im Leben sehnten. Diese positive Hoffnung fröhlicher Demonstrant:innen ist auf vielen Bildern für immer eingefangen.
Ein Tag der Frauen in Halle
Auf zahlreichen Bildern von Ammer und Lau stehen Interner Link: Frauen im Mittelpunkt. Ich habe Fachbücher über 1953 gewälzt. Es wird vom „Aufstand der Fabrikarbeiter“ berichtet. Wer in die Gesichter der Gefilmten in Halle sieht, der erkennt allerdings auch Frauen jeden Alters, die ihre Unterstützung für die Proteste vor der Kamera zeigen. Zumindest in Halle war der 17. Juni 1953 auch ein Tag der Frauen.
Die zum Streik motivierten Krankenhaus-Mitarbeiter:innen belegen die riesige gesellschaftliche und soziale Unterstützung des Generalstreiks am 17. Juni 1953 in Halle. Ich habe Mienen und Gesten der gefilmten Frauen auf mich wirken lassen. Ich bin überzeugt, dass erst die Tatsache, dass es den Filmbildern gelang, gerade die Unterstützung von Frauen einzufangen, die Staatsmacht der DDR aktiv werden ließ. Im Nachgang des 17. Juni 1953 folgte eine DDR-weite Verhaftungs- und Verurteilungswelle der DDR Organe.
In Halle und auf Albert Ammers Bildern zeigt sich, dass die DDR-Regierung das Vertrauen vieler Bürger:innen verloren hatte. Im Bezirk Halle demonstrierten mehrere hunderttausend Menschen am 17. Juni 1953. Junge Frauen wie Jutta-Regina Ammer schlossen sich den Demonstrationszügen an, denn sie träumten von mehr Freiheit und Selbstbestimmung ihrer Zukunft. Die Gesichter der Frauen erzählen von persönlichen Hoffnungen und Erwartungen eines Wandels.
Ein historischer Moment: Die Gefängnisbefreiung
Meine Eltern verdrehten, wie aus den Stasi-Prozessakten hervorgeht und mein Vater mir erzählte, genau drei 35mm-Filmrollen. Der größte Teil der bis heute aufgetauchten Aufnahmen zeigt die dramatische Befreiung von ca. 245 inhaftierten Frauen aus dem Gefängnis an der Kleinen Steinstraße. Die Bilder von dort sind historisch einzigartig und emotional aufwühlend. Mehrere gerade aus der Haftanstalt befreite Insassinnen blickten ungläubig, aber auch freudestrahlend in Albert Ammers Kamera. Vielleicht lächeln einige sogar der jungen Filmassistentin Jutta-Regina Lau zu, die direkt neben dem Kameraobjektiv stand. Es entstanden eindringliche Mini-Filmporträts von Frauen unterschiedlichen Alters.
Befreiung der inhaftierten Insassinnen von der Haftanstalt an der kleinen Steinstraße. Hier stützt eine Frau eine zweite, deutlich geschwächte Insassin, die wenige Sekunden später ohnmächtig wird. Albert Ammer filmt diese Szenen. (© Archiv Alexander K. Ammer)
Meine Mutter berichtete mir, wie erschüttert sie bei den Dreharbeiten auf das Gefilmte vor der Frauenhaftanstalt reagierte. Sie fragte sich, was dies für eine DDR-Regierung sein könne, die scheinbar lebensfrohe Zwanzigjährige, aber auch gestandene Frauen oder Mütter oder gebrechliche „Omas“ ins Gefängnis sperrte.
Als befreite Frauen vor dem Tor der Haftanstalt vor Erschöpfung zusammenbrachen, erschrak sie. Sie erinnerte sich an ihre eigene, im Jahre 1951 nach dem Krieg verhungerte Großmutter. Die Kamera bannte das Glück der glücklich geretteten Frauen auf Film. Es hätten spektakuläre und bewegende Kinonachrichten werden können. Verzweiflung und Freude liegen oft nah beieinander. Die Gesichter jener befreiten Frauen bilden für mich schockierende Dokumente des Unrechts der DDR. Albert Ammer und Jutta-Regina Lau schufen auch diesen Frauen von 1953 ein filmisches Denkmal.
Bilder als Mittel gegen DDR-Propaganda
Die Filmnachrichten der Deutschen Film AG (DEFA) liefen wöchentlich nur im Kino (ja, Fernsehen gab es damals noch nicht). Wer und was dort auf der Leinwand in schwarz-weiß flackerte, wurde zum Stadtgespräch. Der Kameramann Ammer hatte die DDR-Kinonachrichten „Der Augenzeuge“ in Thüringen und Sachsen-Anhalt mit geprägt. Sein Gespür ließ ihn den Aufstand am 17. Juni 1953 mit seiner Filmkamera und ohne Drehauftrag filmen. Mein Vater sagte als geradezu besessener Kameramann und Fotograf: „Ein Filmbild sagt mehr als tausend Worte“. Ich glaube, dass ihm am 17. Juni 1953 ein Meisterstück gelang. Seine Filmbilder dokumentierten, was sich wirklich auf den Straßen von Halle an jenem Tag abspielte und welche Menschenmassen sich die Proteste und die Streiks unterstützten. Die Propaganda der DDR hätte diesen Filmaufnahmen nichts entgegen zu setzen gehabt. Jene mächtigen Bilder der Realität hätten die DDR-Regierung in noch größeres Wanken bringen können.
Das Drehteam hatte die Demonstrationen dokumentieren wollen, die Stasi kehrte diese Idee ins Gegenteil um und versuchte, mit den Bildern Verschwörungen zu erfinden und Hochverrat zu unterstellen. Albert Ammers Filmaufnahmen vom 17. Juni hatten die Proteste aus der Menschenmenge heraus umfassend, unwiderlegbar und unbestreitbar eingefangen. Sie wurden von der DDR-Staatssicherheit als derart gefährlich eingestuft, dass die Filmbilder von Albert Ammer und Jutta-Regina Lau ausgelöscht werden mussten. Ebenso musste der Urheber der für die DDR-Oberen ungeheuerlichen Nachrichten von der Bildfläche verschwinden. Albert Ammer wurde per DDR-Unrechts-Urteil 1953 eingesperrt. Er wurde mit seinen Filmbildern zum Staatsfeind der DDR gestempelt. Neben Terror, Folter und Gefängnis, die er aushalten musste, verlor er die DDR-Bürgerrechte und wurde mit Berufsverbot belegt.
Umso verwunderlicher bleibt es, dass die Standbilder aus Albert Ammers Film bis heute nicht in den Standardwerken zum 17. Juni 1953 umfassend dokumentiert und mit modernem Blick bewertet werden. Wäre es 70 Jahre später nicht Zeit, neue Perspektiven zum Aufstand 1953 einzunehmen und moderne Blicke auf die gefilmten Menschen zu wagen? Auf den erhaltenen Einzelbildern sprechen die Gesichter von zahlreichen Jugendlichen und Frauen. Sind deren Geschichten schon ausreichend beleuchtet oder gewürdigt worden? Die Aufnahmen von Albert Ammer und Jutta-Regina Lau zeugen von Menschlichkeit und Neugier. Das überschwängliche Freiheitsgefühl der damaligen jungen Generation wirkt auf mich äußerst lebendig und ansteckend. Aus anderen Aufnahmen treten die Qualen in den Gefängnissen so stark hervor, dass ich etwas von dem Unmut und dem Furor zu erkennen glaube, der vielleicht auch eben die Frauen gegen die DDR-Regierung trieb. Mich lassen die feiernden Demonstrant:innen und die befreiten Frauen nicht los. Die Personen im Mittelpunkt jener Einzelbilder erinnern mich an elementare und zentrale Gefühle menschlicher Existenz. Glück, Freude, Erleichterung, Schmerz und die Sehnsucht nach Freiheit scheinen viele Menschen von damals zu einen.
Die Bilder vom Filmteam Ammer und Lau verleihen den Verstummten laute Stimmen gegen eine verbotene oder vergessene Vergangenheit. In dreijähriger DDR-Haft weigerte sich der Kameramann Albert Ammer, sich in irgendeiner Weise schuldig zu bekennen. Er hatte menschliche und großartige Nachrichten des 17. Juni gefilmt: Protestierende, für mehr Freiheit kämpfende, jubelnde und befreite Jugendliche, Männer und Frauen.
Befreiung der inhaftierten Insassinnen von der Haftanstalt an der kleinen Steinstraße. Hier stützt eine Frau eine zweite, deutlich geschwächte Insassin, die wenige Sekunden später ohnmächtig wird. Albert Ammer filmt diese Szenen. (© Archiv Alexander K. Ammer)
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1 | Deutschlands EU-Ratspräsidentschaft: Zurück auf null
Schon lange bereitet sich die Bundesregierung auf den Vorsitz vor – und muss ihre Pläne wegen der Coronakrise nun über den Haufen werfen.
Merkel muss nun eine „Coronapräsidentschaft“ improvisieren Foto: Odd Andersen/dpa
BRÜSSEL taz | Alles war von langer Hand vorbereitet. Um den Kampf gegen den Klimawandel, die China-Politik und den Brexit sollte es gehen, wenn Deutschland am 1. Juli für sechs Monate den EU-Vorsitz übernimmt. Schon seit einem Jahr bereitet sich die Bundesregierung auf „ihre“ Präsidentschaft vor, hundert Experten wurden eigens nach Brüssel geschickt.
Doch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Pläne am Mittwoch dem Europaparlament vorstellt, muss sie wieder bei null anfangen. Merkel muss nun eine „Coronapräsidentschaft“ improvisieren. Die Gesundheitskrise schlägt den Green Deal, der Wiederaufbau wird wichtiger als der Brexit.
Dann ist da auch noch die ungewohnte neue Rolle, die Deutschland in der Finanzpolitik einnimmt. Noch vor wenigen Wochen zählte Merkel zu den Hardlinern. Keine Gemeinschaftsschulden, keine Transferunion, und schon gar kein Geld ohne strikte deutsche Kontrolle: So lautete ihr finanzpolitisches Mantra.
Doch nun steht Merkel überraschend für das Gegenteil ein: Gemeinsam mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron fordert sie 500 Milliarden Euro als Wiederaufbauhilfe, finanziert durch EU-Anleihen. Arm in Arm mit Kommissionschefin Ursula von der Leyen will sie einen Aufschwung auf Pump finanzieren, rückzahlbar in 20 oder 30 Jahren.
Sogar CSU-Politiker Weber steht hinter dem Finanzplan
Bei den meisten EU-Abgeordneten dürfte das gut ankommen. Schließlich fordert auch das Europaparlament einen schuldenfinanzierten „Recovery Fund“. Sogar der CSU-Politiker Manfred Weber hat sich hinter Merkel gestellt. Einzige Bedingung: kein „neues Geld für alte Probleme“ – und keine Hilfe für die „kommunistische Podemos in Spanien“.
Doch ein Heimspiel dürfte das Treffen mit den EU-Parlamentsspitzen im Berliner Kanzleramt dennoch nicht werden. „Die Bundesregierung ist schlecht vorbereitet“, kritisiert Martin Schirdewan, der die linke Fraktion im Europaparlament leitet. Schon vor Corona sei keine klare Linie erkennbar gewesen. Doch nun gehe alles durcheinander.
Der europaweite Mindestlohn drohe ebenso unterzugehen wie der Neuanfang in der Asylpolitik, kritisiert Schirdewan. Statt einen europäischen Gesundheitsfonds zu planen, wolle Merkel den neuen Verteidigungsfonds um 650 Prozent aufstocken. Zudem bleibe die „entscheidende Frage der solidarischen Bewältigung der Krise unbeantwortet“.
Bisher liegt den Abgeordneten in Berlin und Brüssel jedoch kaum mehr als ein dürres Papier des Auswärtigen Amtes vor. Das „zentrale Thema“ werde die Bewältigung der Coronakrise sein, heißt es wenig überraschend. „Die Erwartungen an die deutsche Präsidentschaft sind mit der Coronakrise noch einmal gestiegen“, betonen die Autoren.
EU arbeitet auf Sparflamme – wegen der Technik
Gleichzeitig müsse man sich aber an „neue Rahmenbedingungen“ anpassen. Gemeint sind die drastisch eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten: Wegen Corona dürften die meisten Ministertreffen ausfallen, sogar der für September geplante EU-China-Gipfel in Leipzig wackelt.
Die größten Sorgen bereitet dem deutschen EU-Botschafter Michael Clauß jedoch die Technik. Die meisten Ratstreffen müssten wohl als Videokonferenz abgehalten werden, fürchtet Clauß. Dafür stünden in Brüssel jedoch nicht genügend modern ausgerüstete Räume bereit – trotz eines sündhaft teuren Neubaus für die Staats- und Regierungschefs.
Im Ergebnis werde man wohl nur 30 Prozent der normalen Arbeitskapazität sichern können, warnt Clauß. Ausgerechnet in ihrer härtesten Bewährungsprobe funktioniert die EU nur auf Sparflamme. Merkel muss sich auf schwere Monate einstellen – dabei ist es wohl ihre letzte Chance, europapolitische Akzente zu setzen und die EU zu retten. | 234,723 |
1 | Gefangenenaustausch im Nahen Osten: Häftling Nummer 473
Ahlam Tamimi ist eine von 1027, die im Tausch für Gilad Schalit freigelassen werden soll. Jetzt soll sie abgeschoben werden – in ihrem Heimatdorf wird dennoch gefeiert.
16-mal lebenslänglich und doch wieder frei: Ahlam Tamimi, auf einem Familienfoto, das vor ihrer Verhaftung 2001 gemacht wurde. Bild: imago
NABI SALEH taz | Es ist die Nummer 473 auf der Liste der palästinensischen Häftlinge, die im Tausch für den israelischen Soldaten Gilad Schalit auf freien Fuß kommen sollen, die Shvuel Schijveschuurder keine Ruhe lässt.
Am 9. August 2001 verlor Schijveschuurder seine Eltern und drei Geschwister bei einem Bombenattentat. Die Nummer 473 auf der Liste ist Ahlam Tamimi. Sie hatte den Attentäter nach Jerusalem gebracht und vor dem Sbarro-Restaurant abgesetzt, wo er sich kurze Zeit später selbst in die Luft sprengte. 15 Menschen starben damals. 130 wurden verletzt.
Kurz vor Mitternacht entschieden die Richter, eine Reihe von Anträgen gegen den Geiselhandel, darunter auch der von Schijveschuurder, abzulehnen. "Binde ein schwarzes Band an die Flagge auf deinem Haus", hatte er noch während der Verhandlung dem Vater der israelischen Geisel, Noam Schalit, zugerufen. "Heute ist ein Tag der Trauer."
Ahlam Tamimi gehört zu den Häftlingen, die aufgrund der Schwere ihrer Verbrechen ins Exil abgeschoben werden. In ihrem Heimatdorf Nabi Saleh wird trotzdem gefeiert. Eine Woche lang mit Debka-Tänzern und Ansprachen, mit Empfängen und einem riesigen Buffet, das die Leute aus dem kleinen Dorf herrichten, weil drei Häftlinge aus Nabi Saleh das Gefängnis verlassen. Alle drei gehören der Familie Tamimi an.
"Sie ist eine witzige Frau"
Ahlams Bild hängt zusammen mit ihren beiden Cousins Nisar und Ahmad an der Wand neben dem Festzelt. "Sie ist eine witzige Frau", beschreibt sie Machmud Tamimi, ein dritter Cousin Ahlams und der Bruder von Nisar. Während des Kriegs von 1967 flohen die Eltern Ahlams nach Jordanien. Erst Ende der 90er Jahre kehrte die Familie zurück. "Sie ist klug und charismatisch", sagt Machmud bewundernd. Als sie kurz vor dem Abitur stand, besuchte Machmud die Familie in Jordanien. "Sie hatte nur ein Bild in ihrem Zimmer, das von Nisar."
Nisar Tamimi saß damals schon im Gefängnis. Zusammen mit zwei Mitgliedern einer Fatah-nahen Terrorgruppe hatte er einen Siedler erstochen. Für Ahlam wurde er damit zum Helden. Obwohl sich die beiden nur dreimal physisch begegneten, heirateten sie im Gefängnis.
"Die Ehe war eine Herausforderung für die Gefängnisbehörde", erklärt Machmud. "Sie sollte signalisieren: ,Wir kommen hier wieder raus.' Ahlam war zu 16-mal lebenslänglicher Haftzeit verurteilt worden. Die beiden Eheleute hätten sich mit der "Hochzeit auf dem Papier" auch selbst Mut machen wollen.
Sie bereut nichts
Auf absehbare Zeit werden sie nicht zusammenkommen, denn für entlassene Häftlinge gelten strenge Reisebeschränkungen. Ahlam Tamimi wird, solange Israel die Grenzen kontrolliert, nicht ins Westjordanland reisen dürfen.
Zum Zeitpunkt des Attentats war sie gerade 20 Jahre alt, stand im letzten Semester an der Birzeit-Universität, wo sie Journalismus studierte, und war politisch aktiv im Studierendenrat als Vertreterin der Fatah. Erst nach Beginn der Intifada im September 2000 sei sie radikaler geworden, berichtet ihr Cousin Machmud. Die Hamas rekrutierte die junge Frau, die damals schon für einen lokalen Fernsehsender als Journalistin arbeitete.
"Sie hat niemanden getötet", versucht Machmud ihr Zutun zu dem blutigen Attentat herunterzuspielen. "Sie half nur bei der Organisation." Wer in Wahrheit verantwortlich für den Tod der Menschen im Sbarro-Restaurant ist, sei nicht Ahlam, es seien die Besatzer. "Sie sind in ein Land gekommen, das nicht ihnen gehört." Dass Ahlam den militanten Kampf gegen Israel wieder aufnehmen könnte, glaubt Machmud nicht. "Sie hat genug für die Palästinenser geopfert."
Ahlams deutlich ältere Schwester Iftichar, die in Nabi Saleh verheiratet ist, gibt sich weniger überzeugt davon, dass der Kampf für Ahlam vorbei ist. "Solange die Besatzung andauert, ist es immer möglich, dass sie ihre militanten Operationen wieder aufnimmt", sagt die 51-Jährige. In einem Interview, das ein israelischer Fernsehsender im Gefängnis mit ihr führte, zeigte Tamimi keinerlei Zweifel über ihre Tat. Sie bereue nichts, sagte sie. "Warum sollte ich?" | 234,724 |
1 | dpa
Ankunft am Flughafen des Dalai Lama am Flughafen von Taipeh.
Freitag, 15.11.2013, 15:33
Der Dalai Lama ist zu einem umstrittenen Besuch in Taiwan eingetroffen. Das geistliche Oberhaupt der Tibeter landete am späten Sonntagabend auf dem internationalen Flughafen von Taoyuan in der Nähe von Taipeh.
An diesem Montag will der 74-Jährige im Süden Taiwans der Opfer des Taifuns „Morakot“ gedenken und für sie beten. Die Einladung des Friedensnobelpreisträgers durch die oppositionelle Fortschrittspartei (DPP), die sich für eine Unabhängigkeit Taiwans einsetzt, hatte sowohl in Peking als auch bei der Führung Taiwans für Missstimmung gesorgt. Die chinesische Regierung betrachtet das religiöse Oberhaupt der Tibeter als Separatisten. Sie verurteilte seine Einladung und warnte vor eine Verschlechterung der Beziehungen.„Diese Einladung hat anderweitige Motive“, hieß es am Sonntag in einer Stellungnahme des Büros für Taiwan-Angelegenheiten beim chinesischen Staatsrat. „Der Besuch des Dalai Lamas zielt darauf, die bilateralen Beziehungen negativ zu beeinflussen.“ Deshalb werde man die weitere Entwicklung genau beobachten.
Bei seiner Ankunft winkte der rotgekleidete Dalai Lama hunderten Anhängern zu, die auf dem Taoyuan-Flughafen auf ihn gewartet hatten. Anschließend wurde er zum Bahnhof Chingpu gebracht, von wo aus er mit einem Hochgeschwindigkeitszug in die Katastrophengebiete um die Stadt Kaohsiung im Süden der Insel weiterreisen wollte. An dem Bahnhof kam es zu Zusammenstößen zwischen Befürwortern und Gegnern des Besuchs.
Polizei und Leibwächter geleiteten den Dalai Lama sicher in den Zug. Verletzt wurde niemand.
Die Einladung des religiösen Führers durch die oppositionelle DPP hatte Taiwans Präsidenten Ma Ying-jeou, der sich um eine Verbesserung der Beziehungen zu Peking einsetzt, in Bedrängnis gebracht. Aus „humanitären und religiösen Gründen“ stimmte er der Visite des Buddhistenführers schließlich zu. Der Dalai Lama wird bis Freitag in Taiwan bleiben. Dabei will er mit Taifun-Opfern zusammenkommen und mit ihnen beten. Ein Treffen mit dem Präsidenten ist nicht geplant.
Um weitere Spannungen zu vermeiden, sagte der Dalai Lama eine für Montag angekündigte internationale Pressekonferenz ab. Offiziell wurde dies damit begründet, dass der 74-Jährige „mehr Zeit für die Opfer des Taifuns“ benötige, wie sein Vertreter Tsegyam Ngaba sagte.
Durch den Taifun „Morakot“ sowie Erdrutsche und Überschwemmungen in seiner Folge waren in Taiwan Anfang des Monats mindestens 461 Menschen ums Leben gekommen. Noch immer werden 192 Menschen vermisst.
dpa | 234,725 |
1 | Experten über bundesweiten Mietendeckel: „Neu justiert, was es schon gab“
Ein bundesweiter Mietendeckel ist möglich, sagen der Soziologe Andrej Holm und Anwalt Benjamin Raabe. Sie haben für die Linke ein Konzept entwickelt.
Mieten sind der neue Brotpreis: Demonstration gegen das Karlsruher Urteil zum Mietendeckel in Berlin Foto: Stefan Zeitz/imago
taz: Herr Holm, Herr Raabe, wann sind Sie das letzte Mal umgezogen und wie wohnen Sie?
Benjamin Raabe: Ich wohne seit 20 Jahren in Steglitz.
Andrej Holm: Ich bin 2008 das letzte Mal umgezogen.
Also, bevor es so richtig umkämpft wurde auf dem Berliner Wohnungsmarkt.
Holm: Ja, und in eine Gegend, die damals noch als übersehener Stadtteil galt. Ich wohne in Moabit. Jetzt sind wir dort die mit den goldenen Altmietverträgen.
Neu-Berliner*innen haben hingegen verschwindend geringe Chancen, eine angemessene Wohnung zu finden. Mit Müh und Not lässt sich vielleicht ein WG-Zimmer finden.
Raabe: Als Student findet man schon etwas über WG-Gesucht oder so, aber dann zahlst du auch mindestens 450 Euro.
im Interview:Andrej Holm und Benjamin RaabeAndrej Holm, 51, ist Sozialwissenschaftler mit Schwerpunkt Gentrifizierung und Wohnungspolitik. 2016/2017 war er kurz Staatssekretär in der Senatsverwaltung Berlin.
Benjamin Raabe, 57, ist Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht in einer Kanzlei in Berlin. Er ist aktiv im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein.
Holm: Das hängt mit den hohen Angebotsmieten zusammen. Es gibt eine deutlich rückgängige Fluktuation. Vor 15 Jahren lag die Umzugsrate bei zehn bis zwölf Prozent pro Jahr. Jetzt ist sie eher bei fünf Prozent.
Was heißt das konkret?
Holm: Bei uns steht das Problem bald an: Unsere Kinder ziehen aus und fangen an zu studieren. Normalerweise würden wir uns unter diesen Bedingungen eine kleinere Wohnung suchen. Wenn aber aufgrund der Neuvermietungspreise eine neue und kleinere Wohnung teurer ist als unsere jetzige große Wohnung, gibt es für uns keinen Anreiz, umzuziehen. Das hat zur Folge, dass wir Wohnraum blockieren, in dem ansonsten eine Studenten-WG unterkommen könnte. Freunde der Marktwirtschaft sagen ja immer: Der Markt ist ein ideales Verteilungssystem. Das große Auseinanderklaffen der Bestands- und Angebotsmieten sorgt aber derzeit dafür, dass selbst die Verteilungseffekte in Städten wie Berlin scheitern. Da bleibt eigentlich wenig Überzeugendes, was der Markt zu bieten hat. Und das hängt auch damit zusammen, ob Neuvermietungsmieten reguliert sind oder nicht.
Sie fordern in angespannten Wohnungsmärkten genau das: eine Regulierung. Sie haben für die Linke ein Konzept für einen bundesweiten Mietendeckel erarbeitet, der in Städten mit Wohnungsnot sogar Bestandsmieten senken soll und Angebotsmieten anhand des städtischen Durchschnittseinkommens deckelt. In Berlin hat der mittlerweile vom Verfassungsgericht gekippte Deckel neben sinkenden Mieten allerdings auch dafür gesorgt, dass ein Drittel weniger Wohnungen angeboten wurden. Umzüge würden also noch schwieriger, oder?
Holm: Es hieß immer: Da verschwinden Wohnungen vom Markt. Was sich aber tatsächlich deutlich reduziert hat, waren Angebote auf Online-Plattformen. Und es sind vor allem hochpreisige Angebote weggefallen. Das heißt aber nicht, dass diese Wohnungen nicht auf anderen Wegen vermietet wurden. Mittlerweile hat selbst das Institut für Wirtschaft in Köln festgestellt, dass Vermieter häufig auf andere Verteilungswege umstellen, weil Angebotsportale bei sehr großer Nachfrage zu hohen Aufwand bedeuten. Gerade diejenigen, die sich an Preise gehalten haben, haben die Wohnungen vielleicht eher über personenbezogene Netzwerke oder die Nachbarschaft vergeben. Zudem spiegeln die Angebotszahlen nur einen Ausschnitt des Wohnungsmarktes wider. Daraus sind keine allgemeingültigen Schlussfolgerungen abzuleiten.
Sie haben den Wohnungsmarkt in 42 Städten analysiert und die Wirkung des rechtlich gescheiterten Berliner Mietendeckels ergründet. Die Immo-Lobby und die Union behaupten, dass der Deckel nicht funktioniert hat. Sie nannten das Instrument einen „politischen Erfolg“ trotz seines Scheiterns nach einem Jahr vor dem Bundesverfassungsgericht. Warum?
Holm: Der Mietendeckel in Berlin hatte eine extrem kurze Laufzeit, weil er sofort beklagt wurde, zudem hatten wir eine Pandemie. Aus dieser kurzen Zeitspanne zu schließen, dass der Deckel nicht funktioniert, finde ich gewagt. In der kurzen Zeit aber stagnierte zumindest der Anstieg der Neuvermietungspreise. Und seitdem der Deckel aufgehoben ist, steigen die Preise wieder. Uns ging es in der Analyse darum, die Anwendung dieser Regelung zu simulieren. Und wir konnten deutlich in allen Bereichen zeigen, dass ein bundesweiter Mietendeckel einen positiven Effekt auf die soziale Grundversorgung mit Wohnraum hätte.
Kritiker*innen sagen, dass die Falschen vom Deckel profitiert hätten: Ärztinnen oder Professoren mit schicker und großer Altbau-Wohnung am Ku'damm hätten die Miete senken können.
Holm: Dieser Professor ist eine Universalfigur, die immer wieder in wohnungspolitischen Diskursen bemüht wird. Manchmal steht er für die Fehlbelegung im sozialen Wohnungsbau: Als Student eingezogen, wohnt der Professor noch immer in der geförderten Wohnung. Jetzt wohnt er in einer großen Altbauwohnung und freut sich über den Mietendeckel. Wenn wir uns aber in der Realität die Wohnsituation von Professorinnen und Professoren anschauen, stellen wir vermutlich fest: Die allermeisten der Haushalte mit sehr hohen Einkommen leben im selbstgenutzten Eigentum. Das ist eine ziemliche Gespensterdebatte, die da aufgeführt ist und definitiv kein Massenphänomen. Erstaunlich auch, dass gerade von denen, die sonst keine Hemmungen haben, die Besserverdienenden zu entlasten, hier eine Neid-Debatte eröffnet wird.
Es ist allerdings weiter umstritten, ob ein Deckel vorm Bundesverfassungsgericht Bestand hätte: Das Berliner Gesetz wurde aus formalen Gründen verworfen, weil der Bund für das Preisrecht zuständig ist. Inhaltlich hat sich Karlsruhe nicht zum Instrument geäußert. Warum sind Sie positiv gestimmt, dass der Linken ein Bundesdeckel nicht ebenso um die Ohren fliegen würde?
Raabe: Die Kompetenzfrage stellt sich auf Bundesebene nicht.
Anders sieht es aber bei der Frage nach Eigentumsrechten aus …
Raabe: Wir haben das mit Blick auf Artikel 14 Grundgesetz genau geprüft. Das ist insofern ein besonderer Artikel, als dass er sagt: Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. Die Ausgestaltung ist also offen. Das ist auch gut so: Ich muss bei einem Atomkraftwerk wesentlich mehr regeln, als wenn mir ein Wald gehört, den ich nutzen will. Auch bei Wohnungen ist es so, dass es ein stärkeres Gemeinwohlinteresse gibt als bei meinem Garten zum Beispiel. Klar ist aber auch: Ich darf das Eigentum nicht aushöhlen. Eingriffe müssen verhältnismäßig sein; dies wäre dann nicht mehr der Fall, wenn Eigentümer*innen dauerhaft Verluste machen würden. Dennoch gibt es kaum Entscheidungen des Verfassungsgerichts, die zu Lasten einer Mieter schützenden Norm ergangen wären: das Vergleichsmietensystem, die Absenkung der Kappungsgrenzen, Zweckentfremdung und Mietpreisbremse haben alle vorm Verfassungsgericht gehalten.
Holm: Und im Unterschied zum Berliner Mietendeckel haben wir zudem Instrumente ausgegraben und neu justiert, die es in der Vergangenheit schon gab. Das würde es bei einer verfassungsrechtlichen Prüfung nochmal erschweren, eine Regelung zurückzuweisen. Wir müssten keinen Angstschweiß auf der Stirn haben, dass unser Vorschlag nicht verfassungsgemäß wäre.
Aber würden nicht wie bei der Mietpreisbremse von der Union regierte Länder ebenfalls die Umsetzung blockieren, wenn ein Bundesdeckel kommt? Wie soll die konkrete Umsetzung vor Ort funktionieren?
Raabe: In einer Verordnung. Diese müsste in Kraft gesetzt werden, wenn die Länder zum Erlass verpflichtet werden, sobald die bundesrechtlich geregelten Voraussetzungen für die Wohnungsnotlagengebiete oder die angespannten Gebiete vorliegen. Die könnte dann auch ein individuell einklagbares Recht beinhalten. Aber es ginge auch mit einer Kann-Regelung. Außerdem wollen wir im Bundesgesetz die Ausnahmen bei der Mietpreisbremse streichen und Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz zur Begrenzung überhöhter Mieten wieder einführen. In dem Bereich käme man bei überhöhten Mieten weg vom Vermieter-Mieter-Dilemma. Mieter könnten sich über das Amt überhöhte Mieten zurückerstatten lassen. Die zuständige Behörde könnte Bußgelder verhängen. Natürlich kann ich auch diese Ansprüche zivilrechtlich durchsetzen.
SPD und Grüne wollen die Mietpreisbremse schärfen und regional Mietenstopps ermöglichen – also Deckelung ohne Absenkung, das ginge schneller als ein neues Instrument, gegen das erneut geklagt würde. Warum ist aber aus Ihrer Sicht ein bundesweiter und einheitlicher Mietendeckel inklusive Absenkungen der Bestandsmieten erforderlich?
Holm: Weil die bisher genutzten Instrumente ganz offensichtlich nicht ausreichen, um in den großen Städten im Bestands- und Angebotsmietbereich nachhaltig einen dämpfenden Effekt zu erzielen. Wir haben das in unserer Analyse für 42 Städte untersucht: Die Mieten steigen unabhängig davon, ob in Städten viel gebaut wurde oder nicht oder ob die Mietpreisbremse angewendet wird oder nicht. Es gibt sogar das Paradox, dass in Städten mit Mietpreisbremse die Mietpreisdynamik noch stärker war als in Städten ohne. Betrachtet man unterm Strich die sozialen Effekte und fragt, ob die Instrumente bisher wirksam waren, muss man deutlich sagen: nein. Aber letztlich unterscheiden sich die Vorschläge nicht so groß. Eine Öffnungsklausel für Städte mit angespannten Märkten zielt in eine ähnliche Richtung.
Holm: Was sich sehr deutlich vom Einkommen entkoppelt hat, sind die Angebotsmieten. Das ist in allen Analysen unstrittig. In schnell wachsenden Städten wie Berlin ist das nochmal auffälliger als in anderen. Bei den Bestandsmieten ist es in der Summe aller Großstädte so, dass die in etwa mit dem durchschnittlichen Einkommen gestiegen sind. Die mittlere Mietbelastungsquote hat sich zwischen 2006 bis 2018 kaum verändert und liegt bei etwa 30 Prozent.
Das klingt doch gar nicht allzu schlimm.
Holm: Aber doch! Trotz der Einkommenszuwächse in den letzten Jahren überschreiten immer noch fast die Hälfte der Großstadthaushalte die Grenzen der Leistbarkeit und geben mehr als 30 Pozent ihres Einkommen für die Miete aus. Die Mietbelastung ist auf unverändert auf einem sehr hohen Niveau. Fast jeder vierte Haushalte gibt inzwischen sogar mehr als 40 Prozent des Einkommens für die Miete aus. Haushalte mit geringen Einkommen haben Versorgungsnöte und bleiben auf der Strecke.
Ist die Durchschnitts-Kaufkraft also gar nicht entscheidend für die Wohnraumversorgung?
Holm: Die mittlere Kaufkraft sagt nichts über die soziale Lage der Wohnversorgung aus, weil das Medianeinkommen natürlich nicht abbildet, ob sich Einkommensverhältnisse polarisieren und soziale Ungleichheit zunimmt. Selbst wenn man Hartz-IV-Bezieher und Wohngeldberechtigte aus der Statistik raus nimmt, bleiben noch Millionen Haushalte ohne Anspruch auf Transferleistungen übrig, die extrem hohe Mietbelastungsquoten haben. Über zwei Millionen Haushalte haben nach Abzug der Miete ein Resteinkommen unterhalb des Existenzminimums.
Wie bewerten Sie das politisch?
Holm: Haushalte mit geringen Einkommen kommen durch die hohen Mietbelastungen in einen existenziellen Prioritätskonflikt: Soll ich Strom, Essen oder Miete bezahlen? Das ist eine unhaltbare Situation. Die Bundesrepublik ist das reichste Land in Europa. Es ist doch unvorstellbar, dass es hier aus der Wohnsituation entstehende Armut gibt. Aber zum Gesamtbild gehört ja auch eine Binsenweisheit, die in der Debatte häufig zu kurz kommt: Soziale Wohnversorgung kann nicht mit einem Instrument sicher gestellt werden, da gibt es keinen Königsweg. Soziale Wohnungspolitik setzt ein wohnungspolitisches Gesamtkonzept voraus – ein bundesweiter Mietendeckel ist nur ein Element davon. Auch mit einem Mietendeckel braucht es Förderprogramme, kommunalen Wohnungsbau oder auch die Einführung der Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit.
Manche kritisieren trotz der mit Zahlen belegten Situation dickfellig Alarmismus beim Thema – etwa den Begriff Wohnungsnot, weil er Assoziationen zu Mietskasernen zur Industrialisierung oder ausgebombten Städten nach dem Zweiten Weltkrieg weckt. Finden Sie den Begriff Wohnungsnot angemessen?
Holm: Gibt es Armut in Deutschland, weil niemand mehr verhungert? Armut und Wohnungsnotlagen muss man relational zu den als üblich geltenden Standards betrachten. Wir haben Wohnungsnotsituationen überall dort, wo Mieten überdurchschnittlich stark gestiegen sind und die Mietbelastungsquoten für immer mehr Haushalte die Grenze der Leistbarkeit überschreiten. Wir definieren es als Notlage, weil große Teile der Bevölkerung von einer Versorgung mit leistbaren, angemessen und bedarfsgerechten Wohnungen ausgeschlossen sind. In Berlin waren von allen Online-Angeboten nur vier bis fünf Prozent innerhalb der Bemessungsgrenzen für Hartz-IV-Empfängerinnen. Im Angebot verwandelt sich Berlin in eine Hartz-IV-freie Zone. Man sollte die Situation nicht vergleichen mit hygienischen Katastrophalbedingungen, die es im vorletzten Jahrhundert gab, sondern die Frage stellen: Haben alle Menschen die Chance, ein Zuhause für sich zu finden und können sie dort sicher wohnen? Wenn nein, sollten wir in den Städten von Wohnungsnotlagen sprechen, in denen sich diese Probleme sehr deutlich häufen. | 234,726 |
0 | Ingeborg, es kann sein, daß dein Antlitz in der Luft schwebt oder nur der
Glanz deiner Wange, ein Lächeln deines Mundes. Ingeborg, höre, manche Nacht
kommst du zu mir und legst mir zwei Tränen unter die Augenlider. Da erwache
ich dann, denn die Tränen fangen an zu glühen, und ich finde sie auf meiner
Wange. | 234,727 |
0 | Rühren sich nicht in sanftem Säuseln und Rauschen die smaragdenen Blätter
der Palmbäume, wie vom Hauch des Morgenwindes geliebkost? -- Erwacht aus
dem Schlafe heben und regen sie sich und flüstern geheimnisvoll von den
Wundern, die wie aus weiter Ferne holdselige Harfentöne verkünden! -- Das
Azur löst sich von den Wänden und wallt wie duftiger Nebel auf und nieder,
aber blendende Strahlen schießen durch den Duft, der sich wie in
jauchzender kindischer Lust wirbelt und dreht und aufsteigt bis zur
unermeßlichen Höhe, die sich über den Palmbäumen wölbt. -- Aber immer
blendender häuft sich Strahl auf Strahl, bis in hellem Sonnenglanze sich
der unabsehbare Hain aufschließt, in dem ich den Anselmus erblicke.
-- Glühende Hyazinthen und Tulpianen und Rosen erheben ihre schönen Häupter
und ihre Düfte rufen in gar lieblichen Lauten dem Glücklichen zu: wandle,
wandle unter uns, Geliebter, der Du uns verstehst -- unser Duft ist die
Sehnsucht der Liebe -- wir lieben Dich und sind Dein immerdar! -- Die
goldnen Strahlen brennen in glühenden Tönen: wir sind Feuer von der Liebe
entzündet. Der Duft ist die Sehnsucht, aber Feuer das Verlangen, und wohnen
wir nicht in Deiner Brust? Wir sind ja Dein eigen! -- Es rischeln und
rauschen die dunklen Büsche -- die hohen Bäume: Komme zu uns!
-- Glücklicher! -- Geliebter! Feuer ist das Verlangen, aber Hoffnung unser
kühler Schatten. Wir umsäuseln liebend Dein Haupt, denn Du verstehst uns,
weil die Liebe in Deiner Brust wohnet. -- Die Quellen und Bäche plätschern
und sprudeln: Geliebter, wandle nicht so schnell vorüber, schaue in unser
Kristall -- Dein Bild wohnt in uns, das wir liebend bewahren, denn Du hast
uns verstanden! -- Im Jubelchor zwitschern und singen bunte Vöglein: Höre
uns, höre uns, wir sind die Freude, die Wonne, das Entzücken der Liebe!
-- Aber sehnsuchtsvoll schaut Anselmus nach dem herrlichen Tempel, der sich
in weiter Ferne erhebt. Die künstlichen Säulen scheinen Bäume und die
Kapitäle und Gesimse Akanthusblätter, die in wundervollen Gewinden und
Figuren herrliche Verzierungen bilden. Anselmus schreitet dem Tempel zu, er
betrachtet mit inniger Wonne den bunten Marmor, die wunderbar bemoosten
Stufen. »Ach nein,« ruft er wie im Übermaß des Entzückens, »sie ist nicht
mehr fern!« Da tritt in hoher Schönheit und Anmut Serpentina aus dem Innern
des Tempels, sie trägt den goldenen Topf, aus dem eine herrliche Lilie
entsprossen. Die namenlose Wonne der unendlichen Sehnsucht glüht in den
holdseligen Augen, so blickt sie den Anselmus an, sprechend: »Ach,
Geliebter! die Lilie hat ihren Kelch erschlossen -- das Höchste ist
erfüllt: Gibt es denn eine Seligkeit, die der unsrigen gleicht?« Anselmus
umschlingt sie mit der Inbrunst des glühendsten Verlangens -- die Lilie
brennt in flammenden Strahlen über seinem Haupte. Und lauter regen sich
die Bäume und die Büsche, und heller und freudiger jauchzen die Quellen
-- die Vögel -- allerlei bunte Insekten tanzen in den Luftwirbeln -- ein
frohes, freudiges, jubelndes Getümmel in der Luft -- in den Wässern -- auf
der Erde feiert das Fest der Liebe! -- Da zucken Blitze überall leuchtend
durch die Büsche -- Diamanten blicken wie funkelnde Augen aus der Erde
-- hohe Springbäche strahlen aus den Quellen -- seltsame Düfte wehen mit
rauschendem Flügelschlag daher, -- es sind die Elementargeister, die der
Lilie huldigen und des Anselmus Glück verkünden. -- Da erhebt Anselmus das
Haupt wie vom Strahlenglanz der Verklärung umflossen. -- Sind es Blicke?
-- sind es Worte? -- ist es Gesang? -- Vernehmlich klingt es: »Serpentina!
-- der Glaube an Dich, die Liebe hat mir das Innerste der Natur
erschlossen! -- Du brachtest mir die Lilie, die aus dem Golde, aus der
Urkraft der Erde, noch ehe Phosphorus den Gedanken entzündete, entsproß --
sie ist die Erkenntnis des heiligen Einklangs aller Wesen und in dieser
Erkenntnis lebe ich in höchster Seligkeit immerdar. -- Ja, ich
Hochbeglückter habe das Höchste erkannt -- ich muß Dich lieben ewiglich, o
Serpentina! -- nimmer verbleichen die goldenen Strahlen der Lilie, denn wie
Glaube und Liebe, ist ewig die Erkenntnis.« | 234,728 |
0 | TV-Dokumentation über Musliminnen: Kult der Jungfräulichkeit als Wahn
Die Dokumentation „Der Jungfrauenwahn“ will zeigen, warum es Musliminnen schwerfällt, frei zu sein. Doch die Subjektivität steht dem Film im Weg.
„Der Frauenwahn“ porträtiert Arife Yalniz, die die Moralvorstellungen ihres Elternhauses nicht ertrug. Foto: dpa
„Warum fällt es Muslimen schwer, frei zu sein?“ Das ist die Leitfrage der Dokumentation „Der Jungfrauenwahn“ von Güner Balcı. Dabei geht es ihr vor allem um die weibliche Perspektive und den Kult um Jungfräulichkeit. Der Film porträtiert Frauen wie Arife Yalniz, die mit 16 ihr Elternhaus verließ, weil sie dessen Moralvorstellungen nicht ertrug.
Balcı erzählt auch ihre eigene Geschichte: In den sechziger Jahren kamen ihre Eltern nach Deutschland mit traditionellen Vorstellungen in eine freie Gesellschaft, wie sie sagt. Hier liegt bereits die problematische Prämisse des eigentlich wichtigen Films: Muslimische Familien sind repressiv, die Mehrheitsgesellschaft ist frei.
Balcı zeigt Familienvideos und kommentiert: „Meine Mutter beim Kochen“. Doch wo waren die weißen deutschen Frauen? Sie standen auch am Herd, durften nur mit Erlaubnis des Ehemanns lohnarbeiten. Vergewaltigung in der Ehe wurde erst viel später strafbar.
Was die Stärke des Films sein könnte, gerät zum Problem: seine Subjektivität. Balcı verzichtet auf Zahlen, verlässt sich auf Beobachtungen. Da sind zum Beispiel die verschleierten Frauen, die ihrem Eindruck nach immer zahlreicher Freibäder besuchen. Doch heißt das, deutsche Muslime werden konservativer, wie sie suggeriert? Oder könnte es auch bedeuten, dass mehr verschleierte Frauen ihr Heim verlassen?
Die DokumentationGüner Balcı: "Der Jungfrauenwahn", ZDF, 23.45 Uhr
Balcı idealisiert die Mehrheitsgesellschaft, was fahrlässig ist angesichts brennender Asylheime und Pegida. Die können ihre Weltsicht bestätigt fühlen: Steinzeitmuslime versus freies Deutschland.
Gleichzeitig erweist Balcı jenen 25 Prozent der Frauen aus der Mehrheitsgesellschaft einen Bärendienst, die in Partnerschaften Gewalt erleben. Dass sich Frauen verschiedener Kulturen für gemeinsame Kämpfe gegen Sexismus zusammentun, bleibt so schwer vorstellbar. | 234,729 |
0 | Erschrocken sprang ich auf; ich zündete eine der strohgelben Kerzen an. Das
Licht hochhaltend, trat ich in das Nebenzimmer. Wie erstarrt blieb ich an
der Tür stehen, als der flackernde Schein das Bett erhellte. Dort lag mit
glasig blickenden Augen ein wundervolles junges Weib, dem wie eine
geheimnisvolle Wolke reiches dunkles Haar um den Kopf wallte. Sie war ganz
blass, von unnahbarer weihevoller Schönheit, wie eine antike Götterstatue.
