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#Aufstehen | Der verleumderische Umgang mit der neuen politischen Sammlungsbewegung „Aufstehen“ wird aktuell von großen und kleinen Medien auf vielen Ebenen fortgesetzt. Von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. | [] | [] | 08. Januar 2019 13:36 | https://www.nachdenkseiten.de/?tag=aufstehen&paged=2 |
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Konflikte prägen und korrigieren Images – und entscheiden Wahlen | Zur Zeit sind wir Zeitzeugen eines interessanten, schon oft erprobten Effektes in der politischen Kommunikation: Über einen (Sach-)Konflikt unter Personen können Images von Politikern geprägt, verändert, aufgebaut und (selten) ruiniert werden. Im konkreten Fall baut Kurt Beck sein Image als sozialdemokratisch gesonnener Sozialdemokrat auf, und Franz Müntefering gewinnt das Image eines an der Sache und daran allein orientierten Politikers, und nebenbei wird noch relativ erfolgreich versucht, die Agenda 2010 als wirtschaftlich wirksame, allenfalls mit Gerechtigkeitsdefiziten getrübte Tat in den Köpfen zu verankern. Albrecht Müller.
Vorweg sei auf den Beitrag von Wolfgang Lieb von gestern und zum gleichen Thema hingewiesen. Mit ihm bin ich auch bei diesem Thema einig. Wolfgang Liebs Beitrag und dieser hier sind allerdings aus sehr verschiedenen Blickwinkeln geschrieben, was seinen Reiz hat. Und nun zur Sache: Bisher galt auch Kurt Beck als Vertreter Schröderscher Agenda-Politik, er hatte deshalb auch Probleme mit seiner Partei, jedenfalls unterschied sich sein SPD- und Sozial-Image nicht entscheidend von dem Franz Münteferings. Er hat auch die fragwürdigsten Teile Münteferingscher Reformpolitik unterstützt, z.B. die unsinnige Entscheidung, jetzt das Renteneintrittsalters auf 67 Jahre zu erhöhen, oder zum Beispiel die Fortsetzung der Entgeltumwandlung zur betrieblichen Altersvorsorge. Sein Image hat sich in wenigen Tagen verändert. Er gilt jetzt als Hüter sozialdemokratischer Werte und hat gute Chancen, mit diesem Imagewandel im Rücken ein gutes bis sehr gutes Wahlergebnis auf dem SPD-Parteitag Ende Oktober zu erzielen. Vermutlich ist der Konflikt auch deshalb inszeniert worden. Kurt Beck verliert bei dieser Gelegenheit ein bisschen an Zustimmung bei vielen Medien und zugleich an Image als sachorientierter Politiker. Das kann ihm aber ziemlich egal sein, weil es ihm in dieser Phase auf die breite Zustimmung des SPD-Parteitages und die Wiederbelebung des sozialdemokratischen Selbstbewusstseins und Wir-Gefühls ankommt. Sozialdemokraten halten sich nach soviel Drangsal der letzten Jahre an jedem Strohhalm fest. Auch die kleinste Veränderung der Agenda 2010 wie im konkreten Fall die Verlängerung der Bezugszeit von ALG1 für ältere Arbeitnehmer wird als Kurskorrektur „gefühlt“. Franz Müntefering wird in diesem Konflikt von vielen Medien, von der Wirtschaft, vom Koalitionspartner und Fachleuten wie dem IAB als an der Sache orientierter Politiker gelobt, zwar als Sturkopf aber eben als gradlinig, als Anti-Populist. Nebenbei wird sein Lebenswerk, dessentwegen er seine Partei mit dem Antrag auf Neuwahlen aus der Kanzlerschaft katapultiert hat, die Schrödersche Reformpolitik, auch noch geadelt, nebenbei wird insinuiert oder offen behauptet, diese Reformen hätten uns den wirtschaftlichen „Erfolg“ gebracht; und dass der kleine Aufschwung ein wirklicher Aufschwung sei, wird auch noch in die Köpfe und Herzen gedrückt. Müntefering profitiert also auch von diesem Konflikt, obwohl der Konflikt so aussieht, als wäre er gegen ihn gerichtet und als sei er ziemlich isoliert. „Wacker, aber einsam“ titelte der „Stern“, „Müntefering allein zu Haus“ ein anderes Blatt.
Da kann Franz Müntefering aber kräftig lachen. Von Einsamkeit kann keine Rede sein, jedenfalls nicht in der Runde, die über die Vorschläge von Beck entscheidet, wenn diese vom SPD-Parteitag verabschiedet worden sind. Dann sitzt man in der Koalitionsrunde und dann vielleicht im Kabinett, und dann hat Beck nicht einmal unter den SPD-Mitgliedern des Kabinetts eine Mehrheit. Und Beck selbst hat die Front gegen seinen Korrekturwunsch im Kabinett noch gestärkt, indem er neben Steinbrück auch noch Steinmeier als SPD-Vize und Barbara Hendrix als Schatzmeisterin zur Wahl vorgeschlagen hat. Wenn dann die CDU/CSU nicht selbst zum Förderer der Beck’schen Korrekturen an der Agenda 2010 geworden ist, dann sind halt die Beschlüsse des SPD-Parteitages leider nicht durchzusetzen. Und Müntefering ist doch noch Sieger. Deshalb glaube ich auch nicht daran, dass er wegen des Konflikts mit Beck jetzt zurücktritt. Kurt Beck wird darunter nicht sonderlich leiden. Er hat sein Bestes versucht – so der Eindruck, er gilt jetzt wieder als verlässlicher Sozialdemokrat, er hat den Frieden mit den Gewerkschaften wieder wenigstens ein bisschen hergestellt und er ist auf der Basis dieser Imageprägung überzeugend zum Vorsitzenden gewählt worden. Alles andere, dat rejelt sisch schon, würden die Kölner sagen. Ich würde mich nicht wundern, wenn die nächsten Umfragen als Reflex auf den laufenden Konflikt Verbesserungen für die SPD, für Beck (jedenfalls bei den eigenen Wählern) und für Müntefering brächten. Warten wir es ab. Aus früheren Konflikten wissen wir, dass dies funktioniert: | Albrecht Müller | Zur Zeit sind wir Zeitzeugen eines interessanten, schon oft erprobten Effektes in der politischen Kommunikation: Über einen (Sach-)Konflikt unter Personen können Images von Politikern geprägt, verändert, aufgebaut und (selten) ruiniert werden. Im konkreten Fall baut Kurt Beck sein Image als sozialdemokratisch gesonnener Sozialdemokrat auf, und Franz Müntefering gewinnt das Image eines an der S ... | [
"Beck, Kurt",
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"Müntefering, Franz",
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"SPD",
"Strategien der Meinungsmache"
] | 10. Oktober 2007 9:32 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=2683 |
Der MDR und die NachDenkSeiten beschreiben nahezu deckungsgleich, wie wir und vor allem die Menschen in der DDR 1989/1990 manipuliert worden sind. | Am 1. Oktober erschien das Buch „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst.“ Am 4. Oktober veröffentlichten wir auf den NachDenkSeiten das Kapitel IV. 1 mit der Überschrift „Wir sind das Volk. Wir sind ein Volk.“ Siehe hier “Wie aus „Wir sind das Volk“ „Wir sind ein Volk“ gemacht wurde, kam bei den gestrigen Feiern zur deutschen Einheit nicht vor”. Am 6. Oktober widmete sich die „MDR Zeitreise“ genau dem gleichen Thema mit nahezu identischem Inhalt, nur länger und mit vielen guten Bildern. Praktisch zur gleichen Zeit gingen also die Redakteure des MDR und wir von den NachDenkSeiten der Frage nach, wie und wann das Wort „das“ durch das Wort „ein“ ersetzt worden ist. Mithilfe einer gut geplanten Kampagne. Albrecht Müller.
De facto gleichzeitig arbeiteten wir am gleichen Thema und mit der gleichen Tendenz. Das ist kein Grund für Konkurrenzneid, sondern ein Grund zur Genugtuung. Es gibt einen kleinen Unterschied: In meinem Buch wird Bezug genommen auf eine Sendung von Deutschlandfunk Kultur vom 29. September 2005. Dort war der gleichen Frage nachgegangen worden und die wichtigsten Quellen waren damals schon genannt worden. Aber sich auf diese Quelle nicht bezogen zu haben, ist eine lässliche Sünde der MDR-Zeitreise-Redaktion. Einem breiten Publikum den Vorgang beschrieben zu haben, ist sehr verdienstvoll. Außerdem hat die MDR-Redaktion den Vorgang visualisiert und zusätzlich einige wichtige Elemente gebracht, zum Beispiel Teile eines jetzt geführten Interviews mit dem damaligen Bundesgeschäftsführer der CDU, Radunski. Er bestätigt mit einem gewissen Stolz den damaligen Manipulationsvorgang. Ich erwähne die parallel geleistete Informationsarbeit von MDR und NachDenkSeiten zum einen, weil daran sichtbar wird, dass sich die sogenannten etablierten Medien und die vornehmlich im Internet auftretenden alternativen Medien durchaus befruchten und ergänzen könnten. Aha-Effekte Mein zitiertes Buch „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst. Wie man Manipulationen durchschaut“ war die Grundlage des NachDenkSeiten-Beitrags vom 4. Oktober. Es enthält darüber hinaus eine Fülle von Anregungen nicht nur für die Leserinnen und Leser, sondern auch für Journalistinnen und Journalisten. Es ist auch für Journalisten geschrieben. Die 17 im Buch beschriebenen Methoden der Manipulation, alle belegt und erläutert an praktischen Beispielen der Zeitgeschichte, sind eine Fundgrube für die redaktionelle Arbeit unserer Kollegen und Kolleginnen. Ähnliches gilt für die 16 beschriebenen und belegten Fälle von Meinungsmache und die dahintersteckenden Strategien. Bedienen Sie sich! Selbst Journalisten werden erleben, was vielen normalen Zeitgenossen widerfährt: eine Art Aha-Effekt, ein Staunen darüber, wie hintergründig viele Vorgänge sind, denen wir normalerweise schutzlos ausgeliefert sind. Wie behandelt die Geschichtsschreibung die bewusst geplante Umfummelei von „Wir sind das Volk“ zu „Wir sind ein Volk“? Seit langem schon beobachte ich, dass Kampagnen der Meinungsbeeinflussung wie übrigens auch viele wichtige Wahlkämpfe keinen oder jedenfalls keinen gebührenden Niederschlag in der Geschichtsschreibung finden. Historiker orientieren sich oft an dem, was Medien in aktuellen Situationen beschrieben und analysiert haben und sie hinterfragen dieses nicht kritisch. So habe ich anlässlich des 100. Geburtstags von Willy Brandt beobachten müssen, dass jene Vorurteile, die zu Lebzeiten von einem Teil der Medien verbreitet worden sind, sich dann in der Geschichtsschreibung niedergeschlagen haben. Er habe nichts von Wirtschaftspolitik verstanden, sei ein Außenkanzler gewesen, habe unter Depressionen gelitten – vieles von dem, was dem früheren Bundeskanzler zu Lebzeiten angedichtet worden ist, findet sich in der Geschichtsschreibung wieder. Davon habe ich in einem Buch mit dem Titel „Brandt aktuell“ 2013 aus Anlass des 100. Geburtstags berichtet. Jetzt steht zu befürchten, dass die wichtigen Manipulationsvorgänge der Jahre 1989 und 1990 nicht in den Geschichtsbüchern nachzulesen sein werden. Auch dagegen soll die Lektüre von „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst.“ wirken. Ein Versuch. Ein notwendiger Versuch, wenn man Demokratie ernst nehmen will, statt nur davon in Sonntagsreden oder bei der Vorbereitung und Begleitung von Regime Changes zu schwärmen. | Albrecht Müller | Am 1. Oktober erschien das Buch „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst.“ Am 4. Oktober veröffentlichten wir auf den NachDenkSeiten das Kapitel IV. 1 mit der Überschrift „Wir sind das Volk. Wir sind ein Volk.“ Siehe hier "Wie aus „Wir sind das Volk“ „Wir sind ein Volk“ gemacht wurde, kam bei den gestrigen Feiern zur deutschen Einheit nicht vor". Am 6. Oktober widmete sich die „MDR Zeitr ... | [
"Bürgerproteste",
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"Strategien der Meinungsmache"
] | 08. Oktober 2019 9:36 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=55447&share=email |
Export | Von Joachim Jahnke. | [] | [] | 19. Juli 2005 16:10 | https://www.nachdenkseiten.de/?tag=export&paged=11 |
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Yes, we can | Barack Obama hatte seinen Wahlkampf mit leeren Floskeln bestritten. Will man aber Obamas Leistungen als Präsident der USA beurteilen, so muss man untersuchen, ob es in Sachen Frieden und sozialer Gerechtigkeit Fortschritte durch seine aktive Einflussnahme gegeben hat. Von Marco Wenzel.
Obama war angetreten als Nachfolger von G. W. Bush. Es besser zu machen als sein Vorgänger, dürfte nicht schwergefallen sein, jeder hätte es besser gemacht. Seinen Wahlkampf hat er mit der schwammigen Aussage „Yes, we can …“ bestritten. Wobei er mit diesem Halbsatz wohlwissentlich verschwiegen hat, was man denn mit ihm als Präsidenten alles hätte machen können – und vor allem auch machen würde. Seine Wähler, des unsäglichen Bush Junior – so wie der Rest der Welt – überdrüssig, dürften diesen Slogan zumindest überwiegend so verstanden haben, dass unter seiner Präsidentschaft die Welt friedlicher und gerechter werden sollte. G. W. Bush hatte ja gerade das Gegenteil davon gemacht und neue Kriege angezettelt. Im Januar 2009 wurde Obama als Präsident der USA in sein Amt eingeführt. Will man Obamas Leistungen als Präsident der USA beurteilen, so muss man untersuchen, ob es in Sachen Frieden und sozialer Gerechtigkeit Fortschritte durch seine aktive Einflussnahme gegeben hat. An ihren Taten sollt ihr sie erkennen Schöne Worte zu schreiben, reicht aus für einen Schriftsteller, einen Politiker muss man an seinen Taten messen. Das wollen wir denn nun tun:
Als allererstes nach seiner Amtseinführung wollte Obama das Gefängnis auf Guantanamo Bay, Kuba, schließen. Abgesehen von der Tatsache, dass die USA nichts auf Kuba zu suchen haben, ist das Gefängnis von Guantanamo ein Ort, an dem Menschen ohne Gerichtsprozess und ohne rechtskräftiges Urteil unter dem fadenscheinigen Vorwand, sie seien illegale Krieger, auf unbegrenzte Zeit von den USA gefangen gehalten und vom Rest der Welt isoliert werden. Den Gefangenen gesteht man nicht einmal zu, sich von einem Anwalt ihrer Wahl vertreten zu lassen. Das verstößt gegen das Völkerrecht, als ehemaliger Verfassungsanwalt musste Obama das wissen. Nach achtjähriger Amtszeit bestand die Gefangenenanstalt auf Kuba nach wie vor und viele der Gefangenen sitzen dort immer noch ein. Yes, we can … Keinen Krieg beendet, aber neue angezettelt Dann wollte Obama die unter seinem Vorgänger Bush angezettelten Kriege beenden. Als Vorschuss für diese guten verbalen Absichten verlieh man ihm schon im Dezember 2009 den Friedensnobelpreis. Tatsächlich hat Obama aber keinen einzigen dieser Kriege beendet, sondern, schlimmer noch: Er hat zusätzlich noch neue Kriege angezettelt. Seine Außenministerin Hillary Clinton hat, mit seiner Unterstützung, eine Koalition gegen Libyen zusammengetrommelt, den dortigen Präsidenten Gaddafi gestürzt und ihn ermorden lassen und in Libyen einen Bürgerkrieg entfacht, der das Land in Schutt und Asche gelegt hat. Die USA haben Milliarden Dollar ausgegeben, um in der Ukraine mit Hilfe von faschistischen Schlägertrupps einen Regierungssturz herbeizuführen und das Land ins Chaos zu stürzen. Obama hat den Krieg in Afghanistan nicht wie versprochen beendet und auch nicht seine Truppen zurückgeholt, sondern im Gegenteil, das Land hat jetzt nicht nur eine muslimische Extremistengruppe, sondern gleich mehrere, die sich gegenseitig bekämpfen. Mit Waffen auch aus den USA. Der Opiumanbau geht weiter. Unter der Regie des Friedensnobelpreisträgers Obama wurden so viele völkerrechtswidrige Drohnenangriffe gegen Pakistan und seine Nachbarstaaten geflogen und Menschen ohne Gerichtsprozess und -urteil aus den Wolken heraus zu Tode gebombt wie noch unter keinem anderen Präsidenten vor ihm. Yes, we can … Hass geschürt, Terrorismus begünstigt Auch den „Terrorismus“ wollte Obama, wie schon seine Vorgänger, bekämpfen. Stattdessen hat er den Grundstein für noch mehr Terrorismus geschaffen, indem er die Heimat von unzähligen Menschen auf der Welt zerstört und ihren Hass geschürt hat. Obama hat in Syrien Assad stürzen wollen und er hat damit das Land in einen nicht enden wollenden Krieg gestürzt. Sowohl die Al-Nusra-Rebellen wurden mutmaßlich von den USA aufgebaut als auch der sogenannte Islamische Staat, als Speerspitze gegen Präsident Assad. Obama hat geduldet, dass rechtskonservative Republikaner wie Frau Nuland in ihrer Funktion als Verantwortliche im State-Department oder wie Samantha Power in der UN Einflussarbeit in anderen Ländern geleistet haben, um dort Regierungen entweder zu stürzen oder zu schützen, je nachdem, ob sie den Falken in den USA in ihr abstruses außenpolitisches Konzept der Weltbeherrschung passen oder nicht. Yes, we can … Auch die NATO wurde in seiner Regierungszeit nicht aufgelöst, sondern sogar weiter ausgebaut. Die NATO hat sich „neue Aufgaben gesucht“ und sich, sehr zur Verärgerung der betrogenen Russen, weiter nach Osten ausgedehnt. Die Beziehungen zu Russland sind so schlecht wie noch nie seit Anfang des Kalten Krieges – und dies, obwohl der russische Präsident Putin sowohl den USA und auch Europa immer wieder die Hand ausgestreckt und zu gemeinsamen Verhandlungen und Friedensmaßnahmen aufgefordert hat. Yes, we can … Kein Präsident der Afroamerikaner Kurz: Die Welt ist mit einem Friedensnobelpreisträger als Präsident des mächtigsten Staates so unsicher geworden wie nie zuvor, die Militärausgaben sind drastisch gestiegen und die Anzahl der weltweit geführten Kriege und der Kriegsflüchtlinge ist so hoch wie nie zuvor. Yes, we can … Die Schwarzen in den USA hatten besonders viele Hoffnungen auf Obama gesetzt. In der achtjährigen Amtszeit eines afroamerikanischen Präsidenten wurden die Rassenunruhen in den USA größer als vor seiner Amtszeit. Tausende von Schwarzen sitzen wegen geringfügigen Vergehen in den überfüllten Gefängnissen und werden täglich von einer rassistischen Polizei schikaniert oder gar erschossen. Yes, we can … Verschärfung der sozialen Krise Die soziale Krise ist inzwischen in den USA so extrem wie schon lange nicht mehr, Amerika wird von großer Armut und hoher Arbeitslosigkeit, einer Welle von Polizeimorden und Polizeigewalt und einer rapide ansteigenden Mordrate heimgesucht. Gleichzeitig wird der Reichtum der Finanzeliten immer perverser. Diese Entwicklung geht größtenteils auf den Aktienboom unter Obama und eine beschleunigte Umverteilung des Reichtums von der unteren Hälfte der amerikanischen Bevölkerung zum obersten Prozent zurück. Die Lebenserwartung in den USA ist gesunken, die Löhne sind deutlich zurückgegangen, die Zahl der Todesopfer durch Drogen gestiegen und der Anteil junger Menschen an den Hauseigentümern ist auf einen historischen Tiefstand gesunken. Obamas Regierung hat mehrfach die Sozialausgaben gekürzt und dafür Banken gerettet. Yes, we can … Wenn Obama behauptet, die Arbeitslosigkeit in den USA sei seit seinem Amtsantritt gesunken und die Zahl der Arbeitsplätze sei wie nie zuvor stetig angestiegen, dann sagt er nicht, dass die meisten der neuen Arbeitsplätze, die in seiner Amtszeit geschaffen wurden, Teilzeit- oder befristete Stellen sind. Yes, we can … Fazit: Obama hat persönlich die Ermordung amerikanischer Staatsbürger und Tausender anderer Menschen auf der ganzen Welt durch Drohnen angeordnet, die für Folter verantwortlichen CIA-Mitarbeiter geschützt und befördert, das Gefangenenlager Guantanamo Bay weiterbetrieben, Journalisten verfolgt und Whistleblower eingesperrt, die Polizei militarisiert und die illegale Überwachung elektronischer Kommunikationen ausgeweitet. Obama hat in seiner ganzen achtjährigen Amtszeit Krieg im Ausland und gegen die Arbeiter im Inland geführt. Zum Wohl des militärisch-industriellen Komplexes, zum Wohl der Aktienbesitzer, des „Establishments“, der Reichen und der Finanzelite. Gräben zu Russland vertieft Zum Schluss machte er sich noch dadurch lächerlich, dass er die Russen für die Wahlniederlage seiner früheren Außenministerin verantwortlich gemacht und neue Sanktionen gegen Russland verhängt hat. Als letzte Amtshandlung sozusagen. Zum letzten Yes, we can … Wenn es den US-amerikanischen Arbeitern seit Obamas Amtsantritt wirklich so gut wie nie zuvor gegangen wäre, dann soll uns mal einer erklären, warum diese dann so dumm waren, nicht die „tolle“ Frau Clinton als seine Nachfolgerin zu wählen. Obama hat nichts gehalten von dem, was er versprochen hat. Aber so richtig versprochen hat er ja nie was. Er hat nur gesagt: Yes, we can. Den Rest haben sich die jetzt Enttäuschten dann selber zurechtgelegt. Titelbild: Evan El-Amin / Shutterstock | Marco Wenzel | Barack Obama hatte seinen Wahlkampf mit leeren Floskeln bestritten. Will man aber Obamas Leistungen als Präsident der USA beurteilen, so muss man untersuchen, ob es in Sachen Frieden und sozialer Gerechtigkeit Fortschritte durch seine aktive Einflussnahme gegeben hat. Von Marco Wenzel.
Obama war angetreten als Nachfolger von G. W. Bush. Es besser zu machen als sein Vorgänger, dürfte nicht s ... | [
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"einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte",
"Erosion der Demokratie"
] | 21. Juli 2019 11:45 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=53515 |
Die neoliberale Strategie: Aus allen potentiellen Konkurrenten „Realos“ machen | Wer sich die Freiheit seiner Gedanken erhalten will, wer den kritischen Umgang mit dem Geschehen üben will, kann das zurzeit sehr gut an der tobenden Debatte um die Entwicklung bei der Linken tun. Eigentlich, so hatte mancher kritische Beobachter gemeint, wäre mit der Wirtschaftskrise auch die Erfolgschance der neoliberalen Ideologie erledigt. Das hat sich schon deshalb als Fehleinschätzung erwiesen, weil die mit viel publizistischer und finanzieller Macht ausgestattete Bewegung immer noch die Möglichkeit hat, über Manipulation und Meinungsmache die Macht zu sichern. Albrecht Müller.
Sie vermögen damit das Volk und vor allem die Multiplikatoren zu beeinflussen. Aber damit nicht genug: Sie nehmen direkt Einfluss auf die innere Willensbildung ihrer Konkurrenten. Das ist der eigentliche Grund dafür, dass es so schwer beziehungsweise gar nicht gelingt, uns eine politische Alternative zur Schwarz-Gelb oder wie zuvor zu neoliberal eingefärbten Schwarz-Rot oder Rot-Grün zu bieten. Einfluss nicht nur auf die Wählerschaft, sondern auch auf die innere Willensbildung der Parteien. Alle wurden nach rechts getrimmt und zu „Reformern“ und „Realos“.
Versetzen Sie sich einfach einmal in die Lage eines Strategen des rechtskonservativen, seit den siebziger Jahren neoliberal eingefärbten Lagers und unterstellen Sie dabei getrost, dass Sie über reichlich finanzielle Mittel, vor allem aber über publizistische Mittel direkt oder über PR-Agenturen verfügen. Dann sind Sie klug beraten, Das ist genau so in den letzten Jahren geschehen: der linksliberale Flügel bei der FDP ist auf eine Restgröße ohne gesellschaftspolitische Relevanz reduziert worden; entgegen aller schönen Sprüche von der Sozialdemokratisierung ist die Union in ihrer praktischen Politik heute wesentlich von ihrem Wirtschaftsrat geprägt. Kleine Nuancen fördern die Glaubwürdigkeit. Die SPD ist – beginnend mit der Vorbereitung des Kanzlerwechsels von Willy Brandt zu Helmut Schmidt und komplettiert mit Gerhard Schröders Agenda 2010 – heute wesentlich neoliberal geprägt. Dort hat sich eindeutig der rechte Flügel durchgesetzt. Und es ist nicht erkennbar, dass sich dies mit Steinmeier und Gabriel ändern sollte. Die Grünen haben sich zu einer Bastion der Realos gemausert. Alle diese Prozesse waren begleitet von massiver Beeinflussung der Meinungsbildung innerhalb dieser Parteien. Die Guten waren immer die rechten Flügel, die Realos, wie schon der Name suggeriert. Dabei haben die jeweiligen politischen Gegner, die Medien und die rechten Flügel im Inneren der betreffenden Parteien quasi als trojanische Pferde zusammengewirkt. Typisch dafür die Vorgänge um die angestrebte Bildung einer linken Koalition und Alternative in Hamburg, in Hessen und im Saarland. Die hessische SPD zum Beispiel war massivem publizistischen Druck ausgesetzt, der dann mithilfe der vier Dissidenten zu einem politisch wirksamen Nein umgesetzt wurde. Im Saarland war der Vorsitzende der Grünen auf die andere Seite gezogen. Dieser Wortbruch des Hubert Ulrich wurde publizistisch im Gegensatz zum Verhalten Andrea Ypsilantis zu einer unbedeutenden Angelegenheit heruntergespielt. Die Beeinflussung der inneren Willensbildung wurde jedes Mal politisch hoch wirksam. Diese Vorgänge habe ich in „Meinungsmache“, Kapitel 20 „Meinungsmache zur Sicherung von Macht und Einfluss“ beschrieben. Teile dieser Texte finden sich in den NachDenkSeiten als Leseproben aus „Meinungsmache“. Jetzt ist vor allem die Linkspartei dran. Sie ist zurzeit einer massiven Kampagne ausgesetzt, bei der es im Kern darum geht, die inhaltlichen Kanten abzuschleifen, die sie zurzeit noch hat. Das Profil lässt sich in wenigen Stichworten zusammenfassen: möglichst schneller Abzug aus Afghanistan und Konzentration auf die Lösung von Konflikten mit friedlichen Mitteln, keine weitere Privatisierung öffentlichen Eigentums, keine weitere Verringerung von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, Abschied von den Hartz-Gesetzen, Einführung eines gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohns, Sicherung einer armutsfesten Rente, Rücknahme der Rente mit 67. Das Ziel der laufenden Kampagne ist klar: Auch die Linkspartei soll so sehr auf Anpassung getrimmt werden, dass sie nicht mehr als links wirksam und auch nicht als solches erkennbar und damit für viele nicht mehr wählbar ist. Die im Zentrum des Konflikts stehenden Personen sind gemessen daran zweitrangig. Sie dienen allerdings als Katalysatoren der Auseinandersetzung und auch zur Charakterisierung und Dämonisierung. Dokumente zur Kampagne
Eine Auswahl siehe Anlage. Beteiligt sind nahezu alle Medien. Ausnahme beispielsweise der Stern. Massiv wie immer ist die Bild-Zeitung im Geschäft. Die laufende Kampagne ist deprimierend und wirkt zerstörerisch für einzelne Personen; sie ist aber spannend zu beobachten, weil daran beispielhaft erkennbar wird, wie bei uns Meinung gemacht wird, mit welchen Methoden, mit welchen Mitteln und Medien. Die Kampagne zeigt auch, was möglich ist: die totale Meinungsbildung weiter Kreise von Journalisten, von Multiplikatoren und auch des Volkes. Rücksichtslos und zerstörerisch
Selbst in modernen Zeiten gilt in der Regel, dass die Medien die privaten Geschichten von Politikern nicht veröffentlichen. Das ist zwar immer mal wieder durchbrochen worden – bei Seehofer zum Beispiel, oder auch lange zurück im Vorfeld des Rücktritts von Willy Brandt im April und Mai 1974, als bösartige und unterstellende Storys bei Bild und anderswo veröffentlicht wurden. Jetzt erlebt Oskar Lafontaine den Bruch dieser Regel.
Da er in der bundesrepublikanischen Debatte aber so etwas wie eine Unperson darstellt, wird auch keine Rücksicht auf seine Krankheit genommen. Gnadenlos fallen Medien wie an vorderster Front die Bild-Zeitung über ihn her – auch mit unglaublich verdrehenden und lügenden Darstellungen. Siehe die beiden im Anhang dokumentierten und in Stichworten kommentierten Beiträge bei der Bild-Zeitung vom vergangenen Samstag. Die totale Manipulation ist möglich. Das wird auch im konkreten Fall wieder belegt.
Es ist immer wieder erstaunlich, dass es gelingt, bei wichtigen Medien Parolen und Botschaften zu platzieren, die mit der Wirklichkeit nichts oder nahezu nichts zu tun haben. Das gelingt in der Regel dann, wenn die entsprechenden Botschaften ständig wiederholt und von verschiedenen Absendern ausgesandt werden. Im konkreten Fall ist es für den Erfolg der von neoliberaler Seite betriebenen Kampagne und ihrer Botschaften sehr wichtig, dass die eigentlichen Interessenten im Hintergrund bleiben und das Geschäft im wesentlichen innerhalb der Linken selbst betrieben wird. Bartsch oder Brie als Absender oder einzelne Landesvorsitzende aus dem Lager der so genannten Realos sind als Quellen wichtig, wie selbstverständlich auch die Vielfalt und die relative Breite der sich einsetzenden Medien, also Bild genauso wie die Frankfurter Rundschau.
Wenn Sie Zeit haben, dann überfliegen sie die in der Dokumentation verlinkten Beiträge, sie werden eine erstaunliche Gleichrichtung, wenn nicht Gleichschaltung, der Botschaften vorfinden. Erstaunlich gleichlautende Botschaften
Im folgenden werden einige der Hauptbotschaften zitiert und beleuchtet: Wer sich zu den Methoden einer solchen Kampagne, wie wir sie zurzeit in Sachen Linkspartei, Bartsch, Lafontaine und Gysi erleben, näher informieren möchte, möge sich den entsprechenden Text aus „Meinungsmache“, der in Kurzfassung in den NachDenkSeiten wiedergegeben ist, vornehmen: Nr. 3: „Auszug aus „Meinungsmache“, Seite 426 bis 428: „Die Methoden der Manipulation kennen und durchschauen.“ Mohr Oskar hat seine Schuldigkeit getan, er kann gehen. Einige der in der Dokumentation zitierten Medienschaffenden gehen davon aus, dass mit dem Abtritt von Bartsch der Konflikt und damit auch die Richtungsentscheidung der Linkspartei nicht entschieden ist. Dass die Leute um Bartsch das so sehen, ist deutlich erkennbar. Sie haben vermutlich darauf gesetzt, den aus dem Saarland stammenden Vorsitzenden jetzt schon mürbe zu machen und ihn loszuwerden. Das hätte ihnen die Freiheit gegeben, die Linkspartei programmatisch anzupassen.
Diese Lösung ist vorerst gescheitert. Aber das sagt noch nichts über die weitere Entwicklung. „Der Machtkampf ist nur vorerst entschieden“. (dpa offensichtlich nach Gespräch mit Bartsch) oder die FAZ vom 17. Januar: „Dietmar Bartsch wird warten. Er ist 51, Lafontaine 66. Bartsch ist ein alter Volleyballer. Da gilt: Der letzte Schlag zählt.“ Die mediale Unterstützung für Bartsch in der abgelaufenen und laufenden Kampagne deutet darauf hin, dass er auch für den nächsten Schlag die Unterstützung der Mehrheit der Medien haben wird. Darauf muss sich die Führung der Linkspartei einstellen und sowohl ihre Mitglieder als auch ihre Wählerinnen und Wähler frühzeitig und immer wieder auf diesen Vorgang aufmerksam machen. Das ist sehr aktuell.
Da den Realos bei der Linkspartei vermutlich wie den Rechten in der SPD die Macht im Staat nur dann attraktiv erscheint, wenn sie sie auch in ihrer Partei besitzen, werden wir den nächsten Schlag in dieser Auseinandersetzung im Vorfeld der nordrhein-westfälischen Landtagswahlen erleben. Es könnte der Gruppe um Bartsch nichts Besseres passieren für den inneren Machtausbau als ein schlechtes Ergebnis der nordrhein-westfälischen Linkspartei. Deshalb werden sie vermutlich viel tun, um die Unruhe und die schlechten Kommentare und Berichte am Laufen zu halten. Die Einlassungen Dietmar Bartschs direkt nach seinem Rückzieher deuten darauf hin. Er ist immerhin noch Bundesgeschäftsführer und beginnt bereits kräftig mit der Demontage des Fraktionsvorsitzenden Gysi zum Beispiel. Wenn es ihm um seine Partei gehen würde und nicht zu allererst um die Durchsetzung seiner Richtung, dann hätte er geschwiegen und hätte seine Freunde ermuntert auch zu schweigen. Das haben sie nicht getan, und sie werden weiter in ihrem innerparteilichen Kampf das Image der gesamten Partei beschädigen, solange sie den Kampf nicht für sich, ihre Richtung und ihre Jobs entschieden haben. Wer die Geschichte der SPD in den letzten 40 Jahren aufmerksam verfolgt hat, kennt diese Mechanismen. In ihr waren immer Leute platziert, die das Interesse ihrer politischen Gegner vertraten. Sie war bei wichtigen Willensbildungen und Entscheidungen fremdbestimmt und verzehrte sich in dieser Fremdbestimmung. Warum sollte das bei der Linkspartei nicht auch so sein? Da wir aber ein Interesse an einer Alternative zur herrschenden Ideologie haben, brauchen wir eine nicht angepasste Linke. Nur deshalb kümmert uns das ganze Thema. Weil der beste Weg zur Verhinderung der skizzierten Entwicklung ihre Offenlegung ist, ist dieser Text geschrieben. P.S.: Beim Versuch der herrschenden neoliberalen Ideologen, auch aus der Linkspartei eine Partei von Realos zu machen, geht es nicht nur um die Linkspartei und deren Entwicklung. Es geht auch um die Sicherung der neoliberalen Bastion bei der SPD und bei den Grünen.
Die innere programmatische Entwicklung zumindest in diesen drei Parteien ist über
kommunizierende Röhren miteinander verbunden. Wenn die Linkspartei nach rechts rückt, dann kann die SPD-Führung dort, nämlich bei der Agenda 2010 und Hartz IV, bleiben, wo sie heute ist. Sie ist nicht gezwungen, sich nach links zu bewegen, um Wähler von der Linken zurückzuholen. Deshalb freuen sich Steinmeier und Gabriel wie die Schneekönige und verstärken den Kampf gegen den inhaltlich orientierten Teil der Linkspartei. Sie möchten die zuvor beschriebenen inhaltlichen Positionen der angeblich radikalen Teile der Linken wegräumen. Sie verstärken den Streit mit den ihnen eigenen primitiven Methoden: mit dem Angebot an Bartsch, die Partei zu wechseln.
Ich finde diese Reaktion und das Verhalten von Sigmar Gabriel ausgesprochen enttäuschend. Weil uns nichts anderes übrig bleibt, begann zumindest ich nämlich zu hoffen, Gabriel könne sich eines Besseren besinnen und wirklich eine Kurskorrektur der SPD weg vom Schröder Kurs betreiben. Jetzt hofft er stattdessen darauf, dass sich auch bei der Linkspartei die „Reformer“ durchsetzen. Das ist wegen der inhaltlichen Seite traurig, und es ist enttäuschend wegen des erkennbaren Mangels an strategischer Fähigkeit. So kann man nur hoffen, dass sich innerhalb der Linkspartei die inhaltlich orientierten Kräfte halten und verstärken. Dann könnte in Arbeitsteilung mit den Realos auch auf lange Sicht eine wirklich attraktive Partei draus werden. Anlage Kurze Pressedokumentation zur Kampagne in Sachen Streit bei der Linkspartei Download-PDF: Die neoliberale Strategie: Aus allen potentiellen Konkurrenten „Realos“ machen [197 KB] | Albrecht Müller | Wer sich die Freiheit seiner Gedanken erhalten will, wer den kritischen Umgang mit dem Geschehen üben will, kann das zurzeit sehr gut an der tobenden Debatte um die Entwicklung bei der Linken tun. Eigentlich, so hatte mancher kritische Beobachter gemeint, wäre mit der Wirtschaftskrise auch die Erfolgschance der neoliberalen Ideologie erledigt. Das hat sich schon deshalb als Fehleinschätzung er ... | [
"Bartsch, Dietmar",
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Die Inhaftierung von Craig Murray ist der jüngste Schritt im Kampf gegen den unabhängigen Journalismus | Seit gestern sitzt ein Autor, den die NachDenkSeiten sehr schätzen und dessen Artikel sie wiederholt in deutscher Übersetzung veröffentlicht haben, im Gefängnis – wegen seiner journalistischen Arbeit: Craig Murray, früherer britischer Botschafter in Usbekistan, Menschenrechtsaktivist und Journalist. Ihm hat die interessierte Öffentlichkeit unter anderem zu verdanken, dass mehr als nur ein paar spröde Worte über die Anhörungen im Auslieferungsprozess gegen Julian Assange berichtet wurden. Murray hat das juristische Prozedere als einer von nur einer Handvoll Journalisten täglich im Londoner Gericht verfolgt und Nacht für Nacht sorgfältige Protokolle dessen angefertigt, was er dort miterlebte: himmelschreiendes Unrecht und Rechtsbeugung in erschütterndem Ausmaß.
Die Hintergründe zu Murrays eigenem Prozess haben die NachDenkSeiten schon im Mai in einem Artikel beleuchtet. Heute bringen wir eine Analyse des unabhängigen britischen Journalisten Jonathan Cook. Er sieht in der Inhaftierung von Craig Murray einen weiteren heftigen Schlag gegen die Pressefreiheit. Übersetzung: Susanne Hofmann. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Craig Murray, ehemaliger Botschafter in Usbekistan, Vater eines Säuglings, Mann von fragiler Gesundheit und ohne Vorstrafen, musste sich Sonntagmorgen (1.8.) der schottischen Polizei stellen. Er wird der Erste sein, der jemals wegen des obskuren und nur vage definierten Vorwurfs der „Puzzle-Identifikation“ inhaftiert wird. (Puzzle-Identifikation – der Vorwurf des Gerichts lautet: Murrays Veröffentlichungen liefern Puzzleteile, die – kombiniert mit Puzzleteilen anderer Quellen – zur Identifikation der Frauen hätten führen können, deren Identität allerdings dank anderer Journalisten längst bekannt war; Anmerkung der Übersetzerin) Murray ist auch der erste Mensch seit einem halben Jahrhundert, der in Großbritannien wegen Missachtung des Gerichts ins Gefängnis gesteckt wird – vor einem halben Jahrhundert herrschten derart andere juristische und moralische Wertvorstellungen, dass das britische Establishment eben erst die Verfolgung „Homosexueller“ und die Inhaftierung von Frauen, die abgetrieben haben, beendet hatte. Dass Murray für acht Monate ins Gefängnis kommt, ein Urteil von Lady Dorrian, Schottlands zweithöchster Richterin, beruht natürlich ausschließlich auf einer kühnen Auslegung schottischen Rechts und ist keineswegs Beweis dafür, dass das schottische und das Londoner politische Establishment nach Rache an dem früheren Diplomaten trachten. Und dass der britische Oberste Gerichtshof es abgelehnt hat, Murrays Einspruch anzuhören – obwohl es viele eklatante juristische Unregelmäßigkeiten in dem Fall gab – und so seinen Weg ins Gefängnis geebnet hat, wurzelt ebenfalls in der konsequenten Anwendung des Gesetzes und ist in keinster Weise durch politische Überlegungen beeinflusst. Murrays Gefängnisstrafe hat nichts damit zu tun, dass er den britischen Staat Anfang der 2000er Jahre bloßgestellt hat, indem er zu einem ganz seltenen Exemplar wurde: einem Whistleblower im diplomatischen Dienst. Er machte die Kollaboration der britischen und US-amerikanischen Regierungen mit dem Folterregime von Usbekistan öffentlich. Seine Inhaftierung hat auch nichts damit zu tun, dass Murray den britischen Staat in jüngster Zeit in Verlegenheit brachte, indem er aus einem Londoner Gerichtssaal über die erschreckenden und anhaltenden Rechtsverstöße berichtet hat bei Washingtons Versuch, die Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange zu erreichen und ihn lebenslang in einem Hochsicherheitsgefängnis wegzusperren. Die USA wollen an Assange ein Exempel statuieren, weil er Kriegsverbrechen im Irak und Afghanistan ans Licht gebracht hat und weil er geleakte diplomatische Depeschen veröffentlicht hat, die Washingtons hässlicher Außenpolitik die Maske heruntergerissen haben. Murrays Inhaftierung hat nichts damit zu tun, dass das Verfahren wegen Missachtung des Gerichts gegen ihn es dem schottischen Gericht ermöglichte, ihm seinen Pass zu entziehen, so dass er nicht nach Spanien reisen und in einem Prozess in Zusammenhang mit Assange aussagen konnte, der Großbritannien und die USA ernsthaft in Verlegenheit bringt. Der spanischen Anhörung liegen stapelweise Beweise dafür vor, dass die USA Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London illegal ausspioniert haben, wo er politisches Asyl suchte, um einer Auslieferung zu entgehen. Murray sollte eigentlich aussagen, dass seine eigenen vertraulichen Gespräche mit Assange gefilmt wurden, ebenso wie Assanges vertrauliche Treffen mit seinen eigenen Anwälten. Angesichts eines derartigen Ausspähens hätte das Verfahren gegen Assange eingestellt werden müssen, wenn die Richterin in London das Gesetz tatsächlich angewandt hätte. Gleichermaßen hat Murrays Inhaftierung nichts damit zu tun, dass er das schottische politische und juristische Establishment in Verlegenheit gebracht hat, indem er fast im Alleingang über die Seite der Verteidigung im Prozess gegen Schottlands ehemaligen Ersten Minister Alex Salmond berichtete. Die Konzernmedien haben nicht berichtet, wie die von Salmonds Anwälten vorgelegten Beweise dazu führten, dass eine von Frauen dominierte Jury ihn von einer Reihe von Anklagen wegen sexueller Übergriffe freisprach. Murrays aktuelle Schwierigkeiten gehen auf seine Berichterstattung über Salmonds Verteidigung zurück. Und ganz sicher hat Murrays Inhaftierung rein gar nichts mit seiner Argumentation zu tun – eine, die erklären könnte, warum die Jury von der Anklage so wenig überzeugt war – dass Salmond tatsächlich Opfer eines ganz oben angesiedelten Komplotts hochrangiger Politiker in Holyrood (schottischer Parlamentssitz; Anmerkung der Übersetzerin) war, um ihn zu diskreditieren und zu verhindern, dass er an die Spitze der schottischen Politik zurückkehrt. Die Absicht war laut Murray, Salmond die Chance vorzuenthalten, es mit London aufzunehmen und ernsthaft für die Unabhängigkeit zu plädieren und damit zu entlarven, dass die SNP sich in diesem Bestreben zunehmend auf Lippenbekenntnisse beschränkt. Unerbittlicher Angriff Murray ist dem britischen Establishment seit fast zwei Jahrzehnten ein Dorn im Auge. Jetzt haben sie einen Weg gefunden, ihn genau wie Assange einzusperren und in möglicherweise jahrelang in Rechtsstreitigkeiten zu verwickeln, die ihn bei seinem Versuch, seinen Namen reinzuwaschen, in den Bankrott treiben könnten. Und angesichts seines äußerst prekären Gesundheitszustands – der dem Gericht en detail dokumentiert wurde – besteht die Gefahr, dass aus seiner achtmonatigen Gefängnisstrafe eine lebenslange Haft wird. Murray wäre vor 17 Jahren beinahe an einer Lungenembolie gestorben, als er das letzte Mal so erbarmungslos vom britischen Establishment angegriffen wurde. Sein Gesundheitszustand hat sich seitdem nicht verbessert. Zu dieser Zeit, in den frühen 2000er Jahren, im Vorfeld und in den frühen Phasen des Einmarschs in den Irak enthüllte Murray die Mitwirkung seiner britischen Diplomatenkollegen – ihren Hang, die Augen zu verschließen vor den von ihrer eigenen Regierung gebilligten Verstößen und ihrer korrupten und korrumpierenden Allianz mit den USA. Als später Washingtons Programm der „außerordentlichen Auslieferung“ – staatliche Entführung – sowie sein Folterregime an Orten wie Abu Ghraib ans Licht kamen, hätte sich die Aufmerksamkeit auf das Versäumnis der Diplomaten richten sollen, dagegen aufzubegehren. Im Gegensatz zu Murray weigerten sie sich, zu Whistleblowern zu werden. Sie deckten die Illegalität und Barbarei. Für seine Mühen wurde Murray von Tony Blairs Regierung unter anderem als Sexualstraftäter verleumdet – Vorwürfe, von denen ihn eine Untersuchung des Auswärtigen Amtes schließlich reinwusch. Aber der Schaden war angerichtet, Murray wurde aus seinem Amt gedrängt. Ein Bekenntnis zu moralischer und rechtlicher Redlichkeit war offensichtlich unvereinbar mit den Zielen der britischen Außenpolitik. Murray musste seine Karriere neu erfinden, und er tat dies mit einem beliebten Blog. Er hat sich in seinem Journalismus mit der gleichen Verve für die Wahrheitsfindung und den Schutz der Menschenrechte eingesetzt – und ist erneut auf ebenso heftigen Widerstand des britischen Establishments gestoßen. Zwei-Klassen-Journalismus Die krasseste und verstörendste rechtliche Neuerung in Lady Dorrians Urteil gegen Murray – und der Hauptgrund dafür, dass er ins Gefängnis muss – ist ihre Entscheidung, Journalisten in zwei Klassen zu unterteilen: diejenigen, die für anerkannte Konzernmedien arbeiten, und solche wie Murray, die unabhängig sind, oft von den Lesern finanziert werden und eben nicht üppige Gehälter von Milliardären oder dem Staat beziehen. Laut Lady Dorrian haben lizenzierte Unternehmensjournalisten Anspruch auf Rechtsschutz, den sie inoffiziellen und unabhängigen Journalisten wie Murray verweigert – genau den Journalisten also, die Regierungen am ehesten die Stirn bieten, das Rechtssystem kritisieren und die Heuchelei und Lügen der Medienunternehmen aufdecken. Als sie Murray der sogenannten „Puzzle-Identifikation“ für schuldig befunden hat, hat Lady Dorrian aber nicht unterschieden zwischen dem, was Murray über den Fall Salmond schrieb, und dem, was von oben gebilligte Unternehmensjournalisten schrieben. Das hat einen guten Grund. Zwei Umfragen haben gezeigt, dass die meisten, die den Salmond-Prozess mitverfolgt haben und glauben, eine oder mehrere seiner Anklägerinnen identifiziert zu haben, dazu aufgrund der Berichterstattung der Konzernmedien – insbesondere der BBC – imstande waren. Murrays Artikel scheinen nur sehr wenig Einfluss auf die Identifizierung der Anklägerinnen gehabt zu haben. Unter den namentlich genannten einzelnen Journalisten wurde Dani Garavelli, der für die schottische Sonntagszeitung „Scotland on Sunday“ und die „London Review of Books“ über den Prozess schrieb, von den Befragten 15 Mal häufiger als Murray als diejenige Quelle genannt, die ihnen ermöglichte, Salmonds Anklägerinnen zu identifizieren. Lady Dorrian unterschied vielmehr, wer im Falle der Offenlegung der Identitäten Schutz genießen würde. Wer für die „Times“ oder den „Guardian“ schreibt oder für die BBC sendet, deren Reichweite enorm ist, wird von den Gerichten vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt. Wer über dieselben Themen für einen Blog schreibt, riskiert, ins Gefängnis geworfen zu werden. Tatsächlich besteht die rechtliche Grundlage der „Puzzle-Identifikation“ – man könnte auch sagen: ihr alleiniger Zweck – darin, dass sie dem Staat gefährliche Befugnisse einräumt. Sie erlaubt dem juristischen Establishment, willkürlich zu entscheiden, welches Stück des vermeintlichen Puzzles eine Identifikation ermöglicht haben soll. Wenn ein Bericht von Kirsty Wark von der BBC ein Puzzleteil enthält, gilt dies in den Augen des Gerichts nicht als Identifizierung. Wenn Murray oder ein anderer unabhängiger Journalist ein anderes Puzzleteil zeigt, zählt es als Identifizierung. Wie leicht dieses Prinzip vom Establishment missbraucht werden kann, um regierungskritische Journalisten zu unterdrücken und zum Schweigen zu bringen, muss nicht eigens betont werden. Und doch ist dies nicht mehr allein Lady Dorrians Urteilsspruch. Indem er sich weigerte, Murrays Berufung anzuhören, hat der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs dieses gefährliche Zweiklassensystem abgesegnet. Vom Staat anerkannt Lady Dorrian wirft die herkömmliche Auffassung darüber über den Haufen, was Journalismus ausmacht: dass er nämlich im besten Falle darauf ausgelegt ist, die Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen, und dass jeder, der einer solchen Arbeit nachgeht, Journalismus betreibt, gleich ob er nun als Journalist angesehen wird oder nicht. Diese Auffassung lag bis vor kurzem auf der Hand. Als die sozialen Medien aus dem Boden sprossen, war einer der Vorteile, die selbst von den Unternehmensmedien propagiert wurden, die Entstehung einer neuen Art von „Bürgerjournalisten“. Zu diesem Zeitpunkt glaubten die Unternehmensmedien, dass diese Bürgerjournalisten zu billigem Futter werden würden, indem sie lokale Geschichten vor Ort liefern würden, zu denen nur sie Zugang hätten, und dass nur die etablierten Medien in der Lage seien, Geld zu verdienen. Genau dies war der Anstoß für die „Comment is Free“-Rubrik des Guardian, die es anfangs allerlei Menschen mit unterschiedlichem Fachwissen oder Informationen ermöglichte, der Zeitung kostenlos Artikel zur Verfügung zu stellen, um die Verkaufszahlen und Anzeigenpreise der Zeitung zu steigern. Die Einstellung des Establishments zu Bürgerjournalisten und des Guardian zum „Comment is Free“-Modell änderte sich erst, als sich zeigte, dass diese neuen Journalisten schwer zu kontrollieren waren und ihre Arbeit oft und bisweilen ungewollt die Unzulänglichkeiten, Täuschungen und die Doppelmoral der Konzernmedien verdeutlichte. Nun ist Lady Dorrians Urteil der Sargnagel des Bürgerjournalismus. Sie hat mit ihrer Entscheidung klargemacht, dass sie und andere Richter darüber entscheiden, wer als Journalist gilt und damit für seine Arbeit Rechtsschutz erhält. Auf diese Weise kann der Staat Journalisten eine Lizenz oder das Siegel der „Glaubwürdigkeit“ erteilen. Das macht den Journalismus zu einer Berufszunft, in der nur offizielle, in Unternehmen beschäftigte Journalisten vor rechtlichen Vergeltungsmaßnahmen des Staates geschützt sind. Wenn man ein nicht gebilligter, nicht offiziell zugelassener Journalist ist, kann man wie Murray ins Gefängnis geworfen werden, auf einer ähnlichen Rechtsgrundlage wie jemand, der ohne die erforderliche Qualifikation einen chirurgischen Eingriff vornimmt. Aber während das Gesetz gegen Scharlatan-Chirurgen dazu dient, die Öffentlichkeit zu schützen, um zu verhindern, dass den Kranken unnötiger Schaden zugefügt wird, wird Lady Dorrians Urteil einem ganz anderen Zweck dienen: den Staat vor dem Schaden zu schützen, der verursacht wird, indem lästige, skeptische – und inzwischen weitgehend unabhängige – Journalisten seine geheimen oder bösartigsten Taten enthüllen. Der Journalismus kommt wieder unter die Knute des Staates und milliardenschwerer Unternehmen. Es mag nicht überraschen, dass Journalisten, die bei Unternehmen angestellt sind und ihren Job gerne behalten wollen, diesem totalen Angriff auf den Journalismus und die freie Meinungsäußerung durch ihr Schweigen zustimmen. Schließlich ist dies eine Art Protektionismus – zusätzliche Arbeitsplatzsicherheit – für Journalisten, die bei Konzernmedien angestellt sind, die im Grunde gar nicht die Absicht haben, die Mächtigen in die Schranken zu weisen. Wirklich schockierend ist jedoch, dass dieser gefährliche Machtzuwachs des Staates und seiner verbündeten Unternehmensklasse implizit den Rückhalt der britischen Journalistengewerkschaft National Union of Journalists (NUJ) genießt. Sie hat während der monatelangen Angriffe auf Murray und der mannigfaltigen Bemühungen, ihn für seine Berichterstattung zu diskreditieren, geschwiegen. Die NUJ hat kaum gemuckst, als Lady Dorrian zwei Klassen von Journalisten geschaffen hat – staatlich anerkannte und nicht anerkannte – oder als sie Murray aus diesen Gründen inhaftiert hat. Aber die NUJ ist noch weitergegangen. Ihre Führungsfiguren haben öffentlich demonstriert, dass sie mit Murray nichts zu tun haben wollen, indem sie ihm die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft vorenthalten haben, obwohl ihre Funktionäre eingeräumt haben, dass sie ihm zustünde, weil er als Journalist zählt. Die NUJ hat sich an der Jagd auf einen Journalisten genauso beteiligt wie Murrays Diplomatenkollegen einst an der Jagd auf ihn als Botschafter. Dies ist eine wahrlich beschämende Episode in der Geschichte der NUJ. Redefreiheit kriminalisiert Aber noch gefährlicher ist, dass das Urteil von Lady Dorrian sich in das Muster einfügt, in dem das politische, juristische und mediale Establishment zusammenarbeiten, um die Definition dessen, was als Journalismus gilt, zu verengen, um alles auszuschließen, was über den Dreck hinausgeht, der in den Unternehmensmedien normalerweise als Journalismus gilt. Murray war einer der wenigen Journalisten, der ausführlich über die Argumentation von Assanges Anwaltsteam in seinen Auslieferungsanhörungen berichtet hat. Bemerkenswerterweise haben die Vorsitzenden Richter sowohl im Falle Assange als auch bei Murray den Schutz der freien Meinungsäußerung, der sich traditionell auf den Journalismus erstreckt, eingeschränkt, und zwar, indem sie eingeengt haben, wer als Journalist zählt. In beiden Fällen handelt es sich um Frontalangriffe auf die Fähigkeit einer bestimmten Art von Journalisten – diejenigen, die frei von unternehmerischem oder staatlichem Druck sind – über wichtige politische Geschichten zu berichten. Auf die Weise haben sie den unabhängigen Journalismus kriminalisiert. Und all dies hat man durch Taschenspielertricks erreicht. In Assanges Fall schloss sich Richterin Vanessa Baraitser den Behauptungen der USA weitgehend an, dass das, was der Wikileaks-Gründer gemacht hatte, Spionage und kein Journalismus sei. Die Obama-Regierung hatte die Anklage gegen Assange aufgeschoben, weil sie im Gesetz keinen Unterschied finden konnte zwischen seinem Rechtsanspruch, Beweise für US-Kriegsverbrechen zu veröffentlichen, und dem Recht der „New York Times“ und des „Guardian“, die gleichen Beweise zu veröffentlichen, die Wikileaks ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Wenn die US-Regierung Assange strafrechtlich verfolgen würde, müsste sie auch die Herausgeber dieser Zeitungen strafrechtlich verfolgen. Donald Trumps Beamte haben dieses Problem umgangen, indem sie unterschieden haben zwischen „echten“ Journalisten, die bei Unternehmen beschäftigt sind, welche die Veröffentlichungen überwachen und kontrollieren, und „falschen“ Journalisten, jenen Unabhängigen, die keiner derartigen Aufsicht und Druck unterliegen. Trumps Beamte verweigerten Assange den Status eines Journalisten und Herausgebers und behandelten ihn stattdessen wie einen Spion, der mit Whistleblowern kollaborierte und sie unterstützte. Dadurch wurde angeblich der Schutz der freien Meinungsäußerung annulliert, den er verfassungsmäßig genoss. Aber natürlich war das US-Verfahren gegen Assange offenkundiger Unsinn. Es ist von zentraler Bedeutung für die Arbeit investigativer Journalisten, mit Whistleblowern zu „kollaborieren“ und sie zu unterstützen. Und Spione hamstern die Informationen, die sie von solchen Whistleblowern erlangen, sie veröffentlichen sie nicht weltweit, wie es Assange getan hat. Man beachte die Parallelen zu Murrays Fall. Die Haltung von Richterin Baraitser im Falle Assange spiegelte die Haltung der USA wider: Nur anerkannte, akkreditierte Journalisten genießen Rechtsschutz vor strafrechtlicher Verfolgung; nur anerkannte, akkreditierte Journalisten haben das Recht auf freie Meinungsäußerung (sofern sie es in Nachrichtenredaktionen ausüben möchten, die staatlichen Interessen oder Unternehmensinteressen verpflichtet sind). Meinungsfreiheit und Rechtsschutz, so Baraitser, beziehen sich nicht mehr hauptsächlich auf die Rechtmäßigkeit dessen, was gesagt wird, sondern auf den rechtlichen Status dessen, der es sagt. Lady Dorrian verfolgte eine ähnliche Methodik im Fall von Murray. Sie hat ihm den Status eines Journalisten verweigert und ihn stattdessen als eine Art „unechten“ Journalisten oder Blogger eingestuft. Wie bei Assange impliziert dies, dass „unechte“ oder „falsche“ Journalisten eine so außergewöhnliche Bedrohung für die Gesellschaft darstellen, dass man ihnen den normalen gesetzlichen Schutz der Redefreiheit entziehen muss. Die vom Gericht ins Feld geführte „Puzzle-Identifikation“ – insbesondere in Zusammenhang mit Vorwürfen sexueller Übergriffe, bei denen es um Frauenrechte geht und bei denen die aktuelle Besessenheit mit Identitätspolitik mit reinspielt – ist das perfekte Vehikel, um eine breite Zustimmung für die Kriminalisierung der freien Meinungsäußerung kritischer Journalisten zu gewinnen. Fesseln der Unternehmensmedien Man sollte den Blick noch etwas weiten und erkennen, was für jeden ehrlichen Journalisten, egal ob er einem Unternehmen dient oder nicht, kaum zu übersehen sein sollte. Lady Dorrian und Richterin Baraitser – und das Establishment hinter ihnen – versuchen, den Geist aus der Flasche wieder einzufangen. Sie versuchen, einen Trend umzukehren, der seit mehr als einem Jahrzehnt dazu geführt hat, dass eine kleine, aber wachsende Zahl von Journalisten neue Technologien und soziale Medien nutzen, um die Fesseln der Unternehmensmedien abzuwerfen und Wahrheiten auszusprechen, die das Publikum nie zu hören kriegen sollte. Sie glauben mir nicht? Betrachten wir den Fall des „Guardian“- und „Observer“-Journalisten Ed Vulliamy. In seinem Buch „Flat Earth News“ erzählt Vulliamys „Guardian“-Kollege Nick Davies, wie Roger Alton, der Herausgeber des „Observer“ zur Zeit des Irakkriegs und ein anerkannter, properer Journalist, wie er im Buche steht, monatelang die Veröffentlichung einer der wichtigsten Stories in der Geschichte der Zeitung blockierte. Ende 2002 überredete Vulliamy, ein erfahrener und äußerst zuverlässiger Reporter, Mel Goodman, einen ehemaligen hochrangigen CIA-Beamten, der bei der CIA noch Zugang zu Dokumenten hatte, die unter Verschluss standen, zu Protokoll zu geben, dass die CIA wusste, dass es im Irak keine Massenvernichtungswaffen gab. Letzteres sollte ja als Vorwand für eine unmittelbar bevorstehende und illegale Invasion dieses Landes dienen. Wie viele vermuteten, hatten die Regierungen der USA und Großbritanniens gelogen, um einen bevorstehenden Angriffskrieg gegen den Irak zu rechtfertigen, und Vulliamy hatte eine wichtige Quelle, um dies zu beweisen. Doch zuerst vereitelte Alton diese weltbewegende Story und weigerte sich dann in den folgenden Monaten, weitere sechs Versionen zu veröffentlichen, die der zunehmend verärgerte Vulliamy geschrieben hatte, als der Krieg bedrohlich näher rückte. Alton wollte die Story partout aus den Nachrichten heraushalten. Im Jahr 2002 brauchte es nur eine Handvoll Herausgeber – die alle aufgrund ihrer Diskretion, ihres Feinsinns und ihres bedachten „Urteilsvermögens“ Karriere gemacht hatten – um sicherzustellen, dass manche Arten von Nachrichten ihre Leser nie erreichten. Die sozialen Medien haben solche Kalkulationen durchkreuzt. Vulliamys Story ließe sich heute nicht mehr so einfach unterdrücken. Sie würde durchsickern und zwar mithilfe eines prominenten unabhängigen Journalisten wie Assange oder Murray. Genau deshalb sind solche Figuren so wichtig für eine gesunde und informierte Gesellschaft – und deshalb lässt man sie, und einige andere wie sie, nach und nach verschwinden. Der Preis, unabhängige Journalisten frei agieren zu lassen, ist viel zu hoch. Das hat das Establishment erkannt. Zunächst hat man jeglichen unabhängigen, nicht offiziell abgesegneten Journalismus über einen Kamm geschoren und als „Fake News“ bezeichnet. Vor diesem Hintergrund konnten Social-Media-Konzerne mit traditionellen Medienunternehmen kollaborieren, um von Algorithmen unabhängige Journalisten dem Vergessen anheimzugeben. Und nun werden unabhängige Journalisten darüber aufgeklärt, welches Schicksal ihnen wahrscheinlich blüht, sollten sie versuchen, in Assanges oder Murrays Fußstapfen zu treten. Am Steuer eingeschlafen Tatsächlich hat sich das britische Establishment, während die Journalisten der Medienkonzerne am Steuer geschlafen haben, darauf vorbereitet, das Netz weiter zu spannen, um jeden Journalismus zu kriminalisieren, der versucht, die Macht ernsthaft zur Verantwortung zu ziehen. Ein kürzlich veröffentlichtes Konsultationsdokument der Regierung, das ein drakonischeres Vorgehen gegen etwas fordert, was irreführenderweise als „weitere Offenlegung“ bezeichnet wird – ein Code für Journalismus – hat die Unterstützung von Innenministerin Priti Patel gewonnen. Das Dokument stuft Journalismus implizit kaum anders als Spionage und Whistleblowing ein. Als Folge des Konsultationspapiers hat das Innenministerium das Parlament dazu aufgefordert, „schärfere Höchststrafen“ für Täter – also Journalisten – zu erwägen und die Unterscheidung „zwischen Spionage und gravierendsten unerlaubten Offenlegungen“ aufzuheben. Das Argument der Regierung lautet, dass „weitere Offenlegungen“ „weitaus beträchtlicheren Schaden“ verursachen können als Spionage und daher ähnlich behandelt werden sollten. Kommt das Argument so durch, wird jede Verteidigung des öffentlichen Interesses – der traditionelle Schutz für Journalisten – erstickt. Jedem, der die Assange-Anhörungen im vergangenen Sommer verfolgt hat – was die meisten Journalisten in den Konzernmedien ausschließt – wird auffallen, dass hier die Argumente der USA für die Auslieferung Assanges aufgegriffen werden: die Argumentation, die Richterin Baraitser weitgehend zugelassen hat, dass Journalismus mit Spionage verschmilzt. Nichts davon kommt aus heiterem Himmel. Wie die Informationstechnologie-Website „The Register“ bereits 2017 feststellte, prüfte die Law Commission zu dieser Zeit „Vorschläge in Großbritannien für ein drastisches neues Spionagegesetz, das Journalisten als Spione ins Gefängnis bringen könnte“. Es hieß, ein solches Gesetz werde „eilig von Rechtsberatern entwickelt“. Es ist ziemlich außergewöhnlich, dass es zwei investigative Journalisten – einer davon ein langjähriger ehemaliger Mitarbeiter des „Guardian“ – im Juli geschafft haben, dort einen ganzen Artikel über das Regierungskonsultationspapier zu schreiben und Assange kein einziges Mal zu erwähnen. Die Warnzeichen sind seit fast einem Jahrzehnt da, aber die in Unternehmen angestellten Journalisten haben sich geweigert, sie zu bemerken. Ebenso ist es kein Zufall, dass Murrays missliche Lage auch nicht auf dem Radar der Konzernmedien erschien. Assange und Murray sind die Warnung, so wie Kanarienvögel in der Kohlenmine, was das schärfere Vorgehen gegen den investigativen Journalismus und gegen Versuche, die Exekutivgewalt zur Rechenschaft zu ziehen, angeht. Konzernmedien leisten Letzteres natürlich immer weniger. Das könnte erklären, warum diese dem zunehmend scharfen politischen und rechtlichen Klima gegen Meinungsfreiheit und Transparenz nicht nur gelassen begegnen, sondern es fast schon bejubeln. In den Fällen von Assange und Murray nimmt sich der britische Staat heraus zu definieren, was zum legitimen, autorisierten Journalismus zählt – und Journalisten tragen diese gefährliche Entwicklung mit, und sei es nur durch ihr Schweigen. Diese geheimen Absprachen sagen uns viel über die gegenseitigen Interessen des politischen und juristischen Establishments einerseits und der Medienunternehmen andererseits. Assange und Murray erzählen uns nicht nur verstörende Wahrheiten, die wir nicht hören sollen. Die Tatsache, dass ihnen die Solidarität von ihren Kollegen verweigert wird, die möglicherweise als nächstes in der Schusslinie stehen, sagt uns alles, was wir über die sogenannten Mainstream-Medien wissen müssen: dass nämlich die Rolle von Unternehmensjournalisten darin besteht, den Interessen des Establishments zu dienen, nicht sie infrage zu stellen. Titelbild: Moritz Müller | Redaktion | Seit gestern sitzt ein Autor, den die NachDenkSeiten sehr schätzen und dessen Artikel sie wiederholt in deutscher Übersetzung veröffentlicht haben, im Gefängnis – wegen seiner journalistischen Arbeit: Craig Murray, früherer britischer Botschafter in Usbekistan, Menschenrechtsaktivist und Journalist. Ihm hat die interessierte Öffentlichkeit unter anderem zu verdanken, dass mehr als nur ein paar ... | [
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] | 02. August 2021 8:45 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=74783&share=email&nb=1 |
Vor zehn Jahren brannte das Gewerkschaftshaus von Odessa – Es war eines der Startsignale für einen blutigen Bürgerkrieg | Am 2. Mai 2014 starben 42 Menschen im Gewerkschaftshaus von Odessa. Ein nationalistischer Mob hatte das Gebäude mit Molotow-Cocktails und Schlägertrupps angegriffen. Der Angriff wurde von der Regierung in Kiew wohlwollend kommentiert, wenn nicht sogar organisiert, denn der ukrainische Sicherheitschef Andrej Parubi besuchte am 30. April 2014 Pro-Maidan-Kräfte, die im Gebiet Odessa Straßen kontrollierten. Von einer zielgerichteten Aktion zur Einschüchterung von Regierungskritikern wollte man in den großen deutschen Medien 2014 nichts wissen. Der Brand sei eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ gewesen, meinten damals die ukrainischen Medien. Eigene Recherchen gaben die großen deutschen Medien nicht in Auftrag. Aus Moskau berichtet Ulrich Heyden. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Kein einziger der Täter und Hintermänner des Überfalls auf das Gewerkschaftshaus von Odessa wurde bis heute vor Gericht gestellt. Die Ermittlungen verliefen im Sande. Es half auch nicht, dass Beobachter des Europarates im November 2015 einen 90 Seiten umfassenden Bericht vorlegten, in dem sie der Regierung in Kiew bescheinigten, dass sie die Ermittlungen zum Brand vernachlässige. Gefordert wurde eine Föderalisierung der Ukraine Wie kam es überhaupt zum Brand im Gewerkschaftshaus? In Odessa gab es eine starke Stimmung gegen den Staatsstreich in Kiew. Die Stadt war 2014 vorwiegend russland-freundlich. Nachdem die Staatsstreich-Regierung in Kiew beschlossen hatte, der russischen Sprache den Status einer Regionalsprache in Gebieten mit starkem russischen Bevölkerungsanteil abzuerkennen, kam es in Odessa und anderen Städten im Südosten der Ukraine zu Demonstrationen. In Odessa demonstrierten 20.000 Menschen für eine Föderalisierung der Ukraine. Die Föderalisten bauten vor dem Gewerkschaftshaus von Odessa ein Zeltlager auf. Am 2. Mai 2014 wurde dieses Zeltlager von aus Kiew und Charkow angereisten Ultranationalisten niedergebrannt. Etwa 300 Anti-Maidan-Aktivisten flüchteten vom Zeltlager ins Gewerkschaftshaus und verbarrikadierten sich dort in den Zimmern. Zu denen, die sich in das Gebäude geflüchtet hatten, gehörte auch Anschela Polownowa. In einem Interview (ab Minute 11:33) berichtete sie mir, was sie erlebte. Den ultranationalistischen Schlägertrupps, die in das Gebäude über einen Seiteneingang eingedrungen waren, sei es gelungen, das Bürozimmer, in dem sie sich zusammen mit anderen Schutzsuchenden befand, aufzubrechen. Die Eindringlinge hätten geschrien, „alle hinlegen“. Dann hätten die Ultranationalisten begonnen, die am Boden Liegenden mit Ketten und Knüppeln zu schlagen. Polownowa berichtet, weil der Qualm des Brandes im Gebäude das Atmen erschwerte, seien Menschen aus den Fenstern des Gebäudes geklettert und hätten sich dann an Mauervorsprüngen festgehalten. Andere sprangen in Todesangst aus dem Fenster. Doch auch unten angekommen war man sich seines Lebens nicht sicher. Viele derer, die gesprungen waren, wurden von Nationalisten, die unten warteten, mit Knüppeln blutig geschlagen. „Hier könnt ihr sehen, was aus Russland werden wird …“ Was in den Köpfen der Ultranationalisten vorging, wird in dem Film „Remember Odessa“ deutlich, den der Regisseur Wilhelm Domke-Schulz 2022 veröffentlichte. In dem Film gibt es Szenen, die zeigen, wie Maidan-Anhänger durch das Gewerkschaftshaus ziehen und mit höhnischen Kommentaren über die dort liegenden Toten reden und sich deren persönlicher Dokumente bemächtigen (bei Minute 1:00:00). Von dem Video-Streamer hört man Sätze wie, „da liegt noch eine Negerin … sie sind verbrannt“. Oder „ja, so etwas gibt es. Kartoffelkäfer“. Kartoffelkäfer wurden die russland-freundlichen Oppositionellen wegen ihre schwarz-orangenen St.-Georgs-Erkennungs-Bandes genannt. Dann hört man den Sprecher im Stream-Video sagen, „da könnt ihr euch vorstellen, was aus Russland werden wird, wenn da zufällig das Gleiche … das ist hier bloß Odessa.“ Man spürt, wie groß der Hass der Ultranationalisten auf Russen und Russland schon damals war, acht Jahre bevor die russische Armee in die Ukraine einmarschierte. Ich besuchte Odessa im Juli 2014, zwei Monate nach dem Brand im Gewerkschaftshaus. Mit Hilfe eines Ortskundigen gelang es mir, in das vom Brand zerstörte und abgesperrte Gebäude zu gelangen. Ich sah eingeschlagene Türen und vom Brand verrußte Wände. In einem Zimmer sah ich eine getrocknete Blutlache und auf einen Spiegel hatte jemand geschrieben, „wir werden Russland töten“ (ab Minute 7:30). Die Feuerwehr kam erst spät Die Feuerwehr kam erst 38 Minuten nach dem Beginn des Brandes, obwohl die Feuerwache nur 500 Meter vom Gewerkschaftshaus entfernt liegt. Bürger, welche die Feuerwehr anriefen, wurden abgewimmelt, wie ein Audiomitschnitt der Anrufe belegt. Die Polizei, die mit nur wenigen Männern vor dem Gebäude präsent war, schritt nicht ein und die Sicherheitskräfte bekamen auch keine Verstärkung. Man hatte den Eindruck, dass der Gouverneur von Odessa, Wladimir Nemirowski, den Ultranationalisten ganz bewusst freie Hand für ihren Überfall ließ. Die Bilder aus Odessa sollten abschrecken Ungewöhnlich war, dass die Attacke auf das Gewerkschaftshaus von zahlreichen Video-Streamern begleitet wurde. Sie konnten in aller Seelenruhe filmen. Die zahlreichen Film-Teams, die während des Massakers vor Ort waren, lieferten per Stream Berichte in alle Regionen der Ukraine. Dass „ukrainische Patrioten“ – ohne dass die Polizei einschritt – ein Gebäude mit Menschen in Brand stecken konnten, sollte offenbar eine abschreckende Wirkung haben. Der Ablauf der Ereignisse zeigt: Die Staatsstreich-Regierung in Kiew wollte die Welle der Besetzungen von Regierungsgebäuden, die es im Frühjahr 2014 im Südosten der Ukraine gegeben hatte, mit aller Macht stoppen. Nach dem Massaker bedankte sich die bekannte ukrainische Politikerin Julia Timoschenko bei „den ukrainischen Patrioten“, welche „den russischen Terrorismus“ in Odessa gestoppt hätten. Als ich im Juli 2014 Odessa besuchte, begann ich spontan, Interviews mit Angehörigen der im Gewerkschaftshaus verbrannten Menschen zu filmen. Die Aufnahmen waren ein Grundstock für den Film „Lauffeuer“, den ich dann mit dem Video-Kollektiv Leftvision in Berlin gemeinsam produzierte. Die Premiere des Films war im Februar 2015 im Berliner Programmkino Moviemento. „Lauffeuer“ war mehrere Jahre der einzige deutschsprachige Film, der die Ereignisse vom 2. Mai 2014 kritisch aufarbeitete und auch die politischen Motive der Brandstifter und ihrer Hintermänner nannte. Als einen der Hintermänner identifizierten wir in unserem Film Andrej Parubi, 2014 Chef des ukrainischen Sicherheitsrates, der Odessa noch am 30. April 2014 besucht und mit Pro-Maidan-Schutzstaffeln Gespräche geführt hatte, sowie den Oligarchen Igor Kolomoiski, der gewaltbereite Maidan-Anhänger finanzierte und im Frühjahr 2014 öffentlich ein Kopfgeld von 10.000 Dollar auf „Separatisten“ ausgesetzt hatte. Russen: „Warum berichtet das deutsche Fernsehen nicht?“ Für die russische Gesellschaft war der Brand im Gewerkschaftshaus in den Jahren 2014 und folgende ein zentrales Thema. Viele Russen äußerten mir gegenüber Empörung darüber, dass über den Brand im Gewerkschaftshaus in Deutschland nur am Rande und sehr verschwommen berichtet wurde. Als ich gefragt wurde, ob unser Film „Lauffeuer“ schon im deutschen Fernsehen gelaufen sei, und ich verneinte, gab es ungläubiges Staunen. Heute ist der Brand im Gewerkschaftshaus von Odessa kein zentrales Thema mehr in Russland. Der Chef-Kommentator des russischen Fernsehkanals Rossija, Dmitri Kiseljow, hat zwar vor einigen Tagen noch eine längere Sendung über die Tragödie vom 2. Mai 2014 gebracht, aber im Prinzip ist in Russland alles zum Thema gesagt. Frontgebiet Odessa Wenn es heute in den russischen Medien um Odessa geht, dann nur noch, wenn über russische Angriffe auf militärische Infrastruktur in der ukrainischen Hafenstadt berichtet wird. In den letzten Tagen berichteten russische Medien mehrmals über Raketenangriffe auf militärische Ziele im Gebiet Odessa. Dabei seien durch herabfallende Raketentrümmer auch Zivilisten verletzt worden. Raketentrümmer seien durch die ukrainische Luftabwehr entstanden. Die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete, dass die russische Armee in der Nacht auf den 1. Mai 2024 einen Stab der ukrainischen Armee in der Nähe des Kulikow-Feldes im Stadtzentrum von Odessa bombardiert habe. Am Kulikow-Feld liegt auch das Gewerkschaftshaus von Odessa. Drei russische Geschosse seien eingeschlagen. In russischen Medien wird auch berichtet, es gäbe in Odessa bewaffnete Untergrund-Gruppen. Diese würden der russischen Armee als Informanten helfen. Derartige Meldungen werden wohl auch mit dem Ziel veröffentlicht, die Bevölkerung in der Ukraine zu ermutigen, sich an russischen Militäraktionen zu beteiligen. Titelbild: © Ulrich Heyden | Ulrich Heyden | Am 2. Mai 2014 starben 42 Menschen im Gewerkschaftshaus von Odessa. Ein nationalistischer Mob hatte das Gebäude mit Molotow-Cocktails und Schlägertrupps angegriffen. Der Angriff wurde von der Regierung in Kiew wohlwollend kommentiert, wenn nicht sogar organisiert, denn der ukrainische Sicherheitschef Andrej Parubi besuchte am 30. April 2014 Pro-Maidan-Kräfte, die im Gebiet Odessa Straßen kontr ... | [
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] | 02. Mai 2024 9:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=114630 |
Was ist eigentlich aus der Bekämpfung der „Fluchtursachen“ geworden? | Seit der Affäre um die Rettungsschiffe „Sea Watch 3“ und „Alan Kurdi“ ist die Flüchtlingsdebatte wieder zurück. Und wieder einmal geht es nur um die Symptome. Dabei waren wir doch schon viel weiter. Sogar die Kanzlerin hatte doch schon verkündet, dass nun die Bekämpfung der Fluchtursachen höchste Priorität haben müsse. Das war vor vier Jahren. Seitdem wurde dieser Satz tausende Male wiederholt. Doch passiert ist nichts. Anstatt der Fluchtursachen werden die Flüchtlinge bekämpft. Das politische Versagen in dieser Frage ist genau so erschreckend wie die Vergesslichkeit von Politik und Medien. Von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Vor wenigen Wochen veröffentlichte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR seinen neuen Jahresbericht. Erstmals sind mehr als 70 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und Konflikten. Alle zwei Sekunden wird ein Mensch zum Flüchtling. Alleine im Jahr 2018 verließen 2,8 Millionen Menschen ihr Heimatland als Flüchtlinge oder Asylbewerber. Als das Thema vor vier Jahren die Nachrichten beherrschte, formulierten die NachDenkSeiten die drei wichtigsten Punkte, um die Fluchtursachen nachhaltig zu unterbinden. Lassen Sie uns doch einmal rekapitulieren, was sich auf diesem Gebiet getan hat und ob die europäische Politik ihrer Verantwortung gerecht wurde. Vier Jahre sind ergebnislos verstrichen Was wurde nicht alles geschrieben über einen „Masterplan Migration“ oder gar einen „Marshall-Plan für Afrika“. Geschehen ist in den letzten vier Jahren jedoch nichts. Sämtliche Fluchtursachen bestehen nach wie vor. Die ökonomischen, ethnischen und religiösen Spannungen in den Dauerkrisengebieten haben sogar noch zugenommen und es ist zu erwarten, dass die nächsten Flüchtlingswellen schon bald wieder vor Europas Toren stehen. Eine Dürre, ein Bürgerkrieg, ein weiterer völkerrechtswidriger Angriffskrieg der USA im Nahen oder Mittleren Osten, die Folgen des Klimawandels … und schon könnte sich die Situation von 2015 wiederholen. Und es sind ja nicht nur die Fluchtursachen, bei denen sich nichts getan hat. Die EU hat auch immer noch keinen akzeptierten Verteilungsplan für die ankommenden Flüchtlinge und die Aufnahme und Erstversorgung wird immer noch alleine den südeuropäischen Grenzstaaten abverlangt. Auch hier sind vier Jahre verschenkt worden, ohne dass man konstruktiv an einer Lösung der Situation gearbeitet hat. Ein Komplettversagen stellt auch die Friedenssicherung dar, die schlichtweg nicht stattfindet. Die USA führen immer noch weltweit ihre Vernichtungskriege und die Juniorpartner aus Europa machen bei diesen Verbrechen immer noch mit. Doch anstatt sich endlich einmal ernsthaft mit den Fluchtursachen zu beschäftigen, geht es in der Debatte nach wie vor nur um Symptome wie die Frage, welche Häfen ein privates Rettungsschiff im Mittelmeer anlaufen darf. Dies sind bestenfalls Nebenkriegsschauplätze und Ablenkungsmanöver. Solange Europa weiterhin weltweit Kriege führt oder seine „Bündnispartner“ aus den USA Kriege führen lässt, werden stetig neue Flüchtlinge produziert. Solange Europa den globalen Süden weiterhin über unfaire Handelsabkommen ausbeutet und nicht auf eine gerechtere Welthandelsordnung drängt, werden stetig neue Flüchtlinge produziert. Solange Europa nichts oder zu wenig gegen den Klimawandel tut, werden stetig neue Flüchtlinge produziert. Natürlich ist es aus humanitären Gründen notwendig, auch die Fragen der Seenotrettung im Mittelmeer zu diskutieren. Solange man aber eine Politik verfolgt, die stetig Flüchtlinge produziert, ist eine bloße Fokussierung auf die Symptome nur noch zynisch zu nennen. Doch dieser Zynismus ist traurige Realität. Und wenn sich bei der Bekämpfung der Fluchtursachen in den letzten vier Jahren nichts zum Besseren gewendet hat, wird sich auch künftig nichts tun. Titelbild: Riccardo Mayer/shutterstock.com | Jens Berger | Seit der Affäre um die Rettungsschiffe „Sea Watch 3“ und „Alan Kurdi“ ist die Flüchtlingsdebatte wieder zurück. Und wieder einmal geht es nur um die Symptome. Dabei waren wir doch schon viel weiter. Sogar die Kanzlerin hatte doch schon verkündet, dass nun die Bekämpfung der Fluchtursachen höchste Priorität haben müsse. Das war vor vier Jahren. Seitdem wurde dieser Satz tausende Male wiederholt ... | [
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] | 09. Juli 2019 10:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=53206&share=email&nb=1 |
So wird Stimmung gemacht. So werden wir vera…… | In Niedersachsen wurde gestern ein neuer Landtag gewählt. Das Bemerkenswerteste an diesem Wahltag war, wie jenseits der wirklichen Ergebnisse Stimmung gemacht wird. Die SPD hat 3,5 Prozentpunkte verloren und wird rundum als Sieger dargestellt. Die Grünen haben 5,8 % gewonnen, werden aber nicht als herausragender Sieger dargestellt, weil mehr erwartet worden war. Was sind das für Maßstäbe! Im Folgenden ist zusammengestellt, wie die Meldungen in verschiedenen Medien heute früh aussehen. „SPD gewinnt“, heißt es bei Politbriefing, der Tagesspiegel schreibt vom „Wahlsieg“ des SPD-Ministerpräsidenten, die Tagesschau vermeldet: „SPD siegt klar“ und im Handelsblatt Morning Briefing ist vom „einsamen Erfolg“ des SPD-Ministerpräsidenten die Rede. Wir sehen hier, dass wir selbst bei kleinen Ereignissen penetrant und offensichtlich gleichgerichtet manipuliert werden. Albrecht Müller.
Politbriefing – [email protected]
SPD gewinnt, FDP verliert Niedersachsen + Zwischenbericht zur Gaspreisbremse + Explosion auf Kertsch-Brücke + Ermittlungen nach Bahn-Sabotage Tagesspiegel Morgenlage – [email protected]
Liebe Leserinnen und Leser,
ausgeglichen, bürgernah, sachlich, pragmatisch – am gestrigen Abend wanderten viele Beschreibungen für den Politikstil von Stephan Weil durch die Medien. Sind diese Eigenschaften verantwortlich für den Wahlsieg des SPD-Ministerpräsidenten in Niedersachsen? Tagesschau
Landtagswahl in Niedersachsen: ++ “Sieg inmitten extrem …https://www.tagesschau.de › newsticker › liveblog-landtag…
vor 7 Stunden — Alle Entwicklungen zum Nachlesen im Liveblog. SPD siegt klar bei Niedersachsen-Wahl – FDP draußen; Hochrechnung, 22:58 Uhr; Hochrechnungen sehen . [email protected]
CDU-Fiasko: Schwarze Stunde für Friedrich Merz / SPD-Freude: Der einsame Erfolg des Stephan Weil | Albrecht Müller | In Niedersachsen wurde gestern ein neuer Landtag gewählt. Das Bemerkenswerteste an diesem Wahltag war, wie jenseits der wirklichen Ergebnisse Stimmung gemacht wird. Die SPD hat 3,5 Prozentpunkte verloren und wird rundum als Sieger dargestellt. Die Grünen haben 5,8 % gewonnen, werden aber nicht als herausragender Sieger dargestellt, weil mehr erwartet worden war. Was sind das für Maßstäbe! Im F ... | [
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] | 10. Oktober 2022 8:55 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=89008 |
Suchergebnisse opcw | Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT) | [] | [] | 20. April 2018 8:30 | https://www.nachdenkseiten.de/?s=opcw&paged=9 |
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Wegner, Kai | Es ist vollbracht. Erstmals seit 22 Jahren, als Eberhard Diepgen mittels Misstrauensantrags mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt wurde, übernimmt mit Kai Wegner wieder ein CDU-Politiker die Führung der Berliner Landesregierung. Grundlage dafür ist ein mit der SPD ausgehandelter Koalitionsvertrag, der am Montag von einem CDU-Landesparteitag gebilligt wurde. Und zwar mit einem Ergebnis, das sich nicht mal die SED getraut hätte: 100 Prozent Zustimmung. Die SPD tat sich mit ihrem Schwenk von „rot-grün-rot“ unter ihrer Führung zu einer Rolle als Juniorpartner in einer „schwarz-roten“ Koalition deutlich schwerer. Bei ihr hatten die Mitglieder das Wort, und laut dem am Sonntag verkündeten Abstimmungsergebnis votierten nur 54,3 Prozent für den Eintritt in diese Landesregierung. Von Rainer Balcerowiak. | [] | [] | 25. April 2023 11:46 | https://www.nachdenkseiten.de/?tag=wegner-kai |
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Sehr gut: BSW beantragt U-Ausschuss zu Corona | Einen Untersuchungsausschuss zur Corona-Politik im Bundestag will das Bündnis Sahra Wagenknecht beantragen. Weil die AfD tendenziell Zustimmung signalisiert, ist die Aufregung groß. Dabei sollte eher die Verweigerungshaltung der Parlamentarier von Ampel und CDU gegen eine Aufarbeitung skandaliert werden. Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will einen Antrag für einen Corona-Untersuchungsausschuss in den Bundestag einbringen, wie Medien berichten. Das BSW hat zehn Abgeordnete im Bundestag. Damit der Antrag eingebracht werden kann, sei die Zustimmung von mindestens 25 Prozent der Parlamentarier notwendig. Dafür, dass er beschlossen wird, würden die gleichen Bedingungen gelten. Das BSW hat den Antrag laut Medien darum am Donnerstag an alle Abgeordneten des Bundestages verschickt. Der Antrag im Wortlaut findet sich unter diesem Link.* Auf den ersten Blick sei dem Ansinnen des BSW wenig Erfolg einzuräumen, da das nötige Viertel des Bundestags bei 183 Abgeordneten liege. Selbst mit der Zustimmung aller 78 AfD-Abgeordneten, die sich in der Vergangenheit ebenfalls für einen U-Ausschuss zu Corona ausgesprochen hatten, würde der BSW-Antrag daher nicht einmal die Hälfte der notwendigen Stimmen erreichen. Für die potenzielle Einsetzung eines Ausschusses seien also weitere 95 Stimmen von Abgeordneten aus anderen Fraktionen notwendig, etwa aus der oppositionellen Union oder den Ampel-Fraktionen. U-Ausschuss: Stimmt die AfD mit dem BSW? Aber der Antrag könnte trotzdem von symbolischer Bedeutung sein, wenn nämlich bei diesem Antrag Abgeordnete von AfD und BSW im Parlament gemeinsam abstimmen könnten. Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD, Martin Sichert, sagte laut Medien: „Selbstverständlich und jederzeit“ würde die AfD für einen solchen Untersuchungsausschuss stimmen. „Uns geht es um die Sache – nicht darum, wer den Antrag einbringt.“ Die AfD hatte einen solchen Untersuchungsausschuss schon im Herbst 2022 gefordert, im Frühjahr 2023 war der Antrag im Bundestag zurückgewiesen worden. „Wir freuen uns über den Sinneswandel beim BSW“, sagte Sichert – die Abgeordneten, die heute beim BSW seien, hätten noch 2023 einen entsprechenden AfD-Antrag abgelehnt. Stephan Brandner, zweiter Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD im Bundestag, sagte, die Idee zum Corona-Untersuchungsausschuss sei von der AfD „abgekupfert“. Trotzdem sei auch Brandner offen dafür, den Antrag zu unterstützen, wenn es dabei inhaltlich ausschließlich um die Corona-Aufarbeitung gehe. Applaus „von der falschen Seite“? Sahra Wagenknecht sagte laut t-online: „Einen solchen Antrag nicht einzubringen, weil ihn auch die AfD unterstützen könnte, wäre kindisch und der Bedeutung des Anliegens nicht gerecht.” Jessica Tatti, parlamentarische Geschäftsführerin des BSW, sagte: „Wir unternehmen den ernsthaften Versuch, das Quorum von 25 Prozent zu erreichen, indem wir alle Abgeordneten einladen, den Antrag mitzuzeichnen.” Günter Grass hatte zum Applaus „von der falschen Seite“ einmal gesagt: „Wer sich vor der Furcht vor Beifall von der falschen Seite abhängig macht, beginnt in wichtigen Augenblicken zu schweigen.“ So ein wichtiger Augenblick ist jetzt. Ich habe kein Verständnis mehr für Abgeordnete, die sich einer (selbstverständlich ergebnisoffenen) Corona-Aufarbeitung durch das Parlament immer noch in den Weg stellen. Die Richtschnur sollte bei allen Anträgen prinzipiell der konkrete politische Inhalt sein. Darum finde ich, dass die BSW-Abgeordneten auch umgekehrt künftig AfD-Vorstößen zustimmen sollten – wenn diese inhaltlich absolut einwandfrei sind. Aufarbeitung der Corona-Politik ist unumgänglich Um das Vertrauen vieler Bürger in die politischen und wissenschaftlichen Institutionen, in die Gerichte, in die Medien und in weite Teile der „Zivilgesellschaft“ wieder ansatzweise herzustellen, ist eine politische und ggf. auch juristische Aufarbeitung der Corona-Politik unumgänglich. Die Versuche, die Aufarbeitung ganz auszusitzen oder sie in „Bürgerräten“ zu kanalisieren, um sie dadurch folgenlos versiegen zu lassen, diese Versuche müssen als verantwortungslos bezeichnet werden: Der langfristige Schaden für den Zusammenhalt und das gegenseitige Vertrauen in der Gesellschaft wäre bei einer erfolgreichen Verhinderung der Aufarbeitung massiv. Zu diesen Folgen zählt übrigens auch der immer wieder mit Krokodilstränen beweinte, aber total voraussehbare Aufstieg der „politischen Ränder“. Statt der möglichen Zustimmung der AfD zum BSW-Antrag sollte vielmehr die Verweigerungshaltung der Parlamentarier von Ampel und CDU gegenüber einer echten Corona-Aufarbeitung skandalisiert werden. *Aktualisierung 20.09.2024, 13.30h: Dieser Satz wurde ergänzt. Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 8. Januar 2024 | Tobias Riegel | Einen Untersuchungsausschuss zur Corona-Politik im Bundestag will das Bündnis Sahra Wagenknecht beantragen. Weil die AfD tendenziell Zustimmung signalisiert, ist die Aufregung groß. Dabei sollte eher die Verweigerungshaltung der Parlamentarier von Ampel und CDU gegen eine Aufarbeitung skandaliert werden. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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] | 20. September 2024 11:32 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=121577&share=email |
Auf dem Weg zur antirussischen Volksgemeinschaft | Brandanschläge auf eine deutsch-russische Schule in Berlin und Lebensmittelgeschäfte in Nordrhein-Westfalen, zahlreiche Drohungen und Beleidigungen, teilweise auf offener Straße, Hausverbot in einer Gaststätte, Mobbing in Schulen, Betrieben und Sportvereinen. Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Nicht nur russische Staatsbürger, sondern auch russischstämmige und russischsprachige Menschen sind derzeit in Deutschland, aber auch in anderen Ländern der EU zahlreichen Übergriffen und Diskriminierungen ausgesetzt. Auch die Antirassismus-Beauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), zeigt sich mittlerweile besorgt. „Teilweise trauen sich Menschen nicht mehr, Russisch auf der Straße zu sprechen. Das besorgt mich sehr“, sagte Alabali-Radovan den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das dürfe man „nicht dulden“. Von Rainer Balcerowiak. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Doch Stichwortgeber für diesen antirussischen Mob waren neben der Politik vor allem etablierte Kulturinstitutionen wie Opernhäuser, Konzertveranstalter, Museen. Zu einer Art Initialzündung wurden dabei die spektakulären Rauswürfe von zwei prominenten Musikern. Waleri Gergiev, Chefdirigent der Münchener Philharmoniker, wurde als „Freund von Putin“ gebrandmarkt und von ihm wurde ultimativ ein bereits weitgehend vorformuliertes Bekenntnis gegen Putin abverlangt. Da er dem nicht nachkam, verlor er unter anderem seine Stelle in München und vereinbarte Engagements in Hamburg, Luzern, Riga und Mailand. Auch die berühmte Sopranistin Anna Netrebko steht in der Schusslinie des antirussischen Furors. Ihr Statement („Ich möchte, dass dieser Krieg aufhört und Menschen in Frieden leben können“) reichte den Kulturinstitutionen nicht aus. Zumal Netrebko auch noch erklärte: „Ich möchte allerdings anführen, dass es nicht richtig ist, Künstler oder irgendeine öffentliche Person zu zwingen, ihre politischen Ansichten öffentlich zu machen und ihr Vaterland zu beschimpfen.“ Jedenfalls hagelte es Konzertabsagen, und mittlerweile hat die in Wien lebende Sängerin angekündigt, sich zunächst komplett aus dem Konzertbetrieb zurückzuziehen. Es bleibt festzuhalten, dass weder von Gergiev noch von Netrebko Äußerungen bekannt sind, in denen sie den Krieg gegen die Ukraine unterstützen. Russische Kultur kann weg Doch längst geht es nicht mehr nur um einzelne, der „Putin-Nähe“ verdächtigte Künstler, sondern gegen „das Russische“ an sich. Die Warschauer Nationaloper setzte die geplante Aufführung der 1870 entstandenen Oper „Boris Godunow“ von Modest Mussorgski nach Motiven von Alexander Puschkin ab. Nicht etwa wegen eines „suspekten“ Dirigenten oder Solisten, sondern weil es eine russische Oper ist. „We express our admiration for the heroism of the Ukrainians fighting to defend their Homeland“, hieß es zur Begründung. Bei der Cardiff Philharmonic musste Tchaikovsky dran glauben, natürlich auch als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine. An der Mailänder Universität wurde ein Seminar über den russischen Schriftsteller Dostojewski gecancelt. Im Vergleich dazu agierte das Berliner Konzerthaus fast schon feinsinnig. Die Konzertreihe mit Werken des russischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch wurde zwar nicht abgesetzt, aber inhaltlich „angepasst“. Die 7. Symphonie „Leningrad“, die dem Leid der Menschen in der 1941 von der deutschen Wehrmacht abgeriegelten Stadt und ihrer späteren Befreiung gewidmet ist, musste weichen. Dirigent Krzysztof Urbańsky erklärte dazu: „Als Mensch bin ich solidarisch gegen die schreckliche Gewalt in der Ukraine. Als Künstler denke ich, dass es heute notwendig ist, sensibel zu handeln. Deshalb haben wir zusammen mit dem Konzerthausorchester Berlin sorgfältig über das Programm unseres Konzerts gesprochen. Unter den gegenwärtigen Umständen mag es unangemessen erscheinen, Schostakowitschs Symphonie Nr. 7 ‚Leningrad‘ aufzuführen. Passend zum Thema der Schostakowitsch-Hommage schlug ich die Symphonie Nr. 5 vor, die meiner Meinung nach wahrscheinlich sein persönlichstes Werk ist und sich auf den Kampf des Komponisten (gegen den Stalinismus, der Verf.) konzentriert.” Also Schostakowitsch ja – aber bitte kein antifaschistisches russisches Heldenwerk. An der Basis geht es deutlich ruppiger zu, was nicht nur viele Medienberichte, sondern auch eine Auflistung zeigt, die von der russischen Botschaft veröffentlicht wurde. Von Hassbriefen, Aufrufen zu Attacken gegen russische Bürger bis hin zu einer Ärztin, die keine russischen Patienten mehr behandelt wollte – alles dabei. Haben wir nicht ein Diskriminierungsverbot? Eigentlich sind derartige Exzesse des „gesunden Volksempfindens“ nicht nur widerwärtig, sondern auch verboten. Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gibt es seit 2006 ein Regelungswerk, das vor Diskriminierung wegen „Rasse“ oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität schützen soll. Dieser Schutz erstreckt sich auf unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen – etwa auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt – aber auch für sogenannte Alltagsgeschäfte wie Einkaufen, Versicherungs- und Bankgeschäfte, Restaurant- oder Clubbesuche gilt der Diskriminierungsschutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Erfasst werden vom AGG auch Beleidigungen und Belästigungen. Im AGG (§3, Absatz 3) heißt es dazu: „Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen (..) bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“ Mit dem 2006 verabschiedeten und seitdem mehrfach geänderten Gesetz hat die Bundesregierung mehrere EU-Richtlinien in nationales Recht gegossen. Zur Umsetzung hat der Bund 2006 eine zentrale Antidiskriminierungsstelle eingerichtet, mit zahlreichen Dependancen in den Ländern und Kommunen. Doch direkt intervenieren oder gar sanktionieren kann diese Behörde entsprechende Verstöße nicht, wie ein Sprecher auf Anfrage erläuterte. In erster Linie sei man beratend tätig und biete direkt Betroffenen auch kostenlose juristische Erstberatungen an. In begründeten Fällen könne man Institutionen, Betriebe, Vermieter etc. auch zu Stellungnahmen auffordern und gütliche Einigungen anstreben. Ansonsten bleibt den Betroffenen der Rechtsweg, also Klagen auf Grundlage des AGG oder auch des Arbeits- und Vertragsrechts. Der Sprecher räumte zwar ein, dass man im Zuge der Ukraine-Krise zahlreiche Meldungen über alltägliche und institutionelle Diskriminierungen erhalten habe. Aber direkt Betroffene hätten sich kaum gemeldet, und nur dann könne man intervenieren. Legal, illegal, scheißegal Mittlerweile sind auch mehrere Rechtsanwälte mit Fällen beschäftigt, vor allem Künstler, aber auch Galerien und Sportler betreffend. Öffentlich geäußert hat sich der hessische Anwalt Viktor Winkler, unter anderem im Bayrischen Rundfunk (BR). Winkler, der nach eigenen Angaben mit zahlreichen einschlägigen Fällen befasst ist, geht davon aus, dass die allermeisten Ausladungen rechtswidrig seien. “Erstens darf unter keinen Umständen an das ‘Russische’ angeknüpft werden”, so Winkler im BR: “Das verbietet das deutsche Antidiskriminierungsgesetz klar als Diskriminierung wegen der Ethnie oder Nationalität. Zweitens ist auch dann, wenn – wie jetzt häufig – zwar nicht offen der ‘russische’ Hintergrund des Künstlers als Grund für die Loslösung genannt wird, zumindest darzulegen, dass die behauptete ‘Nähe’ zu Putin (..) auch tatsächlich geprüft wurde und die Entscheidung dann auf dieser Grundlage getroffen wurde.” Die bloße pauschale Behauptung einer “Nähe” zum Regime in Moskau reiche nicht. Aber ohnehin sind die bekannten und öffentlich nicht bekannten Fälle von diskriminierten russischen Kulturschaffenden nur die Spitze des Eisberges. Mittlerweile hat sich ein antirussischer Furor breitgemacht, der nahtlos an den dunkelsten Zeiten des Kalten Kriegs anknüpft. Und ständig wird neues Öl ins Feuer gegossen, vor „Putins Seilschaften“ in Deutschland gewarnt, öffentlich über Risiken und Chancen einer militärischen Eskalation durch die NATO debattiert, „Frieren für den Frieden“ propagiert und eine „Zeitenwende“ ausgerufen. Wer seine Heiz- und Spritkosten nicht mehr schultern kann und mit stetig steigenden Lebensmittelpreisen konfrontiert ist, soll seinen Sündenbock bekommen – den Russen oder das, was man dafür hält. Da braucht man auch keine russische Kultur mehr – möglicherweise würden sich Tschaikovsky, Mussorgski, Schostakowitsch, Puschkin und Dostojewski nicht eindeutig von Putin distanzieren, wenn sie noch leben würden. Wo das alles hinführen soll? Keine Ahnung. Und es macht wenig Spaß, darüber ernsthaft nachzudenken. Titelbild: Dario Lucarelli/shutterstock.com | Rainer Balcerowiak | Brandanschläge auf eine deutsch-russische Schule in Berlin und Lebensmittelgeschäfte in Nordrhein-Westfalen, zahlreiche Drohungen und Beleidigungen, teilweise auf offener Straße, Hausverbot in einer Gaststätte, Mobbing in Schulen, Betrieben und Sportvereinen. Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Nicht nur russische Staatsbürger, sondern auch russischstämmige und russischsprachige Menschen si ... | [
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] | 15. März 2022 12:51 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=81936 |
Das neue Jahrbuch der NachDenkSeiten ist da | Liebe Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten, wie jeden Herbst erscheint auch in diesem Jahr wieder das NDS-Jahrbuch „Nachdenken über Deutschland“ mit den besten Texten der vergangenen Monate – inhaltlich nach Themen geordnet und redaktionell aufbereitet. Sollten Sie treuen NachDenkSeiten-Fans eine Freude bereiten oder aber Freundinnen und Freunde auf unsere Seite aufmerksam machen wollen, dann schenken Sie doch das aktuelle kritische Jahrbuch 2021/2022 – ein guter und ansprechender Weg, zur Verbreitung der NachDenkSeiten beizutragen.
Den „Jahresrückblick“ der NachDenkSeiten in Buchform gibt es überall im Buchhandel zu kaufen. Der Verlag gewährt treuen NachDenkSeiten-Leserinnen und -Lesern einen zusätzlichen Nachlass. Sie erhalten das Buch versandkostenfrei und mit 20 Prozent Rabatt, wenn Sie bei Ihrer Bestellung den folgenden Rabatt-Code angeben: nds2021-20. Nutzen Sie den Rabatt für sich selbst und für Geschenke zu Weihnachten oder zu anderen Gelegenheiten. | Redaktion | Liebe Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten, wie jeden Herbst erscheint auch in diesem Jahr wieder das NDS-Jahrbuch „Nachdenken über Deutschland“ mit den besten Texten der vergangenen Monate - inhaltlich nach Themen geordnet und redaktionell aufbereitet. Sollten Sie treuen NachDenkSeiten-Fans eine Freude bereiten oder aber Freundinnen und Freunde auf unsere Seite aufmerksam machen wollen, da ... | [
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] | 04. Oktober 2021 10:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=76569&share=email |
Neu-Zuordnung Serie Finanzkrise und einige Ergänzungen (Finanzkrise XXII) | Auf Anregung eines Nutzers der NachDenkSeiten haben wir eine eigene Unterrubrik „Finanzkrise“ bei der Rubrik Sachfragen eingerichtet. Wenn Sie sich also schnell einen Überblick verschaffen wollen, dann klicken Sie hier. Diese Unterrubrik enthält aber leider bei weitem nicht alle Beiträge zum Thema. Das hätte zu viel „Umräumarbeit“ verursacht. Albrecht Müller.
Spätestens seit 2006 finden Sie regelmäßig Beiträge zum Thema. Geben Sie zum Beispiel in der Suchfunktion IKB oder Asmussen und ähnliche Suchbegriffe ein, oder – falls Sie die Zeit dazu haben – scrollen Sie einfach vom 7.1.2009, dem Beginn der Serie, zurück. Im gesamten Jahr 2008 und schwerpunktmäßig auch im Sommer/Spätsommer 2007 finden Sie viele einschlägige Beiträge. Ergänzende Informationen:
Auf unsere Beiträge hin erhalten wir von unseren Lesern immer wieder sehr wertvolle Tipps und Informationen. So auch auf den Beitrag Finanzkrise XXI. Die letzten Hinweise geben wir hier einfach weiter an Sie: | Albrecht Müller | Auf Anregung eines Nutzers der NachDenkSeiten haben wir eine eigene Unterrubrik „Finanzkrise“ bei der Rubrik Sachfragen eingerichtet. Wenn Sie sich also schnell einen Überblick verschaffen wollen, dann klicken Sie hier. Diese Unterrubrik enthält aber leider bei weitem nicht alle Beiträge zum Thema. Das hätte zu viel „Umräumarbeit“ verursacht. Albrecht Müller.
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"Aufbau Gegenöffentlichkeit",
"Banken, Börse, Spekulation",
"Finanzkrise"
] | 10. Juli 2009 13:27 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=4057 |
„Regierungssprecher könnten zu den ersten gehören, die durch KI ersetzt werden.“ | Das meint der frühere Sprecher des Auswärtigen Amtes und Botschafter a.D. Horst Rudolf. Er berichtet in einer Lesermail davon, dass es in früheren Zeiten die klare Regelung gegeben habe, dass die Bundesregierung keine Personen und Regierungen, sondern Staaten anerkennt. Hier sein Leserbrief. Horst Rudolf stellt in diesem Text sechs wichtige Fragen zur aktuellen Politik gegenüber Venezuela und den USA. Albrecht Müller. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Wir hören seit Tagen, dass die Bundesregierung zusammen mit EU-Partnern ein Ultimatum an Venezuela gestellt hat und damit droht, den selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó “anzuerkennen”. Nun war ich vor langer Zeit u.a. Pressesprecher im AA, später Botschafter etc. Immer gab es – was uns viel Ärger ersparte – die Formel “wir erkennen keine Regierungen oder Personen an, sondern nur Staaten”. Auf die Frage, woran man dann erkennen kann, ob man ggf. mit einer neuen Regierung zusammenarbeite, die Antwort “durch konkludentes Handeln” (Aufnahme eines normalen diplomatischen Geschäftsverkehrs). Da ich hier fernab in Asien sitze und zwar noch ansatzweise die Welt, jedoch nicht die aktuelle deutsche/europäische Außenpolitik verstehe, rief ich das AA an und bat einen zuständigen Pressesprecher um Aufklärung. Die Antwort war höflich (ich gab mich als ehemaliger Kollege zu erkennen) und kompetent: prinzipiell gelte nach wie vor die Regel, man erkenne nur Staaten an, doch im Falle Venezuelas wäre ja Juan Guaiadó juristisch korrekt in der Position, Neuwahlen zu verlangen. Für weitere Einzelheiten und Begründungen verwies er mich auf die dazu anberaumte Pressinformation und eine am Folgetag vorgesehene Stellungnahme durch Außenminister Heiko Maas persönlich. Einzelheiten fände ich auch auf den entsprechenden Webseiten des AA. Dann bat er freundlich um Verständnis, dass er noch mehrere Texte/Sprachregelungen u.a. zu diesem Thema dringend vorbereiten müsse. Dieser freundliche Dialog hat eigentlich alle Vorurteile bzw. Urteile bestätigt, die unsere Außenpolitik betreffen. Natürlich bedauere ich den gestressten Kollegen, doch hätte ich noch unter Hans Dietrich Genscher einen kompetenten Anfrager (ich habe zwar zu diesem Zeitpunkt keinen Presseausweis, war aber selbst Sprecher im AA und habe ein Jahrzehnt für ein internationales Wirtschaftsmagazin als Journalist geschrieben) so locker abgebügelt, hätte das ggf. üble Reaktionen erzeugt – und nicht im Sinne unserer Außenpolitik. Eine unerwartete Erkenntnis: Regierungssprecher könnten zu den ersten gehören, die (basierend auf umfangreiche Sprachregelungen und große Datenbestände) durch KI ersetzt werden. Daher muss ich meine Fragen nun doch “öffentlich” über die NDS stellen: Dies reicht für heute – und da viele NDS-Leser/Innen diese Fragenliste selbst ohne Südamerika-Kenntnisse (wo ich auch auf Posten war) selber fortschreiben könnten, nur eine kurzer Kommentar: Seitdem die NATO Belgrad bombadierte, und dann unsere Sicherheits-Versprechen an Russland anlässlich der Wiedervereinigung platzen ließ, bedauere ich, nicht schon früher aus dem Auswärtigen Amt ausgeschieden zu sein. Als die Begründung für die NATO-Raketendislozierung über die ehem. innerdeutsche Grenze hinaus in Richtung Osten lautete: “dies dient der Abwehr potenziellen Raketenangriff des Iran auf Westeuropa”, war es eigentlich klar: entweder sind einige meiner Kollegen und ich Vollidioten, oder wir gehen den (politischen) Weg der USA. Um dann allerdings Donald Trump täglich zu kritisieren, brauchen wir keine Pressesprecher mehr, sondern sollten dies mit einer preiswerten App erledigen – so schnell und billig wie unsere heutige Außenpolitik.” Beste Grüße aus dem hochgradig versmogten Bangkok,
H. Rudolf Titelbild: Lightspring/shutterstock.com | Redaktion | Das meint der frühere Sprecher des Auswärtigen Amtes und Botschafter a.D. Horst Rudolf. Er berichtet in einer Lesermail davon, dass es in früheren Zeiten die klare Regelung gegeben habe, dass die Bundesregierung keine Personen und Regierungen, sondern Staaten anerkennt. Hier sein Leserbrief. Horst Rudolf stellt in diesem Text sechs wichtige Fragen zur aktuellen Politik gegenüber Venezuela und ... | [
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] | 31. Januar 2019 10:19 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=48920 |
Beschlüsse des Koalitionsausschusses Teil Zwei: Verschiebebahnhof zwischen Pflege- und Arbeitslosenversicherung | Im öffentlichen Windschatten des umstrittenen „Kompromisses“ der Grossen Koalition zum Mindestlohn segelten die Entscheidungen zur Pflegeversicherung.
Die Einbeziehung der bereits über 1,3 Millionen Demenzkranker sowie die Stärkung und der Ausbau der ambulanten Pflege sind sicher neue wichtige Kurskorrekturen zur Verbesserung der Pflegeleistungen.
Nicht zu rechtfertigen ist das erneute Verschiebemanöver der Finanzierungslasten von der Pflegeversicherung in die Arbeitslosenversicherung, denn gerade bei den wachsenden Aufwendungen für die Pflege handele es sich – wie in kaum einen anderen Sozialversicherungszweig – um gesamtgesellschaftliche Leistungen, die von der Allgemeinheit, also über Steuern finanziert werden müssten, meint die ehemalige DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer.
Zu den Koalitionsbeschlüssen Teil Zwei:
Erneuter Verschiebebahnhof zwischen Pflege- und Arbeitslosenversicherung Von Ursula Engelen-Kefer Die Einbeziehung Demenzkranker sowie der Ausbau der ambulanten Pflege bringen ohne Zweifel eine Verbesserung der Pflegeleistungen. In eine falsche Richtung geht jedoch der völlig unzureichende Kompromiss zu deren Finanzierung. Zwar sind sich beide Koalitionspartner einig, dass der Bedarf an Pflege in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erheblich zunehmen wird: Objektive Entwicklungen sind nicht nur die Zunahme des Anteils älterer Menschen und die steigende Lebenserwartung, sondern auch eine Abnahme der familiären Pflegeleistungen aus den unterschiedlichsten Gründen. Trotz dieser vorhersehbaren Entwicklung wurde keine Einigkeit zu einer dringend benötigten nachhaltigen Finanzierung erreicht. Dies hätte etwa über den Finanzausgleich zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung erheblich erleichtert werden können. Damit wäre eine teure Ungerechtigkeit beendet worden, die darin besteht, dass die Private Krankenversicherung infolge ihrer rigorosen Auswahl der „ besseren Risiken“ nur einen erheblich geringeren Anteil der Pflegebedürftigen unter ihren Mitgliedern als die gesetzliche Krankenversicherung finanzieren muss. Hier hätte es dringend eines finanziellen Solidarausgleichs bedurft. Von einer Großen Regierungskoalition mit ihrer komfortablen Zwei-Drittel-Mehrheit wäre wahrlich mehr zu erwarten gewesen, als den erneuten Griff in die Taschen der Beitragszahler mit einer Erhöhung der Beiträge um 0,25 Prozent. Dabei pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass dies nur für wenige Jahre Erleichterung bietet, aber keine längerfristige Lösung sein kann. Zudem widerspricht diese Beitragssatzerhöhung der erklärten Politik der Großen Koalition, die beitragsfinanzierten Sozialversicherungssysteme durch die Steuerfinanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben zu entlasten. Gerade bei den wachsenden Aufwendungen für die Pflege handelt es sich aber – wie in kaum einem anderen Sozialversicherungszweig – um gesamtgesellschaftliche Leistungen. Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung Überhaupt nicht zu rechtfertigen ist das erneute Verschiebemanöver der Finanzierungslasten von der Pflegeversicherung in die Arbeitslosenversicherung. Um die erneute Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung für die Bürger erträglicher zu machen, wird gleich eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von 0,3 Prozent mit beschlossen. Dabei wird z.B. völlig außer Acht gelassen: Die Rentner, die inzwischen den gesamten Pflegebeitrag aus ihrer Tasche zahlen müssen und jetzt auch noch die Erhöhung aufbringen sollen, werden durch die Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht entlastet. Die bessere Finanzentwicklung bei der Bundesagentur für Arbeit in 2007 – statt eines erwarteten Defizits von über 2 Mrd. Euro wird es erneut einen Überschuss geben – kann allerdings jetzt noch nicht in konkreten Zahlen beziffert werden. Die BA-Überschüsse als Entlastungsmasse zur Verbesserung der Pflegeversicherung einzusetzen, fügt der Politik der Verschiebemanöver über die Sozialkassen ein weiteres trauriges Kapital hinzu. Da es sich hierbei um die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern handelt, sollten diese auch über die Verwendung maßgeblich entscheiden. Nichts davon ist geschehen. Dass es unterschiedliche Auffassungen über die Verwendung gibt, dürfte nicht erstaunen. Aber beide Seiten haben Grund, über diesen neuen Zugriff der Politik der Großen Koalition verärgert zu sein. Bevor das Fell des Bären verteilt wird, sollte bei politischen Entscheidungen über die Senkung von Beiträgen zu BA erst einmal abgewartet werden, bis der Bär tatsächlich erlegt ist. Erst dann sollte eine Entscheidung über die Verwendung möglicher Überschüsse getroffen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Pensionsrückstellungen für die Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit von immerhin 2,5 Mrd. Euro getätigt werden müssen. Dringend zu empfehlen wäre die Bildung einer Finanzreserve von zwei bis drei Monatsausgaben (6 bis 9 Mrd. Euro) bei der BA. Dies würde der Bundesagentur erstmalig die Möglichkeit geben, ihre arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen längerfristig zu planen, und vor allem bei konjunkturellen Rückschlägen nicht wieder einen Defizit-Ausgleich des Bundes in Anspruch nehmen zu müssen.
Darüber hinaus bestehen noch erhebliche Nachholbedarfe der BA beim Einsatz arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen. Denn bei den ALGI-Empfängern gibt es eine große Gruppe schwer zu vermittelnder Menschen. Auch bei der Ausbildung junger Menschen sind die Probleme noch längst nicht behoben. Sie werden uns noch einige Jahre begleiten – vor allem, wenn die „Altbewerber“ aus den Warteschleifen nach Ausbildung suchen. Hierfür müssten finanzielle Spielräume der BA ebenfalls bereit stehen. Hängepartie: Aussteuerungsbetrag Eine weitere Hängepartie bei der Sicherung der Finanzgrundlage der Bundesagentur für Arbeit bleibt der umstrittene Aussteuerungsbetrag: Danach muss die BA aus Beitragsmitteln für jeden Arbeitslosen an den Bundesfinanzminister 10 000 Euro überweisen, den sie nicht innerhalb von 12 Monaten vermittelt, sondern an das ALGII-System weiterreicht.
Zwar fällt der 2005 mit Hartz IV eingeführte Aussteuerungsbetrag erheblich geringer aus als in den Haushaltsplänen von BA und Bund jeweils veranschlagt. Trotzdem stellt er mit inzwischen über 10 Mrd. Euro eine nicht zu rechtfertigende Belastung für die Beitragszahler dar. Er widerspricht dem Gebot der finanziellen Trennung von Arbeitslosenversicherung und bedarfsabhängiger Grundsicherung für Langzeitarbeitslose. Er sollte möglichst schnell abgebaut werden. Zudem ist er ein Hindernis für den Einsatz längerfristiger arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen – vor allem der beruflichen Weiterbildung. Die Abführung des Aussteuerungsbetrags läuft somit den Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern entgegen. Wenig stichhaltig ist das Argument, der Aussteuerungsbetrag sei so etwas wie eine Wiedergutmachung des hohen Defizitausgleichs, der vom Bund an die Bundesagentur für Arbeit in den zurückliegenden Jahren aufgebracht werden musste. Ohne Zweifel hatte der Bund im Zuge der Deutschen Einheit milliardenschwere Defizitausgleiche zu leisten (In der Spitze waren dies: 1994: 5,2 Mr. Euro, 1996 über 7 Mrd. Euro und auch noch 2003 über 6 Mrd. Euro sowie 2004 über 4,1 Mrd. Euro). Diese Ausgleichzahlungen des Bundes waren jedoch nur ein Teil jener Summen, die als Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zur BA im Rahmen der Finanzierung der West-Ost Transfers erforderlich waren. Lange Jahre wurde dies zu einem Tabu-Thema der Politik erklärt. Inzwischen sind die negativen Auswirkungen dieser Verschiebemanöver für die Beschäftigung und die Sozialen Sicherungssysteme nicht mehr zu übersehen. Auch deshalb ist die von der Großen Koalition zu Anfang ihrer Regierungsperiode erklärte Entlastung der Beitragszahler zur Sozialen Sicherung über Bundessteuern überfällig. Umso mehr enttäuscht, wenn ihre tatsächliche Politik in die umgekehrte Richtung geht und sie sich wieder einmal an den Beitragszahlern schadlos hält. | Ursula Engelen-Kefer | Im öffentlichen Windschatten des umstrittenen „Kompromisses“ der Grossen Koalition zum Mindestlohn segelten die Entscheidungen zur Pflegeversicherung.
Die Einbeziehung der bereits über 1,3 Millionen Demenzkranker sowie die Stärkung und der Ausbau der ambulanten Pflege sind sicher neue wichtige Kurskorrekturen zur Verbesserung der Pflegeleistungen.
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Die SPD-Führung unterstützt die Raketenrüstung mit Desinformation | Der Beschluss des SPD-Präsidiums, die Stationierung von hochpräzisen, weit reichenden und für das gegnerische Radar schwer zu erfassenden US-Mittelstreckenraketen zu unterstützen, fußt auf falschen Begründungen. Von Bernhard Trautvetter. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Das Vorhaben der US-Raketenrüstung steigert die Instabilität Europas im Schatten der nuklearen Gefahr. Folgendermaßen lautet die Begründung der SPD-Spitze für ihre Unterstützung der Raketenstationierung: Diese Darstellung des Grundes für den SPD-Beschluss hält keinem Fakten-Check stand und sie ist aus vielen Gründen brandgefährlich: In einer Situation, in der das von Einstein mitbegründete Mitteilungsblatt atomarer Wissenschaftler die Welt so nahe wie nie seit Hiroshima am nuklearen Abgrund sieht, ist Diplomatie statt Hochrüstung das Gebot des Überlebens. Doch im Zusammenhang mit der Raketenstationierung hat sich die SPD faktisch für die Richtung der Rüstung und nicht der Diplomatie entschieden. Das SPD-Präsidium verteidigt den Beschluss mit „Sicherheit vor Russland“, die Begründung für diese Orientierung reproduziert das NATO-Narrativ: Diese Formulierung siedelt die Verantwortung für den Krieg ausschließlich auf Seiten Russlands an. Dazu sagte der SPD-Spitzenpolitiker Klaus von Dohnanyi am 19.03.2022 der NZZ: Dies offenbart, dass der Wahrheitsgehalt der SPD- und der NATO-Position einer Überprüfung bedarf. Die Begründung des SPD-Präsidiums folgt – was hier zu beweisen ist – der NATO-Des-Information, die man auch getrost ‚Propaganda‘ nennen kann. Und der Beschluss verletzt zudem die Programmatik der SPD – im aktuellen Grundsatzprogramm der SPD heißt es: Die SPD-Führung übergeht die Tatsache, dass die NATO-Expansion gegen glasklar formulierte Grundlagentexte der europäischen Diplomatie verstößt: Das Prinzip der gemeinsamen – weil gegenseitigen – Sicherheit war und ist Element der Präambel des 2+4-Vertrages zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten, der gleichzeitig europaweit beschlossenen Charta von Paris, selbst den Grundsätzen der NATO-Russland-Grundakte und der OSZE-Sicherheitscharta von 1999. Dagegen zu verstoßen und dann die Hände in Unschuld zu waschen, bedeutet das Ende der eigenen Glaubwürdigkeit. Hier folgt exemplarisch ein Zitat aus den Grundsätzen der NATO-Russland-Grundakte: Passend dazu forderte die OSZE-Sicherheits-Charta 1999: Dem widerspricht die seit Ende der 1990er-Jahre durchgeführte NATO-Ostexpansion um 16 Staaten. Sie verletzt das Prinzip der gemeinsamen – weil gegenseitigen – Sicherheit ohne Trennlinien mit der Strategie von Militärs, die das westliche Staatenbündnis gegen unterstellte Gefahren aus dem Osten ausrichten. Michail Gorbatschow, sowjetischer Präsident während der Verhandlungen zur Vereinigung Deutschlands, schrieb 2019 in seinem Buch ›Was jetzt auf dem Spiel steht‹ (Siedler-Verlag): Die Warnungen vor den Konsequenzen des Bruchs der Verpflichtung zum Aufbau einer Friedensordnung, die das von Gorbatschow und anderen wie Olaf Palme und Willy Brandt entwickelte gemeinsame Europäische Haus von Lissabon bis Wladiwostok verkörpert, haben mehrere US-Präsidenten in den Wind geschlagen und mit ihnen die gesamte NATO samt der sie tragenden Kräfte bis hinein ins Willy-Brandt-Haus der SPD. Viele hochrangige US-Diplomaten und -Experten warnten bereits lange zeitlich vor den Worten Gorbatschows. Der NATO-Stratege George F. Kennen schrieb am 5.2.1997 in der New York Times: Der letzte US-Botschafter in der Sowjetunion, Jack Matlock, erklärte im gleichen Zusammenhang vor 10 Jahren: Der aktuelle CIA-Chef und Ex-Botschafter in Russland schrieb 2008 in seinem ‚Kabel‘ ›Nyet Means Nyet‹: Viele Experten erklärten dazu passend in einem Offenen Brief an US-Präsident Clinton vom 26.06.1997: Angesichts all dieser Zusammenhänge ist es fast schon nachrangig, dass Herr Pistorius davon beschwichtigt ist, dass eine atomare Bewaffnung der US-Raketen, die ab 2026 nach Deutschland kommen sollen, ‚nicht vorgesehen‘ sei. Wie glaubwürdig solche Worte sind, das zeigt die Bekundung von Politikern aus den NATO-Staaten BRD und USA gegenüber der sowjetischen Führung, die NATO werde sich nicht um einen ‚inch‘ nach Osten ausdehnen: Seit 1999 sind 16 Staaten in die Nato aufgenommen worden. In einer international immer näher in die Richtung eines Atomkriegs und damit des Endes der Menschheit zugespitzten Lage erklärt das SPD-Präsidium seinen Beschluss mit dem Motiv, „dass kein Kind, das heute in Deutschland geboren wird, wieder Krieg erleben muss.“ Diesem erklärten Ziel setzt sie eine Politik entgegen, die die Spannungen und die Gefahren im Vorfeld sogar eines Atomkrieges erhöht – also eines Krieges, der das Leben eines jeden Menschen, auch der heute geborenen Kinder, beenden kann. Wer dieses Inferno eine Weile noch überleben kann, für den gilt die Warnung des ehemaligen sowjetischen Präsidenten aus der Zeit der Kuba-Krise: Titelbild: FOTOGRIN / Shutterstock | Bernhard Trautvetter | Der Beschluss des SPD-Präsidiums, die Stationierung von hochpräzisen, weit reichenden und für das gegnerische Radar schwer zu erfassenden US-Mittelstreckenraketen zu unterstützen, fußt auf falschen Begründungen. Von Bernhard Trautvetter.