Dolcisa kniete vor ihr in hastigen, sich übereilenden Gebeten. | 234,730 |
0 | Da saßen nun die Frauen um den Tisch gereiht, taten sich gütlich und
sangen bald mit wohlklingenden Stimmen vielstrophige Lieder mit
sehnsüchtigem Ton, von Liebesglück und Herzeleid, von den zwei
Königskindern oder »Es spielt ein Ritter mit einer Maid« und
dergleichen. Der Gesang tönte lockend ins Land hinaus; die Vögel in den
Linden und im nahen Walde, die erst ein wenig zugehört, sangen
wetteifernd mit. Aber bald ließ sich noch ein dritter Chor vernehmen,
indem vom Berge her Geigen und Pfeifen erklangen, vermischt mit
Männerstimmen. Ein Trupp Jünglinge war von Ruechenstein herübergekommen,
trat jetzt aus dem Holze hervor und beschritt den Weg, der mitten durch
die Försterei in das Tal führte, ein paar Spielleute an der Spitze. Es
war der Sohn des Schultheißen von Ruechenstein, ein halbwegs fröhlicher
Gesell, der aus der Art schlug; von der Schule nach Hause gekehrt, hatte
der einige wilde Studenten mitgebracht, worunter ein paar geistliche
Schüler und dabei auch ein junger Mönch, sowie Hans Schafürli, der
Ratsschreiber von Ruechenstein, eine buckelige, gebogene Gestalt mit
einem langen Degen, der letzte im Zuge, da sie wegen der Schmalheit des
Weges einer hinter dem andern daherkamen. | 234,731 |
1 | Türkisches Militär in Syrien: Kurden-Stellungen bombardiert
Mit der Militäroffensive sollte der IS vertrieben werden. Jetzt geht die türkisch Armee aber auch gegen kurdische Kämpfer vor.
Türkische Panzer in Karkamis an der türkisch-syrischen Grenze Foto: ap
KARKAMIS AFP | Einen Tag nach Beginn ihrer Großoffensive im Norden Syriens hat die türkische Armee kurdische Verbände ins Visier genommen. Nach Berichten von Staatsmedien bombardierten die Streitkräfte im Nachbarland Stellungen von Kämpfern der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), weil diese sich nicht wie erwartet zurückgezogen hätten. Die Angriffe würden so lange andauern, bis die Kurden ihren Vormarsch stoppten, zitierte Anadolu einen Sicherheitsvertreter.
Die Türkei verlangt, dass sich die kurdischen Kämpfer hinter das östliche Ufer des Euphrat zurückziehen. US-Vizepräsident Joe Biden hatte der türkischen Regierung bei seinem Besuch am Mittwoch zugesichert, dass die USA bei den Kurden mit Nachdruck auf eben dies hinwirkten. Andernfalls setzten die Kurden die Unterstützung der USA aufs Spiel, hatte Biden gesagt.
Die türkische Armee begründete ihre Angriffe nun damit, dass die PYD die Erwartung nicht erfüllt habe und weiter westlich des Euphrat aktiv sei. Dies könne durch Erkenntnisse des türkischen Geheimdiensts belegt werden. Verteidigungsminister Fikri Isik sagte dem Sender NTV, es gebe keinen Beweis für einen Rückzug. Anadolu zitierte Sicherheitskreise, wonach die PYD-Kräfte seit Mittwoch sieben Dörfer eingenommen hätten.
Ein Sprecher der US-geführten Militärallianz gegen die Dschihadistenmiliz IS teilte mit, der „Hauptteil“ der kurdischen Kämpfer bewege sich bereits Richtung Osten; einige seien aber für Aufräumarbeiten zurückgeblieben.
Nach Informationen der Zeitung „Hürriyet“ identifizierte eine türkische Drohne PYD-Kämpfer zehn Kilometer nördlich der syrischen Stadt Manbidsch. Die Türkei habe sie beschossen und „eliminiert“, berichtete das Blatt ohne nähere Angaben. Nach Informationen der Zeitung setzte die türkische Armee am ersten Tag der Offensive 450 Soldaten ein; diese Zahl könne bis auf 15.000 gesteigert werden.
Entstehung kurdischen Autonomiegebiets verhindern
Die Türkei hatte am Mittwoch eine Großoffensive in Syrien gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gestartet. Die türkischen Streitkräfte setzten in der Umgebung des Grenzortes Dscharablus Kampfjets, Panzer und Artillerie ein. Die an der Seite der Türkei kämpfenden syrischen Rebellen nahmen die Stadt am Westufer des Euphrats in nur 14 Stunden ein, was im starken Kontrast zu Kämpfen um andere IS-kontrollierte Städte in Syrien und im Irak steht.
Der Einsatz richtet sich nach Angaben der türkischen Regierung aber auch explizit gegen die PYD. Ankara will die Ausweitung der kurdischen Einflussgebiete in Syrien und somit die Entstehung eines eigenständigen kurdischen Autonomiegebietes verhindern.
US-Außenminister John Kerry und sein russische Kollege Sergej Lawrow wollen sich am Freitag in Genf zu Gesprächen treffen, bei denen es vor allem um Syrien gehen dürfte. Die USA und Russland unterstützen im Syrien-Krieg gegnerische Konfliktparteien. Während Moskau die syrische Führung von Präsident Baschar al-Assad unterstützt, steht Washington an der Seite einiger Oppositionsgruppen. Beide Länder bekämpfen zudem die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS).
In dem seit mehr als fünf Jahren andauernden Bürgerkrieg starben bereits etwa 280.000 Menschen. Mehrere internationale Anläufe zu einer Beendigung der Gewalt scheiterten bislang. | 234,732 |
0 | Und nun trat, obgleich die Flut hoch ging, eine Pause ein, als ob die
steigenden Wogen nicht in Schaum zerfallen, sondern immer geschwellt
bleiben wollten. Man sprach sich nicht in Worten aus, man ging nur
vorsichtig einen Schritt vorwärts und wich dann zwei zurück. Alle schienen
damit beschäftigt, ihre unerfüllten Wünsche wie Luftschlösser oder
Sandburgen aufzutürmen. Sie waren blaß und stumm, ihre Augen brannten, ihre
Lippen zitterten von unausgesprochenen Geheimnissen. | 234,733 |
0 | Motorsport Images
George Russell und Williams hatten im Rennen in Portimao keine Chance
Montag, 03.05.2021, 16:50
Warum ging gar nichts bei Williams in Portimao? So erklärt sich George Russell die schwache Leistung im dritten Formel-1-Saisonrennen
"Es war unheimlich hart. Ich denke, es war wahrscheinlich eines der härtesten Rennen für mich persönlich seit 2019." So beschreibt Williams-Fahrer George Russell den Portugal-Grand-Prix in Portimao. Dabei war er nach P11 im Qualifying noch zuversichtlich ins Rennen gegangen. Die Enttäuschung ließ dann aber nicht lange auf sich warten: Russell und Williams machten keinen Stich.
"Das Auto hat überhaupt nicht gepasst", sagt Russell. "Das Rennen bestand im Prinzip nur daraus, durchzukommen und das Auto auf der Strecke zu halten. Ich konnte mich mit niemand anlegen, weil ich mich so sehr darauf konzentrieren musste, auf der Strecke zu bleiben. Das ist schon sehr schade."
Tatsächlich fiel Williams-Fahrer Russell im Rennen alsbald zurück. Zunächst hatte er noch den elften Platz verteidigt, nach dem Re-Start in Folge der frühen Safety-Car-Phase aber wurde er nach hinten durchgereicht, um vier Plätze in zwei Runden. Und ab Runde 14 wurde Russell auf P16 notiert. Dabei blieb es für die restliche Renndistanz.
Warum Williams im Rennen so schwach war
Die Gründe für dafür glaubt Russell aber zu kennen: Er hat den Nordwest-Wind in Portimao als Übeltäter ausgemacht und sagt: "Wir wissen ja, wie schwierig sich das Auto verhält, wenn der Wind stärker wird. Ist der Wind stark, sind wir schwach. Ist der Wind schwach, dann ist eine Leistung drin wie im Qualifying."
Im Rennen aber trat genau das Gegenteil ein: Der Wind frischte auf, blies sogar stärker als an den vorangegangenen Tagen, mit bis 30 km/h im Schnitt. Und damit standen die Williams-Fahrer auf verlorenem Posten: "Da hast du als Fahrer überhaupt kein Vertrauen, um zu attackieren. Du bist eher von Anfang an im Hintertreffen", meint Russell.
Form kommt "nicht überraschend" für das Team
Das komme für sein Team grundsätzlich "nicht überraschend", erklärt er. Bei Williams wisse man schließlich, dass der FW43B "aerodynamisch unheimlich sensibel" sei.
"Wir müssen nur das Beste daraus machen", sagt Russell. "Hoffentlich kriegen wir eine Gelegenheit unter etwas normaleren Bedingungen. Denn in Imola haben wir gesehen: Wenn es etwas ruhiger ist, ist die Leistung da."
Der britische Rennfahrer gibt sich zuversichtlich, wohl wissend, dass mit Bahrain und Portimao die beiden Strecken mit dem größten Windfaktor bereits hinter ihm liegen. "Warten wir also mal ab, wie es weitergeht", meint Russell. "Fest steht: Das Auto hat die Pace, aber es muss wirklich alles passen, sonst landen wir im Nirgendwo, so wie in Portimao."
Wenn nicht alles perfekt passt, dann ...
Das Wochenende habe gezeigt: Man müsse die Leistung auf den Punkt bringen. Stimme nur ein kleiner Faktor nicht, falle das Fahrzeug aus seinem idealen Einsatzfenster heraus.
Russell: "Die Q2-Runde vom Wochenende kam aus dem Nirgendwo. Zwei Einheiten davor waren wir meilenweit zurück, aber dann kämpften wir plötzlich um Q3. Im Rennen hatte ich dann einen Rückstand von 40 Sekunden auf das Auto vor mir, lag am Ende fast zwei Runden zurück." Fazit: "Die Formel 1 ist manchmal kompliziert."
Williams: Kein Einzelfall in der Formel 1
Williams sei aber kein Einzelfall, was derart krasse Leistungsschwankungen betrifft, sagt Russell weiter. "Man sieht es auch bei anderen Fahrern. Fernando [Alonso] war herausragend im Rennen, aber im Qualifying eine Sekunde zurück, Runde für Runde. Bei Daniel [Ricciardo] das gleiche: Am Freitag war er schnell gewesen, aber am Samstag befand er sich im Nirgendwo."
Schuld daran seien einerseits die aktuellen Autos und andererseits die aktuellen Reifen, erklärt Russell. Beide verhielten sich "ungeheuer sensibel", und das gehe "Hand in Hand" in der Formel 1: "Wenn die Aerodynamik sensibel ist, hat das einen Effekt auf die Reifen und das Rutschen beginnt. Ab dann geht es immer nur abwärts."
Es gehe aber auch andersrum: "Wenn die Aerodynamik gut funktioniert und du keine Probleme hast, die Reifen im richtigen Fenster sind und der Fahrer Vertrauen hat, dann wird es immer besser und besser."
Letzteres habe er ebenfalls in Portimao erlebt, mit P7 im ersten Freien Training, und zwar "aus eigener Kraft", wie Russell betont. "Die Pace war klasse. Mit viel Sprit im Auto hat es sich super angefühlt. In den folgenden Trainings aber hatten wir gewaltige Probleme, genau wie dann im Rennen."
Williams-Ingenieur beklagt fehlende Stabilität
Unterm Strich, so meint Williams' leitender Performance-Ingenieur Dave Robson, habe dem FW43B schlicht "die Pace" gefehlt. "Das Auto hat dieses Wochenende ein paar gute Eigenschaften bewiesen, es fehlt uns aber noch an der Stabilität, die es braucht, damit wir in der Gruppe vor uns mitfahren können."
"Außerdem kann man die Reifen nur schwer in ihrem Fenster halten", erklärt Robson. "Wenn du einmal Plätze verlierst, dann ist es schwierig, das wieder wettzumachen." Der Rennverlauf habe das anschaulich gezeigt.
Doch Russell verliert deshalb nicht den Mut: "Es kommen noch Rennen, bei denen wir gut aussehen werden. Strecken mit mittelschnellen Kurven, wo es kaum langsame Haarnadeln gibt, sondern eher 90-Grad-Kurven."
Ob er konkrete Kurse im Kopf habe, auf denen Williams vielleicht glänzen könne? Russell wirft gleich zwei in den Ring: "Budapest war zum Beispiel immer gut für uns. Unser Auto macht aber auch auf der Geraden einen guten Eindruck, also könnte auch Monza passen." Solange dort dann auch das Wetter mitspielt.
Dieser Artikel wurde verfasst von Stefan Ehlen, Co-Autor: Erwin Jaeggi
*Der Beitrag "George Russell: Portimao schwierigstes Williams-Rennen seit 2019" wird veröffentlicht von Motorsport-Total.com. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
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1 | Frankreichs Links- und Rechtspopulismus: Im Namen des Volkes
Ideologisch berühren sich die Extreme Mélenchon und Le Pen nicht. Aber die von ihnen mobilisierten Gefühle überschneiden sich.
Für das Volk wollten im französischen Wahlkampf viele sein Foto: dpa
Mit Marine Le Pens Teilnahme an der Stichwahl am 7. Mai hat der Rechtspopulismus einen Sieg errungen. Sie hat die Wut der Zukurzgekommenen mit Erfolg instrumentalisiert. In deren Augen verkörpert sie – und nicht die Linksparteien – die Antwort auf Globalisierung, Krise und Machtlosigkeit. Das ist ein tragisches Missverständnis. Auf diesen Rechtspopulismus versucht Jean-Luc Mélenchon auf derselben Ebene zu antworten, um die Kritik der Oligarchie und der Eliten nicht der Demagogie der extremen Rechten zu überlassen. „Linkspopulismus“ gegen Rechtspopulismus, ist das die richtige Strategie?
Natürlich hieß es im Verlauf der Wahlkampagne in Frankreich sofort: „Les extrêmes se touchent“ (Die Extreme berühren sich). Zwei Kandidaten, die doch eigentlich fast alles trennt, sind von Medien in denselben ideologischen Topf geworfen worden: die Rechtsextremistin Le Pen und der Linke Mélenchon.
Politisch ist das Unsinn, weil die Zielsetzungen der beiden grundlegend verschieden sind, doch lassen sich im Stil des Auftretens und in der Methode, sich vorab an verzweifelte oder enttäuschte Wähler zu wenden, doch auch Parallelen finden. In polemischer Übertreibung lässt sich behaupten, mit der „Frexit“-Drohung gegenüber Europa oder im Blick auf Putin oder Syrien hätten die beiden dieselbe Haltung.
Nicht die Ideologien, aber die Wählerschaft überlappen
Es ist nicht erstaunlich, dass eine beträchtliche Zahl von WählerInnen, die sich von den etablierten Parteien und den generell als korrupt betrachteten Politikern verraten fühlen, zwischen Le Pen und Mélenchon schwankten. Der Chef der „Unbeugsamen“ hat in der Schlussphase der Kampagne nicht nur Linkswähler des Sozialisten Benoît Hamon hinzugewonnen, sondern zweifellos auch den Wahlanteil der FN-Chefin geschmälert.
Das wäre aus linker Sicht ja zu begrüßen. Vor der Stichwahl am 7. Mai spielen angeblich rund 20 Prozent der Mélenchon-Wähler mit den Gedanken, für Le Pen zu stimmen. Die Extreme berühren sich nicht ideologisch, aber die Wählerschaft kann sich teilweise überschneiden.
Ausgehend von der Feststellung, das Volk sei weitgehend manipuliert und von den Entscheidungen ausgeschlossen, erhebt der Populismus den Anspruch auf eine radikale oder direkte Demokratie: „Au nom du Peuple“ stand auf den Plakaten von Marine Le Pen vor dem ersten Wahlgang. Sie fordert so Legitimität und den Anspruch der Repräsentation. „Im Namen des Volks“ werden aber Gerichtsurteile gefällt.
Beide Wählerschaften rufen den Slogan des Arabischen Frühlings: „Dégagez!“ (Haut ab!)
Diese Anspielung ist nicht zufällig, denn mit der Eroberung der Macht möchte die Kandidatin des rechtsextremen Front National (FN) ihr „Jüngstes Gericht“ halten und alle Verantwortlichen, die sie zu Volksfeinden erklärten, zum Teufel jagen. In ihrer Bewegung findet so ausgerechnet der Slogan des Arabischen Frühlings, „Dégagez!“ (Haut ab!), ein Echo. Dieser Ruf befriedigt in Le Pens Demagogie revanchistische Ressentiments gegen die wirtschaftlich, kulturell und politisch Herrschenden.
„Haut ab, haut ab!“
In ihrem emotionalen Kern enthält diese politisch instrumentalisierte Wut ein unberechenbares Gewaltpotenzial. Denn dieser populistische Volksbegriff ist meist nicht nur nationalistisch oder sogar rassistisch, er ist vor allem ausgrenzend. Für Marine Le Pen sollen die Immigranten und alles, was sie ihnen (wie namentlich den Islam) an kulturellen, religiösen und sozialen Störfaktoren anlasten möchte, draußen bleiben.
Ohnmachtsgefühle mobilisiert auch Mélenchon gegen die etablierte Ordnung. In seinen spektakulären Auftritten vor Tausenden und manchmal Zehntausenden fordert er den demokratischen Umsturz mittels Wahlen, aber auch Rechenschaft.
Seine Zuhörer rufen „Dégagez, dégagez!“ wie die Demonstranten in Tunesien, die den Diktator Ben Ali stürzten. Wenn Mélenchon explizit die „Sansculotten“ der Revolution von 1789 als sein Vorbild nennt, denkt man unweigerlich an die Guillotine. Das lenkt von den reellen Herrschaftsmitteln und somit der eigentlichen Machtfrage auf einen mehr empfundenen als analysierten Antagonismus des Volks gegen die Elite oder „Ihr da oben, wir da unten“.
Was ist das Gemeinsame der von Mélenchon und Le Pen angesprochenen Emotionen? Es sind Gefühle der Ohnmacht, der Wut, der Angst. Es ist aber auch eine Konfrontation des Irrationalen gegen die eine Rationalität, die als Herrschaftsinstrument einer arroganten Kaste diskreditiert wird.
Teilhabe als linker Mythos
Nochmals zum „Volk“, das laut Mélenchon die Macht zurückerobern muss und das „mit seiner Kraft alle Hindernisse überwinden kann“: Der Kandidat ersetzt hier das marxistische Konzept der klassenbewussten Proletarier als revolutionäres Subjekt durch einen Mythos: Die sozialen und wirtschaftlichen Interessengegensätze werden reduziert auf die Teilhabe an der Macht oder den Ausschluss von der Macht.
Von der Konvergenz der Widerstandsbewegungen (Arbeiterbewegung, Feminismus, Antimilitarismus, Umweltbewegungen . . .), welche die belgische Philosophin Chantal Mouffe in ihrer Befürwortung des „linken Populismus“ zur „Neuformulierung des sozialistischen Ideals als Radikalisierung der Demokratie“ bezeichnet, ist in Mélenchons Vorstellung einer Sechsten Republik wenig zu finden. Die vorhandenen basisdemokratischen Aspekte seiner Bewegung der „Unbeugsamen“, die an Podemos oder an die besten Momente von Nuit debout erinnern können, werden zudem durch die geradezu peinlichen Chef-Allüren des Kandidaten verfälscht.
Wie Mouffe meint Mélenchon schließlich, dass die nationale Identität zwangsläufig den Rahmen zur Verteidigung des Volks gegen die Globalisierung bildet. Er ist ein nationalstaatlicher Reformer, sein Patriotismus ist nicht bloß eine rhetorische Floskel. Die soziale Kritik an der Globalisierung aber kann nicht in einem protektionistischen Rückzug auf die nationale Dimension bestehen. Sie muss angesichts der globalen Interdependenzen internationalistisch und auch proeuropäisch sein. „Ein Programm, das auf dem Verzicht des europäischen Projekts beruht, ist dazu verdammt, im Chauvinismus oder gar Trumpismus zu enden“, hat der Philosoph Etienne Balibar dazu seiner Freundin Mouffe und dem Politiker Mélenchon zu bedenken gegeben. | 234,735 |
1 | Die Ampelkoalition in der Krise: Der ohnmächtige Kanzler
Die Impfpflicht endete für Olaf Scholz in einem Desaster. Das kann sich beim 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr wiederholen. Und dann?
Erscheint eher als Chaoskanzler, dem alles entgleitet: Olaf Scholz am Mittwoch im Kanzleramt Foto: John Maydougall/afp/dpa
Kanzler Scholz will keine schweren Waffen an Kiew liefern, Außenministerin Annalena Baerbock fordert genau das. Die Impfpflicht, die die Ampelmehrheit wollte, ist kläglich gescheitert. Es knarrt und knirscht, es rumpelt und ächzt in der Ampel. Die Zentrifugalkräfte nehmen zu, das Machtzentrum scheint gelähmt. Treuherzig, wer das noch für die üblichen Startschwierigkeiten einer neuen Regierung hält. Für die Krise gibt es einen erwartbaren Grund – und einen sehr verblüffenden.
Bestürzend, wie blindlings die SPD-Spitze in die Niederlage hineintaumelte
Wenig überraschend ist, dass die FDP der Problembär in dem Trio ist. Sie kann nur Nein sagen – zu Tempolimit, Steuererhöhungen, Impfpflicht. Die Liberalen agieren wie eine Oppositionspartei, die ein Zufall an die Macht katapuliert hat und die nun nicht weiß, was sie damit anfangen soll. Finanzminister Christian Lindner hat sich zwar zu der kreativen Buchführung durchgerungen, die nötig ist, um den klimaneutralen Umbau zu stemmen.
Aber das Schulterklopfen von SPD, Grünen und auch der Wirtschaft nutzt der FDP nichts auf dem Wählermarkt. Die Spitzen von SPD und Grünen behandeln die FDP wie einen neurotischen Jugendlichen, dem man manchmal geben muss, was er will – auch wenn es schädlicher Unfug ist. Deshalb durfte die FDP die Impfpflicht zerschießen. Deshalb bekam Lindner den Tankrabatt geschenkt, der teuer ist, SUV-Fahrer beglückt und ein Markteingriff ist, mit dem die Liberalen den Ordoliberalismus verraten.
Das Grundproblem ist: Die FDP hat kein eigenes, identitätsstiftendes Thema. Deshalb muss sie immer lauter Nein sagen. Deshalb ist mit der FDP nur betreutes Regieren möglich. Der zweite Grund für die Krise ist überraschend: Der Kanzler kann Machtpolitik nicht. Man konnte bei Scholz mit erratischen Entscheidungen oder unwirschen Ansagen rechnen. Aber kaum mit stolpernder Naivität in Machtfragen.
Das beste Angebot auf dem Markt
Scholz hatte die Impfpflicht selbstbewusst angekündigt und den Weg dorthin – ohne Fraktionszwang – gewiesen. Bestürzend war nicht nur die Niederlage, sondern auch, wie blindlings die SPD-Spitze in sie hineintaumelte. Sie hatte keine Ahnung, dass sie die Abstimmung verlieren würde. Baerbock wurde eigens vom Nato-Gipfel in den Bundestag beordert, nur um dort festzustellen, dass 80 Stimmen fehlten.
Scholz’ Strategie fußte auf dem Irrtum, dass die Union sich am Ende so verhalten würde, wie es die SPD tut – im Zweifel staatstragend und gegen das eigene Parteiinteresse. Faktisch hatte sich die SPD-Spitze somit abhängig von dem politischen Kalkül von Friedrich Merz gemacht – und schaute danach hilflos ihrem Untergang zu. Dieses Desaster kann sich bei dem 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr wiederholen.
Auch hier hat der Kanzler weitsichtig die Weichen gestellt – und braucht unbedingt eine wohlgesinnte Union. Mag sein, dass der Druck für Merz, Ja zu sagen, stärker ist als bei der Impfpflicht. Doch erst mal gab es für das 100-Milliarden-Paket im Bundesrat bei einer Testabstimmung keine Mehrheit, geschweige denn die für die Grundgesetzänderung nötige Zweidrittelmehrheit. Die Ampel ist wieder auf den guten Willen der Opposition angewiesen. Ein riskantes Spiel.
Wenn das Krisenmanagement der SPD wieder so „famos“ funktioniert wie bei der Impfpflicht, ahnt man, wie es ausgehen wird. Scholz sieht sich als Konsenskanzler, der präsidial den Überblick über das große Ganze hat. Jetzt erscheint er eher als Chaoskanzler, dem alles entgleitet. Merkel regierte mit Macht durch Moderation, bei Scholz sieht das eher wie Ohnmacht durch Moderation aus. Machtpolitische Niederlagen sind für Scholz besonders gefährlich.
Denn er hat keine Reserven, um Erfolglosigkeit auf diesem Feld zu kompensieren. Er ist, so das Image, der Macher, der wortkarg wichtige Entscheidungen fällt. Versagt er dort, bleibt nicht viel. Wünschenswert wäre ein Ende der Ampel nicht. Sie ist auf dem Markt das beste Angebot. Ob die Linkspartei je wieder aufersteht, ist mehr als zweifelhaft. Sozialen Ausgleich, ökologischen Elan und liberale Gesellschaftspolitik kann man am ehesten von einer SPD-geführten Ampel erwarten. Macht sie so weiter, wird sie scheitern. | 234,736 |
0 | Bloomberg
Das iPhone 5 wird sich erst in einigen Monaten in den Läden stapeln
Samstag, 16.11.2013, 00:14
Kaum ist das iPhone 4S auf dem Markt, schon machen erste Gerüchte über den Nachfolger die Runde. Angeblich soll das iPhone 5 mit größerem Display und besserer Kamera ausgestattet sein. Ein neues iPad solls im März geben.
Das iPhone 4S ist erst seit wenigen Wochen in den Läden, die Kinderkrankheiten sind noch nicht ausgestanden, schon beginnen die Spekulationen um das Nachfolgemodell. Wie das amerikanische Technologiemagazin „Business Insider“ von einem Informanten erfahren haben will, soll das iPhone 5 mit einem Vier-Zoll-Display und einem im Display integrierten Home-Button ausgestattet sein. Der Rücken des Geräts soll wie beim iPad aus Aluminium bestehen. Die Kamera sei mit zehn Megapixeln ausgestattet. Zudem soll das Smartphone flacher als die Vorgängermodelle sein.Wie zuverlässig der Informant ist, ist schwer einzuschätzen. „Business Insider“ behauptet dieselbe Person habe bereits in der Vergangenheit zutreffende Informationen geliefert. Dennoch sei es nicht möglich gewesen, eine Bestätigung der Angaben zu erhalten. Bereits im August und Oktober hatten zahlreiche amerikanische Websites über das Design und die Funktionalität des neuen iPhones spekuliert. Dass mit dem iPhone 4S letztlich ein äußerlich quasi unverändertes Produkt auf den Markt kommen sollte, hatte kaum jemand vorhergesagt.
Das iPhone 4S im Videotest
FOCUS Online iPhone 4S: Das neue Apple-Smartphone im Videotest
Mittlerweile gehen Analysten von einer Markteinführung des iPhone 5 gegen Mitte/Ende des Jahres 2012 aus. Apple äußert sich zu solchen Gerüchten nicht.Während Apple-Fans auf das neue iPhone also noch eine ganze Weile warten müssen, könnte ein anderes neues Apple-Produkt schon wesentlich früher in die Läden kommen: Angeblich soll es ein neues iPad schon im März 2012 geben. Es soll flacher sein und eine bessere Akkulaufzeit haben. Ein komplett überabeitetes iPad 3 gebe es aber erst wieder im dritten Quartal 2012.
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1976 gründete Steve Jobs den späteren Weltkonzern Apple. Doch er war dabei nicht allein. Wie hießen seine beiden Gründungskollegen?
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Steve Wozniak und Ronald Wayne
Paul Allen und Monte Davidoff
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1 | 03.03.2020 In der Ukraine gibt es den ersten bestätigten Coronavirus-Fall. Alle weiteren Meldungen zur Ausbreitung und den Folgen des Coronavirus in der Ukraine gibt es in der speziellen Chronik zum Coronavirus in dieser Ausgabe. 04.03.2020 Auf einer von Präsident Selenskyj einberufenen Sondersitzung des Parlaments reicht Premierminister Olexij Hontscharuk seinen Rücktritt ein und macht damit den Weg frei für eine Umbildung des Kabinetts. Neuer Premierminister wird Denys Schmyhal. Sechs Minister verbleiben im Kabinett, die restlichen elf werden ausgetauscht. 04.03.2020 Abgeordnete des Europäischen Parlaments warnen in einem Brief an Präsident Wolodymyr Selenskyj, den Leiter des Nationalen Antikorruptionsbüros, Artem Sytnyk, zu entlassen. Dies wäre ein Dämpfer für die Korruptionsbekämpfung in der Ukraine, so die Abgeordneten. 05.03.2020 Der Leiter der Generalstaatsanwalt, Ruslan Rjaboschapka, wird entlassen. Als Grund gibt Präsident Selenskyj fehlende Fortschritte im Bereich der Korruptionsbekämpfung an. Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren die Entscheidung, da Rjaboschapka die Reform der als korrupt geltenden Behörde entschieden vorangetrieben habe. 06.03.2020 Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Landwirtschaft gibt bekannt, dass das Bruttoinlandsprodukt der Ukraine im Januar um 0,5 Prozent gesunken sei. Dies sei der erste Rückgang nach 49 Monaten ununterbrochenen Wachstums. 10.03.2020 Am Bezirksgericht Den Haag beginnt der sog. MH-17-Prozess. Vier Verdächtige aus Russland und der Ukraine werden angeklagt, für den Abschuss des 2014 über der Ostukraine abgestürzten Passagierflugzeugs Malaysia Airlines Flug 17 verantwortlich zu sein, bei dem 298 Menschen ums Leben kamen. Der Prozess findet in Abwesenheit der vier Angeklagten statt. 12.03.2020 Das Verfassungsgericht erklärt einen großen Teil der Justizreform von Präsident Wolodymyr Selenskyj als verfassungswidrig. Selenskyj initiierte die Justizreform im Vorjahr mit dem Ziel, die korruptionsanfälligen Gerichte zu reformieren; mit der Entscheidung der Verfassungsrichter wird dieser Prozess nun blockiert. 12.03.2020 Die Nationalbank der Ukraine senkt den Leitzins von 11 auf 10 Prozent. 13.03.2020 Der Leiter des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, teilt mit, dass die Ukraine erstmals seit Beginn des Konflikts in der Ostukraine vor sechs Jahren direkte Verhandlungen mit den Anführern der "Volksrepubliken" in Donezk und Luhansk führen werde. Konkret soll es ein neues Beratungsgremium geben, das paritätischaus Vertretern der Ukraine und der "Volksrepubliken" zusammengesetzt ist. Das Gremium soll die Umsetzung des Minsker Friedensfahrplans voranbringen, so Jermak. Teile der Opposition und der Gesellschaft kritisieren die Initiative als "Verrat" und kündigen Protestaktionen an. 16.03.2020 Bulgarien liefert Olexij Lewin, einen Hauptverdächtigen im Mordfall der Aktivistin Kateryna Handsjuk, an die Ukraine aus. Lewin soll sich ein Jahr lang in Bulgarien vor den ukrainischen Strafverfolgungsbehörden versteckt haben. Die Antikorruptionsaktivistin Kateryna Handsjuk fiel 2018 einem Säureattentat in ihrer Heimatstadt Cherson zum Opfer. 17.03.2020 Iryna Wenediktowa wird zur neuen Generalstaatsanwältin ernannt. 18.03.2020 Premierminister Denys Schmyhal teilt mit, dass er aktuell fast täglich Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) führe, um den Kredit über 5,5 Milliarden US-Dollar, der in den vergangenen Monaten ausgehandelt wurde, im Rahmen der Coronavirus-Epidemie aufzustocken. Im Gespräch sind laut Nationalbank der Ukraine bis zu 50 Milliarden US-Dollar, umdie ukrainische Wirtschaft zu stützen. Schmyhal rechnet mit einer baldigen Einigung. Der IWF erwartet im Gegenzug von der Ukraine, dass zwei wichtige Gesetze zum Landmarkt und der Re-Privatisierung der Banken verabschiedet werden. 20.03.2020 Laut der Nationalbank der Ukraine könnte das Land im laufenden Jahr durch die weltweit stark gesunkenen Energiepreise rund sechs Milliarden US-Dollar bei den Energieimporten einsparen. Energieimporte machen etwa 20 Prozent der ukrainischen Gesamtimporte aus.
Die Chronik wird zeitnah erstellt und basiert ausschließlich auf im Internet frei zugänglichen Quellen. Die Redaktion bemüht sich, bei jeder Meldung die ursprüngliche Quelle eindeutig zu nennen. Aufgrund der großen Zahl von manipulierten und falschen Meldungen kann die Redaktion der Ukraine-Analysen keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben übernehmen.
Zusammengestellt von Dr. Eduard Klein
Sie können die gesamte Chronik seit Februar 2006 auch auf Externer Link: http://www.laender-analysen.de/ukraine/ unter dem Link "Chronik" lesen. | 234,738 |
1 | Beamtenstatus von AfD-Abgeordnetem: „Pflicht zur Verfassungstreue verletzt“
Das Richterdienstgericht Baden-Württemberg begründet, warum der AfD-Abgeordnete und frühere Staatsanwalt Thomas Seitz kein Beamter mehr sein darf.
Seitz bezeichnete den Staat auf Facebook als „Unterdrückungsinstrument“ Foto: dpa
KARLSRUHE taz | Das Richterdienstgericht von Baden-Württemberg hat endlich das Urteil im Fall Thomas Seitz vorgelegt. Bereits im August 2018 wurde dem südbadischen Staatsanwalt und AfD-Bundestagsabgeordneten der Beamtenstatus aberkannt. Nun, ein halbes Jahr später, hat das Gericht das 25-seitige Urteil fertiggestellt. Es liegt der taz vor.
Das Urteil stützt sich vor allem auf 13 Kommentare, die Seitz auf seiner privaten Facebook-Seite veröffentlichte. Der schwerste Vorwurf: Seitz habe seine Pflicht zur Verfassungstreue verletzt. So habe er die Bürger zum „Widerstand“ aufgerufen, den Staat als „Unterdrückungsinstrument“ bezeichnet und die Justiz, der er ja angehört, als „Gesinnungsjustiz“ beschimpft. Indem Seitz den Eindruck erwecke, er könne solche angeblichen Entwicklungen verhindern, distanziere er sich vom Staat und seiner verfassungsmäßigen Ordnung. Es gehe dabei nicht nur um einzelne Äußerungen, so die Richter, sondern um eine „Gesamtschau“.
Zweiter großer Vorwurf an Seitz: Er habe die beamtenrechtliche Pflicht zur Mäßigung verletzt. Ein Beamter müsse immer beachten, dass das Vertrauen in die neutrale Ausübung seines Amtes nicht verletzt wird. Seitz dagegen benannte Flüchtlinge immer wieder als „Invasoren“. Der Gott des Islam wurde in einem von ihm weitergeleiteten Post unter anderem als „barbarisch“, „pädophil“ und „mafiös“ bezeichnet.
Durch solche Äußerungen erschüttere er das Vertrauen in die Staatsanwaltschaft als „Garant für die Rechtsstaatlichkeit“. Besonders zur Last gelegt wird Seitz ein Kommentar, bei dem er vorschlägt, Banküberfälle dann zu begehen, wenn es „Randale“ im Flüchtlingsheim gibt, denn dann sei die Polizei anderweitig beschäftigt. Wenn er als Staatsanwalt so etwas poste, missbrauche er den Vertrauensvorschuss, der seinem Amt zukomme.
AfD-Wahlkampf mit Robe unterm Arm
Der dritte Vorwurf stützt sich auf zwei Photos, die Seitz in Wahlkämpfen benutzt hat. Wegen der über den Arm gelegten Robe, der weißen Krawatte und einer strafrechtlichen Gesetzessammlung sei er als Angehöriger der Strafjustiz zu erkennen gewesen. Damit habe er Amt und politischen Meinungskampf vermengt.
Seitz könne sich bei seinen Äußerungen nicht auf das Recht der freien Meinungsäußerung berufen, so das Gericht. Für ihn als Staatsanwalt sei diese durch die Beamtenpflichten begrenzt.
Als Sanktion komme nur die dauerhafte Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht, meint das Dienstgericht. Eine derart harte beamtenrechtliche Sanktion für einen vergleichbaren Fall ist bisher allerdings nicht bekannt. Immerhin waren Seitz keine Vorwürfe zu seiner dienstlichen Tätigkeit – er bearbeitete Verkehrsdelikte – gemacht worden.
Der Rausschmiss als Konsequenz
Doch die Prüfung der Verhältnismäßigkeit fiel beim Richterdienstgericht erstaunlich knapp aus. In einem dürren Satz wurde festgestellt, dass mildere Maßnahmen als der Rausschmiss „nicht geeignet“ seien.
Seitz kann gegen das Urteil innerhalb eines Monats Berufung einlegen. | 234,739 |
1 | Audiovisuelle Medien, die für ihre Nutzung einen Bildschirm, eine Leinwand oder einen Monitor benötigen, werden auch als "Bildschirmmedien" bezeichnet. Bildschirmmedien zeichnen sich dadurch aus, dass sie dem Zuschauer das Gefühl geben können, etwas "unmittelbar" zu erleben, obwohl er nur die Mediendarstellung sieht. Dies wird etwa bei Fernsehübertragungen von Sportereignissen deutlich, bei Filmen, die den Betrachter für 90 Minuten in eine andere Wirklichkeit versetzen, oder bei Computerspielen, die es ermöglichen, sich in einer digitalen Welt wie in der Realität zu bewegen und dort zu handeln.
Die Inszenierung des Krieges in den Bildschirmmedien erfolgt mit unterschiedlicher Zielsetzung. Während Nachrichten informieren wollen, dienen Film und Computerspiel vor allem der Unterhaltung. Dabei kommt es aber auch zu Überschneidungen. Manche Nachrichtensendung bedient sich heute filmischer Gestaltungsmittel, um die Beiträge für den Zuschauer interessanter zu machen. Filme und Computerspiele versuchen, die Kriegsinszenierung im Hinblick auf historische Fakten und Darstellungen möglichst realistisch aussehen zu lassen. Diese Vermischung der Gestaltungselemente hat zur Folge, dass die Grenzen zwischen Information und Unterhaltung in den verschiedenen Bildschirmmedien heute fließend sind.
Der Grund für diese Vermischung ist die Orientierung am Publikumsgeschmack. Die Medien konkurrieren untereinander um die Aufmerksamkeit des Betrachters. Dieser soll möglichst lange durch die Darstellung gefesselt werden. Alle Möglichkeiten werden eingesetzt, die das unterstützen. Bei medialen Kriegsdarstellungen, bei denen der Aspekt der Unterhaltung eine große Rolle spielt, lässt sich daher ein verstärkter Einsatz von Techniken der Inszenierung feststellen.
Beispiele für Inszenierungstechniken in audiovisuellen Kriegsdarstellungen
Vereinfachung statt Komplexität – Reduzierung der komplexen Kriegsrealität auf einige wenige konkrete Ereignisse:
Unterhaltungsfaktor Krieg
Unterhaltungsfaktor Krieg
Video
Die Realität des Krieges ist komplex und vielgestaltig. Jede mediale Kriegsdarstellung erfordert daher die Auswahl und vereinfachte Darstellung einzelner Sachverhalte. Unterscheiden kann man jedoch zwischen solchen Darstellungen, die der Realität möglichst nahezukommen versuchen – beispielsweise durch die Schilderung von Hintergründen – und solchen, die sich auf die Aspekte des Krieges beschränken, die sich publikumswirksam in Szene setzen lassen. Letztere sind beispielsweise gekennzeichnet durch vermeintliche Überschaubarkeit, das Auslassen von Widersprüchen und das Vorhandensein eindeutiger Wirkungsmechanismen: Bestimmte Handlungen haben vorhersehbare Wirkungen zur Folge. Beim Zuschauer kann hierdurch eine falsche Vorstellung von der Realität des Krieges entstehen.
Personalisierung statt Darstellung von Prozessen – Darstellung des Krieges als etwas Personenhaftes, beispielsweise als Heldengeschichte:
Bei der Personalisierung wird etwas Nichtpersonenhaftes in etwas Personenhaftes verwandelt. Das Mittel der Personalisierung wird etwa eingesetzt, um dem Zuschauer die Folgen eines Krieges exemplarisch anhand des Schicksals einzelner Menschen deutlich zu machen. Es wird aber auch genutzt, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu steigern, da das Schicksal einer oder mehrerer Person spannender inszeniert werden kann als allgemeine Fakten und Sachzusammenhänge. Eine Person steht dann stellvertretend für einen Sachverhalt, ein politisches Lager für eine Bevölkerungsgruppe oder ein ganzes Land. Komplexe Konflikte werden auf die Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehreren Personen reduziert. Was bei der Hervorhebung der Rolle eines Einzelnen aber fast zwangsläufig geschieht, ist eine holzschnittartige Zuschreibung von Eigenschaften: mutig, feige, gut, böse etc. Der Irakkrieg 2003 erschien zum Beispiel in der Berichterstattung häufig wie ein Duell zwischen George W. Bush und Saddam Hussein. Dass die Lage im Irak aber viel komplizierter war und sich dort zahlreiche verschiedene Gruppierungen gegenüberstehen, hat sich nach der Einnahme von Bagdad gezeigt.
Unterhaltungsfaktor Krieg
Unterhaltungsfaktor Krieg
Video
Freund-Feind-Schema statt ausgewogener Darstellung – Eindeutige Unterscheidung zwischen guten Helden und bösen Feinden:
Das Freund-Feind-Schema zeichnet sich durch eine eindeutige Rollenverteilung aus. Es gibt Akteure, die das Gute vertreten, beispielsweise die eigenen Soldaten, "unsere Jungs", und solche, die das Böse vertreten: "brutale Mörder". Diese Darstellungsweise dient in Kriegsfilmen, Computerkriegsspielen oder der Kriegsberichterstattung vor allem dazu, die Gewalt an Feinden als gerechtfertigt zu zeigen. Das Gegenteil davon wäre eine neutrale Darstellung, die sich um eine differenzierte Sichtweise auf beide Konfliktparteien bemüht.
Dramatisierung statt Alltagsroutine – Konzentration auf dramatische Ereignisse, die sich medial gut in Szene setzen lassen:
Dramatisierung bezeichnet die Konzentration auf konflikthafte Situationen, auf Bedrohliches, Risikohaftes und Außergewöhnliches, das sich spannungsreich inszenieren lässt. Dies wird beispielsweise durch die Verwendung von gestalterischen Elementen erreicht wie einem dramaähnlichen Aufbau mit Haupt- und Nebenfiguren, Konflikten, Höhepunkt und Konfliktlösung, Musik, schnellen Schnitten oder einer abwechslungsreichen Kameraführung. Ziel der Dramatisierung ist es, den Zuschauer zu fesseln. Der "normale" Kriegsalltag, langfristige Entwicklungen und schwierige Zusammenhänge werden nicht dargestellt.
Ästhetisierung statt grausamer Kriegsrealität – Ansprechende bildliche und akustische Darstellung oder Ausblendung der grausamen, "hässlichen" Kriegsrealität:
Ästhetisch bedeutet in der Alltagssprache "schön", "geschmackvoll" oder "ansprechend". In Kriegsdarstellungen erfolgt Ästhetisierung zum Beispiel durch attraktive Soldaten, Flugzeugträger im Sonnenuntergang oder Hubschraubereinsätze, die durch spektakuläre Kameraeinstellungen ins Bild gesetzt werden. Dem Krieg wird dadurch sein Schrecken genommen. Während die grausame Kriegsrealität den Zuschauer durch die Darstellung schwerwiegender Kriegsfolgen belasten würde, kann ein actionhaltiges Computerkriegsspiel – durch die Darstellung des Krieges als faszinierendes Hightech-Spektakel – sogar Begeisterung auslösen.
Emotionalisierung statt Reflexion – Gefühlsbetonte Darstellung, die dazu führt, dass der Betrachter mitfühlt und mitleidet:
Emotionalisierung kann sowohl durch eine spannende Geschichte als auch durch akustische und optische Elemente erfolgen. Beispielsweise können Nahaufnahmen bestimmte Gefühle – wie Schmerz, Glück oder Trauer – einer dargestellten Person besser auf den Zuschauer übertragen. Ziel der Emotionalisierung ist es, den Zuschauer in das Geschehen mit einzubeziehen, seine Gefühle zu berühren. Dies geschieht jedoch auf Kosten der Reflexion und kritischen Auseinandersetzung mit dem Gesehenen.