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Siemens | Die Museen sind zu. Knubbeln sich da mehr Leute als bei der Börse? Die Antwort ist einfach: der Aktienmarkt ist „system“relevant. In mehrfacher Hinsicht. Zum einen (A) beschäftigt er Menschen wie in der Börsenredaktion der ARD, die mit großer Freude die Interessen der Anleger vertreten, und zum anderen (B) brauchen Unternehmen offensichtlich die Börsen, um mit Riesensummen Geld ihren Aktienkurs zu pflegen, d. h. auf Deutsch, Spekulanten vor Verlusten zu bewahren. Der NachDenkSeiten-Leser Edgar Weimer hat gestern beobachtet, wie die ARD-Börsenredaktion Stimmung für die Aktionäre und gegen den Staat machte. Siehe A. Im heutigen Handelsblatt Morning Briefing wird berichtet, dass Unternehmen eigene Aktien kaufen. Siehe B. Albrecht Müller. | [] | [] | 29. April 2020 10:41 | https://www.nachdenkseiten.de/?tag=siemens |
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Hannes Hofbauer: „Es ist dystopisch“ | Ein Riss geht durch die Linke in der Corona-Pandemie. Viele Linke scheinen nicht zu verstehen, dass die Begriffe „Freiheit“ und „Gerechtigkeit“ zusammengehören. Das sagt der österreichische Verleger Hannes Hofbauer. Im NachDenkSeiten-Interview kritisiert Hofbauer, dass ein gemeinsamer Aufschrei der Linken im Hinblick auf die Corona-Maßnahmen ausbleibt. Teile der Linken glaubten, dass „alle Maßnahmen der Volksgesundheit“ dienten. „Das Gesundheitsargument“, so Hofbauer, „wirkt schlagend, erschlagend.“ Hofbauer fordert, dass die Linke die Maßnahmen kritisch hinterfragt, wobei man nicht die Gefahr des Virus „kleinreden“ dürfe. Es gilt, so Hofbauer, „eine Politik einzufordern, die nicht diktatorisch von oben nach unten verordnet wird.“ Von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Vor kurzem hat der Deutsche Bundestag eine Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Was hat es damit auf sich? Zentralisieren und kontrollieren, so lautet offensichtlich die Devise. Dazu gibt es ein Sammelsurium an unterschiedlichen Inzidenzzahlen, bei denen Landkreise entweder Schulen und/oder Geschäfte öffnen dürfen oder schließen müssen. Es ist dystopisch, anders kann man es nicht nennen. Und es zeigt nach 14 Monaten Pandemiebekämpfung, wie die deutsche Bundesregierung ihre Unfähigkeit überspielt und Schritt für Schritt einen Überwachungsstaat aufbaut. Denn um Kontrolle und Überwachung geht es offensichtlich, das Argument mit der Gesundheit ist ein vorgeschobenes. Denn dass Lockdowns überhaupt etwas für die Gesundheit bringen, ist ja von hochrangigen Wissenschaftlern wie dem Stanford-Professor John Ioannidis mit seiner Megastudie in Zweifel gezogen worden; und auch die WHO hat bezüglich der Nützlichkeit von Lockdowns bereits im Herbst 2020 warnend eine Kehrtwendung vollzogen und vor den damit verbundenen Kollateralschäden und der um sich greifenden Armut gewarnt. Zusammen mit den in unseren Breiten durchgeführten Testorgien geben Lockdowns allerdings den Staaten, die wie Deutschland und Österreich darauf setzen, ein enormes Kontrollinstrument in die Hand, das sie nicht verlieren wollen. Welche Gefahren sehen Sie? Ich sehe die Gefahr, dass uns Maßnahmen wie Testen, Impfen und Gesundheitspässe erhalten bleiben, auch wenn die Gefährlichkeit des Virus überwunden sein wird. Diese Gefahr sehe ich deshalb, weil sich nun seit mehr als einem Jahr in den meisten politischen Parteien und vor allem auch in den Leitmedien autoritäre Charaktere breitgemacht haben und diese ihre Macht, der die große Mehrheit widerspruchslos ergeben scheint, nicht so leicht abgeben werden. Ähnlich argumentiert auch Heribert Prantl auf der liberalen Seite. Und Wolf Wetzel bringt diese Sicht als Linker in seinen beiden Beiträgen zum Buch „Herrschaft der Angst“ zum Ausdruck, das eben im Promedia Verlag erschienen ist. In Teilen der Bevölkerung gibt es bereits die Angst davor, dass westliche Demokratien sich in autoritäre Staaten verwandeln. Das halte ich auch für angebracht. Der autoritäre Staat im Verbund mit der Kapitalmacht der neuen biotechnisch-pharmazeutischen und Kontroll-Sektoren ist die große Gefahr, die unseren Gesellschaften droht. In der Person des sogenannten Philanthropen Bill Gates mit seinem an Staatshaushalte erinnernden Vermögen wird dies manifest. Und es zeigt sich auch, wie stark die Mainstream-Medien Kritik daran nicht zulassen bzw. ins verschwörungstheoretische oder rechte Eck stellen. Allein die Nennung des Namens Bill Gates ist bereits zum Beweis dafür geworden, dass derjenige, der ihn ausspricht, auf der – vom herrschaftlichen Blick aus betrachtet – falschen Seite steht. Die Obszönität seines Reichtums wird tabuisiert. Ich will daran erinnern, dass es dieser Bill Gates war, der am Ostersonntag vor einem Jahr, dem Tag der christlichen Auferstehung, verkündet hat, wie es in der Pandemie weitergeht – alle sieben Milliarden Menschen müssen geimpft werden, forderte er. Welche Expertise er für diese Forderung aufwies? Es war die pure Herrschaft des Geldes, das Investment in seine Vorstellung einer guten Zukunft. Eine andere Expertise kann er nicht vorweisen. Ist das noch normal? Wo ist denn der Aufschrei der Linken? Es gibt ihn, wenngleich nicht in der Sozialdemokratie, wenn man diese überhaupt zur Linken zählen kann, und nur vereinzelt bei den Parlamentslinken. Aber linke Stimmen melden sich vermehrt gegen die autoritär verordneten Maßnahmen zu Wort. Allein wir im Promedia Verlag haben in zwei Bänden („Lockdown 2020“ und „Herrschaft der Angst“) solche Autoren und Autorinnen versammelt. Das reicht von den österreichischen Universitätsprofessorinnen Birgit Sauer und Andrea Komlosy über Juristen wie Rolf Gössner und Norman Paech, linken Urgesteinen wie Joachim Hirsch bis hin zu den Abgeordneten der Linken Diether Dehm und Andrej Hunko. Dass es noch linke Stimmen gibt, kann man nicht bestreiten. Aber wo ist die gemeinsame Stimme? Die gibt es nicht. Ein gemeinsamer linker Aufschrei gegen das Corona-Regime findet nicht statt. Das liegt auch daran, dass viele aus der Linken stammende Menschen dem herrschaftlichen Narrativ, wonach alle Maßnahmen der Volksgesundheit dienen, Glauben schenken. Das Gesundheitsargument wirkt schlagend, erschlagend. Und dann herrscht bei manchen Linken noch das Missverständnis vor, dass Staatsausgaben, wie sie derzeit helikoptermäßig verteilt werden, grundsätzlich fortschrittlich seien, noch dazu, wenn diese vorgeblich der Gesundheit dienen. Wegen des angeblichen Sieges über den Neoliberalismus feiern manche Linke einen Corona-Keynesianismus, der mich aber mehr an den Militärkeynesianismus des Ronald Reagan erinnert als an ein sozialistisches Programm. Hätten Sie es für möglich gehalten, dass in einer Situation, in der so massiv die Grundrechte unter Beschuss sind, die Linke auch noch mitmacht? Wie gesagt, ich sehe nicht, dass die gesamte Linke mitmacht, wenngleich Teile von ihr z.B. mit der irrsinnigen Aktion ZeroCovid Erwartungen in eine staatliche Autorität wecken, die diese hoffentlich nie erhalten wird. Es geht auch ein Riss durch ein Begriffspaar, das für Linke eigentlich zusammengehören müsste: Freiheit und Gerechtigkeit. Ohne das eine ist das andere nichts wert. Wenn große Anti-Maßnahmen-Demonstrationen einzig auf das Freiheitspostulat setzen und dann auch noch die Rechte mitmacht, heißt das im Umkehrschluss nicht, dass Gerechtigkeit ohne Freiheit, also ohne Grundrechte, zu haben sein wird. Was würden Sie denn von der Linken erwarten? Wie müsste diese normalerweise agieren? Sie müsste kritisch an die herrschende Politik herangehen, damit wäre schon ein großer Schritt getan. Nach 14 Monaten Ausnahmezustand hat jeder und jede von uns bemerkt, wie sinnlos viele Maßnahmen sind und wie extrem unangepasst an die jeweilige Situation. Das zu hinterfragen, bedeutet nicht, die Gefahr des Virus kleinzureden, sondern eine Politik einzufordern, die nicht diktatorisch von oben nach unten verordnet wird, sondern solidarisch und (eigen)verantwortlich angelegt werden muss. Wenn z.B. Schulkinder täglich mehrmals Desinfektionsmittel für ihre Hände verwenden müssen, dann schädigt das nicht nur die Haut und generell das Immunsystem, sondern macht aus heranwachsenden jungen Menschen Befehlsempfänger, die sich um ihre eigene Gesundheit auch in Zukunft nicht kümmern brauchen; denn die nächste Direktive kommt bestimmt. Aber wer will als Mensch, wer will als Linker so leben? Ein Hauptcredo während der gesamten „Pandemie-Zeit“ scheint zu sein: There is no alternative, es gibt keine Alternative. Hat sich die Linke etwa irgendwie noch nachträglich in Margaret Thatcher verliebt? Das glaub’ ich nicht. Es ist der Hang zum Autoritären, der manchen Linken eingeschrieben ist. In meiner Jugendzeit, die nun schon eine Weile zurückliegt – ich bin Jahrgang 1955 – konnte man sich an den Universitäten als Linker entweder der Kommunistischen Partei, den Trotzkisten, den Maoisten oder diversen Fachschaftslisten anschließen. Die drei ersteren waren allesamt überzeugt von einem autoritären staatlichen Führungsstil nach leninistischem Prinzip. Das wirkt kulturell nach. Und wenn man jetzt daran glaubt, dass Angela Merkel oder Sebastian Kurz zum Wohle des Volkes agieren, was man ihnen vor 2020 nie unterstellt hätte, dann fällt es dem einen oder der anderen Linken offensichtlich leicht, deren Devise, dass es keine Alternative gäbe, zu folgen. Gegenstimmen zu der Politik der vergangenen Monate gibt es allerdings auch. Einige haben Sie gerade in einem aktuellen Buch versammelt. Der Münchner Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen spricht darin von einer „Medien-Epidemie“. Was hat es damit auf sich? Michael Meyen analysiert in seinem Beitrag die Funktion der Leitmedien und wie diese eine Diskursvorherrschaft in der Gesellschaft herstellen. Das gilt freilich nicht nur für die Einschätzung der Corona-Politik. Wer Zugang zu den Leitmedien hat, kann bestimmen, wovor wir Angst haben, meint Meyen. Das kann in einem Fall der islamische Terrorismus sein, das waren früher die Kommunisten und das ist heute ein Virus. In der Allianz von staatlicher Autorität und Leitmedien ist dann z.B. von Anfang an die Risikoeinschätzung von Covid-19 enorm übertrieben worden, um damit bewusst Angst zu erzeugen, die Menschen gefügig für harte Maßnahmen zu machen. Wichtig dabei war auch, dass warnende Stimmen vor diesem Corona-Regime – wie Wolfgang Wodarg oder Sucharit Bhakdi – von den Leitmedien systematisch ignoriert und später diffamiert wurden und digitale Leitmedien wie Youtube ihre Beiträge sogar gelöscht haben. Auf diese Weise stellt sich Diskurshegemonie her. Sie sind Österreicher, leben in Österreich, kennen sich aber auch mit den Medien in Deutschland aus. Sehen Sie Unterschiede in der Berichterstattung? Der Großteil der österreichischen Printmedien, insbesondere die Tagespresse, ist in deutscher Hand. Die Funke-Mediengruppe, vormals WAZ, teilt sich den Kuchen mit Raiffeisen und dem Katholischen Medienverein, nebstbei beherrscht das staatliche Fernsehen ORF die Bildschirme in den Haushalten. Mit anderen Worten: die Berichterstattung in Österreich gleicht jener in Deutschland, Unterschiede kann ich nicht erkennen. Sie haben sich viel Gedanken über den Ausnahmezustand als solchen gemacht. Was kann bei einem länger anhaltenden Ausnahmezustand passieren? Und: Wie müssten Bürger nun reagieren? Es ist schon passiert. Wir haben in Ländern wie Deutschland und Österreich seit Monaten Ausnahmezustand, zum Zeitpunkt dieses Interviews, am 28. April 2021, sind in beiden Ländern Ausgangsverbote in Kraft. Es gilt zu verhindern, dass sich die Menschen daran gewöhnen, darüber nachdenken zu müssen, ob sie jemanden besuchen dürfen, ob allein oder in Begleitung und wann das erlaubt ist. Gegen eine solche Bevormundung gilt es aufzustehen, was ja nicht gleichbedeutend damit ist, Vorsicht im Umgang mit anderen zu vernachlässigen. Um nicht angekränkelt meine alte Mutter zu besuchen, brauche ich keine staatlich verfügten Ausgangssperren, sondern meinen Verstand. Und jetzt, wo wir wissen oder stark annehmen, dass die Verbreitung eines Virus auch im sogenannten asymptomatischen Zustand möglich ist, gilt es, seine Vorsicht zu erhöhen, aber nicht, die Gesellschaft nach dem Prinzip „es soll kein Leben vor dem Tod“ geben, zu ruinieren. Widerstand und Einspruch gegen sinnlose Verordnungen und Gesetze, je nach persönlicher Möglichkeit, sind nötig, damit eine autoritäre Politik, wie sie sich derzeit schleichend festsetzt, nicht zur Normalität wird. Hannes Hofbauer hat eben (gemeinsam mit Stefan Kraft) das Buch „Herrschaft der Angst. Von der Bedrohung zum Ausnahmezustand“ im Wiener Promedia Verlag herausgegeben. Titelbild: kentoh / Shutterstock | Marcus Klöckner | Ein Riss geht durch die Linke in der Corona-Pandemie. Viele Linke scheinen nicht zu verstehen, dass die Begriffe „Freiheit“ und „Gerechtigkeit“ zusammengehören. Das sagt der österreichische Verleger Hannes Hofbauer. Im NachDenkSeiten-Interview kritisiert Hofbauer, dass ein gemeinsamer Aufschrei der Linken im Hinblick auf die Corona-Maßnahmen ausbleibt. Teile der Linken glaubten, dass „alle Ma ... | [
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Die Männer hinter Donald Trump | Das Phänomen Trump, das hierzulande in den Medien weiterhin für ungläubiges Staunen und Bestürzung sorgt, kam weder aus dem Nichts, noch ist der Milliardär völlig isoliert im US-Establishment. Ein finanzstarkes Netzwerk von rechtskonservativen Unternehmern hat sich schon vor seiner Wahl mit ihm arrangiert, ihn unterstützt und besetzt nun einige der wichtigsten Posten in der neuen Regierung. Die Trump-Präsidentschaft wird durch dieses autoritäre, marktliberale und gewerkschaftsfeindliche Milieu geprägt werden. Von Paul Schreyer. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Der Aufstieg der extremen Rechten in den USA vollzieht sich schon seit einigen Jahren spiegelbildlich zum sozialen Niedergang großer Teile der Bevölkerung. Sichtbar wurde das spätestens durch den furiosen Erfolg der Tea-Party-Bewegung ab 2009, deren populäre Anführerin Sarah Palin in den deutschen Medien vor einigen Jahren ganz ähnlich verlacht und karikiert wurde, wie nun Donald Trump. Getragen haben den neuen Präsidenten nicht nur die Wut und Verzweiflung der vom Aufstieg Abgehängten, sondern auch diejenigen Teile des Establishments, die diese Wut gern für ihre Zwecke kanalisieren und politisch nutzbar machen wollen. Während die mächtigsten und einflussreichsten Kreise des Landes klar Hillary Clinton favorisierten und auch bei den Republikanern zunächst andere, „gefälligere“ Kandidaten mit Millionenspenden unterstützt hatten, wurden spätestens mit der sich abzeichnenden Dominanz des Kandidaten Trump auch Verbindungen in dessen Lager geknüpft. Die wesentliche Entscheidung Trumps war es, nicht als unabhängiger Kandidat anzutreten, sondern im Rahmen der Republikanischen Partei. Deren Vorsitzendem, dem jungen und eloquenten Reince Priebus, fiel die knifflige Aufgabe zu, die Parteieliten mit dem einzelgängerischen Provokateur Trump zu versöhnen. Nach der Wahl ernannte Trump nun ebenjenen Priebus zum Stabschef im Weißen Haus, und verschaffte dem Mann des Establishments damit einen der wichtigsten Regierungsposten. Der Stabschef leitet das Tagesgeschäft des Präsidenten, koordiniert dessen Termine und entscheidet, wer überhaupt ins Oval Office vorgelassen wird und wessen Stimme dort Gehör finden kann. Aufgrund dieser Aufgaben ist der Stabschef immer auch einer der engsten Berater des Präsidenten. Reinhold „Reince“ Priebus (44), Sohn eines deutschstämmigen Vaters, stammt aus dem Bundesstaat Wisconsin, der, wie sich zeigt, eine Schlüsselrolle im neuen Machtgefüge der Republikaner spielt. Auch Paul Ryan (46), derzeitiger Sprecher des Repräsentantenhauses und Scott Walker (49), Gouverneur Wisconsins und 2015 zeitweiliger Präsidentschaftskandidat der Republikaner, stammen von dort. Das ist kein Zufall, sondern Ergebnis jahrelanger Vorarbeit, vor allem geleistet von einer in Wisconsin beheimateten superreichen und erzkonservativen Stiftung, die ihre Millionen konsequent in den Aufbau von Netzwerken und genehmen Politikern lenkt – der Bradley Foundation. Die Bradley Foundation Deren Gründer, die Gebrüder Bradley, machten ab Anfang des 20. Jahrhunderts ein Vermögen mit der Entwicklung und Fertigung von Steuerungselektronik und Automatisierungstechnik. Ihre Stiftung förderte zunächst vor allem soziale Zwecke im heimatlichen Wisconsin. Als das Unternehmen 1985 an einen großen Konzern verkauft wurde, schwoll das Stiftungsvermögen durch die Verkaufserlöse rapide an und man entschloss sich, die zukünftige Arbeit politisch und landesweit auszurichten.
Heute ist die Bradley Foundation mit einem Vermögen von mehr als 800 Millionen Dollar und einem Jahresetat von durchschnittlich 40 Millionen einer der größten politischen Player im konservativen Lager der USA. Das Geld fließt Jahr für Jahr an hunderte Initiativen und Gruppen, die sich den Bradley-Zielen verpflichtet fühlen: „limited government“, sowie der Stärkung eines „demokratisch-kapitalistischen Systems“. Die Stiftung gibt sich marktradikal, wünscht sich einen weitgehend unregulierten Kapitalismus und möchte den Einfluss des Staates systematisch verringern. Sie wendet sich dazu gezielt an Eliten und Entscheidungsträger, die sie fördert und zu beeinflussen sucht. Jährlich verleiht sie mehrere „Bradley-Preise“, die jeweils mit 250.000 Dollar dotiert sind, und gern auch an Journalisten vergeben werden. Die Bradley Foundation ist weiterhin einer der größten Geldgeber vieler berühmter konservativer Denkfabriken, wie etwa des „American Enterprise Institute“ oder des (mittlerweile eingestellten) „Project für the New American Century“, wo ab 1997 die Neokonservativen Dick Cheney und Donald Rumsfeld ihre aggressiven außenpolitischen Aktivitäten bündelten, noch bevor sie 2001 Teil von George W. Bushs Regierung wurden. Man prägt mit den Stiftungsmillionen also durchaus nachhaltig Entwicklungen und setzt Trends. Geleitet wurde die Bradley Foundation zuletzt von Michael Grebe, einem erfolgreichen Anwalt an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft. Er war es auch, der einflussreiche republikanische Nachwuchspolitiker wie Reince Priebus, Scott Walker oder Paul Ryan systematisch mit aufbaute. An Grebes eigener Karriere lässt sich dabei gut die Funktionsweise solcher Netzwerke illustrieren. Wie man Politiker „macht“ Grebe begann seine Laufbahn 1970 bei einer der größten Anwaltskanzleien Wisconsins, Foley & Lardner, zu einer Zeit, als diese Kanzlei gerade ein erstes Büro in Washington eröffnete und damit den Sprung auf die nationale Ebene wagte. Ab den 1980er Jahren war Grebe zudem direkt politisch aktiv. Als ständiger Delegierter Wisconsins bei den Parteitagen der Republikaner und vor allem als Rechtsberater der nationalen Parteiorganisation der Republikaner knüpfte er zahlreiche Kontakte in die Regierung und ins Parlament. In den 1990er Jahren wurde Grebe zum Chef von Foley & Lardner und verantwortete innerhalb der Kanzlei die Gründung einer neuen Unternehmenssparte für Lobbying und PR, um die Politik des Landes im Sinne seiner Geschäftsklienten noch direkter beeinflussen zu können. Als Lobbyisten stellte er ehemalige Politiker ein. 1996 wurde der talentierte Netzwerker dann in den Vorstand der Bradley Foundation berufen, die er von 2002 bis zu seinem Ruhestand 2016 auch leitete und dort maßgeblich entschied, wer in den Genuss der unerschöpflichen Bradley-Millionen kam und wen man dort protegierte.
Grebe war es auch, der das politische Talent im Studienabbrecher Scott Walker entdeckte und dessen Wahlkampf zum Gouverneur von Wisconsin 2010 persönlich leitete. Walker gewann. Der Sieg Scott Walkers in Wisconsin markierte damals einen Durchbruch für die rechtskonservativen und marktliberalen Kreise in den USA. Mitverantwortlich war der schon erwähnte Reince Priebus, der als damaliger Vorsitzender der Republikaner in Wisconsin Walkers Wahlkampf entscheidend mitlenkte und dem es insbesondere gelang, die radikale Tea-Party-Bewegung in Wisconsin so mit den Republikanern zu verzahnen, dass kein öffentlicher Konflikt zwischen beiden entstand. Schaukampf gegen Gewerkschaften Wisconsin war vorher von Demokraten regiert worden und hat eine weit zurück reichende linke Tradition, die in Deutschland gründet. Nach der gescheiterten Revolution von 1848 wanderten zahlreiche Deutsche nach Wisconsin aus, einen Staat, der damals gerade zur Besiedlung freigegeben war. Die Hauptstadt Milwaukee wurde später, zwischen 1910 und 1960, die meiste Zeit über von sozialistischen Bürgermeistern regiert – für eine amerikanische Großstadt extrem ungewöhnlich. Den radikalen Konservatismus der in Milwaukee beheimateten Bradley Foundation kann man auch als Gegenreaktion auf diese linke Tradition sehen. Nach seinem Wahlsieg attackierte Scott Walker direkt die Gewerkschaften. Er legte 2011 ein Gesetz vor, das ihnen das Recht nahm, für die öffentlichen Angestellten Tarifverträge auszuhandeln. Daraufhin kam es zu großen Protesten, die bis zur Besetzung des Parlamentsgebäudes und Neuwahlen führten. Doch Gouverneur Walker hielt Kurs und wurde sogar wiedergewählt, nicht zuletzt mit Unterstützung teurer PR-Kampagnen und TV-Spots. Parteichef Priebus meinte im Anschluss: Das Ganze war ein Schaukampf mit nationaler Ausstrahlung, ganz im Sinne der Geldgeber. Als Walker schließlich 2015 für die Präsidentschaft kandidierte – wieder mit Grebe als Wahlkampfmanager – blieb er zwar erfolglos, doch die konservativen Sponsoren fanden letztlich auch hier einen Kandidaten, der ihren marktliberalen Kurs mehr oder weniger teilte. Geschäftsleute gehen pragmatisch vor, wenn der jeweilige Favorit in den Vorwahlen verliert. So hat zum Beispiel Ronald Cameron, Chef eines Geflügelkonzerns und einer der zehn größten Spender für die Republikaner im diesjährigen Präsidentschaftswahlkampf, zunächst 3 Millionen Dollar in die Kampagne von Kandidat Mike Huckabee gesteckt, nach dessen Ausscheiden dann 5 Millionen auf Marco Rubio gesetzt und nach dessen Rückzug noch einmal 2 Millionen an Trump gespendet. So ähnlich machen es viele. Wichtig ist, am Ende das Geld beim Sieger platziert zu haben. Zu Donald Trumps Großspendern gehören auch zwei Milliardärinnen aus Wisconsin: Liz Uihlein, Chefin des Verpackungsherstellers Uline, sowie die Bauunternehmerin Diane Hendricks. Letztere gilt als ausgemachte Gewerkschaftsfeindin und hatte mit ihren Millionen zuvor schon Scott Walker ins Gouverneursamt geholfen. Beide Frauen gehörten im Präsidentschaftswahlkampf zum Beraterstab Donald Trumps. Diane Hendricks sitzt darüber hinaus gemeinsam mit Michael Grebe im Vorstand der Bradley Foundation. Man kennt sich. Wer ist Mike Pence? Auch Trumps kommender Vizepräsident Mike Pence – der derzeit schon als Leiter des „Transition Teams“ maßgeblich über die Besetzung diverser Regierungsposten entscheidet – ist kein unbeschriebenes Blatt. Der langjährige konservative Abgeordnete gilt als streng religiös und begeisterter Anhänger der Tea-Party-Bewegung, die ihrerseits von Beginn an von den milliardenschweren Koch-Brüdern unterstützt und mit gesteuert wurde. Die Kochs gehören darüber hinaus ganz direkt zu den größten Sponsoren von Pence. Das politische Potenzial von Pence erkannte ebenso die Bradley Foundation, die ihn schon früh umwarb. Als Gast auf einer Konferenz der Stiftung äußerte er 2010, auf dem Höhepunkt der Tea-Party-Bewegung, diese gehe „zurück zu den Quellen unserer Größe, nämlich unserem Charakter, unserer Überzeugung und unserem Glauben an begrenzte Regierung“ („belief in limited government“). Für Pence und viele seiner Mitstreiter verschmilzt der urchristliche Glaube mit einer nicht minder strengen Marktgläubigkeit – ein in den USA verbreitetes Phänomen, das viel mit europäischen, calvinistischen Wurzeln zu tun hat. Reiche Geldgeber und Strippenzieher können dort bequem andocken und fördern solchen Extremismus gerne. Auf einer Veranstaltung der Koch-Brüder sprach Pence 2014 davon, wie einzelne Bundesstaaten (zu der Zeit war er Gouverneur von Indiana) als Labor dafür dienen könnten, Regierungsmacht zu minimieren, die Steuern zu senken und die Wirtschaft weiter zu deregulieren. Trump selbst hatte im Wahlkampf angekündigt, die Unternehmenssteuern von 35 auf 15 Prozent senken zu wollen. Sicher einer der Gründe, weshalb gegen Ende des Wahlkampfes im Oktober diesen Jahres gut 100 Unternehmenslenker per offenem Brief energisch zu seiner Wahl aufriefen.
Am Ende bleibt zwar richtig, dass der größte Teil des Establishments fast jeden Kandidaten lieber an der Spitze gesehen hätte, als Donald Trump. Doch den Grund für dieses Unbehagen sollte man weniger in Trumps schrägen politischen Überzeugungen oder seinem schrillen Auftreten suchen, als eher in der schlichten Tatsache, dass sich fast alle anderen Kandidaten viel einfacher hätten kontrollieren lassen, als dieser ebenso exaltierte wie selbstbewusste Milliardär, der offenbar einfach „macht, was er will“. Genau deshalb allerdings wurde er vermutlich auch gewählt. Trump selbst ist klug genug, um sich zukünftig nicht unnötig Feinde unter den Mächtigen zu schaffen. Seine Entscheidung, Priebus und auch Pence in den engsten Kreis aufzunehmen, deutet an, dass er den reichen Sponsoren der anderen Kandidaten durchaus Zugang ins Weiße Haus gewähren will – so wie es auch eine Hillary Clinton als Präsidentin fraglos getan hätte. | Paul Schreyer | Das Phänomen Trump, das hierzulande in den Medien weiterhin für ungläubiges Staunen und Bestürzung sorgt, kam weder aus dem Nichts, noch ist der Milliardär völlig isoliert im US-Establishment. Ein finanzstarkes Netzwerk von rechtskonservativen Unternehmern hat sich schon vor seiner Wahl mit ihm arrangiert, ihn unterstützt und besetzt nun einige der wichtigsten Posten in der neuen Regierung. Di ... | [
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] | 18. November 2016 9:04 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=35882 |
medizinische Ausrüstung | Fest steht: Wir können weder jetzt noch in Zukunft virusbedingte Erkrankungen verhindern, da Viren und Bakterien zum Leben dazugehören wie Luft oder Wasser. Deshalb stellt sich die Frage, wie sinnvoll insbesondere die in Form diverser Lockdowns praktizierte “Corona-Bekämpfungspolitik” überhaupt ist. Von Magda von Garrel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. | [] | [] | 22. März 2021 8:48 | https://www.nachdenkseiten.de/?tag=medizinische-ausruestung&paged=3 |
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Asozialer Wohnungsbau. Für ein bezahlbares Heim hat der Heimatminister wenig übrig. | Die soziale Wohnraumförderung geht in Zeiten von Gentrifizierung, Luxussanierungen und Wuchermieten weiter den Bach runter. 2019 sank die Zahl der staatlich geförderten Quartiere um über fünf Prozent. Gleichzeitig fielen erneut Zehntausende Einheiten aus der Preis- und Belegungsbindung. Schuld an der Misere haben knausernde Länderfürsten mit falschen Prioritäten und eine Bundesregierung, die sich ihre Verantwortung für die Schwächeren der Gesellschaft spart. Die Opposition verlangt ein milliardenschweres Rettungsprogramm und die Rückkehr zur Gemeinnützigkeit. Horst Seehofer baut lieber auf ein „Wunder“. Von Ralf Wurzbacher Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Bisweilen mag es der deutsche Innen-, Bau- und Heimatminister Horst Seehofer (CSU) spaßig. Im Interview mit der „Welt am Sonntag“ gab er Anfang Februar zum Besten: „Wir sind auf dem Weg zu einem Wunder beim Wohnungsbau.“ Ob er bei den Worten schelmisch griente, wie man das von ihm kennt, ist nicht überliefert. Im Lichte der wohnungspolitischen Herausforderungen und der selbstgesteckten Ziele stünde ein bisschen Selbstironie dem Minister jedenfalls gut zu Gesicht. Den Bau von 1,5 Millionen neuen Wohneinheiten hatte die Bundesregierung für die laufende Legislaturperiode versprochen. Schon 16 Monate vor Toreschluss steht fest, dass die Vorgabe nicht zu halten ist. Das jährlich nötige Mittel von 375.000 wurde in den drei Vorjahren jeweils deutlich verfehlt. Selbst das Seehofer ins Schwärmen bringende „Rekordjahr“ 2019 blieb mit 293.000 fertiggestellten Wohnungen eine halbe Million unter dem Soll. Zwar wurde in der BRD seit 2001 nicht mehr so kräftig gebaut, wie dieser Tage das Statistische Bundesamt bescheinigte. Angesichts der absehbaren Rückschläge durch die Corona-Krise könnte die Blüte aber schon rasch wieder vorbei sein – und auf das Boomjahr ein blaues Wunder folgen. Verschärfte Mietkrise In einem Segment des Wohnungsbaus gibt es das böse Erwachen schon jetzt. Am Mittwoch berichtete die Deutsche Presse-Agentur (dpa) unter Berufung auf eine Aufstellung des Bundesinnenministeriums (BMI), dass die Zahl der im Vorjahr errichteten Sozialwohnungen um 5,5 Prozent verglichen mit 2018 zurückgegangen ist. Wurden seinerzeit noch 27.040 Einheiten mit Mietpreis- und Belegungsbindung neu geschaffen, waren es 2019 nur mehr 25.565. Damit ist auch klar: Das, was da zuletzt so geboomt hat, brachte der wachsenden Zahl derer, die auf Wohnraum zu erschwinglichen Preisen angewiesen sind, rein gar nichts. Immerhin weiß die Regierung noch, für wen der soziale Wohnungsbau erfunden wurde. „Die Unterstützung von Haushalten, die sich am Markt nicht aus eigener Kraft angemessen mit Wohnraum versorgen können, ist Aufgabe der sozialen Wohnraumförderung.“ Nichts wissen will sie aber offenbar davon, dass die Zahl der Bedürftigen in der sich verschärfenden Mietkrise infolge von Gentrifizierung, Luxussanierungen, Hochpreisimmobilien und Wucherei massiv zugenommen hat. Laut der Bundestagsfraktion Die Linke haben längst nicht nur Sozialleistungsbezieher und Geringverdiener einen Anspruch auf staatlich geförderten Wohnraum. „Rund 40 Prozent der Bevölkerung stünde eine Sozialwohnung zu, in einigen Großstädten sind es sogar bis zu 60 Prozent.“ Gäbe es ein entsprechendes großes Angebot, würde damit der Wohnungsmarkt „insgesamt entspannt“. Rückzug des Staates Die drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall zeugen von einer genau gegenteiligen Entwicklung. Das gerade wiedervereinigte Deutschland zählte noch rund drei Millionen echte Sozialwohnungen. Heute sind es noch knapp 1,18 Millionen. Dazwischen liegt eine Reihe verhängnisvoller „Reformen“, angefangen mit der Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit im Jahr 1990. Im Nachgang der Affäre um die gewerkschaftseigene „Neue Heimat“ wurden damals auf einen Schlag fast vier Millionen Wohnungen aus dem Non-Profit-Sektor in den freien Markt entlassen. Dazu fielen in den Folgejahren riesige öffentliche Wohnungsbestände einer beispiellosen Privatisierungswelle zum Opfer, wodurch der Staat nachhaltig an Gestaltungsmacht einbüßte. 2001 war es die rot-grüne Regierungskoalition unter Gerhard Schröder (SPD), die dem ursprünglichen Konzept „sozialer Wohnungsbau“ ein Ende machte und durch das der „sozialen Wohnraumförderung“ ersetzte. In der Konsequenz sank der Bestand an Sozialwohnungen bis 2005 auf nur noch knapp über zwei Millionen. Noch folgenschwerer war die 2006 von der großen Koalition (Kabinett Merkel I) ins Werk gesetzte Föderalismusreform. Indem den Ländern die Alleinzuständigkeit für den sozialen Wohnungsbau übertragen wurde – gab der Bund seine Steuerungs- und Gestaltungshoheit auf dem „sozialen Wohnungsmarkt“ praktisch vollends aus der Hand. Futter fürs Haushaltsloch Zwar wurden die Länder auch weiterhin mit sogenannten Kompensationsmitteln aus Berlin versorgt. Die Gelder waren mit anfangs 518 Millionen Euro jährlich jedoch nicht nur viel zu knapp bemessen. Überdies unterließ es der Bund, den Landesfinanzministern bei der Verwendung auf die Finger zu gucken und bei Zuwiderhandlung auf die Finger zu klopfen. So kam es, dass die Bundeszuschüsse in vielen Fällen zweckentfremdet in irgendwelchen Haushaltslöchern der unter Konsolidierungsdruck und Schuldenbremse ächzendenen Bundesländer versickerten. Tatsächlich hätte die Bundesregierung missbrauchte Mittel qua Verordnung zurückfordern können. Sie ließ es aber bleiben. Da war es dann auch nur konsequent, dass die Zweckbindung 2014 einfach aufgehoben wurde. Bei schätzungsweise noch 1,5 Milliarden Euro aus Bund- und Länderkassen, die zwischen 2007 und 2016 jährlich in die soziale Wohnmraumförderung geflossen sind, war der weitere Absturz programmiert. Allein in diesen zehn Jahren brachen die Kapazitäten an Sozialwohnungen um über 800.000 auf etwa 1,27 Millionen ein.
Das Hauptproblem: Alle Jahre wieder fallen Zehntausende Sozialwohnungen aus der Sozialbindung. Dies geschieht etwa dann, wenn der Bauherr seinen geförderten Kredit abgezahlt hat und von da an die Mieten erhöhen darf. In der Regel ist dies nach 15 bis 30 Jahren der Fall. Laut Caren Lay, Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, sind so 2019 rund 70.000 Wohnungen an den freien Markt „verlorengegangen“. Für das laufende Jahr rechnet sie mit Einbußen in derselben Größenordnung, wodurch erneut mit einem „riesigen Verlust von unterm Strich 40.000 bis 50.000 Sozialwohnungen“ auszugehen sei. Alle sechs Minuten eine weniger Das ist sogar eine „optimistische“ Prognose. Nach Angaben des Deutschen Mieterbunds (DMB) „verschwindet“ alle „sechs Minuten“ eine Sozialwohnung, „seit 2017 im Schnitt 80.000 pro Jahr“. Demgegenüber belief sich der „Nachschub“ lange Zeit auf bundesweit deutlich unter 15.000. Das hinterließ Spuren: In Bremen zum Beispiel war 2017 vom Bestand des Jahres 2000 noch ein Viertel übrig. Vielerorts, wie in Berlin, Brandenburg, Bayern, Hamburg und Hessen, hatte sich der geförderte Wohnraum seitdem mal eben halbiert. In Sachsen war seit der Jahrtausendwende bis vor drei Jahren keine einzige Bleibe für sozial schwächere Menschen entstanden. Und selbst da, wo vergleichsweise eifrig gebaut wurde oder wird, weist die Leistungsbilanz wegen der viel größeren Verluste stets ein dickes Minus auf. Daran hat auch die leichte Intensivierung der Bautätigkeit seit 2015 nichts geändert. Damals wurden mit 14.700 Wohnungen so viele bezuschusst wie seit 2007 nicht mehr. In der Folgezeit bewegten sich die Zahlen der Neuförderungen weiter nach oben auf ein Niveau von rund 27.000. Hintergrund war eine Aufstockung der Bundesfinanzhilfen auf zuerst eine Milliarde Euro jährlich und zuletzt 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2019. Allerdings liefen die Ausgleichszahlungen für den 2006 vollzogenen Rückzug des Bundes aus der sozialen Wohnraumförderung Ende des Vorjahres aus. Um die Länder nicht völlig mit der Aufgabe alleine zu lassen, beschloss die Politik prompt eine Grundgesetzänderung, die die Föderalismusreform wieder ein Stück weit außer Kraft setzt. Demnach „wird es dem Bund ermöglicht, den Ländern ab 2020 zweckgebundene Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau zu gewähren“ und zwar dauerhaft. „Katastrophale Bilanz“ Einen Haken hat die Sache aber doch. Statt der zuletzt 1,5 Milliarden Euro müssen sich die Bundesländer mit nur noch einer Milliarde Euro pro Jahr begnügen. Damit ist eine weiter rückläufige Fördertätigkeit ausgemacht und drohen im laufenden und kommenden Jahr noch größere Defizite als 2019. Zumal es mit der Zweckbindung in Corona-Zeiten noch schlechter bestellt sein dürfte als früher. Wo und wie viel gebaut wird, werden wohl mehr denn je die politischen Prioritäten der Länderfürsten sowie ihr noch einmal schmaleres Budget bestimmen. Von entsprechend großen Diskrepanzen zeugt schon das neueste Zahlenwerk des BMI: Die Hauptstadt Berlin schuf 47 Prozent weniger neue Sozialwohnungen, Hessen 44 Prozent, in Sachsen-Anhalt kam keine einzige dazu (minus 100 Prozent). Dagegen legten Thüringen (plus 103 Prozent), Bremen (248 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (319 Prozent) deutlich zu. Braucht es noch mehr Beweise, dass im sozialen Wohnungsbau eine zentrale Lenkung unter Bundeshoheit unerlässlich ist? Über eine „katastrophale Jahresbilanz“ klagte Linke-Politikerin Lay am Mittwoch in einer Stellungnahme gegenüber den NachDenkSeiten. „Wer die Mittel um ein Drittel reduziert, hat keinen Grund, mit dem Finger auf die Länder zu zeigen.“ Der Bund trage „die Hauptverantwortung für den Niedergang“. Der wohnungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Christian Kühn, sprach von einem „Armutszeugnis für Horst Seehofer“. Die Anstrengungen einzelner Bundesländer seien ein Lichtblick. Nötig wären aber mehr Investitionen, eine längere Belegungsbindung und die Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit. Zurück zur Gemeinnützigkeit Seine Partei hatte dazu im Februar einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wohnungsunternehmen müssten demnach staatlich bezuschusst und steuerlich begünstigt werden, sofern sie dauerhaft günstigen Wohnraum schaffen oder vermieten – an Arbeitslose, Studierende, junge Eltern oder Rentner. Den Grünen schwebt dabei ein Modell vor, wie es vor 150 Jahren in Berlin oder Wien begründet wurde. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) berichtete, leben in der Hauptstadt Österreichs heute noch 60 Prozent der Mieter in staatlich bezuschussten Behausungen. „Eine neue Wohngemeinnützigkeit für Durchschnitts- und Geringverdiener“, empfiehlt auch die Linkspartei. „Einmal geförderte Sozialwohnungen müssen künftig immer Sozialwohnungen bleiben.“ Nötig wäre ein „öffentliches Rettungsprogramm für den sozialen Wohnungsbau in Höhe von zehn Milliarden Euro für 250.000 neue Einheiten jährlich, sonst gehören Sozialwohnungen bald der Vergangenheit an“, erklärte Lay. Für Mieter, deren Sozialwohnung aus der Bindung fällt, solle es einen Bestandsschutz geben. Zudem sollten bundeseigene Liegenschaften „vorrangig und deutlich verbilligt“ an soziale und gemeinnützige Träger abgegeben werden. Ferne plädiert ihre Partei für die Auflage eines Rekommunalisierungsfonds für Länder und Kommunen, die Wohnungen zurückkaufen wollen. Unschulds-Horst Ob und was die Bundesregierung gegen die Misere unternehmen will, bleibt abzuwarten. Auf eine Anfrage der NachDenkSeiten hat das BMI bis Freitag nicht reagiert. Nur um den Istzustand an Kapazitäten zu halten, müssten laut DMB pro Jahr wenigstens 80.000 Sozialwohnungen neu gebaut werden. Diese Hausnummer hatte 2018 selbst die Bundesregierung – wohl eher versehentlich – aufgerufen. Die vom Mieterbund dafür veranschlagten „mindestens drei Milliarden Euro“ jährlich stehen bei Horst Seehofer allerdings nicht auf dem Zettel. Der Heimatminister ganz ohne Spaß: „Da sind jetzt auch mal die Länder am Zug.“ Titelbild: photocosmos1 / shutterstock.com | Ralf Wurzbacher | Die soziale Wohnraumförderung geht in Zeiten von Gentrifizierung, Luxussanierungen und Wuchermieten weiter den Bach runter. 2019 sank die Zahl der staatlich geförderten Quartiere um über fünf Prozent. Gleichzeitig fielen erneut Zehntausende Einheiten aus der Preis- und Belegungsbindung. 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] | 15. Juni 2020 12:03 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=62011 |
ESC – Risse in der Friede-Freude-Eierkuchen-Blase | Wer sich vom Eurovision Song Contest hochwertige musikalische Unterhaltung verspricht, wird auch in diesem Jahr einmal mehr enttäuscht gewesen sein. Aber wer schaut den ESC schon wegen der Musik? Über die Jahre hat sich der Sängerstreit zu einer hochpolitischen und hoch politisierten Selbstprojektionsfläche des sich als „gut“ empfindenden links-liberalen Europas entwickelt – ein Fest der LGBTQ-Community, man ist divers und politisch korrekt, behauptet dabei aber von sich selbst, unpolitisch zu sein. Das ist freilich Unfug. Die Teilnahme Israels trotz dessen Vernichtungskrieg in Gaza hat in diesem Jahr die Grenzen dieses Selbstbetrugs gezeigt. Während vor der Halle mehr als zehntausend propalästinensische Aktivisten gegen die Veranstaltung demonstrierten, versuchten die Veranstalter zwanghaft, trotz lauter Buhrufe die Show zu retten. Das deutsche Fernsehpublikum bekam davon wenig mit. The show must go on, Friede, Freude, Eierkuchen. Ein Kommentar von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Man muss wohl schon Fernsehfunktionär sein, um die Politik hinter dem ESC zu verstehen. Seit 2022 sind Weißrussland und Russland von diesem Wettbewerb ausgeschlossen. Israel durfte hingegen in diesem Jahr teilnehmen. Dabei geht es – so die Funktionäre – keinesfalls um den Vernichtungskrieg in Gaza, die 40.000 Toten, davon die Hälfte Kinder, fast ausschließlich Zivilisten. Nein, Weißrussland und Russland seien „suspendiert“ worden, weil dort seit der Eskalation des Ukrainekriegs die übertragenden Fernsehsender nicht mehr unabhängig arbeiten könnten. Dies gelte für den israelische Fernsehsender KAN, der den ECS für Israel überträgt, nicht. Diese Erklärung ist ungefähr so glaubhaft wie das Selbstbekenntnis, man sei unpolitisch. Gerade im Gastgeberland Schweden, wo – anders als in Deutschland – gerade bei politisch Linken die Kritik an Israels Krieg in Gaza sehr verbreitet ist, wurde das Bekenntnis der EBU pro Israel gar nicht gut aufgenommen. Und auch bei den teilnehmenden Künstlern sorgte diese Entscheidung für einigen Tumult. So äußerten sich die Teilnehmer der Niederlande, der Schweiz, Griechenlands, Frankreichs und Irlands im Umfeld mal mehr, mal weniger kritisch zur israelischen Teilnahme und drohten bis kurz vor Beginn der Veranstaltung sogar mit ihrer Absage. Am Ende passierte mal wieder nichts – Maulhelden. Aber ja, von den größtenteils jungen Nachwuchskünstlern nun zu fordern, sie sollten ihre Karriere für ein politisches Statement wegwerfen, wäre auch unfair und vielleicht zu viel verlangt. Das gilt jedoch nicht für die Arrivierten. Da haben zumindest einige „Punkte-Ansager“ ihren Job im Vorfeld quittiert, in Belgien sorgte die Gewerkschaft dafür, dass statt des israelischen Beitrags im ESC-Halbfinale eine Protesttafel eingeblendet wurde, die eine Waffenruhe in Gaza fordert. Für die BILD-Zeitung eine „Hass-Botschaft“. Überflüssig zu erwähnen, dass es seitens der deutschen Medien null Kritik an der israelischen Teilnahme gab. In Malmö wurde der israelische Beitrag jedoch lautstark vom Publikum ausgebuht – die Übertragungstechnik tat ihr Bestes, um die Buhrufe herauszufiltern, was ihr bei der anschließenden Punktevergabe jedoch nicht mehr gelang. Für deutsche Fernsehzuschauer muss dies verwirrend gewesen sein, haben sie doch gelernt, dass Kritiker der israelischen Kriegsführung Antisemiten sind, und die erwartet man ja nun nicht im ach so bunten liberalen Publikum. Während in anderen Ländern kritisch berichtet wurde, machte der NDR einmal mehr auf Friede, Freude, Eierkuchen. In der begleitenden Vorberichterstattung fiel weder der Begriff „Israel“ noch „Gaza“. Wir sind die Guten, wir sind bunt und fröhlich. Und nun „Party“! Doch ein großer Teil der Europäer, selbst der, die sich als ESC-Fans versteht, macht diesen Selbstbetrug nicht mehr mit. Angestachelt von Kampagnen z.B. in der BILD stimmte das deutsche Publikum dann in Mehrheit für Israel – selbst die Ukraine landete beim deutschen Stimmvieh auf Platz 3. Dass der ESC polarisiert, ist nicht neu. Früher verlief die Konfliktlinie zwischen liberalen LGBTQ-Party-People und reaktionären Wutbürgern, die daheim auf dem Grammophon lieber Peter Alexanders „Als Böhmen noch bei Österreich war“ hören. Geschenkt. Heute verläuft die Konfliktlinie offenbar auch innerhalb der liberalen Bubble. Und das ist gut so! Offenbar erzeugt das Morden in Gaza erste kognitive Dissonanzen innerhalb der außenpolitisch unkritischen linksliberalen Bubble. Bis nach Deutschland sind diese Risse noch nicht gekommen … aber unsere Nachbarländer haben sie bereits erreicht. War noch was? Ach ja. Am Ende siegte der nicht-binäre Schweizer Nemo mit seiner – zugegeben künstlerisch durchaus bemerkenswert vorgetragenen – LGBTQ-Hymne „The Code“. Die ansonsten subjektiv wirklich gruselige Konkurrenz machte es ihm jedoch auch denkbar einfach. Darüber mögen sich konservative Kommentatoren nun aufregen, aber das ist ebenfalls Unsinn. Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier. Titelbild: Screenshot SRF | Jens Berger | Wer sich vom Eurovision Song Contest hochwertige musikalische Unterhaltung verspricht, wird auch in diesem Jahr einmal mehr enttäuscht gewesen sein. Aber wer schaut den ESC schon wegen der Musik? Über die Jahre hat sich der Sängerstreit zu einer hochpolitischen und hoch politisierten Selbstprojektionsfläche des sich als „gut“ empfindenden links-liberalen Europas entwickelt – ein Fest der LGBTQ ... | [
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] | 13. Mai 2024 10:03 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=115155&share=email |
„An unseren Händen klebt kein Blut“ | Was passierte hinter den Kulissen des Maidan? Eine spannende Frage, auf die von politischen Insidern in Zukunft noch interessante Antworten zu erwarten sind. Einer von ihnen hat nun seine Aufzeichnungen vorgelegt. „Ukraine: Die Wahrheit über den Staatsstreich“ heißt das Buch des früheren ukrainischen Ministerpräsidenten Nikolai Asarow, das zu Jahresbeginn in Russland und vor einigen Wochen auch auf Deutsch erschienen ist. In der Ukraine ist es schon verboten. Von Stefan Korinth[*].