Die 13-teilige Reality TV-Serie "Profiles from the Front Line" schildert den Einsatz der US-Soldaten im Afghanistankrieg – seriengerecht in Szene gesetzt. "Bei 'Profiles from the Front Line' wird der Krieg jugendfrei", kommentierte Heike Huppertz in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung daher den Start der Serie. (© ABC photos)Da jedes Medienprodukt zwangsläufig in gewisser Weise inszeniert ist, finden sich einzelne oder mehrere dieser Techniken in vielen medialen Kriegsdarstellungen. Unterschiede bestehen jedoch im Grad der Inszenierung. Die Frage, die sich dem Betrachter daher stellt, lautet: Wird die Kriegsrealität hier in einem erforderlichen Maß "inszeniert", oder stimmt die Darstellung des Krieges durch den hohen Grad an Inszenierung nur noch wenig mit der realen Situation überein?
Das Kriegsgeschehen dient etwa in vielen Filmen nur als Hintergrund, um eine dramatische Heldengeschichte zu erzählen. Vom realen Geschehen kommt nur das vor, was in das Inszenierungsschema passt. Dies ist auch bei Computerspielen der Fall. Hier geht es nicht mehr darum, den Krieg wirklich abzubilden. Der Bezug zu realen Kriegsereignissen dient allein der Steigerung des Unterhaltungswertes. Auch die Berichterstattung über den Krieg kann zur Unterhaltung werden. Wenn das verstärkte Medieninteresse der Zuschauer in Zeiten von Kriegen und Konflikten etwa genutzt wird, um durch Sondersendungen, Live-Berichte von der Front, Reality-TV-Serien etc. die eigenen Einschaltquoten zu steigern. Das Kriegsgeschehen verkümmert hier zur Kulisse für Pseudo-Ereignisse. Die Inszenierung wird zum Selbstzweck. | 234,740 |
0 | Da machte sich sein Zorn in Worten Luft. Sie brauche keine Komödie zu
spielen. Er wolle nicht länger ihr Popanz sein. Sie habe ihn verlassen,
sobald ihr das Elternhaus wieder offen gestanden, er könne sie nicht
mehr lieben. Als er vorgestern von der Jagd heimgekehrt war und gehört
hatte, daß sie verschwunden sei, ohne einen Gruß, ein Wort für ihn zu
hinterlassen, da sei ihm das Blut in den Adern erstarrt; er sei nahe
daran gewesen, vor Kummer zu sterben. Aber er könne diejenige nicht mehr
lieben, die ihm einen solchen Schmerz zugefügt habe. Sie habe ihn
übrigens niemals geliebt. Sie sei eine Kokette, die auch hier in der
Gegend jemand haben wolle, der sie küssen und herzen könne, das sei das
Ganze. | 234,741 |
1 | Fidel Alejandro Castro Ruz unternimmt im April 1959 auf Einladung der Vereinigung der amerikanischen Zeitungsherausgeber mit einer kleinen Delegation eine elftägige Privatreise in die USA. Die bärtigen kubanischen Revolutionäre, die erfolgreich eine Diktatur gestürzt haben, stoßen bei einem großen Teil der amerikanischen Bevölkerung durchaus auf Sympathie. Der skeptische US-Präsident Dwight D. Eisenhower geht Castro indessen aus dem Weg. Außenminister Christian Herter hat ihm mitgeteilt, mit dieser kubanischen Regierung könne nicht zusammengearbeitet werden. Aus den USA zurückgekehrt, verstaatlicht Castro die Zuckerrohrplantagen, zieht das Eigentum ausländischer Landbesitzer ein und verringert den Umfang der Einfuhr amerikanischer Waren. Etwa zehn Prozent der kubanischen Bevölkerung, zumeist Angehörige der Oberschicht, emigrieren.
Im Februar 1960 besucht eine sowjetische Handelsdelegation unter Führung des stellvertretenden Regierungschefs Anastas Mikojan Kuba und sagt der kubanischen Wirtschaft Unterstützungsleistungen zu. Nach den Spielregeln des Kalten Krieges wird Castro jetzt automatisch zu einem Gegner der USA. Die Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte sind der Überzeugung, Castros Regime müsse mit allen Mitteln entfernt werden. Eisenhower kann sich jedoch nicht zu einem militärischen Vorgehen gegen Kuba entschließen. Er befürchtet negative Auswirkungen auf das Verhältnis zu den übrigen lateinamerikanischen Staaten. Deshalb favorisiert und genehmigt er der CIA eine verdeckte Operation in Kuba. Diese sieht die Anlandung angeworbener Exilkubaner auf der Insel vor, die dort mit Unterstützung bestehender kleinerer Widerstandsgruppen gegen Castro vorgehen sollen. Amerikanische Ausbilder bereiten in Guatemala etwa 1500 Mann auf die amphibische Operation vor. Die erforderliche Luftunterstützung übernehmen exilkubanische Piloten von Flugfeldern in Nicaragua mit ausgemusterten Weltkriegsbombern vom Typ "Martin B-26 Marauder". Darauf werden sie von ehemaligen Angehörigen der Air National Guard Alabamas vorbereitet, die dazu von der CIA angeheuert worden sind. Als eine seiner letzten Amtshandlungen bricht Eisenhower im Januar 1962 die diplomatischen Beziehungen zu Kuba ab.
Sein Nachfolger im Amt, John F. Kennedy, wird von den bestehenden Bedenken in seinem militärischen Umfeld gegen die verdeckte Operation der CIA nicht unterrichtet und ordnet an, diese im April des Jahres durchzuführen. US-Streitkräfte dürfen dabei nach seinem Willen auf keinen Fall eingreifen. Die Anlandung in der Schweinebucht endet am 19. April 1962 in einem Desaster: 118 Exilkubaner werden getötet, der Rest gerät in kubanische Gefangenschaft. Kennedy entscheidet daraufhin, die US-Außenpolitik gegenüber Kuba künftig auf den Sturz Castros auszurichten. Da auch er zu einem militärischen Vorgehen gegen Kuba nicht bereit ist, ordnet er eine verdeckte Operation mit dem Decknamen "Mongoose" an. Mit verschiedenen Aktionen soll sie den Gegnern Castros auf der Insel helfen, diesen zu stürzen. Dabei kommt es zu Planungen der CIA, Castro zu ermorden.
Die Sowjetunion hat ein vitales Interesse daran, die USA von einer militärischen Intervention in Kuba abzuhalten; denn in der westlichen Hemisphäre verfügt sie über keinen der eigenen Ideologie so nahestehenden Staat. Zudem liegt die Insel strategisch günstig in unmittelbarer Nähe zu den USA, dem Panamakanal und den mittel- und südamerikanischen Staaten. Ab Mitte 1961 beginnt die UdSSR daher mit der Lieferung von Waffen und Material für die kubanischen Streitkräfte. Einweisung und Training übernehmen sowjetische Ausbilder.
Im Oktober 1961 findet in Moskau der 22. Parteitag der KPdSU statt. Regierungs- und Parteichef Nikita Chruschtschow kündigt bei dieser Gelegenheit den Test einer Wasserstoffbombe mit einer Sprengkraft von über 50 Megatonnen an. Die USA reagieren mit einer Rede des stellvertretenden Verteidigungsministers Roswell Gilpatric. Er weist darauf hin, dass die USA für einen nuklearen Vergeltungsschlag gegen die UdSSR über 600 schwere, mit nuklearen Bomben beladene Langstreckenbomber verfügten. Darüber hinaus stünden genügend nukleare Sprengköpfe für Interkontinentalraketen (intercontinental ballistic missiles, ICBM) vom Typ "Minuteman" sowie für die Raketen vom Typ "Polaris" der amerikanischen Atom-U-Boote zur Verfügung. Die USA seien daher sicher, dass die UdSSR keine nukleare Attacke auf die USA wagen würde. Der sowjetische Verteidigungsminister Rodion Malinowski antwortet, die UdSSR sei mit Nuklearraketen ausreichend auf einen Atomkrieg vorbereitet. Diesen würde sie gewinnen, der Westen hingegen nicht überleben.
"Anadyr"
Bei einem Staatsbesuch in Bulgarien im Mai 1962 wird Chruschtschow von der Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen (medium-range ballistic missiles, MRBM) vom Typ "Jupiter" in der Türkei unterrichtet. Sie befinden sich auf dem in der Region Izmir liegenden Luftwaffenstützpunkt Çiğli und haben eine Reichweite von etwa 2.400 Kilometern. Ihre Bewaffnung mit nuklearen Sprengköpfen würden im Kriegsfall auf Befehl eines US-Präsidenten sogenannte custody units übernehmen. Während die Mittelstreckenraketen der UdSSR das Gebiet der USA nicht erreichen können, decken die in drei Nato-Staaten aufgestellten amerikanischen MRBM einen großen Teil des sowjetischen Territoriums ab. Chruschtschow erkennt, dass die USA keine Bedenken tragen, nukleare Waffen außerhalb des eigenen Territoriums bei Bündnispartnern in Stellung zu bringen. Dies führt ihn zu der Überlegung, das eigene Defizit an Interkontinentalraketen und Langstreckenbombern durch auf Kuba stationierte sowjetische Mittelstreckenraketen auszugleichen.
Mit einer militärischen Reaktion der USA rechnet Chruschtschow nicht. Er hält Präsident Kennedy für schwach, vor allem seit der ausgebliebenen militärischen Unterstützung des Anlandungsversuchs in der Schweinebucht. Am 21. Mai 1962 ruft Chruschtschow den Verteidigungsrat der UdSSR zusammen. Er trägt dem Gremium seine strategischen Überlegungen vor und erhält dessen Zustimmung für die Stationierung sowjetischer MRBM auf der Insel. Wenige Tage später legt der sowjetische Generalstab dem Verteidigungsrat einen Plan zur Verlegung dieser Raketen vor. Der Plan findet nicht nur die Zustimmung des Verteidigungsrats, sondern auch des Präsidiums der KPdSU. Daraufhin beginnt der Generalstab mit den Vorbereitungen zur Operation "Anadyr".
Um Castro für die Idee der Stationierung von Nuklearraketen in seinem Land zu gewinnen, fliegt Ende Mai eine als Landwirtschaftskommission getarnte sowjetische Delegation nach Kuba. Tatsächlich bedarf es keiner großen Überredungskünste, um die Einwilligung Castros zu erhalten. Nach Rückkehr der Delegation nach Moskau tritt am 10. Juni das Präsidium der KPdSU zusammen und nimmt erfreut deren Bericht entgegen. Sodann erläutert Verteidigungsminister Malinowski den inzwischen vom Generalstab erarbeiteten Entwurf zur größten geheimen Militäroperation der UdSSR während des Kalten Krieges: "Anadyr" sieht die Stationierung von 24 MRBM des Typs "R-12" vor. Diese einstufigen ballistischen Raketen mit einem Flüssigkeitstriebwerk verfügen über eine Reichweite von etwa 2.000 Kilometern. Außerdem sollen noch 16 MRBM des Typs "R-14" aufgestellt werden, die sogar rund 4500 Kilometer entfernte Ziele erreichen können.
Der Nuklearsprengkopf für jede der Mittelstreckenraketen besitzt die Sprengkraft von einer Megatonne, was 66 Hiroshimabomben entspricht. Für den Fall, dass die sowjetischen Nuklearraketen gegen einen amerikanischen Bodenangriff auf der Insel verteidigt werden müssen, werden zwei Regimenter mit jeweils 80 nuklearen Marschflugkörpern mit einer Reichweite von rund 180 Kilometern bereitgestellt. Jede dieser Raketen verfügt über eine Sprengkraft zwischen 5,6 und 12 Kilotonnen. Dazu kommen Einheiten mit taktischen Kurzstreckenraketen, die zur Unterstützung von Bodenkämpfen nukleare Sprengköpfe von 2 Kilotonnen Sprengkraft über eine Distanz von etwa 40 Kilometern verschießen können. Zum Schutz aller sowjetischen Nuklearwaffen sowie der eingesetzten Soldaten sind vier motorisierte Regimenter mit insgesamt 10.000 Mann vorgesehen. Zu diesen gehören zwei Panzerregimenter mit jeweils zwei Bataillonen, die mit dem Panzer "T-55" ausgestattet sind. Flugkörperschnellboote, "Iljuschin-28" Frontbomber und Jagdflugzeuge vom Typ "MIG-21" runden die militärische und personelle Ausstattung ab. Insgesamt sollen über 40.000 Angehörige der sowjetischen Streitkräfte nach Kuba gebracht werden.
Während Castro den Plan der Stationierung der MRBM auf Kuba am liebsten sogleich öffentlich machen würde, ist es Chruschtschows ausdrücklicher Wunsch, damit noch zu warten. Die USA, so lässt er Castro ausrichten, sollten die Stationierung der Raketen auf Kuba möglichst erst entdecken, wenn diese einsatzbereit seien. Dann wolle er ihre Stationierung persönlich vor den Vereinten Nationen in New York verkünden.
Diesen Wunsch auf Geheimhaltung könnten amerikanische Aufklärungsflüge mit Maschinen vom Typ "Lockheed U-2" gefährden. Deren hochauflösende Panoramakameras erstellen bei wolkenlosem Himmel gestochen scharfe, gut auswertbare Fotos. Ihre Einsatzhöhe von über 20.000 Metern macht sie für die kubanische Luftabwehr unerreichbar. Eine besondere Bedeutung für den Erfolg von "Anadyr" kommt aus Sicht Chruschtschows daher dem Luftabwehrsystem "S-75 Dwina" zu, das über eine entsprechende Reichweite verfügt und unerwünschte Überflüge über Kuba unterbinden kann. Bereits im Mai 1960 ist damit eine "U-2" über Jekaterinburg abgeschossen worden. Der Pilot Francis Powers blieb bei seinem Ausstieg unverletzt und gestand in einem öffentlichen, propagandistisch geschickt genutzten Gerichtsverfahren den Spionageflug über sowjetisches Gebiet. Auf Anordnung Chruschtschows wird das Luftabwehrsystem auf Kuba daher auf 114 "S-75 Dwina"-Raketen aufgestockt, im Transportplan vorgezogen und frühzeitig eingeschifft.
"Maskirovka"
Raketen, Waffen und Personal müssen über See in das über 10.000 Kilometer entfernte Kuba verlegt werden. Planung und Umsetzung erfolgen in der Tradition der "Maskirovka", des sowjetischen Konzepts der militärischen Täuschung. Deshalb wird schon bei der Planung der Operation auf schriftliche Befehle verzichtet. Alle notwendigen Anweisungen werden den zuständigen Kommandeuren durch Offiziere lediglich mündlich überbracht. Der KGB überprüft zudem jeden einzelnen Teilnehmer der Operation auf politische Zuverlässigkeit und Schwächen und tauscht vor ihrem Beginn rund 1.500 Personen aus.
Luftabwehr- und Mittelstreckenraketen sowie Sprengköpfe, Material und Personal werden nachts mit Eisenbahnzügen in Häfen am Schwarzen Meer, an der Ostsee und an der Barentssee gebracht. Für den Transport stehen Schiffe der sowjetischen Marine und Handelsflotte zur Verfügung. Das Ziel Kuba erfahren die Schiffsführer erst auf dem Atlantik aus versiegelten Anweisungen und unter Aufsicht eines KGB-Offiziers. Den Kameras der Aufklärer der Nato sowie der USA sollen selbst bei Überflügen auf hoher See keine Verdachtsmomente gegeben werden. Auf den Oberdecks der Schiffe stehen daher unauffällige Maschinen und Fahrzeuge für die Landwirtschaft. Die an Bord befindlichen Soldaten dürfen die Oberdecks während der 15 bis 20 Tage dauernden Überfahrt lediglich für wenige Minuten in der Nacht betreten. Das Entladen der Schiffe in den kubanischen Häfen erfolgt ebenso wie der Transport von Mensch und Material über die Insel nur nachts und bleibt unbemerkt. Zunächst wird weisungsgemäß mit der Errichtung von Stellungen für das Flugabwehrsystem "S-75 Dwina" begonnen.
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf
Am 5. August 1962 überfliegt eine "U-2" Kuba. Ihre Aufnahmen belegen erstmals Erdarbeiten für Stellungen des sowjetischen Luftabwehrsystems "S-75 Dwina". CIA-Direktor John A. McCone zeigt sich darüber äußerst beunruhigt und beruft am 10. August eine Konferenz ein. An dieser nehmen unter anderem Außenminister David Dean Rusk, Verteidigungsminister Robert McNamara sowie Kennedys militärischer Berater und künftiger Chef des Vereinigten Generalstabs, General Maxwell Taylor, teil. McCone bemerkt ironisch, die Stationierung eines so fortgeschrittenen und kostspieligen Luftabwehrsystems wie der "S-75 Dwina" diene wohl gewiss nicht dem Schutz von Zuckerrohrschneidern. Dessen Aufgabe sei wohl vielmehr, Aufklärungsflüge zu verhindern. Das aber sei aus seiner Sicht nur dann erforderlich, wenn eine Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba verborgen werden solle. Dem Präsidenten teilt McCone schriftlich mit, er glaube, auf der Insel würden Abschussrampen für solche Nuklearraketen errichtet.
In der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats am 17. August, bei der auch Kennedy anwesend ist, äußert der CIA-Direktor erneut den Verdacht, die Sowjetunion wolle MRBM auf Kuba stationieren. McNamara hält dem entgegen, es handele sich lediglich um den Aufbau von Waffen zur Luftverteidigung. Auch die Wiederholung der Einschätzung McCones im Weißen Haus am 23. August bleibt ohne Wirkung. Für die überwiegende Mehrheit der CIA-Mitarbeiter sowie der Regierungsmitglieder gilt: Die UdSSR hat bisher noch nie nukleare Waffen außerhalb des Warschauer-Pakt-Gebiets stationiert, deren Stationierung in Kuba sei daher unwahrscheinlich. Ende August befindet sich der CIA-Direktor drei Wochen in Frankreich. Der private Anlass seiner Reise hält ihn nicht davon ab, seinem Stellvertreter in Washington Telegramme zu senden, in denen er seinen Verdacht wiederholt vorbringt. Weil die Meinung des Präsidenten bekannt ist, will man diesen jedoch nicht mit den Telegrammen belästigen.
Der Aussage des republikanischen Senators Kenneth Keating, sowjetische Soldaten errichteten auf Kuba Stellungen für Nuklearraketen, tritt Kennedy schon wegen der bevorstehenden Wahlen zum Repräsentantenhaus entgegen. Am 4. September erklärt er gegenüber Kongressmitgliedern, Chruschtschow verstärke mit Waffenlieferungen lediglich die Verteidigungsfähigkeit Kubas. Auch der sowjetische Botschafter in Washington, Anatoli Dobrynin, versichert Justizminister Robert Kennedy, auf Kuba würden weder Boden-Boden-Raketen noch andere offensive Waffen stationiert.
Um die amerikanische Öffentlichkeit zu beruhigen, lässt der Präsident auf einer Pressekonferenz eine Erklärung verlesen. Darin wiederholt er seine Einschätzung, dass die Sowjetunion Kuba lediglich Waffen und Material zur Verteidigung überlasse. Darunter befänden sich Raketen zur Luftverteidigung mit dazugehörigem Radar und elektronischem Material. Zur Küstenverteidigung habe Kuba einige Torpedoboote mit Seezielflugkörpern erhalten, die allerdings nur über eine Reichweite von wenigen Meilen verfügten. Für eine Stationierung von sowjetischen Boden-Boden-Raketen, anderer Angriffswaffen oder Kampftruppen gebe es hingegen keinerlei Anhaltspunkte.
Am 8. September gelingt es China, über seinem Territorium eine von der CIA an Taiwan überlassene "U-2" mit einer "S-75 Dwina" abzuschießen. Auf Veranlassung von Rusk und von Kennedys Sicherheitsberater McGeorge Bundy werden daraufhin "U-2"-Flüge über das Innere Kubas eingestellt. Beide befürchten, der Abschuss einer "U-2" über kubanischem Territorium könne ähnlich negative außenpolitische Folgen nach sich ziehen wie der Abschuss von Powers über der UdSSR im Mai 1960. Aufklärungsflüge von "U-2" dürfen jetzt nur noch in einem Abstand von 25 Meilen zur Insel stattfinden. Die aus dieser Distanz gemachten Bilder belegen lediglich, dass an der Küste Kubas weitere Luftabwehrstellungen für die "S-75 Dwina" errichtet werden.
Am 19. September 1962 bewertet die CIA die militärischen Hilfeleistungen der UdSSR für Kuba. Die bisherigen sowjetischen Lieferungen, so das Ergebnis, dienten nur dazu, die desolate kubanische Luftabwehr und Küstenverteidigung zu verbessern. Als CIA-Chef McCone Ende September nach Washington zurückkehrt, stellt er mit Erschrecken fest, dass seit dem 5. des Monats kein Aufklärungsflug mehr über das Innere Kubas erfolgt ist. Er macht seinem Ärger darüber Luft, dass der Präsident und Regierungsmitglieder öffentlich versichert hätten, auf der Insel befänden sich keine sowjetischen Offensivwaffen. Er hingegen könne darüber kein endgültiges Urteil abgeben. Die "U-2", so fügt er ironisch hinzu, hätten bisher auf Kuba nur deshalb nichts gefunden, weil sie die Insel gar nicht überflogen hätten. Dies teilt er auch dem Präsidenten mit, der daraufhin einem "U-2"-Flug über Kuba zustimmt. Dieser findet am 15. Oktober statt. Die dabei gemachten Bilder offenbaren im Bau befindliche Startplätze, Flüssigkeitstanks, Spezialfahrzeuge und abgedeckte MRBM vom Typ "R-12". Der bauliche Zustand der Abschussrampen zeigt, dass die Raketen in etwa 14 Tagen einsatzbereit sein könnten.
Krieg oder Frieden
Für die heikle Entscheidung, mit welchen Mitteln dieser nuklearen Bedrohung zu begegnen ist, beruft der US-Präsident am 16. Oktober schon aus Geheimhaltungsgründen lediglich eine kleine Beratungsgruppe. Sie erhält die Bezeichnung Executive Committee of the National Security Council, kurz ExComm. Das Gremium umfasst neben Robert Kennedy etwa 15 weitere enge Mitarbeiter des Präsidenten und tritt künftig mindestens einmal täglich im Oval Office des Weißen Hauses zusammen. Die Gespräche werden vom Präsidenten ohne Kenntnis der Teilnehmer mitgeschnitten.
Zunächst steht das ExComm unter dem Eindruck, von Chruschtschow erfolgreich getäuscht worden zu sein. Alles kreist um die Frage, welchen Zweck die Stationierung der MRBM hat. Drei Reaktionsmöglichkeiten werden in Erwägung gezogen: Luftangriffe mit anschließender Invasion, Verhängung einer Blockade oder diplomatische Schritte. Durch Luftangriffe könnte die völlige Zerstörung der Raketen nicht garantiert werden. Eine Invasion der Insel wäre zwar möglich, würde jedoch zu großen Verlusten auf beiden Seiten führen. Der Präsident fürchtet zudem, solche Angriffe könnten zu unvorhersehbaren Vergeltungsaktionen durch die UdSSR in Berlin führen. Generell spielen mögliche Auswirkungen auf Berlin stets eine zentrale Rolle bei den Diskussionen im ExComm. Kennedy zieht auch ein Tauschangebot an Chruschtschow in Erwägung: Bei einem Abzug der sowjetischen MRBM von Kuba könnten im Gegenzug die amerikanischen "Jupiter" aus der Türkei abgezogen werden.
Am 18. Oktober empfängt der US-Präsident den sowjetischen Außenminister Andrej Gromyko zu einem seit Langem geplanten Besuch in Washington. Das Präsidium der KPdSU hofft dabei herauszufinden, ob die USA von der Stationierung der sowjetischen Raketen auf Kuba bereits wissen. Im Laufe der Unterhaltung betont Gromyko, die von der UdSSR an Kuba gelieferten Waffen seien keineswegs offensiver, sondern lediglich defensiver Natur. Kennedy reagiert nicht auf diese eindeutige Lüge. Er versichert aber, dass die USA eine Invasion Kubas nicht beabsichtigten. Abschließend liest er seinem Gast aus einer früheren Erklärung vor. Dabei betont er besonders die Stelle, an der von den schwerwiegenden Folgen die Rede ist, falls die UdSSR offensive Boden-Boden-Raketen oder andere Offensivwaffen nach Kuba bringen würde. Diese Warnung versteht Gromyko offensichtlich nicht; denn er berichtet nach Moskau, die amerikanische Haltung im Hinblick auf Kuba sei völlig zufriedenstellend.
Am folgenden Tag trifft sich der US-Präsident mit den Oberkommandierenden der Streitkräfte. Diese schlagen einen massiven Luftangriff auf Kuba vor. Kennedys Hinweise auf mögliche Reaktionen der UdSSR in Berlin und die Folgen eines möglichen Nuklearkrieges für die USA beindrucken die Chefs der Streitkräfte nicht. Sie bestehen auf einer militärischen Lösung. Ihre starre Haltung führt dazu, dass der Präsident ein weiteres Treffen mit ihnen während der Krise als überflüssig ablehnt.
Die Mitglieder des ExComm tendieren inzwischen mehrheitlich zu einer Seeblockade Kubas. Kennedy gibt zu bedenken, dass die MRBM durch eine Blockade noch nicht aus Kuba entfernt seien. Eine endgültige Entscheidung will er erst treffen, nachdem er mit dem Kommandeur der taktischen Luftwaffe gesprochen hat. Dieser teilt ihm mit, dass selbst nach Hunderten von Luftangriffen keine Garantie für eine völlige Zerstörung der sowjetischen MRBM gegeben werden könne. Daraufhin lässt sich der Präsident vom möglichen Vorgehen der US-Marine im Fall einer Blockade unterrichten. Unterdessen brodelt in Washington bereits die Gerüchteküche. Deshalb bittet Kennedy die Herausgeber der "New York Times", der "Washington Post" und der "New York Herald Tribune" telefonisch, Veröffentlichungen zu Kuba aus Sicherheitsgründen noch zurückzuhalten. Dies wird ihm zugesichert.
Am 22. Oktober wird im ExComm eine Resolution erarbeitet, die nach ihrer Verabschiedung von der Organisation Amerikanischer Staaten verkündet werden soll. Sie erlaubt die Inspektion von Schiffen, um den Transport von Offensivwaffen nach Kuba zu verhindern. Kennedy verwendet künftig anstelle des Begriffs "Blockade" den weniger kriegerischen Begriff "Quarantäne". Zunächst wird UN-Generalsekretär Sithu U Thant über die beabsichtigte Maßnahme unterrichtet. Der sowjetische Botschafter Dobrynin wird ins Department of State einbestellt, wo ihm Außenminister Rusk den Text der für 19 Uhr angekündigten Rede Kennedys an die amerikanische Nation überreicht.
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Die Radio- und Fernsehrede Kennedys wird dank Übersetzungen und Aufzeichnung in der ganzen Welt gehört, so auch in Kuba. Erstmals erfährt die Weltöffentlichkeit von der zugespitzten Situation. Zunächst weist der Präsident auf die sowjetischen Nuklearwaffen auf der Insel hin. Diese gefährdeten die ganze westliche Hemisphäre. Dann erwähnt er die bisher vorgesehenen Maßnahmen: die "Quarantäne", die Verstärkung des US-Navy-Stützpunktes in der kubanischen Guantánamo-Bucht und die Intensivierung der Luftüberwachung. Für den Fall, dass die sowjetischen Mittelstreckenraketen nicht abgebaut würden, droht Kennedy mit weiteren Maßnahmen. Er schließt die Rede mit einer eindringlichen Warnung: Falls von Kuba eine nukleare Rakete auf einen Staat der westlichen Hemisphäre abgefeuert würde, werde dies als ein Angriff auf die USA angesehen und einen umfassenden nuklearen Vergeltungsschlag gegen die UdSSR auslösen.
In Moskau sorgt der US-Botschafter dafür, dass neben dem Redetext ein Brief des Präsidenten an Chruschtschow zugestellt wird. Das Schreiben enthält die Forderung, dass die entstandene Bedrohung der westlichen Hemisphäre durch die Entfernung der MRBM aufgehoben werden muss. Chruschtschow schreibt am 23. Oktober in seiner Antwort, alle nach Kuba gelieferten Waffen besäßen lediglich defensiven Charakter. Gleichzeitig fordert er die Aufhebung der Blockade, anderenfalls ergäben sich schwerwiegende Folgen für den Weltfrieden. Kennedy wiederum antwortet, dass die momentane Lage allein durch die UdSSR verursacht worden sei. Deshalb erwarte er von Chruschtschow die notwendigen Schritte zur Wiederherstellung der früheren Situation. Er hoffe, dass die sowjetischen Schiffe sich an die Bedingungen der Quarantäne hielten. Chruschtschows Antwort lässt nicht lange auf sich warten: Einen solchen Einschüchterungsversuch könne die UdSSR nicht akzeptieren. Es scheint, als riskiere der sowjetische Regierungschef bewusst eine militärische Auseinandersetzung. Tatsächlich jedoch lässt er die noch Kuba ansteuernden sowjetischen Schiffe zurückrufen. So muss die US-Marine an der Quarantänelinie lediglich die Ladung eines libanesischen Frachters inspizieren, die unbeanstandet bleibt.
Am 26. Oktober erklärt sich Chruschtschow bereit, die MRBM im Fall einer Verzichtserklärung der USA auf eine Invasion Kubas abzuziehen. Am 27. Oktober erreicht Kennedy die Nachricht, Chruschtschow habe öffentlich angekündigt, die Raketen abzuziehen, wenn die USA im Gegenzug die "Jupiter" aus der Türkei abzögen. Doch ausgerechnet als sich eine Lösungsmöglichkeit anzubahnen scheint, gibt es einen Rückschlag. Am Nachmittag desselben Tages wird der eigenmächtig von einem sowjetischen Kommandeur auf Kuba angeordnete Abschuss einer "U-2" durch das Luftabwehrsystems "S-75 Dwina" gemeldet. Der Pilot, Major Rudolf Anderson Jr., ist dabei ums Leben gekommen. Das führt bei beiden Staatsmännern, die die Schrecken des Zweiten Weltkriegs zur Genüge erlebt haben, zu einem Umdenken. Nachdem erstmals Blut geflossen ist, wollen sie eine weitere Eskalation unbedingt vermeiden.
Kennedy entschließt sich, Chruschtschows Bedingungen für den Raketenabzug anzunehmen. In einem Brief erklärt er sich zum Verzicht auf eine Invasion Kubas bereit. Als Robert Kennedy das Schreiben persönlich Botschafter Dobrynin übergibt, übermittelt er diesem mündlich das Versprechen des Präsidenten, auch die "Jupiter" aus der Türkei abzuziehen. Diese Zusage müsse allerdings streng geheim bleiben. Chruschtschow kann dem Präsidium des ZK am 28. Oktober berichten: Der Verzicht einer amerikanischen Invasion Kubas sei ebenso erreicht worden wie das Versprechen eines Abzugs der "Jupiter". Allerdings habe sowjetisches Handeln inzwischen zum Tod eines Amerikaners geführt. Jetzt bestehe die Gefahr eines Krieges und damit einer nuklearen Katastrophe. Um die Welt zu retten, müssten die Raketen aus Kuba abgezogen werden. Das Präsidium des ZK stimmt Chruschtschow zu. Dieser teilt Kennedy die Entscheidung mit. In der Folge werden die MRBM sowie die sowjetischen Soldaten samt weiteren Waffen von Kuba in die UdSSR abgezogen.
Pausenzeichen
Im April 1963 erfolgt der von Kennedy zugesagte Abzug der "Jupiter" aus der Türkei. Darüber hinaus werden die Gespräche für ein Atomtestabkommen wieder aufgenommen. Nur wenige Monate später, Anfang August, unterzeichnen das Vereinigte Königreich, die Sowjetunion und die USA in Moskau ein "Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser". Im selben Monat schließen die UdSSR und die USA in Genf ein Abkommen über die Einrichtung einer direkten Fernschreibverbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml. Ihre Hoffnung ist, dadurch die Gefahr eines Krieges durch Zufall oder aufgrund eines Missverständnisses zu verringern.
Die Kuba-Krise 1962 wirkt somit gewissermaßen wie ein Warnschuss: Sie schafft ein breites öffentliches Bewusstsein dafür, wie fragil das atomare Gleichgewicht ist und führt dazu, dass die beiden Supermächte Vorkehrungen treffen, eine nukleare Eskalation unwahrscheinlicher zu machen – durch die genannten Abkommen und besseren Informationsaustausch, aber auch durch die Verlängerung von Befehlsketten für den Einsatz von Atomwaffen. Die kurzzeitige Phase der Entspannung ist jedoch nur ein Zwischenspiel: Am 22. November 1963 reißen zwei Schüsse in Dallas John F. Kennedy aus dem Leben. Chruschtschow wird am 14. Oktober des folgenden Jahres in Moskau als Vorsitzender des Ministerrates und Erster Sekretär der KPdSU abgelöst. Damit endet die nur kurze "Pause" der Entspannung im Kalten Krieg.
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Vgl. Reiner Pommerin, Die Kubakrise 1962, Ditzingen 2022.
Vgl. Don Bohning, The Castro Obsession. U.S. Covert Operations against Cuba 1959–1965, Sterling VA 2005.
Vgl. Summary of Facts – Investigation of CIA Involvement in Plans to Assassinate Foreign Leaders, 5.6.1975, Externer Link: http://www.fordlibrarymuseum.gov/library/document/0005/7324009.pdf.
Vgl. Dimitrij N. Filippovych/Wladimir I. Ivkin, Die Raketentruppen der UdSSR und ihre Beteiligung an der Operation "Anadyr" (1962), in: Dimitrij N. Filippovych/Matthias Uhl (Hrsg.), Vor dem Abgrund. Die Streitkräfte der USA und der UdSSR sowie ihrer deutschen Bündnispartner in der Kubakrise, München 2005.
Vgl. Ernest R. May/Philip D. Zelikow (Hrsg.), The Kennedy Tapes: Inside the White House during the Cuban Missile Crisis, Cambridge MA 1997. Auch die Protokolle der nicht während der Krise aufgezeichneten Sitzungen des ExComm sind hier abgedruckt.
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0 | Beate! laß die Lästrer schmähen,
Und laß sie aus Verleumdung sprechen,
Du sollst die Allmacht nur bestechen,
Daß für den Wucher, den du treibst,
Du einstens ungestrafet bleibst.
Laß dich von andern spöttisch richten,
Als pflegtest du der Welt gern Laster anzudichten;
Als wäre dies für dich die liebste Neuigkeit,
Wenn andern Not und Unglück dräut;
Als hättest du nichts als der Tugend Schein.
Schweigt, Spötter, schweigt! Dies kann nicht sein;
Denn betend steht sie auf, und singend schläft sie ein. | 234,743 |
0 | Als erstes Wasser mit etwas Salz für die Pasta aufsetzten. Wenn das Wasser kocht, die Spaghetti oder Tagliatelle al dente kochen.In der Zwischenzeit eine Pfanne mit etwas Öl aufsetzten. Die Zucchini waschen, in Würfel schneiden und in die Pfanne geben.Die Frühlingszwiebeln ebenfalls waschen und scheiden und mit den Pinienkernen zu den angebratenen Zucchini geben. Kurz mit anbraten. Dann Käse und die Sahne dazugeben und 5 Min köcheln lassen. Mit etwas Pfeffer (Salz nach Geschmack, der Käse würzt genug) und frischen Kräutern abschmecken und zur Pasta reichen.Tipp: Wer Lust auf Fleisch hat, kann auch etwas Putengeschnetzeltes zufügen. | 234,744 |
1 | Brutaler Mord in der Türkei: Tausende Frauen protestieren
Das Verbrechen an Özgecan Aslan treibt Frauen auf die Straße. Ihre Wut richtet sich auch gegen die zunehmende Islamisierung der Gesellschaft.
Protest in Istanbul. Bild: dpa
ISTANBUL taz | Tausende wütender Frauen sind am Samstag auf Trauermärschen durch Istanbul, Ankara, Izmir und viele weitere Städte im Westen des Landes gezogen. Ihre Wut galt einem Staat, in dem Frauen durch die zunehmende Islamisierung immer mehr entrechtet werden, ihre Trauer dem Tod von Özgecan Aslan, einer 20-jährigen Studentin, die in Mersin an der Südküste brutal ermordet worden war.
Die Psychologiestudentin Özgecan Aslan fuhr mit einem Minibus von Tartus, wo sie zur Universität ging, nach Hause nach Mersin. Es war früher Abend. Bevor sie ankamen, leerte sich der Minibus und plötzlich war sie die Letzte im Bus. Ohne ein Wort zu sagen, bog der Fahrer in einen Feldweg ab und stürzte sich auf sie.
Sie wehrte sich heftig gegen die drohende Vergewaltigung, bis der Fahrer ein Messer zog und sie ermordete. Anschließend fuhr der Mörder mit seinem Minibus zu seinem Haus und holte dort seinen Vater und seinen Cousin ab, um mit deren Hilfe die Leiche zu beseitigen. In einem abgelegenen Flussbett versuchten die drei, die Leiche zu verbrennen, was aber nicht vollständig gelang.
Am Freitagabend fand die Polizei die verkohlten Überreste der jungen Frau und nahm wenig später die Täter fest. Diese sind geständig. Offenbar reichte es dem Fahrer des Minibusses, dass eine junge Frau abends allein unterwegs war, um sie als potenzielles Opfer zu betrachten.
Islamistische Indoktrinierung
Immer häufiger klagen Frauen darüber, dass sie nach Einbruch der Dunkelheit belästigt würden, weil sie angeblich auf der Straße nichts mehr zu suchen haben. Seit die regierende AKP unter der Regie von Präsident Tayyip Erdogan immer unverhohlener versucht, ihre islamistischen Vorstellungen durchzusetzen, gilt es zunehmend als unanständig, wenn eine Frau abends allein unterwegs ist.
Gegen diese islamistische Indoktrinierung erhebt sich immer häufiger Protest. Nur so wird es verständlich, warum der Mord an Aslan landesweit Tausende Frauen auf die Straße trieb. Alle fürchten, selbst zum Opfer werden zu können, wenn dem rückwärtsgewandten Islamismus der AKP nichts entgegengesetzt wird.
Aus dem gleichen Motiv hatten bereits am Vortag Tausende Lehrer und Schüler in den westlichen Metropolen der Türkei gegen die Islamisierung der Schulausbildung protestiert. Mit Beginn dieses Schuljahres im Herbst 2014 hatte die Regierung Hunderte öffentliche Schulen in religiöse Imam-Hatip-Schulen umgewandelt, ohne Lehrer und Schüler davon in Kenntnis zu setzen. Die Gewerkschaft „Egitim Sen“ hatte daher zu einem Tag des Schulboykotts aufgerufen. Die Hauptkundgebung fand in der Ägäismetropole Izmir statt, wo die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Schüler und Lehrer vorging. | 234,745 |
0 | In diesem Saale ist eine lebensgroße Puppe zu schauen,
welche die Königin Elisabeth vorstellt, wie sie eben im Begriffe ist,
einen weißen Zelter zu besteigen. Sie trägt die Kleider,
welche Ihre Majestät trug, da sie nach diesem merkwürdigen Siege
zum Volke sprach [Fußnote: Untergang der spanischen Armada
im Kampf gegen die englische Flotte unter Sir Francis Drake 1588.].
Wir möchten aber keiner Schauspielerin raten, sich zur Rolle
der Elisabeth nach diesem Muster zu kostümieren. Die gute Dame
sieht schrecklich aus, besonders das zu einem hohen, breiten Turme
aufgekräuselte Haar, welches gar nicht mehr wie Haar aussieht,
und die unendliche, spitzig zulaufende, in einen Harnisch
gepreßte Taille. | 234,746 |
0 | Emma dachte zurück an den Tag, da sie mit Hangen und Bangen in das
Mittelschiff eingetreten war, das sich so hoch vor ihr wölbte und
ihr damals doch klein erschien im Vergleich zu ihrer grenzenlosen
Liebe ... Sie ging weiter. Unter ihrem Schleier strömten die
Tränen über ihre Wangen. Sie war wie betäubt, sie schwankte und
war einer Ohnmacht nahe. | 234,747 |
0 | Die Karotten und den Sellerie schälen und in grobe Stücke schneiden. Den Knoblauch schälen. Diese Zutaten anschließend in einem Hacker oder einer Küchenmaschine zerkleinern, sodass es feine kleine Stückchen sind (kein Brei, aber eben ziemlich fein). Die Zwiebeln schälen und mit dem Messer klein schneiden. Man kann sie auch mit dem anderen Gemüse hacken, wenn man keine größeren Stücke mag.Das gehackte Gemüse mit den Zwiebeln in Olivenöl anbraten, bis es ein wenig angeröstet ist. Anschließend mit den passierten Tomaten und dem Saft aus der Tomatendose übergießen und gar köcheln lassen, je nachdem, wie dickflüssig man die Soße mag, die Kochzeit verlängern oder verkürzen.Zum Schluss mit Salz oder Brühepulver, den Gewürzen und Essig oder Wein abschmecken und die gehackten Dosentomaten dazugeben (sonst verkochen diese und ich persönlich mag es etwas stückiger). Wer gerne ganz dickflüssige Soßen mag, kann noch mit Stärke oder Soßenbinder andicken.Das Rezept ist eine fleischlose Variante einer klassischen Bolognese und ist mal durch Zufall entstanden, durch das fein gehackte Gemüse hat es eine ähnliche Konsistenz wie normale Bolognese. Schmeckt gut zu Nudeln aber auch zu Reis. Auch für Lasagne geeignet.Die Soße kann durch andere Gemüse ergänzt und variiert werden. Wer gerne viel Einlage mag, kann auch etwas mehr Karotten oder Sellerie verwenden. | 234,748 |
0 | Die Gurken schälen und der Länge nach halbieren. Weiches Fruchtfleisch und Kerne mit einem Löffel entfernen.Aus Hackfleisch, Zwiebel, Ei, Semmelbröseln, Pfeffer und Salz einen Teig bereiten.3 ausgehöhlte Gurkenhälften damit füllen. Die anderen Gurkenhälften als Deckel drauf setzen. Gurken fest mit Küchengarn umwickeln.In einer Pfanne Speck und Zwiebel ca. 10 Minuten langsam bräunen. Mehl hinzugeben und mitbräunen lassen.Heißes Wasser dazu gießen. Gewürze zufügen. Gut durchrühren.Die Gurken hineinlegen und bei mäßiger Hitze in der geschlossenen Pfanne ca. 30 Minuten schmoren. Zwischendurch wenden.Die gegarten Gurken aus der Pfanne nehmen, Gewürzkörner und Lorbeer entfernen und die Sauce noch einmal abschmecken.Anstelle der Gewürze (außer Pfeffer und Salz) kann die Sauce auch mit etwas Zucker und Essig süß-sauer zubereitet werden.Dazu schmecken Salzkartoffeln. | 234,749 |
1 | Strafrecht in Deutschland: Schlimm, schlimmer, hasskriminell?
Als Konsequenz aus den NSU-Morden will die Regierung Strafen bei bestimmten Motivlagen verschärfen. Die Ausgestaltung wird heftig diskutiert.
Vorbild für Deutschland: der Umgang mit Hate Crimes in den USA. Bild: reuters
BERLIN taz | Ist Zuschlagen gleich zuschlagen? Nein, urteilt nun auch die Bundesregierung. Bisher meinten vor allem die Grünen, dass es einen Unterschied macht, ob jemand eine andere Person verprügelt, weil beide sich gestritten haben, oder ob er sie jagt, nur weil sie anders aussieht als die Mehrheit.
Ein Migrant kann dem Streit nicht einfach aus dem Weg gehen. Er wird dafür angegriffen, dass er so ist, wie er ist. Und mit ihm wird eine ganze Gruppe in Angst und Schrecken versetzt.
Das muss Konsequenzen im Strafrecht haben, fanden bisher vor allem die Grünen. Nach dem Vorbild der USA, in denen „Hate Crimes“ in vielen Staaten mit dem doppelten Strafmaß bewehrt sind, wollen sie seit Längerem das deutsche Strafrecht ändern.
Nach der Erfahrung des Staatsversagens bei der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds will nun auch die Regierung tätig werden. Wie man das am besten macht, diskutierten am Mittwoch ExpertInnen in einem Fachgespräch der Grünen-Fraktion im Bundestag.
Das Vorhaben gilt als zu vage
Das Justizministerium hatte einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem bei der Strafbemessung nach Paragraf 46 des Strafgesetzbuches zu berücksichtigen sei, ob der Täter „besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“ Ziele verfolgt habe.
Zudem werden die Fälle erweitert, in denen die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich ziehen kann. Den Grünen ist das bisher zu wenig. Sie wollen, dass Angriffe auf alle „verletzlichen“ Gruppen aufgenommen werden, die auch im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannt werden – also Angriffe auf Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft, Rasse, sexuellen Identität, ihres Geschlechts, ihrer Weltanschauung, einer Behinderung oder ihres Alters.
Auch in den Volksverhetzungsparagrafen 130 sollten diese Gruppen eingebaut werden. Zudem soll bei „vorurteilsmotivierten Straftaten“, wie die Grünen „Hate Crimes“ übersetzen, die Staatsanwaltschaft immer automatisch aus „öffentlichem Interesse“ ermitteln und nicht nur, wenn das Opfer dies beantragt.