Nikolai Asarow war vier Jahre lang Regierungschef unter dem später gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch und ist eine der tragischsten Figuren im politischen Ringen während des Euromaidan. Ende Januar 2014, als die Maidanproteste bereits zwei Monate liefen, trat er von seinem Amt als Regierungschef zurück, um Raum für einen friedlichen Kompromiss zu schaffen, wie er im Buch erklärt – für eine Regierung der nationalen Einheit. Sein ganzes Kabinett trat verfassungsgemäß mit ihm zurück. „Die Einheit und Sicherheit des Landes sind das wichtigste Ziel“, betonte er damals. Doch Asarows Sinn für das Notwendige sollte nichts helfen. Sein Rücktritt sei naiv gewesen, schreibt er. Janukowitsch bot den politischen Maidanführern Klitschko und Jazenjuk zwar die Posten des Ministerpräsidenten und dessen Stellvertreters an. Doch diese lehnten ab. Das Angebot Janukowitschs sei vergiftet, sagte Klitschko. „Vergiftet“ – eine Sprachregelung, die sich deutsche Medien in ihren Kommentaren damals gern zu Eigen machten. Asarows Abgang sei sowieso nur eine Minimalforderung (!) der Opposition. Janukowitsch müsse auch noch weg. Nichts wurde es, mit dem friedlichen Kompromiss. Es brauchte einen weiteren Monat, um zumindest auf EU-Seite diesen Fehler einzusehen. Nach rund hundert toten Demonstranten, Polizisten und Maidankämpfern, mehr als tausend Verletzten und wochenlangem Straßenkrieg musste ein politischer Kompromiss her. Die Außenminister Polens, Frankreichs und Deutschlands reisten nach Kiew und zwangen die ukrainischen Oppositionspolitiker am 21. Februar zu einem Abkommen mit Janukowitsch, das u.a. eine Koalitionsregierung der nationalen Einheit vorsah. Letztes Gespräch am Tag vor der Flucht In seinem Buch schildert Asarow sein letztes Gespräch mit Janukowitsch eben am 21. Februar kurz nach Abschluss der Vereinbarung. Die Polizei müsse solange bleiben, bis der Maidan seine bewaffneten Kräfte abgezogen habe, forderte Asarow. Janukowitsch sei sich sicher gewesen, solche Garantien von den europäischen Außenministern zu bekommen. Zeitgleich lehnte der inzwischen von militanten Rechtsradikalen dominierte Maidan das ausgehandelte Abkommen ab, stellte Janukowitsch ein Ultimatum und drohte mit bewaffnetem Sturm dessen Amtssitzes. „Tod dem Verbrecher“, schallte es aus dem Publikum vor der Maidanbühne.[1] Am Morgen des 22. Februar war niemand mehr aus der politischen Führung der Ukraine zu erreichen, schreibt Asarow in seinem Buch. Kiew war in der Hand der Maidankräfte, diese Milizen hatten auch Straßensperren errichtet, die Polizei hingegen hatte sich zurückgezogen. Das Abkommen spielte nie wieder eine Rolle. Später erfuhr Asarow, dass Maidan-Radikale Mordkommandos gebildet hatten, um Janukowitsch umzubringen – darum floh der Präsident. Und als noch am selben Tag Asarows Limousine, in der seine Frau evakuiert wurde, verfolgt und mit einer Maschinenpistole beschossen wurde, wusste er, dass es hier um einen Staatsstreich ging. „Zweifellos galt der Anschlag mir“, schreibt Asarow. „Die Attentäter wussten nicht, dass nicht ich im Fahrzeug saß.“ Staatsvertreter, zu denen er trotz Rücktritt noch gezählt wurde, sollten physisch ausgeschaltet werden. „Das war kein innenpolitischer Konflikt mehr, das war offenkundig ein militanter Putsch.“ „Geplanter Staatsstreich“ Der frühere Ministerpräsident schreibt auch, wer aus seiner Sicht dahinter steckte. Die EU sei es nicht gewesen. Sie hatte den Konflikt durch ihre Entweder-Oder-Haltung zwar mitinitiiert und lange befeuert. Aber zum Ende des Maidan habe es dort eine Kurskorrektur gegeben. Die drei Außenminister, die nach Kiew kamen, wollten Frieden, unterstreicht Asarow. Frank-Walter Steinmeier habe nicht zu den „Scharfmachern“ gehört. „Die Amerikaner hingegen forcierten erkennbar die konfrontative Entwicklung“, erläutert Asarow. Es sei ein geplanter Staatsstreich gewesen. Schon der Maidan selbst war generalstabsmäßig durchorganisiert. Die politischen Maidanführer gingen in der US-Botschaft ein und aus und holten sich dort ihre Befehle, so der frühere Regierungschef. Auch deshalb habe Asarow nicht an Gesprächen mit den Oppositionspolitikern teilgenommen. Jazenjuk und Co. seien für ihn „keine ernstzunehmenden politischen Figuren“ gewesen. Man hätte mit deren Hintermännern sprechen müssen, um etwas zu erreichen. Schon im Dezember habe US-Vizepräsident Joseph Biden nachts Janukowitsch angerufen und ihm mit „Strafen“ gedroht, wenn er den Maidan durch die Polizei räumen lasse. Janukowitsch zog daraufhin die geplante Räumung zurück. Auch als später Radikale in der Westukraine Waffendepots staatlicher Sicherheitsbehörden plünderten, forderten westliche Botschafter wie US-Diplomat Geoffrey Pyatt die ukrainische Regierung auf, keine Gewalt anzuwenden. „Einen solch wohlfeilen Appell empfand ich als Hohn und Zynismus“, schreibt Asarow. „Wer übte die Gewalt aus, wer provozierte, wer besetzte Gebäude, wer stahl Waffen und Munition?“ Die unvermeidliche Victoria Nuland („Fuck the EU“) habe Asarow sogar direkt ins Gesicht gesagt, dass sie lieber Arsenij Jazenjuk als ihn im Amt des Ministerpräsidenten sähe. Präsident Viktor Janukowitsch habe während des Maidan versagt, urteilt Asarow. Er habe nicht gekämpft, als es noch mit demokratischen Mitteln möglich war. Aus Angst vor westlicher Kritik habe Janukowitsch irgendwann gar nichts mehr entschieden. Ukraine nur geopolitischer Spielball Es sei jedoch nie wirklich um die Ukraine gegangen, schreibt Asarow weiter. Der Westen habe innerukrainische Konflikte immer nur als Hebel in der Auseinandersetzung mit Russland benutzt. „Die Ukraine war nur der Keil in der strategischen Operation der Amerikaner, einen eurasischen Wirtschaftsraum von Westeuropa bis Wladiwostok zu verhindern.“ Russland und China bspw. hätten für das Jahr 2014 die Rekordsumme von mehr als 40 Milliarden Dollar an Krediten und Investitionen in ukrainische Infrastrukturprojekte geplant, darunter Autobahnen, Sozialwohnungen und Gaswerke, schreibt Asarow. „All dies erledigte sich durch den Umsturz im Februar 2014.“ Seitdem sei das Land in allen Bereichen um zehn Jahre zurückgeworfen worden. Durchschnittslöhne seien von über 400 auf 200 Dollar gesunken. Tausende Staatsbeamte wurden pauschal der Korruption angeklagt und viele wichtige Arbeiten sind liegengeblieben. Stattdessen wurden Denkmale gestürzt. „Wem hat das was gebracht?“, fragt Asarow. „Sind die Renten dadurch gestiegen? Der Sohn zog in den Krieg und kehrte als Krüppel wieder – lebt er nun etwa besser?“ Ohne den Putsch hätte es weder den Krieg noch den jetzigen Staatszerfall gegeben. Kritik am IWF Asarow, der bereits Finanzminister in früheren Kabinetten war, übt in dem Buch auch harte Kritik am Internationalen Währungsfonds (IWF). Dessen Empfehlungen seien in all den Jahren immer die gleichen und wenig hilfreich gewesen. Sie hätten nur in eine Abwärtsspirale von Kürzungen, Produktionsrückgängen und weiteren Kürzungen geführt. Zudem seien die Kredite immer mit Auflagen verbunden gewesen, die mit dem Prinzip nationaler Souveränität unvereinbar seien – etwa wenn der IWF über Renten, Mehrwertsteuer oder Nahverkehrstarife in der Ukraine bestimmen wollte. Die jetzige Regierung hingegen exekutiere den Willen des IWF bedingungslos. Sie streiche Subventionen etwa für die Beheizung der Wohnungen oder kürze soziale und medizinische Programme. Gleichzeitig steigert Präsident Poroschenko den Militäretat und verdient daran als Rüstungsunternehmer selbst mit. Diese und andere Stellen zeigen, dass Asarow das Buch vor allem für ukrainisches Publikum geschrieben hat. Sein Buch ist nämlich auch eine Bilanz und inhaltliche Rechtfertigung der eigenen Regierungszeit. Er will zeigen, dass die Ukraine nicht von einer „Verbrecherbande“ regiert wurde, wie die jetzigen Kiewer Machthaber behaupteten. Aber auch für deutsche Leser lohnt die Lektüre durchaus, weil das Buch bei aller positiven Selbstsicht Asarows anhand zahlreicher Politikfelder zeigt, dass die westliche Pauschalkritik an dem „Regime“ so nicht korrekt war. Auch die unterhaltsamen Anekdoten aus Sowjetzeit, in die Asarow, der damals als Geologe arbeitete, immer wieder seitenlang verfällt, können deutschen Lesern verständlicher machen, mit welchen Problemen die ukrainische Gesellschaft bis heute teilweise zu kämpfen hat. Viele Anekdoten, manche blinde Flecken Asarows Buch ist hervorragend ins Deutsche übersetzt. Der Autor liefert zudem erschreckend erhellende Informationen aus dem inneren Machtzirkel der Ukraine – etwa wenn er darstellt, wie sich im Jahr 2006 der Sieger der Orangen Revolution Viktor Juschtschenko und der damalige Ministerpräsident Janukowitsch zwei Stunden lang nur über ihre jeweiligen Gesundheitsbeschwerden austauschen – in einer Sitzung, in der eigentlich über den Staatshaushalt gesprochen werden sollte. Streckenweise liest sich das Buch wie Asarows Autobiografie. Doch der ehemalige Chef der Partei der Regionen offenbart darin auch blinde Flecken. Zum Beispiel kommt sein Sohn Oleksii nicht vor. Dessen wachsender Reichtum und Firmenbesitz (etwa durch Off-Shore-Holdings in Liechtenstein) waren Grund für Verdächtigungen und Kritik am früheren Regierungschef und sind vorgeblich auch Grund dafür, dass Vater und Sohn auf der EU-Sanktionsliste landeten.[2] Die Kritik, dass sich Asarows Familie selbst am staatlichen Vermögen bedient habe, hätte der frühere Ministerpräsident im Buch ausräumen können. Ein paar Absätze dazu hätten durchaus zur Bilanz der Regierungszeit gehört und wären nicht themenfremder als seitenlange historische Anekdoten. Immerhin saß sein Sohn seit 2012 für die Partei des Vaters im Parlament und hatte sich so auch wichtige Posten in entsprechenden Ausschüssen und rechtliche Immunität verschafft. Dass Nikolai Asarow das Thema vollständig ignoriert, hinterlässt einen unschönen Beigeschmack. Auch Fehler der Regierung und der Sicherheitskräfte während des Maidan bleiben unerwähnt oder werden von Asarow beschönigt. Trotzdem sind Momente der Selbstkritik in dem Buch vorhanden. Er hätte entschlossener gegen jede Form des Machtmissbrauchs vorgehen müssen, gesteht Asarow zum Ende. Die Empörung der Bürger sei teilweise berechtigt gewesen. Auch die Kritik an einzelnen Regierungsmitgliedern hätte er ernster nehmen müssen, als er es tat, so der frühere Regierungschef. „Wir haben Fehler gemacht“, bekräftigt er, „aber an unseren Händen klebt kein Blut.“ Nikolai Asarow
Ukraine: Die Wahrheit über den Staatsstreich
Aufzeichnungen des Ministerpräsidenten 256 Seiten
Broschiert mit Abbildungen 17,99 Euro ISBN: 978-3-360-01301-9 | Stefan Korinth | Was passierte hinter den Kulissen des Maidan? Eine spannende Frage, auf die von politischen Insidern in Zukunft noch interessante Antworten zu erwarten sind. Einer von ihnen hat nun seine Aufzeichnungen vorgelegt. „Ukraine: Die Wahrheit über den Staatsstreich“ heißt das Buch des früheren ukrainischen Ministerpräsidenten Nikolai Asarow, das zu Jahresbeginn in Russland und vor einigen Wochen auc ... | [
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Schwarzbuch Corona – eine Zwischenbilanz der vermeidbaren Schäden und tolerierten Opfer | Heute erscheint mein neues Buch – das „Schwarzbuch Corona“. Es ist eine längst überfällige Zwischenbilanz der Schäden und Opfer der Corona-Politik. In der Medizin sagt man, die Therapie darf nicht schädlicher sein als die Krankheit. Überträgt man dies auf die weltweiten Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus, müsste man wohl von einem der größten Kunstfehler der Geschichte sprechen. Die indirekten Kollateralschäden der Therapie stehen in keinem Verhältnis zu den Schäden durch das Virus selbst. Anhand nationaler und internationaler Beispiele zeige ich, welche Schäden die Corona-Politik verursacht hat und immer noch verursacht. Schäden auf dem Gebiet der Ökonomie, der Ökologie. Schäden der Gesundheit und der Psyche. Schäden, die so unsolidarisch verteilt sind wie bei keiner Katastrophe zuvor. Schäden, die uns noch lange begleiten werden und unsere Gesellschaften nachhaltig verändern werden. Der Verlag schreibt: „Jens Berger blickt über den Tellerrand von Infiziertenzahlen und Inzidenzen und richtet den Fokus auf Zusammenhänge, die in der Debatte gerne verdrängt und ignoriert werden. Erstmals werden hier Daten und Studien zusammengetragen, die außerhalb von Fachkreisen wenig Beachtung finden, da sie nicht in das Bild einer Politik passen, für die das Wohl und die Gesundheit der Bürger angeblich das oberste Primat sind.“ Im Folgenden die Einleitung aus dem Buch, das ab heute überall im Buchhandel oder bei den Buchkomplizen zu kaufen ist. Von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Kein anderer Begriff wurde während der letzten eineinhalb Jahre so oft gebraucht und so oft missbraucht wie der Begriff der Solidarität. Aus Solidarität mit den Alten und Vorerkrankten, für die eine Infektion schwer oder gar tödlich verlaufen könnte, haben wir das ganze Land lahmgelegt. Gefragt wurden die »Risikogruppen« jedoch nicht. Wer weiß, vielleicht waren sehr viele von ihnen gar nicht so erpicht darauf, Weihnachten allein zu verbringen? Vielleicht wären sie lieber das Risiko einer Infektion eingegangen, als zum Beispiel ihre Enkel und Urenkel über Wochen und Monate nicht zu sehen, sie nicht in den Arm nehmen zu können? Die Großmutter eines Freundes von mir musste ihren 100. Geburtstag ohne Familie oder Freunde im Heim verbringen. 100 Jahre. Die Frau hat die Bombennächte des Zweiten Weltkriegs überlebt. Sie hat unter Aufbietung all ihrer Kräfte in schweren Zeiten ihren Kindern das Leben geschenkt und sie zu verantwortungsvollen Menschen erzogen. Sie hat so manche Lebenskrise durchlaufen und so manche Krankheit gemeistert und nun, an ihrem 100. Geburtstag, saß sie allein im Heim. Eine maskierte Pflegerin brachte ihr zumindest ein Stück Apfelkuchen und ein Glas Sekt. Doch ihre Kinder, Enkel und Urenkel durfte sie nicht sehen. Zwei Wochen später starb sie – nicht an Corona, vielleicht aber an Einsamkeit. Um ihre Hinterlassenschaften wegzuräumen, durften ihre Enkel übrigens das Altenheim betreten. Schließlich müsse das Zimmer schnell wieder frei werden. Alles im Namen der Solidarität. Die Tochter eines anderen Freundes hat in diesem Jahr ihr Abitur gemacht. Als ich vor vielen Jahren mein Abitur gemacht habe, war dies – abseits der schulischen Fragen, die für mich damals ohnehin eine untergeordnete Rolle gespielt haben – eine wunderschöne Zeit. Wir haben gefeiert, getrunken, getanzt. Wir lagen uns in den Armen und haben die vielleicht letzten Tage einer unbeschwerten Jugend genossen. Kaum hatten wir unsere Zeugnisse in den Händen, ging es für viele erst einmal auf große Reise. Per Interrail haben wir Europa bereist, Gleichaltrige aus aller Herren Länder kennen und lieben gelernt, andere Kulturen entdeckt. Eine schöne Zeit. Für mich vielleicht die schönste Zeit in meinem Leben. Für die Tochter meines Freundes war dieses Jahr keine schöne Zeit. Die letzten Monate ihrer Schulzeit verbrachte sie auf sich gestellt vor ihrem Rechner. Soziale Kontakte außerhalb der Familie waren zumeist auf den virtuellen Raum ausgelagert. Keine Partys, kein Tanz, keine Freude. Kein Umarmen, keine Küsse und keine Gelegenheit, die Jugend zu verabschieden. Die langen Monate zwischen Abitur und digitaler Immatrikulation an der Universität – monoton, isoliert. Bis heute hat sie ihre Kommilitonen nur am Bildschirm ihres Rechners gesehen. Ja, sie war solidarisch. Aber wer war solidarisch mit ihr? Wer war in den letzten eineinhalb Jahren solidarisch mit all den Wirten und Hoteliers, die um ihr Lebenswerk bangen, vielfach schon kapituliert haben und im besten Falle einer mehr als ungewissen Zukunft entgegenblicken? Wer war solidarisch mit den Armen und in prekären Berufen Tätigen, die nicht den Luxus hatten, die Pandemie im Homeoffice auszusitzen und die gewonnene Freizeit zur Selbstverwirklichung zu nutzen? Wie solidarisch waren wir mit der alleinerziehenden Mutter, der in ihrer kleinen Plattenbauwohnung die Decke auf den Kopf gefallen ist und die nicht wusste, was sie mit ihrem dauergelangweilten Sohn noch anstellen soll, der aus Solidarität weder den Kindergarten noch den Spielplatz besuchen durfte? O ja, die allermeisten Deutschen waren in den letzten eineinhalb Jahren so solidarisch, dass sie sich in eine Duldungsstarre begeben haben. Und die wenigen Menschen, denen der Kragen geplatzt ist und die aufbegehrt haben, wurden mit ausgestrecktem Finger als Querdenker, Spinner, Verschwörungstheoretiker oder gar Nazis verunglimpft. Zahlreiche TV- und Printformate halfen dabei, eine Lockdown-Ideologie aufzubauen, und schürten bei vielen Bürgern Ängste. Und wer Angst hat, ist anfällig dafür, Menschen zu verdammen, die ihm als Bedrohung präsentiert werden und von denen es heißt, sie seien unsolidarisch. In Zeiten von Corona ist Solidarität eine Einbahnstraße. Kann man die Solidarität gegenüber der einen Gruppe überhaupt mit der Solidarität einer anderen Gruppe verrechnen? Man kann nicht nur, man muss. Die Solidarität mit den einen ist bei der Corona-Debatte auch immer die Unsolidarität mit den anderen. Hier einen gangbaren Mittelweg zu finden, ist schwer, und wer den Lockdown vor allem als solidarische Maßnahme sieht, verschließt sich der Kompromissfindung. Warum ein Buch zu Corona schreiben? Wer will das lesen? Das war mein erster Gedanke, als mein Verleger Markus Karsten mir die Idee unterbreitete, ein Schwarzbuch Corona zu verfassen. Es ist doch eigentlich alles gesagt, wenn auch noch nicht von jedem. Doch dieser Eindruck täuscht: Obgleich eigentlich alles gesagt ist, wurde nur weniges davon gehört. Von Tag zu Tag nimmt die Debatte groteskere Züge an, und von Tag zu Tag werden die Gräben zwischen den Lagern tiefer. Viele Mitmenschen haben Angst. Die einen haben Angst vor dem Virus, andere haben Angst vor den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen, und wiederum andere haben Angst davor, dass der Staat die Grundrechte beschneidet und ein autoritäres Gesundheitsregime einführt. Ängste sind immer subjektiv, und jede dieser Ängste muss man respektieren. Das ist jedoch schwer in einer Zeit, in der man am liebsten jeden Widerspruch gegen ein »gesundes Volksempfinden«, das mit einer sehr einseitigen Auslegung des Begriffes Solidarität gekoppelt ist, ausgrenzen will. Warum gibt es so wenig Kritik und warum werden die Maßnahmen meist stoisch hingenommen? Sehen wir es doch mal aus folgender Perspektive: Seit nunmehr Jahrzehnten wurde unsere Gesellschaft getreu dem neoliberalen Ideal auf Individualismus getrimmt. Ein jeder sollte seines eigenen Glückes Schmied sein, Solidarität galt als Auslaufmodell. Damit konnten sich zum Glück sehr viele Bürger nicht anfreunden. Das Unwohlsein blieb dabei in vielen Fällen jedoch im Verborgenen. Wie viele unserer Mitbürger, die nun Solidarität für die Risikogruppen einfordern, haben in der Vergangenheit gegen Kinderarmut, Hungerrenten oder prekäre Jobs kritisch Stellung bezogen? Auch Armut tötet. Offenbar ist Solidarität oft nur dann Solidarität, wenn sie von Politik und Medien eingefordert wird und damit staatstragend ist. Corona vereint einen Großteil der Bürger nun zu einer solchen staatstragenden »Solidar- und Schicksalsgemeinschaft«. Politik und Medien schreiten gleichförmig voran und viele Bürger reihen sich freudig in die neue Gemeinschaft ein. Politologen nennen dies den »Rally-’round-the-flag-Effekt« – das letzte eindrucksvolle Beispiel dafür waren übrigens die Terroranschläge vom 11. September 2001. Die Muster sind eindrucksvoll: Es gibt eine große Gefahr (das Virus) und Gefährder (Demonstranten und Kritiker der Maßnahmen), ein gemeinsames äußerliches Erkennungszeichen (die Maske), gemeinsame Riten (Mindestabstand) und Vordenker, die den Weg weisen (die TV-Virologen), und über allem steht die Angst. Angst ist zwar ein schlechter Ratgeber, aber dafür das wohl denkbar geeignetste Motiv, sich einer derart allgegenwärtigen und gesellschaftlich akzeptierten Gruppenideologie zu unterwerfen. Die Gruppe nimmt mir die Angst und sorgt durch die für alle geltenden Maßnahmen nicht nur für meinen Schutz, sondern auch für den Schutz der Gesellschaft als Ganzes. Ich bin nicht mehr als Individuum meines eigenen Glückes Schmied und auf mich selbst gestellt, sondern Teil einer großen Volksgemeinschaft, die sich um mich kümmert. Das ist sicher für viele Bürger ein schönes Gefühl – nur dass hier Wahrnehmung und Realität deutlich auseinanderklaffen. Stellen Politik und Medien schließlich nicht einmal im Ansatz die ideologische Basis unseres neoliberalen Systems infrage, das diesen Wunsch nach Gemeinschaft überhaupt erst geschaffen hat. Dies ist zuerst einmal staatstragend und damit letzten Endes systemstabilisierend. Wenn sich das Gros der Bevölkerung in Krisenzeiten hinter die politische Führung schart und die Medien sich als Hüter der Wahrheit gegen die bösen Kritiker aufspielen können, ist dies für die Politik ein Hauptgewinn, kann sie doch von den Ursachen der Misere ablenken und sich gleichzeitig als Retter von Menschenleben inszenieren. Was zählt aus Sicht der Lockdown-Ideologie schon das Wohl der Kinder, das Schicksal Alleinerziehender oder gar der Künstler und Gastronomen? Und die kritischen Geister, die Dinge hinterfragen, haben in dieser Gesellschaft ohnehin schon lange keinen Bestandsschutz mehr. Die Meinungsfreiheit wird nur dann großgeschrieben, wenn es sich um die »richtige« Meinung handelt. Wer die »falsche« Meinung hat, findet in den Talkshows der Republik keinen Platz und wird von Internetplattformen wie YouTube gelöscht. Corona hat auch dazu geführt, dass unsere Debattenräume immer enger werden. Das ist es dann auch, wovor ich Angst habe – eine Spaltung der Gesellschaft, die so schnell nicht mehr zu kitten sein wird. Ich fühle mich nicht durch ein Virus, sondern durch Mitbürger gefährdet, die sich bei hinter der Politik zusammenrotten und Maßnahmen und Sanktionen gegen alles und jeden fordern, der als Gefahr für ihre mutmaßliche Volksgemeinschaft wahrgenommen wird. Ich fühle mich zudem durch eine Gesellschaft bedroht, die keinen Widerspruch zulässt. Demokratie lebt vom Diskurs und von der Debatte. Wenn wir beides unterdrücken, bewegen wir uns in sehr gefährliches Fahrwasser und zeigen, dass wir nichts aus unserer Geschichte gelernt haben. Davor habe ich Angst, und um meinen – vielleicht noch so kleinen – Teil dazu beizutragen, die Debatte um Facetten anzureichern, die im Dauerdiskurs um Inzidenzwerte, Mutanten und Impf-Priorisierungen untergehen, habe ich dieses Buch geschrieben. Es soll hier nicht um eine Fundamentalkritik an allen Maßnahmen gehen. Überhaupt nichts gegen die Ausbreitung des Virus zu tun, ist keine Alternative. Bestimmte Maßnahmen sind nötig, aber sie müssen dann auch mit Augenmaß gewählt und so justiert werden, dass sie Kollateralschäden minimieren. Hier ist vor allem eine Abwägung verschiedener Interessen nötig, und dafür müssen auch andere Disziplinen als »nur« die Virologie und die Epidemiologie gehört und bei der Entscheidungsfindung mit einbezogen werden. Dies wurde in geradezu fahrlässiger Art und Weise versäumt, wie dieses Buch anhand vieler erschreckender Beispiele aufzeigt. Es ist wichtig, auf diese Fehler hinzuweisen, denn nur wer die Fehler kennt, kann auch aus ihnen lernen. Dieses Buch wurde nicht geschrieben, um die Gefahren, die vom Virus ausgehen, zu verharmlosen. Obgleich dies eigentlich selbstverständlich ist, treibt mich die allgegenwärtige Unart, Kritiker der Corona-Maßnahmen oder auch nur Menschen, die die Gefahren des Virus etwas differenzierter sehen, als Verharmloser oder gar Leugner zu diskreditieren, zu diesem Statement. Ich bin nicht so naiv, anzunehmen, dass mir dieser Vorwurf allen Differenzierungen zum Trotz nicht gemacht werden wird. Man sieht halt meist nur das, was man sehen will. Auf langwierige »ceterum censeos« und Rechtfertigungen habe ich dennoch verzichtet. Wir wissen alle, dass Covid-19 eine gefährliche Krankheit ist. Das muss man nicht pausenlos und an jeder Stelle wiederholen. Dieses Buch soll die Krankheit als solche nicht in den Mittelpunkt stellen – denn in diesem Punkt sind wir nicht unter-, sondern überinformiert. Um eine Einordnung dieser Thematik komme jedoch auch ich nicht herum. Der Schwerpunkt eines Schwarzbuches muss dennoch woanders liegen. Und zwar bei den Gefahren und Schäden, die mit den politischen Antworten auf das Virus, die Maßnahmen und Lockdowns angerichtet werden. Darauf haben wir bei den NachDenkSeiten seit Beginn der Pandemie immer wieder hingewiesen. Wer diese Punkte nicht kennt oder nicht wahrnimmt, wird nämlich nie die eine Solidarität mit der anderen Solidarität verrechnen und einen sinnvollen Mittelweg finden. Und der ist dringend nötig, denn Corona ist gekommen, um zu bleiben, und das Thema wird uns – ob wir es wollen oder nicht – noch lange Zeit beschäftigen. Ab heute überall im Handel oder bei den Buchkomplizen: Jens Berger, „Schwarzbuch Corona. Zwischenbilanz der vermeidbaren Schäden und der tolerierten Opfer“, Westend Verlag, 28.6.2021 | Jens Berger | Heute erscheint mein neues Buch – das „Schwarzbuch Corona“. Es ist eine längst überfällige Zwischenbilanz der Schäden und Opfer der Corona-Politik. In der Medizin sagt man, die Therapie darf nicht schädlicher sein als die Krankheit. Überträgt man dies auf die weltweiten Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus, müsste man wohl von einem der größten Kunstfehler der Geschichte sprechen. Die indi ... | [
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Aktivisten auf der Straße zeigen den Einsatz für Julian Assange, der von Seiten der Presse und der Machthaber fast ganz fehlt | Mittlerweile ist der von der Auslieferung an die USA bedrohte WikiLeaks-Gründer Julian Assange seit 4.455 Tagen seiner Freiheit beraubt. Die USA sind die Nation, deren Korruption und Kriegsverbrechen er aufzudecken half. Viele ihrer Kriegsverbrecher sind entweder nie vor Gericht gestellt worden oder mittlerweile begnadigt, während dem Enthüller Assange von Seiten dieser Nation 175 Jahre Haft angedroht werden. Nur wenige Politiker oder Journalisten äußern sich sporadisch zu diesem Unrecht. Einige sind sehr engagiert, aber viele andere scheinen sich in Fürsprache zu üben, wahrscheinlich weil sie wissen, dass es Unrecht ist und sie am Ende nicht ganz nackt dastehen wollen. Andererseits sind Grassroots-Aktivisten seit dem ersten Tag seiner Verfolgung für Julian Assange auf die Straße gegangen. Auch die Berliner FreeAssange-Gruppe ist wie viele andere in Deutschland seit Jahren aktiv und nachfolgend geben wir hier deren aktuellen Newsletter wieder. Freiheit für Julian Assange! Moritz Müller.
Der Newsletter von FreeAssange Berlin mit bestem Dank an Almut und Thilo! Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter für die Freiheit von Julian Assange, für Pressefreiheit und freie Rede, wir laden wieder herzlich ein zur Mahnwache für Julian Assange, am Do., d.16.02.23 von 18-20 Uhr vor der US Botschaft am Brandenburger Tor. twitter.com/Berlin4Assange/status/1624821567707312128 Lasst uns Gesicht zeigen für ihn und für die Pressefreiheit als vierte Gewalt nicht nur in unserem Lande und den Druck auf die die britische und die amerikanische Regierung verstärken, wie Stella Assange (s.u.) kürzlich beim „Nacht Karneval” gefordert hat, sie müssen sich endlich bewegen und Assange freilassen! Neuigkeiten: Am letzten Wochenende hat es endlich geklappt, dass der (2te) Julian Assange LKW der Spedition Barth aus Ulm am Brandenburger Tor in Berlin ankam, auf Twitter hier ein eindrucksvolles Foto des Trucks: twitter.com/Berlin4Assange/status/1621960468528091149 Freitag und Samstag, den 03. und 04.02. 23 gab es Aktionen vor Ort samt Assange-LKW, in diesem längeren Video wurde die Aktion festgehalten: vk.com/video/@bewusstkritisch?z=video-206274260_456239231%2Fclub206274260%2Fpl_-206274260_-2 Der Freiheits-LKW aus Ulm unterwegs in Berlin: Aktionen in anderen Städten: Ein Video der regelmäßigen Sonntagsmahnwache für Julian Assange in München am 05.02.23: youtube.com/watch?v=-04-zXBISS4 Leipzig, vor 2 Jahren, Ausstellung „WE ARE MILLIONS”, Courage Foundation zusammen mit DiEM25: youtube.com/watch?v=iDpjkvR9ju0 Friedensforum Bremen, Aktionstag für Julian Assange: weser-kurier.de/bremen/politik/bremer-friedensforum-internationaler-aktionstag-fuer-julian-assange-doc7ovfijkk9xgrgtahe5k Konzert in Frankfurt a.M.: Samstag, den 4.3. im Kulturhaus Frankfurt ist ein Benefizkonzert für Julian Assange geplant. m.facebook.com Interessantes aus diversen Medien: ilfattoquotidiano.it/in-edicola/articoli/2023/02/01/revealed-sweden-destroyed-a-substantial-part-of-its-documents-on-julian-assange/6981716/ Das Medium schreibt: „Fast sechs Jahre nachdem wir aufgedeckt haben, dass die britischen Behörden des Crown Prosecution Service wichtige E-Mails des WikiLeaks-Gründers vernichtet haben, können wir nun berichten, dass auch die schwedische Staatsanwaltschaft einen großen Teil der Unterlagen vernichtet hat. Werden Großbritannien und Schweden nun, da Assanges Leben auf dem Spiel steht, endlich eine Untersuchung über die Vernichtung von Dokumenten einleiten?“ Der Artikel wurde aus den NDS verlinkt. Dazu: „Anmerkung Moritz Müller: Obwohl die Zerstörung von Dokumenten zum Fall Assange durch schwedische Behörden nicht überrascht, wenn schon seit 8 Jahren bekannt ist, dass dies auch im Vereinigten Königreich der Fall war, so ist es doch nicht minder bestürzend. Da werden im Mai 2019 die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Assange angeblich wieder aufgerollt, obwohl schon damals Dokumente, die im Zusammenhang mit ihm stehen, vernichtet waren. In einer funktionierenden Demokratie müsste man fragen: Wie ist das möglich?“ Siehe auch hier: thedissenter.org/swedish-prosecutors-destroyed-assange-documents/ Ein fundierter und ausgewogener Artikel zu den Aktivitäten (und nicht-Aktivitäten) von Amnesty International für Julian Assange auf den NDS vom 02.02.23: nachdenkseiten.de/?p=93333 Gute Nachricht aus Ecuador: Ola Bini, dem Netzspionage vorgeworfen wurde, ist nach fast 4jährigem Gefängnisausenthalt freigesprochen worden: netzpolitik.org/2023/ecuador-ola-bini-freigesprochen-und-fuer-unschuldig-erklaert/ Antrag für Assanges Nominierung für den Friedensnobelpreis 2023 angenommen: twitter.com/ProfessorsBlogg/status/1620499816274083840 Am vergangenen Wochenende, d. 11.02.23 fand der „Night Carnival“ im Zentrum von London statt, um Assanges Freilassung aus dem Gefängnis zu fordern. Etwa 2000 Unterstützer und auch ein paar der Berliner Aktivistinnen waren vor Ort, wovon uns tolle Bilder und Videos erreichten. Die farbenfrohe Veranstaltung sollte, laut Organisatoren, „Licht in einen dunklen Ort bringen“ , um sicherzustellen, dass die Notlage des WikiLeaks-Gründers „im Blick der Öffentlichkeit bleibt“. Der Demozug, angeführt von einem riesigen, goldfarbenen Bildnis der Lady Justice, startete am Samstag von den Lincoln’s Inn Fields in der Nähe von Holborn und marschierte am Parliament Square vorbei. Anhänger in Karnevalskostümen oder als Richter und Gefangene verkleidet skandierten „Free Assange“, trugen Laternen und trommelten laut. „Free, free Julian Assange“. Zum Schluss sprachen viele Persönlichkeiten bei der Kundgebung im Emmanuel Centre in Westminster. Stella Assange forderte die Unterstützer auf, die Bewegung weiter aufzubauen. „Wir müssen weitermachen, bis die Bewegung so groß ist, dass die Machthaber und die Gerichte erkennen, dass es keinen anderen Weg gibt, als Julian zu befreien“, sagte sie. Zu den Rednern gehörten der ehemalige Labour-Chef Jeremy Corbyn, der WikiLeaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson und Ben Westwood, der Sohn der verstorbenen Modedesignerin Dame Vivienne Westwood. Der nationale Koordinator der Kampagne „Don’t Extradite Assange“, John Rees, erinnerte daran, dass die Aktivisten die Verantwortung haben, dafür zu sorgen, dass dieser Fall nicht aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwindet. „Die Zeitungen, die mit Assange zusammengearbeitet haben, haben einen gemeinsamen Brief geschrieben, in dem sie seine Freilassung befürworten, und er hat auch die Unterstützung der meisten großen Menschenrechtsorganisationen der Welt.“ Dies sei beispiellos, endete er „und würde in den meisten Fällen ausreichen, um seine Freilassung zu erwirken. Ich hoffe, dass unsere Aktion heute Abend dazu beitragen wird, Druck auf die britische und amerikanische Regierung auszuüben, Julian Assange freizulassen.“ Siehe hier: morningstaronline.co.uk/article/b/thousands-stage-night-carnival-to-call-for-release-of-assange Schöne Fotos und kurze Videos vom Karneval hier: news.sky.com/story/julian-assange-hundreds-of-supporters-stage-night-carnival-calling-for-wikileaks-founders-freedom-12808976 euronews.com/video/2023/02/12/watch-london-carnival-in-support-of-wikileaks-founder-assange Viele Videos hier bei DEA: twitter.com/DEAcampaign „Erleuchte die Nacht bis zu Sieg“, das Motto der Aktion, stammt aus einem Brief von Julian Assange aus dem Gefängnis: twitter.com/freeassangewave/status/1621862962263736320?s=43&t=kJeYo5l2mjHg0Iipkx56lQ Interessantes aus englischsprachigen Medien: Interview mit Stella im James Kennedy Podcast: https://www.youtube.com/watch?v=YNy_Qm3MSts Das „Polis Project“: Ein Gespräch (ca 60Min.) mit Stella Assange und Suchitra Vijayan ist auf Twitter anzuhören, über die Anklagen gegen Julian Assange: twitter.com Ein Gespräch mit Chris Hedges und Stefania Maurizi, Autorin des Buches „Secret Power: WikiLeaks ans Its Enemies“: therealnews.com/wikileaks-exposed-the-extent-of-us-meddling-abroad-and-corruption-at-home-why-have-we-forgotten-it Podcast: chrishedges.substack.com/p/the-chris-hedges-report-podcast-with-31e#details Nicht so erfreulich – „Der Weg des Rechts“ laut Penny Wong, der australischen Außenministerin: smh.com.au/world/europe/wong-s-comments-dampen-expectation-of-assange-s-release-20230201-p5cgzw.html Wer etwas tun möchte zum Thema: Man kann bei den Abgeordneten nachfragen, was sie zum Fall Julian Assange zu tun gedenken und/ oder, falls sie nicht informiert sind, auf dem Gebiet Abhilfe schaffen. Kontaktaufnahme z.B. über „abgeordnetenwatch“, beispielhaft unsere jetzige Außenministerin: abgeordnetenwatch.de/profile/annalena-baerbock/fragen-antworten/sehr-geehrte-frau-baerbock-warum-aeussern-sie-sich-nicht-zum-fall-julian-assange Soweit für heute und bis Donnerstag, mit solidarischen Grüßen
Almut und Thilo
FreeAssange Berlin Mahnwache jeden 1. und 3. Donnerstag 18-20 Uhr Pariser Platz vor der US-Botschaft
Dok.: free-whistleblower.jimdofree.com/free-assange-berlin-1/
Web: freeassange.eu
twitter.com/Berlin4Assange/status/1621253916418605056 | Moritz Müller | Mittlerweile ist der von der Auslieferung an die USA bedrohte WikiLeaks-Gründer Julian Assange seit 4.455 Tagen seiner Freiheit beraubt. Die USA sind die Nation, deren Korruption und Kriegsverbrechen er aufzudecken half. Viele ihrer Kriegsverbrecher sind entweder nie vor Gericht gestellt worden oder mittlerweile begnadigt, während dem Enthüller Assange von Seiten dieser Nation 175 Jahre Haft a ... | [
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] | 16. Februar 2023 15:52 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=93896 |
Gegen die nukleare Bedrohung gemeinsam vorgehen | Die Friedensbewegung ist, zumal in Kriegszeiten, unverzichtbar. Berta von Suttner, die u.a. mit ihrem Roman „Die Waffen nieder!“ das Rad des Krieges aufhalten wollte, starb wenige Wochen vor dem Beginn des 1. Weltkrieges. Die Friedenskräfte ihrer Zeit hatten diese Ur-Katastrophe des letzten Jahrhunderts nicht verhindern können. Es folgte der erste teils industriell ausgefochtene Weltkrieg, nach dessen Ende Kurt Tucholsky vor der dann folgenden Jahrhundertkatastrophe warnte: „Ich halte im übrigen dieses Wettrüsten für Wahnwitz – es muss zum Kriege führen, und es ist gar kein Mittel […] ihn zu verhindern.“ Die Weltlage, an der sich die Menschheit heute, fast ein Jahrhundert später, befindet, macht die Aktualität seiner damaligen Worte eindrücklich sichtbar: Im Sommer 2022 warnte UN-Generalsekretär Guterres in der Sitzung zur Überprüfung des von den USA, der Sowjetunion und Großbritannien am 1. Juli 1968 unterzeichneten Atomwaffensperrvertrages: „Die Menschheit ist nur ein Missverständnis, eine Fehlkalkulation von ihrer nuklearen Auslöschung entfernt.“ Er verwies auf den Stand der Rüstung als eine der Quellen für die weltweite Kriegsgefahr: „Die geopolitischen Waffen erreichen einen neuen Höchststand.“ Von Bernhard Trautvetter.
Die seit Hiroshima höchste Weltkriegsgefahr drückt die Uhr kritischer Nuklearwissenschaftler zur Warnung vor dem dann finalen Atomkrieg aus, die mit 90 Sekunden so nah wie nie vor der Stunde Null steht. In der Zeit ist die Friedensbewegung im Visier vieler, die den Anteil der NATO an der Eskalation der Spannungen im Vorfeld des Krieges ausblenden oder gar in Abrede stellen. Der bündnisgrüne Vizekanzler Robert Habeck nennt den Pazifismus inzwischen „einen fernen Traum“ und er sah es als eindeutig an, welche Seite mit Waffen unterstützt werden müsse. Diese Absage an die Friedensbewegung ist angesichts der Politik der Ampel-Regierung und der Friedensprogrammatik der Bündnisgrünen nicht wirklich überraschend, erklären sie doch die NATO und die Bundeswehr zu einem Eckpfeiler der Friedenpolitik: „Die NATO bleibt neben der EU ein unverzichtbarer Akteur für die gemeinsame Sicherheit Europas. […] Auftrag, Aufgaben und Ausstattung der Bundeswehr müssen sich an den realen strategischen Herausforderungen orientieren.“ Die NATO mit der Führungsmacht USA ist derjenige Militärpakt, von dessen Gebiet nicht erst seit dem Ende des Kalten Krieges die meisten Völkerrechtsverletzungen mit den größten Opferzahlen zu verzeichnen waren. Die NATO-Staaten sind nach den Angaben des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI für offiziell 55 Prozent der Weltrüstungsausgaben verantwortlich. Auch in der Vorgeschichte des Ukraine-Krieges brach die NATO internationale Verträge und destabilisierte damit die politischen Beziehungen über den europäischen Kontinent weit hinausgreifend, etwa als sie mit ihrer Ost-Expansion gegen die Präambel des 2+4-Vertrages zu Deutschland verstieß, in dem sich die USA, Russland, Deutschland, Frankreich und Großbritannien festlegten, „die Sicherheitsinteressen eines jeden“ zu berücksichtigen. Vorwürfe gegen die Aktiven in der Friedensbewegung, sie seien „Moskaus nützliche Idioten“ , sie seien rechtsoffen und rückwärtsgewandt, übergehen die Fakten und ignorieren die Gefahr. Ein sichtbarer Ausdruck dieser Entwicklung war auf dem Evangelischen Kirchentag, von dem die FAZ süffisant berichtete: „Die Vertreter der alten Friedensbewegungen aus West und Ost waren in Nürnberg zwar weiter präsent, erfuhren dort aber keine große Resonanz mehr.“ Die Propaganda der Meinungsmache hat in den letzten Jahren, seit die NATO das Zentrum für »Strategische Kommunikation« in Riga aufgebaut hat, ganze Arbeit geleistet: Die Strategen befassen sich unter anderem mit der „Art und Weise, wie das Informationsumfeld uns formt“ als Einflussfaktoren auf die öffentliche Meinung. Sie tun das mindestens seit der Essener Nato-JAPCC-Konferenz 2015 zur »Strategischen Kommunikation«, die im Einladungsschreiben beklagte, dass es der NATO gegenüber feindlich eingestellte Einheiten gäbe, die in der Bevölkerung die Skepsis gegenüber den Operationen der Militärs schüren, da sie die Tatsache ausnutzen, dass das „Wissen und die Meinung der Öffentlichkeit angreifbar“ sei. Die Konferenz befasste sich damals mit der Problematik, dass der US-Präsident den unprovozierten Angriffskrieg gegen den Irak mit Massevernichtungswaffen des Irak begründete, die es nicht gab. Hätte er doch auf die Grausamkeiten des Diktators gesetzt, dann hätte er die Weltöffentlichkeit vielleicht auf seiner Seite gehabt, bedauerten die Strategen auf Seite 44 und 45 des Vorbereitungsmanuskripts. Aus diesem Fehler hat die NATO und mit ihr die Meinungsmache in den NATO-Staaten gelernt. Sie blenden die Verletzungen internationalen Rechts der NATO aus und betonen die Grausamkeit der Kriegsführung der russischen Seite. Dabei blenden sie auch die Anteile von Nazi-Kräften in der ukrainischen Armee aus. Diese Zusammenhänge zu benennen, ist ein Gebot der Faktentreue; es stellt keine Parteinahme für die Invasion russischer Truppen in die Ukraine dar. Ein jeder Krieg, auch dieser, ist per se schon eine Verletzung internationalen Rechts. Hier geht es darum, über die doppelten Standards und selektiven Methoden der Strategischen Kommunikation der NATO-Lobby zu informieren. Und darüber, dass die Politik der Eskalation der Spannungen auf beiden Seiten neben dem menschlichen Leid auch eine ökologische und soziale Katastrophe, die die Menschheit weiter um Möglichkeiten bringt, die Zukunftsgefährdungen abzuwenden, im Gegenteil heizt diese Politik die ökologische Katastrophe in einer Zeit weiter an, in der das Gegenteil ein Gebot der Überlebenserfordernisse der Zivilisation ist. Schlimmer noch: Diese Propaganda und Politik blendet aus, dass die USA längst schon in die Richtung eines Krieges mit der dritten Atommacht auf der Erde – China – arbeitet, wie das Dokument des US-Kongresses zur „Renewed Great Power Competition“, zuletzt im Mai 2013 aktualisiert, zeigt: „Jahrzehntelang hatten die Vereinigten Staaten eine unbestrittene oder dominierende Überlegenheit in jedem operativen Bereich. […] Die Wiederbelebung des Wettbewerbs der Großmächte hat zu einer erneuten Betonung der Fähigkeiten zur Führung der so genannten konventionellen Kriegsführung auf höchstem Niveau geführt, d.h. in großem Maßstab liegt der Schwerpunkt … auf hochintensiver, technologisch anspruchsvoller konventioneller Kriegsführung gegen Gegner mit ähnlich hoch entwickelten militärischen Fähigkeiten.“ Konkret geht es um: (Übersetzung: B.T.) Dieser Wahnsinn steht nicht isoliert im Diskurs der US-Politik. So existiert zum Beispiel ein Dokument der US-Strategieschmiede RAND mit dem Titel und dem Thema »War with China – Thinking Through the Unthinkable«. Mit dem Undenkbaren wird die Öffentlichkeit auf einen Konflikt eingestimmt, der das Potential in sich trägt, zum finalen Krieg zu führen. In dieser Lage sind Spannungen in der Friedensbewegung, die zu Spaltungen drängen, brandgefährlich. Jetzt muss es darum gehen, dass die Friedensbewegung zu einer der Gefahrenlage angepassten Bündnispolitik und damit Stärke findet, bei der die gemeinsame Schnittmenge das alles Entscheidende ist: Den Krieg mit seinen Wurzeln bekämpfen, das Überleben möglich machen. Faschismus, Militarismus, Nationalismus, autoritäres Machtstreben, Menschenrechtsverletzungen, Schädigungen der Lebensgrundlagen der Menschheit, eine unsoziale Politik, die die Gesellschaft spaltet, all das ist zu überwinden durch das gemeinsame Engagement für eine Gesellschaft des Gleichgewichts zwischen den Weltregionen, die kooperativ ihre gemeinsame Sicherheit, ihr Überleben auf dem zerbrechlichen Planeten Erde sichern. Aktuell ist diesbezüglich das Engagement gegen die nukleare Bedrohung ein Schritt in diese Richtung. Titelbild: Pictrider/shutterstock.com | Bernhard Trautvetter | Die Friedensbewegung ist, zumal in Kriegszeiten, unverzichtbar. Berta von Suttner, die u.a. mit ihrem Roman „Die Waffen nieder!“ das Rad des Krieges aufhalten wollte, starb wenige Wochen vor dem Beginn des 1. Weltkrieges. Die Friedenskräfte ihrer Zeit hatten diese Ur-Katastrophe des letzten Jahrhunderts nicht verhindern können. Es folgte der erste teils industriell ausgefochtene Weltkrieg, nac ... | [
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100 Jahre Berliner S-Bahn: Aufstieg und Fall einer Nahverkehrsikone | Bei einem 100. Geburtstag kann man es schon mal ordentlich krachen lassen – vor allem, wenn es sich um einen äußerst prominenten Jubilar handelt. Denn vor 100 Jahren, am 8. August 1924, startete die Berliner S-Bahn auf zunächst einer Linie – zwischen Stettiner Bahnhof (heute Nordbahnhof) und Bernau – den Regelbetrieb mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Zwar dauerte es noch einige Jahre, bis der Gesamtbetrieb elektrifiziert war, doch die Entwicklung der S-Bahn zu einem der modernsten und leistungsfähigsten Nahverkehrsbetriebe der Welt war unaufhaltsam. Von Rainer Balcerowiak. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Die Stadt feiert jedenfalls ab heute eine mehrtägige, große Sause mit zahlreichen Festveranstaltungen, Sonderfahrten mit historischen Zügen, Ausstellungen, Stadtführungen, Zukunftsworkshops und allerlei Klimbim. Denn schließlich sei die Berliner S-Bahn „mehr als ein Verkehrsmittel, sie ist eine Ikone der Hauptstadt. Seit 100 Jahren ist sie ein Rückgrat der öffentlichen Mobilität und Pulsgeberin der Region. Sie hat die Geschichte der Stadt erlebt und geprägt. Die Berliner S-Bahn verbindet die Menschen in Ost und West, in Berlin und Brandenburg“, so S-Bahn-Geschäftsführer Peter Buchner in der Berliner Zeitung. Wobei der Beginn der Elektrifizierung vor 100 Jahren zwar ein wichtiger Meilenstein, aber keinesfalls der Beginn der Entwicklung dieses bahnbrechenden, einstmals überall bewunderten Mobilitätskonzeptes war. Schon zuvor spielte die S-Bahn eine zentrale Rolle für die Infrastruktur der im Zuge der Industrialisierung boomenden Stadt. Es begann Mitte der 19. Jahrhunderts mit dem Ausbau des Fernverkehrsnetzes mit zusätzlichen Gleisen und neuen Haltepunkten. 1872 wurde schließlich die Ringbahn eröffnet, die den gesamten inneren Bereich des damals noch in zahlreiche selbstständige Gemeinden unterteilten Gebietes umschloss und viele Umsteigemöglichkeiten in die Vororte bot. 1877 folgte dann die Stadtbahntrasse als zentrale Verkehrsachse in west-östlicher Richtung. Schon 1906 fuhren 170 Millionen Passagiere pro Jahr mit den Stadt-, Ring- und Vorortbahnen. 1920 entstand dann durch Eingemeindungen Groß-Berlin als neue Stadt, deren Grenzen sich bis heute nur unwesentlich geändert haben, mit zunächst 3,8 Millionen Einwohnern. Zwar beförderte die S-Bahn 1923 bereits über 500 Millionen Fahrgäste pro Jahr, doch der veraltete, für Ballungsräume ungeeignete Betrieb mit Dampfloks setzte ihrer Weiterentwicklung enge Grenzen. Längst gab es nicht nur in Berlin bereits die elektrisch betriebenen Nahverkehrsmittel U-Bahn und Straßenbahn, die aber aufgrund begrenzter Reichweiten und Beförderungskapazitäten die S-Bahn nicht ersetzen konnten. Die nach langen Versuchen und immer wieder verworfenen Planungen schließlich 1924 gestartete und 1930 weitgehend abgeschlossene Elektrifizierung der S-Bahn war schlicht eine Notwendigkeit, um die Mobilität in der boomenden Metropole zu gewährleisten. Berlin verfügte nun über eines der modernsten Nahverkehrssysteme der Welt – und das nicht nur technisch, sondern auch infrastrukturell, denn die Verbindung aus einer Ringbahn mit einer zentralen Stadtbahn, einer Nord-Südachse und zahlreichen Außenästen war wirklich ein ganz großer Wurf. Es folgte der verheerende Zweite Weltkrieg, der besonders in den letzten Kriegsmonaten auch die Berliner S-Bahn beträchtlich in Mitleidenschaft zog. Die konnte allerdings relativ schnell ihren Betrieb Stück für Stück wieder aufnehmen, denn den Siegermächten war klar, dass ihr Funktionieren für den Wiederaufbau Berlins unerlässlich war. Daran änderte auch eine ganz besondere politische Skurrilität nichts, die durch den Viermächte-Status der Stadt entstand. Denn während sich die Verkehrsplanungen und die Infrastruktur im sowjetisch besetzten Ostsektor und in den Westsektoren zunehmend eigenständig entwickelten, verblieben sowohl das Eigentum als auch die Betriebsrechte der Berliner S-Bahn bei der Reichsbahn der DDR, also auch den Verkehr in Westberlin betreffend. Daran änderte auch die Währungsreform samt Einbeziehung Westberlins in die D-Mark und die Gründung der beiden deutschen Staaten nichts Wesentliches. Die S-Bahn fuhr weiter durch die ganze Stadt und in die angrenzenden Vororte, von Wannsee nach Oranienburg, von Bernau bis Lichtenrade oder vom Bahnhof Zoo zum Alexanderplatz. Auch der Ring umschloss weiterhin lückenlos die innerstädtischen Bezirke von Ost- und Westberlin. Große Zäsur nach dem Mauerbau Die große Zäsur kam erst im August 1961, als die DDR die Grenzen zu Westberlin abriegelte. Die S-Bahn-Linien wurden an den Grenzen gekappt, einige durchquerten seitdem ohne Halt in den aufwändig gesicherten „Geisterbahnhöfen“ die Ostbezirke, um von nördlichen zu südlichen Teilen Westberlins zu gelangen. Nur in einem Ostberliner Bahnhof, der Friedrichstraße, gab es einen Halt für Westberliner Fahrgäste. Dort gab es einen Transitbereich, einen Grenzübergang und nicht zuletzt die bei preisbewussten Westberlinern sehr beliebten Intershops, in denen man sich billig mit Schnaps und Zigaretten eindecken konnte. Am auch für Westberlin geltenden Status der S-Bahn als DDR-Betrieb änderte aber auch das nichts. Dort tätige Westberliner waren Angestellte der Deutschen Reichsbahn, unterlagen dem DDR-Arbeitsrecht und waren in der DDR kranken- und rentenversichert. Ihr Gehalt erhielten sie natürlich in D-Mark, denn die DDR-Mark war in Westberlin nichts wert. Und die Transportpolizei der DDR hatte weiterhin hoheitliche Rechte auf den Westberliner S-Bahnhöfen und den Gleisanlagen. Dennoch war der Mauerbau natürlich eine Zäsur. Die Westberliner Politik, die zuvor eine Art friedlicher Koexistenz mit der S-Bahn praktiziert hatte, startete einen mehrstufigen ökonomischen Vernichtungsfeldzug gegen das nunmehr verhasste DDR-Staatsunternehmen. Zunächst wurde unter der Losung „Wer S-Bahn fährt, finanziert den Stacheldraht“ zum Boykott aufgerufen, allen voran die meinungsmächtige Springer-Presse, aber auch der Deutsche Gewerkschaftsbund. Vor vielen S-Bahnhöfen erlebten Fahrgäste ein regelrechtes Spießrutenlaufen, wurden als „Komplizen der Mauermörder“ beschimpft und mitunter auch bespuckt oder anderweitig tätlich angegriffen. Schon in den ersten Tagen ging die Zahl der S-Bahn-Benutzer von täglich einer halben Million auf weniger als 100.000 zurück, was natürlich auch auf den Ausfall der Ost-West-Berufspendler zurückzuführen war. Doch den Verantwortlichen war klar, dass diese Mobilisierung des Pöbels nicht ausreichen würde, um die S-Bahn kleinzukriegen. Und so setzte man in der Verkehrsplanung auf „Alternativen“ zur S-Bahn – zum einen auf neue Trassen der Stadtautobahn, die unmittelbar parallel entlang der S-Bahn-Trassen liefen, zum anderen auch auf die Erweiterung des U-Bahn-Netzes und neue Buslinien. Die Strategie hatte Erfolg. Während die S-Bahn in Ostberlin ein zentraler Mobilitätsanker blieb und auch weiter ausgebaut wurde, sanken in Westberlin die Fahrgastzahlen drastisch. Für die DDR-Reichsbahn wurde der Betrieb im Westen immer defizitärer. Es wurde kaum noch etwas investiert, und peu à peu wurden Bahnhöfe stillgelegt und später auch ganze Linien eingestellt. Es gab auch Reallohnsenkungen sowie Entlassungen und in Verbindung damit im September 1980 Streiks – auf die die Reichsbahn mit über 200 fristlosen Kündigungen reagierte. https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2024/08/240808_Reichsbahnlied.mp3
Das Reichsbahnlied wurde 1982 anlässlich einer Ausstellung zur Geschichte der Berliner S-Bahn auf einer Schallplatte veröffentlicht. Text und Musik: Rainer Balcerowiak Der Berliner Senat verhielt sich zunächst bedeckt, doch allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass eine komplett marode S-Bahn mit nur noch ein paar Stummelstrecken nicht im städtischen Interesse sein konnte. Aber es ging eben auch um komplizierte politische Statusfragen, und ohne die Zustimmung der alliierten Besatzungsmächte war eine tragfähige Lösung des Problems nicht möglich. Es gab dann entsprechende Sondierungen und auch Vorschläge. Nach langwierigen Verhandlungen war es dann im Januar 1984 so weit. Die städtische BVG übernahm die Betriebsrechte für das Westberliner S-Bahn-Netz, und es wurde sehr viel Geld investiert, um den Betrieb zu reaktivieren und zu modernisieren. Alle Westberliner Reichsbahner wurden übernommen, und auch die Erneuerung des in die Jahre gekommen Fuhrparks wurde durch die Beauftragung neuer Baureihen in Angriff genommen. 1990 kam dann die nächste große Zäsur. Nach der Wiedervereinigung stand natürlich auch die Wiedervereinigung des Berliner S-Bahn-Netzes und ihres Betriebs auf der Agenda. Die gekappten Verbindungen wurden im Verlauf mehrerer Jahre wieder hergestellt. Die Betriebsrechte gingen 1990 formal zwar wieder an die Deutsche Reichsbahn, was aber aufgrund deren fortschreitender Integration in das bundesdeutsche System zunächst keine negativen Auswirkungen hatte. Während die Zeit nach der Übernahme der Betriebsrechte durch die BVG allgemein – auch von den Beschäftigten – als Aufbruchphase und Erfolgsstory wahrgenommen wurde, werkelte die Nachwende-Bundesregierung bereits an einer „Jahrhundertreform“ für die Bahn, an deren Folgen der Schienenverkehr bis heute gewaltig zu knabbern hat. 1994 wurde Vollzug gemeldet. Der Bundestag beschloss die Überführung der Deutschen Reichsbahn und der Bundesbahn in eine bundeseigene Aktiengesellschaft, die Deutsche Bahn AG – also eine rechtliche Privatisierung mit dem Ziel, das Unternehmen profitabel zu machen, und der Perspektive, Teile auszugliedern und an die Börse zu bringen. Die Berliner S-Bahn wurde ein Tochterunternehmen der Bahn AG. Wie die S-Bahn zur Schrott-Bahn wurde Was nun (nicht nur) für die S-Bahn folgte, war ein beispielloser Kahlschlag, der das einst weltweit bewunderte Schienennahverkehrsunternehmen nicht ruckartig, dafür aber kontinuierlich in den Abgrund bis an den Rand der Betriebsfähigkeit brachte. Es wurde gespart, bis es quietscht – am Personal, an Werkstattkapazitäten für die Wartung, an der Instandhaltung des Netzes und sogar an der Betriebssicherheit neuer Fahrzeugreihen. Und als Anfang des neuen Jahrtausends allmählich die Börsenpläne der Bahn AG in den Fokus gelangten, wurden die Schrauben weiter angezogen. 2005 wurde der Berliner S-Bahn vom Konzern unter anderem die Verkleinerung des Fuhrparks und die Schließung ganzer Werkstätten verordnet, um die abzuführenden „Gewinne“ auf 125 Millionen zu steigern. So richtig in den Fokus der Öffentlichkeit gelangte diese Entwicklung, als sich ab 2008 Berichte über schwere Pannen und Unfälle häuften. So versagten bei einer Baureihe (BR 481) im Winter regelmäßig die Sandstreuanlagen zur Bremskraftverstärkung, weil die Behälter eingefroren oder nicht korrekt befüllt waren. Bei einem dadurch bedingten Unfall am Bahnhof Südkreuz gab es 33 Verletzte. Die Züge durften daraufhin nur noch 60 Kilometer pro Stunde fahren, was den Fahrplan erheblich durcheinanderbrachte. Ebenfalls bei dieser „modernsten“ Baureihe gab es mehrere Radbrüche, weil die Intervalle für die Prüfung und den laufleistungsbedingten Austausch der entsprechenden Teile entgegen entsprechender Vorschriften „gestreckt“ worden waren. Bei anderen Baureihen versagten immer häufiger die Türschließanlagen oder die Bremszylinder, und es gab auch Fälle, wo sich bei laufender Fahrt die Kupplungen zwischen Zugteilen lösten – von stetigen Pannen durch marode Signal- und Weichentechnik ganz zu schweigen. Im Sommer 2009 platzte dann dem Eisenbahnbundesamt (EBA) der Kragen. Das Unternehmen musste fast die Hälfte seines Fuhrparks aus dem Verkehr ziehen und einer nachweislich gründlichen Überprüfung unterziehen. Mehrere Linien wurden komplett oder teilweise stillgelegt, außer der Ringbahn fahren alle anderen nur im 20-Minuten-Takt. Zeitweilig drohte sogar eine komplette temporäre Stilllegung. Und im EBA gab es seinerzeit offenbar Überlegungen, der S-Bahn GmbH aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit die Betriebsgenehmigung zu entziehen, wie Insider berichteten. Jetzt zog man bei der Bahn AG die Notbremse und wechselte die gesamte Führungsriege der Berliner Tochter aus. In überraschendem Tempo wurden die Werkstattkapazitäten wieder hochgefahren, auch personell. Die besonders störanfälligen Baureihen wurden nunmehr mit erheblichem finanziellen Aufwand durch Sonderzuwendungen des Konzerns umfassend modernisiert und die Wartungsintervalle deutlich verkürzt. Ferner begannen die ersten Planungen für eine neue Baureihe, die auf der Ringbahn und einigen Außenästen ältere Züge ersetzen sollte. Das hat auch einigermaßen geklappt, ist aber wohl weniger der Einsicht des Konzerns, sondern eher der nackten Angst geschuldet, ausgerechnet in der deutschen Hauptstadt den prestigeträchtigen Betrieb des einstmals führenden Schienennahverkehrssystems zu verlieren. Wird jetzt alles gut? Eher nicht. Was natürlich nicht heißt, dass bei der Berliner S-Bahn jetzt alles im Lot ist. Im Gegenteil: Ein „operativ kaum noch zu beherrschendes Niveau“ attestierte die S-Bahn sich selbst in einem Bericht an das Berliner Abgeordnetenhaus im Juli 2024. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Störungen noch einmal gestiegen, auf mehr als 44.000 – ein Plus von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dem Bericht zufolge waren 21 Prozent mehr Züge verspätet als noch 2022, die Zahl der ausgefallenen Züge stieg von 2022 auf 2023 um mehr als 52 Prozent. Anders als 2009 hat das jetzt weniger mit kaputten und unfallträchtigen Zügen zu tun, sondern eher mit der notwendigen Sanierung des systematisch zu Schrott gefahrenen Schienennetzes und der Signal- und Stellwerkstechnik. Und auch der immer wieder neu verkündete Eröffnungstermin für eine enorm wichtige Neubaustrecke, die S21, die den Hauptbahnhof mit der Ringbahn und der Nord-Süd-Bahn verbinden soll, ist längst zum Running Gag geworden. Ursprünglich ging die Bahn davon aus, dass die S21 bereits 2006 zusammen mit dem neuen Hauptbahnhof in Betrieb gehen könnte, doch zunächst gab es keine Finanzierungszusage des Bundes. Dann wurde zwar fleißig geplant und ab 2011 auch gebuddelt, um wenigstens den ersten Teilabschnitt bis 2017 fertigzustellen. Doch immer wieder gab es Pannen und „unerwartete Hindernisse“, die zu Bauverzögerungen führten. Bis 2020 sollte es dann wenigstens eine Zwischenlösung geben, mit einem provisorischen Bahnsteig unter dem Hauptbahnhof – na gut, 2021, weil es weitere Bauverzögerungen u.a. wegen Wassereinbrüchen gab. Dann stellte man fest, dass einige Bauvorleistungen, wie etwa Betoneinfassungen einer Brückenkonstruktion, so mangelhaft waren, dass sie komplett erneuert werden müssten. Na dann eben 2023. Es folgte eine Transformatorenstation, die wegen Material- und Personalknappheit nicht pünktlich geliefert werden konnte. Macht nix, 2024 ist ja nur wenig später, im Dezember soll es so weit sein – oder auch nicht. Und wie erwähnt: Es handelt sich nur um den ersten von drei Teilabschnitten der neuen Linie, die nunmehr 2037 komplett fertig sein soll. Egal, jetzt wird erst mal gefeiert. Und wir sollten froh sein, dass die große Elektrifizierung des Berliner S-Bahn-Netzes 1924 startete und nach sechs Jahren weitgehend vollendet war. Für ein vergleichbares Bahn-Projekt müsste man heutzutage wohl eher 60 als sechs Jahre veranschlagen. Titelbild: Tupungato/shutterstock.com | Rainer Balcerowiak | Bei einem 100. Geburtstag kann man es schon mal ordentlich krachen lassen – vor allem, wenn es sich um einen äußerst prominenten Jubilar handelt. Denn vor 100 Jahren, am 8. August 1924, startete die Berliner S-Bahn auf zunächst einer Linie – zwischen Stettiner Bahnhof (heute Nordbahnhof) und Bernau – den Regelbetrieb mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Zwar dauerte es noch einige Jahre, bis ... | [
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] | 08. August 2024 10:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=119344&share=email&nb=1 |
Frieden in der Ukraine – US-Militärintervention in Mexiko? | Die Regierung von Donald Trump hat die Einstufung der größten mexikanischen Drogenkartelle als “Ausländische terroristische Organisationen” (Foreign Terrorist Organizations) und “Speziell gelistete weltweite Terroristen” (Specially Designated Global Terrorists) formalisiert[1]. Diese Maßnahme ist weniger eine Sicherheitsstrategie als vielmehr ein neuer Vorwand für den US-Imperialismus, um seine Einmischung in Lateinamerika auszuweiten in Form von verdeckten oder direkten militärischen Interventionen. Sie ermöglicht unter anderem den Einsatz von US-Kampfdrohnen auf mexikanischem Gebiet. Dies geschieht in einem Kontext, in dem das Weiße Haus versucht, sich gegenüber China und Russland geopolitisch neu zu positionieren. Von Katu Arkonada.
Die Einstufung als Terrorismus ist nicht nur eine symbolische Handlung, sondern der Vorbote möglicher verdeckter oder direkter militärischer Interventionen auf mexikanischem Boden, eine Option, die im Trump-Machtzirkel bereits offen diskutiert wird. Die Verwendung des Etiketts “Terrorismus” gegen die Drogenkartelle stellt eine Wende in der US-Doktrin dar. Bisher hatte Washington diese Kategorie Akteuren mit expliziten politischen Absichten vorbehalten, wie etwa dem Islamischen Staat (IS). In seinem Bestreben, Interventionen zu rechtfertigen, hat das Weiße Haus jedoch das Spektrum auf Gruppen ausgeweitet, die zwar Straftaten begehen, aber nicht in die klassische Kategorie des Terrorismus fallen. Wie bei (fast) allem, was im Trumpismus geschieht, handelt es sich um einen konzeptionellen Fehler: Der Drogenhandel ist ein Problem der organisierten Kriminalität und ein Thema der Sicherheit, nicht der Verteidigung. Die Strategie entspricht der Logik von Trumps Politik, bei der Fentanyl und Migration als rhetorische Waffen in der innenpolitischen Auseinandersetzung eingesetzt werden. Die Hysterie, die in den USA durch die Opioidkrise ausgelöst wurde, hat die republikanische Regierung dazu bewogen, dem Nachbarland die Schuld zu geben, obwohl die Nachfrage nach Drogen und die Verfügbarkeit von Waffen aus den USA stammen. Die Einstufung als Terrorismus wiederum eröffnet die Möglichkeit, dass Washington Sanktionen verhängt, militärische Mittel einsetzt und Druck auf Drittländer ausübt, sich seinem Kreuzzug anzuschließen. Die Androhung einer militärischen Intervention und wirtschaftlicher Druck Die Rhetorik von Trump hat sich auf Mexiko konzentriert, ein Land, mit dem ihn nicht nur eine lange Grenze, sondern auch eine komplexe wirtschaftliche, politische und soziale Beziehung verbindet. Hinzu kommt die bevorstehende Neuverhandlung des Freihandelsvertrags zwischen Mexiko, den USA und Kanada (T-MEC) im Jahr 2025, die von Washington als Erpressungsinstrument genutzt werden wird, um seine Bedingungen aufzuzwingen. Aber die wirkliche Bedrohung liegt nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene. Mit der Einstufung der Kartelle als terroristische Organisationen hat das Weiße Haus die Tür für eine mögliche militärische Intervention geöffnet. Elon Musk, der zu einer der Schlüsselfiguren in der neuen Trump-Regierung geworden ist, hat darauf hingewiesen, dass diese Maßnahme den Einsatz von Drohnen zum Bombardieren von Zielen auf mexikanischem Boden ermöglicht. Gleichzeitig ist bestätigt worden, dass die CIA in Mexiko Spionagedrohnen eingesetzt hat, angeblich um Fentanyllabore aufzuspüren. Dies zeigt, dass die Militarisierung des Konflikts bereits im Gange ist. Die Regierung von Claudia Sheinbaum hat jegliche Möglichkeit einer ausländischen Intervention abgelehnt und versucht, die Auswirkungen der Entscheidung der USA kleinzureden. Die Trump-Regierung ist jedoch nicht gerade dafür bekannt, die Souveränität ihrer Nachbarn zu respektieren. Wenn diese Eskalation in Worten und militärisch fortgesetzt wird, wird Mexiko einem beispiellosen Druck ausgesetzt sein, der zu einer regionalen Krise führen könnte. Die Heuchelei der USA und der Waffenfluss zu den Kartellen Während Washington Mexiko als Epizentrum des Drogenhandels bezeichnet, ignoriert es, dass der größte Drogenmarkt der Welt innerhalb seiner eigenen Grenzen liegt. Darüber hinaus stammen die Waffen, mit denen die Kartelle ihre Macht aufgebaut haben, aus der US-amerikanischen Rüstungsindustrie. Die Waffen, die die Gewalt in Mexiko schüren, werden illegal über die 3.152 Kilometer lange gemeinsame Grenze eingeschleust, mit Texas und Arizona als den wichtigsten Umschlagplätzen. Die Stärkung des organisierten Verbrechens in den letzten zwei Jahrzehnten ist in hohem Maße auf die mangelnde Kontrolle des Waffenflusses aus den USA zurückzuführen, die es den Kartellen ermöglicht hat, an Sturmgewehre und Ausrüstung für den militärischen Einsatz zu gelangen. Der sogenannte “Krieg gegen den Drogenhandel”, der unter der Regierung von Felipe Calderón (2006-2012) begonnen und von Enrique Peña Nieto (2012-2018) fortgesetzt wurde, bewirkte lediglich eine Zunahme der bewaffneten Gewalt. Der Zugang der Kartelle zu halbautomatischen Barrett-Gewehren des Kalibers .50 BMG der US-Armee zeigt, wie sie sich mit Kriegstechnologie ausgerüstet haben. Diese Zunahme der kriminellen Feuerkraft ist auf drei Schlüsselfaktoren zurückzuführen: Während sich die USA nicht um das Problem scheren, hat die mexikanische Regierung gehandelt. Unter der Regierung von Andrés Manuel López Obrador reichte Außenminister Marcelo Ebrard zwei Klagen gegen Waffenhersteller in den USA ein. Die erste Anhörung dieser Fälle, an denen Unternehmen wie Smith & Wesson beteiligt sind, fand am 4. März 2025 vor dem Obersten Gerichtshof der USA statt. Obwohl die Aussicht auf Erfolg dieser Klagen gering ist, ist die Strategie klar: Aufdeckung der Komplizenschaft Washingtons in der Sicherheitskrise, mit der Mexiko konfrontiert ist. Massendeportationen: Die bevorstehende humanitäre Krise Wenn die Einstufung der mexikanischen Kartelle als Terrororganisationen Trumps Vorwand für künftige militärische Interventionen ist, dann ist seine Migrationspolitik der andere Pfeiler seiner Destabilisierungsstrategie. Trump hat versprochen, eine Million Menschen pro Jahr abzuschieben, eine Maßnahme, die, wenn sie umgesetzt wird, in mehr als einem lateinamerikanischen Land eine humanitäre Krise auslösen wird. Mexiko, Mittelamerika und die Karibik werden mit der massiven Ankunft von abgeschobenen Migranten überfordert sein – ohne Unterstützungsnetzwerke oder ausreichende institutionelle Strukturen, um ihre Eingliederung in die Arbeitswelt zu erreichen. Die wirtschaftlichen Folgen wären verheerend. Allein im November 2024 beliefen sich die Überweisungen (remesas) mexikanischer Migranten auf 5,435 Milliarden Dollar, was einem Gesamtbetrag von 59,518 Milliarden Dollar für das Jahr entspricht – eine Zahl, die höher ist als das BIP Boliviens und nahe an dem von Uruguay liegt. Eine abrupte Migrationswelle ohne jegliche Planung könnte die Wirtschaftssysteme mehrerer Länder zum Kollaps bringen und eine soziale Krise von enormem Ausmaß auslösen. Schlussfolgerung: Der Streit um die Souveränität Der Amtsantritt von Trump hat für Mexiko und Lateinamerika einen Wendepunkt markiert. Die Einstufung der Kartelle als terroristische Vereinigungen, die Militarisierung des Konflikts und die Politik der Massenabschiebungen bilden den Rahmen für eine beispiellose Einmischung. Mexiko hat eine indes wichtige Karte bei den Verhandlungen in der Hand: Die Verantwortung der USA für die Gewaltkrise. Ohne US-Waffen hätten die Kartelle nicht die Möglichkeit, in Mexiko Terror zu verbreiten. Ohne den US-Markt für Opioide hätte der Drogenhandel nicht das Ausmaß, das er heute hat. Die Herausforderung für die Regierung von Claudia Sheinbaum wird zweifach sein: Widerstand gegen die imperialistische Offensive zu leisten und alle politischen, justiziellen und medialen Mittel einzusetzen, um die USA dazu zu bewegen, ihrer Verantwortung nachzukommen. Ohne diese Strategie wird Trump den perfekten Vorwand finden, um in Mexiko zu intervenieren, mit demselben Drehbuch, das die USA in der Vergangenheit bei ihren militärischen Abenteuern angewandt haben. Über den Autor: Katu Arkonada aus dem Baskenland ist Politikwissenschaftler und Autor, er lebt derzeit in Mexiko. Übersetzung: Vilma Guzmán, Amerika21. Titelbild: Mit KI (Grok) generiertes Symbolbild | amerika21 | Die Regierung von Donald Trump hat die Einstufung der größten mexikanischen Drogenkartelle als "Ausländische terroristische Organisationen" (Foreign Terrorist Organizations) und "Speziell gelistete weltweite Terroristen" (Specially Designated Global Terrorists) formalisiert[1]. Diese Maßnahme ist weniger eine Sicherheitsstrategie als vielmehr ein neuer Vorwand für den US-Imperialismus, um sein ... | [
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] | 09. März 2025 12:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=129852 |
Aushungerung des Sozialstaates – „Sparen“ als neoliberale Ideologie | Die öffentliche Armut bildet im neoliberalen Projekt eines „Um-“ bzw. Abbaus des Sozialstaates keinen Kollateralschaden, sondern dient als Mittel zur Stärkung der Wirtschaft, während der private Reichtum das Lockmittel darstellt, welches die „Leistungsträger“ zu besonderen Anstrengungen motivieren soll. Häufig fordern Neoliberale gleichzeitig die Kürzung der Staatsausgaben, eine Senkung der Steuern und die Ausweitung der (wirtschaftsnahen) Staatsaufgaben.
Da gemäß der Standortlogik vor allem die Gewinnsteuern und die Spitzensteuersätze immer stärker gegen Null tendieren müssen, um Großinvestoren anzulocken und als „Wirtschaftsstandort“ attraktiv zu bleiben, während die sozialen Probleme wachsen und der Staat immer mehr Aufgaben zu erfüllen hat, steigt dessen Kreditaufnahme. Gleichzeitig verfällt die soziale und Verkehrsinfrastruktur – wie in den USA und Großbritannien seit langem zu beobachten ist –, was Neoliberale wiederum zusammen mit der Staatsverschuldung skandalisieren, obwohl es sich dabei um die Früchte ihrer Konzeption eines „schlanken Staates“ handelt. Von Christoph Butterwegge
Die populäre Forderung, der Staat solle „sparen“, findet gerade nach den „Rettungspaketen“ für die deutschen Banken, Griechenland und den Euro in der (Medien-)Öffentlichkeit eine überwiegend positive Resonanz, weil dieser Vorgang mit vernünftigem „Maßhalten“ im persönlichen Bereich gleichgesetzt wird, wenngleich er dort ganz anders zu bewerten ist: Hat der legendäre Familienvater oder die berühmte schwäbische Hausfrau wenig Geld zur Verfügung, müssen sie damit tatsächlich möglichst sparsam umgehen, während der Staat die Wirtschaft mittels öffentlicher Investitionen gerade dann ankurbeln muss, wenn diese wie gegenwärtig aufgrund der keineswegs überwundenen Weltwirtschafts- und Finanzkrise lahmt. Eine sparsame Haushaltsführung des Staates wird heute vielfach mit „Generationengerechtigkeit“ in Verbindung gebracht, wohingegen die öffentliche Kreditaufnahme als Verletzung des Gebotes der Nachhaltigkeit gilt. Häufig tun Neoliberale so, als hätten künftige Generationen hohe Schuldenberge abzutragen, wozu sie weder willens noch in der Lage wären. Dabei lastet dieser Schuldendienst nur auf einem Teil der kommenden Generationen; ein anderer erhält sehr viel mehr Zinsen aus (geerbten) Schuldverschreibungen des Staates, als er selbst an Steuern zahlt, und profitiert dadurch sogar von heutigen Budgetdefiziten. Trotzdem verfängt die Argumentationsfigur von „Zechprellern zu Lasten unserer eigenen Kinder“ (Bernd Raffelhüschen). Da die Verschuldung der Gebietskörperschaften „unseren Kindern und Enkeln die Chancen für ihre Zukunft“ raube (Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder), sei die Konsolidierungspolitik ein Gebot der Generationengerechtigkeit, heißt es häufig. Aus der Staatsverschuldung resultieren aber sowohl Forderungen wie auch Verbindlichkeiten und beide Größen werden an die nächste Generation „vererbt“. Blickt man getrennt auf die gegenwärtige oder auf die folgende Generation, liegt immer ein gesamtwirtschaftliches Nullsummenspiel vor. Durch die Instrumentalisierung der nachwachsenden Generationen unter einem Schlagwort wie „Nachhaltigkeit der Finanzpolitik“ (Papier der Bundesregierung zur „Sparklausur“ im Kanzleramt am 6./7. Juni 2010) wird im Grunde eine fragwürdige Politik der Haushaltskonsolidierung gerechtfertigt, die gerade für Kinder und Jugendliche verheerende Folgen hat, weil vorrangig den sie betreffenden Bereichen (Schule, Jugendarbeit und Hochschule) nicht mehr die nötigen Mittel zufließen. Zwischen ökologischen und finanziellen Ressourcen besteht nämlich ein entscheidender Unterschied: Einmal vernutzte fossile Brennstoffen fehlen künftigen Generationen, während deren Beiträge zur Tilgung von Schulden für öffentliche Aufgaben nützliche Infrastrukturangebote gegenüberstehen. Geld wird zwar im Jugendjargon als „Kohle“ bezeichnet, verbrennt oder verschwindet aber nicht, sondern fließt nur von einer in die andere Tasche. Geld ist genug da, wenn es sich auch meist in der falschen Tasche befindet! Natürlich darf sich auch ein Staat nicht ohne jedes Maß ver- bzw. überschulden. Die extrem starke Thematisierung des „Sparens“ in öffentlichen Haushalten lenkt den Blick allerdings zu einseitig auf die Ausgabenseite, obwohl die gegenwärtigen Probleme des Sozialstaates in erster Linie auf der Einnahmenseite entstehen. Entstanden ist der „Schuldenberg“ in Höhe von 1,7 Billionen Euro nicht, weil „wir“ über unsere Verhältnisse gelebt oder weil der Staat schlecht gehaushaltet hat, sondern weil die etablierten Parteien seit Jahrzehnten die Kapital- und Gewinnsteuern gesenkt und die reichsten Bürger systematisch entlastet haben. Da wurde die Börsenumsatzsteuer abgeschafft, der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer mehrfach gesenkt, die Vermögensteuer seit 1997 nicht mehr erhoben, die Körperschaftsteuer für Kapitalgesellschaften zu einer Bagatellsteuer gemacht, die bloß noch ein Viertel bis ein Drittel des Aufkommens der Tabaksteuer erbringt, und die betriebliche Erbschaftsteuer ab dem 1. Januar 2010 zu einer reinen Phantomabgabe degradiert. Kaum ein Politiker entzieht sich diesem Steuersenkungswettlauf, der für die Allgemeinheit desaströse Auswirkungen zeitigt. Gerade die Besserverdienenden und die großen Unternehmen müssten veranlasst werden, ihrer Verantwortung für ein gut funktionierendes Gemeinwesen wieder gerecht zu werden. Häufig wird gar nicht „gespart“, sondern die finanzielle Belastung nur anders verteilt, also von der Bundesebene zu den Ländern und Kommunen oder der Solidargemeinschaft auf jeden Einzelnen verlagert bzw. von der Gegenwart in die Zukunft verschoben. So will die Bundesregierung jährlich 1,8 Mrd. Euro „sparen“, indem Hartz-IV-Bezieher/innen aus der Gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen und keine Beiträge mehr für sie entrichtet werden. Dadurch erhöht sich zwangsläufig die Altersarmut, und die Kommunen bzw. künftige Generationen, die angeblich entlastet werden sollen, müssen demnächst entsprechend mehr für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aufbringen. Noch mehr Geld will die schwarz-gelbe Koalition im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik „einsparen“, indem Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung und Umschulungen für Erwerbslose, die bisher Pflichtleistungen waren, zu Ermessensleistungen der JobCenter werden. Damit zeigt die Bundesregierung, dass sich ihr Bekenntnis zur „Bildungsrepublik Deutschland“ und das Versprechen der Kanzlerin, „Bildung für alle“ zu ermöglichen, das der 3. Bildungsgipfel am 10. Juni 2010 erneuern dürfte, bloß auf Exzellenzbereiche und die Elitebildung von Privilegierten bezieht, aber Erwerbslose gerade nicht einbezieht, wie sie dadurch auch die (Langzeit-)Arbeitslosigkeit erhöht, was wiederum mit Mehrkosten im Bereich der passiven Arbeitsmarktpolitik verbunden ist. Zu fragen ist, ob eine so reiche Gesellschaft wie die Bundesrepublik leere öffentliche Kassen und immer mehr Milliardäre und Multimillionäre haben will oder ob sie einen sozialen Ausgleich und nachhaltige Entwicklung anstrebt. Bekanntlich können sich nur die Reichen einen magersüchtigen Staat leisten. Denn sie schicken ihre Kinder auf Privatschulen und ausländische Eliteuniversitäten, kaufen alles, was ihr Leben verschönert, selbst und sind auf öffentliche Schwimmbäder, Bibliotheken oder andere kommunale Einrichtungen, die zunehmend geschlossen werden, gar nicht angewiesen. Alle übrigen Bevölkerungsschichten benötigen jedoch seine Leistungen und kommen ohne öffentliche Infrastruktur nicht aus. Wohlfahrtseinrichtungen, Kunst, Kultur, (Weiter-)Bildung, Wissenschaft und Forschung dürfen nicht von kommerziellen Interessen oder der Spendierfreude privater Unternehmer, Mäzene und Sponsoren abhängig werden. Genau das droht uns, wenn der Staat in neoliberaler Manier „kaputtsaniert“ wird. Der Autor Prof. Dr. Christoph Butterwegge, geb. 1951, lehrt Politikwissenschaft an der Universität zu Köln Buchpublikationen des Autors zum Thema: | Christoph Butterwegge | Die öffentliche Armut bildet im neoliberalen Projekt eines „Um-“ bzw. Abbaus des Sozialstaates keinen Kollateralschaden, sondern dient als Mittel zur Stärkung der Wirtschaft, während der private Reichtum das Lockmittel darstellt, welches die „Leistungsträger“ zu besonderen Anstrengungen motivieren soll. Häufig fordern Neoliberale gleichzeitig die Kürzung der Staatsausgaben, eine Senkung der St ... | [
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] | 11. Juni 2010 9:37 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=5872 |
Zamperoni, Ingo | Es ist passiert. Caren Miosga, bisher Tagesthemen-Moderatorin, wird Anne Wills Nachfolgerin und übernimmt vom nächsten Jahr an deren Sendeplatz sonntags um 21.45 Uhr. So beschlossen und verkündet von der NDR-Rundfunkratsvorsitzenden Sandra Goldschmidt. Der Vertrag über 60 Folgen der Sendung in den kommenden beiden Jahren – Arbeitstitel: „Miosga“ – ist unter Dach und Fach. Zugleich mit dieser Personalie teilte der NDR-Rundfunkrat mit, dass er zwei weitere Programmbeschwerden gegen Sendungen der Tagesschau abgelehnt habe, von deren Inhalt das Publikum natürlich nichts erfährt. Wie eh und je. Transparenz ist nicht. Wo kämen wir sonst hin mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. | [] | [] | 14. Juli 2023 9:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?tag=zamperoni-ingo |
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Die Treibjagd | Ein FAZ-Redakteur und ein Soziologe schüren auf Twitter Stimmung gegen Ulrike Guérot. Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot sagt „Frieden!“ und eine kleine, aber laute Gruppe von Kritikern ruft: „Jagt sie!“. Die NachDenkSeiten dokumentieren, wie der FAZ-Redakteur Patrick Bahners, der Soziologe Armin Nassehi und andere versuchen, Guérot mundtot zu machen. Von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Eine Treibjagd hat etwas Widerliches. Jäger versammeln sich und treiben mit ihren Hunden Wild so lange vor sich her, bis es vor Erschöpfung stehen bleibt, um es dann zu erlegen. Gerade ist zu beobachten, wie eine Gruppe von Journalisten, Wissenschaftlern und anonymen Stimmungsmachern zu einer Treibjagd bläst. Das Wild ist bei dieser Jagd die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot. Sie soll mundtot gemacht werden. Die Strategie der „Jäger“ ist Skandalisierung, ihre Waffe die gespielte Empörung. Vorne mit dabei: Patrick Bahners, Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und der Münchner Soziologe Armin Nassehi. Aber der Reihe nach. Guérot gehört zu jenen öffentlichen Intellektuellen, die während der Pandemie die Coronapolitik der Regierung mit deutlichen Worten kritisiert haben. Schon früh hat Guérot auf das Spannungsverhältnis zwischen Pandemiemaßnahmen und Grundrechtseinschränkungen hingewiesen. Die Wissenschaftlerin, die seit vielen Jahren immer wieder im Fernsehen als „glühende Europäerin“ einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist, hat schonungslos die vorherrschende Politik dekonstruiert. In ihrem Buch „Wer schweigt, stimmt zu“ rechnet Guérot mit der Pandemiepolitik ab und durchbricht den Schleier der ideologischen Verhältnisse. Doch wer die vorherrschende Politik zu laut kritisiert, gerät in das Visier einer Gruppe, die nur eine Meinung ertragen kann, nämlich: ihre eigene. Wer „hinterfragt“, macht sich in ihren Augen schnell verdächtig. Es bedarf keiner großen Fantasie, was passiert, wenn eine Frau wie Guérot die Bühne betritt und nicht aufhört, zu hinterfragen. Während der Soziologe Armin Nassehi in der ZEIT in einem Essay fordert, „wir“ sollten „den Feind“, Russland, endlich „intellektuell annehmen“, sagt Guérot: „Stellvertreterkrieg!“ Während Patrick Bahners, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sich im März des vergangenen Jahres unter der Überschrift „Dummheit bis zur Durchimpfung“ in lebendiger Schlichtheit über die Maßnahmenkritikerin Guérot echauffierte, setzt diese sich vor ein paar Tagen zu Markus Lanz und erklärt dem verdutzten Moderator, dass es im Hinblick auf die Ukraine vier Kriege zu berücksichtigen gibt. Einen Bürgerkrieg (vor Beginn der russischen Invasion), einen russischen Angriffskrieg, einen Stellvertreterkrieg und einen Informationskrieg. Welten prallen aufeinander. Auf der einen Seite die eindimensionale Realität eines Wild-West-Romans. Die Bösen tragen schwarze Hüte, die Guten tragen weiße. Sprich: Russland ist allein an dem Krieg schuld, der Westen ist der edle Retter. Auf der anderen Seite die Klarheit und Analysekraft einer kritischen Politikwissenschaft, die sich nicht in eindimensionale Feindbilder versteigt. Perspektivierung und Differenzierung: Das ist ein rotes Tuch für den intellektuellen Dilettantismus unserer Zeit. Wer so auftritt wie Guérot, soll mundtot gemacht werden. Empörungswellen, die die Guérot-Kritiker erzeugen, sind das Mittel. Ein Blick in den Twitter-Account von Bahners zeigt, wie das Prinzip funktioniert. Immer wieder retweetet der FAZ-Redakteur Tweets, die Stimmung gegen Guérot schüren. Um ein Beispiel anzuführen: Die Journalistin Mirjam Fischer retweetet einen Tweet der NDR-Info-Wissenschaftsredakteurin Korinna Henning. Henning erregt sich darüber, dass Guérot bei einer Veranstaltung der Süddeutschen Zeitung auftreten darf und fragt bedeutungsschwanger die SZ: „Warum?“. Getreu dem Motto: Ein GIF schlägt jedes Argument, fügt dann Fischer ein GIF von Ernie von der Sesamstraße an, das zeigt, wie dieser sich mit der Hand verzweifelt an den Kopf greift. Fischer tweetet: „Ich fasse es nicht.“ Die Tweets von Henning und Fischer retweetet Bahners. Allein in der Zeit vom 3. bis 6. Juni hat Bahners rund 20 Tweets zu Guérot auf seinem Account untergebracht. Bahners, das muss beachtet werden, ist jener Redakteur, der im Hinblick auf den Beitrag des Trierer Politikwissenschaftlers Markus Linden, der die Tage in der FAZ erschienen ist, bei Guérots Verlag angeklopft und Fragen gestellt hat. In dem Artikel von Linden wirft dieser Guérot Plagiate in ihrem Bestseller vor. Norbert Häring hat sich inhaltlich bereits mit diesen Vorwürfen beschäftigt und kommt zu einem vernichtenden Urteil. Die schiere Anzahl an Tweets zu Guérot, die auf Bahners Twitter-Konto zu finden sind, sollte die Chefredaktion hellhörig werden lassen. Wer als Journalist so exzessiv und obsessiv auf Twitter gegen eine Person zu Felde zieht, die Gegenstand seiner Arbeit als Redakteur ist, der muss sich fragen lassen: Ist hier die notwendige journalistische Distanziertheit gegeben? Dass journalistische Professionalität fehlt, darauf lässt ein Tweet schließen, den Bahners am 18. März dieses Jahres abgesetzt hat. Über dem Bild eines Hundes, der auf einem Beifahrersitz in einem Auto sitzt und mit verstörtem Blick aus dem Fenster schaut, zwitschert der FAZ-Journalist an den Deutschlandfunk: „Ich, wenn im Autoradio wieder ein @dlfkultur-Interview mit Guérot kommt.“ Das ist: Pure Stimmungsmache. Und an dieser Stimmungsmache ist Bahners schon seit langem beteiligt. Am 14. August des vergangenen Jahres setzte Bahners einen Tweet ab, der sich auf die Berufung Guérots zu einer Professur an die Bonner Uni bezog: „Au weia, ich hatte es für eine Falschmeldung gehalten“. Ähnlich sieht es auf dem Twitter-Account von Nassehi aus. Nassehi gehört mit zu den großen deutschen Soziologen. Im März dieses Jahres setzte Nassehi über einen Buchauszug Guérots folgenden Tweet ab: „Wem läuft es bei diesen Sätzen und ihrem autoritär-faschistischem Sound nicht kalt den Rücken herunter?“
Stein des Anstoßes war eine Stelle in Guérots Buch, bei der man schon eine außerordentlich große Portion Fantasie und Eigenwilligkeit gebrauchen muss, um einen „autoritär-faschistischen Sound“ herauszulesen. Wer sich mit den Tweets, die gegen Guérot gerichtet sind, auseinandersetzt, stellt schnell fest: Es geht nicht um Inhalt. Nicht um Argumente. Es geht um Dreck werfen. Die Treibjagd gegen Guérot ist seit geraumer Zeit am Laufen. Und sie wird härter. Alleine in der Zeit vom 3. bis 4. Juni hat Nassehi sieben Tweets zu Guérot auf seinem Kanal retweetet bzw. veröffentlicht – allesamt negativ. Da schreibt ein Niels Weber mit böser Zunge: „#Guérot mag zum Meinungsspektrum gehören, nicht aber ins Feld wissenschaftlicher Expertise“. Und in einer Rezension zu Guérots Buch, den Nassehi retweetet, heißt es, die Politikwissenschaftlerin sei „intellektuell an die Wand“ gekracht. Bahners und Nassehi haben zusammen rund 50.000 Follower auf Twitter. Ein Grundton entsteht, den auch andere Guérot-Kritiker mittragen. Vor allem durch moralisch geschwängerte Tweets stimmen sie den Empörungskanon an. Markus Grill, Chefreporter beim NDR/WDR, zwitschert etwa die folgenden Zeilen: „Falls sich jemand fragt, wie ernst man @ulrikeGuérot nehmen sollte, findet in diesem Artikel die Antwort. Den Spoiler erspare ich mir. Befremdlich ist dennoch, wie allgegenwärtig diese Ikone des Corona- und Ukraine-Querdenkertums derzeit in den Medien ist.“ Grill bezieht sich in dem Tweet auf den Artikel von Linden. Der Tweet ist ein Angriff auf Guérots Kompetenz als Wissenschaftlerin und öffentliche Intellektuelle. Zugleich zeigt er, wie versucht wird, Guérot aus dem Diskurs auszuschließen. Zu Stimmen wie den hier angeführten gesellen sich anonyme Twitter-Nutzer, die mit sehr viel Boshaftigkeit gegen Guérot anschreiben. Immer wieder setzen sie die Uni Bonn mit als Adressat in ihre Tweets, um so offensichtlich den Druck auf Guérots Arbeitgeber zu erhöhen. Es dürfte kein Zufall sein, dass gerade nun, nachdem zahlreiche Angriffe gegen die Professorin ins Leere gelaufen sind, mit den Plagiatsvorwürfen aufgewartet wird. Es liegt nahe, dass für eine Wissenschaftlerin, die als Professorin an einer Uni arbeitet, Plagiatsvorwürfe so ziemlich zu den gefährlichsten Vorwürfen gehören. Wer sich mit den Vorwürfen auseinandersetzt, kann schnell erkennen: Es sind Geringfügigkeiten, die hochgejazzt werden. Doch so geringfügig die Vorwürfe auch sind: Es gehört zu den Prinzipien der modernen öffentlichen Treibjagd, dass die Substanz der Vorwürfe zur Nebensache wird. Was zählt, ist, wie laut und mit welcher moralischen Empörung Verfehlungen kommuniziert werden. Da raunt ein Twitternutzer: „Wenn die Uni Bonn diese Person im nächsten Semester noch als Dozentin führt, ist das ein Skandal, der weitreichende Konsequenzen haben muss. Danke.“ Und ein anderer Nutzer sagt im Hinblick auf den FAZ-Artikel, Guérot habe „ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit“. Gerade erst hat die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann in einem Tweet über Guérot – ohne jeden Beleg – behauptet, Guérot verbreite „wirklich gefährlichen und teils menschenverachtenden Unsinn“. Im Mai hatte sich Strack-Zimmermann auf Twitter darüber empört, dass Guérot sagte, der ungerechteste Frieden sei besser als der gerechteste Krieg. In einem Tweet, der ebenfalls an die Uni Bonn gerichtet war, sagte Strack-Zimmermann: „Frau Guérot, Professorin auf Abwegen, legt dar, warum es besser ist, Ukraine auszulöschen. Das ist so unfassbar widerwärtig. Und so jemand hat Lehrstuhl @UniBonn inne und natürlich offenen Brief gezeichnet. Irre.“ Wer die Treibjagd verfolgt und sich in die Position des Beobachters begibt, muss sich fragen: Was hat Guérot verbrochen? Und dann wird es schnell düster. Aber nicht für die Bonner Politikwissenschaftlerin, sondern für ihre Kritiker. Der einzige substanzielle Vorwurf, den man Guérot machen kann, ist, dass sie in Sachen Coronapolitik und Ukraine-Krieg eine Position einnimmt, die sich gegen den Mainstream stellt. Guérot sagt in einer Zeit „Grundrechte!“, in der diese längst zur politischen Verhandlungsmasse einer völlig aus dem Ruder laufenden Pandemiepolitik geworden sind. Guérot sagt „Frieden“ und „Waffen nieder“ zu einer Zeit, wo laut offiziellen Angaben 60 bis 100 ukrainische Männer jeden Tag im Krieg sterben – von den toten Russen ganz abgesehen – und Politiker wie Strack-Zimmermann das Feuer des Krieges mit Benzin löschen wollen. Weil Guérot nicht bereit ist, „Hurra!“ zu schreien, versuchen einige Akteure, sie zur Strecke zu bringen. Deshalb die Treibjagd. Die NachDenkSeiten dokumentieren im Folgenden Tweets von den Twitter-Accounts, die gegen Guérot gerichtet sind. Tweets und Retweets vom Account von Patrick Bahners, die sich auf Ulrike Guérot beziehen: Bin ein Fan der Unterscheidung von Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit, von bloßer Meinung einer Wissenschaftler:in und einer fachgerechten wissenschaftlichen Position. #Guérot mag zum Meinungsspektrum gehören, nicht aber ins Feld wissenschaftlicher Expertise. #Lanz Eine Auswahl von Tweet und Retweets vom Account von Armin Nassehi Ulrike Guérot schreibt sich über Corona in Rage – und kracht damit intellektuell gegen die Wand. Eine Rezension: Im Folgenden eine Auswahl an weiteren Tweets und Retweets, die gegen Ulrike Guérot gerichtet sind. Markus Grill: @m_grill Falls sich jemand fragt, wie ernst man @ulrikeGuérot nehmen sollte, findet in diesem Artikel die Antwort. Den Spoiler erspare ich mir. Befremdlich ist dennoch, wie allgegenwärtig diese Ikone des Corona- und Ukraine-Querdenkertums derzeit in den Medien ist. Marie-Agnes Strack-Zimmermann @MAStrackZi Replying to @KrischkeBen and @nenacasc Kritik an Guérot ist kein Stellvertreterkrieg, sondern schlicht notwendig, weil sie wirklich gefährlichen und teils menschenverachtenden Unsinn verbreitet. Das hat nichts mit irgendeiner Projektion zu tun. Wurde in Ihrem Magazin ja auch bereits hervorragend seziert. Marie-Agnes Strack-Zimmermann @MAStrackZi „Der ungerechteste Frieden ist besser als der gerechteste Krieg.“ – Frau Guérot, Professorin auf Abwegen, legt dar, warum es besser ist, Ukraine auszulöschen. Das ist so unfassbar widerwärtig. Und so jemand hat Lehrstuhl @UniBonn inne und natürlich offenen Brief gezeichnet. Irre. Franziska Davies @EFDavies Zuerst anti-semitische Karikaturen von @ZelenskyyUa drucken und dann das nicht einsehen wollen. Jetzt mit Ulrike Guérot eine Veranstaltung. Liebe @SZ, da läuft etwas ganz gewaltig schief. Genau auf diese Weise werden Lügen zu gefühlten Wahrheiten. Hatten wir alles schon. Franziska Davies @EFDavies @ulrikeGuérot
brachte gestern auf den Punkt, was sie eigentlich antreibt: “Ich möchte den Waffenstillstand sofort, weil ich das nicht mehr sehen will.“ Ganz genau. Ich will meine Ruhe haben. Preis für die Ukrainer:innen? Mir doch egal. Dazu im @cicero Franziska Davies @EFDavies Lange habe ich versucht Guérot zu ignorieren. Seit dem Krieg geht das nicht mehr: Guter Text von Markus Linden über ihre Postfaktizität & ihre Plagiate (aber bitte, liebe @faz, in Zukunft das Wort “Ukraine-Krise” rausredigieren) Nathan Cole @DrNathanCole Wenn die Uni Bonn diese Person im nächsten Semester noch als Dozentin führt, ist das ein Skandal, der weitreichende Konsequenzen haben muss. Danke, @faznet Titelbild: Sangoiri/shutterstock.com | Marcus Klöckner | Ein FAZ-Redakteur und ein Soziologe schüren auf Twitter Stimmung gegen Ulrike Guérot. Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot sagt „Frieden!“ und eine kleine, aber laute Gruppe von Kritikern ruft: „Jagt sie!“. Die NachDenkSeiten dokumentieren, wie der FAZ-Redakteur Patrick Bahners, der Soziologe Armin Nassehi und andere versuchen, Guérot mundtot zu machen. Von Marcus Klöckner.
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] | 09. Juni 2022 12:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=84676 |
Merkels clevere Kommunikationsstrategien zur Imageerweiterung | Seit einiger Zeit schon beobachte ich Angela Merkels teils sehr erfolgreichen Versuche zur Imageerweiterung. Sie gibt sich ein fortschrittliches Image vor allem über die Klima- und Entwicklungsthematik, nimmt bewusst Kontakt auf zur progressiven Pop-Szene und kritisiert gelegentlich den US-Präsidenten Bush. Und sie versucht, sich und ihrer Partei ein sozialeres Image zu geben. Das zielt auf eine strategische Erweiterung des Wählerpotenzials und der Koalitionsmöglichkeit mit den Grünen. Jetzt sind diese Vermutungen durch ein öffentlich gewordenes so genanntes geheimes Protokoll aus dem Bundeskanzleramt bestätigt worden. Außerdem sprechen verschiedene Äußerungen von Dr. Heiner Geißler für die Planung und den Erfolg dieser Strategie. Albrecht Müller.
In der Süddeutschen Zeitung erschien (wie auch im Spiegel) am 4.6. ein Bericht über das geheime Protokoll aus dem Bundeskanzleramt. Darin wird sichtbar, dass Angela Merkel und ihre Berater mit dem Thema Afrika und entsprechendem Geld aus dem Bundeshaushalt für eine Aufstockung der Entwicklungshilfe in den Kreisen der Afrika-Engagierten zu punkten versuchen und dass man zum Beispiel davon ausgeht, damit auch Herbert Grönemeyer beeindrucken zu können. Siehe dazu im Original: „G-8-Gipfel – Die guten Menschen
Ein geheimes Protokoll dokumentiert, wie Bundeskanzlerin Merkel zum
G-8-Gipfel in den Medien punkten will.“
Von Hans Leyendecker
Quelle: SZ In dem Geheimpapier wird deutlich erkennbar, dass der G8-Gipfel von Heiligendamm vor allem nach innen wirken soll. Dazu dient neben Afrika, Aidsbekämpfung und der thematisierten Notwendigkeit der Kontrolle großer Finanzinvestoren und Finanzströme vor allem das Thema Klimawandel. Wir wissen aus der Kommunikationstheorie, dass Konflikte hervorragende Transportmittel für die Image-Prägung sind. Deshalb ist der Konflikt mit George Bush für Angela Merkel eine Art Gottes Geschenk. Zum einen wird damit ihr ökologisches Profil und allgemeinpolitisches Handlungsprofil gestärkt, zum anderen gibt ihr dieser Konflikt die Chance, sich von den USA und insbesondere von den USA des George Bush abzusetzen. Dieser Konflikt um den Klimaschutz könnte sogar (das kann ich aber nicht belegen) mit den Amerikanern abgesprochen sein. Jedenfalls gab er dem amerikanischen Präsidenten schon die Chance, das Engagement der deutschen Bundeskanzlerin in Sachen Klima ausdrücklich zu loben. Insgesamt kostet der Konflikt die deutsche Bundeskanzlerin nichts. Im Gegenteil: der Konflikt ist eine exzellente Gelegenheit zur Verschleierung des Nichtstuns. Hier wie bei anderen Themen, die inzwischen auf die Ebene der Globalisierungsdebatte gehoben worden sind, gilt nämlich, dass zuhause ohne große Gipfeldiplomatie schon viel getan werden könnte: Deutschland könnte eine Geschwindigkeitsbegrenzung einführen, die nichts kosten würde und hochwirksam wäre; Deutschland könnte eine Maut für Pkw einführen; Deutschland könnte Kerosin besteuern und gleichzeitig mit mehr Energie als bisher den Versuch unternehmen, diese wichtige und notwendige Verteuerung des Flugverkehrs zumindest europäisch abzusichern.
Die Bundeskanzlerin könnte gleichzeitig den Börsengang der Deutschen Bahn stoppen und dieses Unternehmen zum weiteren zentralen Instrument einer ökologischen Verkehrspolitik machen.
Auf allen diesen Feldern geschieht de facto das Gegenteil des sachlich Notwendigen. Die Imageerweiterung ersetzt die Politik.
Und viele ehrenwerten Zeitgenossen und – innen fallen darauf herein. In diesem Zusammenhang ist der Eintritt Heiner Geißlers bei attac sehr interessant. Um Missverständnisse zu vermeiden, muss ich vorweg bemerken, dass ich seinen Schritt wie auch seine veränderte Rolle gegenüber Demonstranten für beachtenswert halte. Immerhin wurden auch zur Zeit des CDU-Generalsekretärs Geißler Demonstranten vor jeder Wahl zu Terroristen umstilisiert. Ich habe die Anzeigen der CDU noch gut in Erinnerung, auf denen Steinewerfer abgebildet waren, um die Demonstranten gegen den Bau neuer Kernkraftwerke wie zum Beispiel in Brokdorf und damit auch die Umweltbewegung und die Grünen zu diffamieren. Dennoch, was soll es. Die Gegenwart ist wichtiger als die Vergangenheit. Und Paulus ist mir lieber als Saulus.
Aber mir fällt auf, mit welcher Penetranz Heiner Geißler Angela Merkel lobt. Das geschah schon unmittelbar nach dem Beitritt zu attac. Darüber hatten wir im Hinweis Nr. 6 vom 18. Mai berichtet. Am 5.6. erschien in der Süddeutschen Zeitung ein Interview mit wiederum beachtlichen Lobeshymnen auf Angela Merkel. Wenn das so stehen bleibt, dann ist Angela Merkel mit dem Beitritt von Heiner Geißler bei attac eine erneute wichtige Imageprägung gelungen.
Das Interview sollten Sie lesen. Da sagt Heiner Geißler z.B.: „Im übrigen hat es Angela Merkel geschafft, dass wirklich wichtige Themen in Heiligendamm auf der Tagesordnung stehen: die Kontrolle der Hedgefonds, der Klimaschutz, der Welthandel, Afrika.“ Das ist genau die Imageprägung, die man im Kanzleramt mit dem Gipfel nach innen erreichen will. Immerhin ergänzt Geißler dann noch, man müsse endlich etwas tun. Damit hat er recht: auch für andere Themen als den Klimaschutz gilt nämlich, dass wir selbst einiges tun könnten. Die Regierung Merkel befreit nach wie vor die Hedgefonds und andere große Investoren von der Besteuerung ihrer Gewinne und lässt damit zu, dass ein Unternehmen nach dem andern ausgebeutet und gefleddert wird. Die Tobinsteuer zu fordern, wie Geißler das tut, ist schön und billig. Wirklich umsetzbar wäre die Streichung der zum 1.1.2002 auch mit Unterstützung der Union gewährten Steuerbefreiung.
Die Regierung Merkel tut auch nichts zur Regulierung des Treibens der Finanzinvestoren. Auch hier wäre national und im europäischen Rahmen einiges möglich. Aber dies alles geschieht nicht, vermutlich auch deshalb, weil wichtige politische Freunde aus allen Lagern inzwischen im Geschäft der internationalen Finanzwirtschaft tätig sind – beratend, vermittelnd, jedenfalls kassierend. Bemerkenswert und wieder ein beachtlicher Imagegewinn für die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende ist die Behauptung Geißlers, Merkel habe den beim Parteitag der CDU in Leipzig eingeschlagenen neoliberalen Kurs verlassen. Auch das muss ich wörtlich zitieren: Süddeutsche Zeitung: „Bundeskanzlerin Merkel thematisiert diese von Ihnen genannten Themen in Heiligendamm, aber trotzdem hat sie versucht, innenpolitisch auf neoliberalem Kurs zu fahren, Stichwort: Leipziger Parteitag. Wie passt das zusammen?
Geißler: Leipzig ist passé, das hat sie gelernt. Die Bundestagswahl hat sie eines Besseren belehrt. Das deutsche Volk hat ihr gezeigt, dass der Kurs falsch ist. Und da sie eine Naturwissenschaftlerin ist, ist sie darauf programmiert, richtig zu reagieren.“ Noch einmal: Bei diesen kritischen Anmerkungen geht es nicht um Heiner Geißler. Es geht um die Taten und das Image der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende angesichts der Fortsetzung der unsozialen Reformpolitik, angesichts der tatsächlichen Nähe zu Bush und Sarkozy, angesichts falscher Entscheidungen und Unterlassungen in der Verkehrs- und Umweltpolitik und angesichts einer Steuerpolitik, die mit 3% Mehrwertsteuererhöhung die Schwächeren mehr belastet und mit einer Unternehmensteuersenkung den Starken noch mehr gibt, als quasi fortschrittlich darzustellen, das ist zu viel des Guten. Wir kritisieren in den NachDenkSeiten deutlich und immer wieder die neoliberalen Verneigungen führender Sozialdemokraten. Mit Recht. Die noch stärkeren neoliberalen und konservativen Einfärbungen bei der Union einfach durchgehen zu lassen und sogar zu beschönigen, das wollen wir dann doch nicht einfach laufen lassen. Auch wenn diese seltsame Asymmetrie inzwischen sogar bei Grünen üblich wird. | Albrecht Müller | Seit einiger Zeit schon beobachte ich Angela Merkels teils sehr erfolgreichen Versuche zur Imageerweiterung. Sie gibt sich ein fortschrittliches Image vor allem über die Klima- und Entwicklungsthematik, nimmt bewusst Kontakt auf zur progressiven Pop-Szene und kritisiert gelegentlich den US-Präsidenten Bush. Und sie versucht, sich und ihrer Partei ein sozialeres Image zu geben. Das zielt auf ei ... | [
"Bush, George W.",
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"Reformpolitik"
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"Außen- und Sicherheitspolitik",
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] | 05. Juni 2007 18:23 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=2389&share=email&nb=1 |
Ganztagsschule | Die Bilder und Videoaufnahmen sind beeindruckend. Nach unterschiedlichen Schätzungen marschierten am 15. Mai zwischen 1,5 und 2,0 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianer in rund 170 brasilianischen Städten zum ersten Mal seit dem Amtsantritt des rechtsradikalen pensionierten Ex-Hauptmanns gegen die Regierung Jair Bolsonaro. Ein Bericht von Frederico Füllgraf. | [] | [] | 19. Mai 2019 11:45 | https://www.nachdenkseiten.de/?tag=ganztagsschule |
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Das kritische Tagebuch | (PK/AM) Heute unter anderem mit folgenden Themen: Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. | NachDenkSeiten - Die kritische Website | [] | [] | 22. Januar 2009 10:05 | https://www.nachdenkseiten.de/?cat=1&paged=14 |
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Kleine Hilfe zur Nutzung der NachDenkSeiten. Ein Wegweiser. | Von verschiedenen Leserinnen und Lesern der NachDenkSeiten erreichte uns die Anregung, eine Art Wegweiser zur Nutzung der NachDenkSeiten zu schreiben und ins Netz zu stellen. Die Tatsache, dass wir eine kleine Weihnachtspause einlegen und Sie ermuntern wollen zwischen den Feiertagen, im Angebot der NachDenkSeiten zu stöbern, veranlasst uns zur Umsetzung des Vorschlags. Sie werden viel Interessantes und Wissenswertes entdecken. Albrecht Müller Hier also der kurze Wegweiser durch www.NachDenkSeiten.de: | Albrecht Müller | Von verschiedenen Leserinnen und Lesern der NachDenkSeiten erreichte uns die Anregung, eine Art Wegweiser zur Nutzung der NachDenkSeiten zu schreiben und ins Netz zu stellen. Die Tatsache, dass wir eine kleine Weihnachtspause einlegen und Sie ermuntern wollen zwischen den Feiertagen, im Angebot der NachDenkSeiten zu stöbern, veranlasst uns zur Umsetzung des Vorschlags. Sie werden viel Interess ... | [
"in eigener Sache"
] | [
"Aufbau Gegenöffentlichkeit",
"Das kritische Tagebuch"
] | 23. Dezember 2009 12:32 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=4431 |
UNO | „Die Bundesregierungen wollen nicht wahrnehmen, dass die Sicherheit der eigenen Nation nicht einseitig und auf Kosten anderer Staaten erlangt werden kann“, sagt Bernd Hahnfeld im Interview mit den NachDenkSeiten. Damit verweist der Mitbegründer von IALANA, einer internationalen Organisation von Juristen gegen Atomwaffen, auf die seit Jahren andauernde Haltung verschiedener Bundesregierungen, einen Beschluss des Bundestages aus dem Jahr 2010 zum Abzug der Atomwaffen aus Deutschland umzusetzen. Ein Interview über die Gründe für dieses Verhalten der Regierung und die Möglichkeit, wie auf rechtlichem Wege durch Parlamentarier der Beschluss doch noch umgesetzt werden könnte. Das Interview führte Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. | [] | [] | 12. Mai 2018 11:53 | https://www.nachdenkseiten.de/?tag=uno&paged=15 |
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Corona, Pandemie-Vertrag, Sozial-Kredit | Die aktuellen „Lockerungen“ sollten nicht darüber hinwegtäuschen: Weitere „bösartige Verschwörungstheorien“ scheinen aktuell praktische Gestalt anzunehmen. Die WHO und die EU treiben ein internationales „Abkommen zur Pandemievorsorge“ voran, das Staaten möglicherweise zu strengen „Pandemie“-Reaktionen verpflichten könnte. Gleichzeitig „testen“ erste europäische Städte die Einführung eines „Sozial-Kredit-Systems“. Derweil geht die Panikmache durch Teile von Medien und Politik weiter. Eine Entwarnung ist also nicht angesagt. Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Die aktuelle Phase der „Lockerungen“ in der Corona-Politik könnte sehr trügerisch sein. In diesem Text werden einige beunruhigende Entwicklungen aufgelistet, die zeigen: Das Kapitel der Corona-Kampagne, die damit verbundene Panikmache und die Angriffe auf hart erkämpfte Grundrechte sind noch längst nicht überwunden. Pandemie-Vertrag: Indirekte „Herrschaft“ der WHO? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) arbeitet aktuell mit der EU und nationalen Regierungen an einem globalen Pandemievertrag. Die Gefahr erscheint real, dass sich Regierungen und Parlamente mit einem solchen „Pandemievertrag“ in einigen politischen Bereichen möglicherweise unter die indirekte „Herrschaft“ der WHO begeben würden. Das beschreibt etwa der Journalist Norbert Häring in diesem ausführlichen Artikel. Eine wissenschaftliche Initiative in Österreich warnt demnach davor, dass mit dem Abkommen „die WHO nicht mehr wie bisher Empfehlungen für die Regierungen der Mitgliedsländer abgibt, sondern Entscheidungen trifft, die als Gesetze gelten“ würden. Das „Abkommen zur Pandemievorsorge“ würde eine Umgehung von demokratischen Institutionen bedeuten, denn die WHO selbst sei nicht demokratisch legitimiert. Letzterem kann man zustimmen, wenn Häring schreibt, dass laut wissenschaftlichem Dienst des Bundestags nur etwa 20 Prozent der Mittel der WHO Pflichtbeiträge seien – 80 Prozent seien dagegen meist zweckgebundene Spenden von Stiftungen, Konzernen, Regierungen und anderen. „Niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind“ In einem Appell von 24 EU-Regierungschefs und der WHO wird auch einer „Normalisierung“ der erlebten „Pandemiebekämpfung“ das Wort geredet und einmal mehr behauptet, „dass niemand sicher ist, solange nicht alle sicher sind“. Könnten also die Auswirkungen des Vertrages bedeuten, „dass die (nachzuschärfende) internationale Gesundheitsregulierung und ein etwaiger künftiger von Deutschland ratifizierter WHO-Pandemievertrag hier Gesetzeskraft hätten und die Behörden entsprechend binden und verpflichten würden, solange sie nicht Grundgesetznormen widersprechen“, wie Häring beschreibt? Einer solchen Entwicklung müsste scharf entgegengetreten werden. Big Pharma erpresst ganze Staaten Wie Pharmakonzerne Staaten erpressen können, bis diese unhaltbare Vertragsbedingungen akzeptieren, die eigenen Gesetzen widersprechen (z.B. zu Haftung und Geheimhaltung), hat etwa die „Welt“ kürzlich in diesem Artikel (Bezahlschranke) am Beispiel Paraguay beschrieben. Dort führte unter anderem der Druck von Pfizer zu Gesetzesänderungen im Land: „Sozial-Kredit-Systeme“ – Mitten in Europa! Nur indirekt hat der folgende Aspekt des „Sozial-Kredit-Systems“ mit Corona zu tun – meiner Meinung nach ist aber die Akzeptanz von solchen intensiven Überwachungsvorhaben nur durch die „Erziehungsarbeit“ während der Corona-Kampagne überhaupt vorstellbar. Vorreiter bei der Einführung eines sehr fragwürdigen „Sozial-Kredit-Systems“ in Europa sind momentan Bologna in Italien und Wien in Österreich. Auch in Deutschland treibt die Corona-Kampagne nach wie vor bizarre Blüten. So sollen nur noch „Geboosterte“ Lohnfortzahlung erhalten. Das Gesundheitsministerium verhindert eine „Modernisierung“ des RKI. Die Bürger, die verleitet wurden, ihre persönlichen Daten an windige Geschäftsleute zu übermitteln (zum „Schutz“ selbstverständlich), müssen nun den mutmaßlichen Missbrauch dieses Vertrauens beobachten. „Ohne Maske vor dem Joghurtregal: viele Tote, jeden Tag“ Auch die verantwortungslose Panikmache wird fortgesetzt – in Politik und Medien: Karl Lauterbach fantasiert von „Killervarianten“ und die FAZ schämt sich offensichtlich noch immer nicht für Überschriften wie diese: Momentan wird aber auch die Biontech-Aktie entzaubert – ebenso wie zum Teil die angebliche Wirkung der Lockdown-Politik oder die aussagelosen „Inzidenzen“ als Kriterium für radikale Politik. Die Corona-Geister müssen von den Bürgern vertrieben werden Dass sich die Bürger aber von den aktuellen „Lockerungen“ der Corona-Maßnahmen nicht zu sehr beruhigen lassen sollten, haben wir kürzlich in dem Artikel „Die Corona-Geister müssen von den Bürgern vertrieben werden – Andere werden es nicht tun“ beschrieben: Titelbild: Vikentiy Elizarov | Tobias Riegel | Die aktuellen „Lockerungen“ sollten nicht darüber hinwegtäuschen: Weitere „bösartige Verschwörungstheorien“ scheinen aktuell praktische Gestalt anzunehmen. Die WHO und die EU treiben ein internationales „Abkommen zur Pandemievorsorge“ voran, das Staaten möglicherweise zu strengen „Pandemie“-Reaktionen verpflichten könnte. Gleichzeitig „testen“ erste europäische Städte die Einführung eines „Soz ... | [
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] | 26. April 2022 10:49 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=83258&share=email&nb=1 |
Wenn Sie noch nach einem kleinen Weihnachtsgeschenk suchen … | Wenn Sie nachlesen möchten, dass man über das „Monster“ der Finanzmärkte auf den „NachDenkSeiten“ schon „früher und besser“ informiert wurde (so Frank Schirrmacher in der FAZ)… ,
wenn Sie „Andersdenkende ins Grübeln bringen“ möchten (so Stephan Hebel in der Frankfurter Rundschau)… ,
wenn Sie, wie das Mitglied des Sachverständigenrates Peter Bofinger in seinem Vorwort schreibt, einfach davon überzeugt sind, dass „es immer Alternativen“ gibt… ,
wenn Sie zu den politisch wichtigsten Themen des Jahres 2011 noch einmal Fakten und durchschlagende Argumente nachlesen möchten, die im Medienmainstream sonst nicht oder nur selten auftauchen…
oder wenn Sie sich und andere zum Zweifeln und zum eigenen Nachdenken über die Zustände in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft anregen möchten,
dann hätten wir einen Tipp für ein Weihnachtsgeschenk: Lesen oder Verschenken Sie doch einfach das nebenstehende Buch „Nachdenken über Deutschland“.
Auch das frühere kritische Jahrbuch ist noch zu haben – und ist (leider) immer noch aktuell. Die „Meinungsmache“ von Albrecht Müller ist gleichfalls nach wie vor eine gute Geschenkidee, wenn Sie mehr darüber lesen möchten, wie bei uns täglich Meinung „gemacht“ wird, und wenn Sie ein Stückchen zum Aufbau einer demokratischen Gegenöffentlichkeit beitragen wollen. (Bitte beachten Sie: Wer “Meinungsmache” nicht über den Buchhandel sondern per Überweisung bestellen möchte, sollte unbedingt gleichzeitig eine E-Mail mit Angabe der Wünsche an [email protected] schicken. Die Anschriften werden oft nicht vollständig von den Banken übernommen. Dann können die Bestellungen nicht ausgeführt werden.) | Wolfgang Lieb | Wenn Sie nachlesen möchten, dass man über das „Monster“ der Finanzmärkte auf den „NachDenkSeiten“ schon „früher und besser“ informiert wurde (so Frank Schirrmacher in der FAZ)... ,
wenn Sie „Andersdenkende ins Grübeln bringen“ möchten (so Stephan Hebel in der Frankfurter Rundschau)... ,
wenn Sie, wie das Mitglied des Sachverständigenrates Peter Bofinger in seinem Vorwort schreibt, einfach da ... | [
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] | 15. Dezember 2011 14:27 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=11610&share=email |
Aktion „Haltet den Dieb“ in Sachen Kriegsplanung deutscher Offiziere | Vergangenen Freitag wurde berichtet, deutsche Offiziere einschließlich des Inspekteurs der Luftwaffe hätten einen möglichen deutschen Angriff auf die Brücke von Kertsch, die das russische Festland mit der Krim verbindet, einschließlich die Verschleierung dieses Vorgangs besprochen. Dieses Gespräch sei von russischer Seite abgehört und veröffentlicht worden. Die Planung einer solchen militärischen Intervention ist nach Art. 26 des GG verfassungswidrig. (Siehe Anhang.) Eine Anklage gegen die Offiziere wäre fällig. Die politisch Verantwortlichen wie auch die Medien verfahren aber nach der Methode „Haltet den Dieb“: Die Russen, die das Gespräch abgehört haben, sind die bösen Buben. Albrecht Müller. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Im Folgenden finden Sie eine Auswahl von Aussagen deutscher Medien. Da ist vor allem vom „Abhörfall“ und „Abhörskandal“ die Rede und der Vorgang wird benutzt, um Werbung für die weitere Aufrüstung der Bundeswehr zu machen: Anhang: Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier. | Albrecht Müller | Vergangenen Freitag wurde berichtet, deutsche Offiziere einschließlich des Inspekteurs der Luftwaffe hätten einen möglichen deutschen Angriff auf die Brücke von Kertsch, die das russische Festland mit der Krim verbindet, einschließlich die Verschleierung dieses Vorgangs besprochen. Dieses Gespräch sei von russischer Seite abgehört und veröffentlicht worden. Die Planung einer solchen militärisc ... | [
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] | 04. März 2024 10:03 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=111953&share=email&nb=1 |
Bayern-Wahl stülpt einiges um | Quelle: Wikipedia Das ist eine Niederlage für die CSU; aber sie erhält immerhin noch 37,2 %. Die SPD ist mehr als halbiert. Die AfD blieb unter den bundesweit prognostizierten 16 %. Die Grünen haben enorm zugelegt. Die Linke erfolglos. Albrecht Müller. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Die Analyse zur Bayern-Wahl bei der ARD ist recht informativ, allerdings bei der Darstellung der wirtschaftlichen Lage wiederum typisch. Jene Menschen, denen es auch in Bayern schlecht geht, die keinen festen Arbeitsplatz und keinen ausreichenden Lohn haben, kommen auch bei dieser Darstellung unter die Räder.
Hier finden Sie die Sitzverteilung nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis: Quelle: wahlrecht.de Wenn man die deutlichen Verschiebungen erkennen will, ist es sinnvoll, etwas zurückzublicken.. Zu diesem Zweck sind hier die Ergebnisse von 1982-2018: Die CSU hatte noch 2003 60,7 %, jetzt 37,2. Die SPD hatte 1982 noch 31,9 und auch 1994 noch 30 % der Zweitstimmen. Die Stimmen für sie wurden von der letzten Wahl im Jahr 2013 bis heute mehr als halbiert. Bei den Grünen ging es auf und ab. Von der letzten Wahl 2013 bis heute haben sie sich dann allerdings mehr als verdoppelt. Die Linke bekommt offensichtlich keinen Grund unter die Füße: 2008 4,4 %, 2013 2,1 %, 2018 3,2 %. Ein düsteres Ergebnis für die fortschrittliche Hälfte unserer Gesellschaft Wenn man – zugegebenermaßen mutig – die Grünen und die verbliebene SPD zur linken Hälfte unserer Gesellschaft zählen würde, dann kommt man in Bayern gerade mal auf 30,4 %. Das ist wenig. Es war aber auch in der Vergangenheit nicht grundlegend anders. Allerdings waren damals SPD und Grüne fortschrittliche, linker. Das äußerst schlechte Abschneiden der Linkspartei hat etwas damit zu tun, dass der Begriff links in den letzten Jahren, eigentlich unentwegt seit der Wende von 1989, diffamiert worden ist. So bitter das ist: Der Begriff links ist verbraucht. Auch deshalb kommt die Linkspartei bundesweit bei Umfragen kaum über die 10 % hinaus, in Bayern halt nur auf 3,2 %. Zur SPD – wann endlich geht Andrea Nahles… Auch in Bayern hat die SPD eine gewisse Tradition. Offenbar sind diese traditionellen Bindungen an die Arbeitnehmerschaft wirkungslos bzw. geschwunden. Das hat vermutlich wie auch bundesweit viel damit zu tun, dass die SPD mit der Agenda 2010 ihr gesellschaftspolitisches Profil geschliffen hat, und mit ihrer Bereitschaft zu Militäreinsätzen und zu einem Außenminister a la Heiko Maas und vorher Steinmeier auch das friedenspolitische Erbe verspielt hat. Man muss und kann davon ausgehen, dass die Politik in Berlin und auch die dürftige personelle Situation in Berlin auf München und Bayern ausgestrahlt haben. Wie schon früher auf den NachDenkSeiten festgestellt: Mit Andrea Nahles an der Spitze wird die SPD den Weg der anderen sozialdemokratischen Parteien in Europa gehen: immer weiter abwärts. Nahles müsste fertigbringen, was ihrer Natur wohl widerspricht: Sie müsste auf die Suche nach qualitativ guten und ansprechenden Personen gehen, statt weiter dem Irrglauben anzuhängen, sie sei die Beste. Und natürlich müsste die SPD-Führung nach einem programmatischen Profil suchen, das attraktiv ist und zu diesem Zweck auch an den guten Seiten ihrer Geschichte anknüpft. Zu den Grünen … Ein paar wenige Anmerkungen, mehr folgt noch: bewundernswert, dass sie in München und sogar in Würzburg Direktmandate errungen haben. Und das alles mit einer gesellschaftspolitisch und friedenspolitisch ziemlich arg gewandelten Partei. Die Grünen schwimmen im großen Strom der Medien. Ihnen kommt zugute, dass ihr Basisthema Ökologie tatsächlich immer brisanter wird. | Albrecht Müller |
Quelle: Wikipedia
Das ist eine Niederlage für die CSU; aber sie erhält immerhin noch 37,2 %. Die SPD ist mehr als halbiert. Die AfD blieb unter den bundesweit prognostizierten 16 %. Die Grünen haben enorm zugelegt. Die Linke erfolglos. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Die Analyse zur Bayern-Wahl bei der ARD ist recht informativ, allerdings be ... | [
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] | 15. Oktober 2018 9:11 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=46532 |
Nebeneinkünfte sind nicht gleich Nebeneinkünfte | Die Kritik an den gestern von verschiedenen Medien veröffentlichten Nebeneinkünften der (Noch-)Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ist an Absurdität kaum zu übertreffen. Schließlich stammen die – durchaus fürstlichen – Gelder nicht aus Tätigkeiten, die potenziell im Konflikt mit ihrer politischen Tätigkeit stehen, sondern nahezu ausschließlich aus den Honoraren ihres erfolgreichen Buches „Die Selbstgerechten“. Das ist sowohl moralisch als auch rechtlich ein himmelweiter Unterschied zur millionenschweren Vorteilsnahme eines Peer Steinbrück von der Finanzindustrie oder den millionenschweren Einkünften zahlreicher Unionsabgeordneter aus illegalen Maskendeals oder Lobbytätigkeiten für Aserbaidschan. Doch bei der Personalie Wagenknecht gelten offenbar andere Regeln. Auch ihre (Noch-)Parteichefin Wissler nutzt die Meldung, um die innerparteiliche Kampagne gegen Wagenknecht am Laufen zu halten und den Medien Futter für neue Schlagzeilen zu geben. Von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Es ist wirklich abstrus, ernsthaft über die „Rechtmäßigkeit“ von Autorenhonoraren zu streiten. Wagenknechts im April 2021 erschienenes Buch „Die Selbstgerechten“ war immerhin 45 Wochen in der Bestsellerliste und im Jahr 2021 laut dem Börsenblatt das am dritthäufigsten verkaufte Sachbuch – übrigens hinter dem Buch „Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit“ der ZDF-Journalistin Mai Thi Nguyen-Kim. Dass Wagenknecht dafür Honorare in Höhe von fast 721.000 Euro (vor Steuern) bekam, ist freilich eine Meldung wert. Diese Honorare aber ernsthaft mit denen von Karl Lauterbachs geflopptem Buch „Bevor es zu spät ist“ und Annalena Baerbocks uninspiriertem „Jetzt“ (Lesen Sie hier die Rezension), dem noch nicht einmal die Plagiatsdebatte zu einer nennenswerten Auflage verhalf, zu vergleichen, ist hanebüchen. Da könnte man auch das Gehalt eine Regionalkickers mit dem eines Christiano Ronaldo vergleichen. Doch warum sollte man das tun? Der SPIEGEL und das Boulevardblatt Hamburger Morgenpost scheinen das anders zu sehen. „Wenn Politiker Bücher schreiben, kann jeder ganz leicht sehen, wofür das Honorar überwiesen wird und ob es Abhängigkeiten gibt. Da gibt es keine Geheimnisse“ – dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Sie denken jetzt, dieser Satz stammt von einem „Wagenknecht-Freund“? Weit gefehlt. Der Satz stammt von Sigmar Gabriel und natürlich bezieht er sich nicht auf Wagenknechts Buchhonorare, sondern auf die Honorare seines Genossen Peer Steinbrück. Der war als Autor auch nicht ganz erfolglos und erhielt über eine halbe Million Euro Honorare für sein Buch „Unter dem Strich“. Quod licet Peer, non licet Sahra? Wenn man die Buchhonorare von den publizierten Nebeneinkünften Wagenknechts abzieht, ist die Luft erst mal raus. Es bleiben dann noch 48.307 Euro für mehr als zwei Jahre übrig. Die verteilen sich auf eine Handvoll Veranstaltungen und Vorträge, die allesamt nicht mit ihrer politischen Tätigkeit kollidieren. Auch das ist sehr viel Geld, aber für Spitzenpolitiker keineswegs ungewöhnlich. Wir erinnern uns: Peer Steinbrück kassierte 1,25 Millionen Euro an Vortragshonoraren. Diese Honorare mit denen von Sahra Wagenknecht zu vergleichen, wäre jedoch nicht nur angesichts der unterschiedlichen Dimensionen nicht statthaft. Anders als bei Wagenknecht gab es bei Steinbrück nämlich sehr wohl einen direkten Interessenkonflikt zwischen den kassierten Honoraren und der politischen Tätigkeit. Steinbrück kassierte Geld von Unternehmen, die direkt von seinen Entscheidungen als Bundesfinanzminister profitierten – Banken, Versicherungen, internationale Großkanzleien. Und das nicht erst als „Politrentner“, sondern vor seiner Kanzlerkandidatur. Man könnte die fürstlichen Honorare von Steinbrück also durchaus als ein „Dankeschön“ der Finanzbranche für politisches Entgegenkommen bewerten. Bei den wenigen Vorträgen von Sahra Wagenknecht fehlt selbst ihren Kritikern die Fantasie, einen ähnlichen Zusammenhang zu konstruieren. Warum also all die Aufregung? Die Antwort liegt auf der Hand. Man nutzt jede noch randseitige Gelegenheit, um die Kampagne gegen Sahra Wagenknecht am Köcheln zu halten. Und da passen fast 800.000 Euro Nebeneinkünfte natürlich gut ins Konzept – zumal Wagenknecht, wie RTL es formuliert, doch eigentlich „die Rechte der Menschen mit kleinem Einkommen vertreten will“. Von solchen Summen „können die Menschen nur träumen, für die sie sich angeblich einsetzt“ – so RTL. Da war es wieder; das immer wieder als rhetorische Kampfansage von der Bürgerlich-Rechten ins Spiel gebrachte Märchen, dass Politiker, die gegen Armut und soziale Ungerechtigkeit kämpfen, ja „logischerweise“ selbst arm sein müssten. Wasser predigen und Wein saufen, so etwas geht aber nun wirklich nicht. Dabei wissen wir gutgläubigen Medienkonsumenten doch, dass so ein linker Kommunist in der Platte wohnen, seine privaten Reisen mit dem Sozialticket des öffentlichen Personennahverkehrs unternehmen und seinen Urlaub – wenn überhaupt! – auf einem Campingplatz in der Nähe von Bitterfeld verbringen muss. Wer gegen Armut ankämpft, muss selbst arm sein – alles andere sprengt schließlich unser kleinbürgerliches Weltbild. Aber wer sagt eigentlich, dass ein „Linker“ arm sein und allen weltlichen Vergnügungen abschwören muss? Ist die Linkspartei etwa ein Bettelorden? Darf man nur dann linke Positionen vertreten, wenn man sich in Sack und Asche hüllt? Wann darf man eigentlich neoliberale Positionen vertreten? Muss ein FDP-Abgeordneter mindestens 100.000 Euro pro Jahr bei seinen Nebentätigkeiten verdienen, um glaubwürdig zu sein? Karl Marx war Angehöriger des Bildungsbürgertums, Friedrich Engels, Ferdinand Lassalle, Lenin und Che Guevara waren sogar waschechte Großbürger. Wer käme auf die Idee, ihnen ihre „linke Gesinnung“ qua Klassenzugehörigkeit abzusprechen? Wahrscheinlich der Vorstand der Linkspartei. Okay, keine weiteren Fragen. Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier. Titelbild: photocosmos1/shutterstock.com | Jens Berger | Die Kritik an den gestern von verschiedenen Medien veröffentlichten Nebeneinkünften der (Noch-)Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ist an Absurdität kaum zu übertreffen. Schließlich stammen die – durchaus fürstlichen – Gelder nicht aus Tätigkeiten, die potenziell im Konflikt mit ihrer politischen Tätigkeit stehen, sondern nahezu ausschließlich aus den Honoraren ihres erfolgreichen Buches „Die ... | [
"Nebeneinkommen",
"Steinbrück, Peer",
"Wagenknecht, Sahra"
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"Audio-Podcast",
"einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte",
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] | 22. März 2023 10:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=95316 |
Ein ganz großes und herzliches Dankeschön geht an unsere Förderer/innen und Hinweisgeber. Ohne Sie wäre die Arbeit für die NachDenkSeiten nicht möglich. | Jeden Tag und jede Nacht erhalten wir von unseren Leserinnen und Lesern Informationen und Links zu interessanten Medienereignissen. Das ist eine unglaublich gute Vorleistung für die Hinweise des Tages wie auch für unsere Analysen. Wir können sie zusammen mit jenen Mitarbeitern, die die Hinweise zusammenstellen, deshalb verarbeiten und umsetzen und ins Netz stellen, weil der Förderverein IQM e.V. der NachDenkSeiten von Ihnen großzügig unterstützt wird. Für alles danken wir im Namen aller Mitwirkenden und im Namen der Leserinnen und Leser. Albrecht Müller
Die weite Verbreitung der NachDenkSeiten verdanken wir im wesentlichen unseren Leserinnen und Lesern. Sie sagen weiter, dass es die kritische Quelle an Informationen, dass es die NachDenkSeiten gibt. Hier ist unser Dank immer auch zugleich mit der Bitte verbunden, weiter so zu verfahren, also zum Beispiel Artikel, die Ihnen etwas bringen, auch an andere weiter zu mailen. Der Förderverein lebt von vielen kleinen Spenden. Ein paar mittelgroße Spenden sind auch dabei. Aber sie machen, so großartig wir sie finden, nicht die Mehrheit aus. Alle zusammen garantieren die Unabhängigkeit unserer Arbeit. Diese ist wichtig. Und diese Unabhängigkeit führt wohl auch dazu, dass wir mit viel Sympathie und freundlichen Mails immer wieder neu verwöhnt und motiviert werden. Das ist leider notwendig. Denn die politischen Verhältnisse und die Leistung der Medien sind ja alles andere als motivierend. Wir nutzen die Gelegenheit dieses kleinen Dankeschöns an Sie gleich noch zum nochmaligen Hinweis auf eine wichtige Information zu den NachDenkSeiten, die wir „Gebrauchsanweisung“ genannt haben. Oder auch „Tipps für die Nutzung der NachDenkSeiten“. Siehe hier. Alles gute und herzliche Grüße Albrecht Müller (Herausgeber und Vorsitzender Förderverein)
Lars Bauer (Webmaster und Stellv. Vors. Förderverein)
Jens Berger (Redakteur und Stellv. Vors. Förderverein),
auch im Namen aller anderen Mit-Macher | Albrecht Müller | Jeden Tag und jede Nacht erhalten wir von unseren Leserinnen und Lesern Informationen und Links zu interessanten Medienereignissen. Das ist eine unglaublich gute Vorleistung für die Hinweise des Tages wie auch für unsere Analysen. Wir können sie zusammen mit jenen Mitarbeitern, die die Hinweise zusammenstellen, deshalb verarbeiten und umsetzen und ins Netz stellen, weil der Förderverein IQM e. ... | [
"Danksagung",
"in eigener Sache"
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"Aufbau Gegenöffentlichkeit"
] | 06. Mai 2016 13:56 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=33280&share=email |
Deutschland ist Schlusslicht bei IWF-Konjunkturprognose und Robert Habeck sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht | „Das wird Russland ruinieren“ – mit diesem denkwürdigen Satz läutete Außenministerin Baerbock im Februar letzten Jahres das erste Sanktionspaket der EU gegen Russland ein. Heute, eineinhalb Jahre später, zeigen die aktuellen Prognosen des IWF, das nicht etwa Russland, sondern Deutschland der eigentliche ökonomische Verlierer der eigenen Sanktionen ist. Für Leser der NachDenkSeiten kommt diese Nachricht nicht gerade überraschend. Wirtschaftsminister Habeck redet sich indes die Zahlen schön und hat dabei noch nicht einmal im Ansatz verstanden, warum die deutsche Volkswirtschaft schwächelt. Nun zeigt sich, dass unsere Entscheider vom neoliberalen Zeitgeist derart vernebelt sind, dass keine Besserung in Sicht ist. Ein Kommentar von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Deutschlands Volkswirtschaft schrumpft. Für das laufende Jahr prognostiziert der IWF Deutschland ein negatives Wachstum – was für ein schönes Wort – von 0,3 Prozent. Damit korrigierte der IWF seine ohnehin schon negative Prognose für Deutschland noch einmal um 0,2 Prozentpunkte nach unten. Deutschland ist damit die einzige entwickelte Volkswirtschaft, der vom IWF überhaupt ein Rückgang der Wirtschaftsleistung vorhergesagt wird. Sogar das kriselnde Großbritannien steht mit immerhin 0,4 Prozent Wachstum besser da. Quelle: WELT Ein Schlag ins Gesicht der deutschen Regierung wird vor allem die IWF-Prognose für Russland sein. Hier korrigierte der IWF seine Prognose um ganze 0,8 Prozentpunkte nach oben und sagt nun ein Wachstum von 1,5 Prozent voraus. Das ist durchaus bemerkenswert, da die meisten Ökonomen die auch im letzten Jahr vergleichsweise robuste russische Wirtschaftsentwicklung monokausal mit den hohen Weltmarktpreisen für Rohstoffe erklärt haben. 2023 haben die Preise jedoch deutlich nachgegeben und die westlichen Staaten hofften nun, dass ihre Sanktionen doch noch zeitverzögert Wirkung zeigen. Dem ist nicht so, wie der IWF nun schwarz auf weiß feststellt. Zeitverzögert wirken die Sanktionen jedoch auf Deutschland. Warum ausgerechnet Deutschland von den Entwicklungen am härtesten betroffen ist, ist nun Gegenstand hitziger Debatten. Wirtschaftsminister Habeck, dessen Ministerium im Frühjahr noch von 0,4 Prozent Wachstum ausgegangen ist, sieht keinen Grund für eine „German Angst“ und zeigt dabei, dass er die Gründe für die deutsche Rezession nicht einmal im Ansatz verstanden hat. Zwar nennt er die steigenden Energiepreise – was auch nicht gerade besonders originell ist – als Grund, bezieht dies jedoch einseitig auf die Industrie und deren Exporte. Selbstverständlich haben die gestiegenen Energiepreise eine negative Auswirkung auf diesen Sektor. Für die konjunkturelle Gesamtentwicklung ist der Exportsektor jedoch nur ein – vergleichsweise kleiner – Teil. Eine viel größere konjunkturelle Auswirkung dürfte die gebremste Binnennachfrage haben. Durch die höheren Energiepreise und die allgemeinen Preissteigerungen haben die Menschen hierzulande deutlich weniger Geld in der Tasche und können daher weniger ausgeben. Die Ausgaben der Privathaushalte sind auf der anderen Seite die Einnahmen der Unternehmen. Dieser Zusammenhang ist eigentlich doch nicht so schwer zu verstehen. Schaut man sich nun die Unternehmensseite an, gibt es dort einen doppelten Schock. Auf der einen Seite haben sich (Energie, Vorprodukte usw.) die Kosten erhöht und auf der anderen Seite sind die Einnahmen (wegbrechende Binnennachfrage, Rückgang der Exporte) zurückgegangen. Die negative Geschäftsentwicklung lässt freilich auch die Investitionen zurückgehen. Dies ist in Kombination der eigentliche Grund für die schlechte konjunkturelle Entwicklung. Die zu erkennen, ist nun wirklich keine Raketenwissenschaft und gerade von einem Wirtschaftsminister sollte man schon erwarten, dass er die Zusammenhänge kennt. Doch Robert Habecks wirtschaftswissenschaftliche Expertise ist nun einmal überschaubar. Man muss davon ausgehen, dass er auch nur das nachplappert, was ihm seine Mitarbeiter und Berater einflüstern. Und in Deutschland hat man ja „gelernt“, dass Wirtschaft gleich Export ist und allein schon der Begriff „Binnennachfrage“ ist ohnehin verpönt. Man denkt nur noch angebotstheoretisch, die nachfragetheoretische Sicht ist seit dem Siegeszug des Neoliberalismus nicht mehr gefragt. Diese neoliberale Indoktrination ist nun schon so weit fortgeschritten, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Doch nur wer das Problem erkennt, ist auch fähig, Lösungen zu finden. Die Lösung für das konjunkturelle Problem der deutschen Volkswirtschaft liegt dabei auf der Hand. Wenn das schrumpfende verfügbare Einkommen in Kombination mit steigenden Preisen die Ursache ist, ist ein steigendes verfügbares Einkommen in Kombination mit sinkenden Preisen die Lösung. Die EZB könnte die Zinsen senken, die Bundesregierung dafür sorgen, dass die Energiekosten wieder sinken. Doch was wird gemacht? Das genaue Gegenteil. Die EZB erhöht die Zinsen bei jeder ihrer Sitzungen, EU und Bundesregierung wollen über die Ausweitung des Emissionshandels auf die Bereiche Gebäude und Verkehr die Energiekosten abermals in die Höhe treiben. Auf dass die nächste IWF-Prognose Deutschland abermals die Rote Laterne verleiht. Leserbreife zu diesem Beitrag finden Sie hier. Titelbild: Screencap Tagesschau | Jens Berger | „Das wird Russland ruinieren“ – mit diesem denkwürdigen Satz läutete Außenministerin Baerbock im Februar letzten Jahres das erste Sanktionspaket der EU gegen Russland ein. Heute, eineinhalb Jahre später, zeigen die aktuellen Prognosen des IWF, das nicht etwa Russland, sondern Deutschland der eigentliche ökonomische Verlierer der eigenen Sanktionen ist. Für Leser der NachDenkSeiten kommt diese ... | [
"Binnennachfrage",
"Habeck, Robert",
"Inflation",
"IWF",
"Rezession",
"Wirtschaftssanktionen",
"Zinspolitik"
] | [
"Audio-Podcast",
"Neoliberalismus und Monetarismus",
"Wichtige Wirtschaftsdaten",
"Wirtschaftspolitik und Konjunktur"
] | 27. Juli 2023 11:26 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=101717&share=email&nb=1 |
Versand Spendenbescheinigungen 2022 und Weiteres | Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit unseres Fördervereins IQM e.V. belastet nicht nur die Redaktion der NachDenkSeiten, sondern auch unsere Spendenverwaltung beachtlich. Aus diesem Grund schaffen wir es in diesem Jahr nicht wie gewohnt, die Spendenbescheinigungen für das Jahr 2022 bereits in der ersten Januarwoche 2023 zu versenden. Wir bitten Sie hiermit um etwas Geduld.