Auch der Anwältin Kati Lang ist das Vorhaben der Bundesregierung zu vage. Sie hat lange in der Beratung für Opfer rechter Gewalt in Sachsen gearbeitet und festgestellt, dass der Paragraf 46, der schon jetzt gebietet, die „Ziele“ des Täters bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, in der Praxis irrelevant sei.
Nur jede zweite Tat wird verfolgt
In ihrer Dissertation untersuchte die Juristin die 122 Verfahren in Sachsen, die in den Jahren 2006 bis 2007 unter dem Stichwort politisch motivierte Straftaten von rechts abgeschlossen wurden. Nur in jeder zweiten Anklageschrift wurde die Motivation der Tat überhaupt erwähnt.
Und nur in 12 Prozent der Verurteilungen wurde diese Motivation bei der Strafzumessung berücksichtigt. Lang empfahl dringend, konkrete Merkmale zu nennen, wegen deren die Person angegriffen wurde. Wenn diese im Prozess relevant würden, werde die Polizei sie auch sorgfältiger ermitteln, hofft sie.
Skeptisch gegenüber dem ganzen Vorhaben zeigte sich der Kriminologe Dirk Baier. Der stellvertretende Chef des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen stellte das gesamte Vorhaben in Frage: eine Erhöhung des Strafmaßes wegen der Motivation der Tat bringe „nichts“, denn weder Täter noch Opfer interessierten sich für die Länge der Strafe, meinte er.
Struktureller Rassismus ignoriert
Die menschenfeindlichen Einstellungen in der Bevölkerung gingen ohnehin zurück. Zudem sei der Zusammenhang zwischen menschenfeindlichen Einstellungen und konkreten Taten „nicht sehr stark“. Das Versagen beim Thema NSU sei auf eine schlecht ausgebildete Polizei und Justiz zurückzuführen, nicht auf das Strafrecht.
Ohnehin werde die Zahl der „Hate Crimes“ überschätzt. Übertrage man den Anteil der Verurteilungen wegen Hate Crimes aus den USA auf Deutschland, so würde es hier etwa 250 Verurteilte pro Jahr geben. Er plädierte für eine bessere Ausbildung der Polizei.
Aus dem Publikum wurde ihm daraufhin vorgehalten, er ignoriere den strukturellen Rassismus in Deutschland. Ab wie viel verletzten Ausländern sich ein Gesetz denn lohne, wurde Baier polemisch gefragt. Ob die zehn Toten des NSU dafür ausreichten? Der Gesetzentwurf der Regierung wird gerade zwischen den Ministerien abgestimmt. Die Grünen bereiten einen eigenen Antrag vor. | 234,750 |
0 | Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass die Kenja im Fahren mit
Böten viel ungeübter sind als die Bahau, dafür haben sie aber in
ihrem ganzen Lande gute Wege angelegt, sowohl von den Dörfern zu den
Reisfeldern als zu anderen Dörfern. (Letztere Wege sind auf der Karte
mit einfachen Linien angegeben; die Kreise f, durch welche der Weg
von Tanah Putih zu den Uma-Leken führt, bedeuten Berge). | 234,751 |
1 | Kampf gegen Korruption in China: Menschenrechtler sprechen von Folter
Mit Misshandlungen, illegalen Festnahmen und Folter soll China gegen Korruption vorgehen. Das prangert Human Rights Watch jetzt an.
Ist ja schön, dass er gegen Korruption vorgeht – aber offenbar ist Chinas Präsident Xi Jinping dabei auch Folter recht Foto: reuters
Hongkong rtr | Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat der chinesischen Regierung die Anwendung von Folter beim Vorgehen gegen Korruption vorgeworfen. Die Kampagne von Präsident Xi Jinping beruhe auf Misshandlungen und illegalen Festnahmen, erklärte die China-Direktorin von HRW, Sophie Richardson, bei der Vorstellung eines Berichts am Dienstag in Hongkong.
„Das Erzwingen von Geständnissen durch die Folter von Verdächtigen wird die Korruption nicht beenden, wohl aber jedes Vertrauen in das chinesische Justizsystem.“ In dem 102-seitigen Bericht wird von mindestens elf Todesfällen seit 2010 gesprochen. Eine Stellungnahme der Behörden lag zunächst nicht vor.
Xi hatte bei seinem Amtsantritt vor vier Jahren einen Kampf gegen die Korruption auf allen Ebenen ausgerufen. Das Problem sei so groß geworden, dass die Macht der Kommunistischen Partei in Gefahr sei, erklärte er. HRW zufolge finden die Ermittlungen im Rahmen des parteiinternen Verfahrens „Shuanggui“ statt, bei dem die Anwendung von Gewalt eigentlich untersagt sei.
Das Vorgehen ist auch innerhalb der chinesischen Justiz umstritten. Die Regierung in Peking hat eingeräumt, dass im Justizsystem immer noch Folter angewandt wird. Zuletzt ging sie im Oktober dagegen vor. | 234,752 |
1 | Österreichs Kurs in der EU-Außenpolitik: Flüchtlinge am Balkan stoppen
Österreich beschwert sich über Griechenland und verlangt eine Sicherung der EU-Außengrenze auf der Balkanroute. Notfalls mit Soldaten.
Grenzübergang Spielfeld: Österreich will die Genzen noch dichter abriegeln. Foto: dpa
WIEN taz | Beim EU-Außenministertreffen am Samstag in Amsterdam gab Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) den neuen Kurs vor, den die Union in der Flüchtlingspolitik beschreiten soll: Grenzen so weit wie möglich abdichten und die EU-Außengrenze zum Bollwerk machen.
Wenn es Griechenland nicht schaffe, die Außengrenze zur Türkei zu sichern, müsse dies auf dem Balkan erfolgen – „mit Slowenien, mit Kroatien, mit Serbien, mit Mazedonien“, sagte Kurz. Ungarn unterstützte die österreichischen Pläne, über Griechenland kommende Flüchtlinge durch den Einsatz von Polizisten und Soldaten möglichst schon an der Grenze zu Mazedonien aufzuhalten.
Zudem verlangte Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling in einem Brief an EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker eine Entschädigung für die Aufnahme vieler Flüchtlinge im vergangenen Jahr. Das Land habe deshalb 600 Millionen Euro zusätzlich ausgeben müssen.
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wünscht sich eine europäische Lösung. Die Grenzschutzagentur Frontex solle Bootsflüchtlinge in die Türkei zurückverfrachten: „Es müssen alle gerettet werden, aber dann müssen die Menschen zurück in die Türkei gebracht werden.“
Beim Koalitionspartner ÖVP hält man das für Wunschdenken und hält sich an Griechenland. „Es gibt derzeit aus meiner Sicht noch immer viel zu wenig Problembewusstsein in Griechenland“, kritisierte Kurz die Tsipras-Regierung.
Kurz sprach von einem „Kern-Schengen-Raum“, dem Griechenland nicht angehöre. Der neue sozialdemokratische Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil unterstützt den Vorschlag des Außenministers, bei Bedarf Soldaten nach Mazedonien, Kroatien und Slowenien zu schicken. „Ich bin nicht bereit, darauf zu warten, bis in Griechenland endlich Einsicht einkehrt, dass es eine Lösung der Flüchtlingskrise braucht“, sagte Kurz.
Wien will Obergrenze
Effektive Grenzkontrollen gibt es derzeit nur an der österreich-slowenischen Grenze in Spielfeld in der Steiermark. Die Übergänge Karawankentunnel in Kärnten und der Brenner dienen als Ausweichrouten. Die sollen, so Verteidigungsminister Doskozil, aufgerüstet werden.
Konrad Kogler, der österreichische Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, hat angekündigt, dass in diesem Jahr 7.500 zusätzliche Polizisten für den Einsatz an der Grenze ausgebildet werden sollen. Wenn das Grenzmanagement flächendeckend stehe, dann könnte die für dieses Jahr in Wien angepeilte Obergrenze von 37.500 Asylwerbern durchgesetzt werden.
Dafür setzt Österreich auf Tageskontingente. Maximal 80 Asylsuchende sollen pro Tag aufgenommen werden. Mit den 7.000 im Januar abgegebenen Asylanträgen würde man damit ziemlich genau das Kontingent erreichen. | 234,753 |
1 | Präsidentschaftswahl in Liberia: Wenn er es schaffen kann – wer nicht?
Liberia feiert seinen alten Fußballstar George Weah als neuen Präsidenten. Er soll das Land zum Erfolg führen – wie früher seine Vereine.
Geboren im Slum, aufgewachsen mit wenig Bildung, seines eigenen Glückes Schmied – ein Rollenvorbild Foto: reuters
WEAH ist in den sozialen Netzwerken die Abkürzung des Tages. Mit „W – World footballer of the year“, „E – European footballer of the year“, „A – African footballer of the year“ und „H – Head of State“ feierten am Mittwoch viele Liberianer den Sieg von George Weah bei der Präsidentschaftswahl vom Dienstag – obwohl noch kein einziges konkretes Wahlergebnis vorlag. Es genügten Hochrechnungen, nach denen er in 13 der 15 Provinzen vorne liegt: Damit wäre der Sieg bei der Stichwahl sicher.
Liberia, eines der ärmsten Länder der Welt, steht auf der Horrorliste des Zeitgeschehens weit oben: 13 Jahre Bürgerkrieg, 250.000 Tote, eine ganze Generation im Krieg groß geworden. Dazu passt George Weah: geboren im Slum, aufgewachsen mit wenig Bildung, seines eigenen Glückes Schmied – ein Rollenvorbild. Wenn er es schaffen kann – wer nicht?
Als Liberia 1990 im Krieg versank, spielte Weah bereits bei AS Monaco. Geboren wurde er am 1. Oktober 1966 im Slum „Clara Town“ der Hauptstadt Monrovia, wo Landflüchtige am Rande der Mangrovensümpfe leben und wo nach einem vielzitierten Bericht von 2009 75.000 Menschen gerade mal 11 Toiletten und 22 öffentliche Wasserhähne zur Verfügung hatten. Eine spätere Zählung ergab 48.000 Einwohner – in weniger als 1.000 Häusern. Aus Orten wie Clara Town kommt Weahs Wählerschaft, die sich nach Erlösung sehnt.
Profifußballer blieb Weah bis Kriegsende 2003. Er galt als einer der besten Spieler seiner Generation und erhielt internationale Auszeichnungen. Als Star kehrte er in die Heimat zurück und wollte Präsident werden. Er verlor 2005 in der Stichwahl gegen Ellen Johnson Sirleaf: der ungehobelte Gossenjunge gegen die eloquente Dame. 2011, als Johnson Sirleaf wiedergewählt wurde, war Weah Vizekandidat der Opposition. Seine Karriere schien zu erlöschen.
2014 aber setzte sich Weah bei Senatswahlen gegen den Sohn der Präsidentin durch. Das ermutigte ihn in diesem Jahr, in dem Johnson Sirleaf nicht mehr antreten durfte, zu einem neuen Anlauf aufs höchste Staatsamt, wieder mit einem Wahlkampf der einheimischen Mehrheit gegen die US-fixierte Elite, die Liberia seit der Gründung als Siedlerstaat für aus den USA nach Afrika zurückgeschickte Sklaven im 19. Jahrhundert dominiert. Zu dieser Elite wird auch Johnson Sirleaf gezählt, obwohl sie es von der Abstammung her nicht ist.
2005 erzählte George Weah der taz: „Fußball und Politik sind das Gleiche. Wer sagt, dass es da Unterschiede gibt, hat das Spiel nicht verstanden.“ Seine Fans gönnen ihm jetzt alles. Er soll nicht selber strahlen wie seine Vorgängerin, die vor allem für ihren Friedensnobelpreis in Erinnerung bleiben wird. George Weah soll Liberia zum Erfolg führen, wie früher seine Fußballvereine. „Umgib dich mit Leuten, die Bescheid wissen“, rät ihm ein Verehrer auf Twitter. Ein anderer bietet sich mit dem Spruch „Falls Sie Freiwillige brauchen“ selbst an, komplett mit Telefonnummer. | 234,754 |
1 | Rätsel um Nordkoreas „Obersten Führer“: Wo ist Kim?
Nordkoreas Staatschef ist seit Wochen abgetaucht. Eine Zeitung in Seoul meldet, der Grund für Kim Jong Uns Unpässlichkeit seien zu viel gebratenes Huhn und Bier.
Ein glücklicher Kim Jong Un beim Besuch einer Schmiermittelfabrik im August. Bild: dpa
TOKIO ap | Kommt er oder kommt er nicht? Kurz vor den Feiern zum 69. Jahrestag der Arbeiterpartei in Nordkorea steigt die Spannung, ob sich Staatschef Kim Jong Un blicken lässt und damit Gerüchten über seine Gesundheit ein Ende setzt. In den vergangenen beiden Jahren war Kim bei der Zeremonie stets dabei. Doch nun ist der 31-Jährige schon wochenlang nicht mehr gesehen worden. Zuletzt kam Kim am 3. September humpelnd zu einem Konzert.
Seine Abwesenheit in den vergangenen sechs Wochen verbunden mit Andeutungen nordkoreanischer Medien über eine Krankheit hatten auch im Ausland die Gerüchteküche in Gang gesetzt. So gab es Vermutungen, es könnte in dem von der Außenwelt abgeschotteten Land nicht rund laufen. Bei einem Überraschungsbesuch zum Abschluss der Asienspiele in Südkorea letzte Woche hatten drei hochrangige nordkoreanische Führer versichert, Kim sei gesund. Aber auch das hatte die Gerüchte nicht zum Verstummen gebracht.
Im September hatte Kim schon bei einer Parlamentssitzung gefehlt – zum ersten Mal in seiner Amtszeit. Und in dieser Woche war er bei einem Treffen zum Gedenken der Wahl seines verstorbenen Vaters zum Vorsitzenden der kommunistischen Einheitspartei auch nicht dabei. In der Berichterstattung der Medien über die Rückkehr der Athleten von den Asienspielen tauchte er ebenfalls nicht auf, obwohl es eine aufwendige Begrüßungszeremonie für sie gab, als sie in die Hauptstadt zurückkehrten.
Die bislang letzten Bilder zeigen einen übergewichtigen Parteiführer, der durch eine Dachziegelfirma hinkt. Der Kommentar des Staatsfernsehens: „Unser Marschall erhellt dem Volk den Weg wie eine Flamme – trotz seines Unwohlseins.“
Stalinistische Volksdemokratie
Die Diagnose für Kim übernahmen andere: Vielleicht habe Kim Gicht, meldeten Reporter aus Südkorea. Oder Zucker. Oder Bluthochdruck. Ein britischer Bericht wollte wissen, den Diktator, der einst in der Schweiz zur Schule ging, habe seine große Leidenschaft für Käse außer Gefecht gesetzt. Eine Schlagzeile in Seoul brachte eine südkoreanische Essgewohnheit als Grund für Kims Unpässlichkeit ins Spiel: zuviel gebratenes Huhn und Bier.
Viele fragen sich, was wohl geschieht, falls Kim tatsächlich ausfallen sollte. Nordkorea verfügt über eine riesige Armee und eine Handvoll Atombomben und entwickelt dafür Trägerraketen, die bis in die USA fliegen sollen. Nominell ist das Land eine stalinistische Volksdemokratie, doch wird es seit seiner Gründung 1948 von einer kommunistischen Familiendynastie regiert.
Großvater Kim Il Sung herrschte bis 1994, dessen Sohn Kim Jong Il bis zu seinem Tod Ende 2011. Enkel Kim Jong Un hat noch keine erwachsenen Erben. Sollte er regierungsunfähig werden, entstünde ein Machtvakuum. | 234,755 |
0 | Den Herrn erzähle ich Alles; sie lassen den Prügel des Kerkermeisters
holen, der noch auf dem Boden meines Gefängnisses lag und sage auch,
weßhalb mich der Amtmann ins Unglück bringen wolle. Jetzt erfuhr ich, das
Mädchen habe einen Eid geschworen, daß es Nichts von mir besitze. Ich bitte
meine Zeugen vorzuladen, meine Mißhandlung dem Herrn Kreisdirector zu
melden, der Bürgermeister räth mir, Alles beim Schlußverhör anzugeben,
damit es das Hofgericht erfahre. | 234,756 |
0 | Fussball-WM in Mexiko: Ausnahmezustand mal anders
Die Fans können es anfangs kaum glauben, dass ihre Mannschaft Deutschland besiegt hat. Jetzt scheint sogar das Viertelfinale möglich.
Fans in Mexiko-Stadt feiern den Sieg ihrer Mannschaft Foto: dpa
MEXICO-STADT taz | Selbst die Seismographen spielten verrückt: Um 10.37 Uhr meldete das Geologische Institut SIMMSA via Twitter ein Erdbeben in Mexiko-Stadt. Das war genau zwei Minuten, nachdem Hirving „El Chucky“ Lozano den Ball an Manuel Neuer vorbei ins deutsche Tor schoss.
Die rund 75.000 Fans der mexikanischen Mannschaft, die sich vor einer Großleinwand im Herzen der Hauptstadt versammelt hatten, brachten mit ihren Sprüngen die Erde zum Wackeln – und die Detektoren zu Ausschlagen. Kein Beben, aber ein bisschen Bewegung. „Gooooooooooooool“ schallte es in diesem Moment über den Zócalo, den zentralen Platz der Metropole. Manche brüllten schlicht „Mexiko“, andere hielten sich an den Satz des Revolutionärs Pancho Villa: „Viva México, cabrones“, „Es lebe Mexiko, ihr Mistkerle.“
Noch immer wollte niemand glauben, was da gerade geschehen war: Die Tri, wie die mexikanische Auswahl genannt wird, war auf dem besten Wege, dem Weltmeister Deutschland eine Niederlage zu verpassen. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt weiterhin damit zu rechnen war, dass die deutsche Mannschaft noch groß aufspielt und das Duell doch so endet, wie alle befürchtet hatten.
WM 2018 Gewinnerprognosezur Karte
Das ist bekanntlich nicht passiert, doch viele Mexikanerinnen und Mexikaner brauchten erst einmal einen Moment, bevor ihre Verwirrung unbändiger Freude wich. Kurz darauf zogen Tausende vom Zócalo zur Unabhängigkeitsstatue an der Prachtstraße Reforma. „Wo sind sie, die Deutschen, die uns besiegen wollten“, riefen sie.
In zahlreichen anderen Städten Mexikos fuhren Fans hupend und feiernd durch die Straßen. Die einen trugen Sombreros, lärmten mit Trillerpfeifen, andere trommelten, sangen die Nationalhymne und schwenkten die mexikanische Flagge. Ausnahmezustand einmal anders in einem Land, dessen Stimmung meist von Meldungen über Morde, Raubüberfälle und korrupte Geschäfte geprägt ist.
„Nie hätten wir gedacht, dass wir gegen die Deutschen gewinnen“, freut sich José Enrique Cobarís, „wir hatten großen Respekt vor den deutschen Spielern.“ Sein unerschütterlicher Glauben an das Gute und sein mexikanischer Stolz hätten ihn immer auf einen Sieg hoffen lassen, ergänzt Gibran Vázquez, aber er habe nie wirklich damit gerechnet.
Im Achtelfinale ausgeschieden
Jetzt ist er optimistisch: „Ich hoffe, dass Mexiko auch ins Viertelfinale kommt.“ Ein Ziel, von dem viele seit Sonntag träumen. Bislang ist die Tri bei Weltmeisterschaften immer spätestens im Achtelfinale ausgeschieden.
WM 2018 – Die Spielortezur Karte
Auch in diesem Jahr standen die Zeichen nicht auf Erfolg. In ihren Freundschaftsspielen gegen Schottland und Dänemark hatte die Tri nicht gerade geglänzt. Die Mitvierzigerin Maria Guadalupe sprach deshalb am Sonntag sogar von einem „Tag, der in die Geschichtsbücher eingehen wird“. Wie viele Mexikaner hatte sie das Spiel mit der Familie zuhause im Fernseher gesehen, denn in dem lateinamerikanischen Land war am Sonntag Vatertag.
Enrique León tanzte indes glücklich in der Kneipe, nachdem die mexikanischen Spieler die letzten Sekunden der Verlängerung erfolgreich hinter sich gebracht haben. Noch zwei Stunden vorher hatte er der Tri gegen die Deutschen keine Chance eingeräumt. Er war sehr schlecht auf die Mannschaft zu sprechen.
Und mit ihm, ist er überzeugt, ein großer Teil seiner mexikanischen Mitbürger. „Die Selección hat in den letzten Wochen dasselbe Bild abgegeben wie unsere Politiker“, erklärte er. „Sie feiern, sind korrupt und verschleudern Geld“.
Skeptische Haltung
Zu dieser skeptischen Haltung hat nicht zuletzt jene Geburtstagsfeier des Ex-Leverkuseners Javier „Chicharito“ Hernández beigetragen, auf der es die Mannschaft während der WM-Vorbereitungen reichlich krachen ließ. Angeblich soll bei der Party auch bezahlter Sex von 30 Escort-Damen im Spiel gewesen sein. Das zumindest berichtete die mexikanische Zeitschrift „TV Notas“ und lieferte damit Material für einen handfesten Skandal.
Als dann auch noch Bilder die Runde machten, die die Spieler nach der „Orgie“ der ordentlich trainierenden deutschen Elf gegenüberstellten, war klar, was man von Selección zu halten hatte. Doch seit dem gestrigen Nachmittag scheint die Party niemand mehr zu stören. Im Gegenteil. „Offensichtlich hat ihnen das Feiern Glück gebracht“, sagt Maria Guadalupe. „Die Deutschen sollten sich ein Beispiel nehmen“.
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Nun berichten mexikanische Medien mit großem Mitgefühl über die Freudentränen, die Chicharito nach dem Abpfiff vergossen hat. Auf Twitter machte ein Bild die Runde, das Mexikos Torwart Guillermo Ochoa als Heiligen zeigt. „Dies ist die einzige Mauer, für die Mexiko bezahlt“, twitterte ein Fan mit einem Foto, das ebenfalls den Torhüter zeigt und auf die bizarren Pläne des US-Präsidenten Donald Trump verweist, an der mexikanischen Grenze eine Mauer zu bauen.
Auch Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto meldete sich über den Kurznachrichtendienst zu Wort und gratulierte der Tri: „Es ist bestätigt: Mexiko kann mithalten und gewinnt gegen die Besten der Welt.“
Wenige Tage vor dem Duell brachte der mexikanische Schriftsteller und Fußball-Experte Juan Villoro im Online-Sender Aristegui seine Skepsis zum Ausdruck. Angesichts der Dominanz der Deutschen hänge es wohl mehr von Mexikos Schutzheiliger, der Jungfrau von Guadalupe, als von den Spielern ab, ob das Team gewinne, sagte er. „Aber der Fußball existiert ja, um Wunder zu erwarten.“ | 234,757 |
0 | Herodes.
Ich gab Befehl,
Daß man ihn martern soll, bis er es tut!
(Zu Titus.)
Der hat geschworen, hört' ich, sich zu töten,
Wenn er mich nicht zu seinesgleichen machen,
Den Heidensinn in mir, wie er es nennt,
Nicht brechen könne. Da ihm das mißlang,
So zwinge ich ihn, seinen Schwur zu halten,
Er hat den Tod wohl tausendfach verdient! | 234,758 |
0 | Was diese Frage selbst betrifft, so ist eine Erörterung derselben unter
dem Gesichtspunkt, ob die Frauen »höher« oder »tiefer« stehen als die
Männer, von vorneherein verfehlt. Darum habe ich mich nirgends für die
weibliche Genialität ins Zeug gelegt, habe auch nicht berühmte weibliche
Namen aufmarschieren lassen, denn darauf kommt es wahrhaftig beim
heutigen Stande dieser Frage gar nicht an. Erstlich könnte ein Vergleich
der positiven Fähigkeiten nur in einer Epoche vollständiger sozialer
Gleichberechtigung der beiden Geschlechter ein vernünftiges,
unverfälschtes Resultat ergeben, zweitens lautet die zwingende Parole
heute nicht nur, die Frau _will_ leisten, sondern sie _muß_ leisten:
gebieterisch verweisen sie die wirtschaftlichen Verhältnisse auf eine
eigene Berufswahl, da die »Versorgung durch die Ehe«, durch den immer
schwierigeren Existenzkampf, den heute auch der Mann infolge des immer
mächtiger werdenden Großkapitals und der immer unheimlicher anwachsenden
Belastung der Staatseinkünfte durch den Militarismus zu führen hat, mehr
als illusorisch geworden ist. Ein Mädchen für diese einzige Chance zu
erziehen und es mit Blumengießen, Staubabwischen und Klavierklimpern
seine besten und tüchtigsten Jahre verlieren lassen, hieße heute ein
verbrecherisches Spiel mit menschlichen Kräften und menschlichen
Schicksalen treiben. Überdies müßte ein auf solch _einziger_ Chance sich
aufbauendes Schicksal auf _alle_ Fälle ein _entehrendes_ werden, durch
die absolute _Wahllosigkeit_, mit der dann danach gegriffen werden
müßte. | 234,759 |
0 | Kolumne Draußen im Kino: Die Berlinale ist wie die Liebe...
... also immer gleichzeitig vertraut und neu: Fahrradfahren als Teil des Festivals, die Zigarette vor dem Film - und die Regisseure im Kampf gegen die Gameindustrie.
Fahrradfahren ist Teil des Festivals. Bild: photocase/fahrstuhl
Eigentlich braucht man nicht hinauszugehen. Die Wohnung ist ein Unterhaltungscenter mit vielen Medien, von denen man sich massieren lässt. Man unterhält sich mit Leuten, die im Computer sind, Fernseher und Radio erzählen, was in der Welt los ist, zwischendurch fährt man ein paar Autorennen oder lässt einen entsprechend präparierten Rennfahrer für sich fahren und schaut dabei zu. Die Medien sind weiche Möbel, in die man sich schmiegt. So wohnt man im Gewohnten, so könnte es weiter gehen. Bis man darin erstickt.
Man fährt nach draußen, wo die Filme sind. Das Fahrradfahren ist Teil der Berlinale; das Zielorientierte sozusagen, wenn man versucht, den Weg schnell zu vernichten, das Luxuriöse, wenn man vom Potsdamer Platz zum Delphi fährt, das Gemächliche in der Nacht, wenn man die Leipziger Straße entlanggleitet und das Gesehene nachklingen lässtt. Die Berlinale ist wie die Liebe, immer gleichzeitig neu und vertraut. Morgens riecht sie nach Seife, und manchmal eiert der Ton des Trailers ein bisschen. Die Filme sind eigenständige Wesen.
Ich stehe vor dem CinemaxX und frage nach der Zeit. "Wollen Sie noch in einen Film?" - "Ja. Ich überleg nur, ob ich es schaffe, davor noch eine zu rauchen." - "Dafür ist immer Zeit." Erst will sie in ihrem Handy nachschauen, dann guckt sie doch auf ihre Armbanduhr. Sie ist mit Smaragden und Diamanten geschmückt.
Vor dem Film verlesen zwei italienische Unterhaltungsaktivisten ein Schreiben, in dem sie dagegen protestieren, dass die italienische Kulturförderung in den letzten zwei Jahren halbiert wurde. Giulio Manfredonia, der Regisseur der folgenden Schmonzette "Qualunquemente", reagiert mit keinem Wort. Wieland Speck, der Leiter der Panoramasektion, sieht inzwischen wie der ältere David Bowie (von Weitem) aus.
Der koreanische Regisseur Ryoo Seung-wan ist schwarz-weiß und sehr elegant gekleidet. Vor Beginn seines schönen Thrillers "The Unjust", in dem es actionreich um korrupte Polizisten geht, sagt er: "Bitte denkt daran, dass auch ich im Publikum bin, wenn ihr meinen Film seht."
"Suicide Room", das im Panorama gezeigte Spielfilmdebüt des 29-jährigen polnischen Regisseurs Jan Komasa, erzählt von dem jungen Dominik, der auf eine Eliteschule geht. Die reichen Eltern sind gewohnt, alles zu delegieren. Nach demütigenden Erlebnissen mit seinen Mitschülern zieht sich der 18-Jährige in sein Zimmer zurück und emigriert ins Internet. Dort lernt er Sylwia kennen. Sie ist eine depressive Prinzessin in einer "Suicide Room" genannten Internetgegend, die ähnlich buntkitschig gestaltet ist wie "Second Life". Hier fühlt sich Dominik verstanden. Er verlässt sein Zimmer nicht mehr. Die Eltern engagieren Ärzte, die ihren Sohn rausholen sollen. Sylwia verlangt von dem verliebten Dominik, er soll Symptome faken, um Tabletten verschrieben zu bekommen, mit denen sie sich umbringen will. Es kommt zur finalen Krise.
Man merkt dem mitreißenden Film an, dass Jan Komasa selber Gamer ist, sich also auskennt. Als Regisseur weiß er gleichzeitig, dass Internet und Gameindustrie die natürlichen Feinde der Filmindustrie sind, die um die endliche Ressource unserer Zeit kämpfen.
Das weiß auch Dante Lam, der Regisseur des beeindruckenden Hongkong-Thrillers "The Stool Pigeon", der bei einer Verfolgungsjagd tatsächlich den Playstationklassiker "Need For Speed - Most Wanted" zitiert. | 234,760 |
0 | »Nächstens werde ich einen Regimentsbefehl veranlassen, daß den Herren
der Reserve vom Bureau aus das Stattfinden einer Nachtfelddienstübung
telephonisch mitgeteilt wird. Aber kannst Dich darauf verlassen, drei
Tage in der Woche wird überhaupt immer Nachtfelddienst geübt! 'n schönes
Wort, was? _Meine_ Erfindung! Unser Alter dressiert uns überhaupt nur
japanisch, seit er damals als Attaché da drüben gewesen ist. Also, wenn
ich hier als Leutnant ausgelernt hab', trete ich als Akrobat im
Wintergarten auf. Klettere über die verschmitztesten Drahthindernisse,
verhaspel mich mit den Sporen und kämpfe mit dem in der Dunkelheit
egalweg vorbeischießenden Gegner Jiujitsu. Falls er mir nicht vorher,
zur Vereinfachung der Angelegenheit, mit dem Kolben über den Kopp haut!« | 234,761 |
1 | Unterlagen zum EnBW-Deal: Gericht weist Mappus ab
Ex-Ministerpräsident Mappus wollte verhindern, dass die Staatsanwaltschaften Daten zum EnBW-Deal an den Untersuchungsausschuss weitergibt. Nun ist er gescheitert.
Um die Akten geht es: Hausdurchsuchung bei Mappus im Juli. Bild: dpa
STUTTGART dpa | Die Staatsanwaltschaft Stuttgart muss Unterlagen, die sie bei Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) beschlagnahmt hat, an den EnBW-Untersuchungsausschuss des Landtages übergeben. Die Klage des ehemaligen baden-württembergischen Regierungschefs gegen die Herausgabe einer Kopie der vollständigen Ermittlungsakten sei unbegründet, teilte das Oberlandesgericht (OLG) am Donnerstag in Stuttgart mit.
Das Material umfasst Aktenordner und Dateien, die die Fahnder im Zuge ihrer Ermittlungen zum Untreueverdacht gegen Mappus beim EnBW-Milliardendeal gefunden hatten. Die Dokumente waren bei Durchsuchungen im Staatsministerium und den Privaträumen des Christdemokraten in Pforzheim sichergestellt worden.
Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich die Akte von Mappus an den parlamentarischen Ausschuss übergeben wollen, aber auf Bitte des OLG bis zu dessen Beschluss zur Klage davon Abstand genommen.
Der frühere CDU-Regierungschef hatte auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung gepocht. Mappus könnte noch vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um die Einsicht des Ausschusses in die Dokumente zu verhindern.
Er hatte den Rückkauf von Anteilen an dem Energiekonzern EnBW im Dezember 2010 vom französischen Staatskonzern EdF am Landtag vorbei eingefädelt. Die heutige grün-rote Landesregierung wirft ihm vor, der Preis sei mit 4,7 Milliarden Euro viel zu hoch gewesen. | 234,762 |
1 | Andrew Harnik/AP/dpa
Bei der Durchsuchung eines von Trump genutzten Lagerraums in Florida sind Medienberichten zufolge Geheimdokumente aufgetaucht.
Mittwoch, 21.12.2022, 08:58
Der frühere US-Präsidenten Donald Trump muss Teile seiner Steuerunterlagen veröffentlichen. Dafür stimmte ein Kongressausschuss am Dienstag. Trump hatte sich immer dagegen gewehrt, dass herauskommt, was er wirklich verdient.
Ein US-Kongressausschuss hat am Dienstag für die Veröffentlichung der Steuererklärungen von Ex-Präsident Donald Trump aus sechs Jahren gestimmt. Der für Steuerpolitik zuständige Ausschuss des Repräsentantenhauses sprach sich mit 24 zu 16 Stimmen dafür aus, Trumps Steuererklärungen aus den Jahren 2015 bis 2020 zu veröffentlichen. Damit endet ein jahrelanger Streit mit dem früheren Staatschef um die Herausgabe der Dokumente.
Der demokratische Abgeordnete Lloyd Doggett erklärte dem US-Sender CNN, ein zusammenfassender Bericht des Ausschusses werde mit den Steuererklärungen an das Repräsentantenhaus geschickt. Bis dahin könne es ein paar Tage dauern.
Jahrelanger Rechtsstreit über Offenlegung seiner Steuererklärung
Trump hatte als erster Präsident seit Richard Nixon (1969 bis 1974) die Offenlegung seiner Steuererklärungen verweigert. Das führte zu Spekulationen, der schwerreiche Immobilienunternehmer habe etwas zu verbergen.
Der Oberste Gerichtshof der USA hatte im November nach einem jahrelangen Rechtsstreit den Weg für eine Herausgabe von Trumps Steuererklärungen freigemacht. Die Steuerbehörde IRS übergab in der Folge die Unterlagen für die Jahre 2015 bis 2020 an den Steuerpolitik-Ausschuss (auf English: Ways and Means Committee).
Votum ist letzte Amtshandlung
Eigentlich sind die Steuererklärungen vertraulich. Der von den Demokraten von Präsident Joe Biden kontrollierte Ausschuss hatte argumentiert, er brauche die Dokumente, um nachvollziehen zu können, wie gut die Steuerbehörden die Finanzen von Präsidenten überprüfen könnten. Trump hingegen wirft den Abgeordneten vor, rein politische Ziele zu verfolgen.
Das Votum für die Veröffentlichung der Unterlagen ist eine der letzten Amtshandlungen des Ausschusses in dieser Zusammensetzung. Das neue Parlamentsjahr beginnt am 3. Januar. Im künftigen Kongress werden die Republikaner im Repräsentantenhaus eine Mehrheit stellen - und damit auch den für Steuerpolitik zuständigen Ausschuss kontrollieren.
pnh/afp | 234,763 |
0 | Er ging sofort in die Tiefe und sah dort den Taucher bereits
bewußtlos mit dem Gesicht nach unten über den zuzammengerafften
Tellern liegen. Mit Felder war ein zweiter ins Wasser gegangen, und
beide hoben den leblosen Körper bis zur Leiter und an ihr hinauf zum
Wasserspiegel, wo er von vielen Händen sofort in die Höhe gezogen und
nach hinten getragen wurde. | 234,764 |
1 | In den offiziellen außenpolitischen Dokumenten Russlands spielt das Thema Völkerrecht eine prominente Rolle. Anbei eine Auswahl von Verweisen auf Völkerrecht und völkerrechtliche Normen und Prinzipien aus den russischen außenpolitischen Konzepten von 2013 und 2016. Bei sich entsprechenden Formulierungen wird im Folgenden die Fassung von 2016 zitiert.
Die Redaktion der Russland-Analysen
Konzeption der Außenpolitik der Russischen Föderation (gebilligt vom Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, am 12. Februar 2013)
15. Gefährlich für Frieden und Stabilität in der Welt sind Versuche zur Krisenregelung durch die Anwendung von einseitigen Sanktionen außerhalb des UN-Sicherheitsrats und von anderen Druckmitteln, darunter durch bewaffnete Aggression. In einzelnen Fällen werden die grundlegenden völkerrechtlichen Prinzipien des Gewaltverzichts und der Prärogative des UN-Sicherheitsrats offen ignoriert; seine Resolutionen werden beliebig interpretiert; es werden Konzeptionen zum Sturz der legitimen Machthaber in souveränen Staaten unter dem Vorwand des Schutzes der Zivilbevölkerung umgesetzt. Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen und Gewalt unter Umgehung der UN-Charta und des UN-Sicherheitsrats kann nicht die tiefen sozialwirtschaftlichen, ethnischen usw. Widersprüche beseitigen, die Konflikten zugrunde liegen. Sie können nur zu einer Erweiterung des Konfliktraums führen, Spannung und Wettrüsten provozieren, zwischenstaatliche Widersprüche vertiefen und nationale bzw. religiöse Feindschaft anschüren.24. Die intensiven und fundamentalen Veränderungen schaffen für die Russische Föderation neben ernsthaften Risiken aber auch neue Möglichkeiten. Russland übt einen selbstständigen und unabhängigen außenpolitischen Kurs aus, der durch seine nationalen Interessen bedingt ist und sich auf den bedingungslosen Respekt für das Völkerrecht stützt.
Quelle: Außenministerium der Russischen Föderation, Konzeption der Außenpolitik der Russischen Föderation, 2013, Externer Link: http://www.mid.ru/en/foreign_policy/official_documents/-/asset_publisher/CptICkB6BZ29/content/id/122186?p_p_id=101_INSTANCE_CptICkB6BZ29&_101_INSTANCE_CptICkB6BZ29_languageId=de_DE
Konzeption der Außenpolitik der Russischen Föderation (gebilligt von Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, am 30. November 2016)
2. Zwecks Wahrung nationaler Interessen und Umsetzung strategischer nationaler Prioritäten der Russischen Föderation ist die außenpolitische Tätigkeit des Staates auf die Wahrnehmung folgender zentraler Aufgaben ausgerichtet:
e. Ein weiteres Beibehalten des Kurses auf die Festigung des Weltfriedens, Wahrung der allgemeinen Sicherheit und Stabilität mit der Zielsetzung, ein gerechtes, demokratisches internationales System zu etablieren, das sich auf kollektive Ansätze bei der Lösung internationaler Probleme, das Primat des Völkerrechts, vor allem auf die Vorgaben der Charta der Vereinten Nationen (UN-Charta), sowie auf gleichberechtigte und partnerschaftliche Beziehungen zwischen den Staaten bei einer zentralen Koordinierungsrolle der UNO als zentraler Organisation für die Regelung internationaler Beziehungen stützt. 21. Russland schlägt einen selbstständigen und unabhängigen außenpolitischen Kurs ein, der seinen nationalen Interessen entspringt und sich auf eine bedingungslose Achtung des Völkerrechts stützt. Russland ist sich seiner besonderen Verantwortung für die Wahrung der Sicherheit weltweit sowohl auf der globalen, als auch auf der regionalen Ebene bewusst und ist auf gemeinsames Vorgehen mit allen interessierten Staaten im Interesse der Lösung gemeinsamer Aufgaben ausgerichtet.23. Die Russische Föderation betreibt die Außenpolitik, die auf die Schaffung eines stabilen und nachhaltigen Systems der internationalen Beziehungen auf Grundlage der allgemein anerkannten völkerrechtlichen Normen und Grundsätze der Gleichberechtigung, des gegenseitigen Respekts, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten zwecks Wahrung der zuverlässigen und gleichen Sicherheit jedes Mitglieds der Weltgemeinschaft ausgerichtet ist. 26. Russland tritt konsequent für die Festigung rechtlicher Grundlagen der internationalen Beziehungen ein und kommt gewissenhaft völkerrechtlichen Verpflichtungen nach. Unterhaltung und Festigung der internationalen Gesetzlichkeit ist einer seiner vorrangigen Tätigkeitsbereiche auf dem internationalen Parkett. Das Primat des Rechtes in den internationalen Beziehungen soll eine friedliche und fruchtbare Kooperation der Staaten unter Einhaltung des Gleichgewichts ihrer Interessen sichern sowie die Stabilität der internationalen Gemeinschaft im Ganzen gewährleisten. Die Russische Föderation beabsichtigt:
a. kollektive Anstrengungen zur Festigung der rechtlichen Grundlagen der zwischenstaatlichen Beziehungen zu unterstützen;
b. den Versuchen einzelner Staaten bzw. Gruppen von Staaten entgegenzuwirken, allgemein gültige Grundsätze des Völkerrechts zu revidieren, die in der UN-Charta, der Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen vom 24. Oktober 1970 und in der Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Kooperation in Europa vom 1. August 1975 verankert sind; den Versuchen einer willkürlichen Deutung der wichtigsten völkerrechtlichen Normen und Grundsätze wegen politischer Konjunktur und im Interesse einzelner Staaten Einhalt zu gebieten wie etwa der Nichtanwendung oder der Nichtandrohung von Gewalt, der friedlichen Lösung von internationalen Konflikten, der Achtung der Souveränität der Staaten und deren territorialer Integrität und des Selbstbestimmungsrechtes der Völker; den Versuchen entgegenzutreten, Verstöße gegen das Völkerrecht als seine kreative Anwendung auszugeben; den Versuchen der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten mit der Zielsetzung, einen verfassungswidrigen Machtwechsel, u. a. durch die Unterstützung nichtstaatlicher Subjekte, einschließlich der terroristischen und extremistischen Organisationen, zustandezubringen, Paroli zu bieten.
c. Militärinterventionen und andere Formen der Einmischung von außen, die die Normen des Völkerrechts, u. a. den Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten verletzen, unter dem Vorwand der Umsetzung des Konzeptes "Schutzverantwortung" zu unterlassen;
d. Zu einer fortschrittlichen Entwicklung des Völkerrechts und seiner Kodifizierung, vor allem unter der Ägide der UNO, sowie zur universellen Teilnahme an internationalen Verträgen der UNO und deren einheitlicher Auslegung und Anwendung beizutragen;
e. Anstrengungen zur Verbesserung der Anwendung von Sanktionen durch die UNO weiter zu unternehmen, u. a. davon auszugehen, dass die Entscheidungen über solche Sanktionen vom UN-Sicherheitsrat auf kollegialer Grundlage nach einer umfassenden Überprüfung, vor allem unter Berücksichtigung ihrer Wirksamkeit bei der Umsetzung der Aufgaben für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit und für die Vorbeugung der Verschlechterung der humanitären Lage getroffen werden müssen; zu fördern, dass aus dem internationalen Zusammenwirken illegale einseitige Zwangsmaßnahmen ausgeschlossen werden, die die UN-Charta und andere völkerrechtliche Normen verletzen; 45. Russland bekennt sich zu universalen demokratischen Werten, u. a. zur Wahrung der Menschenrechte und -freiheiten, und sieht seine Aufgaben in Folgendem:
d. den Schutz der Rechte und legitimer Interessen russischer Staatsbürger im Ausland im Einklang mit dem Völkerrecht und internationalen Verträgen der Russischen Föderation zu gewährleisten;
e. die Rechte und legitime Interessen der im Ausland lebenden Landsleute im Einklang mit dem Völkerrecht und internationalen Verträgen der Russischen Föderation zu schützen, wobei es anerkannt wird, dass die Landsleute einen beachtlichen Beitrag zur Erhaltung und Verbreitung der russischen Sprache und Kultur leisten; 55. Russland entwickelt freundschaftliche Beziehungen zu jedem der GUS-Länder auf Basis der Gleichberechtigung, des gegenseitigen Vorteils, Respekts und der Berücksichtigung der Interessen voneinander. Zu diesem Zweck:
a. fördert die Russische Föderation intensiv den Ausbau der Zusammenarbeit der GUS-Staaten im Bereich der Erhaltung des gemeinsamen kulturellen und historischen Erbes, der Erweiterung der Kooperation im humanitären, kulturellen sowie Wissenschafts- und Bildungsbereich; sie legt besonders viel Wert auf die Unterstützung der in den GUS-Staaten lebenden Landsleute und die Verbesserung völkerrechtlicher Instrumente zum Schutz ihrer Rechte und legitimer Interessen im Bildungs- und Arbeitsbereich sowie im sprachlichen, sozialen und humanitären Bereich;70. Russland wird seine Beziehungen mit der NATO entwickeln unter Berücksichtigung des Grades der Bereitschaft der Allianz zur gleichberechtigten Partnerschaft, strikten Einhaltung der Grundsätze und Normen des Völkerrechts, zu realen Schritten zur Bildung eines gemeinsamen Friedens-, Sicherheits- und Stabilitätsraumes im Euroatlantischen Raum auf Basis des gegenseitigen Vertrauens, der Transparenz und Berechenbarkeit, zur Erfüllung der durch alle Mitglieder der Allianz im Rahmen des Russland-Nato-Rats übernommenen Verpflichtung, eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten zu wahren, sowie der Verpflichtungen zur militärischen Zurückhaltung im Sinne der Grundakte über gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen der Russischen Föderation und der Nordatlantikpakt-Organisation vom 27. Mai 1997. Die Russische Föderation steht der NATO-Erweiterung, der Annäherung der Militärinfrastruktur der Allianz an russische Grenzen und zum Ausbau ihrer Militäraktivitäten in den an Russland angrenzenden Regionen negativ gegenüber und betrachtet sie als Verletzung des Grundsatzes der gleichen und unteilbaren Sicherheit, die zur Vertiefung alter und zur Entstehung neuer Trennlinien in Europa führt.72. Die Russische Föderation ist an gegenseitig vorteilhaften Beziehungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika interessiert, unter Berücksichtigung einer besonderen Verantwortung beider Staaten für globale strategische Stabilität und den Zustand der internationalen Sicherheit im Allgemeinen und eines beachtlichen Potenzials der Handels- und Investitionskooperation sowie wissenschaftlich-technischer und sonstiger Zusammenarbeit. Russland geht davon aus, dass eine konsequente und berechenbare Entwicklung eines Dialogs mit den USA sowohl zu den bilateralen Beziehungen als auch zu Fragen von internationaler Bedeutung nur auf Basis der Gleichberechtigung, der Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen und der Nichteinmischung in die Angelegenheiten voneinander möglich ist. Russland erkennt nicht an, dass die USA ihre Jurisdiktion außerhalb des völkerrechtlichen Rahmens exterritorial ausüben, akzeptiert nicht die Versuche, einen militärischen, politischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Druck auszuüben, und behält sich das Recht vor, auf nicht freundschaftliche Handlungen hart zu reagieren, u. a. durch Verstärkung seiner nationalen Verteidigung und durch Einleitung symmetrischer oder asymmetrischer Maßnahmen.74. Russland erwartet, dass die USA bei ihrem Vorgehen auf dem internationalen Parkett völkerrechtliche Normen strikt einhalten werden, vor allem diejenigen, die in der UN-Charta verankert sind.76. Russland betreibt die Politik, die auf die Wahrung des Weltfriedens, der Stabilität und einer konstruktiven internationalen Zusammenarbeit in der Arktis ausgerichtet ist. Die Russische Föderation geht davon aus, dass die vorhandene völkerrechtliche Basis ausreichend ist, um auf dem Verhandlungsweg die in der Region entstehenden Fragen erfolgreich zu regeln, u. a. die Fragen der Festlegung von Außengrenzen des Kontinentalschelfs im Arktischen Ozean. Russland ist der Auffassung, dass arktische Staaten eine besondere Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung dieser Region tragen, und plädiert in diesem Zusammenhang für die Festigung der Zusammenarbeit im Rahmen des Arktischen Rates, der "Arktischen Fünf" sowie des Euroarktischen Barentssee-Rates. Russland wird sich jeglichen Versuchen entschlossen widersetzen, Elemente der Konfrontationspolitik und der militärischen Konfrontation in die Arktis zu bringen und das internationale Zusammenwirken in der Region im Allgemeinen zu politisieren. Eine wesentliche Bedeutung für die Entwicklung der Region haben der Einsatz des Nördlichen Seeweges als nationalen Verkehrsweges Russlands in der Arktis sowie sein Einsatz für Transitverkehr zwischen Europa und Asien.92. Russland wird weiterhin seinen Beitrag zur Stabilisierung der Situation im Nahen Osten und in Nordafrika leisten, kollektive Bemühungen um die Beseitigung von Bedrohungen unterstützen, die von internationalen terroristischen Organisationen ausgehen, einen nachhaltigen Kurs auf politische und diplomatische Regelung von Konflikten in den Staaten dieser Region einschlagen auf Basis der Achtung deren Souveränität und territorialer Integrität und des Rechtes, selbst über ihr Schicksal ohne Einmischung von außen zu entscheiden. Als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates und des Nahost-Quartetts wird Russland weiterhin Anstrengungen unternehmen, die auf eine umfassende, gerechte und langfristige Regelung des arabisch-israelischen Konflikts in allen seinen Aspekten auf völkerrechtlicher Grundlage ausgerichtet sind.