In diesem Zusammenhang möchten wir Sie auch nochmals herzlich bitten, Ihre besondere Jahresspende 2022 auf den Januar 2023 zu verlegen und dabei unsere neue Bankverbindung zu beachten: Kontoinhaber: IQM e.V. NachDenkSeiten BZA
IBAN: DE54548913000001214713
IBAN (leserlich): DE54 5489 1300 0001 2147 13
BIC: GENODE61BZA (Bad Bergzabern)
Kreditinstitut: VR Bank Südliche Weinstraße-Wasgau Damit die Arbeit der NachDenkSeiten auch im neuen Jahr 2023 sofort und konstruktiv weitergehen kann, benötigen wir mehr denn je auch gleich zum Jahresanfang Ihre Unterstützung. Hinweis: Sollten Sie bereits an unserem Lastschriftverfahren teilnehmen, müssen Sie keine Änderungen vornehmen. Dies geschieht bereits automatisch von unserer Seite aus. Herzliche Grüße
Förderverein IQM e.V. und Herausgeber der NachDenkSeiten | Redaktion | Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit unseres Fördervereins IQM e.V. belastet nicht nur die Redaktion der NachDenkSeiten, sondern auch unsere Spendenverwaltung beachtlich. Aus diesem Grund schaffen wir es in diesem Jahr nicht wie gewohnt, die Spendenbescheinigungen für das Jahr 2022 bereits in der ersten Januarwoche 2023 zu versenden. Wir bitten Sie hiermit um etwas Geduld.
In diesem Zusamme ... | [
"in eigener Sache"
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"Aufbau Gegenöffentlichkeit"
] | 29. Dezember 2022 12:04 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=91985&share=email&nb=1 |
Die Ausreden der Reformer werden immer bunter | Die Reformer haben seit langem das Problem, dass ihre Reformen die versprochenen Wirkungen nicht haben. Das gilt zum Beispiel für die vielen Steuersenkungen und Steuerreformen von Kohl über Schröder bis zu Merkel, es gilt für die vielen Entscheidungen zum Abbau von Sozialstaatlichkeit wie zum Beispiel Hartz I bis IV und die damit verbundene Agenda 2010. Die Reformer haben die Wirkungslosigkeit häufig damit übertüncht, dass sie beklagten, die Reformen seien nicht weit genug gegangen. Und sie empfahlen, die Dosis zu erhöhen. Oder sie haben die Schuld für das Versagen bei den Opfern gesucht. Typisch dafür war der Angriff des früheren Wirtschaftsministers Clement auf die Hartz IV-Empfänger. Sie wurden von ihm vor einem Jahr schon, als das Scheitern von Hartz IV erkennbar war, als Abzocker gebrandmarkt.
Immer wieder haben die Reformer ihre Erfolglosigkeit auf die angebliche Blockade durch unser politisches System und die geltende Verfassung geschoben. Der Föderalismus war schuld. Deshalb beschlossen sie eine Föderalismusreform und fordern noch eine weitergehende. Zum Thema Blockade gibt es jetzt neue Variationen der Strategie von Ausreden und Alibis.
Professur Sinn aus München schrieb am 4.9. in der „Welt“: „Die wirkliche Erklärung für Deutschlands politische Stagnation ist, dass es einfach keine Mehrheit für liberale Reformen gibt, denn solche Reformen würden zunächst zu viele Verlierer mit sich bringen.“ Diese Behauptung hat nahezu keinen realen Kern. Denn es ist ja geradezu ein Merkmal der Politik in den letzten Jahren, dass permanent Reformen gegen die Interessen der Mehrheit gemacht wurden und werden: der Mehrheit hat man mit Hartz IV de facto das Vertrauen in die Arbeitslosenversicherung genommen, man verlangt 3% zusätzliche Mehrwertsteuer und senkt die Steuern für die hohen Einkommen und Vermögen, man subventioniert die Minijobs und reduziert die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse, die Löhne stagnieren seit über 10 Jahren und die Managergehälter wachsen exponentiell, und so weiter und sofort. In den Blut-Schweiß-und-Tränen-Reden unserer Wortführer wurde dieses Verhalten, diese immer währende Aggression gegen die Schwächeren, obendrein zu adeln versucht. Und dann kommt angesichts dieser Realität ein Münchner Professor daher, und behauptet, für das, was er liberale Reformen nennt, gäbe es keine Mehrheit. Unseren Meinungsführern und den politisch Entscheidenden ist die Mehrheitsmeinung ziemlich egal, solange sie in den Medien und mit den Medien eine Stimmung gegen die Interessen der Mehrheit zu organisieren vermögen. Das ist die Realität. Mit dem Kern von Demokratie hat das alles nichts mehr zu tun, wie übrigens auch die Klage von Herrn Professor Sinn ein eigenartiges Verständnis von Demokratie offenbart. Die Behauptung von Hans-Werner Sinn hat mit der Realität nichts zu tun, aber sie erleichtert die Herrschenden, weil sie wieder nicht gezwungen werden nachzudenken. „Die Mehrheit ist halt dagegen, deshalb scheitern wir“, so oder ähnlich lautet die entlastende Denke. Man muss und kann deshalb die Äußerung von Sinn nicht als Versuch zur Erklärung der Realität werten. Sie hat Alibicharakter. Die im kollektiven Wahn befindlichen Eliten bekommen von Herrn Sinn eine Art seelischer Erleichterung serviert. Von Sinns Beobachtung ist es dann nicht mehr weit bis zu der Forderung jenes Libertären Instituts, den Netto-Empfängern von staatlicher Unterstützung das Wahlrecht zu entziehen. | Albrecht Müller | Die Reformer haben seit langem das Problem, dass ihre Reformen die versprochenen Wirkungen nicht haben. Das gilt zum Beispiel für die vielen Steuersenkungen und Steuerreformen von Kohl über Schröder bis zu Merkel, es gilt für die vielen Entscheidungen zum Abbau von Sozialstaatlichkeit wie zum Beispiel Hartz I bis IV und die damit verbundene Agenda 2010. Die Reformer haben die Wirkungslosigkeit ... | [
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Chronik eines unnötigen Krieges: Wie der Westen Russland provozierte und den Frieden verspielte | Scott Hortons 900-seitiges Meisterwerk “Provoked: How Washington Started the New Cold War with Russia and the Catastrophe in Ukraine“ (Provoziert – Wie Washington den neuen Kalten Krieg mit Russland und die Katastrophe in der Ukraine begann) ist ein enorm wichtiges Werk, das akribisch dokumentiert, wie drei Jahrzehnte westlicher Einkreisung den Einmarsch Russlands in die Ukraine provozierten. Diese ausführliche Rezension von Michael Holmes soll einen breiten und umfassenden Überblick über die vielen Verbrechen, Fehleinschätzungen und Versäumnisse auf allen Seiten geben, die in einen unnötigen Krieg mündeten. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Dieser Artikel liegt auch als gestaltetes PDF vor. Wenn Sie ihn ausdrucken oder weitergeben wollen, nutzen Sie bitte diese Möglichkeit. Weitere Artikel in dieser Form finden Sie hier. Scott Horton, Redaktionsleiter von Antiwar.com, ist vor allem dafür bekannt, dass er über 6.000 tiefgehende Interviews mit Experten zur US-Außenpolitik geführt hat. Sein beeindruckendes neues Buch “Provoked“ ist eine monumentale Anklageschrift gegen die Torheiten der westlichen Außenpolitik, in der er nachzeichnet, wie die NATO-Erweiterung und die Regimewechselkriege Russlands Feindseligkeit geschürt haben. Anhand von Tausenden von Quellen zeigt Horton überzeugend, dass das westliche Handeln – getarnt als Verteidigung der Demokratie – Moskaus Reaktion provozierte. Von den gebrochenen Versprechen der NATO bis hin zur Bewaffnung von Extremisten entlarvt Horton ein Muster westlicher Heuchelei, das Russland als expansionistischen Aggressor darstellt und gleichzeitig Friedensgespräche in der Ukraine sabotiert. Das Buch ist keine Verteidigung von Putins Regime, sondern eine forensische Untersuchung darüber, wie westliche Überheblichkeit und ideologische Hybris den Optimismus nach dem Kalten Krieg in ein nukleares Patt verwandelten. Mit der Präzision eines Historikers und der Hartnäckigkeit eines Enthüllungsjournalisten stellt Horton die gängige Darstellung Russlands als alleinigen Verursacher globaler Instabilität in Frage und argumentiert stattdessen, dass die Politik der USA und der NATO die Konflikte von Tschetschenien bis zum Donbass verschärfte. Durch die Verflechtung von Diplomatendepeschen, freigegebenen Staatsdokumenten, Zeugenaussagen und historischen Analysen zu einer ebenso fesselnden wie beunruhigenden Erzählung ermutigt Horton die Leser, die Mythen zu hinterfragen, die uns zu zerstören drohen. Dieses gründlich recherchierte Buch stützt sich auf Experten, Diplomaten und politische Entscheidungsträger, um seine Argumente zu belegen. Jede zentrale Behauptung wird mit Zitaten und Daten aus unanfechtbaren Quellen untermauert, selbst von etablierten Persönlichkeiten und Presseorganen. Hortons Rückgriff auf von der breiten Öffentlichkeit respektierte Stimmen, gepaart mit detaillierten Archivrecherchen, verleiht “Provoked“ eine seltene Autorität und verwandelt ein Buch, das sich als konträrer Revisionismus lesen könnte, in eine unwiderlegbare Gegenerzählung. Hortons scharfe Analyse und sein schwarzer Humor machen “Provoked“ so überzeugend. Dies ist keine Polemik, sondern eine tiefgehende Analyse der eigenen Aufzeichnungen des Westens, um seine Fehltritte aufzudecken. NATO-Erweiterung: Die Saat des russischen Misstrauens Scott Horton zeigt überzeugend, dass Russlands tiefsitzendes Misstrauen gegenüber dem Westen das Ergebnis einer Reihe bewusster politischer Entscheidungen des Westens war, zu denen vor allem die unerbittliche Osterweiterung der NATO gehörte. Als sich der Kalte Krieg dem Ende zuneigte, versicherten die Staats- und Regierungschefs der USA und Europas den sowjetischen Vertretern, dass die NATO “keinen Zentimeter nach Osten” vorrücken würde, wenn Moskau die deutsche Wiedervereinigung zuließe. Bei diesen Zusagen handelte es sich nicht um vage diplomatische Nettigkeiten, sondern um ausdrückliche Zusicherungen, die von hochrangigen westlichen Vertretern, darunter der amerikanischer Außenminister James Baker III und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl, abgegeben wurden. Horton durchforstet akribisch freigegebene Dokumente und Berichte aus erster Hand, um zu zeigen, dass es sich dabei nicht um beiläufige Bemerkungen, sondern um sorgfältig formulierte Versprechen handelte, die eine kollabierende Sowjetunion beruhigen sollten. Horton argumentiert nachdrücklich, dass der Verrat dieser Zusicherungen nicht nur ein diplomatischer Fehler war, sondern eine tiefgreifende strategische Fehlkalkulation, die die russische Paranoia schürte. Im Gegensatz zu der karikaturhaften Darstellung der russischen Staats- und Regierungschefs, die der westlichen Integration angeblich von Natur aus feindlich gegenüberstanden, hebt Horton die Tatsache hervor, dass Michail Gorbatschow, Boris Jelzin und sogar Wladimir Putin zu verschiedenen Zeitpunkten offen dafür waren, dass Russland selbst Teil der NATO wird. Sie alle drängten darauf, eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur zu schmieden, die sowohl Russland als auch Europa umfasst. Sie bestanden darauf, dass Russland als gleichberechtigter Partner behandelt wird. All diese Vorschläge wurden von den USA systematisch ignoriert oder zurückgewiesen, die stattdessen eine imperiale Agenda verfolgten, die die europäische Sicherheitslandschaft grundlegend veränderte. Horton beschreibt detailliert, wie die NATO-Erweiterung in verschiedenen Wellen erfolgte, die jeweils die Überzeugung Moskaus verstärkten, dass der Westen Russland eher als besiegten Gegner denn als Partner betrachtete. Die erste Welle erfolgte 1999, als Polen, Ungarn und die Tschechische Republik offiziell der NATO beitraten – ein Schritt, den George Kennan, der Architekt der Eindämmungspolitik des Kalten Krieges, als einen „strategischen Fehler von möglicherweise epischem Ausmaß” anprangerte. Zu dieser Zeit galt Kennan in Washington als „der weiseste und ranghöchste der außenpolitischen Graubärte”. Er sagte voraus, dass die NATO-Erweiterung „zu einem neuen Kalten Krieg führen würde, der wahrscheinlich in einem heißen Krieg enden würde, und zum Ende der Bemühungen um eine funktionierende Demokratie in Russland”. Seine Worte klingen wie eine Prophezeiung: „Natürlich wird es eine böse Reaktion Russlands geben, und dann werden [die NATO-Erweiterer] sagen, dass wir euch immer gesagt haben, dass die Russen so sind.” Horton zitiert Dutzende renommierter außenpolitischer Koryphäen, Russlandexperten und Diplomaten, die in unmissverständlichen Worten davor warnten, dass die Ostexpansion der NATO die Ängste Russlands schüren, Europa destabilisieren, Russlands liberale Opposition schwächen und den Weg für katastrophale Konfrontationen ebnen würde. Er zeigt, dass Präsident Clintons Verteidigungsminister William Perry wegen dieser Entscheidung beinahe zurückgetreten wäre. Im Jahr 2016 sagte Perry dem Guardian: Die zweite Welle im Jahr 2004 war sogar noch provokativer und brachte die baltischen Staaten – Estland, Lettland und Litauen – sowie die Slowakei, Rumänien, Bulgarien und Slowenien ins Bündnis. Zum ersten Mal grenzten die NATO-Streitkräfte nun direkt an Russland. Bis 2009 hatte das Bündnis Albanien und Kroatien aufgenommen, wodurch das Vertrauen zwischen Moskau und dem Westen weiter untergraben wurde. Mit der Aufnahme Montenegros 2017 und Nordmazedoniens 2020 setzte sich das Muster fort. Jede weitere Welle der NATO-Erweiterung verstärkte die Entschlossenheit Moskaus, aber die NATO-Gipfelerklärung von Bukarest 2008, die eine spätere Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens in Aussicht stellte, eskalierte die Konfrontation auf ein existenzielles Niveau. Horton zitiert ein entscheidendes Telegramm des US-Botschafters in Russland William Burns an Außenministerin Rice vom April 2008, in dem Burns warnte: Horton behauptet, dass die westlichen Staats- und Regierungschefs diese Warnungen entweder vorsätzlich ignorierten oder ihre Bedeutung unterschätzten, indem sie dem expansionistischen Dogma der NATO nach dem Ende des Kalten Krieges Vorrang vor der Stabilität einräumten. Anstatt eine ausgewogene Sicherheitsarchitektur anzustreben, stellte die NATO jede neue Erweiterung als eine organische, demokratische Entscheidung souveräner Staaten dar. Horton demontiert diese Darstellung wirkungsvoll und zeigt, dass das Wachstum der NATO ein ideologisches Projekt war, das von einer Washingtoner Elite vorangetrieben wurde, die sich an ihrem „unipolaren Moment” berauschte. Der Glaube, dass Russland an den Rand gedrängt werden könne, schürte eine Arroganz, die die Grundprinzipien der Realpolitik ignorierte. Anstatt Russland in einen kooperative Sicherheitsrahmen einzubinden, betrachteten die westlichen Politikeliten die NATO als einen exklusiven Club, der Moskau Bedingungen diktierte. Horton zeigt, dass dieser abweisende Ansatz Russland entfremdete und nationalistische Gruppierungen im Land stärkte. Die anfängliche Reaktion Moskaus auf die NATO-Erweiterung war relativ zurückhaltend, und zwar nicht, weil es den neuen Status quo akzeptierte, sondern weil es in den 90er-Jahren nicht über die Mittel verfügte, sich dagegen zu wehren. Jelzin, der verzweifelt auf die wirtschaftliche Unterstützung des Westens angewiesen war, war nicht in der Lage, die Entscheidungen Washingtons in Frage zu stellen, obwohl er davor warnte, dass das Vordringen der NATO nach Osteuropa ein Vertrauensbruch sei. Doch als Russland unter Putin wieder auf die Beine kam, verfestigten sich die über Jahre aufgestauten Missstände zu einer Doktrin des Widerstands. Horton argumentiert überzeugend, dass der Westen, indem er Russlands wiederholte diplomatische Annäherungsversuche und eindeutige Warnungen ignorierte, systematisch genau die Feindseligkeit schürte, die er später einzudämmen vorgab. Horton unterstreicht, dass die potenzielle NATO-Mitgliedschaft der Ukraine für Russland eine existenzielle Grenze darstellt, die ihre Wurzeln in einer traumatischen Geschichte von Invasionen an der Westgrenze des Landes hat – einer weiten, offenen Ebene ohne natürliche Hindernisse wie Gebirge oder große Flüsse. Er weist darauf hin, dass diese Region, die die heutige Ukraine und Weißrussland umfasst, als Invasionskorridor für drei katastrophale Feldzüge diente: Napoleons Marsch auf Moskau 1812, der Vorstoß des kaiserlichen Deutschlands nach Russland 1914-1917 während des Ersten Weltkriegs und Hitlers Operation Barbarossa 1941, die den tödlichsten Konflikt in der Geschichte der Menschheit auslöste. Der Einmarsch der Nazis kostete schätzungsweise 27 Millionen Sowjetbürgern das Leben, während die Belagerung von Leningrad – dem heutigen St. Petersburg –, wo Putins eigener Bruder Viktor während der Hungersnot umkam, über eine Million Menschenleben forderte. Für Moskau, so Horton, lässt das Vordringen der NATO in die Ukraine diese Traumata wieder aufleben, verstärkt durch das Auftreten ukrainischer Neonazi-Bataillone, die sich offen auf die Ikonographie des Dritten Reichs berufen. Der persönliche Verlust Putins und die kollektive Erinnerung Russlands an die Gräueltaten der Nazis machen die Annäherung Kiews an den Westen zu einem existenziellen Verrat – ein Schauplatz für feindliche Kräfte, die die Geschichte zu wiederholen drohen. Horton zeigt, dass die NATO die Ukraine zu einem De-facto-Mitglied machte, indem sie die Interoperabilität ihrer Waffensysteme erhöhte und ihre Kriegsstrategien und -taktiken koordinierte. Durch die Stationierung von Militärberatern, Geheimdienstmitarbeitern und Waffen in einer Region, die seit jeher für existenzbedrohende Invasionen steht, verschmolz die NATO unwissentlich geopolitische Manöver des 21. Jahrhunderts mit Russlands jahrhundertealten Überlebensinstinkten und verwandelte diplomatische Streitigkeiten in eine unversöhnliche Konfrontation. Horton übt scharfe Kritik an einer charakteristischen Pathologie der US-Außenpolitik: der Unfähigkeit amerikanischer Politiker, sich in die Perspektive des Gegners hineinzuversetzen – zu begreifen, dass Washingtons Handlungen von Rivalen nicht als wohlwollende Führung, sondern als existenzielle Bedrohung wahrgenommen werden. Er erinnert daran, dass die Monroe-Doktrin jedem Land auf dem amerikanischen Kontinent mit Krieg droht, wenn es sich mit einer feindlichen Großmacht verbündet. Die USA haben diese Doktrin oft durchgesetzt. Horton fügt hinzu: „Und vergessen Sie die Einschränkungen der Monroe-Doktrin in Bezug auf Amerika. Auch jede Nation der Alten Welt muss sich dem Imperium beugen.” Er bespricht Untersuchungen, die stark auf eine Beteiligung der USA oder der Ukraine an der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines 2022 hindeuten – dem folgenreichsten Angriff auf die deutsche Souveränität seit 1945: „Unabhängig davon, ob Biden oder Selenskyjs Truppen es getan haben, war es ein Angriff auf unseren Verbündeten Deutschland.” Westliche Einmischung, Schocktherapie und Farben-Revolutionen Scott Horton beschreibt detailliert, wie die enthusiastische und massive Unterstützung des Westens für Boris Jelzins korrupten und autoritären Gangsterstaat in Verbindung mit der vom IWF auferlegten brutalen Schocktherapie zur totalen wirtschaftlichen Zerstörung und zum Aufstieg der Oligarchenherrschaft in Russland führte. Er zeigt auf, dass westliche Regierungen das Jelzin-Regime auch nach der gewaltsamen Niederschlagung des russischen Parlaments im Jahr 1993 – einem militärischen Angriff, bei dem Panzer das Parlament beschossen und mindestens 187 Menschen töteten – weiterhin unterstützten und dabei der geopolitischen Stabilität und radikalen Marktreformen den Vorrang gaben. Die rasche Privatisierung, die extremen Sparmaßnahmen und die epische Korruption lösten einen wirtschaftlichen Zusammenbruch von historischem Ausmaß aus, bei dem die Lebenserwartung drastisch sank. Horton zitiert eine Studie eines renommierten Experten, der „3,4 Millionen vorzeitige russische Todesfälle zwischen 1990 und 1998” schätzt. Diese eklatante Einmischung in die russische Politik schürte in der russischen Öffentlichkeit tiefe Ressentiments und Misstrauen gegenüber dem Westen und brachte die liberalen Reformer in Misskredit. Aus diesem Chaos heraus entwickelte sich Putin zu einer starken Führungspersönlichkeit. Er wurde als Wiederhersteller von Sicherheit, Einheit und Wohlstand wahrgenommen. Trotz seines derzeitigen Rufs im Westen bemühte sich Putin anfangs sehr um gute Beziehungen zu den westlichen Mächten. Die “Demokratieförderungs”-Maschinerie des Westens hat die Souveränität vieler Länder in Osteuropa, auf dem Balkan, im Kaukasus und in Zentralasien eklatant verletzt. Horton analysiert die von den USA finanzierten Farben-Revolutionen in Serbien, Georgien, der Ukraine, Kirgisistan, Weißrussland und anderen Ländern, die als Volksaufstände dargestellt werden, aber oft von der National Endowment for Democracy (NED) und USAID sowie anderen von westlichen Regierungen und der Soros-Stiftung finanzierten Organisationen inszeniert wurden. Er zeigt überzeugend, dass die westliche Unterstützung für die politische Opposition und die pro-westlichen Medien bei den meisten dieser Revolutionen von entscheidender Bedeutung war. Diese oft gewalttätigen Bewegungen ersetzten autoritäre Regime durch pro-westliche Gegenstücke, die ebenso repressiv waren. Der georgische Präsident Micheil Saakaschwili, der nach der Rosenrevolution von 2003 als Reformer gefeiert wurde, ließ Oppositionelle inhaftieren und Gefangene foltern. Die Orangene Revolution von 2004 in der Ukraine brachte eine pro-westliche nationalistische Regierung an die Macht, die ebenso korrupt war wie die alte – ihre Führer Juschtschenko und Timoschenko gingen in erbitterten Machtkämpfen schnell aufeinander los. In Kirgisistan stürzte die Tulpenrevolution 2005 einen korrupten, autoritären Führer, nur um einen anderen einzusetzen, der den USA erweiterten militärischen Zugang gewährte. Horton dokumentiert die unerschütterliche Unterstützung des Westens für autoritäre Herrscher wie Nasarbajews brutale Herrschaft in Kasachstan, das Karimow-Regime in Usbekistan, das 2005 in Andischan Hunderte von Demonstranten massakrierte, und Aserbaidschans Alijew-Dynastie, eine Kleptokratie, die abweichende Meinungen zum Schweigen bringt und die ethnische Vertreibung in Berg-Karabach betreibt, während sie gleichzeitig die NATO mit Öl versorgt. Die russische Führung, so Horton, habe die eklatante Heuchelei der westlichen Rhetorik zur Förderung der Demokratie aufgegriffen. Stellvertreterkriege: Jugoslawien, Tschetschenien, Georgien und Syrien Horton argumentiert, dass Washingtons Missachtung des Völkerrechts bei der ungenehmigten Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO (1999), der Invasion des Irak (2003) und den Regimewechsel-Kampagnen in Libyen (2011) und Syrien (2012) die russischen Eliten davon überzeugt hat, dass die “regelbasierte Ordnung” ein hohles Schlagwort ist. Moskau sah zu, wie der Westen diese Kriege als moralische Notwendigkeiten darstellte, während er ihre katastrophalen humanitären Folgen ignorierte und UN-Mandate umging. Für den Kreml waren diese Aktionen keine Ausnahmen, sondern ein Muster: aggressive Machtspiele, die Russlands Sicherheitsinteressen beiseiteschoben und die Souveränität schwächerer Staaten mit Füßen traten. Diese Wahrnehmung westlicher Heuchelei, so zeigt Horton, verhärtete Russlands Entschlossenheit, sich gegen eine Politik zu wehren, die es als existenzielle Bedrohung an seinen Grenzen ansah. Nirgendwo wird diese Dynamik deutlicher als in den Jugoslawienkriegen, wo die westliche Rhetorik der Humanität mit der brutalen Realität der Stellvertreterkriege kollidierte. Horton dokumentiert minutiös, wie die USA und Europa zwar öffentlich ethnische Säuberungen verurteilten, aber aktiv Gewaltkampagnen ermöglichten, die ihren geopolitischen Zielen entsprachen, und Friedensverhandlungen sabotierten, die ein frühes Ende der Kämpfe hätten herbeiführen können. Während der kroatischen “Operation Sturm” von 1995 – einer Militäroffensive, bei der über 200.000 Serben aus der Krajina vertrieben und zivile Konvois und Häuser beschossen wurden – versorgte die Clinton-Regierung Zagreb mit Satellitennachrichten und militärischer Ausbildung und stellte die Operation als “Befreiung” dar, obwohl sie eindeutig an die ethnischen Säuberungen der faschistischen Ära erinnerte. In Bosnien bewaffneten und legitimierten westliche Mächte die bosnisch-muslimische Regierung, obwohl diese sich mit dschihadistischen Kämpfern verbündete und serbische Zivilisten massakrierte. Die Bombardierung Serbiens durch die NATO im Jahr 1999, mit der angeblich die ethnischen Säuberungen im Kosovo gestoppt werden sollten, machte diesen moralischen Bankrott noch deutlicher. Horton zeigt auf, wie der Westen die zivile Infrastruktur zerstörte und die Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) bewaffnete, die in den Drogen- und Organhandel verwickelt war und 200.000 Serben und Roma aus dem Kosovo vertrieb. Für Moskau ging es bei diesen Interventionen nicht darum, Leben zu retten, sondern die westliche Macht auszuweiten und Serbien, Russlands Verbündeten auf dem Balkan, zu demütigen. Dieses Muster der Provokation erstreckte sich auch auf den Kaukasus und den Nahen Osten, wo die US-Unterstützung für antirussische Kämpfer das Gefühl der Einkreisung Moskaus noch verstärkte. Horton argumentiert, dass Washington während des Zweiten Tschetschenienkriegs Verbündete wie Saudi-Arabien und die Türkei stillschweigend dazu ermutigte, mit dem Dschihadismus verbundene tschetschenische Rebellen zu bewaffnen und zu finanzieren. Diese Stellvertreterstrategie zielte darauf ab, das postsowjetische Russland zu destabilisieren und dessen Kontrolle über die kaspischen Ölpipelines zu blockieren. Die Golfstaaten versorgten die Rebellen über Wohltätigkeitsorganisationen mit Waffen und wahhabitischer Ideologie, während US-Beamte angeblich Ausbildungsprogramme für Kämpfer in Aserbaidschan genehmigten. Horton betrachtet Putins vernichtende Vergeltungsmaßnahmen als verzweifelte, doch verbrecherische Reaktion auf den vom Ausland unterstützten Terrorismus. Während eine gewisse Beteiligung der USA gut dokumentiert ist, bleiben Behauptungen über direkte Waffentransfers der CIA zwar plausibel, aber unbewiesen. Horton vertritt die Auffassung, dass der Georgienkrieg 2008 eine direkte Folge des rücksichtslosen Auftretens der NATO war. Auf dem Bukarester Gipfel im April dieses Jahres stellte das Bündnis Georgien und der Ukraine die zukünftige Mitgliedschaft in Aussicht. Ermutigt durch diese Garantie – und durch jahrelange militärische Hilfe und Ausbildung durch die USA – begann der georgische Präsident Micheil Saakaschwili einen Artillerieangriff auf russische Friedenstruppen in Südossetien und beschoss dessen Hauptstadt Zchinwali. Horton vertritt die Auffassung, dass Moskau mit seinem raschen Gegenschlag die Botschaft vermittelte, dass die NATO-Erweiterung nicht unwidersprochen bleiben würde. Schließlich legt Horton überzeugend dar, wie die USA und ihre Verbündeten Großbritannien, Frankreich, Saudi-Arabien, die Türkei und Katar den syrischen Bürgerkrieg verlängerten, indem sie extremistische Rebellen bewaffneten, darunter mit al-Qaida verbundene Gruppierungen wie Jabhat al-Nusra. Dieser Versuch, das Assad-Regime zu stürzen, förderte den Aufstieg von ISIS und al-Qaida und trieb Syrien 2015 an den Rand des Zusammenbruchs. Russlands Intervention, die als Aggression verurteilt wurde, wird als pragmatisch dargestellt: Sie sollte ein Übergreifen des Dschihadismus auf den Nordkaukasus verhindern und einen Verbündeten im Nahen Osten schützen. Für Horton sind diese Konflikte miteinander verknüpft: Jeder vom Westen unterstützte Regimewechsel oder völkerrechtswidrige Krieg vertiefte die russischen Ängste und rechtfertigte immer härtere und autoritärere Reaktionen. Die Ukraine: Maidan-Revolution, der Aufstieg der Rechtsextremen und die gespaltene Nation In den brisantesten Kapiteln des Buches wird der Euromaidan-Aufstand in der Ukraine von 2014 analysiert. Horton widerspricht der westlichen Darstellung und zeigt auf, wie rechtsextreme Gruppen wie der Rechte Sektor und C14 den gewaltsamen Sturz der demokratisch gewählten Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch anführten und die friedlichen Proteste in den Hintergrund drängten. Er erörtert eingehende Untersuchungen, die stark darauf hindeuten, dass die rechtsextremen Gruppen mindestens ebenso viele Menschen töteten wie die Sicherheitskräfte. Diese antisemitischen, rassistischen und homophoben Gruppierungen wurden in den Sicherheitsapparat der Ukraine nach dem Maidan integriert. Die Asow-Kämpfer trugen offen neonazistische Abzeichen, während der Staat den faschistischen Führer und Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera verherrlichte. Horton beschreibt detailliert, wie westliche Regierungen und George Soros schon Jahre vor dem Maidan beträchtliche Mittel in pro-westliche NGOs und Medien in der Ukraine steckten. Diese langfristigen Investitionen kultivierten eine politische Infrastruktur, die den Regimewechsel vorbereitete. Horton hebt das 2014 durchgesickerte Telefongespräch zwischen der stellvertretenden Außenministerin Victoria Nuland und dem US-Botschafter Geoffrey Pyatt hervor – ein offenes Gespräch über die Auswahl der ukrainischen Führung nach dem Maidan, insbesondere von Arsenij Jazenjuk, der später zum Premierminister ernannt wurde. Nach dem Putsch unterstützten die westlichen Mächte die neue Regierung mit militärischer Hilfe und Ausbildung, Geheimdienstinformationen und diplomatischem Schutz. Im Jahr 2024 enthüllte die New York Times, dass die CIA nach dem Putsch von 2014 zwölf geheime Stützpunkte in der Nähe der ukrainischen Grenze zu Russland eingerichtet hatte. Doch die westlichen Regierungen vermieden es auffallend, Kiew zu einem Kompromiss mit der entrechteten russischsprachigen Bevölkerung im Osten und Süden zu drängen. Sie schwiegen auch zu den Mitgliedern der harten Rechten in der Regierung, der Armeeführung und der Polizei. Horton weist nach, dass die USA und Kanada sogar Neonazi-Kämpfer aus Asow und anderen Regimentern ausbildeten und bewaffneten. Asow-Führer Andrij Biletsky verkündete, dass die Ukraine „die weißen Völker der ganzen Welt auf den letzten Kreuzzug um ihre Existenz führt. Ein Feldzug gegen semitisch geführte Untermenschen”. Die öffentliche Meinung, so zeigt Horton, war tief gespalten. Umfragen ergaben deutliche regionale Unterschiede: Die Westukraine unterstützte die EU-Integration und die Maidan-Revolution, während der russischsprachige Osten und Süden die kulturelle Auslöschung fürchteten. Die Politik nach dem Putsch – Verbot der russischen Sprache in Schulen, Entlassung von Pro-Janukowitsch-Beamten und Feiern für faschistische Führer – entfremdete Millionen von Menschen und heizte die Rebellion im Donbass an. Die Antwort Kiews war brutal. Milizen wie Asow beschossen wahllos zivile Gebiete im Donbass, vergewaltigten, plünderten und entführten Menschen. Die Armee setzte Luftangriffe, schwere Artillerie und Streubomben ein, während Sicherheitskräfte mutmaßliche Separatisten hinrichteten und folterten, was in Berichten der Vereinten Nationen und von Menschenrechtsorganisationen dokumentiert wurde. Kiew unterbrach auch die Versorgung der Rebellengebiete mit Wasser und Lebensmitteln. Ein Bericht der Vereinten Nationen kam zu dem Schluss, dass „die überwiegende Mehrheit der zivilen Opfer im Donbass-Krieg zwischen 2018 und 2021, etwa 81,4 Prozent, in von den Rebellen kontrollierten Gebieten zu beklagen war, während 16,3 Prozent in von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebieten zu beklagen waren.” Horton spricht Russland nicht von der Ausnutzung des Konflikts frei, betont aber, dass Kiews harte Linie, die von westlichen Beratern unterstützt wurde, politischen Dissens in einen offenen Krieg verwandelte. Er zeigt, dass die große Mehrheit der Rebellen im Osten Ukrainer waren, die Repressionen durch die neue Regierung fürchteten. Der Bürgerkrieg verwandelte sich allmählich in einen Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und Russland. Vor der russischen Invasion im Jahr 2022 „waren die Rebellen im Donbass fast ausschließlich einheimische Kämpfer”. Hortons Analyse unterstreicht das beunruhigende Abdriften der Ukraine in Richtung Autoritarismus und Illiberalismus, obwohl der Westen die Revolution von 2014 als demokratischen Durchbruch darstellte. Er dokumentiert die systematische Unterdrückung der politischen Opposition – das Verbot von Parteien, die Zensur abweichender Medien und sogar der Rückgriff auf Mordanschläge und religiöse Diskriminierung. Anstatt die oligarchische Macht abzubauen, wurde sie durch die Reformen nach dem Maidan gefestigt, wobei die Korruption trotz westlicher Milliardenhilfe auf allen Ebenen fortbesteht. Die Konsolidierung der Autorität durch die Selenskyj-Regierung vor und nach der russischen Invasion – Annullierung von Wahlen, Verhaftung von Kritikern und Zentralisierung der Kontrolle – offenbart eine weitere Tendenz zur Autokratie, die durch die Kriegsmaßnahmen noch verstärkt wurde. Horton deckt auch auf, dass die Regierung immer jüngere Männer mit oft brutaler Gewalt in die Armee zwingt. Entscheidend ist, dass er den demokratischen Niedergang der Ukraine mit der Komplizenschaft des Westens in Verbindung bringt: Indem sie geopolitischen Zielen Vorrang vor demokratischer Rechenschaftspflicht einräumten, drückten die Staats- und Regierungschefs der USA und der EU bei der Repression in Kiew beide Augen zu. Der Westen, so Horton, habe es nicht einmal geschafft, die ukrainische Zentralregierung gegen die anhaltende Bedrohung durch die radikale Rechte zu stärken. Erschwerend kam hinzu, dass sie dem Land harte Sparmaßnahmen des IWF aufzwangen. Die umkämpfte Geschichte der Ukraine: Hungersnot, Faschismus und ausländische Manipulation Um die Spaltung der Ukraine zu kontextualisieren, geht Horton auf die traumatische Vergangenheit des Landes ein. Stalins Zwangskollektivierung in den 1930er-Jahren löste eine menschengemachte Hungersnot aus, der Millionen zum Opfer fielen und die das Misstrauen gegenüber Moskau vertiefte. Während des Zweiten Weltkriegs kollaborierte die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) – darunter auch die von Bandera geführte Fraktion – mit den Nazis und beteiligte sich aktiv am Völkermord an Hunderttausenden von Juden und Polen. Nach dem Krieg unterstützten die USA heimlich die Überreste der OUN bei ihrem Guerillakampf gegen die Sowjetherrschaft und beschönigten ihr faschistisches Weltbild, um sie als antikommunistische “Freiheitskämpfer” darzustellen. Die Weltkriege und der Kalte Krieg, so Horton, legten den Grundstein für die ideologische Spaltung der modernen Ukraine: ein Westen, der Bandera verehrt, und ein Osten, der in ihm ein Symbol des faschistischen Terrors sieht. Heute, so Horton, wird Bandera in der Westukraine als Nationalheld gefeiert und sein Vermächtnis in staatlich geförderten Gedenkstätten und militärischer Symbolik verewigt. Der ukrainische Journalist Lew Golinkin hat nach 2014 „mehrere Hundert Denkmäler, Statuen und Straßen, die nach Nazi-Kollaborateuren in der Ukraine benannt sind” dokumentiert. Der Geburtstag von Bandera ist ein nationaler Feiertag. Diese historische Abrechnung ist für Hortons Analyse von zentraler Bedeutung: Die Allianz des Westens mit Faschisten und Nazi-Kollaborateuren aus der Zeit des Kalten Krieges und seine Umarmung rechtsextremer Gruppen nach dem Maidan haben alte Spaltungen wieder aufleben lassen und die russischsprachigen Ukrainer im Osten und Süden entfremdet, die Banderas Erben als faschistische Nachfolger betrachten. Die rot-schwarzen Fahnen der OUN, die neben den ukrainischen Fahnen auf dem Maidan wehten, und die Hakenkreuztattoos auf den Armen vieler ukrainischer Soldaten versetzen die Minderheiten des Landes in Schrecken. Der große Russiagate-Schwindel Horton untersucht die Russiagate-Saga als eine Mischung aus politischem Opportunismus und institutioneller Vorteilsnahme – ohne einen Funken Sympathie für Trump. Horton belegt, dass das Narrativ der geheimen Absprachen zwischen Trump und Russland, das von Hillary Clintons Kampagne aggressiv gefördert und von Fraktionen innerhalb der US-Geheimdienste verstärkt wurde, ein kalkulierter Versuch war, das öffentliche Misstrauen als Waffe einzusetzen. Trotz jahrelanger Ermittlungen konnten weder glaubwürdige Beweise für eine Verschwörung zwischen Trump und Moskau vorgelegt werden, noch bestätigten die Untersuchungen die Behauptungen über eine erhebliche russische Einmischung in die Wahlen in den USA oder Europa. Die Folge, so Horton, war eine moralische Panik: Skeptiker der geheimen Absprachen oder des Ukraine-Kriegs wurden als ‘Putin-Marionetten’ diffamiert, während die sozialen Medien kritische Stimmen als ‘Desinformation’ zensierten. Die alten Eliten beider großen Parteien ließen ein McCarthy’sches Misstrauen gegenüber der Diplomatie wieder aufleben und setzten NATO-Skepsis mit Moskau-Loyalität gleich. Ironischerweise ernannte Trump Russland-Falken und weitete die tödliche Hilfe für die Ukraine über das Niveau der Obama-Ära hinaus aus – Schritte, die Horton als Versuche ansieht, Anschuldigungen über Kreml-Verbindungen zu entkräften. Die Episode verrät weniger über russische Einmischung als vielmehr die Anfälligkeit des Westens für selbstverschuldete Paranoia, bei der ideologische Gewissheit nüchterne Untersuchungen in den Hintergrund drängt und unbewiesene Bedrohungen reale Eskalationen rechtfertigen. Trotz seiner Verachtung für Trumps Demagogie verurteilt Horton die liberalen Eliten für die Abkehr von rechtsstaatlichen Verfahren – was die Polarisierung vertieft, die Demokratie aushöhlt und die Politik militarisiert. Das Minsker Abkommen und die Istanbuler Gespräche: Sabotierter Frieden Die Minsker Vereinbarungen von 2014-2015, die dem Donbass Autonomie gewähren und die Kämpfe beenden sollten, wurden systematisch unterminiert – sowohl durch die Weigerung Kiews, sie umzusetzen, als auch durch westliche Mächte, die sie als Hinhaltetaktik betrachteten. Das Minsk-II-Abkommen von 2015 wurde von Deutschland und Frankreich im Rahmen des Normandie-Formats und der Trilateralen Kontaktgruppe der OSZE vermittelt und von der Ukraine, Russland und Vertretern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk formell unterzeichnet. Horton zeigt, dass darin „im Wesentlichen gefordert wurde, dass die ukrainische Verfassung umgeschrieben wird, um einen stärkeren Föderalismus für die Region und den Schutz der russischen Sprache einzuführen”. Kiew weigerte sich, diese politischen Reformen durchzuführen. Selenskyj wurde als Friedensstifter mit dem Auftrag gewählt, die Minsker Vereinbarungen umzusetzen. Doch wie Horton zeigt, geriet er unter starken Druck von militanten Neonazis und Ultranationalisten, die brutale Militärkampagne fortzusetzen. Westliche Mächte – obwohl sie Minsk öffentlich befürworteten – drängten die Ukraine insgeheim dazu, „bis zum totalen Sieg durchzuhalten”. Poroschenko, Merkel und Hollande gaben später zu, dass Minsk II ein Trick war, um der Ukraine Zeit zum Aufrüsten zu verschaffen – eine Enthüllung, die Moskau als Beweis für die Hinterhältigkeit des Westens wertete. Ukrainische Beamte erklärten, dass die Einhaltung von Minsk den Krieg hätte verhindern können, aber die USA und Großbritannien machten Druck, Russland maximal zu schwächen. Horton geht sehr ausführlich auf die Vorgeschichte der russischen Invasion ein. „Im Jahr 2021 verabschiedete die Rada ein Gesetz, das die ukrainische Doktrin für die Wiederbesetzung und den Wiederaufbau des Donbass festschrieb. … Wie Selenskyjs alter Freund Sergej Siwocho beklagte, behandelte es die östliche Bevölkerung als ‘erobertes Volk’. Das Gesetz machte Ukrainisch zur einzigen Sprache, die in offiziellen Dokumenten oder Verfahren erlaubt war, schloss alle Staatsfeinde dauerhaft von der Beschäftigung in der Regierung aus und schloss jeden Sonderstatus für den Donbass oder die Krim aus.” Horton beschreibt detailliert, wie Putins Vertragsentwürfe vom Dezember 2021 von den USA und der NATO als “Non-Starter” abgetan wurden, obwohl sie von Experten als verhandlungsfähiges Eröffnungsangebot eingeschätzt wurden. Russland forderte rechtsverbindliche Garantien gegen eine NATO-Erweiterung in der Ukraine, eine Begrenzung der militärischen Stationierung in Osteuropa und eine Wiederbelebung der Raketenbeschränkungen ähnlich dem INF-Vertrag. Die Regierung Biden lehnte formelle Vereinbarungen ab und bot lediglich vage „informelle Zusicherungen” an, während sie gleichzeitig die ‘offene Tür’ der NATO für die Ukraine bekräftigte, selbst als Bidens Team insgeheim zugab, dass die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine einen Krieg garantieren würde. Die OSZE dokumentierte im Februar 2022 eine erhebliche Eskalation in Donezk und registrierte über 3.400 Granaten- und Mörserangriffe, von denen zwei Drittel bis drei Viertel auf von den Rebellen gehaltenen Gebieten detonierten. Horton erkennt Alternativen, die Russland hätte verfolgen sollen – eine globale diplomatische Initiative, multilaterale Foren, die Entsendung unbewaffneter Friedenstruppen –, obwohl er die Invasion eher als Reaktion auf eine wahrgenommene existenzielle Bedrohung denn als imperiale Ambition kontextualisiert. Putin bezeichnete die Invasion als „Präventivschlag” gegen die westliche Aggression. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gab später zu, dass Putin „in den Krieg gezogen ist, um die NATO, mehr NATO, in der Nähe seiner Grenzen zu verhindern”. Horton hebt einen entscheidenden Wandel in der US-Politik unmittelbar nach dem Einmarsch Russlands hervor – den sogar die New York Times zugab –, und zwar von der Verteidigung der Ukraine zur absichtlichen Verlängerung des Krieges, um Russland eine „strategische Zermürbung” zuzufügen. Aus diesem Grund gaben die USA die Diplomatie völlig auf. Die Istanbuler Friedensgespräche im April 2022 betrachtet Horton als eine der größten verpassten Gelegenheiten, die Katastrophe abzuwenden. Als die russischen Streitkräfte in den ersten Wochen der Invasion auf Kiew vorrückten, einigten sich die ukrainischen und russischen Unterhändler vorläufig auf folgende Punkte: Die Ukraine würde sich zur Neutralität bekennen, ihre NATO-Bestrebungen aufgeben und dem Donbass im Gegenzug für Sicherheitsgarantien und den Rückzug Russlands Autonomie gewähren. Sogar ukrainische Diplomaten gaben später zu, dass die Vereinbarung fast abgeschlossen war, da Moskau bereit war, bei wichtigen Forderungen Kompromisse einzugehen. Der damalige Selenskyj-Berater Alexej Arestowitsch bezeichnete die Istanbuler Verhandlungen, an denen er teilnahm, später als „absolut erfolgreich”. Er sagte, dass „es das profitabelste Abkommen war, das wir hätten abschließen können. … Wir haben die Champagnerflasche geöffnet. Wir haben über Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Fragen der russischen Sprache, der russischen Kirche und vieles mehr gesprochen.” Der ukrainische Verhandlungsführer Oleksandr Chalyi sagte: „Wir waren Ende April sehr nahe dran, unseren Krieg mit einer friedlichen Lösung zu beenden.” Aber die westlichen Mächte, so enthüllt Horton, sabotierten gezielt die Gespräche. Der britische Premierminister Boris Johnson forderte Kiew Berichten zufolge zum “Weiterkämpfen” auf und sagte unbegrenzte militärische Unterstützung zu. Er machte unmissverständlich klar, dass die Ukraine im Falle eines Friedensschlusses mit Russland nicht mit der Unterstützung der USA und Großbritanniens rechnen könne. US-Regierungsvertreter wiesen die Diplomatie als Beschwichtigungspolitik zurück. Die Gespräche scheiterten und besiegelten das Schicksal der Ukraine in einem lang anhaltenden Krieg. Für Horton verkörpert diese Episode die Tragödie: Frieden war möglich, aber der Westen gab der Bestrafung Russlands Vorrang vor der Rettung der Ukraine. Der Moment war verloren, und der Krieg geriet in eine katastrophale Pattsituation. Die USA und Großbritannien würden eine Generation von Ukrainern auf dem Altar der Großmachtpolitik opfern. Ein sinnloser Krieg Provoked erzählt von der grausamen Realität eines sinnlosen Krieges, „einem absolut brutalen Kampf, der an einen Grabenkrieg im Stil des Ersten Weltkriegs erinnert, der oft im eiskalten Schlamm ausgetragen wird”. Soldaten auf beiden Seiten nennen ihn einen „Fleischwolf”. Horton veranschaulicht, wie die westliche Presse dazu neigt, die russischen Gräueltaten zu übertreiben und die ukrainischen Verbrechen herunterzuspielen. Dennoch kommt er letztendlich zu dem Schluss: „Alles in allem sind die Russen die Aggressoren und haben Städte angegriffen, in denen mit Sicherheit Unschuldige getötet wurden, und so liegt es auf der Hand, dass sie sich, abgesehen von aller Kriegspropaganda, mehr und schlimmerer Verbrechen schuldig gemacht haben.” Horton zeigt, dass die NATO-Staaten mehrere weitere diplomatische Auswege ablehnten. Ihr hartes Sanktionsregime lähmte die europäische Wirtschaft und löste Nahrungsmittelkrisen im globalen Süden aus, während sich Russland erfolgreich auf die asiatischen Märkte und die fiskalische Widerstandsfähigkeit in Kriegszeiten umstellte. Die Wirtschaft der Ukraine wurde durch den Krieg zerstört. Die Discord-Leaks enthüllten, dass interne US-Einschätzungen vor dem gravierenden Munitionsmangel der Ukraine und den unüberwindbaren russischen Verteidigungslinien warnten. Dennoch drängte Washington Kiew im Jahr 2023 zu einer Gegenoffensive, obwohl es einen Sieg für unrealistisch hielt. Als der Angriff auf Moskaus Schützengräben und Minenfelder ins Stocken geriet, warfen US-Regierungsvertreter den ukrainischen Truppen vor, sie seien „opferscheu” – ein Vorwurf, den Horton als grotesk zurückweist: „Hunderttausende von Menschen wurden getötet, nur wegen des idiotischen und gescheiterten Plans von Präsident Biden und dem Imperium”. Eine Umfrage vom September 2024 ergab, dass mehr als zwei Drittel der Ukrainer die Aufnahme von Friedensgesprächen mit Russland befürworteten – ein krasser Gegensatz zur Rhetorik westlicher Politiker, für die Demokratie zu kämpfen, während sie die Mehrheitsmeinung in der Ukraine ignorieren. Am nuklearen Abgrund Hortons Kritik an Washingtons Aufkündigung von Rüstungskontrollverträgen mit Russland aus der Ära des Kalten Krieges ist ein erschreckendes Beispiel dafür, wie kurzsichtige politische Entscheidungen das nukleare Brinkmanship auf ein Niveau eskalieren ließen, das seit der Kubakrise nicht mehr erreicht wurde. Er zeichnet den Ausstieg der USA aus dem ABM-Vertrag (Anti-Ballistic Missile) im Jahr 2002, dem INF-Vertrag (Intermediate-Range Nuclear Forces) im Jahr 2019 und dem Vertrag über Offene Himmel (Open Skies) im Jahr 2020 nach – Eckpfeiler der strategischen Stabilität, die die Erstschlagskapazitäten einschränkten. Mit der Stationierung von Raketenabwehrsystemen in Polen und Rumänien, die angeblich der ‘iranischen Bedrohung’ entgegenwirken sollten, haben die USA Abschussrampen mit doppeltem Verwendungszweck aufgestellt, die in der Lage sind, nuklear bestückte Raketen auf das russische Kernland abzufeuern und Moskaus Entscheidungsspielraum in einer Krise auf wenige Minuten zu verkürzen. In Verbindung mit den NATO-Militärübungen, die Angriffe auf russischem Boden simulierten, überzeugte dies den Kreml davon, dass der Westen nicht auf Abschreckung, sondern auf einen Erstschlagsvorteil aus war. In seiner Rede im Dezember 2022 sagte Putin: „Die Vereinigten Staaten entwickeln ein System für einen Entwaffnungsschlag gegen uns … Sie arbeiten an der Fähigkeit, unser nukleares Reaktionspotenzial zu neutralisieren, was ihnen erlauben würde, die Bedingungen zu diktieren oder sogar unseren Staat zu zerstören.” Horton zitiert russische Militärstrategen und US-Rüstungskontrollveteranen, die davor warnten, dass diese Maßnahmen den Zeit- und Vertrauenspuffer auslöschten, der notwendig sei, um zwischen einem echten Enthauptungsangriff und einem falschen Alarm zu unterscheiden – ein gefährlicher Rückfall in die Weltuntergangslogik des 20. Jahrhunderts. Nach Hortons Ansicht verstärkten die Vertragsverletzungen des Westens Putins Belagerungsmentalität und rechtfertigten Russlands eigenes nukleares Auftreten – eine Rückkopplungsschleife, in der ‘defensive’ Maßnahmen zu existenziellen Bedrohungen wurden. Dieses atomare Säbelrasseln ist purer Wahnsinn, da sowohl Russland als auch die USA über Tausende von Wasserstoffbomben verfügen – weitaus mächtiger als konventionelle Atomwaffen –, die Milliarden von Menschen töten und große Teile des Planeten für Jahrzehnte unbewohnbar machen könnten. Putins größte Befürchtung war, dass die NATO nuklearfähige Raketensysteme in der Ukraine stationieren könnte, die eines Tages von einer streng antirussischen Regierung kontrolliert werden könnten. In einem solchen Szenario würde Moskau mit der albtraumhaften Aussicht auf einen plötzlichen, verheerenden Schlag konfrontiert, bei dem die russische Führung nur wenige Augenblicke Zeit hätte, um zu entscheiden, ob sie einen nuklearen Gegenangriff starten oder auf die Möglichkeit eines Fehlalarms setzen sollte. Diese Befürchtung wurde noch verstärkt, als die westlichen Staaten der Ukraine ihr Einverständnis signalisierten, mit den von ihnen gelieferten Waffen Ziele in Russland anzugreifen. Der Westen hat nicht einmal versucht, die Ukraine daran zu hindern, die russische Neonazi-Miliz “Russisches Freiwilligenkorps” einzusetzen, die mit gepanzerten Fahrzeugen aus den USA Angriffe auf russisches Territorium durchführten. Schlussfolgerung: Heuchelei, Hybris und die menschlichen Kosten Provoked ist ein Plädoyer für Demut und die Erkenntnis, dass sowohl liberale als auch autoritäre Imperien Ressentiments schüren und den Kreislauf der Gewalt aufrechterhalten. Es erinnert uns daran, dass bei dieser Konfrontation nicht abstrakte Ideologien auf dem Spiel stehen, sondern Menschenleben. Gewöhnliche Ukrainer sind Kanonenfutter, Spielfiguren in einem blutigen Schachspiel der Großmächte. Das Buch gipfelt in einem vernichtenden Urteil: Das moralische Getue des Westens und die autoritäre Realpolitik Russlands verstärken sich gegenseitig. Horton verurteilt eindeutig Putins Kriegsverbrechen in Tschetschenien, Syrien und der Ukraine, besteht aber darauf, dass die NATO-Erweiterung und die Sabotage der Diplomatie Moskaus Darstellung der westlichen Doppelzüngigkeit bestätigen. Hortons Warnung vor einem „immerwährenden nuklearen Schwert, das über unser aller Köpfe hängt” klingt mit düsterer Dringlichkeit: Wenn wir uns nicht mit der Rolle des Westens bei der Provokation dieser Krise auseinandersetzen, wird sich der Kreislauf der Eskalation fortsetzen, und die Opfer werden sich vervielfachen. Dies ist nicht nur ein Buch – es ist eine 900-seitige Alarmglocke, die für eine Welt läutet, die schlafwandelnd dem Armageddon entgegengeht. Titelbild: Buchcover – The Libertarian Institute | Michael Holmes | Scott Hortons 900-seitiges Meisterwerk “Provoked: How Washington Started the New Cold War with Russia and the Catastrophe in Ukraine“ (Provoziert – Wie Washington den neuen Kalten Krieg mit Russland und die Katastrophe in der Ukraine begann) ist ein enorm wichtiges Werk, das akribisch dokumentiert, wie drei Jahrzehnte westlicher Einkreisung den Einmarsch Russlands in die Ukraine provozierten. ... | [
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] | 29. März 2025 12:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=130861&share=email&nb=1 |
Die große Medien-Koalition gegen RT Deutsch | Der Deutsche Journalistenverband macht gemeinsam mit großen Privatmedien Stimmung gegen eine Rundfunklizenz für den russischen Staatssender RT Deutsch. Von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Der russische Auslandssender RT Deutsch bemüht sich um eine Rundfunklizenz in Deutschland – und die großen deutschen Medien versuchen, eine Welle der Empörung dagegen zu entfachen. Noch infamer als das Verhalten der Privatmedien ist das antirussische Engagement des Deutschen Journalistenverbands (DJV), der die Landesmedienanstalten auffordert, „dem Kanal Russia Today für seine Webseite RT Deutsch keine Rundfunklizenz zu erteilen“: Derzeit ist RT Deutsch bei der britischen Ofcom lizenziert, wie das Medienmagazin DWDL berichtet. Aufgrund dieser Lizenz dürfe RT auch im Rest von Europa senden. Käme der Brexit, wäre diese Lizenz möglicherweise ungültig – auch deshalb hätten schon einige andere Sender neue Lizenzen beantragt, unter anderem auch in Deutschland, so das Magazin, das fortfährt: „Bislang betreibt RT Deutsch hierzulande nur eine Webseite und einen Youtube-Kanal, doch offenbar will man auch einen TV-Sender starten. Der internationale Sender RT ist weltweit über Satellit zu empfangen.“ RT hat sich zu einem Korrektiv entwickelt Von diesen Bestrebungen der „anderen Sender“ (laut DWDL zum Beispiel TCM Greece, WBTV France und TNT Poland) hört man in deutschen Medien wenig, skandalisiert wird einzig RT – für seine Staatsnähe. Der DJV verrät durch sein Eintreten gegen ein bestimmtes Medium nicht nur das Neutralitätsgebot, sondern auch die bei RT Deutsch beschäftigten Kollegen und jene Medienkonsumenten, für die RT eine wichtige (zusätzliche) Quelle geworden ist. Dass diese Quelle wie alle andere Medien mit einer kritischen Distanz genutzt werden muss, ist selbstverständlich. Dass sich aber RT als „Korrektiv“ westlicher Medienkampagnen mittlerweile seine Berechtigung erarbeitet hat, dem würden heute viele deutsche Mediennutzer zustimmen. Der Kampf der privaten Medienkonzerne gegen die RT-Lizenz ist zwar in der geführten Form inhaltlich unhaltbar, aber aus Eigeninteresse nachvollziehbar: RT ist nicht nur ein Konkurrent im Kampf um Zuschauer und Aufmerksamkeit. Der Sender hat sich auch zu einer ernsten Bedrohung für die westlichen Propaganda-Konstrukte etwa zum Syrienkrieg oder zum Putsch in der Ukraine entwickelt. Das mögliche Auslaufen der britischen Lizenz wird mutmaßlich als Möglichkeit gesehen, einen unbequemen Beobachter des eigenen Tuns unter Druck zu setzen. Mutmaßlich darum berichten unter vielen anderen Medien etwa die „FAZ“, der „Tagesspiegel“, die „Bild“-Zeitung und die „Welt“ kritisch über das Anliegen von RT. Journalistenverband verrät Neutralitätsgebot Der Deutsche Journalistenverband (DJV) genießt aber nicht diese Tendenzfreiheit der hier genannten Privatmedien. Darum sind seine „politischen“ Äußerungen noch kritischer zu hinterfragen. Zudem hat er sich vor seine Klientel zu stellen, und das sind deutsche Journalisten – ohne Ansehen der produzierten Inhalte. Würde Überall denn auch die Kollegen der „Bild“-Zeitung öffentlich diffamieren, weil ihm bestimmte Inhalte gegen den Strich gehen? Aber der DJV und sein Vorsitzender Frank Überall sowie der Pressesprecher Hendrik Zörner haben sich schon lange von einer überparteilichen Position entfernt. Das haben die NachDenkSeiten bereits hier, hier oder hier thematisiert. Es ist rätselhaft, aber auch bezeichnend für die deutsche Medienlandschaft, dass die DJV-Mitglieder diese beiden Personalien noch immer dulden und sie in ihrem Namen sprechen lassen. Dadurch fallen die grenzwertigen Äußerungen der beiden Funktionäre auch auf die im DJV organisierten Journalisten zurück. Verhalten gegenüber RT entzaubert Phrasen von der Pressefreiheit Im Falle von RT ist dieses Zurückfallen auf die Mitarbeiter großer deutscher Medien gerecht. Denn weder nach der Drangsalierung von RT in den USA, noch im aktuellen Konflikt um die deutsche Sendelizenz hatten die Redakteure von RT Solidarität von ihren einflussreichen „Kollegen“ zu erwarten. Angesichts dieser Untätigkeit erscheinen auch die moralischen Appelle dieser großen Medien für die Pressefreiheit nur noch schal und leer. Der nun oft vorgebrachte Hinweis, die Deutsche Welle dürfe ja auch nicht in Deutschland senden, hilft zum Verständnis nicht weiter. Entscheidend für einen sinnvollen Vergleich ist, dass die Deutsche Welle in Russland laut „Handelsblatt“ im Kabelnetz auf Englisch und Deutsch sendet und im Internet ein russisches Programm betreibt. Diese Plattform hat der deutsche staatliche Auslandssender bereits missbraucht, etwa als er laut RT bei der letzten Wahl zum Boykott aufgerufen hatte. Und warum wird von RT-Kritikern immer wieder und fast ausschließlich auf den „Fall Lisa“ Bezug genommen? Wäre das nicht ein merkwürdiger Propagandasender, dessen Programm in den letzten Jahren gemäß seiner Gegner nur einen konkreten „Fehltritt” beinhaltete? Plädoyer für eine Verarmung der Medienlandschaft Fest steht, dass die Medienkonzerne und der DJV für eine Verarmung der deutschen Presselandschaft plädieren, denn das würde eine Einschränkung von RT bedeuten. Das Hauptargument ist dabei, dass RT „staatlich“ finanziert sei, wie Überall gerade in einem entlarvenden Interview auf „Telepolis“ wiederholte. Gerade durch diese Überhöhung der privaten Konzerne, denen etwa der DJV keine Propagandatätigkeit unterstellt, und die daraus sprechende Staatsfeindlichkeit sagt viel über die Privatmedien und den DJV. RT Deutsch ist nicht gefeit gegen Fehler oder Einflussnahme. Insofern muss dem Sender prinzipiell die gleiche Distanz entgegengebracht werden wie etwa dem „Spiegel“, der Deutschen Welle oder dem ZDF. Der prinzipielle und pauschale Vorwurf der „Propaganda“ ist aber nicht angebracht – und schon gar nicht aus der Feder von Redakteuren, die an monumentalen Kampagnen wie jenen zu Syrien oder der Ukraine mitgewirkt haben. Wenn sich also der DJV und die großen deutschen Medienkonzerne durchsetzen mit ihrer aktuellen Kampagne gegen RT, dann wird eine zusätzliche Informationsquelle bekämpft. Das wäre (unter vielen anderen Bereichen) bei den Themen Russland, NATO-Kriege oder „Farbrevolutionen“ ein Verlust. | Tobias Riegel | Der Deutsche Journalistenverband macht gemeinsam mit großen Privatmedien Stimmung gegen eine Rundfunklizenz für den russischen Staatssender RT Deutsch. Von Tobias Riegel.