Quelle: Außenministerium der Russischen Föderation, Konzeption der Außenpolitik der Russischen Föderation, 2016, Externer Link: http://www.mid.ru/en/foreign_policy/official_documents/-/asset_publisher/CptICkB6BZ29/content/id/2542248?p_p_id=101_INSTANCE_CptICkB6BZ29&_101_INSTANCE_CptICkB6BZ29_languageId=de_DE | 234,765 |
1 | Türkei tritt aus der Istanbul-Konvention aus: Schlag ins Gesicht der Frauen
Erdogan will der Istanbul-Konvention zum Schutz der Frauen nicht mehr folgen. Eine weitere Zunahme von Femiziden wird befürchtet.
Schon am Freitag protestierten in Istanbul Aktivist*innen gegen den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention Foto: reuters
ISTANBUL taz | Per Dekret, das in der Nacht zum Samstag im Amtsblatt veröffentlicht wurde, hat Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen und der Verpflichtung zur Gleichberechtigung verkündet.
Die Istanbul-Konvention war 2011 vom Europarat erarbeitet und auf einem Kongress in der türkischen Metropole verabschiedet worden. Hauptpunkt der Konvention sind Schritte zum Schutz von Frauen vor Gewalt auf der Straße und zu Hause.
Diese erste internationale völkerrechtsverbindliche Konvention, die auch das Verbot von Vergewaltigung in der Ehe und weiblicher Genitalverstümmelung beinhaltet, wurde vom damaligen Ministerpräsidenten Erdoğan als einem der ersten Politiker noch 2011 unterschrieben und 2012 im türkischen Parlament ratifiziert.
Seit Jahren wird allerdings insbesondere von den Islamisten innerhalb und außerhalb der regierenden AKP die Kritik an der Konvention immer lauter. Diese führe dazu, dass die Ordnung in der Familie untergraben werde, die Scheidungsrate steige und überhaupt die Frau dem Manne den Gehorsam verweigere. Außerdem sehen die Islamisten in der Konvention auch einen Türöffner für die von ihnen verhasste LGBTI-Kultur und überhaupt das Vordringen westlicher Dekadenz.
Insbesondere für die organisierte Frauenbewegung wurde die Verteidigung der Konvention angesichts der Kritik zu einem Kristallisationspunkt ihrer Arbeit. Obwohl die bekannteste Organisation zum Schutz der Frauen, „Wir werden Frauenmorde stoppen“, der Meinung ist, die Konvention sei nie richtig umgesetzt worden, war sie doch mit anderen Organisationen zusammen der Auffassung, die Konvention könne zu einem neuen Bewusstsein in der Türkei beitragen.
Genau dem will Erdoğan mit seiner Entscheidung nun einen Riegel vorschieben. „Das Patriarchat sah sich bedroht“, schrieb eine Frau auf Twitter, eine andere schrieb, „ich habe keine Angst zu sterben, aber ich habe Angst, ein Foto, das mich als Opfer zeigt, könnte bald bei einer Demonstration gegen Frauenmorde auftauchen“.
Tatsächlich befürchtet „Wir werden Frauenmorde stoppen“, die Entscheidung könne zu einer weiteren Zunahme von Femiziden führen. „Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Frauen“, schreibt die Organisation und rief zu Demonstrationen für Samstagnachmittag auf.
Obwohl es auch lange innerhalb der AKP-Frauenorganisation eine Mehrheit gegen die Abschaffung der Konvention gegeben hatte, schrieb Frauenministerin Zehra Zumrut am Samstagmorgen pflichtgemäß, die türkischen Gesetze reichten aus, um Frauen zu schützen; ein Hohn angesichts der ständig steigenden Zahlen von Morden an Frauen.
Die stellvertretende Vorsitzende der CHP, Gökce Gökcen schrieb deshalb, die Entscheidung bedeute, dass Frauen weiterhin „Bürger zweiter Klasse sind und getötet werden können“. Der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem Imamoglu bezeichnete den von Erdogan verkündeten Austritt als sehr schmerzhaft. Und der Chef der CHP, Kemal Kilicdaroglu, warnte Erdoğan gestern vor den Konsequenzen seiner Entscheidung: „Den Tyrannen an der Macht werden die Frauen eine Lektion erteilen“, schrieb er auf Twitter. | 234,766 |
0 | Gegen drei Uhr kam er nach Hause. Er war kaum wiederzuerkennen. Sein
Gesicht war bleich wie Kreide. Die Lippen zitterten, und dabei lächelte
er in einem fort -- so umarmte er seine Frau und die Kinder. Wir gingen
alle, eine ganze Schar, zu ihm, um ihn zu beglückwünschen. Ich glaube,
unsere Handlungsweise rührte ihn sehr, er dankte nach allen Seiten und
drückte einem jeden mehrmals die Hand. Ja, es schien sogar, als ob er
ordentlich gewachsen sei, wenigstens hielt er sich weit strammer, als
sonst, und auch die Augen tränten nicht mehr, sondern glänzten förmlich.
Er war so erregt, der Arme. Keine zwei Minuten hielt er es auf ein und
derselben Stelle aus: alles nahm er in die Hand, um es sogleich wieder
zurückzulegen, bald faßte er die Stuhllehnen an, lächelte, dankte, dann
setzte er sich, stand jedoch gleich wieder auf, setzte sich von neuem
und sprach Gott weiß was alles zusammen. Einmal sagte er: »Meine Ehre,
ja, meine Ehre -- ein guter Name, der bleibt jetzt meinen Kindern ...«
und Sie hätten hören müssen, wie er das sagte! Die Augen standen ihm
voll Tränen, und auch wir waren den Tränen nahe. Ratasäjeff wollte wohl
ablenken und sagte deshalb: | 234,767 |
0 | [Fußnote 130: Kerne möchte eher beim heutigen Agadir zu suchen sein,
obgleich auch dort in der Bucht keine kleine Insel sich befindet,
aber keineswegs, wie Knötel meint, die Insel im Rio do Ouro sein.] | 234,768 |
0 | Zu dieser Zeit, im Jahr 1728, kam der Jesuit Pater Johann Baptist Girard
als Rektor des Königlichen Seminars der Schiffsprediger zu Toulon an.
Früher hatte er in Aix gelebt. Ihm ging ein großer Ruf als
ausgezeichneter Kanzelredner und als durchaus streng sittlicher Mann
voraus, und er erlangte denn auch gar bald in seinem neuen
Wirkungskreise eine ganz außerordentliche Geltung und Verehrung.
Besonders strömten die Frauen zu seinen Predigten und in seinen
Beichtstuhl. Eine große Menge junger Mädchen trat in eine Art von Orden,
in welchem unter Girards Leitung fromme Übungen vorgenommen wurden. Die
fromme Schar machte ihm viel Freude, denn es waren schöne Mädchen
darunter, und die Frömmigkeit und Ehrbarkeit des Jesuiten waren nur das
Schafsfell, mit welchem der reißende Wolf der rohesten Sinnlichkeit
bedeckt wurde. | 234,769 |
1 | Aufrüstung in Russland: Kreml droht Nato mit Cyberwar
Präsident Medwedjew wählt einen martialischen Ton: Russland droht mit der Stationierung von Raketen und einem Ausstieg aus dem START-Vertrag.
Drohgebärden in Richtung Westen: Russlands Staatspräsident Dmitri Medwedjew. Bild: dpa
MOSKAU taz | Das hatte Russland schon seit langer Zeit nicht mehr erlebt. Einen Präsidenten mit versteinerter Miene und martialischem Ton, der per Fernsehansprache dem Volk einschneidende Veränderungen in der Verteidigungsstrategie des Landes mitteilt.
Am Mittwoch kündigte Kremlchef Dmitri Medwedjew an, aus dem New-START-Vertrag auszusteigen, sollten die USA und die Nato weiter an ihren Plänen festhalten, in Europa einen Raketenabwehrschirm zu errichten.
Der neue START-Vertrag, der die Reduzierung der Nuklearpotenziale regelt, wurde erst 2010 ausgehandelt. Der Abschluss galt als Beleg dafür, dass sich die Beziehungen zwischen Russland und den USA nach der Frostperiode der Bush-Administration unter Präsident Barrack Obama wieder eingependelt hatten.
Medwedjew erwog nicht nur den Ausstieg aus dem START-Vertrag. Er kündigte auch an, in Kaliningrad und der Kaukasusregion Iskander-Raketen gegen in Europa dislozierte US-Abwehrsysteme in Stellung zu bringen. Mit einer Reichweite von 500 Kilometern würde die Iskander die geplanten US-Einrichtungen in Polen, Rumänien und Bulgarien im Konfliktfall ausschalten können.
Mit der Kurzstreckenrakete Iskander hatte der Kreml auch vorher schon gedroht. Für die Nato enthielt die Philippika des Kremlchefs keine wesentlichen rüstungsrelevanten Neuigkeiten. Der Hinweis indes, technologische Lösungen zu erarbeiten, die eine Zerstörung des Informations- und Leitsystems des Raketenabwehrschirms ermöglichen, war von neuer Qualität.
"Mit entschiedener Härte antworten"
"Nimmt der Westen diese Ankündigung wirklich ernst, wird er mit entschiedener Härte antworten. Diese Drohgebärde werden wir dann noch lange bedauern", meint der russische Rüstungsexperte Alexei Arbatow. Der Chef des Zentrums für internationale Sicherheit sieht im Unterschied zu russischen Militärs in der Errichtung des Raketenschilds keine Bedrohung für Russland.
Moskaus strategische Waffen seien in der Lage, einen noch viel stärkeren als den geplanten Raketenschirm zu überwinden. Das weiß der Kreml natürlich, genauso wie er einen nuklearen Konflikt mit der Nato ausschließt.
Aus den USA und Nato-Kreisen verlautete unterdessen, dass man trotz des russischen Widerstands an den Plänen des gegen Schurkenstaaten gerichteten Schirms festhalten wolle. Moskau behauptet, dass der Schirm auch gegen Russland gerichtet sei. Die Auffassung hat sich noch verhärtet, nachdem die USA es ablehnten, Russland eine juristisch bindende Erklärung zu geben, dass dies nicht der Fall sei.
Ursprünglich war von einem gemeinsamen Raketenschild die Rede. Das scheiterte offensichtlich an Widerständen in den USA. Auch der russische Kompromissvorschlag, zwei Systeme zu errichten, die jeweils einen Sektor überwachen, stieß bei der Nato nicht auf Zustimmung.
Aus russischer Sicht verbirgt sich hinter der mangelnden Kooperationsbereitschaft des Westens noch das alte Misstrauen gegenüber dem einstigen Kalten-Kriegs-Gegner. Das trifft sicher zu. Auch die russischen Militärs können sich von diesen Ressentiments nicht befreien. Einer engeren Kooperation mit der Nato stehen sie grundsätzlich skeptisch gegenüber. Ihr Denken ist auf die nukleare Parität ausgerichtet als dem letzten Unterpfand der Großmachtrolle.
Verärgert reagierte Moskau auch auf die Mitteilung Washingtons diese Woche, die Datenübermittlung über Veränderungen der konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) einzustellen. Russland liefert schon seit 2007 keine Daten mehr. | 234,770 |
0 | 130. Hexenkuchen 96 | 234,771 |
1 | Programmatische Debatten haben für die SPD, die mit einen reformerisch-progressiven oder - vor allem in ihrer Frühgeschichte - sogar sozialrevolutionären Anspruch aufgetreten ist, immer eine große Rolle gespielt. Die Zäsuren ihrer Programmentwicklung lassen sich an den drei Grundsatzprogrammen festmachen, die sie sich in der Bundesrepublik nach dem aus der Weimarer Zeit übernommenen Heidelberger Programm (1925) gegeben hat; gleichzeitig stehen sie mit ihren Regierungs- und Oppositionsphasen in Zusammenhang.
Godesberger Programm und Neue Ostpolitik
Den wichtigsten Einschnitt markierte das 1959 beschlossene Godesberger Programm. Dessen Bedeutung lag nicht nur in der Abkehr von marxistischen Bezügen und Versöhnung der SPD mit der marktwirtschaftlichen Ordnung. Indem es dem Staat die Rolle zuschrieb, das Funktionieren des Marktes durch regulatorische und planerische Maßnahmen sicherzustellen, entwickelte es zugleich Ansätze zur Bekämpfung möglicher Wachstumskrisen, die die erfolgreiche keynesianische Politik des sozialdemokratischen Wirtschaftsministers Karl Schiller in der späteren Großen Koalition vorwegnahmen. Der Regierungswechsel von 1969 ging auch darauf zurück, dass es der SPD so gelang, die Union in der Wirtschaftskompetenz zu überflügeln.
Dasselbe galt für die im Godesberger Programm weitgehend ausgesparte Außenpolitik, deren von der Adenauer-Regierung geschaffene Grundlagen (der Westintegration und NATO-Mitgliedschaft) Herbert Wehner in einer berühmt gewordenen Bundestagsrede 1960 für die SPD ausdrücklich anerkannte. Damit schuf er die Voraussetzung für die Entwicklung neuer Konzepte in der Ost- und Deutschlandpolitik, die mit der Tutzinger Rede Egon Bahrs 1963 ("Wandel durch Annäherung") ihren Anfang nahmen. Die Umsetzung dieser Politik in der sozial-liberalen Regierungszeit traf auf harten Widerstand der CDU/CSU-Opposition, wurde aber von den Wählern mehrheitlich unterstützt. Auch innerparteilich blieb der Entspannungskurs von wenigen kritischen Stimmen aus dem rechten Flügel abgesehen unumstritten. Zu einer Zerreißprobe kam es erst über den von Kanzler Schmidt initiierten NATO-Doppelbeschluss, den große Teile der Partei Ende der 1970er- und Anfang der 1980er- Jahre nicht mittragen wollten. Als der Kölner Parteitag die Nachrüstung 1983 mit überwältigender Mehrheit ablehnte, befand sich die SPD bereits wieder in der Opposition.
Ökologie, Gleichstellung und Dritter Weg
Galt das Godesberger Programm 30 Jahre, so sollte das ihm nachfolgende Berliner Grundsatzprogramm nur 18 Jahre Bestand haben. Von der deutschen Vereinigung und dem Ende der Blockkonfrontation überrollt, spielte letzteres nach seiner Verabschiedung 1989 in der weiteren innerparteilichen Debatte keine große Rolle mehr (Jun 2018: 479 f.). Mit dem Berliner Programm wollte die SPD Anschluss an die Themen der "Neuen" Politik gewinnen. Das Fortschrittsverständnis wurde vom traditionellen Wachstumsbegriff abgekoppelt und um immaterielle Ziele wie Demokratie, Selbstbestimmung und Frieden ergänzt. Neben den ökologischen Fragen nahmen jetzt auch gesellschaftspolitische Forderungen breiten Raum ein, etwa die Gleichstellung der Frau. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik trat das Programm dagegen auf der Stelle. Der Keynesianismus hatte ausgedient, doch wusste man nicht, welches neue und bessere Konzept ihn ersetzten sollte. Und bei der Diskussion um die Erneuerung des Sozialstaates blockierten sich "Modernisierer" und "Traditionalisten". In der rot-grünen Regierungszeit hinkten die programmatischen Diskussionen dem Regierungshandeln hinterher. Mit dem im Juni 1999 veröffentlichten "Schröder-Blair-Papier", das eigentlich als Papier der europäischen Sozialdemokratie (unter Einschluss der französischen Sozialisten) geplant war, versuchte der Kanzler die SPD für den "Dritte Weg"-Diskurs zu öffnen. Die Sozialdemokratie sollte danach nicht nur eine Alternative zum Marktliberalismus à la Thatcher und Reagan beschreiben, sondern auch von ihren eigenen staatszentrierten Konzepten der Vergangenheit Abschied nehmen. In den Passagen zur Sozial- und Arbeitsmarktpolitik nahm das Schröder-Blair-Papier Teile der späteren Agenda 2010 vorweg (Fischer 2005: 74 f.). Da der Entwurf in der Partei heftige Kritik auslöste, verzichtete Schröder jedoch darauf, ihn zum Ausgangspunkt einer breiter angelegten Debatte zu machen. Damit fehlte es dem 2003 eingeleiteten Reformkurs an einem ideenpolitischen Fundament.
Hamburger Programm
Das 2007 verabschiedete Hamburger Programm kann als Versuch betrachtet werden, diesen Fehler zu korrigieren (Spier / Alemann 2013: 453). Mit der Formel des "vorsorgenden Sozialstaates" löste sich die SPD darin vom bisherigen Verständnis einer überwiegend nachträglich tätig werdenden, reparierenden Sozialpolitik. Damit verbindet sich zugleich ein erweiterter Gerechtigkeitsbegriff, der statt auf Umverteilung im Sinne von Ergebnisgleichheit stärker auf die Herstellung gleicher Lebenschancen und Stärkung der Eigenverantwortung des einzelnen abzielt. Ein elementares Prinzip dieses Ansatzes ist, dass die Förderung so früh wie möglich einsetzt. Bildungs- und Familienpolitik werden so neben der Integration in den Arbeitsmarkt zu Schlüsselfeldern, die die Schutzfunktion des klassischen Sozialstaates ergänzen. Um diese in Zukunft weiter gewährleisten zu können, bekennt sich die SPD im Hamburger Programm zu einer nachhaltigen, die Staatsverschuldung langfristig reduzierenden Finanzpolitik und den Strukturreformen der Arbeitslosen- und Rentenversicherung. In der Gesundheitspolitik tritt sie für die Einführung einer "solidarischen Bürgerversicherung" ein, die das heutige System gesetzlicher und privater Krankenkassen ablösen soll.
Um den Kritikern der Agenda-Politik entgegenzukommen, wurden die modernisierenden Elemente des ursprünglichen Programmentwurfs in der Schlussfassung abgeschwächt. Als symbolträchtiges Zugeständnis an die Parteilinke ist der Begriff des "demokratischen Sozialismus" erhalten geblieben, über den es im Vorfeld lange Diskussionen gegeben hatte. Vorschläge, ihn durch das unverfänglichere Konzept der "sozialen Demokratie" (Meyer 2005) zu ersetzen und damit zugleich in größere Nähe zur 125 Jahre alten Selbstbezeichnung der Partei als "sozialdemokratisch" zu rücken, drangen nicht durch - im Programm stehen jetzt beide Begriffe nebeneinander. Unverändert übernommen wurden dagegen die bereits im Godesberger Programm eingeführten Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, die für die Sozialdemokratie gleichrangig sind und eine Einheit bilden. Ihnen nachgeordnet werden als weitere Prinzipien der Primat der Politik vor der Ökonomie und die Nachhaltigkeit.
Eine wesentliche Neuerung des Hamburger Programms liegt in der konsequenten Ausrichtung der Grundwerte auf die veränderten politischen Bedingungen der globalisierten Welt. Die Globalisierung wird dabei nicht als ein Politikfeld unter vielen betrachtet, sondern "als Strukturprinzip moderner Gesellschaften, das Auswirkungen auf fast alle Bereiche des Lebens hat und das es zu gestalten gilt, das aber auch gestaltet werden kann" (Krell / Woyke 2015: 134). Als Kernbotschaft und wichtigste Antwort auf die Globalisierung gilt der SPD dabei das Eintreten für ein "soziales Europa". Nach der Rückkehr in die Opposition 2009 versuchte die SPD verloren gegangenen Kredit zurückzugewinnen, indem sie Fragen der sozialen Gerechtigkeit wieder stärker in den Vordergrund rückte. Neben kleinen (Hartz IV) und größeren (Rente mit 67) Korrekturen bisheriger Positionen nahm dabei die Forderung nach Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns breiten Raum ein. In der Steuerpolitik setzte sie sich vor der Bundestagswahl 2013 für eine Reform des Ehegattensplittings sowie Steuerhöhungen für Besserverdienende ein, die in der Großen Koalition gegen die Union allerdings nicht durchsetzbar waren.
Arbeits-, Renten- und Sozialpolitik
In der Rentenpolitik lehnt die SPD eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters ab und möchte das Mindestniveau der gesetzlichen Rente auf 48 Prozent des Nettolohns festschreiben. Die Durchsetzung einer Grundrente mit nur abgeschwächter Bedürftigkeitsprüfung konnte sie 2019 als Erfolg in der Großen Koalition für sich verbuchen. Mit ihrem "konservativen" Rentenkonzept gelang es der SPD bei der Bundestagswahl 2021, gegen die Konkurrenz vor allem bei den über 60-jährigen Wählern zu punkten. Auch die einmalige Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro, die von der Ampelkoalition trotz der erschwerten Rahmenbedingungen schon im ersten Jahr umgesetzt wurde, stieß auf positive Resonanz. Ebenfalls im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist die SPD-Forderung nach Einführung einer Kindergrundsicherung.
Als weniger populär erwies sich die Ablösung des bestehenden Hartz-IV-Systems durch ein die individuelle Lebensleistung besser anerkennendes "Bürgergeld", die ein wesentlicher Bestandteil des von Nahles vorangetriebenen, 2019 beschlossenen Sozialstaatskonzeptes war. Hier musste die Regierung bei der Lockerung von Sanktionsmaßnahmen und Erhöhung des Schonvermögens Zugeständnisse an die Union machen, um deren Zustimmung im Bundesrat zu erhalten (Süß 2022: 115 ff.). Innerparteilich war die Reform für die SPD dennoch von großer Bedeutung, markierte sie doch eine Abkehr von dem auf Aktivierung und stärkere Eigenverantwortung setzenden Gerechtigkeitsmodell, das bei Schröders Agenda-Politik Pate gestanden hatte.
"Schwarze Null" oder schuldenfinanzierte Investitionen
Parteiinterne Differenzen in der Wirtschafts- und Fiskalpolitik prägten 2019 maßgeblich den innerparteilichen Wahlkampf um die Nachfolge von Andrea Nahles. Während Finanzminister Olaf Scholz an der Politik der "Schwarzen Null" festhielt, traten Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken für ein schuldenfinanziertes Investitionspaket ein und machten dessen Durchsetzung zur Bedingung für den Verbleib in der Großen Koalition. Mit der Corona-Krise löste sich dieser Dissens vom einen auf den anderen Tag auf. Die SPD konnte sich jetzt gegen die zum Teil widerstrebenden Unionsparteien als Motor umfangreicher staatlicher Rettungs- und Unterstützungsmaßnahmen profilieren, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des pandemiebedingten Lockdowns zu bewältigen.
Die nochmalige Ausweitung der Schuldenaufnahme im Zuge des Krieges in der Ukraine knüpfte an diesen Kurs an und stieß in der Koalition vor allem bei der FDP auf Widerstand. Umgekehrt wurde die SPD öffentlich und in den eigenen Reihen dafür gescholten, dass von den Entlastungspaketen und steuerlichen Maßnahmen zur Milderung der kalten Progression auch Teile der Besserverdienenden profitierten. Olaf Scholz' Versprechen, der Staat werde niemanden im Stich lassen und die Folgen der stark gestiegenen Energiepreise für Bürger und Unternehmen breitmöglichst abfedern, setzt die SPD in der Regierung einem hohen Erwartungsdruck aus.
Außen- und Verteidigungspolitik
In der Europa- Außen, und Verteidigungspolitik fand die SPD während der Großen Koalition wenig Möglichkeiten, sich inhaltlich von der Union abzusetzen. Den Austeritätskurs in der Euro-Rettungspolitik trug sie ebenso mit wie die Sanktionen gegenüber dem Putin-Regime im Zuge des Ukraine-Konflikts oder die Maßnahmen zur Beseitigung der Fluchtgründe aus dem Nahen Osten und Afrika. Beim innerparteilich umstrittenen Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) gelang es ihr, nachträglich einige Verbesserungen durchzusetzen. Eine Erhöhung der Militärausgaben auf zwei Prozent des Bruttosozialprodukts, wie von der Nato gefordert, lehnte sie ab.
Putins Überfall der Ukraine nötigte Kanzler Olaf Scholz zu einer Kehrwende in der Außen- und Verteidigungspolitik. Seine Ankündigung eines 100 Milliarden schweren Aufrüstungsprogramms für die Bundeswehr - verbunden mit einer künftigen Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels - stieß in der SPD auf keinen nennenswerten Widerstand. Dasselbe galt für die im Einvernehmen mit den westlichen Partnern verbredeten Unterstützungsmaßnahmen der Ukraine unterhalb der Schwelle eines eigenen Kriegseintritts und die sukzessive Beendigung der russischen Kohle-, Öl- und Gaslieferungen. Mit dem Kurswechsel verbindet sich für die Partei zugleich die Frage nach der Aufarbeitung ihrer früheren Russlandpolitik. Dass sie auch nach der Krim-Annexion unter allen Parteien (mit Ausnahme der Linken und der AfD) am stärksten an einer beschwichtigenden Linie gegenüber Moskau festhielt, lässt sich maßgeblich auf die positive Erinnerung der seinerzeitigen Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion zurückführen. Eine parteiinterne oder öffentliche Aufarbeitung der Frage, warum die Partei vor dem aggressiven Charakter des Putin-Regimes so lange die Augen verschloss, ist bisher noch ausgeblieben.
Gesellschafts-, Umwelt und Migrationspolitik
Deutliche Unterschiede zur Union bestehen in der Gesellschaftspolitik, wo die SPD in der dritten und vierten Großen Koalition (2013 bis 2021) unter anderem erfolgreich für die völlige Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften eintrat und sich für die Besserstellung von Alleinerziehenden einsetzte. In der Umweltpolitik nutzte sie ihre ministerielle Zuständigkeit für die Energiewende, um sich als Vorkämpferin des Klimaschutzes zu empfehlen. Ihr Auftreten gegenüber CDU und CSU bei der Aushandlung des Klimapaketes im Herbst 2019 wurde allerdings auch innerparteilich als zu wenig entschieden kritisiert und führte unter der neuen Parteiführung zu Kurskorrekturen. Mit der durch den Krieg in der Ukraine erzwungenen kurzfristigen Renaissance fossiler Energiequellen und der Atomkraft tut sich die SPD leichter als die Grünen, mit denen sie in der Klimaschutzpolitik ansonsten aber größere Schnittmengen aufweist als mit der Union oder der FDP.
In der Asyl- und Flüchtlingspolitik verfolgt die SPD einen Mittelweg zwischen humanitär gebotener Öffnung und Lastenbegrenzung der aufnehmenden Gesellschaft, indem sie einerseits für konsequente Integrationsmaßnahmen und eine Beibehaltung des individuellen Asylanspruchs eintritt, andererseits aber auch eine Verbesserung der Lebensbedingungen insbesondere der sozial schwächeren einheimischen Bevölkerung anstrebt. Um mehr legale Migrationsmöglichkeiten zu schaffen, möchte sie das bestehende Einwanderungsrecht modernisieren. Im Bereich der Inneren Sicherheit setzt die SPD insbesondere auf zusätzliche Stellen für Polizei und Justiz, die sich in die Forderung nach einer generellen Ausweitung der Investitionen in die öffentliche Infrastruktur einreihen.
Arbeiten an neuem Grundsatzprogramm stehen aus
Martin Schulz' Ankündigung aus dem Jahre 2017, schon im Folgejahr mit der Arbeit an einem neuen Grundsatzprogramm beginnen zu wollen, wurde von seinen Nachfolgern im Parteivorsitz vorerst zurückgestellt. Forderungen nach einer programmatischen Erneuerung verweisen insbesondere auf die fortschreitende Digitalisierung, die mit Blick auf Verteilungsgerechtigkeit, Gestaltung der Arbeitswelt, Datenschutz und die Regulierung der global tätigen Internetkonzerne neue Fragen aufwerfe und Antworten verlange. Sie wurden von der Partei in ihren 2019 verabschiedeten Reformkonzepten zur Sozialpolitik und zur Datennutzung teilweise aufgegriffen. Hier wie in anderen Themenbereichen besteht die Herausforderung für die SPD darin, dass sie den Befürwortern und Skeptikern der Modernisierung gleichermaßen eine Heimat bieten will. Durch diesen Anspruch ist sie noch stärker als andere Parteien gezwungen, widerstreitende Positionen auszugleichen, was die Herausbildung eines klaren Profils erschwert und im Ergebnis oft als Konturen- oder Richtungslosigkeit wahrgenommen wird (Lynen von Berg 2019).
Quellen / Literatur
Bukow, Sebastian (2014), Die SPD-Parteiorganisationsreform 2009-2011. Mit Primaries und verstärkter Basisbeteiligung auf dem Weg zur "modernsten Partei Europas"?, in: Ursula Münch / Uwe Kranenpohl / Henrik Gast (hg.), Parteien und Demokratie, Baden-Baden, S. 133-150. Fischer, Sebastian (2005), Gerhard Schröder und die SPD. Das Management des programmatischen Wandels als Machtfaktor, München. Grunden, Timo (2012), Die SPD. Zyklen der Organisationsgeschichte und Strukturmerkmale innerparteilicher Entscheidungsprozessen, in: Karl-Rudolf Korte / Jan Treibel (Hg.), Wie entscheiden Parteien? (ZPol-Sonderband), Baden-Baden, S. 93-119. Grunden, Timo / Maximilian Janetzki / Julian Salandi (2017), Die SPD. Anamnese einer Partei, Baden-Baden. Jun, Uwe (2018), Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), in: Frank Decker / Viola Neu (Hg.), Handbuch der deutschen Parteien, 3. Aufl., Wiesbaden, S. 468-486. Klein, Markus u.a. (2018), Die Sozialstruktur der deutschen Parteimitgliedschaften. Empirische Befunde der Deutschen Parteimitgliederstudien 1998, 2009 und 2017, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 50 (1), S. 81-98. Krell, Christian / Meik Woyke (2015), Die Grundwerte der Sozialdemokratie. Historische Ursprünge und politische Bedeutung, in: Christian Krell / Tobias Mörschel (Hg.), Werte und Politik, Wiesbaden, S. 93-137. Lösche, Peter / Franz Walter (1992), Die SPD. Klassenpartei - Volkspartei - Quotenpartei. Zur Entwicklung der Sozialdemokratie von Weimar bis zur deutschen Vereinigung, Darmstadt. Lynen von Berg, Heinz (2019), Der Niedergang der SPD als Volkspartei und ihr hilfloser Antipopulismus, in: Leviathan 47 (1), S. 7-27. Machnig, Matthias / Hans-Peter Bartels, Hg. (2001), Der rasende Tanker. Analysen und Konzepte zur Modernisierung der sozialdemokratischen Organisation, Göttingen. Meyer, Thomas (2005), Theorie der Sozialen Demokratie, Wiesbaden. Spier, Tim / Ulrich von Alemann (2013), Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), in: Oskar Niedermayer (Hg.), Handbuch Parteienforschung, Wiesbaden, S. 439-467. Spier, Tim / Ulrich von Alemann (2015), In ruhigerem Fahrwasser, aber ohne Land in Sicht? Die SPD nach der Bundestagswahl 2013, in: Oskar Niedermayer (Hg.), Die Parteien nach der Bundestagswahl 2013, Wiesbaden, S. 49-69. Sturm, Daniel Friedrich (2009), Wohin geht die SPD?, München. Süß, Dietmar (2022), Der seltsame Sieg. Das Comeback der SPD und was es für Deutschland bedeutet, München 2022. Turner, Ed / Davide Vampa / Matthias Scantamburlo (2022), From Zero to Hero. The Rise of Olaf Scholz and the SPD, in: German Politics and Society 40 (3), S. 127-147. Walter, Franz (2018), Die SPD. Biographie einer Partei von Ferdinand Lassalle bis Andrea Nahles, Reinbek bei Hamburg. Wolfrum, Edgar (2013), Rot-Grün an der Macht. Deutschland 1998-2005, München.
Bukow, Sebastian (2014), Die SPD-Parteiorganisationsreform 2009-2011. Mit Primaries und verstärkter Basisbeteiligung auf dem Weg zur "modernsten Partei Europas"?, in: Ursula Münch / Uwe Kranenpohl / Henrik Gast (hg.), Parteien und Demokratie, Baden-Baden, S. 133-150. Fischer, Sebastian (2005), Gerhard Schröder und die SPD. Das Management des programmatischen Wandels als Machtfaktor, München. Grunden, Timo (2012), Die SPD. Zyklen der Organisationsgeschichte und Strukturmerkmale innerparteilicher Entscheidungsprozessen, in: Karl-Rudolf Korte / Jan Treibel (Hg.), Wie entscheiden Parteien? (ZPol-Sonderband), Baden-Baden, S. 93-119. Grunden, Timo / Maximilian Janetzki / Julian Salandi (2017), Die SPD. Anamnese einer Partei, Baden-Baden. Jun, Uwe (2018), Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), in: Frank Decker / Viola Neu (Hg.), Handbuch der deutschen Parteien, 3. Aufl., Wiesbaden, S. 468-486. Klein, Markus u.a. (2018), Die Sozialstruktur der deutschen Parteimitgliedschaften. Empirische Befunde der Deutschen Parteimitgliederstudien 1998, 2009 und 2017, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 50 (1), S. 81-98. Krell, Christian / Meik Woyke (2015), Die Grundwerte der Sozialdemokratie. Historische Ursprünge und politische Bedeutung, in: Christian Krell / Tobias Mörschel (Hg.), Werte und Politik, Wiesbaden, S. 93-137. Lösche, Peter / Franz Walter (1992), Die SPD. Klassenpartei - Volkspartei - Quotenpartei. Zur Entwicklung der Sozialdemokratie von Weimar bis zur deutschen Vereinigung, Darmstadt. Lynen von Berg, Heinz (2019), Der Niedergang der SPD als Volkspartei und ihr hilfloser Antipopulismus, in: Leviathan 47 (1), S. 7-27. Machnig, Matthias / Hans-Peter Bartels, Hg. (2001), Der rasende Tanker. Analysen und Konzepte zur Modernisierung der sozialdemokratischen Organisation, Göttingen. Meyer, Thomas (2005), Theorie der Sozialen Demokratie, Wiesbaden. Spier, Tim / Ulrich von Alemann (2013), Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), in: Oskar Niedermayer (Hg.), Handbuch Parteienforschung, Wiesbaden, S. 439-467. Spier, Tim / Ulrich von Alemann (2015), In ruhigerem Fahrwasser, aber ohne Land in Sicht? Die SPD nach der Bundestagswahl 2013, in: Oskar Niedermayer (Hg.), Die Parteien nach der Bundestagswahl 2013, Wiesbaden, S. 49-69. Sturm, Daniel Friedrich (2009), Wohin geht die SPD?, München. Süß, Dietmar (2022), Der seltsame Sieg. Das Comeback der SPD und was es für Deutschland bedeutet, München 2022. Turner, Ed / Davide Vampa / Matthias Scantamburlo (2022), From Zero to Hero. The Rise of Olaf Scholz and the SPD, in: German Politics and Society 40 (3), S. 127-147. Walter, Franz (2018), Die SPD. Biographie einer Partei von Ferdinand Lassalle bis Andrea Nahles, Reinbek bei Hamburg. Wolfrum, Edgar (2013), Rot-Grün an der Macht. Deutschland 1998-2005, München.
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1 | Afghanistan: Nicht mehr mitmachen!
Am Samstag ist Antikriegsdemonstration in Berlin. 62 Prozent der Bürger halten den Bundeswehreinsatz in Afghanistan für "eher falsch".
"Die Tornados nützen nicht viel, sie schaden aber auch nicht viel." Bild: dpa
Braunschweig/ Berlin taz Was er denn täte, wäre er Verteidigungsminister? Moritz zögert keine zwei Sekunden. "Ich würde die Bundeswehr sofort abziehen." Er sieht nicht aus, als wolle er dem noch etwas hinzufügen. Man muss schon nachhaken. Also: Warum? "Phhht", macht er da.
Bundeswehr raus aus AfghanistanKeine Verlängerung der Bundeswehreinsätze in Afghanistan. Das ist die zentrale Forderung, mit der 170 Organisationen der Friedensbewegung sowie andere soziale Bewegungen für diesen Samstag (15. 9.) zu einer bundesweiten Demonstration in Berlin aufrufen.Die Ziele der Militäreinsätze - Terrorismusbekämpfung, Demokratisierung, Wiederaufbau - seien nicht erreicht worden, heißt es in dem Aufruf des Bündnisses. Stattdessen verschlechtere sich die Lage in Afghanistan. Die dortige Bevölkerung, so die Demoveranstalter, "lehnt den Krieg und die ausländische Besatzung überwiegend ab".An die Stelle der Militäreinsätze müssten Abrüstung, zivile Konfliktregulierung und diplomatisches Verhandeln treten. Ziviler Wiederaufbau sei nur ohne ausländische Truppen möglich.
Moritz, 17 Jahre, Schüler an einem Braunschweiger Gymnasium und an diesem Abend im Publikum einer Diskussionsveranstaltung zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan, sieht genervt aus. "Weil sich die Situation im Land nicht gebessert hat." Woher er das weiß? "Ich habe mich informiert." Wo? "Ich sage doch, ich habe mich informiert." Er wird rot. Vorsichtshalber behält er seinen Nachnamen für sich.
Dabei gibt es keinen Grund, sich zu schämen. Zu Afghanistan hat jeder in diesem Land eine Meinung, aber kaum jemand einen Plan. Moritz ist da keine Ausnahme. Nach einer Forsa-Umfrage ist jeder zweite Bundesbürger der Ansicht, die Bundeswehr solle nicht bis zum Abschluss des Militäreinsatzes in Afghanistan stationiert bleiben. Das Meinungsforschungsinstitut Emnid gar ermittelte, 62 Prozent der Bevölkerung hielten die Bundeswehrbeteiligung in Afghanistan für "eher falsch". An diesem Samstag werden in Berlin 15.000 Menschen zu einer Demonstration gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan erwarte.
Es fällt den meisten schwer, Gründe für die Ablehnung zu benennen - und zu sagen, wie denn stattdessen mit Afghanistan umgegangen werden solle. "Wer weiß denn schon, wie es am Hindukusch tatsächlich aussieht und was Militär dort überhaupt ausrichten kann", fragt sich beispielsweise der 30-jährige Telefonist Michael Ciappa, "man kann ja nicht einfach hinreisen und sich ein Bild machen."
Ciappa ist wie der Schüler Moritz in Braunschweig einer Einladung des Kreisverbands der Grünen gefolgt. Der sucht an diesem Septemberabend die öffentliche Afghanistandebatte und hat dazu Jürgen Trittin als Redner eingeladen hat. Trittin ist jetzt außenpolitischer Sprecher seiner grünen Bundestagsfraktion, 53 Jahre alt und will noch was werden in seiner Partei. Da kommt es ungelegen, dass die Basis gerade so heillos zerstritten ist über den Afghanistaneinsatz, dass sie sogar einen Sonderparteitag dazu durchgesetzt hat. "Es wird so dargestellt, als stünden die Grünen vor einer Zerreißprobe", sagt Trittin - und setzt hinzu: "Das ist falsch." Mehr an Festlegung ist von ihm, der grüner Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl werden möchte, nicht zu bekommen. Zur Sache sagt er Sätze wie diesen: "Ich würde sagen, die Tornados nützen nicht viel, sie schaden aber auch nicht viel."
Viele im Publikum interessieren grüne Befindlichkeiten und Karrierepläne eines einzelnen Abgeordneten herzlich wenig. Sie sind parteilos, und sie sind gekommen, um dem Abgeordneten Trittin zu sagen, was sie von deutschen Soldaten in Afghanistan halten: nichts.
"Ist es denn so, dass wir wieder wer sein müssen, dass wir Deutschen dabei sein müssen bei so schrecklichen Dingen", empört sich eine grauhaarige Dame, "können wir das viele Geld denn nicht besser in zivile Aufbauprojekte stecken?" "Kriegskind" sei sie, 72 Jahre alt, erzählt sie später, "ich habe sie alle gesehen, Flüchtlinge, Kriegsgefangene, Verschleppte, ich weiß, was Krieg ist, oben drückt einer auf den Knopf, und unten ist das Krepieren".
Besonders die ältere, kriegserfahrene Generation ist es, die Militäreinsätze im Ausland aus einer pazifistischen Grundhaltung heraus strikt ablehnt. Doch etwas kommt hinzu: die Angst, aufgrund der deutschen Truppenbeteiligung selbst Ziel von Attentaten zu werden. "Dieses Raushalten aus dem Irakkrieg hat Deutschland erst mal geschützt", sagt die ältere Dame. "Damals war ein gewisses Ansehen in der arabischen Welt."
Ansehen, Terrorrisiken, Pazifismus hin oder her - Ute Lampe ist die Debatte über die Auslandseinsätze leid. "Es gibt ja keine Überlegungen seitens der Regierung, wohin die Reise gehen soll, was das Ziel des Einsatzes ist und unter welchen Bedingungen ein Abzug erfolgen soll", sagt die 46-jährige Geoökologin. Die Erfahrung hat sie zudem gelehrt, dass man dem politischen Versprechen, Militäreinsätze exportierten Demokratie und Stabilität, keinen Glauben schenken kann. Lampe ist deswegen bereits vor vier Jahren dem Friedensbündnis Braunschweig beigetreten. "Durch militärischen Zwang", sagt sie, "ist nirgends eine Befriedung erreicht worden, der Irak ist das beste Beispiel dafür". Und dann fährt sie Jürgen Trittin an: "Sie lügen sich in die eigene Tasche!" Beim Afghanistaneinsatz gehe es nicht darum, Ursachen zu bekämpfen, das sei eine reine Symptombekämpfung. Politikprofi Trittin dreht ein paar rhetorischen Schleifen und sagt dann: "Ich glaube, die Menschen sind für diese Symptombekämpfung dankbar."
So wie Lampe denken mittlerweile viele, nicht nur in Braunschweig, sondern auch in Berlin. Dort sitzt in einem Begegnungszentrum im Stadtteil Kreuzberg an einem Abend Anfang der Woche Oberstleutnant Jürgen Rose, 49, SPD-Mitglied, notorischer Bundeswehrkritiker, erfolgreicher Verweigerer des Tornado-Einsatzes und mit seinem Arbeitgeber wie mit seiner Partei in einer Art Hassliebe verbunden. Rose, an diesem Abend in zivil, erklärt auf Einladung der Linken vor knapp 20 Zuschauern, dass deutsche Soldaten sich völkerrechtswidrig in Afghanistan aufhielten und durch ihre Präsenz nicht Frieden, sondern Gewalt provozierten. Selbst Menschen, die den Krieg gegen den Irak noch begrüßten und damals in Deutschland zu einer angefeindeten Minderheit gehörten, lauschen dem Mann mit Schnauzbart und Brille jetzt.
Der pensionierte Ingenieur Rasak Alamily ist so einer. Vor 74 Jahren wurde er im Irak geboren, 1970 verließ er seine Heimat, lebte erst in Großbritannien, später in Deutschland, wo er heiratete und deutscher Staatsbürger wurde. "Ich habe dem Sturz der Diktatur entgegengefiebert, ich fand diesen Krieg richtig", sagt er. Mittlerweile lässt er sich von Freunden und Verwandten berichten, wozu "dieser Kolonialkrieg", als den er ihn inzwischen empfindet, geführt hat: "Der Irak ist total ruiniert, es gibt überhaupt keinen Plan, was eines Tages nach dem Abzug der Truppen geschehen soll, und meine Befürchtung ist, dass Afghanistan ein zweites Irak wird."
Alamily erzählt, deshalb sei ausgerechnet er, der Irakkriegsbefürworter, vor wenigen Wochen Mitglied der Linken mit ihrem Antikriegspopulismus geworden. "Die sind immerhin die Einzigen, die in Afghanistan nicht mehr mitmachen wollen."
Nicht mehr mitmachen. Es ist ja nicht so, dass sich die Menschen, die hier in Berlin dem Bundeswehrkritiker Rose applaudieren, wenn er einen kompletten Rückzug der ausländischen Truppen binnen fünf Jahren skizziert, nicht verantwortlich fühlen würden für das, was anschließend in Afghanistan passieren soll. Im Gegenteil. Keiner hier plädiert dafür, das Land sich selbst zu überlassen oder gar das Geld, das die Bundeswehreinsätze kosten, besser hierzulande zu investieren. "Natürlich muss sich Deutschland am Wiederaufbau beteiligen", sagt die 48-jährige Anna Allex, die im Berufsleben Seminare zur Sozialgesetzgebung leitet und weiß, was sich mit den Mitteln für die Bundeswehr alles anstellen ließe, könnte man sie umwidmen. "Aber zum Aufbauen braucht man kein Militär", glaubt sie.
Sondern? Zivile Helfer und Verhandlungen zwischen allen beteiligten gesellschaftlichen Kräften. Nur so lasse sich ein Waffenstillstand erreichen, da ist sich das Publikum in Braunschweig wie in Berlin einig. "Vermutlich", sagt in Berlin Oberstleutnant Rose, "muss man da dann auch die Taliban einbeziehen". Für einen Moment wird es still. Dann nicken sie tapfer | 234,773 |
0 | SID
Als Bayern-Präsident das Reizthema Katar anspricht, hagelt es Buhrufe und Pfiffe
Freitag, 26.11.2021, 15:02
Vor dem Bundesligaspiel gegen Bielefeld äußert sich Julian Nagelsmann zur angespannten Stimmung bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern. Das Sicherheitspersonal wollte den Coach aufgrund der "aggressiven Stimmung" sogar früher aus dem Audi Dome begleiten.
Fans zerpflücken Bayern-Bosse: "Unfassbar erbärmlich, arrogant, patzig, unverschämt"
Nach der turbulenten Nacht hat Trainer Julian Nagelsmann angeregt, das Reizthema Katar in anderer Atmosphäre und Umgebung zu besprechen.
"Ich glaube, es gibt sicherlich eine Möglichkeit, das in einem anderen Rahmen zu machen, um kontrovers darüber zu diskutieren und auch in voller Transparenz offenzulegen, warum, was, wieso, weshalb und aus welcher Zeit", sagte Nagelsmann am Freitag in München.
Ordner wollten Nagelsmann vorzeitig aus Audi Dome begleiten
"Wenn man mit seiner Lebensgefährtin oder seinem Kumpel einen Streit ausficht, ist es auch gut, dass man das nicht auf dem Marienplatz macht. Besser ist es, man macht es in einer ein bisschen privateren Atmosphäre, vielleicht auch mit einem Mediator. Da wird das Ganze etwas ruhiger, rationaler, weniger emotional", führte der 34-Jährige aus. "Emotionen sind nicht immer der perfekte Begleiter, um Lösungen für Probleme zu finden."
FC Bayern via Getty Images
Julian Nagelsmann (l) auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern
Kurz nach Mitternacht sei die Stimmung so aufgekocht gewesen, dass die Ordner Nagelsmann vorzeitig aus der Halle führen wollten. "Bei der Abschlussrede ging mir nicht viel durch den Kopf, weil ich nichts verstanden habe. Es ist ratsam als Cheftrainer, überall aufmerksam zuzuhören. Zum Ende war dann doch eine leicht aggressive Stimmung. Der ein oder andere Ordnungsbegleiter hat mich schon lieber früher als später aus der Halle rausbegleiten wollen", gab der Bayern-Coach zu.
Katar-Sponsoring löst Fan-Opposition gegen FC Bayern aus
Die heikle Katar-Debatte und die Sponsorenbeziehung des FC Bayern in das WM-Ausrichterland hatten beim Mitgliederkonvent einen Aufruhr der Fan-Opposition mit Pfiffen und Buhrufen gegen die Bayern-Bosse ausgelöst.
Das Wichtigste sei, dass nicht das Gefühl entstehe, dass sich zwei Lager gegenüberstünden, sagte Nagelsmann. In dem einen oder anderen Vorschlag könne auch eine Chance stecken.
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FC Bayern München - Arminia Bielefeld
27.11.2021 | 18:30 Uhr
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Im Video: Als Bayern-Präsident das Reizthema Katar anspricht, hagelt es Buhrufe und Pfiffe
SID
Im Video: Als Bayern-Präsident das Reizthema Katar anspricht, hagelt es Buhrufe und Pfiffe
lsc/dpa | 234,774 |
1 | Geheimdienste in den USA: CIA spionierte Senatoren aus
Beamte des US-Auslandsgeheimdienstes sollen Senatoren überwacht haben. Diese waren mit der Überprüfung der Arbeit der CIA unter George W. Bush befasst.
Not amused: CIA-Direktor John Brennan. Bild: dpa
WASINGTON ap | Der US-Auslandsgeheimdienst CIA hat möglicherweise Mitglieder des Senats ausspioniert, die für die Überwachung des Nachrichtendienstes zuständig waren. Der CIA-Generalinspekteur habe eine interne Untersuchung gestartet, erklärte am Mittwoch die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat, Dianne Feinstein.
CIA-Beamte sollen ohne rechtliche Grundlage Mitglieder des Ausschusses überwacht und sich Zugang zu ihren Computern verschafft haben. Die Senatoren hätten Missbrauchsvorwürfe gegen die CIA im Zusammenhang mit Internierungs- und Verhörpraktiken während der Amtszeit von Präsident George W. Bush untersucht.
CIA-Direktor John Brennan reagierte verärgert auf die Vorwürfe. „Ich bin tief bestürzt, dass einige Mitglieder des Senats beschlossen haben, zweifelhafte Anschuldigungen über CIA-Aktionen zu erheben, die nicht mit Fakten untermauert sind“, erklärte er am Mittwochabend. Er sei zuversichtlich, dass die zuständigen Behörden herausfänden, ob und gegebenenfalls wo Fehlverhalten stattgefunden habe. „Bis dahin fordere ich alle dazu auf, sich Ausbrüche zu verkneifen, die den wichtigen Beziehungen schaden, die zwischen Geheimdiensten und den Aufsehern im Kongress gepflegt werden müssen.“
Sollten sich die Vorwürfe als begründet herausstellen, wäre dies ein schwerer Rückschlag für die US-Regierung, die nach den Enthüllungen um die Praktiken der NSA gerade versucht, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Arbeit der Geheimdienste wiederherzustellen. | 234,775 |
0 | Nach diesem Lieschen verliebte sich hernach eines vornehmen Nobels
Tochter in mich, dieselbe hieß Damigen und gab nun ebenfalls wieder
Freiens bei mir vor. Es war, der Tebel hol mer, ein unvergleichlich
Mensche auch. Mit derselben mußte ich alle Tage spazieren fahren und
mich stets mit ihr schleppen. Ob ich nun wohl des Nobels Tochter sehr
wohl gewogen war und auch Vertröstung getan, sie zu nehmen, so hatte ich
aber den Handschlag dennoch nicht von mir gegeben, allein es trugen sich
alle kleine Jungen auf der Gasse mit herum, daß Jungfer Damigen eine
Braut wäre und was sie vor so einen vornehmen braven Kerl zum Manne
kriegte. Ich hatte mich auch gänzlich resolviert, sie zu heiraten, und
hätte sie auch genommen, wenn sie nicht ihr Herr Vater ohne mein und ihr
Wissen und Willen einem andern Nobel versprochen gehabt. Was geschah?
Damigen bat mich einstmals, daß ich mit ihr mußte an einem Sonntage
durch die Stadt spazieren gehen, damit mich doch die Leute nur sähen,
denn sie hätten von dem Lustgärtner gehört, daß ich so ein braver,
vortrefflicher Kerl wäre, dem nichts Ungemeines aus den Augen funkelte,
und also trügen ihrer viel groß Verlangen, mich doch nur zu sehen. Nun
kunnte ich ihr leicht den Gefallen erweisen und sie in der Stadt ein
wenig herumführen. Wie nun die Leute sahen, daß ich mit meiner Damigen
da angestochen kam, O sapperment! wie legten sie sich zu den Fenstern
heraus. Bald stunden an einer Ecke ein paar Mägde, die sagten: Ach ihr
Leute! Denkt doch, wie Jungfer Damigen so wohl ankömmt, sie kriegt den
Kerl da, der sie bei der Hand führt, das Mensche ist ihn nicht einmal
wert. Solche und dergleichen Reden murmelten die Leute nun so heimlich
zueinander. Es war auch ein Nachgesehe, daß ichs, der Tebel hol mer,
nicht sagen kann. Als wir nun auf den Markt kamen und allda uns ein
wenig aufhielten, daß ich das Volk recht sehen sollte, mag derselbe
Nobel dieses gewahr werden, daß ich Damigen, welche er zur Liebsten
haben sollte, nach aller Lust da herumführe; ich versah mich aber dieses
nicht, daß der Kerl solch närrisch Ding vornehmen wird. Indem mich nun
die Leute und meine Damigen mit großer Verwunderung ansahen, kam er von
hinterrücks und gab mir, der Tebel hol mer, eine solche Presche, daß mir
der Hut weit vom Kopfe flog, und lief hernach geschwinde in ein Haus
hinein. O sapperment! wie knirschte ich mit den Zähnen, daß sich der
Kerl solch Ding unterstund, und wenn er nicht gelaufen wäre, ich hätte
ihm, der Tebel hol mer, die falsche Quinte gleich durchs Herze gestoßen,
daß er das Aufstehen wohl vergessen sollen. Ich war auch willens, ihn zu
verfolgen, wenn mich Damigen nicht davon noch abgehalten hätte, die
sagte, es möchte so ein groß Aufsehens bei den Leuten erwecken, und ich
könnte ihn schon zu anderer Zeit finden. Den andern Tag drauf, als ich
mich nun erkundigt, wo der Kerl wohnte, welcher mir die Ohrfeige
gegeben, schickte ich des Gärtners Jungen zu ihm und ließ ihm sagen, ich
hielte ihn vor keinen braven Kerl, sondern vor den allerelendesten
Bärenhäuter auf der Welt, wenn er nicht die und die Zeit draußen auf der
großen Wiese mit ein paar guten Pistolen erschiene, und da wollte ich
ihm weisen, daß ich ein braver Kerl wäre. Was geschieht, als des
Lustgärtners Junge dem Nobel diese Worte nun so unter die Nase reibt und
von Pistolen schwatzt? Ei sapperment! wie erschrickt der Kerl, daß er
nicht weiß, was er dem Jungen antworten soll. Wie nun der Junge spricht,
was er denn dem vornehmen Herrn zur Antwort hierauf wiederbringen
sollte, fängt er endlich an, er müsse gestehen, ja, daß er mir den Hut
vom Kopfe geschmissen, und hätte es ihn so verdrossen, daß ich Jungfer
Damigen als seine zukünftige Liebste bei der Hand geführt, und dasselbe
hätte er gar nicht leiden können. Da ich ihn nun wegen der gegebenen
Ohrfeige flugs auf Pistolen hinausforderte, würde er wohl schwerlich
kommen, denn es wäre so eine Sache mit den Schüssen, wie leichtlich
könnte er oder ich was davon bekommen; was hätten wir denn hernach
davon, und darauf käme er nicht; wollte ich mich aber mit ihm auf
trockene Fäuste schlagen, so wollte er seine Mutter erstlich drum
fragen, ob sie solches zugeben wollte. Wo sie aber ihm solches auch
nicht verwilligte, könnte er mir vor die Ohrfeige keine Revanche geben.
O sapperment! als mir der Junge solche Antwort von dem Nobel
wiederbrachte, hätte ich mich, der Tebel hol mer, flugs mögen zustoßen
und zureißen. Ich war her und besann mich, wie ich ihn wiedertraktieren
wollte. Erstlich wollte ich ihn auf der Gasse übern Haufen stoßen und
fortgehen, so dachte ich aber: wo wird dich dein Damigen hernach suchen?
Endlich resolvierte ich mich, ich wollte ihm in öffentlicher Kompagnie
die Presche gedoppelt wiedergeben. Das hätte ich auch getan, wenn der
Kerl nicht wegen des Pistolenhinausforderns so ein groß Wesen flugs
gemacht hätte, daß ich also von hoher Hand gebeten wurde, ich möchte es
nur gut sein lassen; genug, daß sie alle wüßten, daß ich ein brav Kerl
wäre, desgleichen wohl wenig in der Welt würde gefunden werden. Als ich
dieses hörte, daß von hoher Hand man mich bat, daß ich ihn sollte
zufrieden lassen, und mich alle vor den bravsten Kerl auf der Welt
ästimierten, hätte ich mir hernach wohl die Mühe genommen, daß ich
wieder an ihn gedacht hätte. Allein mein Damigen kriegte ich doch auch
nicht. Ihr Vater ließ mir zwar sagen, er sähe wohl, daß ich ein brav
Kerl wäre, desgleichen man wenig finde, allein seine Tochter hätte er
einem Nobel versprochen, und wer kein Nobel wäre, der dürfte sich auch
nicht die Gedanken machen, daß er sie kriegen würde. Ich ließ ihm aber
hierauf artig wiedersagen, wie daß er nämlich recht geredet, daß ich ein
brav Kerl wäre, desgleichen wohl wenig in der Welt anzutreffen wäre, und
ich hätte ja seine Tochter noch niemals verlangt, sondern sie hätte mich
haben wollen. | 234,776 |
1 | NPD-Parteitag in Baden-Württemberg: Eskalation bei NPD-Gegendemo
In Weinheim kam es beim NPD-Bundesparteitag zu schweren Auseinandersetzungen. Polizei und Demonstranten gerieten aneinander.
GegendemonstrantInnen ziehen in Weinheim während des NPD-Bundesparteitags durch die Innenstadt. Foto: dpa
HAMBURG taz | In der Stadthalle in Weinheim bemühte sich die NPD am Wochenende, sich als einzig „wirkliche Alternative“ zu inszenieren. Auf den Straßen der Stadt im Rhein-Neckar-Kreis eskalierten die Auseinandersetzungen zwischen Gegendemonstranten und Polizeikräften. Mehrere Demonstranten und Polizeibeamte wurden verletzt. 201 Demonstranten nahm die Polizei fest.
Auf Facebook witzelte die NPD, neben Parteitagsimpressionen, sogleich über die „linken ‚Superdemokraten‘“. In der baden-württembergischen Stadt hielt die NPD zum dritten Mal in Folge ihren Bundesparteitag ab. Einen Rechtstreit um die Nutzung hatte die Stadt verloren.
Schon am Samstagmorgen gegen 8 Uhr gelang es mehreren hundert Demonstranten, drei Straßen zu der Stadthalle zu blockieren. Unter dem Slogan „stören, blockieren, verhindern“ hatte das antifaschistische Bündnis „Block NPD“ zu Gegenaktionen aufgerufen. Vermummte hätten Polizeiabsperrungen überwunden, Beamte geschlagen und mit Steinen und Pfefferspray angegriffen, sagte eine Polizeisprecherin. 16 Beamte seien verletzt worden, einer schwer.
Auf Youtube finden sich Videoaufnahmen, die Polizeibeamte zeigen, wie sie auf friedliche Blockierer und Demonstranten mit Fäusten und Schlagstöcken einschlagen, Pfefferspay einsetzen und mit den Füßen voran anspringen. Von rund 120 verletzten Demonstranten spricht „Block NPD“, davon mindestens eine Schwerverletzte.
Lob vom NPD-Bundesvorsitzenden
In der Stadthalle gratuliert man zu Beginn des Bundesparteitags dem Bundesvorsitzenden Frank Franz zum 37. Geburtstag. Franz, der seit einem Jahr Vorsitzender ist, führte vor den 143 Delegierten aus, dass die Mitgliederzahl um 8 bis 10 Prozent gestiegen sei und auch die Abozahl der Parteizeitung „Deutsche Stimme“ (DS) um 11 Prozent anwuchs.
Nicht unerwähnt ließ der sehr internet-affine Vorsitzende das „DS-TV“, worauf er besonders Stolz zu sein schien. „Das hast du gut gemacht“, würdigte ihn Udo Voigt, langjähriger NPD-Bundesvorsitzender und jetziger Europaabgeordneter. Demonstrativ stellte sich Voigt hinter Franz. Denn Franz fehlt die Hausmacht für seinen weiterhin bemüht moderaten Kurs.
Im Saal feierte die Partei mit stehendem Applaus auch Voigt, dessen Macht in der Partei mit dem Europamandat weiter gestiegen ist. Zusammenhalt und Geschlossenheit wollte die Partei zeigen, von einer Krise durch rechte Konkurrenz wollte sie nicht groß reden. Die Wähler der AfD würden bald erkennen dass diese Alternative kein inhaltliches Fundament hätte, sagte Franz.
NPD gibt Wahlkampf im Westen auf
Etwas Missstimmung verbreitete jedoch der baden-württembergische Landesvorsitzende Alexander Neidlein, der die fehlende Bundesunterstützung für den Landtagswahlkampf bemängelte. Denn die Bundesführung hat entschieden sich 2015 auf die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt zu konzentrieren. Hier hofft sie auf den Wieder- und Neueinzug. Den Westen scheint die NPD bei Wahlen aufgegeben zu haben.
An einer späteren Gegenkundgebung nahmen etwa 1.500 Demonstranten teil. Die Stadt richtete zudem ein buntes Kulturfest aus. | 234,777 |
1 | Rechtsextreme Strömung in der AfD: „Flügel“ soll sich auflösen
Die AfD-Spitze hat beschlossen, ihren rechtsextremen „Flügel“ aufzulösen. Fraglich ist, was das ändert, wenn Anführer und Anhänger bleiben.
So ist es beschlossen, er soll sich auflösen... Foto: Martin Schutt/dpa
BERLIN taz | Der Bundesvorstand der AfD hat beschlossen, dass der „Flügel“ sich auflösen muss. Man erwarte, dass dieser am Samstag bei seinem Treffen seine Selbstauflösung einleite und bis Ende April abschließen soll. Das bestätigte Parteisprecher Bastian Behrens der taz. Für den Antrag stimmten elf Mitglieder des Bundesvorstands, Bundesvize Stephan Brandner enthielt sich, Andreas Kalbitz, der mit Björn Höcke an der Spitze des „Flügels“ steht, stimmte mit Nein.
Das Bundesamt für Vefassungsschutz hatte in der vergangenen Wochen den „Flügel“ um Björn Höcke und Andreas Kalbitz als rechtsextrem eingestuft. Der „Flügel“ sei eine „erwiesen extremistische Bestrebung“, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richte, hieß es. In der AfD hat seitdem die Sorge, die Partei als Ganze könne ebenfalls eingestuft werden, stark zugenommen. Insbesondere aus den westdeutschen Landesverbänden wurden zuletzt die Forderungen immer lauter, Konsequenzen zu ziehen und Sanktionen gegen den „Flügel“, aber auch gegen Höcke und Kalbitz persönlich einzuleiten.
Wie die taz aus Parteikreisen erfuhr, soll Parteichef Jörg Meuthen am Morgen in der Sitzung des Bundesvorstands vorgeschlagen haben, der „Flügel“ solle sich bis zum Monatsende auflösen. Diesen Vorschlag sollen, wie man hört, einige andere Vorstandsmitglieder unterstützt haben. Meuthens Co-Vorsitzender Tino Chrupalla und auch der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland sollen sich aber dagegen ausgesprochen haben.
Unter anderem Chrupalla, aber auch die stellvertretende Bundesvorsitzende Alice Weidel sollen dann vorgeschlagen haben, dass der Bundesvorstand von einem Treffen des „Flügels“ am Samstag eine Erklärung verlangt, dass dieser innerhalb eines festen Zeitplans seine Strukturen abbauen werde. Dieser Antrag wurde angenommen. Die Diskussion soll insgesamt „wild“ gewesen sein. Meuthen hatte den „Flügel“ zuletzt noch als „integralen Bestandteil“ der AfD bezeichnet.
T-Shirts und Tassen mit Höckes Konterfei
Unklar ist, was eine Auflösung des „Flügels“ oder der Abbau von Strukturen überhaupt bedeutet. Schließlich hat die parteiintern extrem einflussreiche Strömung keine klare Mitgliederstruktur, auch wenn mit es mit Höcke und Kalbitz zwei Anführer und in den Bundesländern so genannte „Obleute“ gibt. Zudem finden Veranstaltungen unter dem Label des „Flügels“ statt, das jährliche Kyffhäusertreffen ist das bekannteste; auch kann man im Online-Shop des „Flügels“ Baumwolltaschen, T-Shirts und Tassen mit Höckes Konterfei kaufen.
Schließt man die Flügel-Anführer wie Höcke und Kalbitz und ihre AnhängerInnen nicht aus oder verhängt zumindest Ämtersperren, dürfte die rechtsextreme Strömung weiter einflussreich in der Partei bleiben – auch wenn es sie offiziell nicht mehr gibt. Der Verfassungsschutz rechnet 7.000 der etwa 35.000 AfD-Mitglieder dem Flügel zu. Es könnten aber auch einige Tausend mehr sein.
Kalbitz, der Beisitzer im Bundesvorstand ist, nahm an der Sitzung teil. Um persönliche Konsequenzen für ihn und Höcke soll es zunächst nicht gegangen sein. Höcke hatte zuletzt mit der Äußerung, „Flügel“-Gegner müssten von der Partei „allmählich auch mal ausgeschwitzt werden“ für erheblichen Unmut gesorgt. Das habe das Fass zum Überlaufen gebracht, sagte ein Parteifunktionär der taz.
Bundesvorstand könnte Kalbitz Mitgliedschaft aberkennen
Kalbitz muss nach Meinung zahlreicher Kritiker belegen, dass er nicht Mitglied der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) war. Die Neonaziorganisation, die Kinder und Jugendliche unter anderem in Zeltlagern zur künftigen nationalsozialistischen Elite heranziehen wollte, ist seit 2009 verboten. Dem Verfassungsschutz liegt laut Medienberichten eine Mitgliederliste von 2007 vor, in der unter der Mitgliedsnummer 01330 die „Familie Andreas Kalbitz“ aufgeführt sein soll.
Dass Kalbitz Kontakte zur HDJ hatte und bei einem Zeltlager war, ist seit langem bekannt. Wenn er aber Mitglied war, hätte Kalbitz das beim AfD-Parteieintritt angeben müssen. Weil er das nicht tat, könnte der Bundesvorstand ihm mit einfacher Mehrheit die Mitgliedschaft aberkennen.
Das machte das Gremium aber nicht. Es forderte Kalbitz lediglich dazu auf, für Klarheit zu sorgen – und wenn nötig juristisch gegen die Behauptung vorzugen, dass er Mitglied der HDJ gewesen sei. Ein Beweis, dass es diese Mitgliedschaft gegeben habe, liege der AfD bislang schließlich nicht vor, hieß es. Höcke wird in die nächste Sitzung des Bundesvorstands Mitte April geladen. | 234,778 |
1 | Ägyptischem Komiker droht Verhaftung: Mursi versteht keinen Spaß
Der populäre ägyptische TV-Satiriker Bassem Jussif soll festgenommen werden. Er soll Präsident Mursi und den Islam verunglimpft haben. Jussif twitterte, er wolle sich stellen.
Allgegenwärtig in Ägypten: Werbeplakat in Kairo für Bassem Jussifs Fernsehsendung. Bild: dpa
ISTANBUL/KAIRO dpa | Ein bekannter ägyptischer Komiker soll wegen seiner Witze über Präsident Mohammed Mursi festgenommen werden. Wie staatliche Medien berichteten, ordnete die Staatsanwaltschaft am Samstag die Verhaftung des Satirikers Bassem Jussif an.
Er habe sich in seiner Fernsehshow „Al-Barnameg“ über den islamistischen Staatschef lustig gemacht, hieß es zur Begründung. Dem Comedian wird neben der Präsidentenbeleidigung auch eine Verunglimpfung des Islams vorgeworfen.
Bassem Jussif kündigte über seinen Twitter-Account an, er werde am Sonntag zur Staatsanwaltschaft gehen. Man könne aber auch ein Polizeiauto schicken, falls er schon am Samstag gebraucht werde, witzelte er. Dann blieben ihm die Transportkosten erspart.
Der ehemalige Arzt hatte nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Husni Mubarak im März 2011 mit einer Satire-Show im Internet begonnen. Schnell wurde er populär und seine Sendung fortan im Fernsehen ausgestrahlt. | 234,779 |
1 | Antiregierungsproteste in Venezuela: Rettungskräfte zählen 100 Verletzte
Bei einer Demonstration in der Hauptstadt Caracas sind Dutzende Menschen verletzt worden. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.
Bislang kamen bei den Protesten 60 Menschen ums Leben, mehr als 1.000 wurden verletzt Foto: reuters
CARACAS dpa | Bei heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten in der venezolanischen Hauptstadt Caracas sind Dutzende Menschen verletzt worden. Anhänger der Opposition zogen am Mittwoch über eine Stadtautobahn und demonstrierten gegen die sozialistische Regierung von Präsident Nicolás Maduro. Die Polizei stoppte den Protestzug mit Tränengas und Wasserwerfern.
„Die Unterdrückung durch die Sicherheitskräfte hat heute zu Dutzenden Verletzten geführt. Sie haben uns mit Tränengaskartuschen, Gummigeschossen und sogar mit Kugeln verletzt“, sagte der oppositionelle Abgeordnete Miguel Pizarra. Die Rettungskräfte zählten mindestens 100 Verletzte.
Seit zwei Monaten gehen in Venezuela fast täglich Demonstranten gegen Präsident Maduro auf die Straße. Sie werfen der Regierung Menschenrechtsverletzungen vor und fordern Neuwahlen. Maduro hingegen spricht von einer Verschwörung der Opposition und des Auslands. Bislang kamen bei den Protesten 60 Menschen ums Leben, mehr als 1000 wurden verletzt.
„Trotz dieses massiven und selektiven Terrorismus machen wir auf demokratische und pazifistische Weise weiter, bis die verfassungsmäßige Ordnung wieder hergestellt ist“, sagte der frühere Parlamentspräsident Henry Ramos Allup bei der Kundgebung.
Die Außenminister der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gingen bei ihrer Krisensitzung zu Venezuela am Mittwoch in Washington ohne Ergebnis auseinander, weil sie sich nicht auf eine gemeinsame Abschlusserklärung einigen konnten.
Die Abwertung des Bolívar
„Wir müssen festhalten, dass es in Venezuela einen Bruch mit der demokratischen Ordnung gibt“, sagte der mexikanische Außenminister Luis Videgaray. Venezuelas Verbündete stemmten sich gegen eine gemeinsame Erklärung. „Einige Länder wollten eine Resolution verabschieden, die die Souveränität verletzt, die auf Intervention setzt. Das hat nicht geklappt“, sagte Boliviens Außenminister Fernando Huanacuni.
Venezuela leidet unter einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. Regierung und Opposition stehen sich unversöhnlich gegenüber, mehrere Dialogversuche sind bereits gescheitert.
BildergalerieNo Más Muertes – die Proteste in Venezuela10 Bilder
Inmitten der schweren Wirtschaftskrise in Venezuela hat die Notenbank die Landeswährung Bolívar um 64 Prozent abgewertet. Bei einer Devisenversteigerung in der vergangenen Woche sei ein Preis von 2010 Bolívar pro US-Dollar erzielt worden, teilte die Zentralbank am Mittwoch mit. Auf diesen Wert werde nun auch der offizielle Wechselkurs festgelegt. Zuvor lag er bei 1:721.
Wegen des niedrigen Ölpreises und jahrelanger Misswirtschaft verfügt Venezuela zudem kaum noch über Devisen, um Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs einzuführen.
Die Abwertung des Bolívar dürfte die Inflation weiter in die Höhe treiben. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für das laufende Jahr eine Teuerungsrate von mehr als 1600 Prozent. | 234,780 |
1 | Geflüchteten-Aufnahme in Kommunen: Belastet, aber nicht überlastet
Eine Untersuchung zeigt, wo und warum die Aufnahme von Ukrainer*innen gut gelang. Behörden, die aus 2015 gelernt haben, hatten weniger Probleme.
Zentrale Anlaufstelle der Caritas für Flüchtlinge aus der Ukraine am Hauptbahnhof in München
BERLIN taz | Wie gut es Kommunen gelingt, die Aufnahme von Geflüchteten zu organisieren, variiert von Ort zu Ort und hat auch damit zu tun, wie aktiv Behörden das Thema angehen. Das geht aus einer neuen Untersuchung hervor, die am Mittwoch bei einer Veranstaltung des Mediendienst Integration vorgestellt wurde. Demnach hat die Ankunft von rund 1 Million Geflüchteter aus der Ukraine 2022 die lokalen Behörden vielerorts zwar vor große Herausforderungen gestellt, eine flächendeckende Überlastung wurde aber nicht festgestellt.
Laut den Autoren der Untersuchung, dem Sozialwissenschaftler Boris Kühn und dem Tübinger Flüchtlingskoordinator Julian Schlicht, gelang die Aufnahme dort vergleichsweise gut, wo die Behörden aus den Erfahrungen von 2015 gelernt hatten, als zuletzt sehr viele Geflüchtete nach Deutschland kamen. Eine Rolle spielte außerdem, ob die damals etablierten Strukturen in Verwaltung und Aufnahmeeinrichtungen zwischenzeitlich wieder abgebaut wurden, oder ob sie beibehalten wurden. Es ergebe Sinn, Notfallkapazitäten dauerhaft vorzuhalten.
Zu bewältigen war die Unterbringung der Ukrainegeflüchteten auch deshalb, weil die Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung sehr groß gewesen sei und Behörden das an vielen Orten zu nutzen wussten. „Proaktives“ Vorgehen der Kommunen, habe hier oftmals zum Erfolg geführt, so Kühn. Er berichtete von einer Kommune, bei der die Verwaltungsbeamt*innen „ausgeschwärmt“ seien, um private Wohnungen ausfindig zu machen, die für die Unterbringung von Geflüchteten angemietet werden konnten.
Vergleichsweise wenig Vorurteile
Geholfen habe auch, dass die Ukrainer*innen sich im Gegensatz zu anderen Geflüchteten selbstständig ihren Wohnort innerhalb Deutschlands aussuchen konnten. Deutschlandweit sei so ein Großteil der Ukrainegeflüchteten direkt im freien Mietmarkt zu einer Wohnung gekommen oder zumindest in staatlich organisierten Privatwohnungen untergekommen. Nur rund 250.000 Ukrainer*innen seien in klassischen staatlichen Unterkünften eingezogen.
Kühn sagte aber auch: „Wir können nicht für alle künftigen Krisen- und Fluchtsituationen von einer ähnlichen Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ausgehen.“ Die große Aufnahmebereitschaft im Fall der Ukrainer*innen habe auch damit zu tun, dass viele Menschen die Ukraine als kulturell ähnlich zu Deutschland ansehen und deshalb vergleichsweise wenig Vorurteile bestünden. Außerdem seien vor allem Frauen gekommen, die von vielen Menschen als vertrauenswürdiger angesehen werden, als die Männer, die sonst oft große Teile von Fluchtbewegungen ausmachen.
Über den Winter hatten insbesondere CDU-regierte Kommunen immer wieder geklagt, mit der Aufnahme der Ukrainer*innen finanziell und organisatorisch überlastet zu sein. Die Bundesregierung hatte es zunächst abgelehnt, mehr Geld dafür bereitzustellen. Anfang Mai hatte Bundeskanzler Olaf Scholz dann aber einmalig 1 Milliarde Euro extra zugesagt und auch Verschärfungen in der Asylpolitik in Aussicht gestellt. | 234,781 |
0 | Auf einem der breiten, bewaldeten Berge lag ein dunkler See. Er war
viereckig, mit so geraden Ufern und so scharfen Winkeln, als wäre er von
Menschen gegraben. Auf drei Seiten war er von steilen Felswänden umgeben,
an die die Tannen sich mit ihren dicken Wurzeln festklammerten. Unten am
See, wo das Erdreich so allmählich weggeschwemmt worden war, ragten diese
Wurzeln aus dem Wasser auf, nackt und gekrümmt, und wunderbar ineinander
verschlungen. Es war wie eine ungeheure Menge Schlangen, die zugleich aus
dem Sumpfsee kriechen wollten, aber sich ineinander verwickelt hatten und
so stehen geblieben waren. Oder es war eine Menge dunkler Skelette
ertrunkner Riesen, die der See ans Land hatte werfen wollen. Arme und Beine
verschlangen sich ineinander, die langen Finger krallten sich in den
harten Fels ein, die ungeheuren Rippen bildeten Rundbogen, die uralte Bäume
trugen. Es war doch vorgekommen, daß die eisernen Arme, die stahlharten
Riesenfinger, mit denen die Tannen sich festklammerten, nachgegeben hatten.
Und ein gewaltiger Nordwind hatte eine Tanne in einem weiten Bogen vom
Berghang bis in den Sumpfsee geschleudert. Mit dem Wipfel voran war sie
tief in den Schlammgrund eingedrungen und dort hängen geblieben. Jetzt
hatte die Fischbrut einen guten Zufluchtsort zwischen ihren Zweigen, aber
die Wurzeln ragten über das Wasser hinaus, wie ein vielarmiges Ungeheuer,
und die schwarzen Wurzelzweige trugen mit dazu bei, den Sumpfsee häßlich
und erschreckend zu machen. | 234,782 |
0 | Zu gleicher Zeit, als ein Theil des anglikanischen Clerus die
ursprünglich eingenommene Stellung nach einer Richtung hin verließ, wich
ein Theil der Puritaner gerade in entgegengesetzter Richtung von den
Grundsätzen und Gewohnheiten seiner Väter ab. Die von den Separatisten
erlittene Verfolgung war zwar hart genug gewesen, um zu erbittern, aber
zu gelind, um zu vernichten; man hatte sie nicht bis zur Unterwürfigkeit
gezähmt, sondern bis zur Wildheit und Unbeugsamkeit emporgestachelt. Wie
alle unterdrückten Sekten, hielten auch sie ihre eigenen Rachegefühle
für fromme Regungen, erhöhten durch Lesen und Nachdenken den Hang, über
ihre Leiden zu brüten, und bildeten sich ein, wenn sie sich bis zum
Hasse gegen ihre Feinde aufgeregt, daß sie die Feinde des Himmels
haßten. Wenn sich auch im neuen Testamente nur wenig fand, was selbst
bei unredlich verfälschter Auslegung dem Ergeben gehässiger
Leidenschaften scheinbar Nachsicht gewährte, so enthielt doch das alte
Testament die Geschichte eines Volks, das von Gott zum Zeugen seiner
Einheit und zum Diener seiner Rache auserwählt worden, und dem er
besonders mancherlei Dinge zu thun befohlen, die, ohne sein
ausdrückliches Geheiß verübt, die gräßlichsten Verbrechen gewesen wären.
In einer solchen Geschichte Vieles zu finden, was sich durch Verdrehung
den betreffenden Wünschen entsprechend machen ließ, konnte erbitterten
und düstern Gemüthern nicht schwer fallen. Bei den extremen Puritanern
begann sich nun eine Vorliebe für das alte Testament zu bilden, die sich
in ihrer ganzen Denkart und in allen ihren Gebräuchen zeigte, wenn sie
es auch sich selbst nicht offen eingestehen mochten. Der hebräischen
Sprache zollten sie eine Verehrung, die sie der Sprache versagten, in
welcher uns die Unterredungen Jesu und die Briefe des Paulus überliefert
worden; ihren Kindern gaben sie in der Taufe nicht die Namen
christlicher Heiligen, sondern die hebräischer Patriarchen und Krieger;
den wöchentlichen Festtag, den die Kirche von den ältesten Zeiten an zum
Andenken an die Auferstehung des Herrn begeht, verwandelten sie,
ungeachtet der ausdrücklichen und wiederholten Erklärungen Luthers und
Calvins, in einen jüdischen Sabbath; Rechtsgrundsätze suchten sie in den
mosaischen Bestimmungen, und Vorgänge, die ihrem gewöhnlichen Verhalten
als Muster dienen sollten, in den Büchern der Richter und Könige; ihre
Gedanken und Gespräche dreheten sich meistens um Handlungen, die man
sicherlich nicht als nachahmungswürdige Beispiele für uns
niedergeschrieben hat. Der Prophet, der einen gefangenen König in Stücke
hieb, der ungehorsame Feldherr, der das Blut einer Königin den Hunden
gab, das Weib, das ungeachtet eines gegebenen Versprechens und der
morgenländischen Gastfreundschaft zum Trotz, mit einem Nagel das Gehirn
des flüchtigen Bundesgenossen durchbohrte, der an ihrem Tische gesessen
und unter ihrem Zelte schlief, diese alle wurden den unter der Tyrannei
von Fürsten und Prälaten leidenden Christen als Muster aufgestellt.
Moral und Sitten wurden von einem Codex abhängig gemacht, der dem der
Synagoge in ihrem schlechtesten Zustande glich. Kleidung, Haltung,
Sprache, Studien und Vergnügungen dieser strengen Sekte waren nach
Grundsätzen geregelt, ähnlich denen der Pharisäer, die im Stolze auf
ihre rein gewaschenen Hände und breiten Gedenkzettel den Erlöser als
einen Sabbathschänder und Säufer schmähten. Einen Maibaum mit Kränzen zu
schmücken, die Gesundheit eines Freundes zu trinken, einen Falken fangen
zu lassen, einen Hirsch zu jagen, Schmachtlocken zu tragen, die
Halskrause zu stärken, das Spinett zu schlagen oder die Königin der Feen
zu lesen, war eine Sünde. Vorschriften dieser Art, die dem freien und
fröhlichen Geiste Luthers unerträglich, und dem hellen philosophischen
Verstande Zwingli's verächtlich erschienen sein würden, breiteten ein
mehr als mönchisches Duster über das ganze Leben. Die Gelehrsamkeit und
Redekunst, durch die sich die großen Reformatoren so hoch auszeichneten,
und denen sie größtentheils ihre Erfolge verdankten, betrachtete die
neue Schule der Protestanten mit Argwohn, wenn nicht selbst mit
Abneigung. -- Einige der Rigorösesten trugen sogar Bedenken, aus der
lateinischen Grammatik Unterricht ertheilen zu lassen, weil die Namen
Mars, Bacchus und Apollo darin vorkamen. Die schönen Künste waren so gut
wie verpönt; der feierliche Klang der Orgel erschien abergläubisch; die
leichte Musik von Ben Jonson's Maskenspielen galt für unsittlich; die
eine Hälfte der schönen Gemälde in England war götzendienerisch, die
andere unanständig. Den extremen Puritaner konnte man sofort an seinem
Gange, seiner Kleidung, seinem glatten Haare, der kalten Feierlichkeit
seines Gesichts, dem emporgekehrten Weißen der Augen, der näselnden
Sprache und vor Allem an seiner eigenthümlichen Ausdrucksweise erkennen.
Bei jeder Gelegenheit wendete er Bilder und Styl der heiligen Schrift
an. Hebräismen, gewaltsam in die englische Sprache verflochten, und
Metaphern, der kühnsten lyrischen Poesie eines fernen Zeitalters und
Landes entlehnt, und auf die gewöhnlichsten Angelegenheiten des
englischen Lebens angewendet, waren die hervorragendsten
Eigenthümlichkeiten dieses Sprachgemisches, das mit vollem Rechte den
Spott der Prälatisten sowohl als der Freigeister nach sich zog. | 234,783 |
0 | Filmregisseurin über „Systemsprenger“: „Existenzielles berühren“
Nora Fingscheidts Filmdebüt „Systemsprenger“ ist für den Oscar nominiert. Ein Gespräch über schwierige Recherchen und aggressive Farben.
„Wir wollten die Energie von diesem Kind umsetzen, dieses „Zuviel““: Nora Fingscheidt Foto: dpa
taz: Frau Fingscheidt, was hat Sie zu „Systemsprenger“ inspiriert?
Nora Fingscheidt: Ich wollte immer schon einen Film über ein wildes, wütendes Mädchen machen, eins, das nicht niedlich ist. Die Story dazu musste ich aber erst suchen. Als ich bei einer Auftragsarbeit für die Caritas ein Heim für wohnungslose Frauen in Stuttgart porträtierte, traf ich eine Vierzehnjährige, die gerade dort eingezogen war. Damals hörte ich zum ersten Mal den Begriff „Systemsprenger“ – ein Kind, das aus sämtlichen Systemen herausgefallen ist, durch alle Institutionen durch ist.
Warum hat Sie das fasziniert?
Das hat einerseits mit mir persönlich zu tun, ich war auch ein recht anstrengendes Kind, in der Schule musste ich ständig aus der Klasse raus. Ich weiß noch, wie sich das anfühlt, wenn man den Leuten „zu viel“ ist. Dennoch bin ich natürlich in einem stabileren Rahmen aufgewachsen. Andererseits berühren einen Menschen, die eine krasse, aber destruktive Energie ausstrahlen – wenn es sich um Rockstars handelt, himmeln wir sie an! Bei Kindern wie Benni ist so etwas jedoch tragisch.
im Interview:Nora FingscheidtNora Fingscheidt, 1983 in Braunschweig geboren, war ab 2003 in Berlin beim Aufbau der selbst organisierten Filmschule filmArche beteiligt. Anschließend studierte sie an der Filmakademie Baden-Württemberg. Ihr Dokumentarfilm „Ohne diese Welt“ erhielt 2017 den Max-Ophüls-Preis. „Systemsprenger“, ihr Spielfilmdebüt, lief dieses Jahr im Wettbewerb der Berlinale.
Hatten Sie bei der Arbeit am Film Angst, sich von dieser Tragik zu sehr berühren zu lassen, sich nicht distanzieren zu können?
Es gab eine Zeit in der Recherche, in der es tatsächlich zu viel für mich wurde. Alles überlagerte sich, ich sah nur noch Kindesmisshandlung überall, konnte nicht mal mehr U-Bahn fahren, ohne dauernd daran erinnert zu werden. Mein Weltbild hatte sich wirklich verdüstert. Da musste ich ein Jahr Pause machen, habe einen anderen Film gemacht. Danach ging es aber wieder.
In Ihrem Film ist glücklicherweise nicht nur die destruktive Kraft groß, sondern Benni wirkt überhaupt sehr stark.
Wir haben versucht, Leichtigkeit und Humor reinzubringen, eben das Kindliche der Geschichte und der Figur zu betonen. Selbst Kinder in der Kinderpsychiatrie lachen oft, das ist ein Überlebensinstinkt.
Den größten Tiefpunkt erlebt man in dem Film quasi über Bande, über die Figuren, die um Benni herum sind.
In der Recherche sind mir oft Menschen begegnet, die sich über ihre eigenen Grenzen hinaus für ein Kind engagieren, und dann selbst irgendwann an einen Tiefpunkt kommen, nicht mehr weiter können. Berufe in der Kinder-und Jugendhilfe stellen einen immer vor diese Herausforderung: Du musst dich mit den Kindern verbinden, um etwas zu bewirken – aber wenn die Verbindung zu tief ist, kann es sein, dass man selbst vor die Hunde geht. Manche finden diese Balance – ich nicht, ich würde die Kinder alle adoptieren wollen. Obwohl ich als Regisseurin, gerade beim Dokumentarfilm, eh auch in meiner Arbeit immer genau diese Balance suchen muss.