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] | 15. Januar 2019 13:15 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=48476 |
Pörksen, Bernhard | Nach wie vor weigern sich die meisten deutschen Medien, den Putsch in Bolivien als solchen zu bezeichnen. Die NachDenkSeiten und Telepolis hatten diese Sprachregelung bereits deutlich kritisiert. Auch die Südwest Presse (SWP) macht da keine Ausnahmen. Statt zu reflektieren, druckt sie in ihrer heutigen Ausgabe ein Hohelied des Tübinger Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen auf das „Medium Zeitung“ ab. Da platzte unserem Leser Heinz Greiner der Kragen und er schrieb sich seinen Frust von der Seele. Dankenswerterweise hat er den NachDenkSeiten seinen Leserbrief an die SWP zur Verfügung gestellt. | [] | [] | 13. November 2019 10:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?tag=poerksen-bernhard |
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Ivan Rodionov im Gespräch mit Albrecht Müller: Sind Russen und Deutsche noch „gute Nachbarn“ im 1990 vereinbarten Sinne? | Video-Gespräch vom 23. November 2020 Ivan Rodionov, Leiter Unternehmensentwicklung und Kommunikation von RT Deutsch, und Albrecht Müller gehen der Frage nach: Sind Deutschland und die Russische Föderation noch “gute Nachbarn” im Sinne der Entspannungspolitik? Wie kam es zur jetzigen Situation? Welche Auswege gibt es?
Rodionov meint, es habe spätestens durch den “Fall Nawalny” einen Bruch und eine “Ernüchterung” gegeben.
Müller erkennt eine gewisse “Naivität” der russischen Regierung gegenüber der Regierung Merkel und den Interessen und den Methoden des “Westens”. Spätestens beim Fall Nawalny sei sichtbar geworden, wie im Westen gearbeitet wird. Ivan Rodionov verwies auf die lange Geschichte des Bildes von den Russen. Das medial vermittelte Bild über Russen sei seit dem Kaiserreich “fremd, gefährlich und aggressiv”.
Ein ähnliches Zerrbild, nun mit dem “Autokraten Putin”, werde tagein tagaus vermittelt. Gibt es Auswege?
Grassroots, Verständigung auf der Ebene der Bevölkerung
Tourismus stärken. Dazu sei es vor allem wichtig, die Visapflicht abzuschaffen. Die russische Seite habe das gewollt. Das Vorhaben stagniert. | Redaktion | Video-Gespräch vom 23. November 2020
Ivan Rodionov, Leiter Unternehmensentwicklung und Kommunikation von RT Deutsch, und Albrecht Müller gehen der Frage nach: Sind Deutschland und die Russische Föderation noch "gute Nachbarn" im Sinne der Entspannungspolitik? Wie kam es zur jetzigen Situation? Welche Auswege gibt es?
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] | 23. November 2020 16:40 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=67244&share=email |
Hartz IV einmal nicht aus dem weichen Sessel eines „Stern“-Chefredakteurs betrachtet. | „Der Kommunismus siegt“, „Arbeit wird verhöhnt, Nichtstun belohnt.“ So titelte Ulrich Jörges, stellvertretender Chefredakteur des „Stern“ im Heft 22 seinen wöchentlichen „Zwischenruf aus Berlin“ über den nach seiner Ansicht „komfortabelsten Ausbau“ des Sozialstaats durch Hartz IV. Jörges beweist mit seinen Kolumnen schon seit langem, dass er zu den eitelsten Journalisten gehört, dem es weniger um Aufklärung, sondern darum geht mit seinen pseudointellektuellen Zuspitzungen sich selbst darzustellen. Auf welcher „Wolke der Unwissenheit“ ein „Star“-Journalist schweben darf, ohne dass er nur noch Hohn und Spott erntet, zeigt die Sicht eines Hartz IV-Betroffenen [PDF – 352 KB]. | Wolfgang Lieb | „Der Kommunismus siegt“, „Arbeit wird verhöhnt, Nichtstun belohnt.“ So titelte Ulrich Jörges, stellvertretender Chefredakteur des „Stern“ im Heft 22 seinen wöchentlichen „Zwischenruf aus Berlin“ über den nach seiner Ansicht „komfortabelsten Ausbau“ des Sozialstaats durch Hartz IV. Jörges beweist mit seinen Kolumnen schon seit langem, dass er zu den eitelsten Journalisten gehört, dem es weniger ... | [
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] | 10. Juni 2006 11:47 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=1344 |
George Soros, der Beutejäger und “gute Freund” der Anden | Auf einer Anhöhe der Halbinsel Llao-Llao, im Schoß des malerischen Sees Nahuel Huapi, thront das weltweit renommierte Llao Llao Hotel & Resort wie der “Kaiserstuhl Patagoniens”. Nach Ansicht ausländischer Neuansiedler, wie der Schauspielerin Jane Fonda, ist der Nahuel Huapi der schönste Fleck auf Erden. Dass es zwanzig Jahre lang ausgerechnet dem Großmeister der Börsenspekulanten und der politischen Destabilisierung – George Soros – gehörte, ist kein Zufall. Die Idylle verdeutlicht bildhaft, dass für den Kasino-Kapitalismus selbst das Paradies käuflich ist. Wenn es also zwei Länder auf der Welt gibt, die keine Intrige durch Soros und seine politischen Stiftungen zu befürchten brauchen, dann sind es Argentinien und Chile: sie sind seit Jahrzehnten bereits von ihm politisch unterwandert und wirtschaftlich okkupiert.
Von Frederico Füllgraf.
In Chile, so erzählt eine Legende, soll Soros 1988 mit geheimen Umfragen und Interna aus der Pinochet-Diktatur der demokratischen Opposition zum Sieg des “Nein” während des Generals Volksbefragung verholfen haben, die ihn an der Macht verewigen sollte. Pinochet unterlag in dem Plebiszit und seitdem gilt Soros als „Freund“ der amtierenden Regierungskoalition Nueva Mayoría, vormals Concertación genannt. Mit der von Pinochet initiierten, jedoch auch von dieser Koalition fortgesetzten Privatisierung öffentlicher Betriebe erzielte Soros ebenso beachtliche Profite wie nach dem Kahlschlag staatlicher Unternehmen der 1990er Jahre im Nachbarland Argentinien. Als Anteilseigner des ehemals spanischen, heute italienischen Elektrokonzerns Endesa gehört Soros zu den Eigentümern der hundertprozentig privatisierten Wasserressourcen Chiles für den Energiebetrieb und mit dem Besitz von 400.000 Hektar Land ist sein Unternehmen AdecoAgro das zweitgrößte landwirtschaftliche Unternehmen Argentiniens. Allerdings bilden produktive Investitionen eine Ausnahme in George Soros´ Anlagen-Portfolio. Seine Devise heißt: „Je schlechter die Lage, desto geringer die Erhaltungsausgaben, doch umso größer das Gewinnpotenzial“. Das ist das Motto der Beutejäger an den internationalen Börsen. Allerdings bestätigen die zwei Jahrzehnte von Soros´ Präsenz in Südamerika, dass seine Umtriebe – auch die seiner politischen Stiftung Open Society – bemerkenswerte und erstaunliche Ermunterung durch zwei als progressiv geltende Regierungen fanden. Eine bipolare Linke? Es war lange still gewesen um George Soros in Chile, als zum Jahresende 2016 gleich zwei neue Episoden Aufmerksamkeit auf seine von der Außenwelt kaum wahrgenommenen Aktivitäten lenkten. Anfang Oktober waren Auszüge des von DCLeaks Mitte 2016 gehackten Soros-Archivs nach Chile übergeschwappt. Der Hack belegte, dass die 2012 vom damaligen Studentenführer und gegenwärtigen Kongressabgeordneten Giorgio Jackson gegründete Gruppierung “Revolución Democrática” zwischen 2013 und 2015 insgesamt 74.700 Dollar von Soros´ Open-Society-Stiftung zur „Finanzierung der Studentenbewegung und Bildung eines langfristigen Selbstfinanzierungsfonds” erhalten hatte. Wutentbrannt dementierte Jackson sofort die „verlogene Intrige”, gab jedoch gleichzeitig zu (“Revolución Democrática reconoce aporte de fundación perteneciente a magnate estadounidense” – Radio Biobio, 03.10.2016), bei Open Society einen Antrag gestellt und „ein einziges Mal” den Betrag erhalten zu haben und nicht über die Jahre hinweg von Soros finanziert worden zu sein. Was ja auch niemand behauptet hatte, „ein einziges Mal” reichte ja als Beleg. Die Reaktion Jacksons offenbarte die gespaltene Haltung von Teilen der internationalen, sogenannten „progressiven Szene” im Umgang mit Soros´ politischer „Philanthropie”. Einerseits die offene Hand, andererseits das peinliche Abstreiten. Und dazu die lausige Apologetik, mit der zum Beispiel der chilenische Abgeordnete Open Society verteidigte. Immerhin, so Jackson, „unterstützt diese Stiftung viele pro-demokratische Initiativen in der ganzen Welt”, und nannte gleich zwei weitere, „wertvolle” Geldempfänger in Chile: die journalistische Investigativ-Gruppe Ciper und das Portal Ciudadano Inteligente (“Intelligenter Bürger”).” Der “Freund Chiles” Ende November 2016 beschäftigte sich sodann ein aufschlussreicher Essay („George Soros: la conexión de Lagos y Hillary con Wall Street“ – El Mostrador, 28.11.2016) mit den liaisons dangereuses der regierenden Parteienkoalition Nueva Mayoría von Präsidentin Michelle Bachelet mit George Soros. Renato Garín, chilenischer Jurist und Buchautor, hinterfragte in seinem Text, wie es dazu kommen konnte, „dass ein Spekulant der Hochfinanzen von Máximo Pacheco, dem starken Mann der Präsidentschaftskampagne von Ricardo Lagos, gefeiert wird”. Mit Spekulant meinte Garín den Mann, „der in den vergangenen 30 Jahren bleibenden Einfluss auf die chilenische Politik ausgeübt” habe. Es gäbe genügend Hinweise darauf, dass Soros ab 1987 als Schlüsselfigur der finanziellen Förderung der Concertación aufgetreten und in der Folgezeit als „ständiger Begleiter“ der Führungseliten dieses Parteienbündnisses zu beobachten gewesen sei. Sein Einfluss habe mit der Regierung Ricardo Lagos (2000-2006) begonnen und sich danach mit der Etablierung von Stiftungen und Studienzentren ausgeweitet. Ab 1986 soll eine Reihe von Oppositionsführern gegen die Diktatur Kontakte zu Soros mit dem Ziel gesucht haben, von ihm finanzielle Unterstützung zu erhalten. Demnach übernahm der ungarische Spekulant die Kosten der Oppositionskampagne für die baldige Absetzung General Pinochets, nachdem dieser 1988 in der Volksbefragung über seinen Verbleib an der Macht unterlag. Dafür hatte ihm bereits im September 2009 Michelle Bachelet während ihres ersten Regierungsmandats gedankt. Sie bezeichnete Soros als einen „energischen Verbündeten Chiles in der Förderung der internationalen Zusammenarbeit, bei der Überwindung der großen Herausforderungen unserer Zeit”, ferner als jemanden „der eine unerschütterbare Verpflichtung mit der Demokratie und den offenen Gesellschaften, ebenso mit dem Multilateralismus und den fortschrittlichen Anliegen eingegangen ist…”. „Er ist ein Freund Chiles und seiner sozioökonomischen Erfolge”, erklärte Bachelet mit Überschwang und hängte Soros das Verdienstkreuz Bernardo O’Higgins im Grad des Großen Offiziers über den Kopf. Neben ihm stand die ebenfalls ausgezeichnete Künstlerin Yoko Ono, Witwe des Beatle John Lennon. Die chilenische Botschafter-Residenz in Manhattan ging unter im schallenden Applaus. Mit dem Brustton der Überzeugung bezeichnete Bachelet den Soros-Orden einen „Beweis für die Zuneigung und die Bewunderung unserer Bürger”. „Chilenischer Botschafter mit Sondervollmachten” Im November 2015, sechs Jahre später – diesmal im Great Ballroom des New Yorker Plaza-Hotels – wiederholte der Sozialist und damalige Energieminister Bachelets, Máximo Pacheco, beiläufig Bachelets Dank für Soros´ Solidarität gegen Pinochet. Seine besondere Anerkennung galt jedoch Soros´ Rolle bei der „Besänftigung” der stockkonservativen chilenischen Unternehmer nach dem ersten Wahlsieg der Mitte-Links-Koalition im Jahr 2000. Er habe die „Gespenster in den fundamentalistischen Köpfen unter Kontrolle gebracht und unseren Unternehmergeist im Zeichen der Globalisierung geschärft”, erinnerte Pacheco. Das Ergebnis davon: der Sozialist Ricardo Lagos sei von den Unternehmern regelrecht „geliebt” worden. Was Pacheco mit Nachdruck würdigte, war die sprichwörtliche Rolle Soros´ als „chilenischer Botschafter mit Sondervollmachten”, eine Art „Talkmaster der Märkte”, der Chile auf dem Weltmarkt ins Gespräch brachte, Türen öffnete, die Unterzeichnung von Freihandelsabkommen einfädelte und die Börsen-Spekulanten ermunterte. Wahrhaftig, „un hombre bueno – ein guter Mann”. „Soros kauft Argentinien” Im Jahr 1994 startete George Soros seine Geschäfte in Argentinien. Den Hintergrund bildete der totale Ausverkauf öffentlicher Vermögenswerte. Unter massivem ausländischen Druck, gepaart mit einer aggressiven Kampagne einheimischer Medien zur „Sanierung der Staatsfinanzen“, war Mitte 1989 der rechtsliberale Carlos Menem zum Präsidenten gewählt worden. Die Kampagne beschwor die Gefahr eines defaults der auf 63 Milliarden Dollar angestiegenen Auslandsverschuldung. Die internationalen Gläubiger-Banken und der Internationale Währungsfonds (IWF) drängten auf die „Veräußerung staatlicher Aktivposten“, sprich: auf Privatisierungen. So begann 1991 ein Aderlass in zuvor in ganz Lateinamerika kaum gekannten Ausmaßes. Der Rundumschlag privatisierte die staatlichen Fluggesellschaften Aerolineas Argentinas und Austral, die Telefongesellschaft ENTEL, die Post (ENCOTEL), die Ölgesellschaften YPF und Reviere (YCF), Gasförderung und -vertrieb (Gas del Estado), die staatlichen Wasserwerke und das landesweite Kanalisationssystem (Obras Sanitarias), den Elektroenergiekonzern SEGBA, vier staatliche Petrochemie-Unternehmen, des Weiteren eintausend Kilometer Fernstraßen, die Hauptstrecken der staatlichen Eisenbahnen (Ferrocarriles Argentinos), Hafenanlagen, Werften, die Handelsmarine, Staudämme, 33 regionale Flughäfen, militärische Stahlfabriken, das Netz der Nationalbank Hipotecaro plus sämtliche Landesbanken, ein Kohlechemie-Unternehmen, den Betrieb von Kernkraft- und Wärmekraftwerken, zwei Fernsehkanäle, eine Pferderennbahn und das traditionsreiche Hotel Llao Llao an den Ufern des malerischen Nahuel-Huapi („Quelle des Pumas“)-Sees in Patagonien. Die Privatisierungen führten zur Entlassung von 75.381 öffentlichen Angestellten. Für die Entschädigungszahlungen in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar besaß der Staat angeblich kein Geld und musste den Löwenanteil bei der Weltbank als Kredit aufnehmen. Menem hatte spekuliert, dass die Verscherbelung der jahrzehntealten, von der Bevölkerung geschätzten öffentlichen Betriebe für die Abtragung der Auslandsschulden nicht ausreichen würde und trat dem sogenannten „Brady-Plan” zur „Umstrukturierung“ der Auslandsverschuldung bei. Benannt nach dem damaligen US-Finanzminister Nicholas Brady, sollte der Plan zwischen 1992 und 1993 die Neuaufnahme von Staatsanleihen erleichtern. Es kam jedoch anders. Als Argentinien dem Abkommen beitrat, gelang es zwar, 33 Milliarden von den 63 Milliarden Dollar Hauptschulden neu zu finanzieren, doch die Neuverschuldungs- und Rückzahlungsspirale geriet außer Kontrolle und erreichte im Jahr 2000 die schwindelerregende Summe von 150 Milliarden Dollar. Während Menem und seine aggressiv-liberalen Finanzminister – darunter zuletzt Domingo Cavalo – den Märkten Optimismus einimpften, kaufte sich Soros in Argentinien ein. Nicht nur er. Der Landlord der Anden Um Bariloche herum hatte sich seit Ende der 1980er Jahre eine ausgedehnte US-amerikanische Künstler- und Managerzunft – darunter CNN-Begründer Ted Turner samt Ehefrau Jane Fonda – mit dem Kauf hunderttausender Hektar Land an den Andenhängen rund um das luxuriöse Fernreiseziel Bariloche niedergelassen. Ein nicht unbedingt beliebter Weltpolitiker war ihnen 1988 vorausgeeilt: der nach einem sicheren Alterssitz ausschauende Ex-Secretary of State, Henry Kissinger. Soros´ Deal begann mit dem Erwerb des staatlichen, jedoch maroden Erholungs-Resorts Llaollao in Bariloche und dem Kauf eines 23 Hektar großen Anwesens in malerischer Hafennähe von Buenos Aires, wo er mit zig Millionen Dollar das Gaststätten- und Sportresort Puerto Madero II aufzog. Jedoch diesmal spekulierte Soros auch mit langfristigen Trends; nämlich der Verknappung von Anbauflächen und dem Anstieg der Lebensmittelpreise im Weltmaßstab. Mit 400.000 Hektar bebaubarem Land – das er für je 1 Dollar den Hektar erwarb und 400 Millionen Dollar in dessen Ausstattung, u.a. mit 150.000 Rindern, investierte – rangierte er bereits Mitte der 1990er Jahre vor dem italienischen Kleidungskonzern und führenden Schafswollexporteur Benetton als größter landwirtschaftlicher Betrieb Argentiniens. Sein Heißhunger auf Land machte nicht Halt bei nahezu einer halben Million Hektar. Dem US-Konzern Swift-Armour kaufte er in der Provinz Santa Fé den gigantischen Gutshof El Nacurutu mit 30.350 Hektar ab. Im Chaco, an der Grenze zu Bolivien, riss er sich weitere 20.832 Hektar mit der Mega-Ranch La Tapenaga unter die Nägel; 87.093 Rinder und 1.640 Zuchtpferde inklusive. Doch, außer Santa Fé und Chaco, dehnt sich Soros´ argentinischer Landbesitz auch auf die Provinzen Salta, Catamarca, Córdoba und Buenos Aires aus; nicht dazu gerechnet seine Landpachtungen in Corrientes, Santiago del Estero und La Pampa. Über sein Immobilien-Unternehmen Cresud und seinen Landwirtschaftskonzern Adecoagro gehört Soros nach inoffiziellen Schätzungen nicht nur zu den größten Fleisch- und Milchproduzenten, sondern auch Weizen-, Mais-, Sonnenblumen- und Sojapflanzern und -exporteuren Südamerikas. Seine Landkäufe kamen erst zum Stillstand, als der von der landesweit aufgeschreckten Öffentlichkeit angeregte argentinische Senat im Dezember 2011 ein Gesetz verabschiedete, das Ausländern fortan den Landerwerb über 1.000 Hektar verbietet. “Ein Freund im Kampf gegen die Hedgefonds” Kurzer Zeitsprung zurück. Im März 1999 wurde über die Neubesetzung des Direktoriums der 1997 privatisierten, ehemaligen staatlichen Banco Hipotecario entschieden. Der Marktwert der Bank schwankte zwischen 2,4 und 6,3 Milliarden Dollar, doch sie wurde für die lächerliche Summe von 1,2 Milliarden Dollar verscherbelt. Soros erwarb 14,5 Prozent des Aktienkapitals und “platzierte sechs seiner Männer im Vorstand”, so die konservative Tageszeitung La Nación vom 16.03.1999. Erworben wurde die Bank von Eduardo Elsztain, einem Milliardär und Zionistenführer in Argentinien und Freund George Soros´. Doch der Privatisierungsverlauf war derart von Unregelmäßigkeiten und Korruptionsvorwürfen gegen Elsztain gespickt, dass dieser sich zeitweilig in die USA absetzte. “La Argentina no tiene solución – Für Argentinien gibt es keine Lösung”, erklärte Soros vier Jahre später auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos mit dem kategorischen Imperativ des Weltenrichters. Wer zu viele Schulden aufnehme, müsse auch bereit sein, 40 Prozent Zinsen im Jahr zu zahlen, fügte er als Seitenhieb gegen die “nicht existente” Regierung Argentiniens hinzu. Als wenige Monate danach, im Mai 2003, der frisch gewählte, linksperonistische Jurist Néstor Kirchner die Präsidentschaft Argentiniens antrat, war die Auslandsverschuldung auf die unbezahlbare Höhe von 170 Milliarden Dollar angestiegen – der größte Teil davon als Zinsen und Zinseszinsen. In klugen Verhandlungen mit dem IWF und den internationalen Gläubigerbanken gelang Kirchner Ende 2004 ein 75-prozentiger Schuldenschnitt. Damit nicht einverstanden waren einige Hedgefonds, die der 2010 verwitweten und nachfolgenden Präsidentin Cristina Kirchner bis zum Ende ihres Mandats mit Klagen vor US-Gerichten und Beschlagnahmungen von argentinischen Sicherheiten im Ausland das Regieren zur Hölle machten. Nicht aber Soros. Er half Cristina Kirchner im Streit gegen die “Geierfonds” unter Paul Singer. Er erklärte sich bereit, die “Geierfonds” zu verklagen und der Präsidentin den Rücken zu stärken. Anschließend verdoppelte Soros seinen Anteil am halbstaatlichen argentinischen Erdölkonzern YPF auf 3,5 Prozent und alle gingen zufrieden nach Hause. | Frederico Füllgraf |
Auf einer Anhöhe der Halbinsel Llao-Llao, im Schoß des malerischen Sees Nahuel Huapi, thront das weltweit renommierte Llao Llao Hotel & Resort wie der “Kaiserstuhl Patagoniens”. Nach Ansicht ausländischer Neuansiedler, wie der Schauspielerin Jane Fonda, ist der Nahuel Huapi der schönste Fleck auf Erden. Dass es zwanzig Jahre lang ausgerechnet dem Großmeister der Börsenspekulanten und der po ... | [
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] | 12. Juni 2017 8:28 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=38710 |
Leserbriefe zu Merkel: „Wir riskieren unseren Erfolg“ = Merkels Trick | Albrecht Müller weist in diesem Beitrag darauf hin, dass Bundeskanzlerin Merkel und ihre Umgebung in dieser merk-würdigen Coronazeit auch den Manipulationstrick „B sagen und A meinen“ anwenden. Sie warnen vor der Gefährdung ihrer Corona-Politik (Botschaft B) und transportieren damit die Botschaft, diese Politik sei erfolgreich und angemessen gewesen (Botschaft A). Zahlreiche Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten haben uns Emails geschickt. Die Meinungen gehen auseinander. Für die Antworten bedanken wir uns sehr. Es folgt eine Auswahl der Leserbriefe. Zusammengestellt von Christian Reimann.
1. Leserbrief Lieber Herr Müller, danke für diese – überfällige – kritische Stimme zur Rede von Kanzlerin Merkel. Manipulation? Mit Sicherheit. Meines Erachtens aber auch wieder verbunden mit unverhüllter moralischer Erpressung. Wer Merkels Kurs nicht folgt, handelt demnach verantwortungslos, gefährdet seine Nächsten und die erhoffte wirtschaftliche Erholung. Schlimm genug, dass der aufgeblähte
Kommunikationsapparat der Regierung solche Techniken einsetzt. Weit schlimmer aber noch, dass eine breite Mehrheit der Medien der Kanzlerin dies nicht nur durchgehen lässt, sondern sie förmlich feiert für ihren „selten gefühlvollen“ Auftritt, sediert, eingelullt und bereit, die Heiligsprechung Merkels in die Wege zu leiten. Kein Gedanke an die immensen Folgen und
“Kollateralschäden“ der Corona-Maßnahmen. Die brutale Ernüchterung wird kommen, aber ich wäre nicht einmal überrascht, wenn Merkel auch dann noch ungeschoren davon kommt – nach dem Motto „Wenn die Kanzlerin das gewusst hätte…“. Weiter so, NachDenkSeiten, weiter so Herr Müller & Team. Sie sind unverzichtbar. Freundliche Grüße
Heiko Schlottke 2. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller,
die einzigen Sachen bei denen Frau Merkel erfolgreich ist, ist die Abschaffung der Demokratie und das Belügen des Volkes.
Vielleicht ist das auch mit “unseren Erfolg” gemeint. Ansonsten kann man immer irgendwelche Viren oder Krankheiten finden mit denen dann “Maßnahmen”, im Grunde Verbote, begründet werden können. Viren wird es erst dann nicht mehr auf diesem Planeten geben, wenn der Planet nicht mehr existiert.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Haack 3. Leserbrief Lieber Herr Müller,
es wird immer skurriler. Als ich letzter Tage die Nachricht hörte, dass Frau Merkel eine Prognose habe berechnen lassen und dass – wenn es so weiterginge – wir Weihnachten mit 19.000 Infizierten rechnen müssen, musste ich Herrn Sonnenborns (Die Partei) Ausspruch in veränderter Form denken: die Politik nicht den Laien überlassen… Für mich ist dieses sogenannte Pandemie-Management so etwas von dilettantisch, es ist kaum auszuhalten. Das einzige Management besteht darin, immer neue Sanktionen zu erlassen und wenn das nicht funktioniert, die Bußgelder zu erhöhen. Schlichtheit statt Strategie. Da Frau Merkel in einer Diktatur sozialisiert worden ist und sich dort ja auch gut eingerichtet hatte, wundert es mich nicht, dass ihr nicht mehr einfällt. Meine Frau berichtete mir diese Woche, dass sie in der völlig überfüllten Straßenbahn fahren musste, während die Durchsage lief: „Bitte halten Sie Abstand“. Erfolgreiches Corona-Management. Köstlich fand ich Herrn Kretschmann, der sich tief beleidigt über die Menschen empörte, die sich als „Darth Vader“ in der Gaststätte eingetragen hatten. Mich amüsiert, wie die BürgerInnen offensichtlich im Kleinen den passiven Widerstand machen. Und wenn Papa Kretschmann seine BürgerInnen wie kleine Kinder behandelt, muss er sich nicht wundern, dass sie sich wie solche um Verbote herumschummeln. Ansonsten gruselts mich. Der Erfolg von Frau Merkels Politik ist, dass wir ein Volk von Duckmäusern geworden sind, einschließlich der Presse. Die NDS sind z.Zt. mein einziger Trost und die einzige Möglichkeit, mich zu informieren. Vielen Dank dafür.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Zyrus 4. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, selbst FFP2 Trägerin – Risiko-Patient – und Befürworter nur dieser Maske ohne Atemventil, da sie mich und andere Menschen schützt – zumindest zu einem befriedigenden Prozentsatz. Die Politik von Frau Merkel kritisiere ich ausdrücklich und vehement! Dennoch: Ich glaube, dass sie sich mit dieser Bitte und Mahnung in ehrlicher Sorge an die Bürger gewandt hat.
Weltweit erkranken und sterben Menschen in immer größer werdender Anzahl an oder mit Covid19! Deshalb, eine derartige unverzeihliche Verlogenheit, die mag ich Frau Merkel nicht unterstellen, denn das würde bedeuten: Kalkül geht ihr über Menschenleben – entsetzlich und verabscheuend für mich! Mein Menschenbild, das hat in meinem Leben sehr gelitten und wird stetig schlechter; eine Welt voller Egoismus und Dekadenz! Mit freundlichen Grüßen
M.R. 5. Leserbrief Hallo Herr Müller, es ist irre erstaunlich wie die Politiker sich verkaufen. Zum 10 jährigen Massaker der Wasserwerfer auf der Stuttgart 21 Demo gibt es kein Wort und keine nachträgliche Entschuldigung in den Medien. Stattdessen lobt Merkel ihre Corona Politik. Politiker scheinen niemals zuzugeben, dass sie versagen. Beim Klimawandel wird nicht eingeschritten, sobald USA mit Handelsboykott von deutschen Autos droht, wird auf die Forderungen eingegangen obwohl wir uns freuen müßten, wenn es weniger Autos gibt. Es scheint nur noch um die Erhaltung der Macht des westlichen Kapitals zu gehen. Wir stehen vor der Umverteilung durch Schulden des Staates für private Investoren. Kein Wort davon , denn darum gehts ja. Die Wirtschaft läuft nicht rund, niedrige Zinsen helfen nicht, also muß sie nun mit staatlichen Krediten angeschoben werden. Auf in die neue Zeit mit Sicherheitstechnik, neuen RNA Impfstoffen und Rüstungsgütern. Wieso kommt man so einfach damit durch ? Einfach nur sagen, man hat richtig gehandelt und alles wird gut. Dabei versagen die Politiker auf ganzer Linie. Viele Grüße
Andreas Grenzdörfer 6. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, Diesen Satz von Ihnen: “Die SPD, die anderen Parteien und den meisten Medien merken nicht, was hier gespielt wird” kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Meiner Meinung nach machen die alle aktiv mit. Besonders ihre offensichtlich immer noch geliebte SPD. Wenn man die Fakten des RKI sowie die teilweise völlig unlogischen und destruktiven Maßnahmen der Politiker betrachtet und überdenkt, dann kann eigentlich nur ein Idiot noch glauben, dass dies alles normal und stimmig ist. Gerade die SPD mit ihre “Covidioten” und sonstigen Entgleisungen strickt aktiv an dem Lügengebäude mit. Übrigens, die indirekte Aussage Merkels: “Wir sind erfolgreich”, bezieht” sich ja auf die ganze Regierungskoalition, also auch die SPD! Gerade jetzt, bevor vielleicht der nächste mörderische Lockdown kommt, hätte die SPD doch die Möglichkeit, ENDLICH Farbe zu bekennen und aus diesem Lügenkonstrukt auszuscheren.
Genau dies passiert nicht. Wenn man den unsäglichen Lauterbach hört, dem alles noch nicht reicht, der will, dass wir alle auch draußen Masken tragen, wird mir richtig übel. Ich wünsche mir, dass die SPD in der Versenkung verschwindet. Eigentlich alle Parteien. Es gebe sicher andere Regierungsformen als die über die Parteien. Denn die Parteien in der BRD haben sich den Staat zur Beute gemacht und sind dabei zusammen einen totalitären Willkürstaat zu errichten. MfG,
D.D. Anmerkung Albrecht Müller: Sehr geehrte Frau D., wo rechtfertigt mein Artikel ihre Aussagen in Ihrer Mail? Nirgendwo habe ich bestritten, dass Frau Merkel für die gesamte Regierungskoalition sprechen könnte. Sie spricht als Frau Merkel und es wird auf sie und ihre Partei auszahlen, wie sie spricht. Wo habe ich etwas formuliert, das Ihre Aussage stützt: “besonders ihre offensichtlich immer noch geliebte SPD”. – Verzeihen Sie? Kennen Sie irgendjemanden, der so fundiert wie ich in vielen Publikationen und auf den NachDenkSeiten spätestens seit 1999 die SPD unentwegt kritisiert und analysiert, was sie falsch macht.? Dann müssen Sie mir noch erklären, wie Sie eine Wende in Deutschland weg von der Merkel Politik erreichen wollen, ohne neben anderen Parteien auch auf die SPD zurückzugreifen. Natürlich kann man davon träumen, dass es einen positiveren Ersatz für die Parteien gibt. Mit freundlichen Grüßen
Albrecht Müller 7. Leserbrief Erneut mein unausgesprochen täglicher Dank an die Nachdenkseiten und Albrecht Müller!
Hier zu: „Merkel: Wir riskieren unseren Erfolg“ = Merkels Trick
Sehr geehrtes Redaktionsteam, könnte hier nicht vielleicht §839 BGB eine Hilfestellung leisten – zumindest, dass man anregt, in diese Richtung zu klagen. Schadensersatzpflichtig allerdings nicht der Staat (= wir Steuerzahler), sondern die, die dies zu entscheiden haben. Haben diese nicht ausreichend Vermögensmasse, dann die Parteien, für die sie mehr oder weniger engagiert sind (wir, der Bürger wählt Parteien, keinen Kanzler, keine Minister…)… Ist dort nicht ausreichend Vermögensmasse für den derzeitigen Schaden, dann all ihre Parteimitglieder… Ich denke, das könnte künftig ein wichtiger Selbstreinigungsprozess sein, damit jeder seine Verantwortung erkennt und dessen Entscheidung stets auch kritisch hinterfragt wird…
Mit guten Grüßen
Rupert Krömer Anmerkung zur Korrespondenz mit den NachDenkSeiten Die NachDenkSeiten freuen sich über Ihre Zuschriften, am besten in einer angemessenen Länge und mit einem eindeutigen Betreff. Es gibt die folgenden Emailadressen: Weitere Details zu diesem Thema finden Sie in unserer „Gebrauchsanleitung“. | Redaktion | Albrecht Müller weist in diesem Beitrag darauf hin, dass Bundeskanzlerin Merkel und ihre Umgebung in dieser merk-würdigen Coronazeit auch den Manipulationstrick „B sagen und A meinen“ anwenden. Sie warnen vor der Gefährdung ihrer Corona-Politik (Botschaft B) und transportieren damit die Botschaft, diese Politik sei erfolgreich und angemessen gewesen (Botschaft A). Zahlreiche Leserinnen und Le ... | [] | [
"Gesundheitspolitik",
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"Strategien der Meinungsmache"
] | 05. Oktober 2020 17:01 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=65494&share=email&nb=1 |
Hinweis für NachDenkSeiten Leser/innen im Südwesten, im Raum Ettlingen/Karlsruhe: Gespräch über Ihre Erfahrungen mit den NachDenkSeiten | Nach Abschluss der heutigen Veranstaltung in Ettlingen (siehe unten) bleibt vermutlich noch etwas Zeit für ein Gespräch unter Nutzern der NachDenkSeiten – über Schwächen und Stärken. Das würde ich dann gerne mit Ihnen führen. – Hier die Informationen zur Veranstaltung: Do 25.10.2012 19:00 Uhr. Öffentliche Veranstaltung des DGB Kreisverbands Karlsruhe-Land zum Thema „Meinungsmache“ in der „Scheune“ des Diakonischen Werkes, Pforzheimer Str. 31 in Ettlingen. Albrecht Müller. | Albrecht Müller | Nach Abschluss der heutigen Veranstaltung in Ettlingen (siehe unten) bleibt vermutlich noch etwas Zeit für ein Gespräch unter Nutzern der NachDenkSeiten - über Schwächen und Stärken. Das würde ich dann gerne mit Ihnen führen. - Hier die Informationen zur Veranstaltung: Do 25.10.2012 19:00 Uhr. Öffentliche Veranstaltung des DGB Kreisverbands Karlsruhe-Land zum Thema „Meinungsmache“ in der „Sche ... | [
"Müller, Albrecht"
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"Veranstaltungshinweise/Veranstaltungen"
] | 25. Oktober 2012 11:20 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=14830 |
Lesermails zur Entwicklung des deutschen Kabaretts (Teil III.) | Hiermit präsentieren die NachDenkSeiten den dritten und letzten Teil der Leserzuschriften zum Thema Kabarett in Deutschland, beginnend mit Nr. 211. Insgesamt sind es beeindruckende 333 Leserbriefe geworden, für Sie zusammengestellt von Steffen Kiesling. Im Teil III finden sich neben Lektürehinweisen und interessanten Eigenkreationen unserer Leser im Bereich Satire und Musik auch einige Reaktionen auf bereits publizierte Leserbriefe aus Teil I und II. Des Weiteren veröffentlichen wir an dieser Stelle einige Leserbriefe, die zum Artikel „Jämmerliches ‚Kabarett’: TV-Satiriker schützen die Kriegspolitik“, dem eigentlichen Impuls von Tobias Riegel, eingegangen sind. Sie wurden von Christian Reimann zusammengestellt. – Die NachDenkSeiten bedanken sich abschließend noch einmal ganz herzlich für Ihre zahlreichen Zuschriften und die überaus lesenswerten Beiträge. Ihr Albrecht Müller.
211. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, diese sogenannten frei denkenden Kabarettisten und Satiriker bewegten und bewegen sich auf einer Spielwiese, die Ihnen von Oben vorgegeben wird. Es wird zurzeit erst deutlich sichtbar (Mainstream). Um so dankbarer bin ich für die Aufklärung, die Sie leisten und möglich machen. Meine Hochachtung, V. Weinbach 212. Leserbrief Lieber Albrecht Müller, Ich denke, dass die satirische Aktion der Künstler während des Corona-Terrors klar gemacht hat, in welchem Abseits man landet, wenn man sich kritisch äußert. Nun ist der öffentlich- rechtliche Betrieb sicher für viele Kabarettisten eine sichere Einkommensquelle und „erzieht“. Es macht sich eine Beamtenmentalität breit. Der Beamte ist immer im Dienst und hat sich adäquat, sprich regierungstreu, zu verhalten. Zum anderen passiert Ähnliches wie bei der Journaille, sie leben und informieren sich in einer eingeengten Blase, die sie ja immer wieder ihren Kritikern vorhalten, die angeblich nicht über den Tellerrand schauen. Frage: Wie lange wird sich SchleichFernsehen noch halten? In diesem Sinne herzliche Grüße, Brigitte Pick 213. Leserbrief Es geht ums Dazugehören, also den größten Teil des sich nur amüsierenden Publikums, also um die Zahlenden_:*Innen, also am Ende auch wieder ums Geld, also ums Überleben. Gruß, E. Stille 214. Leserbrief Hallo NachDenkSeiten-Team, Meine Einschätzung ist, dass „die Anpassung des Kabaretts“ einfach eine Fehleinschätzung der NachDenkSeiten ist. Oder fordern Christoph Sieber, Philip Simon und Sarah Bosetti z.B. nun Hartz-IV-Empfänger auf, sich einfach ihrem Schicksal und der Willkür der Arbeitsagentur zu ergeben? Bei der russischen Invasion in der Ukraine haben sich die NachDenkSeiten zumindest in der veröffentlichten einseitigen Meinung ziemlich verrannt. Das ist alles. Als ich die NachDenkSeiten vor 15 Jahren schätzen lernte, war das wegen der Beiträge, welche die Sicht aus der Tagespresse ergänzten, korrigierten, Themen tiefer beleuchteten und dabei auf sachliche Informationsvermittlung setzten. Mittlerweile lese ich allein anhand der schreierischen Titel nur noch die wenigsten Beiträge, weil da einfach zu viel Meinung und zu wenig Information zu erwarten ist. Ich habe mittlerweile das Gefühl, bei den NachDenkSeiten geht es heute viel mehr um „WIR gegen DIE“ als um die Frage, was richtig ist. Albrecht Müller hat sich doch selbst erst vor wenigen Wochen gewundert, dass sich die NachDenkSeiten zu einer Plattform entwickelt haben, auf der auf einmal festgestellt wird, dass Helmut Schmidt in Deutschland quasi die Diktatur eingeführt hätte. Das steht ziemlich gut dafür, wohin sich die NachDenkSeiten entwickelt haben. Viele Grüße, Alexander Stannigel 215. Leserbrief Ihre Mutmaßungen über angepasstes Verhalten in allen Ehren, aber ich fürchte, dass es viel einfacher ist: „Wes’ Brot ich ess’, des’ Lied ich sing!“ Auch Kabarettisten wollen in der Regel keine Märtyrer werden, sondern möglichst gut „essen“! MfG, Carlo Martini 216. Leserbrief Guten Tag, habe ich auch bemerkt. Auch bei der Anstalt und Urban. Aber nicht nur im Kabarett. Auch bei Moderatoren, die für mich objektiv berichtet haben. Z.B. Georg Restle in den Tagesthemen am 2. August 2014 sowie am 20. Januar 2015. Heute um 180 Grad gedreht, oder, um mit Frau Baerbock zu sprechen, um 360Grad. Ich denke, dass sie sonst keine Bühne mehr bekommen. Schauen sie sich an, wie unsere Regierung Meinungen gekauft hat, und das im Öffentlich-Rechtlichen. Die werden auch noch mit unseren Gebühren finanziert. Denken sie an Westerwelle, der noch Reste von Vernunft hatte und den Libyenkrieg abgelehnt hat. Die Medien haben ihn in fünf Tagen zerlegt. Oder wie Wagenknecht und Schwarzer. Genau dasselbe würde mit ihnen geschehen. Mit freundlichen Grüßen, Manfred Peters 217. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, liebes NDS-Team, das Thema Angst und Information ist so komplex, das kann ich nicht kürzer. Sie müssen es aber nicht veröffentlichen, vielleicht auch nur die Quintessenz. Unsere Gesellschaft hat keine Bedenken, Nicht-Konformen nicht nur die Existenzgrundlage zu entziehen, sondern sie auch zu zwingen, hoch toxische Substanzen mit ungeklärter Langzeitwirkung ein- und aufzunehmen. Die Begründung ist – und wird von vielen sich bisher als soziale Mitmenschen verstehenden Menschen akzeptiert – das ist notwendig, weil Du ja, ohne es zu wissen, sonst andere gefährden kannst. Das erzeugt Angst. Angst davor, dass man nicht weiß, ob man ein Gefährder ist, ansteckend für die Umgebung, infiziert mit einer tödlichen Krankheit. Der Mitbürger stirbt vielleicht durch die Schuld des ansonsten gesunden Nicht-Konformen. Ich denke, vielen Kabarettisten geht es so, dass sie im Bewusstsein, dass Kritik an den herrschenden (Verhältnissen) sozial- und notwendig für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft ist, ihre Kritik vortragen, d.h. Mitmenschen mit nicht-konformem Gedankengut infizieren. Dafür gab es bisher auch immer eine gesunde diskussionsfähige Rückmeldung – positiv oder negativ, aber meist sachlich. Jetzt schlägt den Verbreitern nicht-konformen Gedankengutes aber die pure Aggression der gesellschaftlichen und (a-)sozialen Medien entgegen. Das erzeugt Angst und Unsicherheit. Ist es für die Gesellschaft wichtig, dass es einen konträren Standpunkt zum Herrschenden gibt? Gibt es eine „Impfung“? Etwas, was einen davor bewahrt, andere zu infizieren? Oder braucht unsere Gesellschaft jetzt nur noch Legenden? Was will mein Publikum? Doch nicht angesteckt werden! Gefährde ich mein Publikum mit meinen Aussagen? Und: Kann ich mir das überhaupt leisten – Kabarettisten gehören ja wohl nicht zu den Großverdienern. Aktuelles Beispiel: die Nordstream-Legende zur Erzeugung eines Friedens: Wenn es sich herumspricht, dass Nordstream von Ukrainern gesprengt worden ist, wäre das nicht ein guter Anfang? Amerika ist aus dem Spiel und kann sich China widmen, Trump braucht kein Machtwort zu sprechen, die Demokraten bleiben an der Macht. Die EU hat einen moralischen Grund, ihre Geschenke an die ukrainischen Oligarchen herunterzufahren und damit den Krieg zu beenden. Das US-Ziel, die über zehn Jahre alten Rüstungsbestände im Westen sind aufgebraucht (war ja auch einer der Hauptgründe für die Irak-Invasion) und müssen durch neueste Technik aus USA ersetzt werden. Die Ländereien der Ukraine sind auf US- und EU-Eigner verteilt, die arbeitsfähige Landbevölkerung ausreichend dezimiert. Und das alles ginge moralisch, feministisch zu Ende – Herr S. könnte sich dann noch von den Terroristen distanzieren und seine Güter im Ausland behalten. Und ja, noch: Russland dürfte absolut kein Interesse an einem maroden Staatsgebilde haben, die haben genug eigene Probleme. Und die EU ja eigentlich auch nicht, für die die Ukraine seit Bestehen 1990 ein Zuschussgeschäft ist. Also könnte das Staatsgebilde durchaus weiter bestehen, unter demokratischer Leitung. Aber das alles geht nur, wenn die deutsche und damit europäische („wir sind Papst, wird sind Kommissionspräsident:in“) Bevölkerung moralisch entsprechend informiert (im Gegensatz zu desinformiert), also nicht nicht-konform infiziert wird. Und diesem Ziel, das ja letztendlich eine Win-win-win-Situation ist, möchten sich unsere Kabarettisten nicht verschließen. Und haben das Publikum dann gegen die einsamen ukrainischen Yacht-Terroristen auf ihrer Seite. Bliebe nur noch die NATO, aber was ist schon die Ausschaltung von Russlands Erstschlagfähigkeit gegen einen wirtschaftlichen und politischen Sieg über China – man müsste nur, wie früher, die beiden Staatsparteien gegeneinander aufbringen. Sollte machbar sein… Mit freundlichen Grüßen, Dr. Claus-D. Dudel 218. Leserbrief Hallo Herr Müller, beschränke mich in meinen Anmerkungen auf das politische Kabarett, wobei so ganz richtig ist das auch nicht… Fazit: Wen interessiert diese Form des Kabaretts? Niemanden, und es wird an der eigenen Krankheit Geistlosigkeit zu Grunde gehen. Wenn ich etwas fürs Gehirn brauche, schaue ich weiter Lisa Fitz. Herzliche Grüße, Georg Regis 219. Leserbrief Sehr geehrtes NachDenkSeiten-Team, nach meiner Wahrnehmung hat sich in der Corona-Zeit eine Verrohung im Umgang der Leitmedien mit abweichenden Meinungen etabliert, die nur (noch) vor der physischen Vernichtung der davon Betroffenen Halt macht. Sozial und ökonomisch darf man es. Für die Protagonisten hat sich das als folgenlos oder, siehe z.B. Bosetti und Böhmermann, gar als profitabel erwiesen. Die Botschaft ist vermutlich bei den „Comedians“ angekommen (Kabarett kann man das wohl kaum nennen). Grüße, Hermann Jahns 220. Leserbrief Lieber Albrecht Müller, gratuliere zu Ihrem Artikel. In Österreich haben wir die gleiche Beobachtung. Unsere Analyse finden Sie hier. Und hier ein Interview. Das wurde inzwischen auch breit gestreut und hat zu weiteren Recherchen geführt. Auch in Deutschland ist es wohl so gelaufen, wie Ihr Kollege berichtet. Mit vielen Grüßen, Christian Fiala 221. Leserbrief Liebe Nachdenkseiten, wie sagt man? Das Hemd sei näher als die Hose. Ja, das stimmt, aber eine Hose mit was drin haben diese Herrschaften schon lange nicht mehr am Hintern. Und nun verkaufen sie ihre Seele, um das Hemd noch eine Zeitlang anbehalten zu dürfen. Es geht nur um die Physis, denn auch hier gilt: Erst kommt das Fressen und dann die Moral. Es hat sich angesichts der massiven Bedrängung kritischer und humanistischer Stimmen bei den meisten ausmoralt. Da lobe ich mir Lisa Fitz, eine Frau mit Schrot und Korn, die sich selbst treu geblieben ist und wenigstens hilft, den Berufsheuchlern die Verkleidung zu verderben. Was wir also in diesem Bereich sehen, ist reiner Selbsterhaltungszweck. Jetzt, wo es schwierig wird, trennt sich die Spreu vom Weizen. Die deutsche Comedyszene gewogen und als zu leicht befunden. Servus, Wolfgang Schuckmann 222. Leserbrief Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Herr Müller, zu Ihrer Frage bezüglich Kabarettisten-Macht-Kotau. Mit freundlichen Grüßen, Dr. med. Alexander Fein 223. Leserbrief Lieber Albrecht Müller, ich habe lange als Agent im Bereich Kleinkunst gearbeitet und festgestellt, dass diese „kritischen“ Geister so angepasst sind wie viele andere auch. Kabarett gehorcht den Marktgesetzen. Besonders wichtig ist es dabei, im Fernsehen vorzukommen, das sorgt für Besucher*innen im Theater. Dafür ist jedes Mittel recht, denn die Konkurrenz ist groß, und viele Künstler*innen werden verheizt. Die sind dann mal eine Zeit „en vogue“ und verschwinden dann wieder und haben große Probleme, wieder Fuß zu fassen: siehe beispielsweise Rüdiger Hoffmann oder Ingo Appelt, der sich nach einer längeren Zeit, in der er „out“ war, wieder nach vorne gebracht hat. Bestes Beispiel für die Marktorientierung ist Florian Schroeder. Sein Programm mit Peer Steinbrück war die Absage ans Kabarett und reine Profitorientierung. Christoph Sieber hat beim ZDF die Erfahrung gemacht, dass er ganz schnell weg sein kann vom Fenster. Das droht ihm auch ständig beim WDR. Darüber hinaus sehen die Künstler*innen ja, wie es Leuten geht, die eine andere Meinung vertreten: es geht an die Existenz (siehe Guérot, Ganser, Steimle). Und schlagartig findet sich der Künstler/die Künstlerin in der rechten Ecke. Damit bleiben auch die Zuschauer*innen in den Theatern weg, denn sie wollen ja nicht mit in diese Ecke. Eine quasi feste Anstellung bei den ÖR macht auch bequem. Das „feste Gehalt“ korrumpiert: Wes Brot ich ess‘, des‘ Lied ich sing… Schön zu beobachten bei der Nockherberg Rede von Maxi Schaffroth: Sehr bissig am Anfang, und am Schluss relativiert er alles voran Gesagte – und alle sind begeistert von der „Tiefe“ seines Beitrags. Bingo! Der nächste Nockherberg ist in der Tasche. Künstlerinnen wie Lisa Fitz oder Monika Gruber geht es um Inhalte und nicht um Geld. Das unterscheidet sie, und deshalb sind sie medial weg vom Fenster. Ich glaube, Volker Pispers und Georg Schramm haben das vorhergesehen und deshalb rechtzeitig aufgehört. Mal schauen, wie lange Helmut Schleich noch unentdeckt in seiner Ecke weitermachen kann… Herzliche Grüße, Stefan Zyrus 224. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, Dieses Thema der Anbiederung der Kabarett-Szene an die grün-woke Sagbarkeitswolke ist mir seit Langem ein unappetitliches Rätsel. Es wäre schlicht die Aufgabe des Hofnarren, ungestraft die Wahrheit in Form von Witz auszudrücken. Nach vielen Podcasts, Artikeln etc. ergibt sich mir ein profanes, kleinliches Bild: Wer nicht „den Leitlinien“ des (Rundfunk)Hauses gemäß vorträgt, wird nicht zu Wort gelassen, und wer es dennoch tut, macht dies zu seinem garantiert letzten Auftritt, selbst wenn der gar nicht erst gesendet wird. Die Zensuren sind deshalb so mächtig, weil hier immer auch Menschen mit Einkommen, sozialem Umfeld oder sensiblen Partnerschaften vor die Wahl gestellt sind: Dem Zeitgeist nachplappern oder gecancelt und ruiniert werden. Dunja Hayali, ZDF-Moderatorin, 29. Januar 2022: „Man kann in Deutschland eigentlich alles sagen. Man muss dann halt manchmal mit Konsequenzen rechnen.“ Das Thema Aufrichtigkeit ist der Besitzstandswahrung gewichen. Nicht nur im Kabarett: Die Spannung ist auch bei den Gassenhauern Tatort, Polizeiruf usw. einer Anleitung zum Umgang mit den neuen Parolen aus Wokistan gewichen. Sie sind ebenso wie die einstigen Informationsflaggschiffe wie Monitor etc. auf der Restle-Rampe verschleudert und wertlos geworden. Es sind nur noch die Ruinen der Eckpfeiler einer kritischen Betrachtung: ohne demokratischen Nährwert oder gar halbwegs glaubhaften Wahrheitsanspruch. Und obendrein im Falle des von den verbliebenen Speichelleckern dargebotenen Kabaretts von fast schon unfassbar schlechtem, niveaulosem Humor. Wäre es in der Kabarettszene wirklich witziger geworden, wirklich Kraft der innewohnenden Wahrheit zum Brüllen komisch und beißend entlarvend, müsste man das eventuell anders betrachten: Das Niveau ist aber leider einfach schlecht, sogar ganz mies geworden: Beweis erbracht – das Kabarett in dem Sinne, wie Sie (und so viele) es vermissen, ist tot. Man schließe die Augen und stelle sich vor, dieser ganze ideologische Mumpitz müsste durch die Münder von Leuten des Schlages eines Dieter Hildebrandt oder durch den von George-Schimanski unter die Leute gebracht werden: Ich sehe da schwarz. Denke, das wäre nicht gegangen. Deswegen muss die Konsequenz sein, tatsächlich „schwarz” zu sehen; sprich: Abschalten, den Käse. Schade drum. Beste Grüße und Danke für Ihre Arbeit, M. Enderle 225. Leserbrief Hallo liebes NachDenkSeiten Team, zur Anpassung des Kabaretts kann ich nur sagen, dass es wirklich nur sehr wenige geniale Kabarettisten gibt. Und viele der wirklich genialen Kabarettisten werden seit Corona nicht mehr oft im Mainstream-TV gezeigt, da diese ja auch kritisch gegenüber den Maßnahmen, Impfungen usw. waren. Gezeigt werden halt nur noch an die angepassten „Clowns“. Deswegen schau ich tatsächlich kein Fernsehen mehr, sondern nur noch ausgesuchte Filme oder Serien. Ich ertrage es einfach nicht mehr, wie sich mittlerweile über Prepper, Verschwörungstheoretiker oder Ungeimpfte (diese ja mittlerweile nicht mehr, Krieg hat Corona verdrängt) lustig gemacht wird. Ist das nicht eigentlich auch Ausgrenzung bzw. Mobbing?!! Die richtig guten Kabarettisten kann man sich ja tatsächlich live anschauen. Ich war erst im Februar mit einer guten Freundin bei Lisa Fitz. Das war eine reine Freude, und wir wurden 2 Stunden und 45 Minuten wunderbar unterhalten. Lisa Fitz ist aber regierungskritisch, also sieht man sie nicht mehr im TV. Ich könnte mir vorstellen, genauso ist es bei Monika Gruber oder z. B. Helge Schneider. Lisa Eckhart äußert sich ja auch immer wieder kritisch, die finde ich persönlich auch sehr gut. Genauso wie Nina Proll aus Österreich, die echt ein paar gute Lieder gemacht hat (I zag di au).