Der FilmTrailer zu "Systemsprenger"
Ist Ihr Film auch eine Kritik am bestehenden System, in das sogenannte schwierige Kinder geraten?
Ja, aber die Diskussion müssen andere führen – ich kann von außen beobachten, bin keine Fachfrau. Doch ich kann sagen, dass die Menschen in den Jugendämtern extrem überlastet sind. Ein Charakter wie Frau Bafané, die im Film von Gabriela Maria Schmeide gespielt wird, bestünde im echten Leben aus sieben verschiedenen Personen, nicht nur einer. Jede von denen hätte 70 Fälle auf dem Schreibtisch – wenn kein Kollege krank ist.
Haben Sie Reaktionen aus den genannten Institutionen bekommen?
Absolut, jede Menge. Wir haben immer noch extrem viele Fachveranstaltungen, bis in den Oktober hinein, mit Jugendämtern, Hilfsorganisationen und so weiter. Viele bedanken sich dafür, dass es einen Film über ihre Arbeit gibt. Manche finden den Film auch unrealistisch – diesen Dialog versuchen wir dann zu führen.
Wie lautet die Kritik?
Zum Beispiel habe ich Dinge verdichtet. Dass der Antiaggressionstrainer Micha, gespielt von Albrecht Schuch, Benni zu einem Zeitpunkt mit nach Hause nimmt – offiziell würde das kein Helfer tun. Ich habe in der Recherche dennoch mit ein paar Leuten gesprochen, die zugaben, so etwas getan zu haben. Manche Dinge habe ich vereinfacht – ich habe keinen sexuellen Missbrauch mit ins Buch geschrieben, der bei einem Kind wie Benni im echten Leben vermutlich eine Rolle gespielt hätte. Das hätte aber ein neues Riesenthema aufgemacht, und die Auseinandersetzung mit Bennis Gewalt wäre eine andere geworden.
Micha ist eine wichtige Person für Benni, wie haben Sie Albrecht Schuch gefunden?
Das war toll: Am Anfang sah Albrecht ganz anders aus, hatte blondes Haar, wie ein Surfer. Wir haben ihm die Haare abrasiert, und dabei kam diese wahnsinnig schöne Narbe zutage, die er am Kopf hat – ein Geschenk für die Regie, für die Authentizität des Charakters. Die passt so gut zu seiner Vorgeschichte! Albrecht hat sich voll reingeschmissen, hat Rollenspiele mit Jugendlichen gemacht, Survivaltraining, hat Antiaggressivitätstrainer befragt.
Die Musik und die Farbästhetik des Films scheinen Benni widerzuspiegeln.
Ja, wir wollten die Energie von diesem Kind umsetzen, dieses „Zuviel“ in alle Bereiche des Filmemachens transportieren, angefangen mit der Geschichte – die ist eigentlich zu lang, man sollte denken: Ich kann nicht mehr, wann hört das endlich auf? Das ist aber Absicht! Es hat mit ihrer Energie zu tun. Und die Musik, die manchmal nervt und stört, aber auch etwas Kindliches hat, der wilde Schnitt, die grellen Farben, die warmen, kräftigen Töne wie Rot, Gelb, Orange, Pink – das ist alles eine Übersetzung von Bennis Charakter. Die Farben verändern sich im Film ja auch – immer wenn sie bei ihrer Mutter war, trägt sie beispielsweise Rot. Ich wollte eine sinnliche Erfahrung schaffen.
Wenn man sich die Rezeption und die Preise anschaut, scheint die Geschichte universal gut zu funktionieren. Und der Film geht für Deutschland ins Oscar-Rennen.
Ja, wir sind überwältigt. Bis heute hat der Film 21 Preise gewonnen, in den unterschiedlichsten Ländern, Taiwan, Chile, der Ukraine … das bläst mir fast den Kopf weg! Er scheint etwas Existenzielles zu berühren, vielleicht das Bedürfnis des Menschen nach Liebe, und das, was passiert, wenn dieses Bedürfnis verweigert wird. Darüber hinaus hat er uns Jobmöglichkeiten verschafft – Helena dreht jetzt mit Tom Hanks! Aber ich weiß auch, dass es beim nächsten Film wieder ganz anders werden kann.
Nach der Erfahrung mit dem Film – gibt es Ihrer Ansicht nach Kinder, die besser nicht in ihrer Familie leben sollten?
Das ist sehr schwer zu sagen, das muss man nach dem Einzelfall entscheiden. Momentan ist der Status quo in der Pädagogik, das Kind so lange wie möglich in der Familie zu lassen, egal wie problematisch das Elternhaus ist. Noch in den 90ern war das anders, da hat man die Kinder möglichst schnell rausgeholt. Es kommt auf die Eltern, die Alternativen, die Art der Hilfe an. Ich weiß leider auch nicht, was besser ist. | 234,784 |
1 | Äußerungen zu Olympischen Spielen: Romney beleidigt Briten
Zum ersten Mal in Europa und gleich ins Fettnäpfchen getreten: US-Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney hat sich in London schnell unbeliebt gemacht.
Nicht viele Freunde gefunden: Mitt Romney in London. Bild: reuters
LONDON dapd | Nach heftiger Kritik an seinen Äußerungen zum Stand der Vorbereitungen vor den Olympischen Spielen in London hat der US-Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney den Fuß aus dem Fettnäpfchen gezogen. "Ich gehe davon aus, dass die Spiele höchst erfolgreich sein werden", erklärte Romney.
Zuvor hatte er infrage gestellt, dass Großbritannien ausreichend auf die am Freitag beginnenden Spiele vorbereitet sei: Im Gespräch mit dem US-Fernsehsender NBC hatte er kurz nach seinem Eintreffen in London am Mittwoch den Stand der Sicherheitsvorkehrungen als "beunruhigend" bezeichnet.
Der britische Premierminister konterte die Kritik mit den Worten: "Wir veranstalten die Spiele in einer der belebtesten, aktivsten und geschäftigsten Städte der Welt. Natürlich ist es einfacher, die Olympischen Spiele mitten im Nirgendwo zu veranstalten." Damit spielte Cameron auf die Olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City an. Romney war damals Geschäftsführer des Organisationskomitees.
Auch Londons Bürgermeister Boris Johnson wies die Äußerungen Romneys entschieden zurück. "Da gibt es einen Typ namens Mitt Romney, der wissen will, ob wir bereit sind", sagte er vor zehntausenden Menschen im Hyde Park. "Sind wir bereit? Jawoll!"
Romney, der ehemalige Gouverneur von Massachusetts und voraussichtliche republikanische Kandidat für die US-Präsidentschaft, will noch die Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in London besuchen, bevor er nach Israel und Polen reist. | 234,785 |
1 | Die Entwicklung ländlicher Räume ist aktuell durch tief greifende Veränderungsprozesse gekennzeichnet: Je nach landschaftlichen Ausgangsbedingungen, je nach Lage im Netz der großen Entwicklungsachsen und großen Städte stehen ländliche Räume heute in einem Spannungsfeld zwischen zunehmenden Stadt-Umland-Verflechtungen einerseits und wachsender peripherer Abgeschiedenheit mit rückläufigen sozioökonomischen Aktivitäten andererseits. Mit sich verändernden gesellschaftlichen Werthaltungen und Raumwahrnehmungen wandeln sich Standortpräferenzen der Wirtschaft genauso wie jene für individuelle Lebens- und Arbeitsumfelder. Ländliche Regionen nehmen unterschiedliche Entwicklungswege, die durch den demografischen Wandel weiter akzentuiert werden. Dörfer und ländliche Klein- und Mittelstädte sind gleichsam Prismen dieser Veränderungsprozesse. Gleichzeitig entstehen aus dem anhaltenden Struktur- und Funktionswandel der Landwirtschaft weitere Determinanten räumlicher Entwicklung. Anforderungen des Ressourcenschutzes und die zunehmende Notwendigkeit, Antworten auf den Klimawandel zu finden und die Biodiversität zu erhalten, beeinflussen Landnutzung, Siedlungswesen, Infrastruktur- und Standortentwicklung. Von all diesen Einflüssen bleiben die ländlichen Kulturlandschaften mit ihren natürlichen Potenzialen und ländlichen Soziokulturen nicht unberührt.
Der ländliche Raum ist also keine einheitliche Raumkategorie. Um den regional differenzierten Ausgangslagen und Entwicklungspfaden gerecht zu werden, ist eine Typisierung ländlicher Räume nötig. Erst sie ebnet den Weg dafür, Leitbilder räumlicher Entwicklung regionsbezogen zu konkretisieren und angepasste Problemlösungen zu finden. Auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene folgt Politik für den ländlichen Raum daher heute solchen Raumklassifikationen, die strukturelle und funktionale Abgrenzungskriterien miteinander verbinden. Sie stützen sich etwa auf Daten zur sozioökonomischen Struktur oder Einwohnerdichte einerseits und Verflechtungs- und Erreichbarkeitskriterien andererseits. Statistische Daten, beispielsweise zur Ausweisung von Siedlungsstrukturtypen, werden so etwa mit statistischen Zeitbedarfen, die nötig sind, um Versorgungsdienstleistungen in einem zentralen Ort zu erreichen (Erreichbarkeitskriterium), mithilfe von Geoinformationssystemen verschnitten. Dies ermöglicht beispielsweise eine Gliederung des ländlichen Raums im Stadt-Land-Kontinuum: Peripherere ländliche Regionen können dann von solchen unter Suburbanisierungseinflüssen oder von solchen mit selbsttragenden Entwicklungsdynamiken unterschieden werden. Doch sind Kriteriensets, die zugrunde gelegte Methodologie und selbst die Ansprache der ländlichen Raumtypen durchaus differenziert.
Typologien werden kontinuierlich modifiziert – zum Beispiel aus verändertem wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse heraus oder aufgrund eines veränderten Bedarfs in der Politikgestaltung, wie dieser sich etwa vor einigen Jahren in der Bundesrepublik mit dem demografischen Wandel und seinen regional unterschiedlichen Folgewirkungen abzeichnete.
Eine einzige Standardtypologie gibt es also weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene. Unter den Gesichtspunkten von Maßstab und Gebietsgrößen ist allen Typologien jedoch gemeinsam, dass sie eine Einteilung des ländlichen Raumes auf einer gewählten regionalen Ebene vornehmen. Im EU-Kontext werden dazu die in der EU verwendeten statistischen Raumeinheiten der "NUTS-Regionen 2 und 3" verwendet. Für Deutschland bilden die Landkreise und kreisfreien Städte (NUTS 3) und in der Regel die im Verwaltungsaufbau der Bundesländer verankerten regionalen Mittelebenen wie die Regierungsbezirke die kartografische Basis. In der nationalen Raumbeobachtung rückt die Landkreisebene in den Vordergrund. sektorübergreifendes Politikfeld
Politik für die ländlichen Räume baut auf diesem Grundverständnis differenzierter regionaler Ausgangslagen und Entwicklungspfade auf. Sie ist weniger Sektorpolitik als vielmehr ein politisches Handlungsfeld, in dem verschiedene raumwirksame Politiken zusammenwirken. Im Vordergrund stehen die Raumordnungs- und regionale Strukturpolitik sowie die Agrarstrukturpolitik. Doch ist in und für die ländlichen Räume auch die Naturschutz- und Umweltpolitik raumwirksam. Im Zeichen des demografischen Wandels, der Integration und der Daseinsvorsorge ist im Handlungsfeld der ländlichen Raumentwicklung des Weiteren der Stellenwert der Sozial-, Bildungs- und Kulturpolitik gestiegen.
Der politische Auftrag umfasst nichts Geringeres, als die Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums in seiner regionalen Vielfalt zu sichern. Dazu zählt, ein zweckmäßiges Niveau der Daseinsvorsorge zu gewährleisten, angepasste zentralörtliche Funktionen aufrechtzuerhalten, Zugänge zu Mobilität, Information und Wissen zu ermöglichen und gegebenenfalls durch Digitalisierung zu verbessern sowie eine nachhaltige Landnutzung zu gewährleisten, die auch das natürliche und kulturelle Erbe der ländlichen Kulturlandschaften berücksichtigt.
Die inhaltliche wie regionale Komplexität der Problemlagen verlangt Ziele und Instrumente im Sinne einer abgestimmten ganzheitlichen, das heißt querschnittsorientierten oder integrierten Politik für den ländlichen Raum, damit Synergien in der ländlichen Raumentwicklung erreicht werden können. Diese Notwendigkeit zu sektorübergreifender Zusammenarbeit darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der eingeschlagene Weg "steinig" ist: Ungeachtet aller Erfolge und Fortschritte, durch die sich in den vergangenen Jahren das Politikfeld insbesondere auf EU- und Bundesebene akzentuiert hat, besteht die permanente Aufgabe, Ziel- und Maßnahmenkohärenzen über die verschiedenen Ressorts hinweg herzustellen und Schnittstellen zwischen den einzelnen politischen Handlungsfeldern zu schärfen.
Damit folgt diese Politik gültigen Handlungsorientierungen, wie etwa jenen der nachhaltigen Entwicklung, der Gewährleistung gesellschaftlicher Teilhabe an Wohlstandsentwicklung oder einer an den Potenzialen von Teilräumen orientierten Wirtschaftsleistung. Sie ist damit auch dem zentralen raumordnungspolitischen Leitsatz der "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse" gemäß Paragraf 1 Absatz 2 Raumordnungsgesetz (ROG) verpflichtet. Dieser ist Ausdruck sozialen Ausgleichs und einer anzustrebenden Verteilungsgerechtigkeit. Er basiert unmittelbar auf dem Sozialstaatsprinzip gemäß Artikel 20 Grundgesetz (GG) und dem Benachteiligungsverbot gemäß Artikel 3 GG.
Im Zeichen veränderter Rahmenbedingungen staatlichen Handelns, einem gewandelten Demokratieverständnis und einer veränderten Planungskultur sowie nicht zuletzt angesichts wachsender regionaler Disparitäten in Deutschland und der EU ist der Gleichwertigkeitsgrundsatz in den vergangenen Jahren mehrfach kontrovers diskutiert worden. Er wird heute im Sinne eines "staatlichen Ermöglichens" interpretiert, das heißt, staatliches Handeln ist darauf ausgerichtet, je nach regionaler Situation und unter Berücksichtigung gewandelter gesellschaftlicher Ansprüche, verändertem Mobilitätsverhalten oder Lebensstilen, Voraussetzungen für Daseinsvorsorge und Teilhabe an Gesellschaft und Wohlstand zu gewährleisten.
Politik im und für den ländlichen Raum ist vor diesem Hintergrund dem Auftrag verpflichtet, die raumordnerischen Leitvorstellungen und Grundsätze gemäß Paragrafen 1 und 2 ROG im Sinne einer abgestimmten Raumentwicklung sowie die aktuellen Leitbilder der Raumordnung – Wettbewerbsfähigkeit stärken, Daseinsvorsorge sichern, Raumnutzungen steuern und nachhaltig entwickeln und Klimawandel und Energiewende gestalten – auszuarbeiten und umzusetzen. Sie ist in das Mehrebenensystem von EU, Bund und Bundesländern eingebunden (Abbildung 1). Als raumwirksame Politik unterliegt sie dabei den Regelungsprinzipien von Subsidiarität und Gegenstrom. Diese elementaren Grundprinzipien staatlichen und insbesondere planerischen Handelns im föderativen System bilden die Basis für ein zielführendes "Zusammenführen" von Leitbildern, Zielen und Maßnahmen über die verschiedenen Ebenen hinweg. Die Ausarbeitung und Umsetzung politischer Ziele vollzieht sich dabei in einer Planungskultur, die im Zeichen eines veränderten Verantwortungs- und Steuerungsverständnisses steht und in deren Mittelpunkt der "Governance"-Begriff zu finden ist. Ungeachtet unterschiedlicher fachdisziplinärer Zugänge zum Begriff ist diese Planungskultur heute Ausdruck eines gewandelten Verständnisses staatlicher Aufgaben im Umfeld von Demokratisierung und Bürgermitwirkung, öffentlich-privaten Kooperationen und Partnerschaften, von akteursgetragenen Entscheidungsprozessen in regionalen oder lokalen Raumkontexten. Sie ist einerseits durch Elemente strategischer Planung charakterisiert, etwa wenn es darum geht, in einer Region zusammen mit den regionalen Akteuren gemeinsame Visionen für die räumliche Entwicklung zu erarbeiten oder Handlungsprioritäten festzulegen. Sie ist andererseits durch eine umsetzungsbezogene Planung gekennzeichnet, denn dem projektbezogenen Arbeiten, in dem gesteckte Ziele realisiert werden, wird ein großer Stellenwert beigemessen.
Politik für den ländlichen Raum ist im hohen Maße darauf ausgerichtet, sowohl das prozessuale und kooperative Entwicklungs- und Planungsgeschehen als auch das projektorientierte Arbeiten zu unterstützen und mit geeignetem Instrumenteneinsatz zu steuern. Instrumente des Planungs- und Ordnungsrechts, des Anreiz- und Förderrechts sowie kooperative Instrumente informeller Planung und Entwicklung stehen dafür zur Verfügung. Ländliche Raumentwicklung, die sich konzeptionell als "integrierte ländliche Entwicklung" versteht, baut so auf vielfältigen Formen der Koordination und Zusammenarbeit zwischen formal-rechtlichen und informellen Planungs- und Steuerungsinstrumenten auf (Abbildung 2). Im Blickpunkt: Agrarstrukturpolitik
Im europäischen Politikfeld zur Entwicklung ländlicher Räume nimmt die Agrarpolitik eine besondere Stellung ein, weil sie mit ihren Teilpolitiken der Markt- und Preispolitik, der Struktur- und Agrarumweltpolitik, direkt oder indirekt auf Entscheidungen zur Landnutzung einwirkt. Im Mittelpunkt steht die Agrarstrukturpolitik. Die gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) hat sich seit den 1960er Jahren mehrfach gewandelt. Der entscheidende Impuls zur Etablierung einer Politikachse für die ländliche Raumentwicklung ging 1996 von der Konferenz von Cork (Irland) aus. Das dort verabschiedete Zehn-Punkte-Programm für die Entwicklung ländlicher Räume in Europa lenkte die Aufmerksamkeit darauf, die regionalen Disparitäten und besonderen Problemlagen in der ländlichen Entwicklung wirksam aufzufangen. Es formulierte dazu ein Spektrum neuer agrarstrukturpolitischer Orientierungen, zu denen unter anderem auch innovative Ansätze einer integrierten ländlichen Entwicklung gehörten. Im Zuge der Agenda 2000 der EU wurde die Programmatik ländlicher Raumentwicklung erstmals als sogenannte Zweite Säule der EU-Agrarpolitik neben die klassische Markt- und Preispolitik (Erste Säule) gestellt. Wenn auch zwischenzeitlich weitere Reformen der EU-Agrarpolitik dazu geführt haben, die Zweite Säule über die Jahrzehnte hinweg finanziell besser auszustatten, steht ihr Finanzvolumen nach wie vor hinter dem der Ersten Säule zurück. Dieser Umstand wie auch die für die in jeder Förderperiode vorgenommenen inhaltlichen Anpassungen an veränderte Ausgangslagen in der ländlichen Entwicklung geben immer wieder Anlass zu kritischen Diskursen.
Auch die EU-Gemeinschaftsinitiative LEADER (Liaison entre actions de développement de l’économie rurale), die heute einen festen Platz in der Förderlandschaft der ländlichen Raumentwicklung einnimmt, nahm in den 1990er Jahren ihren Anfang. Erstmals stellte sie die lokale und kleinregionale Handlungsebene der peripheren ländlichen Räume Europas in den Fokus, um damit neue Lösungen für die Probleme dieser Regionen zu finden. Sie adressierte die ländlichen Akteure vor Ort und zielte darauf ab, ländliche Entwicklung aus dem Erkennen und Ausschöpfen der jeweiligen regionalen Potenziale voranzutreiben. Hatte LEADER zunächst den Charakter eines "Labors" für innovative ländliche Regionalentwicklung, ist die LEADER-Programmatik heute als allgemeiner Schwerpunkt in der Förderung der EU-Agrarpolitik angekommen. Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer der LEADER-Aktionsgruppen und deren Partner zählen über die Projektarbeit hinaus seit jeher zu den Zielen des Programms. Heute wird die ländliche Raumentwicklung in Regionen und vor Ort vielfältig durch LEADER-Netzwerke getragen, die zudem auf den verschiedenen Handlungsebenen institutionelle Unterstützung erfahren, etwa durch die Deutsche Vernetzungsstelle LEADER.
2016 hat die Nachfolgekonferenz von Cork ("Cork 2.0") die Programmatik der EU-Politik für die ländlichen Räume grundsätzlich bestätigt und gemäß der aktuellen Anforderungen in einem neuen Zehn-Punkte-Programm justiert. Betont werden zukunftsweisende inhaltliche Ausrichtungen wie der konsequente Ausbau ländlicher Wertschöpfungsketten oder die Teilhabe an Wissen und Innovation, und dem Governance-Ansatz wird weiterhin eine besondere Bedeutung beigemessen. Umsetzung der Politik im Mehrebenensystem
Die Wirkungsmechanismen der EU-Agrarstrukturpolitik entfalten sich über die verschiedenen politischen Ebenen hinweg in differenzierten Ziel- und Anreizsystemen, die in komplexen Abstimmungsprozessen auf die nationale und – in Deutschland – auf die föderative Ebene der Bundesländer "heruntergebrochen" werden. Die EU-Agrarpolitik folgt den Leitzielen der von der Europäischen Kommission verabschiedeten "Europa 2020-Strategie". Daraus leiten sich die aktuell gesetzten Prioritäten in der Entwicklung ländlicher Räume ab, die mit folgenden Schlagworten umrissen werden:
Wissenstransfer, Bildung und Beratung, Wettbewerbsfähigkeit, Lebensmittelketten und Risikomanagement, Förderung von Ökosystemen, Förderung der Ressourceneffizienz, Arbeit und Entwicklung im ländlichen Raum sowie Priorität für methodische Ansätze.
Diese finden in den geltenden Förderkorridoren der unterschiedlichen Europäischen Struktur- und Investitionsfonds, die im "Gemeinsamen strategischen Rahmen" (GSR) zusammengebunden werden, ihren Niederschlag. Der Agrarstrukturpolitik selbst steht dabei der "Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung der ländlichen Räume" (ELER-Fonds) zur Verfügung. Mit seinen vier Förderkorridoren – Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft, Agrarumweltmaßnahmen und Tierschutz, integrierte ländliche Entwicklung und Förderung lokaler und regionaler Entwicklungsstrategien sowie Impulse für lokale und regionale Aktionsgruppen (LEADER) – unterstützt er die Umsetzung der genannten Zielprioritäten auf europäischer Ebene. Er ist zentrales Instrument der EU zur ländlichen Raumentwicklung im Rahmen der Agrarstrukturpolitik. Dabei bleiben Spielräume für nationale Ausgestaltung erhalten, was dem Ansatz entspricht, der Vielfalt ländlicher Regionen und den Spezifika regionaler Problemlagen entgegenzukommen.
In verwaltungstechnisch-organisatorischer und rechtlicher Hinsicht vollzieht sich diese Ausgestaltung im Mehrebenensystem EU-Bund-Bundesländer mithilfe verschiedener Steuerungsinstrumente: Die "Durchgängigkeit" der gesamten EU-Förderprogrammatik und der zur Verfügung stehende Finanzierungsrahmen wird mit Blick auf die nationale Ebene in der laufenden Förderperiode 2014 bis 2020 durch die "Partnerschaftsvereinbarung" zwischen der EU-Kommission und der Bundesrepublik Deutschland festgelegt. In diesem Dokument wird beschrieben, wie die Finanzmittel in der geltenden Förderperiode eingesetzt werden sollen, um die Ziele der "Europa 2020-Strategie" im jeweiligen nationalen Rahmen zu erreichen.
Auf Bundesebene stellt die "Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK) von Bund und Ländern den maßgeblichen Rahmen dar, in dem nationale und europäische Programmansätze "zusammengebunden" werden: Die Ziele des ELER-Fonds werden in Anpassung an die nationalen und ländereigenen Bedürfnisse zur Entwicklung ländlicher Räume ausgestaltet und modifiziert und die EU-Finanzmittel von Bund und Ländern mittels Ko-Finanzierung aufgestockt. Die Verteilung der Finanzmittel und die für einen bestimmten Zeitraum geltenden Fördergrundsätze werden im gemeinsam von Bund und Ländern ausgehandelten GAK-Rahmenplan festgeschrieben, der in seiner aktuellen Fassung bis 2019 gilt. Doch auch Gestaltungsspielräume für die einzelnen Bundesländer werden berücksichtigt. Sie füllen diese, eingepasst in die Förderung der Gemeinschaftsaufgabe, in eigenen operationellen Programmen zur ländlichen Entwicklung aus. Hier finden sich im Vergleich der Bundesländer durchaus unterschiedliche Gewichtungen der Förderstränge wieder. Der aktuelle GAK-Rahmenplan gliedert zahlreiche Förderbereiche aus und berücksichtigt dabei auch Maßnahmen zur integrierten ländlichen Entwicklung, um ländliche Strukturen zu verbessern. So gelten beispielsweise die Erstellung integrierter Entwicklungskonzepte, der Aufbau eines Regionalmanagements oder die Dorferneuerung als förderfähige Tatbestände.
Über die genannten Regelungen und Instrumente hinaus unterstützen Bund und Bundesländer die Entwicklung ländlicher Räume zurzeit mit zahlreichen weiteren Initiativen, Programmen und Modellvorhaben. Prominentes Beispiel dafür ist die "Bundesinitiative ländliche Entwicklung" der Bundesregierung, in deren Rahmen das Bundesprogramm "Ländliche Entwicklung" aufgelegt ist. In der Programmperiode bis 2020 werden die zur Verfügung gestellten Finanzmittel unter anderem dafür verwendet, Modell-, Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, Wettbewerbe oder Projekte des Wissens- und Informationstransfers umzusetzen. Dazu zählen beispielsweise das bereits gestartete Modellvorhaben "Land(auf)Schwung" oder der Wettbewerb "Kerniges Dorf – Umbau gestalten".
Auch andere ressortspezifische Initiativen und Förderprogramme richten ihr Augenmerk aktuell verstärkt auf Problemkreise der ländlichen Entwicklung. So wendet sich die Städtebauförderung besonders auch an die ländlichen Klein-und Mittelstädte, um drängende Probleme, die sich dort in der Innenentwicklung oder in der Erhaltung der Daseinsvorsorge vielerorts stellen, zu lösen. Schlussbemerkung
Die Entwicklung ländlicher Räume in Europa und in Deutschland ist Gegenstand eines breiten Politikfelds. Über die Einbettung in den politischen Kontext der EU hinaus wird die Thematik auf der nationalen Ebene unterschiedlich ausgefüllt. In Deutschland findet die Entwicklung ländlicher Räume in vielfältigen programmatischen Handlungsansätzen ihren Niederschlag. Dies kommt der Forderung nach einer querschnittsorientierten, auf Synergien angelegten ländlichen Entwicklung entgegen. Wie die angeführten Beispiele deutlich machen, sind über die traditionellen Förderthemen wirtschaftlicher oder städtebaulicher Entwicklung in den vergangenen Jahren weitere Initiativen und Vorhaben auf den Weg gebracht worden. Sie zielen darauf ab, öffentliche und private Akteure in der ländlichen Regional-, Kommunal- und Dorfentwicklung zu befähigen, eigenverantwortliche Problemlösungen zu finden, diese in Konzepten zu strukturieren und schließlich auch zu realisieren. Dies folgt dem Paradigma governance-geprägter Planungskultur im ländlichen Raum, die sich auch in den Orientierungen der zur Verfügung stehenden Instrumente und Förderlinien in der EU, im Bund und in den Bundesländern zeigt.
Vgl. u. a. Monica Brezzi/Lewis Dijkstra/Vincente Ruiz, OECD Extended Regional Typology: The Economic Performance of Remote Rural Regions, in: OECD Regional Development Working Papers 6/2011, S. 1–21; Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.), Raumabgrenzungen und Raumtypen des BBSR, in: Analysen Bau.Stadt.Raum 6/2012, S. 1–111.
Nomenclature des unités territoriales statistiques: offizielles statistisches Gebietsraster der EU. Jedes Mitgliedsland ordnet seinem Verwaltungsaufbau entsprechend Teilräume diesem räumlich-statistischen System auf drei Ebenen zu. NUTS bietet damit ein System der Vergleichbarkeit von statistischen Daten im EU-Kontext.
Vgl. Jürgen Buchwald/Thomas Reimann/Lutz Scherling, Politik für ländliche Räume. Entwicklungstrends und Herausforderungen, in: Klaus Kummer/Josef Frankenberger (Hrsg.), Themenschwerpunkt 2013: Landesentwicklung für Ländliche Räume – Analysen und Antworten zu Demographiewandel, Planungszielen und Strukturveränderung, Berlin–Offenbach 2013, S. 3–33.
Vgl. Alexander Milstein, Grundlagen des europäischen Raumentwicklungsrechts, Münster 2016, S. 73 f.
Vgl. Berlin-Institut/IASS (Hrsg.), Was Bevölkerungsrückgang für die Versorgung ländlicher Regionen bedeutet, Berlin 2013; Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.), Daseinsvorsorge und gleichwertige Lebensverhältnisse neu denken. Perspektiven und Handlungsfelder, Positionspapier aus der ARL 108/2016, Externer Link: http://shop.arl-net.de/media/direct/pdf/pospaper_108.pdf.
Vgl. Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO), Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland, MKRO-Beschluss vom 9. 3. 2016.
Vgl. Arthur Benz et al. (Hrsg.), Handbuch Governance, Wiesbaden 2007.
Vgl. Thorsten Wiechmann/Gerald Hutter, Strategische Planung – Zum Stand der Diskussion, in: dies., Strategische Planung, Kassel 2010, S. 7–16.
Vgl. Rico Kaufer et al., Steuerungspotentiale der Agrar- und Raumordnungspolitik für ökologisch und ökonomisch nachhaltige ländliche Regionen, in: Raumforschung und Raumordnung 71/2013, S. 381–396; Peter Weingarten/Barbara Fährmann/Regina Grajewski, Politik zur Entwicklung ländlicher Räume als 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik, in: Helmut Karl (Hrsg.), Koordination raumwirksamer Politik. Mehr Effizienz und Wirksamkeit von Politik durch abgestimmte Arbeitsteilung, Hannover 2014, S. 23–49; Dieter Kirschke/Ulrich Koester/Astrid Häger, Ist die EU-Agrarpolitik ihr Geld wert?, in: Wirtschaftsdienst 4/2014, S. 288–293.
Vgl. Deutsche Vernetzungsstelle LEADER, Netzwerk Ländliche Räume, Externer Link: http://www.netzwerk-laendlicher-raum.de.
Vgl. The Cork Declaration 2.0, 6. 9. 2016, Externer Link: http://ec.europa.eu/agriculture/events/2016/rural-development/cork-declaration-2-0_en.pdf.
Vgl. Europäische Kommission, Europa 2020. Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum, 3. 3. 2010, Externer Link: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2010:2020:FIN:DE:PDF.
Vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" für den Zeitraum 2016–2019, Juli 2016, Externer Link: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/Foerderung/Rahmenplan2016-2019.pdf?__blob=publicationFile.
Vgl. ebd.
Siehe Bundesprogramm "Ländliche Entwicklung" unter www.bmel.de/DE/Laendliche-Raeume/BULE/bule_node.html.
Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Städtebauförderung: Ziele, Finanzierung und Mittelverteilung, o. D., Externer Link: http://www.staedtebaufoerderung.info/StBauF/DE/Grundlagen/Mittelverteilung/Mittelverteilung_node.html.
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1 | Eine der denkwürdigsten Botschaften an die Demonstranten in Brasilien wurde im sozialen Netzwerk Instagram gepostet. "Es wurden viele Investitionen versprochen", hatte zunächst der legendäre brasilianische Stürmerstar Ronaldo der Regierung öffentlich vorgeworfen, "aber nicht erbracht." Nur ein Drittel der Infrastruktur-Projekte werde bis zum WM-Anpfiff umgesetzt, weshalb er Verständnis für die Proteste habe. Vielen WM-Kritikern im sozialen Netzwerk war das zu wenig: Ronaldo verfehle den Kern: Die Milliarden wären im Sozialbereich besser aufgehoben gewesen.
An diesem Punkt griff die Exekutiv-Direktorin des Organisationskomitees für die Fußball-Weltmeisterschaft (COL) ein, für das auch Ronaldo arbeitet: Man möge doch bitte nicht das Fest verderben, postete sie in ihrem Profil. Sie jedenfalls werde kein Schwarz tragen. Ohnehin kämen die Proteste "zu spät". Denn: "Was immer auch investiert wurde – das Geld ist längst ausgegeben oder gestohlen." Damit hatte sie die Wahrheit gesagt. Trotzdem misslang der Versuch der Schadensbegrenzung gründlich. Er erinnerte die Brasilianer nämlich daran, wem sie die überhöhte Rechnung für das Fußball-Fest (kurz vor der WM liegt sie bei 11 Milliarden US-Dollar) hauptsächlich verdanken: den Cartolas, wie die einheimischen Sportfunktionäre genannt werden. Joana Havelange, die COL-Direktorin, die sich im Netz echauffierte, gilt als idealtypische Vertreterin dieser Kaste, die in Brasilien mit Selbstbereicherung und Nepotismus assoziiert wird. Havelanges Wortmeldung zum geplünderten WM-Budget löste eine solche Empörungswelle aus, dass sie eine Entschuldigung hinterher schickte.
Fußball als Familienunternehmen
Joana ist die Enkelin von João Havelange. Der ehemalige Olympia-Schwimmer (1936) und Olympia-Wasserballer (1952) war einer der Cäsaren des Weltsports. Sein Vermögen verdiente er auch mit Waffenverkäufen an den bolivianischen Diktator Hugo Banzer. Ein Vierteljahrhundert lang regierte der Patriarch den Fußball-Weltverband FIFA mit eiserner Faust, machte aus dem Sport ein lukratives Geschäft und übergab 1998 an Joseph "Sepp" Blatter. Auf Blatter sollte dann Havelanges einstiger Schwiegersohn Ricardo Teixeira folgen. Teixeira saß bis vor zwei Jahren im FIFA-Vorstand und war seit 1989 Präsident der Confederação Brasileira de Futebol (CBF), des brasilianischen Fußball-Verbandes – er ist der Vater von Joana.
Die 37-Jährige sollte 2015 die CBF in dritter Generation übernehmen. Inzwischen musste sie diese Familienplanung aufgeben. Ricardo Teixeira wartet derzeit im selbstgewählten Exil in Florida den Ausgang diverser Korruptions-Ermittlungen gegen ihn ab. 2012 trat er von seinen Ämtern im Sport zurück; "aus gesundheitlichen Gründen" wie es heißt. Auch João Havelange, inzwischen 98 Jahre alt, verabschiedete sich als Ehrenpräsident der FIFA und nach knapp 50 Jahren Mitgliedschaft aus dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), dessen Ethikkommission gegen ihn ermittelte.
Das war womöglich das Ende einer der einflussreichsten Familien-Dynastien im Weltsport. Das Ende der Korruptionskultur, die das milliardenschwere Unterhaltungsgewerbe Sport seit Jahrzehnten in Brasilien wie international verseucht, ist es nicht. Die Namen Teixeira und Havelange stehen symptomatisch auch dafür, wie Politiker über kriminelle Geschäfte der Sportfürsten hinwegsehen. Staatschefs zeigen sich gern mit Sportstars, sie treten gern als Gastgeber von Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften auf, weil das in der Regel PR für sie ist. Deshalb hofieren sie schillernde Figuren im Funktionärsanzug und akzeptieren zahlreiche Sonderregeln wie die Steuerbefreiung für die FIFA und ihre Sponsoren, die Analysten zufolge Brasilien um 2 Millionen Dollar Einnahmen aus der WM bringen wird.
Politik und Sport: Zwischen Allianz und Konflikt
Am Zuckerhut ist die Allianz zwischen Politik und Sport wohl am ehesten mit der Rolle des Nationalheiligtums Fußball zu erklären. Als Brasilien im Oktober 2007 von der FIFA den Zuschlag für die WM bekam, feierte auch Präsident Luiz Inácio "Lula" da Silva an der Seite von Ricardo Teixeira. Lula gehört der linken Arbeiterpartei PT an. Dass ausgerechnet er den Fußball-Paten stützte, nennt einer der profundesten Kenner des brasilianischen Fußballs, der Sportjournalist Juca Kfouri, bis heute "schizophren". Kfouri berichtet seit Jahren auf seinem Blog und für die Zeitung Folha de São Paulo über die Geschäfte der Cartolas: "Warum hat Lula nicht mit Teixeira gebrochen, obwohl er doch wusste, dass er dafür auf der Straße gefeiert werden würde?", fragte er kürzlich. "Selbst wenn Lula zum Pragmatismus gezwungen war, um die brasilianische Oberschicht nicht zu verschrecken, dafür, dass er nicht mit dem Fußballpack gebrochen hat, gibt es keine Entschuldigung."
Teixeiras Fußballverband CBF war schon in den Jahren 2000/2001 Gegenstand von zwei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in Brasilia. Eigentlich wollten die Abgeordneten einem Ausrüstervertrag für die Nationalelf auf den Grund gehen. Spektakuläre 140 Millionen Dollar zahlte der US-Konzern Nike ab 1997 der CBF und ließ sich dafür von Teixeira immense Rechte bis hin zur Team-Aufstellung bei Spielen der Seleção einräumen. Drei Jahre später war der Verband bankrott. Wie das passieren konnte? Der brasilianische Bundessenat stieß auf gefälschte Verträge, auf Rechnungen für Luxuslimousinen und Restaurants in New York über mehrere tausend Dollar, auf komplizierte Geldgeschäfte über Steueroasen in der Karibik, bei denen Millionen verschwanden. "Das war nur die Spitze des Eisbergs", kommentierte ein Senator. Das Resümee des 1129 Seiten starken Untersuchungsberichts: Die CBF sei ein "Hort des Verbrechens, der Desorganisation, Anarchie, Inkompetenz und Verlogenheit".
Allerdings hatte Teixeira auch für seinen Schutz gesorgt: Einige Millionen Dollar waren in Kampagnen von Politikern geflossen, Richtern samt Ehefrauen spendierte die CBF Reisen zur WM nach Frankreich. Den Rest erledigte FIFA-Boss Sepp Blatter. Er brachte jenes Prinzip ins Spiel, das Sportfunktionäre immer dann besonders lautstark vertreten, wenn es darum geht, einen der ihren vor Staatsanwälten zu schützen: die so genannte Autonomie des Sports. Für den Fall, dass Teixeira angeklagt würde, drohte Blatter: "Brasilien wird von allen internationalen Aktivitäten suspendiert. Brasilien wird nicht an der WM 2002 teilnehmen und auch nicht an der U 21-WM, nicht an der U 17-WM, nicht an der Frauen-WM und auch nicht an der Futsal-WM in Guatemala." Und vom FIFA-Präsidenten ist auch dieses Zitat überliefert: "Wenn wir Probleme haben in der Familie, dann lösen wir die Probleme in der Familie und gehen nicht zu einer fremden Familie. Alles, was im Fußball passiert (...) soll innerhalb der fußballerischen Gerichtsbarkeit oder Rechtsprechung gelöst werden und nicht vor ordentliche Gerichte gebracht werden. Das ist nicht mehr unsere Familie."
Teixeira machte weiter wie bisher, beförderte sich selbst zum WM-Organisationschef und Tochter Joana auf den mit 50.000 Dollar Monatsgehalt dotierten Direktoren-Posten. Er blieb im Sattel, als ruchbar wurde, wie er die WM zur privaten Goldgrube umfunktionieren wollte: Als Präsident des COL schloss Teixeira einen Vertrag mit sich selbst als Präsident der CBF ab. An etwaigen Gewinnen aus dem Turnier sollte er zur Hälfte beteiligt werden, Verluste sollte der Verband allein tragen. Als Teixeira dann auch noch öffentlich kundtat, was er sich von der Heim-WM versprach, war das Maß für die Fußball-Fans voll: "Fora Teixeira" ("Raus mit Teixeira") hieß die Kampagne, für die zehntausende Unterschriften zusammenkamen. "2014 werde ich in der Lage sein, mit allem davon zu kommen", hatte Teixeira sich vor einer Journalistin des Magazins Piauí gebrüstet. "Mit den schlüpfrigsten, undenkbarsten, machiavellistischsten Sachen (...) Und wissen Sie, was? Gar nichts wird passieren."
Ein älterer Bestechungsskandal, der größte im Weltsport, brachte den Patron letztlich doch zu Fall – die so genannte ISL-Affäre. Mit der Marketingfirma International Sports and Leisure, einst von Adidas Gründer Horst Dassler aus der Taufe gehoben, hielt ein anrüchiges System des Gebens und Nehmens Einzug im Sport: Für Fernsehrechte an Großevents verteilte die ISL mindestens 140 Millionen Schweizer Franken Schmiergeld an Funktionäre in Weltverbänden und im IOC, bis sie 2001 bankrott ging. Die Mehrheit der Adressaten ist bis heute unbekannt. Teixeira und Havelange allerdings sind als Empfänger von mindestens 21,9 Millionen Franken aktenkundig, seit 2012 Klagen von Journalisten die FIFA zwangen, Gerichtsunterlagen zu dem Fall offenzulegen.
Teixeira folgte sein Stellvertreter José Maria Marin an die Spitze des brasilianischen Fußballs. Den 81-Jährigen nahm sich der Kongressabgeordnete Romario Ende 2012 bei einer Anhörung vor. Eigentlich ging es um Teixeiras Machenschaften, aber Romario, der einstige Rekordtorjäger der Seleção, schlug lieber den verbalen Haken zum aktuellen CBF-Boss: "Die Menschen halten mich auf der Straße an. Sie sagen, bringt Teixeira zurück, der Neue ist schlimmer." Dies entspricht einem von Jouca Kfouri überlieferten Zitat zu Marins Selbstverständnis als Gouverneur von São Paulo: "Wer ein solches Amt antritt und es nicht als Millionär verlässt, muss ein Dummkopf sein." Den Fall Marin schildert auch der renommierte Investigativ-Journalist Andrew Jennings in seinem neuen Buch. Es trägt den Titel "Omertà: Sepp Blatters FIFA-Familie des Organisierten Verbrechens". Für Jennings ist klar, dass Marin nur ein Strohmann von Teixeira ist. Neuere Enthüllungen brasilianischer Zeitungen geben ihm Recht: Bei Sponsorenverträgen der CBF kassiert er mit und, so der Verdacht, auch bei Freundschaftsspielen der Seleção. An denen soll er gemeinsam mit einem alten Freund verdienen – Sandro Rosell, dem Ex-Präsidenten des FC Barçelona. Der Spanier startete seine steile Sportbusiness-Karriere in Brasilien: Als Nike-Repräsentant handelte er schon 1997 den Vertrag mit Teixeira aus. Inzwischen ist Rosell in Brasilien wegen Betrugs angeklagt.
Als Staatspräsidentin Dilma Rousseff im vergangenen Jahr beim Confederations-Cup mit Marin, dem Freund der Generäle, auf der Ehrentribüne erschien, hallten der Frau, die während der Diktatur selbst im Gefängnis gesessen hat, Pfiffe entgegen. Rousseff hat allein sechs Minister wegen Korruptionsverdacht in Verbindung mit den Geldflüssen für die Fußball-WM oder die Olympischen Spiele 2016 in Rio entlassen. Auch deshalb haben die Fans wenig Verständnis dafür, dass sie sich nicht deutlicher von den Cartolas distanziert. Aber ihre Regierung möchte wohl Ruhe vor dem heiklen WM-Turnier – wenn schon nicht auf den Straßen, dann wenigstens an der Skandalfront. Ein Gesetz, das die Amtszeiten für Sportfunktionäre begrenzen soll und Geschäftsberichte von den Verbänden verlangt, liegt jedoch vorerst auf Eis. Romario, der inzwischen den Sportausschuss im Kongress leitet, schrieb dazu auf seinem Blog: "Es ist inakzeptabel, dass die Regierung weiter Steuergelder an Verbände verteilt, in denen Präsidenten ihre Macht auf Ewigkeiten gepachtet haben. Leute, die sich außerhalb jeder Moral stellen und Privatinteressen vertreten, bringen Skandale hervor."
Nach der WM ist vor den Olympischen Spielen
Nicht nur Fußball-Patrone profitieren, auch Funktionäre anderer Sportarten. Vorerst letzter Name in der langen Liste: Ary Graça, Präsident der Volleyballer, des zweiten populären Sports im Lande. Als solcher nahm er im Frühjahr seinen Hut, nicht aber als Boss des Volleyball-Weltverbandes FIVB. Journalisten von ESPN Brazil hatten aufgedeckt, dass Graça aus einem Sponsorenvertrag mit dem Geldinstitut Banco do Brasil Millionen für sich abgezweigt hatte. Finanzprüfer von der Bundesbehörde Controladoria-Geral da União kündigten daraufhin an, die Bücher des Verbandes ganz genau zu durchleuchten – "so weit zurück, wie wir es für angemessen halten".
Falls es so kommt, könnte dieser Fall noch Brisanz entwickeln. Präsident bei den Volleyballern war einst der heute wichtigste Sportoffizielle im Land: das IOC-Mitglied Carlos Arthur Nuzman. Der 73-Jährige Anwalt und Immobilienmakler ist einer der ewigen Funktionäre; seit 20 Jahren steht er dem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) vor. Als Rio den Zuschlag für die Sommerspiele 2016 bekam, setzte Nuzman sich prompt auch an die Spitze des Organisationskomitees für Rio. Eine Doppelrolle, die es international noch nie gegeben hatte. Bei den Brasilianern lässt sie wegen der problematischen Praktiken von Teixeira die Alarmglocken schrillen.
Jüngst attestierte ein Funktionärskollege Nuzman und seinem Organisationskomitee "Mangel an Integrität, Fähigkeiten und Know How". Deshalb sollten die Verzögerungen bei den Bauprojekten für Rio "niemanden überraschen", auch das Internationale Olympische Komitee nicht. In einem Offenen Brief behauptet Eric Walther Maleson, bis 2012 Mitglied im NOK Brasiliens, er habe dem IOC "harte Beweise für Korruption" vorgelegt. Allerdings sei dieses untätig geblieben. Die Parallele zur FIFA wäre frappierend, obgleich wenig überraschend: Der Blatter-Verband hatte kein Problem damit, wie sein Vorständler Ricardo Teixeira ein Event, das zum Vorzeigeprojekt der südamerikanischen Wirtschaftsmacht Nummer 1 werden sollte, in ein Mahnmal für Korruption und Vetternwirtschaft umwandelte. Auch mit Blick auf die Rio-Spiele kommen deshalb Proteste sicher nicht "zu spät". Sie signalisieren vielmehr den Willen der Brasilianer, das Zeitalter der Cartolas zu beenden.
Vgl. Keir Rednage: Surprise advice to Brazil’s World Cup protesters: Forget the money, it’s gone or stolen already. Externer Link: Blog vom 29.5.2014
Jouca Kfouri: Schizos im Stadion, die tageszeitung vom 5.4.2014.
Andrew Jennings: Foul. Hinter der Fassade der FIFA. Bestechungen. Wahlbetrug. Ticket-Skandale. Berlin 2009, hier: S. 140.
Zitiert in: ebd., S. 174.
Blatter im schwedisch/dänischen Dokumentarfilm Externer Link: The Untouchable von 2004. Autor war der deutsche Journalist Jens Weinreich.
Zitiert in Paul Kelso: World Cup 2014 draw: Ricardo Teixeira, Brazil's most powerful football figure, calls British media ‘corrupt’. Externer Link: The Telegraph vom 29.7.2011.
Havelange und Teixeira wurden im Juli 2012 mit Veröffentlichung der "Einstellungsverfügung" der Staatsanwaltschaft Zug im Verfahren gegen die ISL als Schmiergeldempfänger gerichtsfest publik. Das Verfahren hatte die FIFA nach dem ISL-Konkurs mit einer Strafanzeige ins Rollen gebracht, gab aber später eine so genannte Desinteressen-Erklärung ab. Daraufhin wurde das Verfahren im Mai 2010 gegen Zahlung von 5,5 Millionen Schweizer Franken durch die FIFA sowie Havelange und Teixeira beendet. Vor dem Schweizer Bundesgericht erzwang u.a. der Schweizer Journalist Jean Francois Tanda (Handelszeitung) die Veröffentlichung der Einstellungsverfügung. Die Summe der Bestechungsgelder an Teixeira und Havelange recherchierte Andrew Jennings. Sie sind Teil einer Liste mit 175 geheimen Zahlungen.
Zitiert in: Andrew Jennings: Omertà: Sepp Blatters FIFA-Familie des organisierten Verbrechens. Transparency Books 2014, Kapitel 16 (das Buch ist nur als E-Book verfügbar).
In Deutschland dazu am ausführlichsten Thomas Kistner: "Knietief im globalen Geschäftssumpf", Externer Link: Süddeutsche Zeitung vom 27.1.2014.
Jens Sejer Andersen: Brazil ups fight against corruption, puts sport under pressure. Externer Link: Blog vom 10.5.2013.
Ders.: World leaders in volleyball threatened by Brazilian corruption scandal. Externer Link: Blog vom 18. März 2014.
Nick Butler: Letter calls for resignation of Rio 2016 President as immediate action urged. Externer Link: Blog vom 14.4.2014.
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1 | Wau-Holland-Stiftung nicht gemeinnützig: Wegen Wikileaks nicht selbstlos
Der Wau-Holland-Stiftung, die Wikileaks unterstützt, wurde die Gemeinnützigkeit aberkannt. Dort wertet man dies als taktisches Manöver.
Die gleichnamige Stiftung geht auf den 2001 verstorbenen deutschen Hackerveteranen und CCC-Mitbegründer Wau Holland zurückgeht. Bild: dpa
BERLIN taz | Klaus Schleisiek, zweiter Vorsitzender der Wau Holland Stiftung (WHS) und Gründungsmitglied des Chaos Computer Club, klingt am Telefon trotz seiner höflichen hanseatischen Art etwas genervt. „Nein, überrascht hat uns die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für das Jahr 2010 nicht“, sagt er gegenüber der taz und ergänzt: „eher schon die Berichterstattung darüber“.
Am Wochenende war über eine Spiegel-Meldung bekanntgeworden, dass die WHS, die auf den 2001 verstorbenen deutschen Hackerveteranen und CCC-Mitbegründer Wau Holland zurückgeht, für 2010, ihr bislang größtes Spendenjahr, keine Spendenquittungen ausstellen darf.
Der Grund: Das zuständige Finanzamt Kassel hatte festgestellt, dass die Stiftung mit der Spendensammlung und der einhergehenden Finanzierung der Enthüllungsplattform WikiLeaks, für das 2010 gegen das „Gebot der Selbstlosigkeit“ verstossen habe.
Bestätigt wurde die Aberkennung der Gemeinnützigkeit nun in zweiter Instanz vom Finanzamt Hamburg, zu dem die WHS mittlerweile umgezogen ist. Das sei aber gar keine Überraschung gewesen, so Schleisiek. Man habe aus taktischen Gründen beschlossen, nicht erneut gegen die Zurückweisung des Einspruchs zu klagen.
Spendenaufkommen von 1,3 Millionen Euro
So sei es leichter, die Gemeinnützigkeit für 2011 und folgende Jahre wieder zu erlangen. Für 2010 ging es um viel Geld: http://www.golem.de/1104/83034.html1,33 Millionen Euro wurden über die WHS an WikiLeaks gespendet. Schleisiek schätzt, dass dem Staat durch die Aberkennung der Gemeinnützigkeit knapp 300.000 Euro zufließen – und den Spendern an potenziellen Steuererstattungen entgehen.
Ganz einfach zu verstehen ist das Konstrukt, das WHS und WikiLeaks bilden, von außen nicht. Das Enthüllungsportal, dessen Gründer Julian Assange nach wie vor in der Londoner Botschaft von Ecuador sitzt, um einer Auslieferung nach Schweden zu entgehen, hat seit Jahren Probleme, Spenden zu erhalten.
Zahlungsanbieter wie Visa, Mastercard oder Paypal verweigern ihre Dienste direkt oder indirekt – auch auf Druck der US-Regierung. Die WHS wurde zu einer wichtigen Alternativroute für Unterstützungsgelder. Doch genau dabei scheinen die Macher der Stiftung, die sich unter anderem die Förderung der Informationsfreiheit zu ihren Aufgaben gemacht hat, nicht kompatibel zum deutschen Stiftungsrecht gewesen zu sein.
Das Finanzamt Kassel, das laut WHS auf Weisung des hessischen Innenministeriums ermittelte, warf der Stiftung vor, gegen den Grundsatz der Selbstlosigkeit zu verstoßen. Dies konnte man bei der WHS nicht verstehen, da die Förderung der Enthüllungsplattform WikiLeaks direkt dem Ziel der Informationsfreiheit diente. Beim Finanzamt Hamburg ging es nun wiederum um den „Verstoss gegen das Gebot der Unmittelbarkeit“.
„Nachvollziebare Kontrollverfahren“
Dabei muss sichergestellt sein, dass eine gemeinnützige Organisation bei der Engagierung von Hilfspersonen – in diesem Fall WikiLeaks – „nachvollziehbare Kontrollverfahren“ vorhält. Doch genau das, vulgo eine genaue vertragliche Gestaltung, war offenbar nicht vorhanden.
Schleisiek meint, man habe in den letzten Monaten viel gelernt, wie die Stiftung auch auf ihrer Website schreibt. „Wir haben durch dieses Verfahren gelernt, welche vertraglichen Rahmenbedingungen wir benötigen, um gemeinnützig fördern zu können.“
Mit dem zuständigen Finanzbeamten in Hamburg stehe man regelmäßig in Kontakt, mit einem Bescheid für die Jahre 2011 und folgende rechne man in den nächsten Tagen. „2011 werden wir gemeinnützig sein“, sagt der stellvertretende WHS-Vorsitzende.
Spendenbreitschaft ist gesunken
Unterdessen plagt die Stiftung – und vor allem WikiLeaks – allerdings ein ganz anderes Problem: Die Spendenbereitschaft ist seit 2010 massiv gesunken. 2011 gingen nur noch knapp 139.000 Euro an WikiLeaks gespendet, im ersten Halbjahr 2012 nur noch rund 32.000 Euro.
Schleisiek sieht dies vor allem durch das Öffentlichkeitsbild von WikiLeaks und Gründer Julian Assange begründet. Assange steht in Schweden unter dem Verdacht sexueller Vergehen und fürchtet, bei einer Überstellung in das Land in die USA ausgeliefert zu werden.
Auch gab es seit längerem keine spektakulären „Leaks“ mehr, die die Organisation zu verzeichnet hätte – „auch wenn weiterhin in vierteljährlichem Abstand regelmäßig größere Datenmengen publiziert werden“. | 234,788 |
0 | Kartoffeln zu Pellkartoffel kochen, anschließend in Scheiben schneiden.Zwiebel in Öl oder Butter goldbraun andünsten, Brokkoli und Gemüsebrühe dazugeben und ca. 3 bis 4 Minuten weiterdünsten. Eier mit Milch anrühren, würzen. Backofen auf 180 Grad vorheizen.Auflaufform mit Butter einstreichen, Kartoffelscheiben schichten. Darauf die Hälfte des Käse geben. Dann die Eier-Milch-Mischung darüber giessen. Nun den Brokkoli daraufgeben und anschließend den restlichen Käse über die Brokkoli verteilen. Zum Schluß noch die Mandelblätter darüber geben und ab in den Ofen. Ober-/Unterhitze ca. 30 Minuten gratinieren. | 234,789 |
0 | Jago.
Ich muß es gestehen, in der That, euer Argwohn ist nicht ohne
Wahrscheinlichkeit. Aber, Rodrigo, wenn du das hast, was ich dir
izt mit besserm Grund als jemals zutraue, (ich meyne,
Standhaftigkeit, Herz und Tapferkeit,) so zeig es diese Nacht.
Wenn du in der nächstfolgenden Nacht nicht bey Desdemonen ligen
wirst, so halte mich für einen Verräther, und schaffe mich aus der
Welt wie du willst. | 234,790 |
0 | Die Dame serviert die reichlich mit Cayennepfeffer gewürzte,
übrigens ziemlich dünne Suppe, nachdem sie jeden Tischgenossen
namentlich gefragt hat: ober er welche verlange? Des Fragens
von Seiten der Wirte und des Antwortens von Seiten der Gäste
ist an einem englischen Tische kein Ende. Eine große Verlegenheit
für den fremden Gast, der, wenn er auch der englischen Sprache
sonst ziemlich mächtig ist, dennoch unmöglich alle diese technischen
Ausdrücke wissen kann. Er muß Rede und Antwort von jeder Schüssel
geben, ob er davon verlangt, ob viel oder wenig, mit Brühe oder
ohne Brühe, welchen Teil vom Geflügel, vom Fisch, ob er es gern
stärker oder weniger gebraten hat, eine Frage, die besonders oft
die Fremden in Verlegenheit setzt; man sag: much done or little done,
wörtlich übersetzt heißt das: viel getan oder wenig getan. | 234,791 |
1 | 1. Einführung: Kommunikationskunst Casting
Mit den Castingshows im Fernsehen oder dem insgeheimen Versprechen, entdeckt und 'vom Fleck weg' engagiert zu werden, hat Casting in der Realität nur sehr wenig zu tun. Es umfasst auch nicht allein das Vorsprechen für eine Filmrolle, sondern das gesamte Auswahlverfahren bis zu einem stimmigen Ensemble. Dabei sollte ein Casting Director keinesfalls mit einem Schauspielagenten verwechselt werden, der einzelne Darsteller unter Vertrag hat und sie vermarktet. Verglichen damit, geht ein Casting Director viel unabhängiger auf die Suche nach der geeigneten Besetzung und neuen Talenten.
Obwohl Casting als frühe Etappe der Vorproduktion durchaus eine Schlüsselrolle einnimmt, gibt es noch keine spezielle Ausbildung dafür. Die meisten Casting Directors sind Quereinsteiger, die sich durch Nervenstärke, diplomatisches Geschick und die Freude am Kontakt mit Menschen auszeichnen. Darüber hinaus müssen sie eine präzise Kenntnis der Theater-, Film- und Fernsehbranche besitzen und in der Lage sein, Nachwuchs zu fördern sowie Talente und Trends zu erkennen. 90 Prozent eines Films seien Casting, hat der amerikanische Regisseur Robert Altman einmal behauptet – wahrgenommen wird es jedoch oft nur dann, wenn es misslungen ist.
2. Wissen: Zwischen Demoband und Vorsprechen
2.1 Historische Stationen der Castingbranche
Obwohl sich in der deutschen Sprache keine eigene Bezeichnung für Casting durchsetzen konnte, hat der Berufsstand auch hierzulande eine Tradition. Da professionelle Theaterschauspieler das neue, 'minderwertige' Medium Film ablehnten, sah man sich bereits in den Anfängen des deutschen Films gezwungen, nach Darstellern systematisch zu suchen. Frühe Stummfilme wurden daraufhin zunächst mit Laien besetzt, bei denen vorrangig Ausstrahlung und akrobatische Fähigkeiten zählten. Erst mit dem Aufstieg des Erzählkinos verschob sich die Suche zugunsten erfahrener Charakterdarsteller, die den Inhalt einer Geschichte transportieren konnten.
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2.2 Der Castingprozess
Castings laufen ebenso wie die Filme, die gedreht werden sollen, nicht immer nach dem gleichen Muster ab. Je nach Produktion lassen das Budget und der Zeitplan eine aufwendigere Suche nach den richtigen Schauspielern zu.
Auftrag Ergeht in der Regel von Produktionsfirma oder Regisseur Wenn ein Casting Director bzw. seine Castingagentur gebeten wurde, geeignete Darsteller für einen geplanten Film zu finden, beginnt ein langwieriger Abstimmungsprozess zwischen Produzent, Regisseur, Schauspielern und TV-Redaktionen, den der Casting Director ergebnisorientiert als Mittler moderiert und vorantreibt. Da er im Gegensatz zu Schauspielagenten nicht an der Gage der Schauspieler partizipiert, kann er unabhängig und mit offenen Augen nach der idealen Besetzung für die Sprechrollen suchen.
Drehbuchlektüre Als Arbeits- und Diskussionsgrundlage für die Besetzung Um überhaupt gute Besetzungsideen entwickeln zu können, sind ein Verständnis für dramaturgische Zusammenhänge und die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Filmstoff unabdingbar. Deshalb liest der Casting Director das Drehbuch, entwickelt erste Rollenvorstellungen im Kopf, erarbeitet ein eigenes inhaltlich-künstlerisches Besetzungskonzept und tauscht sich darüber mit dem Regisseur aus. In ausführlichen Gesprächen klärt sich schnell, ob beide Seiten bereits ähnliche Vorstellungen haben und welche Gagen das Budget potenziell zulässt.
Erstauswahl In der Talentdatenbank, in Internetarchiven, Agenturkatalogen und nach den Wünschen des Regisseurs Ob freier oder angestellter Casting Director, die Grundlage jeglicher Besetzungsvorschläge ist die eigene Talentdatenbank. Im Idealfall wird der Casting Director hier schon fündig und kann rasch erste Vorschläge präsentieren – etwa 5-10 pro Sprechrolle –, Fotos zusammenstellen, Demobänder organisieren und überprüfen, inwieweit die Darsteller terminlich verfügbar wären. Für Statistenrollen oder Kinder und Jugendliche sind in der Regel spezialisierte Castingagenturen zuständig.
Talentsuche An Schauspielschulen, Theatern, im Fernsehen, Zirkus, bei Festivals, auf der Straße usw. Sofern sich der Regisseur bewusst für eine noch unbekannte Besetzung entscheidet, genügen vorliegende Demobänder, Agenturkataloge oder Internetarchive oft nicht. In solchen Fällen dehnt der Casting Director seine Suche auch auf Ausbildungs-stätten, Schauspieltreffen u.ä. aus oder schaltet in seltenen Fällen einen Castingaufruf in den Medien. Allerdings ist selbst für einen nicht prominent besetzten Film ein Schauspielstar oft wichtig. Er lockt Zuschauer mit höherer Wahrscheinlichkeit in die Kinos und überzeugt mögliche Geldgeber.
Vorsprechen Vor Casting Director, Regisseur und Produzent Nachdem potenzielle Darsteller eingeladen wurden, obliegt dem Casting Director die Organisation, Durchführung und Leitung des Vorsprechens, bei dem die Schauspieler die Chance erhalten, sich z.B. durch ein Cold Reading´ kurz zu präsentieren. Man unterscheidet offene Castings, an denen jeder teilnehmen kann, von geschlossenen Castings, zu denen speziell eingeladen wird und die von den Darstellern oft bereits mit ausgewählten Szenen des Drehbuchs vorbereitet werden müssen
Entscheidung Nach Abstimmung mit dem Casting Director letztendlich durch Regisseur und Produzent Die Entscheidung für oder gegen einen Schauspieler trifft der Casting Director stets im Dialog mit seinen Auftraggebern. Ob ein Darsteller die Verantwortlichen überzeugen kann, ist abhängig...
... von seiner schauspielerischen Leistung und der Glaubwürdigkeit, mit der er die jeweilige Rolle verkörpert und eine Figur greifbar macht. ... von persönlicher Ausstrahlung, der äußeren Erscheinung und seiner Präsenz vor der Kamera. ... von seiner Fähigkeit bzw. Eignung für das gewünschte Filmgenre. ... von individuellen Fähigkeiten (z.B. Dialekte, Tanz, Sportarten). ... vom Zusammenspiel der Schauspieler. Für einen funktionierenden Film ist ein gelungenes Ensemble sehr wichtig. Ein Casting Director achtet deshalb auch auf Spannungen, Dissonanzen oder Harmonie zwischen den Bewerbern. 2.3 Die Vorbereitung für ein Casting
Selbst guten Schauspielern genügt nicht allein ihre Begabung, sie müssen sie auch präsentieren können. Das geschieht in erster Linie mit einer aussagekräftigen Bewerbung und guten Fotos. Um mit ihren schauspielerischen Fähigkeiten auch visuell zu überzeugen, produzieren viele Darsteller zusätzlich ein kurzes Demoband auf DVD, das vor allem in seiner Gesamtheit wie eine gelungene Visitenkarte überzeugen muss.
Auf dem Band sollte sich ein stimmiger Zusammenschnitt von Filmsequenzen der bisherigen Schauspielengagements befinden. Wichtig ist es, ausdrucksstarke und für den Schauspieltyp charakteristische Szenen auszuwählen.Um das Persönlichkeitsbild des Schauspielers zusätzlich zu unterstreichen, kann mitunter eine musikalische Untermalung des Mitschnitts hilfreich sein. Er sollte jedoch sorgfältig gewählt sein und mit der jeweiligen Rolleninterpretation harmonieren.Am Anfang des Demobandes müssen der Name des Darstellers, am Ende Kontaktmöglichkeiten und die betreuende Agentur eingeblendet werden.Auch die DVD-Hülle und das Booklet bieten die Möglichkeit, neben formalen Angaben wie dem Namen und der Bandlänge mit Fotografien und graphischen Elementen in kreativer Weise auf sich aufmerksam zu machen.
Wenn die Bewerbungsunterlagen überzeugen konnten, ist die erste große Hürde genommen und der Schauspieler hat die Chance, sich bei einem Vorsprechen oder in einem persönlichen Gespräch mit seinen handwerklichen Fähigkeiten vorzustellen. Oftmals müssen dafür einige vom Regisseur zuvor ausgewählte Drehbuchszenen vorbereitet werden. Um sich der angestrebten Filmrolle so gut wie möglich anzunähern, bedarf es neben der Unterstützung durch professionelle Dienstleister wie Stimm- und Atempädagogen vor allem einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Filmcharakter und dem Drehbuch.
InfoWie erarbeitet man sich eine Filmrolle?
Frage Dich, in welchem seelischen und körperlichen Zustand sich Deine Figur in der Szene befindet und was Du mit Deiner Interpretation ausdrücken willst und warum.Orientiere Dich in Gedanken auch räumlich in der Szene: Wo kommt die Figur her und wo will sie hin?Stelle Dir vor, womit die Figur möglicherweise gekleidet ist und wie sich dadurch z.B. Deine Körperhaltung verändert.Halte Dir vor Augen, womit Deine Figur beschäftigt ist (Rauchen, Kochen, Lesen...) und wie sie in der betreffenden Szene handelt.Sammle, wenn möglich, zusätzliche Informationen zu Deiner Rolle und erarbeite Dir das Milieu oder die historische Zeit genauer.Beschäftige Dich intensiv mit den Dialogen und mache Dir die Sprache der Rolle zueigen.Entwirf unter Umständen einen fiktiven Lebenslauf für Deine Rolle, in dem Du Besonderheiten und prägende Lebensstationen festhältst.Erfinde Dir den Subtext, falls er im Drehbuch nicht notiert ist, selbst und lerne zumindest in Grundzügen auch den Text Deines Partners, sodass Dir Reaktionen glaubwürdig gelingen.Wiederhole die Szene im Vorfeld oft genug und lass Deine Authentizität durch kritische Freunde überprüfen – Du sollst spielen, aber keinesfalls theatralisch wirken.
3. Unterrichtsmaterialien
Interner Link: Anwendungen Casting (PDF-Version: 453 KB)Interner Link: Arbeitsblatt Casting (PDF-Version: 452 KB)
4. Weiterführende Literatur und Weblinks
vierundzwanzig.de: Externer Link: Interview mit dem Casting Director Simone Bär vierundzwanzig.de: Externer Link: Casting (Link zum Gewerk auf 24 mit Interviewclips, Filmausschnitten und Hintergrundinformationen)
vierundzwanzig.de: Externer Link: Glossar (Von A wie Abspann bis Z wie Zwischentitel - Erklärungen zu allen Fachbegriffen des Dossiers) Externer Link: http://www.castingverband.de (Homepage des Bundesverbandes Casting e.V.)
Externer Link: http://www.casting-network.de (Aktuelle Kontaktdaten und Informationen zur Casting - und Filmbranche mit einem Verzeichnis der deutschen Nachwuchsagenturen, Kinder- und Jugendschauspielschulen, Workshops für Jugendliche und offenen Castingaufrufen)
Externer Link: http://www.filmmakers.de (Große deutschsprachige Internetplattform, auf der sich Schauspieler professionell präsentieren und Regisseure, Produzenten und Casting Directors nach geeigneten Darstellern und Kontaktdaten suchen können)
Thiele, Tina: Casting , UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2005. (Ausführlicher Einführungsband mit vielen Beispielen aus der Berufspraxis)
Erstellt von der Deutschen Filmakademie mit fachlicher Unterstützung des Casting Directors Nina Haun sowie in Kooperation mit der Bundeszentrale für Politische Bildung und Vision Kino – Netzwerk für Film- und Medienkompetenz.
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Frage Dich, in welchem seelischen und körperlichen Zustand sich Deine Figur in der Szene befindet und was Du mit Deiner Interpretation ausdrücken willst und warum.Orientiere Dich in Gedanken auch räumlich in der Szene: Wo kommt die Figur her und wo will sie hin?Stelle Dir vor, womit die Figur möglicherweise gekleidet ist und wie sich dadurch z.B. Deine Körperhaltung verändert.Halte Dir vor Augen, womit Deine Figur beschäftigt ist (Rauchen, Kochen, Lesen...) und wie sie in der betreffenden Szene handelt.Sammle, wenn möglich, zusätzliche Informationen zu Deiner Rolle und erarbeite Dir das Milieu oder die historische Zeit genauer.Beschäftige Dich intensiv mit den Dialogen und mache Dir die Sprache der Rolle zueigen.Entwirf unter Umständen einen fiktiven Lebenslauf für Deine Rolle, in dem Du Besonderheiten und prägende Lebensstationen festhältst.Erfinde Dir den Subtext, falls er im Drehbuch nicht notiert ist, selbst und lerne zumindest in Grundzügen auch den Text Deines Partners, sodass Dir Reaktionen glaubwürdig gelingen.Wiederhole die Szene im Vorfeld oft genug und lass Deine Authentizität durch kritische Freunde überprüfen – Du sollst spielen, aber keinesfalls theatralisch wirken.
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1 | Hass im Netz und Kanzlerkandidatur: Gefakte Nacktbilder von Baerbock
Gefakte Bilder, gefälschte Zitate: Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wird im Netz verstärkt angegriffen. Sie hat jetzt Personenschutz.
Annalena Baerbock wird im Netz mit gefälschten Bildern und Zitaten angegriffen Foto: Jörg Carstensen/dpa
BERLIN afp | Die Grünen beklagen nach der Kür der Parteivorsitzenden Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin zunehmende Angriffe im Netz. „Sowohl Annalena Baerbock als auch Robert Habeck werden im Netz schon lange attackiert“, sagte Parteisprecherin Nicola Kabel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitagsausgaben). Seit Baerbocks Wahl zur Kanzlerkandidatin hätten gefälschte Zitate und gefakte Bilder aber zugenommen. „Das begann gleich in den ersten Tagen“, fügte sie hinzu.
Alleine in den letzten zwei Wochen habe die Parteizentrale 15 Meldungen im Rahmen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes gemacht, sagte die Sprecherin den Zeitungen. „Wenn Dinge strafrechtlich relevant erscheinen, bringen wir sie zur Anzeige“, erläuterte Kabel.
„Nicht alles hat automatisch eine frauenfeindliche Komponente, aber sie kommt in manchen Fällen noch dazu“, sagte die Sprecherin. Zuletzt waren unter anderem vermeintliche Nacktbilder Baerbocks aufgetaucht, die aber in Wahrheit nicht sie zeigen, sondern ein russisches Modell. Die Grünen-Vorsitzende bekomme seit kurzem Personenschutz.
Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Ulle Schauws, sagte dem Redaktionsnetzwerk: „Dass eine Frau Kanzlerkandidatin bei den Grünen ist und deshalb angegriffen wird, zeigt eine gewisse Hilflosigkeit derer, die sie angreifen.“ Das sei ein „sehr billiges und chauvinistisches Mittel“. Es spreche eher gegen die Verursacher, als dass es Baerbock schade. | 234,793 |
1 | ☕️ Guten Morgen,
dem Statistischen Bundesamt zufolge steckt die deutsche Wirtschaft in einer Rezession. Was bedeutet das?
🏭️ 📉 BIP und Rezession
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist ein seit den 1950er-Jahren verbreitetes Maß für die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft. Es misst den Wert aller im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen. Wenn das BIP zwei Quartale in Folge sinkt, ist von einer "technischen Rezession" die Rede. Mögliche Folgen einer Rezession sind ein Rückgang von Nachfrage und Warenproduktion sowie steigende Arbeitslosigkeit, wodurch wiederum die Kaufkraft der Verbraucher/-innen sinken kann.
🛒 🏗️ Aktuelle Situation
Laut aktuellen Berechnungen schrumpfte das BIP zwischen Januar und März 2023 um 0,3 %. Dies ist das zweite Quartal in Folge. Als Hauptursache für den Rückgang der Wirtschaftsleistung gelten sinkende Konsumausgaben, die mutmaßlich eine Folge der hohen Inflation sind. Rechnet man die gestiegenen Preise heraus, sanken die Ausgaben um 1,2 %. Investitionen in der Baubranche stiegen hingegen um 3 % an. Auch der Export von Waren und Dienstleistungen nahm leicht zu.
📢 🤔 Kritik und Alternativen
Die Aussagekraft des BIP als Wohlstandsmesser ist in der Forschung umstritten. Das BIP erfasst nur den materiellen Wohlstand. Mit dem Wirtschaftswachstum verbundene Schäden wie Klimawandel, Artensterben und Verschmutzung werden nicht berücksichtigt. Darum fordern Kritiker/-innen eine stärkere Beachtung anderer Indikatoren wie Lebenserwartung, Bildung, Umweltschutz und psychische Gesundheit, um den Wohlstand einer Gesellschaft zu messen. Alternative Vorschläge sind z. B. der Human Development Index, der Better Life Index der OECD oder das Brutto-Ökosystemprodukt.
➡️ Mehr zum Thema Inflation erfährst du hier: Externer Link: https://kurz.bpb.de/dtdp1947
Viele Grüße Deine bpb Social Media Redaktion | 234,794 |
1 | Anschläge in Suruç und Kobani: Die Geister, die Erdoğan rief
Bei Anschlägen an der türkisch-syrischen Grenze sterben Dutzende Menschen. Nun rächt sich, dass die Türkei den IS lange gewähren ließ.
Das Kulturzentrum in Suruç kurz nach dem Anschlag. Foto: ap
ISTANBUL taz | Es waren zwei Handyfotos, die das Grauen des Attentats im Kulturzentrum von Suruç besonders deutlich machten. Auf dem ersten sind rund 50 junge Männer und Frauen zu sehen, die lachend und gestikulierend um mehrere Tische im Garten des Armara-Kulturzentrums sitzen.
Das zweite Foto ist nur wenige Sekunden später entstanden. Wo vorher die lachenden Menschen standen, sind jetzt nur noch rauchende Trümmer und verstreute Leichenteile zu sehen. Mindestens 28 junge Menschen wurden auf einen Schlag getötet, mehr als 100 teils schwer verletzt. Der Zeitpunkt des mörderischen Attentats war perfide gewählt.
Über 350 Jugendliche hielten sich im Kulturzentrum in Suruç auf. Sie waren aus allen Teilen der Türkei in dem Städtchen an der syrischen Grenze zusammengekommen, um ihre Sommerferien dazu zu nutzen, beim Wiederaufbau der syrisch-kurdischen Stadt Kobani, die direkt gegenüber von Suruç auf der anderen Seite der Grenze liegt, mit anzupacken. Sie wollten eine Bibliothek aufbauen, hatten sie gerade erzählt, als vermutlich ein Selbstmordattentäter mitten unter ihnen seinen Sprengstoffgürtel zündete.
Die Jugendlichen, die sich in Suruç versammelt hatten, gehören zum Bund der Vereine junger Sozialisten, der Jugendorganisation der Partei Ezilenlerin Sozyalist Partisi (ESP). Es sind kurdische und türkische Jugendliche, die überwiegend aus Istanbul, Izmir und Ankara nach Suruç gekommen waren, um selbst einen Beitrag zum Wiederaufbau von Kobani zu leisten, der Stadt, die im letzten Jahr zum Symbol des Widerstandes der Kurden gegen die Terrortruppen des IS geworden war.
Das Kulturzentrum liegt direkt an der Hauptstraße von Suruç. Das große Gelände diente im letzten Jahr noch Flüchtlingen als Notunterkunft, die im Garten zelteten und sich in der Kantine des Zentrums versorgen konnten. Wer während der Kämpfe im letzten Jahr Informationen und Kontakte zu den Kämpfern in Kobani suchte, ging als Erstes ins Kulturzentrum in Suruç.
Schläferterroristen des IS?
Obwohl es bis Montagnachmittag noch niemanden gab, der für das Attentat die Verantwortung übernehmen wollte, gehen die türkischen Behörden davon aus, dass es sich um einen Selbstmordattentäter handelte, der sich im Auftrag des IS im Kulturzentrum in die Luft sprengte. Auch Augenzeugen erzählten dem Sender CNN-Türk, sie hätten Sekunden vor der Detonation einen Mann gesehen, der der Attentäter gewesen sein könnte.
Die gesamten Umstände sprechen jedenfalls für eine Urheberschaft des IS. Erst vor drei Wochen waren IS-Kommandos getarnt mit kurdischen Uniformen in Kobani eingedrungen und hatten dort etliche Zivilisten ermordet, die nach dem Sieg der kurdischen YPG zu Beginn des Jahres nach Kobani zurückgekehrt waren. Auch am Montag wurden parallel zu dem Anschlag in Suruç zwei Bomben in Kobani selbst gezündet, allerdings ohne großen Schaden anzurichten.
Der kurdische Sieg über den IS in Kobani im Februar dieses Jahres und die Eroberung des östlich von Kobani gelegenen Grenzortes Akçakale haben den IS in diesem Teil Syriens in die Defensive getrieben. Es liegt deshalb nahe zu vermuten, dass der IS als Reaktion darauf jetzt seine Schläfer in der Türkei aktiviert, um durch Terroranschläge Angst und Schrecken zu verbreiten. Jetzt rächt sich, dass die türkische Regierung über Jahre den IS in der Türkei heimlich gewähren ließ, in der Hoffnung, mithilfe der Islamisten das Regime Assad wie auch die Kurden in Syrien bekämpfen zu können.
Plötzlich geben sich Regierung und Staatspräsident Tayyip Erdoğan entsetzt. Drei Minister eilten an den Ort des Anschlages, Erdoğan, der am Montag zu Besuch in Zypern weilte, verurteilte den Anschlag aufs Schärfste und in Ankara wurde ein Krisenstab eingerichtet. Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroǧlu, der die Syrienpolitik Erdoğans seit Langem scharf kritisiert, sah mit dem Anschlag seine Befürchtungen bestätigt, dass die Regierung die Türkei auf direktem Weg in den syrischen Bürgerkrieg hineinsteuert.
Nur der Auftakt?
Umgehend wurden am Montag Befürchtungen laut, dass Suruç nur der Auftakt für eine Terrorwelle sein könnte, mit der der IS nun die Türkei überziehen wird. Hunderte junger Türken kämpfen in Syrien und in Irak in den Reihen des IS. In Istanbul, in Ankara aber vor allem in den grenznahen Großstädten wie Urfa und Gazıantep dürften sich Tausende IS-Mitglieder oder Sympathisanten aufhalten, die auf Anweisung ihrer Führer sofort zuschlagen könnten. Erdoğan droht zum Zauberlehrling zu werden, der die einstigen Verbündeten jetzt nicht mehr unter Kontrolle bekommt.
Völlig entsetzt waren am Montag die Sprecher der links-kurdischen HDP, deren Anhänger Opfer des Anschlags geworden waren. Völlig aufgelöst berichtete die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der HDP, Perivan Buldan, dass sie erst kürzlich mit Vertretern der Jungsozialisten zusammengekommen war, um mit ihnen zu beraten, wie sie der Bevölkerung von Kobani am besten beistehen könnten. Bäume pflanzen, hatte sie vorgeschlagen.
Erbittert stellte der HDP-Chef Selahattin Demirtașfest, die Kurden müssten nun selbst für ihre Sicherheit sorgen. Montagabend sollte eine von der HDP initiierte Trauerdemonstration in Istanbul stattfinden. | 234,795 |
0 | "Kalte und warme Küche nebst etzlichem Getränke. Doch ich will Euch das
Rätsel lösen," fuhr er fort; "ich bin arm, und was ich habe, nimmt jährlich
gerade das Schneiderkonto und die Rechnung für Zuckerwasser im Kaffeehause
weg; nun bin ich aber gewöhnt, gute Tafel zu halten; was fange ich in
diesen Zeiten an, wo niemand borgt und vorstreckt? Ich kaufe mir alle Jahre
von ersparten Groschen das herrliche Vergißmeinnicht von H. Clauren, und
ich versichere Euch, das ist mir Speisekammer, Keller, Fischmarkt,
Konditorei, Weinhandlung, alles in allem. Ihr müßt wissen, daß in solchem
Büchlein auf zwanzig Seiten immer eine oder zwei, wie ich sie nenne,
Tafelseiten kommen. Ich sehe mich mittags mit einem Stück Brot, zu welchem
an Festtagen Butter kömmt, nebst einem Glase Wasser oder dünnem Biere an
den Tisch, speise vornehm und langsam, und während ich kaue, lese ich im
'Vergißmeinnicht' oder in 'Scherz und Ernst.' Seine Tafelseiten werden mir
nun zu delikaten Suppentafeln; denn mein Teller ist nicht mehr mit
schlechtem Brot besetzt, meine Zähne malmen nicht mehr dieses magere
Gebäck, nein, ich esse mit Clauren, und der Mann versteht, was gute Küche
ist. Was da an Fasanen, Gänseleberpasteten, Trüffeln, an seltenen Fischen,
an--" | 234,796 |
1 | Provinz in der Ukraine: Der nächste Trouble Spot
Seit drei Wochen ist die Lage in der Ukraine mehr als angespannt. Im Zentrum steht Kiew. Aber auch auf der Krim regt sich was.
Eigentlich ist es ja ganz beschaulich auf der Krim. Bild: imago/Itar-Tass
KRIM taz | Die Lage in der Ukraine ist angespannt. Seit drei Wochen schon. Die Demonstrationen von heute unterscheiden sich in ihrem Wesen von denen der Orange Revolution. Im Mittelpunkt des weltweiten Interesses steht Kiew. Was in den Regionen passiert, ist kaum bekannt. Dabei spielt die Krim eine nicht ganz unwichtige Rolle. Viele sehen sie bereits als den nächsten potenziellen Trouble Spot.
Was sich auf der Krim vor dem Hintergrund des ukrainischen EuroMaidan abspielt, ist ein deutliches Zeichen und von historischer Bedeutung. Zum ersten Mal in der Geschichte organisiert sich die apolitische und phlegmatische Krimbevölkerung selbst. Viele gehen auf die Straße, ohne die Unterstützung politischer Kräfte.
Natürlich lässt sich das Ausmaß der Protestaktionen in der Hauptstadt der Republik Krim, in Simferopol, nicht annähernd mit dem der Kiewer Demonstrationen vergleichen. Doch in dieser Region ist jeder, der sich auf die Straße wagt, ein Ereignis. Erstaunlich ist auch, dass sich sogar aus Sewastopol, dem Hort prorussischer Positionen, Demonstranten auf den Weg nach Simferopol gemacht haben. Auf eine derartige Entwicklung waren die Machthaber der Krim nicht vorbereitet. Und so lässt sich das Parlament der Krim einiges einfallen, um die Proteste zum Erliegen zu bringen.
taz am WochenendeComputer werden immer kleiner und verschmelzen mit uns. Warum lassen wir sie nicht gleich in unsere Körper einbauen? Die Titelgeschichte „Bessere Menschen“ über Cyborgs und ganz gewöhnliche Menschmaschinen lesen Sie in der taz.am wochenende vom 14./15. Dezember 2013 . Darin außerdem: Der Generationen verbindende Fernsehabend am Samstag ist tot. Das wird auch Markus Lanz nicht ändern. Warum das gut so ist. Und: Ein Gespräch mit dem Direktor des Zirkus Roncalli über Heimat, Glühbirnen und den Duft der Manege. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Wenn sich die selbst organisierten Demonstranten für die Eurointegration in Simferopol auf dem Platz der Autonomie versammeln, steht ihnen eine ungleich größere Zahl an Pro-Regierungs-Demonstranten mit Fahnen der „Partei der Regionen“ gegenüber. Sie sind gekommen, weil die Machthaber sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln auf die Straße bringen.
Wer nicht protestiert, wird abgemahnt
„Mein Chefarzt hat allen Angestellten befohlen, zu einem bestimmten Zeitpunkt auf dem Leninplatz zu einer Demonstration zu erscheinen“ berichtet Olga, eine Krankenhausärztin aus Simferopol. „Dort angekommen, muss man sich unter Angabe der Anwesenheitszeiten in die Anwesenheitslisten eintragen. Wer nicht kommt, muss mit einer Abmahnung oder gar seiner Entlassung rechnen.“
Prorussische Demo in Simferopol im September. Bild: imago/Itar-Tass
Ähnliches berichten Lehrer, Bibliothekare, Sozialarbeiter und andere staatliche Angestellte. Wer auf dem Platz eingetroffen ist, erhält ein Transparent mit Parolen wie: „Krimbewohner für bessere Wirtschaftsbeziehungen mit der Russischen Föderation! Keinen Handelskrieg gegen Russland! Stoppt die Erpressung der Europäischen Union!“ Tausende werden so zu Demonstranten.
Auf der anderen Seite des Platzes ist die andere Demonstration. Dort fordert man die Unterzeichnung des Assoziationsabkommens der Ukraine mit der EU. Diese Kundgebung hat mit einigen hundert Demonstranten weniger Teilnehmer. Dennoch ist sie für die Krim ein großer Erfolg! Auf der Krim kann man nicht so einfach auf die Straße gehen und seine Forderungen öffentlich kundtun. Es ist die Sehnsucht der Menschen nach europäischen Werten, nach einem Leben in Würde und Ehrlichkeit und ohne Korruption, die diese Leute auf den Platz gebracht hat.
Zum ersten Mal hört man in diesen Tagen die ukrainische Nationalhymne wieder in den Straßen von Simferopol, sieht man Passanten in ukrainischer Nationaltracht und mit den Fahnen unseres Landes. Oft demonstrieren ganze Familien. Andere bringen ihre Freunde mit. Auf diesen Demonstrationen herrscht eine sehr vertraute, heimische Atmosphäre, aus den Augen der Demonstrierenden leuchtet die Hoffnung. Glücklicherweise finden sich auf keiner der beiden Seiten Aggressionen. Russische Medien, die dies berichten, verzerren das Bild von der Haltung der Krimbewohner zur Eurointegration der Ukraine.
Ratlose Machthaber
Die Befehle und Aktionen der örtlichen Machthaber zeigen, dass man dort ratlos ist, nicht weiß, wie man mit der wachsenden Zahl der Befürworter der Eurointegration umgehen will. Anfang Dezember bat das Parlament der Krim den Präsidenten der Ukraine um die Verhängung des Ausnahmezustands über das Land. Am 11. Dezember spielte der Oberste Sowjet der Krim seinen letzten Trumpf aus und warnte, dass ein Verbot der russischen Sprache drohe, sollte der EuroMaidan gewinnen.
Auch der vom Kreml in der Ukraine eingesetzte Wiktor Medwetschuk, den man in Russland gerne den „nächsten Präsidenten der Ukraine“ nennt, profiliert sich mit antieuropäischer Rhetorik. Die Straßen der Krim sind voll von Losungen wie: „Die Assoziierung mit der EU vernichtet Arbeitsplätze“, „Nach der Assoziierung kommt die gleichgeschlechtliche Ehe“, und ähnlichen. Insbesondere ältere Menschen schenken diesen Parolen Glauben. Das zeigt aber auch, dass man vom Wesen der Assoziierung und ihren Vorzügen nur wenig Kenntnisse hat. Dass dies so ist, liegt auch an den örtlichen Medien und ihren regierungsfreundlichen Besitzern.
Interessant ist die Position der Krimtataren. Ihr neuer Chef erklärte unlängst, das Volk der Krimtataren stelle sich hinter eine europäische Entwicklung der Ukraine. Einige machten sich sogar eigens auf den Weg nach Kiew zum EuroMaidan. Früher hätten sie damit die Stimmung auf der Krim angeheizt, heute ist jedoch alles anders.
Die Behörden der Krim tun alles, um die Lage in den Griff zu bekommen und dem offiziellen Kiew zu zeigen, dass man auf der Krim keinen EuroMaidan zu erwarten habe. Doch die Wirklichkeit spricht eine andere Sprache. Eine neue Generation ist herangewachsen, und diese versteht sich als Teil einer großen und europäischen Ukraine.
Aus dem Russischen von Bernhard Clasen | 234,797 |
0 | Als Siegfried der Degen bei Kriemhilden lag 647
Und er da der Jungfrau so minniglich pflag
Mit seinem edeln Minnen, sie ward ihm wie sein Leben:
Er hätte nicht die eine für tausend andre gegeben. | 234,798 |
0 | »Sieh mal an; so ein Racker; sitzt schon drin!« sagte er, als er sein
Söhnchen im Schlitten erblickte, und zeigte beim Lächeln seine weißen
Zähne. Wasili Andrejitsch war durch den Branntwein, den er mit seinen
Gästen getrunken hatte, in angeregte Stimmung geraten und daher in noch
höherem Grade als sonst mit allem, was ihm gehörte, und mit allem, was er
tat, zufrieden. Wasili Andrejitschs blasse, magere, schwangere Frau, den
Kopf und die Schultern mit einem wollenen Tuche umwickelt, so daß nur ihre
Augen zu sehen waren, gab ihm zu seiner Abfahrt das Geleite und stand
hinter ihm im Hausflur. | 234,799 |
Subsets and Splits
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