Also meiner Meinung nach sieht man halt nur schlechte Kabarettisten im TV, und die müssen natürlich eine regierungstreue Meinung haben (dann ist man aber eben kein richtiger Kabarettist). Die wirklich guten Kabarettisten dürfen in dieser ganzen Propagandaschlacht natürlich nicht mehr gezeigt werden. Liebe Grüße und vielen Dank für Eure Arbeit, Steffi Giese 226. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, liebe Nachdenkseiten, meine Erklärung hinsichtlich des Phänomens des „Schutzes der herrschenden (Kriegs-)Politik durch Satiriker“ im Rahmen der „Umfrage zur Anpassung des Kabaretts“ lautet wie folgt: Ich glaube nicht, dass das Phänomen speziell für die Satire bzw. das Kabarett ist. Ähnlich wie Satiriker Hofnarren – und keine Hofschranzen – sein sollten, hat eigentlich auch die Presse (inklusive nicht gedruckter „Presse“) die Aufgabe, die Regierung kritisch zu begleiten; genau das macht sie zur sogenannten vierten Gewalt. Ähnlich wie die im Bundestag vertretenen politischen Parteien, von denen CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen – zuzüglich des untergehenden Teils der Partei Die Linke – aufgrund ihrer Ununterscheidbarkeit in wesentlichen Fragen der Corona- und Kriegspolitik einen Parteienblock – es handelt sich nicht um Blockparteien – gebildet haben, gilt dies auch für den absoluten Großteil der herkömmlichen Presse, die einen Presseblock gebildet hat, dessen Herangehen ebenso ununterscheidbar geworden ist. Erstaunlicherweise begleitet der Presseblock die Regierung allerspätestens seit März 2020 nicht mehr kritisch, sondern teilt im Wesentlichen deren Verlautbarungen. Insoweit hat sich der Presse- mit dem Parteienblock gleichgeschaltet; damit hat der Presseblock automatisch seinen Status als vierte Gewalt eingebüßt. Ähnliches läuft nunmehr im Rahmen des Kabaretts ab. Es ist ja jetzt nicht so, dass es keine regierungskritischen Satiriker mehr gäbe; ich denke v.a. an Herrn Küppersbusch. Auch im Rahmen des Kabaretts scheint sich aber nunmehr ein Satireblock zu bilden, der die Regierung nicht etwa kritisiert, sondern die Kritiker der Regierung und diese noch infam angeht. Offensichtlich haben zu viele Menschen vergessen, dass gerade Herrschaftskritik einen Selbstzweck darstellt; genauso wie das Selbstdenken – im Gegensatz zum Querdenken – einen Selbstzweck darstellt. Denn ohne Kritik ist kein abschließendes Urteil möglich. Dann scheint es für die meisten am einfachsten, das Regierungsurteil zu übernehmen, da diesem immerhin das Offizielle anhaftet. Woher kommt das? Ich empfinde das dritte Jahrzehnt des dritten Jahrtausends bislang so, dass sich die Mehrheitsgesellschaft – wohl aus Gründen der Komplexitätsreduktion wegen zahlreicher Zielkonflikte – implizit darauf verständigt hat, dass der für gut erachtete Zweck die Mittel heiligt und nur noch die Würde „der“ Menschen, des Kollektivs, des Staates, der dann auf Grund der Änderungsfestigkeit der im ersten Artikel niedergelegten Grundsätze keiner des Grundgesetzes mehr wäre, unantastbar ist. Der Kanzler der von ihm ausgemachten „Zeitenwende“ drückte dies – noch mit Coronabezug – wie folgt aus: „Es darf keine roten Linien geben“; diese Denke, die unvereinbar mit einem Würdeanspruch ist, setzt sich derzeit durch. Ich gehe davon aus, dass sich diejenigen Menschen, die sich dem Parteien-, Presse- und nunmehr auch dem sich entwickelnden Satireblock anschließen, einem einfachen Weltbild aus schwarz und weiß anhängen. Die Komplexität der Probleme ist so immens, dass – nach der Denke des Denkblocks – nur rigorose Vereinfachung bzw. Verunglimpfung hilft. Beides sind infantile Denkmuster. So führt die Infantilität z.B. dazu, dass es bereits an der Wahrnehmung dafür fehlt, mit dem Meinungsblock global gesehen eine Minderheitenposition zu vertreten. Das führt dazu, dass die globale Minderheit ernsthaft davon ausgeht, die globale Mehrheit liege falsch. Mich erinnert das an einen kranken Menschen, der davon ausgeht, er sei gesund; der Rest sei krank. Mir scheint, dass nicht mehr der (einzelne) Mensch – derzeit vor allem nicht der russische Mensch –, sondern nur noch die Menschen zählen – etwas, das gerade in Deutschland einfach nicht mehr vorkommen darf. Dass sich die Gesellschaft Werten wie „Demokratie“, „Menschenrechten“ und „Rechtsstaatlichkeit“ verschreibt, ist begrüßenswert; es scheint aber dabei vergessen zu werden, dass der alles überbrückende Wert (bzw. das alles überbrückende Gottesgeschenk) die Unantastbarkeit – bzw. positiv formuliert: die Heiligkeit – der Würde des Menschen ist. Nur so ist mir erklärbar, wie deutsche Funktionseliten ohne vernehmbaren Widerspruch Begriffe wie „Diktatfrieden“, „Vernichtungskrieg“, „Unterwerfungs- bzw. Lumpenpazifismus“, „Zivilisationsbruch“ usw. usf. verwenden können. Rationales Denken scheint noch nicht mal mehr gleichranging mit emotionalem Denken behandelt zu werden; der klare Blick für die Realität wird ersetzt durch einen klaren Blick für die Surrealität. Während gestern noch jeder an einer – natürlichen oder menschengemachten – Erkrankung Verstorbener ein Verstorbener zu viel war, sollen und dürfen heute gar nicht genug Menschen an einer – ganz sicherlich menschlich verursachten – Kriegssituation versterben. Dass im 21. Jahrhundert noch propagiert werden kann – nichts anderes geschieht derzeit im Rahmen der militärischen Unterstützung der Ukraine –, es sei edel und gut, für das Vaterland zu sterben – ggf. auch nur zu leiden –, zeigt mir, dass 2.500 Jahre Geistesgeschichte recht spurlos zumindest an der deutschen Menschheit vorbeigegangen sind. Abschließend: Dass die Nachdenkseiten für mich ein immens wichtiger Orientierungspunkt sind, kann ich nicht genug unterstreichen; ohne sie wäre ich derzeit nahezu vollkommen aufgeschmissen. Allerherzlichsten Dank für Ihre Arbeit sowie Entschuldigung für das Nicht-Kurzhalten! Mit freundlichen Grüßen, Wettengel 227. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, gerne möchte ich meine Gedanken dazu mit Ihnen teilen, da ich u. a. auch selbst schon lange auf der Suche nach Antworten zum Thema Manipulation der Massen durch die Medien bin. Da Sie eine Kurzfassung fordern und ich ohnehin kein guter Schreiber bin, schildere ich Ihnen meine „Erkenntnisse“ mehr oder weniger in Stichpunkten: Bitte machen Sie weiterhin so gute aufklärerische Arbeit und lassen Sie sich nicht unterkriegen! Über eine kurze Rückmeldung würde ich mich sehr freuen. Mit freundlichen Grüßen, Frank Winkels 228. Leserbrief Moin Herr Müller, „Bitte kurz halten“ Nun denn: Wie kann man das erklären? Angst. Nackte Angst. Sie wissen doch, was mit Leuten wie King, Assange, Fitz, Snowdwen, Nena, Ballweg, Bhakdi, Wodarg, Leber, Scholl, Jebsen, Arvay… nun. Ich halte es kurz. Wenn man, wie ich von den von ihnen erwähnten Leuten annehme, eine Frau und Kinder und evtl. eine Immobilie abzuzahlen hat, dann bekommt man Angst… Nackte Angst! Meine ich. Mit allerfeinsten Grüßen: Linus 229. Leserbrief Mich nervt total die Heute-Show, die voll auf Regierungsseite sind und für Krieg sind und gegen Sahra Wagenknecht wettern. Viele Grüße, Christiane Escher 230. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, ich schätze die Sachlage so ein: Corona hat gezeigt, was mit Leuten passiert, die eine abweichende Meinung vertreten (siehe Lisa Fitz, Uwe Steimle usw.). Schnell gilt man als rechts und wird untragbar. Für diese Kulturschaffenden kann es somit das Ende der Karriere oder der Anstellung beim öffentlichen Rundfunk mit einem sicheren Gehalt bedeuten. Manche verspüren vielleicht auch Dankbarkeit gegenüber der Regierung, da diese Teile der Kultur über die Pandemie gerettet hat. Weiterhin muss man leider feststellen, dass nach meiner Einschätzung ca. 70 Prozent der Bevölkerung „auf Linie“ sind. Kabarett gegen die Mehrheitsmeinung ruft Unmut hervor. Da schwimmt man lieber mit dem Strom und arbeitet sich an Minderheiten ab. Es ist auch einfacher, bekannte Narrative zu verstärken, als „neue“ aufwändig zu etablieren und zu begründen. Leider scheinen wir in einer Zeit zu leben, in der Haltung mehr wert ist, als Fakten es bisher waren. Grüße, Peter Fischer 231. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, ohne Zweifel macht die „Zeitenwende“ auch vor dem Kabarett nicht halt – wobei man dem sicher auch Verständnis entgegenbringen kann oder sollte: Es sind auch nur Menschen. Generell gibt es ein Wechselspiel zwischen Sender und Empfänger: Wenn der Empfänger gegen das, was man ihm anbietet, nicht aufbegehrt, macht der Sender weiter und sein Angebot verstetigt sich. Über die monokulturelle Verblödung der Bevölkerung durch die Flächenbombardements der Medien als sechste Teilstreitkraft des Krieges der USA gegen Russland habe ich schon ausgeführt. Über das, was man dagegen tun kann, habe ich im Zusammenhang mit der Rede des Bundespräsidenten zum Gedenken an die Widerstandsgruppe Weiße Rose geschrieben und bin dabei auch auf Ihre mögliche Rolle eingegangen. Auf die ZDF heute-show habe ich auf TWITTER am vergangenen Freitag reagiert: „Schade, die „Zeitenwende“ macht selbst aus der @heuteshow eine diffamierende Propaganda-Show.“ Auf die Reaktion eines Followers hin, „War sie vorher schon.“, schrieb ich: „Nein, eindeutig nein. Kabarettisten haben einen geschulten Blick auf Politik und Gesellschaft sowie die Fähigkeit, das so aufzubereiten, dass es die grauen Zellen in der Bevölkerung erreicht (daran arbeite ich noch). Inzwischen leistet man aber auch dort den Eid auf die ‚Zeitenwende‘.“ Mit freundlichen Grüßen, Bernd Liske 232. Leserbrief Meine Einschätzung Die werten Damen und Herren von Kabarett sind wohl auf die Einnahmen vom Fernsehen angewiesen. Das Problem ist, dass unsere GEZ-Beiträge vom Staatsfernsehen zur Manipulation verwendet werden müssen. Wer da nicht mitmacht, ist eben draußen. Eine Zensur findet nicht statt. Andererseits sollten wir sehen. dass DIE mittlerweile Gift und Galle speien, wenn jemand wagt, eine nichtregierungsoffizielle Meinung zu haben. Das zeigt, dass sie Angst haben, große Angst. Mit solidarischen Grüßen, Armin Christ 233. Leserbrief Hallo, Vielleicht sagen die auch nur, was sie denken. Dann ist es nicht so toll, dass ihr das jetzt aufblast. Wäre ja dann dasselbe, was ihr ihnen in diesem Artikel vorwerft. Andere Meinungen zulassen macht sympathisch. Macht doch bitte nicht das gleiche blöde Spiel wie die. Ansonsten danke für die NDS. Liebe Grüße, Achim Schmidt 234. Leserbrief Ich glaube, dass all die Kabarettisten, die bei ihren Medienauftritten jetzt auf die allgemeine russophobe und Putin-bashende Linie einschwenken, bewusst oder unbewusst, einfach unter dem Druck der flächendeckenden Propaganda einknicken. Ich bin allerdings auch ziemlich fassungs- und ratlos, wie es sein kann, dass so viele ehedem sehr streitbare Geister so komplett einknicken. Dabei sind die Kabarettisten aber leider nicht alleine. Dies gilt ja auch für die große Mehrheit der Journalisten und Politiker. Ich glaube, ich muss einmal wieder das Buch Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media von Edward S. Herman and Noam Chomsky zur Hand nehmen, um die Mechanismen zu rekapitulieren, nach denen unsere Medien funktionieren. Hans-Peter Piepho 235. Leserbrief Sehr geehrter und lieber Herr Müller, Diese „ehemaligen“ Kabarettisten haben erkannt, dass sie bei dem propagierten zukünftigen Gesellschaftssystem-wechsel dabei sein könnten, möchten. Das ist eine gute Gelegenheit für sie, mit dazuzugehören zu der hellsehenden, noch herrschenden Oberschicht, die sie alle missbraucht, um von den wahren Hintergründen und Ursachen abzulenken. Aus meiner Sicht sind das Menschen, die noch schnell auf den fahrenden Zug aufspringen möchten, um auf der „Karriere-Laufbahn“ nach oben gespült zu werden. Sicherlich machen sie das gegen Bezahlung, denn denen ist es egal, wer und wie viel jemand zahlt. Das sind charakterlose, rücksichtslose Egoisten, die nur auf ihr eigenes Wohl und Vorteile bedacht sind. Das wird ihnen in ihrer Ausbildung und spätestens bei ihrem ersten Auftrag, Arbeitgeber bewusst. Für mich haben die keine Berufsehre, sie schauen sich das bei den anderen ab, das fängt schon zu Hause in der Kinderstube an. Warum sollen sie auch nicht mit den Wölfen heulen, oder wie schon in der Lehre gesagt wurde; „Wess’ Brot ich ess, dess’ Lied ich sing“. Viele unsere Politiker, nicht nur die, die jetzt im Amt, aber gewiss nicht in Würde sind, bleiben und waren für mich schon immer Dem habe ich im Moment nichts mehr hinzuzufügen, außer die Bitte an Sie, liebe NDS’ler, bitte halten Sie durch. Sie sind mein Leuchtturm in diesem Chaos, das von denen „da oben“ ausgedacht und ausgelöst wurde. Solidarische Grüße, J. Sales 236. Leserbrief Lieber Herr Müller, So etwas „Eigenartiges“ ist das gar nicht, was wir hier im Bereich Kabarett und Satire erleben. Ich halte es leider für eher in der Norm dessen, was wir aus dieser Generation kennen. Das doch in der Regel unbekümmerte Aufwachsen hat diese Menschen nie in Verlegenheit gebracht, wirklich für etwas zu streiten, kämpfen zu müssen oder ernstlich etwas zu hinterfragen. Hier stehen in der Regel keine Weltverbesserer oder gar Revolutionäre auf der Bühne. Sie machen einen Job. Und wenn sie erst einmal an der oberen Sprosse der Karriereleiter angekommen sind, beginnt das, was der Motor und Gott dieser Gesellschaft ist. Richtig viel Geld verdienen. Corona hat diesen Menschen nun gezeigt, wie schnell es geht, von der Leiter zu fallen, wenn man nicht „mitschwimmt“. „Erst das Fressen, dann die Moral“. Der bekannte Spruch gilt immer wieder. Mit freundlichen Grüßen, Lutz Schramm 237. Leserbrief Lieber Herr Müller, ich bin befreundet mit dem Leipziger Kabarettisten Meigl Hoffmann meigl-hoffmann.de. Ein außerordentlicher Mann! Im DLF kam im November in der Reihe „Querköpfe“ ein Auszug aus der damals gerade zu Ende gegangenen „Leipziger Lachmesse“, und zwar kamen alle aus Sachsen stammenden Teilnehmer zu Wort: deutschlandfunk.de/ein-saechselnder-streifzug-ueber-die-leipziger-lachmesse-dlf-6e776910-100.html Simone Solga, die lange in München bei Lach & Schieß war, bleibt blass, werden sie selbst finden. Tom Pauls erzählt was von Stevie Wonder, naja. Ab Minute 43:25 kommt Meigl auch im Interview zu Wort (der Interviewer Torsten Thierbach, übrigens, stammt aus Dresden und war begeistert von Meigl, erzählte mir dieser, daher kommt Meigl in dieser DLF-Sendung auch am meisten zu Wort). Meigl ist vielleicht eine Ausnahme, aber eine markante. Er ist halt nicht im TV. Grüße aus Leipzig, UDBraumann 238. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, Sie möchten die Meinung der Leserschaft hören, warum öffentliche Auftritte selbst im Bereich der Satire und Kleinkunst sich der nationalen Kriegslust anbiedern, sich ihr sogar in vorauseilendem Gehorsam unterwerfen, sie sich gar selbst zu eigen machen? In unserer heutigen Zeit, wo Religion weitestgehend einem bloßen, existenzielle Zugeständnis an eine „Kraft, die größer ist als der Mensch“ gewichen ist, bietet unser täglicher und alltäglicher Medienkonsum eine oft sehr willkommene Ersatzdienstleistung für zwischenmenschliche Bedürfnisse an: nämlich den Genuss an der Teilhabe einer fremden Gedankenwelt. Wie Sie freilich immer wieder selbst in ihrem Alltag feststellen – privat wie beruflich –, ist es nicht jedermann gleichermaßen gestattet, die „seltenen“ Sendeplätze für sich einzunehmen und dabei sowohl SENDER als auch fair behandelt zu werden. Wer einen solchen ergattern kann, muss sich der staatlichen Verpflichtung hingeben. Für immer präziser deklarierte Abweichungen aller Art (Stichwort: geeignete Äußerungen) gibt es reichlich Nicht-Argumentation und Schutzbehauptungen, diese Sendeplätze zu verwehren. Zwar sind Fernsehen, Zeitungen, Radio, Auftritte und ihre online kommunizierten Ableger nun wahrhaft nicht die einzigen verfügbaren Kanäle, jedoch die einzigen, welche ein finanzielles Auskommen ermöglichen. Was dies in einer von Wirtschaftlichkeitsgebaren als Geisel gehaltenen Gesellschaft wie der unseren in der BRD bedeutet, mag sich aus eben dieser Perspektive (alles muss sich lohnen!) erklären lassen: Alles. Für die NachDenkSeiten haben Sie finanziell den Weg der Freiwilligkeit gewählt. Und damit haben Sie all die Stolpersteine – die natürlich vorkommenden wie auch die vorsätzlich dort platzierten – gewählt. Inwieweit ihr persönliches Auskommen von Erfolg und Reichweite dieser Unternehmung abhängt, mag ich nicht beurteilen. Ich schätze aber, dass es auch hier eher freiwillig geschieht als aus finanzieller Notwendigkeit heraus. Da hätten Ihnen auch sicherlich Türen zu lukrativeren und arbeitsärmeren Einkünften offengestanden. Zusammengefasst: Wer unsere Kultur mitgestalten möchte, muss die Leitkultur verinnerlicht haben. Wer dies nicht tut und dennoch Kulturschaffender wird, muss akzeptieren, im staatlichen Kulturraum als Störenfried ignoriert oder bekämpft zu werden, denn als Partner oder Mitwirkender geachtet. Gedankenspiel: Hätten Sie diese „unsere“ Leitkultur verinnerlicht und ökonomisches Denken in jeden ihrer Lebensbereiche aufgesogen: Was würden Sie tun? Der Bruderrat von Bonhoeffers‘ Finkenwalder Kreis schrieb 1935, anlässlich der „Verordnung zur Sicherung der evangelischen Kirche“ in einem Brief an seine Mitglieder: Dennoch oder gerade deswegen blieb die Gemeinschaft vollzählig, und ein gewisser Dietrich entgegnete den Mitgliedern der legitimen Kirchen: Ich wünsche Ihnen, Herr Müller, und allen Beteiligten alles Gute. Timo Schmidt, Hannover 239. Leserbrief Vorsicht lasse ich walten, höre ich von einem Phänomen, wenn es sich um menschliche Verhaltensweisen handelt. Die sind erklärbar, Phänomene nicht. Am deutlichsten erkenne ich bei Dieter Nuhr, wenn er den Pflichtteil seines Programms herunterschnurrt, nämlich seinen Gehorsam gegenüber dem Mainstream vermeldet; es hört sich anders an – jedenfalls für mich – fast widerstrebend. Man hat etwas zu sagen, sagt aber nun auch, was man nicht zu sagen hätte; man plant es ein, im Grunde verbiegt man sich, wendet sich. Ich kenne das aus DDR-Endzeiten. Man betrügt seine Seele, sofern man nach Jahrzehnten des Bluffs noch über so ein Lebensstück verfügt, denn man will dazugehören, muss sich unterscheiden von den dummen Massen, die nichts gebacken kriegen, weil sie durch das deutsche Bildungswesen längst verblödet sind; man wähnt sich der elitären Aristokratie zugehörig, koste es das Gewissen. Ein wenig weiß ich, wovon ich rede, werden doch Bücher meines kleinen Verlags von provinzieller Presse nicht rezensiert, solange der Chefredakteur fassungslos über mein Weltbild ist. Ich brauche bloß andere Bücher schreiben, ich mach‘s aber nicht. Uwe Steimle kriecht auch nicht zu Kreuze – und viele andere mehr. Es ist eine Haltungsfrage. Solange man auch Haltung kaufen kann, müssen wir uns nicht wundern. Rainer Stankiewitz 240. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, das Kabarett hat sich immer an die vermeintlich vorherrschende, vorgegebene oder veröffentlichte Publikumsmeinung angepasst. Das gilt insbesondere für Auftritte im Fernsehen. Zudem brauchen die Künstler nach der Corona-Flaute dringend wieder Einnahmen und wollen auf keinen Fall irgendwo anecken. Also machen sie das, was nach ihrer Auffassung ankommt. Aber wahrscheinlich hat die Corona-Politik auch Spuren hinterlassen. Man hat sich durch Politik, Medien und Wissenschaft in Angst und Schrecken versetzen lassen, und so konnten sich der Staat und die Weißkittel als Retter inszenieren, ihre Macht ausweiten und ihr Ansehen vergrößern. Fast alle haben sich der Politik und Wissenschaft unterworfen, sich mit den angeblich wirksamen und ungefährlichen Substanzen impfen lassen und glauben, durch Staat und Medizin von allem Übel erlöst worden zu sein. Und die Hände, die einem vermeintlich das Leben gerettet haben, beißt man nicht. Diese neue deutsche Staatsgläubigkeit und Staatshörigkeit dürfte auch dazu geführt haben, dass viele Künstler der Bundesregierung bedenkenlos in den Ukrainekrieg gefolgt sind und sie selbst zu Kriegspropagandisten geworden sind. Hier noch ein Zitat aus dem Jahr 1914: Diese Stufe des Wahnsinns haben wir noch nicht erreicht. Aber unsere Medien präsentieren uns fast stündlich die neuen deutschen Waffen, mit denen wir dann in 2.000 Kilometern Entfernung die Ukrainer die Russen abschlachten lassen. Das ist noch perverser als das „Sich-abschlachten-lassen“. Mit freundlichen Grüßen, Heinz J. Dieckmann 241. Leserbrief Lieber Albrecht Müller! Sie haben mit Ihren Fragen „Geht es um Aufträge von den großen Medien? Zeigt sich hier ein Nebeneffekt der Aushöhlung der öffentlich-rechtlichen Sender? Geht es um den Applaus einer zunehmend angepassten Mehrheit? Ist der Wunsch, dazuzugehören, so unglaublich groß, dass das Nachdenken davon blockiert wird?“ indirekt schon wichtige Antworten auf Ihre Frage „Wie kann man erklären, dass Kabarettisten wie Sieber, Bosetti, Philip Simon und andere in das Lager der Angepassten abgleiten?“ gegeben, denn die „großen Medien“ und die „öffentlich-rechtlichen Sender“ sind längst gleichgeschaltet auf Regierungskurs bzw. folgen sklavisch dem vom US-Kriegskomplex vorgegebenen Narrativ, und der „Applaus einer zunehmend angepassten Mehrheit“ und „der Wunsch, dazuzugehören“ spielen angesichts des mit allen Mitteln geführten Information Warfare sicher eine entscheidende Rolle. Hinzu kommt unseres Erachtens die Angst vor dem Verlust des Einkommens, vielleicht sogar vor dem Verlust des Lebens. Als aktuelle Beispiele möchten wir nur die Entlassung der Professorin Ulrike Guérot von der Bonner Universität und den Freitod(?) des Biologen Clemens Arvay nennen. Friedliche Grüße! Helene + Dr. Ansgar Klein 242. Leserbrief Es geht um effiziente Meinungsmache! Während Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Stationen noch gewissen journalistischen Mindeststandards unterliegen, können bei Satire und Kabarett ansonsten zu recherchierende Fakten frank und frei erfunden und jede bevölkerungsgruppenspezifische Verächtlichmachung weitergetrieben werden. Die Einhaltung von Political Correctness (PC) wird zwar ebenfalls gefordert, jedenfalls für ethnische, sexuelle und auch einige religiöse Minderheiten, die Einhaltung der PC endet aber bei Meinungsabweichlern, erst recht, wenn die Gefahr besteht, dass diese gar keine Minderheit sind. Die Abweichler vom vorgegebenen Mainstream haben es sich schließlich auch selbst zuzuschreiben, dass sie vom ach so freien Kabarett verächtlich gemacht werden – haben sie doch ihre abweichende Meinung selbst gewählt, anstatt die vorgegebene Meinung zu replizieren oder besser vollends zu schweigen. Das Land der meinungsbildenden Talkshows wird zunehmend zum Land der meinungsmachenden Wochenshows. Verantwortungsfrei, per definitionem nicht ernst zu nehmen, aber genau dadurch zunehmend effizient. Norbert Neuwirth 243. Leserbrief Liebes Nachdenkseiten Team, ich habe den Verdacht, dass sich zwei Seiten immer klarer herauskristallisieren: die derjenigen, die für Krieg sind, und die dagegen. Die, die offensichtlich lügen, und die, die sich der Wahrheit verpflichtet fühlen. Je nach eigener gesellschaftlicher Position muss man sich öffentlich für eine der beiden Seiten entscheiden. Da die Annahme, dass die mächtigen vollkommen des Wahnsinns sind, sehr extrem ist, entscheiden sich viele oft für deren Seite. Mit freundlichen Grüßen, MM 244. Leserbrief Verehrtes Team, ich habe gemerkt, dass unsere Kabarettisten vor längerer Zeit die Entscheidung treffen mussten, entweder, sie heulen mit den Wölfen, oder sie werden nicht mehr engagiert. Uwe Steimle z.B., den ich sehr schätze, ist halt weg. Alle, die noch auftreten dürfen, müssen wenigstens einen Seitenhieb auf die AfD oder neuerdings auf Frau Wagenknecht loslassen. Dann dürfen sie auch ein paar kleine, vorsichtige Kritikpünktchen vorbringen. In der ehemaligen DDR gab es sehr gute Kabarettisten, die durften sogar manchmal etwas Kritisches sagen. Das Publikum jubelte und merkte gar nicht, dass das nur eine Ventilfunktion hatte. Geändert hat sich gar nichts, und heute ist es ebenso! Schöne Grüße aus Peine, Ingund Enderlein 245. Leserbrief Lieber Herr Müller, auf Ihren Wunsch hin halte ich mich kurz: Mir fällt nur eine Erklärung für den Untergang für das Kabarett im ÖRR ein: Die letzten Jahre waren ein Charakter- und Intelligenztest, den viele nicht bestanden haben. Außer einigen wenigen wie: Helmut Schleich, Simone Solga, Monika Gruber, Lisa Fitz. Alles andere schau ich mir nicht mehr an, weil ich es kaum aushalte. Ansonsten machen Sie bitte weiter so. Ihre Arbeit ist so wichtig. Mit herzlichen Grüßen, A. Riegel 246. Leserbrief Liebe Macher der Nachdenkseiten, ja, ich bin völlig entsetzt über, ja wie soll ich sagen, um Kabarett im eigentlichen Sinn handelt es sich nicht mehr. Der Niedergang nahm richtig Fahrt auf mit Beginn der Corona-Maßnahmen. Aber auch schon vorher war es weniger kritisch. Was tatsächlich dahinter steckt, kann man ja nur vermuten. Ich denke es läuft so wie im Journalismus, dass hier Geld im Spiel ist. Wie diese doch ehemals kritischen Geister sich noch im Spiegel ansehen können, kann ich nicht nachvollziehen. Beste Grüße, Reinhard Kaufmann 247. Leserbrief Kurzgehalten: Die (bis zur Coronakrise) Funktion selbst qualitativ anspruchsvoller Satire war in einer konsumbefähigten Freiheitsillusion die eines Ableitstrangs, Ventil erscheint mir bei der ausgeprägten deutschen Schafsmentalität überdimensioniert. Dass aus schierer Masse rein rechnerisch vereinzelt originelles Denken und/oder Dichten lediglich als abfallendes Nebenprodukt sich beizeiten einstellt, hat somit keine nationalgenetische Grundlage. Was unsere durchaus zuvorderst talentierten scharfen Zungen verkündeten, erscheint alsbald im gelungenen Falle durch die aktuelle Erbärmlichkeit kompletten Versagens aber durchaus mit diesem Attribut „deutsch“ hauptanteilig verbunden. Die Krux ist diese Nationalattrappe, die nun, dem Himmel sei Dank, unweigerlich ins Nichts verpufft, nachdem die blutverschweißte kleindeutsche Einigkeit anno 1871 vom jähzornigen Kleinkind über Psychopatenpubertanz die volljährige Mündigkeit bis 1945 zu recht versäumte, es hat nicht sollen sein… wurde aber zweckdienlich vom Nachkriegswalter zum eiternden Debilzombie gehätschelt, der die europäische Wunde brav am schwären hält. Großes Kino also, nichts dahinter, so auch die vormals selbstgeglaubte Attitüde echter Haltung vs. Meinung. Wofür? Dieses Nationalinsolvenz ist, endlich farb- und tonlos auf weiß offenbart, ökonomisch zu loben: Ein Geist hat eines gar nicht nötig, Geistesfülle. Es heißt mit bedachter Bescheidenheit ja auch Kleinkunst, nimmt sie sich selbst auch immens wichtig. Es bleibt dazu doch eine Ausnahme anzuführen, einer, der den ganzen Rest an Geist geerbt, um die noch lächerlichere Posserei mit diesen Farcen zu vermählen, welche vorgeben, diese vorzuführen. Chapeau, Monsieur Sonneborn! … ein böser Traum war‘s, gut gelacht! Liebe Grüße, Bernd Berthel 248. Leserbrief Im Mainstream fühlt man sich sicher; außerdem die Angst, Applaus und Anerkennung zu verlieren; Existenzangst? Sophie Steck 249. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, wenn es auch die Aufgabe von Kabarettisten sein sollte, kritisch das Handeln der Führenden in Politik und Wirtschaft unterhaltsam zu hinterfragen, so sind auch Kabarettisten nur Menschen, die, wenn sie in dem von ihnen gewählten Beruf arbeiten wollen, etwas verdienen müssen, um zu leben. Und verdienen können sie nur, wenn sie einen Auftrag bzw. einen Sendeplatz bekommen. Da sie aber alle freie Mitarbeiter in den Medien sind, sind sie so frei wie Freiwild. Es ist also keine Zensur, wenn ein freier Mitarbeiter keinen Auftrag bzw. keine Sendung bekommt. Ich glaube, dass dadurch ein vorauseilender Gehorsam entsteht, und könnte mir vorstellen, dass viele Künstler ihre eigene Haltung an der Garderobe abgeben und das für sich damit begründen, dass auch Schauspieler nicht hinter jeder Rolle stehen. die sie spielen. Dies ist sehr schade und traurig, weil besonders die Kabarettisten unglaubwürdig und nach einem politischen Richtungswechsel fallen gelassen werden. Vielen Dank für Eure Arbeit und viele Grüße, Friedhelm Wendel 250. Leserbrief Hallo Herr Müller, zunächst: Danke Ihnen. Ich kenne diese „Kabarettisten“ nicht, daher ist meine Erklärung doch ziemlich spekulativ. Ich habe folgende Erklärungen: Ansatz c) folgt dem Gedanken, dass unsere Regierung quasi mit der Pistole am Kopf agiert. Liefere Waffen, sonst … könnte das Land bald aussehen wie der Irak. In diesem Fall wäre es der verzweifelte Versuch, die Gesellschaft zu schützen. Im Destabilisieren ist unsere Schutzmacht bekanntlich talentiert. (War die Reichsbürger-Story vom Dezember ein Vorgeschmack? Hat der BND schon mal geübt, für den Fall, dass …?) MfG, Florian Dietz 251. Leserbrief Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat beobachte auch ich seit Corona, dass sich unsere Kabarettisten lieber an der Opposition abarbeiten statt an der Regierung. Auch im Karneval – etwa bei „Mainz bleibt Mainz wie es singt und lacht“ – war das zu beobachten. Man denke darin an Lars Reichows Hasstirade auf die AfD. Bosetti war bei Corona ja schon personifiziertes Regierungssprachrohr – Stichwort: „Ungeimpfte sind Blinddarm der Gesellschaft“. Christoph Siebert ist leider auch komplett vom System einverleibt worden. Ob auch er am Tropf des WDR hängt? Selbst der Oppositionsführer Friedrich Merz arbeitet sich ja inzwischen lieber an der Opposition ab – etwa an Frau Wagenknechts „Manifest für den Frieden“ – statt an der Regierung. Offenbar ist unsere korrupte Regierung nicht nur Meister im Nehmen, sondern auch im Geben, sprich: Schmieren. Dass Journalisten von ihr gekauft werden, ist ja inzwischen durchgesickert. So weit meine Impressionen zu dem Thema! Gutes Gelingen und herzlichen Dank für Ihre groooßartige Arbeit für Wahrheit, Demokratie, Frieden und Freiheit! Ralph Zedler 252. Leserbrief Lieber Herr Müller, warum Kabarettisten im Staatsfernsehen plötzlich auf Staatskurs sind? Der Satz erklärt es selbst. Wenn jemand tatsächlich denkt, dass es damals noch gar kein Staatsfernsehen gab, dann sehe ich das zumindest anders. Der Staat – die Mächtigen – sahen sich von den Clowns in den Medien nicht wirklich bedroht. Es waren halt nur Clowns. Und über Clowns soll das Publikum ruhig lachen, abgelenkt werden und den sicheren Eindruck haben, dass man in diesem Land seine Meinung auch mal offen kundgeben darf. Gefährlich wird es erst, wenn das Publikum anfängt, später ernsthaft nachzudenken, den Dingen auf den Grund zu gehen und gar noch Schlussfolgerungen zu ziehen, um nach Änderungen zu streben, die den Mächtigen überhaupt nicht in ihren Plan passen könnten. Heute, in einer Zeit, wo dieses System eh am Abgrund steht und droht, die, die von ihm jahrzehntelang profitiert haben, mitzureißen, sind solche Gedanken im Volk das reinste Dynamit. Deshalb ist nun der Punkt erreicht, wo der Clown seine Schuldigkeit getan hat und zum Überbringer der schlechten Nachrichten wird. – Früher ging man mit diesen allerdings entsprechend um… Und ja, es gibt immer auch Menschen, die für ihre finanzielle Sicherheit – eine andere kennen sie nämlich nicht – alles tun würden. Dazu zähle ich auch diese von Herrn Müller genannten Clowns. Ein Clown mit Anstand und Charakter hätte in diesen Zeiten seinen Job an den Nagel gehängt und wäre in die Resistance gewechselt. Beste Grüße, Martina R. 253. Leserbrief Lieber Albrecht Müller, liebes Team der NachDenkSeiten, Kein Mensch ist vor „der Welle“ (Morton Ruhe) gefeit, egal welchen Bildungsstand er hat/welche Arbeit er verrichtet. Die 24/7 Dauerbombardierung der Menschen mit all der Propaganda zwingt schlussendlich die meisten in die Knie… Da wird der moralische Kompass, den sich jeder täglich aufs Neue kalibrieren muss, ersetzt durch die Anonymität in der im Gleichschritt dahintrabenden Masse, und die einfachen Geister werden vereint, sind endlich jemand…Fragt sich nur, wer den Lehrer macht, der alles wieder auflöst… Hochachtungsvoll, Ihr seit 2009 treuer Leser, Matthias Birke 254. Leserbrief Werte NDS, die von Ihnen aufgeführten KabarettistInnen gehören zu einer winzigen Minderheit in der Kleinkunstszene, nämlich denen, die „es geschafft haben“ – regelmäßig beste Sendezeiten, Ansehen und wohl auch finanzielle Privilegien – kurzum, sie haben „etwas zu verlieren“.
So weit zum Zuckerbrot – auf der anderen Seite droht die Peitsche in Form von gesellschaftlicher Ächtung durch „Cancel Culture“. Inzwischen ist an genügend Personen des öffentlichen Lebens ein Exempel statuiert worden, dass es jedem anderen den nackten Angstschweiß auf die Stirn treiben kann und er sich hütet, etwas zu sagen, was ihn auch nur in die Nähe eines Verdachts bringen könnte, auf der „falschen“ Seite zu stehen – ein seit Coronazeiten wohltrainierter und bis zum Reflex perfektionierter Mechanismus. Eigentlich beruht alles auf einer primitiv-dualistischen Zwangspolarisierung (schwarz/weiß, gut/böse, UKR/RUS,…), die George W. Bush nach 9/11 mit dem Satz „Either you are with us or against us“ auf die Spitze getrieben hat und die heute, immer wieder durch Politik und Leitmedien gezielt befeuert, die öffentliche Debatte dominiert – und eigentlich sollte es gerade die Aufgabe des politischen Kabaretts sein, diesen primitiven Dualismus in eine differenzierte Sichtweise zu transzendieren – aber zum Glück gibt es auch noch Aufrechte wie Helmut Schleich, Friedrich Küppersbusch und einige andere, die einen noch nicht ganz am deutschen Kabarett verzweifeln lassen. Mit besten Grüßen, H. Heck 255. Leserbrief Sehr geehrter Albrecht Müller, wenn man die von Ihnen angesprochenen Personen nicht persönlich kennt, ist es immer gefährlich, deren Handlungsmotivation von außen zu analysieren. Weil – man steckt nicht drin. Doch es gilt auch hier wie überall die Regel: Wenn man nicht erkennen oder verstehen kann, worum es geht, dann geht es immer um Geld und/oder Macht. Auch Satiriker und Kabarettisten benötigen ein Einkommen. Ohne Alternativen werden sie angreifbar, wie wir alle (Millionäre und Co. mal ausgenommen). Mit Liebesentzug kann man einen Menschen sehr verletzen, mit Geldentzug jedoch kann man ihn vernichten. Das Team der NachDenkSeiten weiß, wie sich das anfühlt. Es wurde immerhin versucht. Die Reputation dieser Menschen als kritische oder gar rebellische Geister wird natürlich schwer beschädigt – oder geht komplett verloren. Das ist den Verantwortlichen für die ganze Misere jedoch egal. Das Risiko liegt allein bei den Menschen auf der Bühne oder vor der Kamera. Es geht schließlich um Geld und/oder Macht, da darf man nicht zu empathisch sein. Bleiben Sie und Ihr Team trotzdem kritisch, sehr gerne auch rebellisch. Sie werden gebraucht. Mit dankbaren Grüßen, Siegfried Seifert 256. Leserbrief Unvorstellbar, das Lied in einer satirischen Sendung zu hören. Schade. Geänderter Text von Eva Mahler 257. Leserbrief Das alles ist ein Gesamtkunstwerk jahrzehntelanger Umsetzung von Zielen der im Hintergrund wirkenden Mächtigen dieses Staates, sprich der Geldadel. Hätte nie gedacht als alter 68er, dass Tausende Koffer voller Dollar eine Gesellschaft so umkrempeln können! Bei der Vizepräsidentin des Europaparlaments Kaili und engsten Mitarbeitern wurden sogar Säcke voller Geld gefunden, weil NORMAL – so unvorsichtig. Und dieses wohl wirkungsvollste Mittel wird bis nach unten durchgebrochen: Belohnung oder Jobverlust! Und zwar gnadenlos! Nachdem Florian Schroeder, so hier ein Beispiel, auf der großen Demo in Berlin als Redner ganz unerwartet sich dem Mainstream andiente, hatte er danach ganz plötzlich eine eigene Sendung bei den ÖRR! Dafür gibt es leider zig Beispiele. Deshalb spende ich sehr viel Geld in alternative Medien, um diese letzten Trutzburgen finanziell unabhängig zu halten. Hätte mir im Alter weniger Sorgen um die Demokratie gewünscht, aber ich gebe nicht auf, denn: Es gab kein Herrschaftssystem, das länger existierte. Der Freiheitswille im Menschen ist unbezwingbar! Venceremos, liebe NDS, N. Arbeiter 258. Leserbrief Sehr geschätzter Herr Müller, ich teile Ihre Beobachtung, allerdings fand ich von den Aufgezählten lediglich Herrn Sieber mal richtig gut. Dass Frau Bosetti nach ihren Äußerungen über Menschen, die sich nicht „gegen Corona“ impfen lassen (sie erklärte diese zum „Blinddarm der Gesellschaft“, den man ja auch nicht brauche), überhaupt noch was sagen darf, ist jämmerlich genug und eigentlich gar nicht hinnehmbar. Sei es drum. Vermutlich – jetzt wird es verschwörungsschwurbelig – diente das Mainstreamkabarett einzig und allein dazu, der kritischen Masse einen Blitz- oder Zornableiter anzubieten, auf dass diese ihre Wut im Zaume hält und denkt: Endlich sagt das mal einer! Und am nächsten Morgen beruhigt zur Arbeit geht. Sie waren (sind) Teil des Systems. Sie sollten die kritischen Geister dort abholen, wo man sie vermutet hat, um sie ganz langsam „umzupolen“. So im Sinne von: Na wenn der (vermeintlich) kritische Sieber, die „Anstalt“ oder wer auch immer das sagt, dann muss da wohl was dran sein. Dies mag bei einigen Zuschauern funktioniert haben, bei den allermeisten mit Sicherheit nicht. Die schalten jetzt einfach nicht mehr ein. So wie ich und wie sehr, sehr viele Freunde und Bekannte auch. Standardsatz: „Kannste vergessen, gucke ich nicht mehr, nicht auszuhalten!“ Das Verrückte ist, dass man sich auf der Seite der scheinbar umgeschwenkten (waren sie jemals auf unserer Seite?) in seinem Tun wohl bestätigt sieht, als dass ihre Zuschauer sie weiter beklatschen. Ohne zu merken, dass die, die nicht klatschen würden, gar nicht mehr zuschauen. Es ist traurig, aber wohl nur eine geplatzte Illusion, eine, die uns eingelullt hat. Da lob ich mir meine NachDenkSeiten und erhebe das Glas auf jede Glosse, die dort erscheint, die haben wenigstens Niveau. Wie der ganze Rest. Danke dafür, dieses Kabarett schießt sich selbst ins Knie, aber das tut der gesamte ÖR. Leider ist dies kein Grund zum Feiern, denn wir brauchen gutes Kabarett und einen guten ÖR. Trotzdem „Prost!“, wegen der NDS-Glossen. Mit freundlichem Gruß, S. K. 259. Leserbrief Hoch geschätztes NDS-Team, lieber Herr Albrecht Müller, schon seit einiger Zeit habe ich es aufgegeben, mir den Kopf anderer Leute zu zerbrechen und mich über Sendungen wie die Mitternachtsspitzen zu ärgern. Tolle Köpfe (wie z.B. auch Wilfried Schmickler) vollführen intellektuelle Purzelbäume, Philip Simon schlägt schon seit der C-Krise um sich, und Herrn Sieber möchte ich gar nicht unlautere Absichten unterstellen. Keine Ahnung, was da genau vorgeht. Aber es gibt glücklicherweise auch Künstler mit geradem Rücken. Auf einen von ihnen bin ich vor einer Weile bei Radio München gestoßen. Sein Name ist Michael Sailer, und er verdient unbedingt, dass evtl. auch die NDS auf ihn aufmerksam machen. Wer kluge, weitsichtige, umfassende, dabei auch komische und menschenfreundliche Beiträge sucht, welche exakt den Punkt treffen, muss sich nach Alternativen zum ÖRR und dem etablierten Kabarett umsehen. Und da wäre Michael Sailer kein kleiner Anfang. Mit großem Dank für Ihre Arbeit, Christa und Eckhard Müller 260. Leserbrief Kurz und trocken: Wes Brot ich freß, des Lied ich sing! Wer sich dem nicht fügt, muss entweder materiell völlig unabhängig sein oder auf die Präsenz im „öffentlich-rechtlichen“ Fernsehen verzichten. Das war schon vor Jahren mit Leuten wie Bruno Jonas so, der zu Dieter Hildebrandts Zeiten ein guter Kabarettist war, oder dem selbstverliebten Dieter Nuhr, der bis zur Kenntlichkeit entstellt ist. Aber wozu benötigen wir bei dieser Regierung und vermeintlichen Opposition noch Kabarett? Der tägliche Auftritt der „Handelnden“ in der, wie Georg Schramm so treffend formuliert hat, emotionalen Pissrinne oder in noch immer so bezeichneten „Nachrichten“ im ÖRR füllen diese Fehlstelle doch völlig aus. Mit freundlichen Grüßen, Hans-Joachim Köhler 261. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, Sie fragen, wie man es erklären könne, dass Kabarettisten wie Sieber, Bosetti, Philip Simon und andere in das Lager der Angepassten abgleiten? Mit der seit Jahrtausenden bekannten menschlichen Eigenschaft, den eigenen Vorteil zu suchen. Entweder man schweigt, oder : „Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe“. Diese sattsam bekannte, diffizil gegen Russland hetzende und stets die USA unterstützende Grundlinie von ARD und ZDF muss von der Leitung dieser Institutionen gewollt sein, sonst wäre es ja anders. Das sind die Arbeitgeber. Im Fernsehen des III. Reiches bezeichnete ein Sprecher „witzig“ und verschmitzt grinsend die KZ als „Konzertlager“. Auf diesem Niveau sind wir heute wieder, wenn im Fernsehen die Okkupationen Hitlers als „handwerklich fachgerecht“ bezeichnet werden. Anpassung ist für die große Masse der Menschen Standard. Ab 8. Mai 1945 hingen dann plötzlich aus allen Häusern in Ostdeutschland nur noch rote Fahnen, um es den Siegern aus der UdSSR recht zu machen. Allerdings hatten diese Fahnen in der Mitte einen dunkelroten Fleck – dort, wo noch einen Monat zuvor das Hakenkreuz leuchtete. Neuen Fahnenstoff gab es nicht. Die ausbleichende Wirkung der Sonne verriet sie. Am 17. Juni 1953 fand man einige Jahre später auf den Straßen Ostberlins zahlreiche weggeworfene Parteiabzeichen der SED, die allerdings wenige Tage später wieder ersetzt und angesteckt wurden. Mich erstaunte 1989 nicht, dass eine überwältigend große Mehrheit der SED-Mitglieder erneut opportunistisch dem Wind der neuen Zeit folgte und urplötzlich (!) austrat. Wer dennoch treu zu seinen Überzeugungen stand und in der PDS verblieb, wundert sich seinerseits heute nicht mehr, warum sich die Führung der Nachfolgepartei „Die Linke“ dem Mainstream an den Hals wirft. Der Wind aus den USA pfeift jetzt nun mal schärfer als vorher. Deutschland ist ein Vasallenstaat. Es wird Zeit, dass unsere Kabarettisten chinesisch lernen. Noch sind die NachDenkSeiten ein Leuchtturm in diesem Meer von Anpassung, danke dafür. Fred Buttkewitz 262. Leserbrief Sie sind die neuen Hofschranzen, angetrieben von Günstlingswirtschaft, moralischem Hyperventilieren und der verzweifelten Suche nach einer politischen Heimat. Denn SPD und Linke bieten keine Orientierungspunkte für (einstmals) kritische Denker mehr, und der häufig etwas oberflächlich-nostalgisch verehrte Ostblock ist auch nicht mehr, was er mal war. So flüchten sich die Wortgewaltigen in aggressive Günstlingswirtschaft und steinigen sich dabei selbst oder gegenseitig. Ein echtes Trauerspiel. Kopfarbeiter scheinen irgendwie eine Sehnsucht nach (Selbst)Kasteiung zu haben. Da lobe ich mir die Normalos an der Theke. Die können noch deftig streiten, ohne sich gegenseitig wehzutun. Dieses kabarettistisch-devote Verhalten gegenüber der Obrigkeit wird nicht lange durchzuhalten sein. Spätestens wenn für diese angepassten heimatlosen Wortakrobaten der Einberufungsbefehl kommt, fallen die wieder um wie die Fliegen von der Wand. Besser wäre es allerdings. man bringt sie vorher wieder zu Verstand und Verständnis für – alle Macht geht vom Volke aus. Wer das Grundgesetz nicht mag, soll es offen sagen. Wir brauchen kritische Geister – aber nicht in Form einer Dreckschleuder. Hardy Koch 263. Leserbrief Sehr geehrte Damen und Herren der Nachdenkseiten, Ihrem Aufruf folge ich gerne, weil mich dieses Thema auch seit geraumer Zeit umtreibt. Wer mit einem Hüsch und Hildebrandt et all groß wurde, reibt sich immer öfters Augen und Ohren über das, was heutzutage diesem Genre zugeordnet wird. Vor Jahren tauchte ein Dieter Nuhr auf, welcher evtl. der Prototyp des angepassten, viel parlierenden, dabei aber nie (beim sog. Mainstream) aneckenden Kabarett-Darstellers ist. Stets in der Mitte der Gesellschaft bleibend, dessen Vorurteile stets bestätigend, zieht er in seinen Darbietungen über alles her, was eben nicht den „Werten“ und „Normen“ entspricht. Dieses wird dann auch von einem großen Publikum wohlwollend aufgenommen, zumal ein Hüsch doch zu unflätig war (ganz ganz sicher, sagen Experten) und ein Hildebrandt immer so komplizierte Wortspiele brachte. Nuhr ist einfach zu verstehen und bringt mit kurzen Sätzen voller Ressentiments die Leute zum Lachen. Wichtig ist dabei, sie lachen über andere. Es gibt bei Herrn Nuhr keinen Spiegel fürs Publikum zum hineinschauen. Das alles bringt Erfolg, bringt Quote und sichert Sendezeit. Und Herr Nuhr ist Kabarettist, kein Comedian, ergo öffentlich-rechtlich kompatibel. Man hat ja einen Bildungsauftrag. Während nun Nuhr ganz viel Sendezeit bekam, wanderten andere wieder ab ins Live-Tingeln und lebten damit auch ganz gut. Bis Corona um die Ecke kam und Live nix mehr ging… Also muss man sich umschauen und anpassen, will man denn erfolgreich sein. Und somit schmeißt man Prinzipien über Bord und braucht sich noch nicht einmal zu grämen. Kam es doch parallel zu Lockdowns und uniformem Maskentragen zu einer Gleichausrichtung in Politik und Medien. „Die Gemeinschaft“ musste vor dem Virus zusammenhalten, und wer nicht mitmachte, war raus. Ein Aufmucken und der Shitstorm war sicher. Also besser Teil des Shitstorms sein als Ziel desselben. Und mit dem neuen „Virus“ Ukrainekonflikt wird es nicht besser. Ganz im Gegenteil ist es noch wichtiger, „Haltung“ zu zeigen. Zumal es neben Werten und Moral ja auch immer „gegen Rechts“ geht. Und Kabarett ist grundsätzlich immer vorurteilsfrei gegen Rechts. Es ist wohl eine Gemengelage aus wirtschaftlicher „Vernunft“, Anpassung durch Shitstorms et all und hochselektive Auswahl bei den Sendeanstalten, welche analog zu den heutigen Journalisten der heutigen Politelite die passenden Kabarettisten liefert. Klar haben wir Meinungsfreiheit und Redefreiheit. Aber um wie viel „erfolgreicher“ kann man sein, wenn man im vorgegebenen Choral die beschwingte Partitur singt, als in der Ecke stehend Dissonanzen zu verbreiten. So meine persönliche Ansicht, gewonnen in den letzten Jahren. P.S. Warum habe ich keine Frauen erwähnt? Lesen und hören Sie dazu Lisa Fitz. Sie kann das besser erklären als ich. Und mit wesentlich mehr Substanz als eine Bosetti. Nur halt eben nicht so „nett“. Hochachtungsvoll, mit freundlichen Grüßen, Georg Meier 264. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, Da fällt mir nur eines ein: „Folge der Spur des Geldes.“ Die Macher von Extra Drei (Christian Ehring), der Heute-Show (Oliver Welke) und Jan Böhmermann waren aus meiner Sicht schon immer billige Hofschranzen. Da war nichts anderes zu erwarten. Sarah Bosetti hat schon während Corona gezeigt, welch Geistes Kind sie ist. Da ist Intelligenz leider mit Borniertheit und Hass gepaart. Eigentlich die gefährlichste Variante. Bei Philip Simon und Christoph Sieber denke ich: Geld und Angst vor Jobverlust. Eine andere Meinung wäre existenzbedrohend. Sie bekämen in der aktuellen Situation keinen Fuß mehr auf die Bühne, da sie „Verschwörungstheorien“ verbreiten. Man könnte auch sagen: „Arbeitsverbot“. Bedenken sollte man aber auch, dass staatliche Institutionen aktuell ein Problem mit demokratischen Grundrechten haben (siehe den Berliner Friedensaktivisten Heiner Bücker). Im Extremfall hätten ihre Auftritte nach der aktuellen Rechtsprechung eventuell auch „das Potential, das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu erschüttern und das psychische Klima in der Bevölkerung aufzuhetzen“. Es wurden also politisch alle, aber auch alle Voraussetzungen geschaffen, um „Querdenker“ existenzbedrohlich zu verfolgen. (“Die Neufassung der Volksverhetzung in § 130 bedroht die kritische Auseinandersetzung, sagt Strafrechtsprofessorin Elisa Hoven: „Wer sich zu umstrittenen Konflikten der Gegenwart äußert, muss künftig mit Freiheitsstrafen rechnen.“) Man hat auch während Corona gesehen: Angst ist eine große Motivation. Ich denke da an das Modell: „Modell Krokodil“ von Klaus Peters. Bei Claus von Wagner, Max Uthoff und Urban Priol vermute ich die gleichen Beweggründe. Bin aber doch entsetzt über die 180-Grad-Wende. So weit kann sich ein Mensch aus meiner Sicht eigentlich nicht verbiegen, wenn man sich noch ein bisschen Selbstachtung erhalten hat. MfG, Klaus Korcz 265. Leserbrief Guten Tag, ich habe mich jetzt entschieden, Ihnen diese E-Mail zu schreiben, obwohl ich Ihnen eigentlich nichts mehr schreiben wollte. Aber das Thema Kabarett- bzw. Satire-Verfall beschäftigt mich schon länger. Es ist ja auch kein ganz neues Phänomen. Wir alle wissen, wie sehr zum Beispiel „Die Anstalt“ heruntergekommen ist. Aber das Thema ist für mich jetzt anlässlich der Wagenknecht-Schwarzer-Demo wieder aufgekommen, und zwar in Gestalt von Fabian Köster von der „heute-show“, die auch schon seit längerer Zeit inakzeptabel ist. Aber was sich Herr Köster anlässlich dieser Demo geleistet hat, hat doch nochmal eine neue „Qualität“, wie ich finde. Ich verlinke hier das entsprechende Youtube-Video mit der Bitte um Kenntnisnahme: www.youtube.com/watch?v=kg8nQgqqvOI Das ist meines Erachtens NATO-Verherrlichung pur und knallhartes Niedermachen und Lächerlichmachen aller Andersdenkenden. Das ist nicht lustig, das ist einfach nur niederträchtig und primitiv. Gerade wenn man bedenkt, dass in den Anfangstagen der heute-show ein Martin Sonneborn (Ex-Titanic Chefredakteur und heutiges MdEP) regelmäßig Beiträge und Personenbefragungen gemacht hat, die wirklich gekonnt und hintersinnig waren, wird der ganze Verfall, der mittlerweile um sich gegriffen hat, nur umso deutlicher. Und noch dazu hat Martin Sonneborn das Wagenknecht-Schwarzer-Manifest unterzeichnet, und er steht auch dazu. Er ist ein Mann mit Charakter und Persönlichkeit. Ich weiß nicht, was hinter den Kulissen der Sender stattfindet, aber es würde mich natürlich sehr interessieren. Ich empfinde dieses schamlose Anbiedern der Kabarettisten und Satiriker an die Herrschenden und die herrschende Meinung als unerträglich und als absoluten Todesstoß für die freie Meinung, freie Gedanken und für das, was Kabarett sein sollte, nämlich Aufklärung, Scharfsinnigkeit und das Hinterfragen der herrschenden Meinung. Vielleicht können Sie ja Herrn Sonneborn mal um ein Interview bitten. So weit meine völlig unmaßgeblichen Gedanken. Mit freundlichen Grüßen, Philipp Hirchenhain 266. Leserbrief Der Film „Die Welle“ oder auch „Experiment“ sollte Pflichtprogramm aller Möchtegern-Kabarettisten sein! Corona hat eindrucksvoll gezeigt: Die Mehrheit der Menschen will einfach zu den „Guten“ gehören. Und welche Seite das ist, wird der Bevölkerung im Dauerbeschuss medial vorgesetzt. Was uns serviert wird, ist kein Kabarett, sondern Propaganda! Fernseher und Radio bleiben seit über zwei Jahren bei mir aus! Ursel Böhm 267. Leserbrief Lieber Herr Müller, ja, dies ist leider eine sehr bedauerliche und sogar schmerzliche Entwicklung. Ich hatte ja schon im Dezember 2021 nach der unsäglichen „Impf-Werbungs-Anstalt“ Email-Verkehr mit Ihnen dazu. Gerade bei den von mir einst zutiefst verehrten Claus von Wagner und Max Uthoff schmerzt dies besonders. Ich kann mir hier auch nur die Angst vor Bedeutungsverlust mit dann auch finanziellen Folgen bei den beiden vorstellen – was es nicht wirklich besser macht. Analog ist dies wohl auch auf Christoph Sieber und Philipp Simon anzuwenden. Sarah Bosetti hingegen ist meiner Ansicht nach tatsächlich einfach „richtig böse“ geworden. Ihre Art und Sprache, mit der sie Andersdenkende ausgrenzt, waren schon bei Corona unerträglich und setzen sich nun nahtlos bei der Debatte um einen Frieden in der Ukraine fort. Dieses Gebaren und diese Wortwahl kann man eigentlich nur noch als faschistoid bezeichnen. Schön, dass es aber Ihre Nachdenkseiten gibt – meine erste tägliche Lektüre von „Nachrichten“. Machen Sie bitte weiter so! Herzliche Grüße, Jürgen Kohlmann 268. Leserbrief Seit meine Lokalzeitung mich zu Studentenzeiten einigermaßen erfolgreich zum RAF-Anhänger rufmordete, befinde ich mich im Hungerstreik: Massenmedien empfinde ich als ungenießbar, meinen Wissenshunger nach dem Weltgeschehen stillen sie nicht. Daher habe ich mich früh aufs Kabarett verlegt: Dieter Hildebrand, Dietrich Kittner, Matthias Beltz und Hanns Dieter Hüsch gaben mir Futter satt. Später prägten „Scheibenwischer“, Volker Pispers und „Neues aus der Anstalt“ mein Weltbild. Vor diesem illustren Hintergrund gestatte ich mir ein paar Anmerkungen: Die meisten politischen Kabarettisten beziehen ihr Rohmaterial traditionell aus der Zeitung – da findet sich inzwischen fast ausnahmslos Kriegshetze: gaaanz schlechter Stoff. Gleichzeitig beziehen sie Stellung, überwiegend in den „progressiven“ Geschmacksrichtungen Gelb, Rosa und Grün. Nun – selbst wer als „Linksliberaler“ vom grünen Baum der Erkenntnis nascht, ist mittlerweile oliv angelaufen wie eine Panzerhaubitze. Schönwetter-Kabarettisten wie Bosetti, Ehring, Simon, Priol und Co. kann man also abhaken, die sind zusammen mit der taz ins Propagandafach gewechselt. Lisa Fitz, Uwe Steimle und Lothar Bölck sind von den Mattscheiben verschwunden, nur Helmut Schleich hat die Eier, sich mit den verfemten Kollegen gemein zu machen. Von der „Anstalt“ hätte ich Ähnliches erwartet, aber nix da: Nachdem Claus von Wagner und Max Uthoff bereits während der Pandemie eine stramme Regierungslinie vertraten, haben sie den Krieg in der Ukraine vergangenes Jahr allen Ernstes mit einem Potpourri extrem schlechter Putin-Witzchen thematisiert – ein Offenbarungseid! Klare Kante gegen den Krieg gibt es im TV nicht – wer als Kabarettist keinen Haltungsschaden hat, laboriert vorsichtig um die heiße Kartoffel herum, um wenigstens gelegentlich mit Auftritten und Einnahmen bedacht zu werden. Die Sender funktionieren wie die Qual.medien (Kay Sokolowsky): „Die Blattlinie muss unbedingt gehalten werden“ (Die Anstalt, 23. September 2016). Richtig gelesen: Damals hatte die „Anstalt“ den vor neun Jahren begonnenen Krieg im Donbass noch aufs Feinste seziert, mit den Gästen Simone Solga und Tobias Mann erlebte das Kabarett eine seiner Sternstunden. Großartig! Schaut man sich die damalige Sendung auf Youtube an und vergleicht sie mit der peinlichen Witzchen-Parade von letztem Jahr, bleiben nur zwei Erklärungen für die offensichtliche Dissonanz: Entweder haben die „Macher“ ihre Ansichten um „360 Grad“ (Außendesaster Baerböckin) gedreht, oder sie brauchten das Geld. Ich tippe auf Letzteres: Erst werben die Sender mit leisen Tönen um die Einhaltung des genehmen Meinungskorridors, wer darauf nicht hört, bekommt die Daumenschrauben angelegt – das geht bis zum Rausschmiss, der in der heutigen Kabarettszene einem Berufsverbot gleichkommt. Gutes Kabarett von z.B. Simone Solga, Lisa Fitz, Uwe Steimle und Arnulf Rating ist zwar auf Youtube zu finden, aber da lässt sich kein Geld verdienen. Gratis gibt‘s dafür die Schmähungen: „Rechtsoffen“, „Antisemitisch“, „Putinversteher“, … immer feste druff! Bühnenauftritte sind nach der Seuche wieder möglich, doch die Veranstaltungsszene hat sich von den Corona-Maßnahmen nicht wieder erholt – für den Lebensunterhalt reicht es selten. Bundesweite Bekanntheit und volle Säle: Dafür braucht es zudem Auftritte im TV, berichtet Volker Pispers. Für gutes politisches Kabarett sieht es also düster aus. Solide Kabarettisten wie Michael Hatzius („Die Echse“) oder Helmut Schleich müssen sich im Fernsehen auf kaum vernehmbare Zwischentöne beschränken, so eng ist der Meinungskorridor geworden. In der „Anstalt“ von 2016 wurden die Machenschaften der NATO korrekt als Kriegsursache identifiziert, heute muss man die Formel vom „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Putins“ herbeten, um überhaupt sein Gesicht in die Mattscheibe halten zu dürfen. So werden aus Kabarettisten mit Haltungsschaden lächerliche Komiker fürs Entertainment an der Ostfront. Leute, bitte sagt mir, dass ich das alles nur träume! Jenseits von Böse Matthias Burghardt 269. Leserbrief „Wes Brot ich ess’, des Lied sing ich“ – das erklärt alles. Und es gilt nicht nur für den Ukraine-Konflikt, sondern ebenso für Covid, den Klimaschutz und die Migration. Und die wenigen, die gegen den Strom schwimmen (wollen), werden rasch zum Schweigen gebracht. Bleiben nur noch jene übrig, die – als Pensionisten bzw. Emeritierte – schwerer angreifbar sind. Die allerdings sind in den seltensten Fällen Kabarettisten. Helmut Hartmann, Wien 270. Leserbrief Guten Tag Herr Müller, Umfrage zur Anpassung des Kabaretts Wie in jeder Diktatur wird heute auch in der BRD nicht Linientreuen die Ausübung Ihres Berufes möglichst unmöglich bzw. schwer gemacht. Abgesagte Auftrittssäle, die Weigerung, ihre Bücher zu verlegen, die Empfehlungen, die missliebigen Personen aus der Uni zu entfernen, sind nur einige Beispiele. Wie zum Beispiel bei Dr. Daniele Ganser, Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz, Prof. Ulrike Guérot, Uwe Steimle und anderen. Und das nicht, weil diese Personen kriminell, sondern politisch nicht erwünscht sind. Wenn das gewünschte Ergebnis nicht kommt, wird da schon mal etwas nachgeholfen in den gleichgeschalteten Medien mit Diffamierungen, unbewiesenen Verleumdungen und blanker Hetze. Nicht jeder will sich diesen Anfeindungen aussetzen und lieber im Showgeschäft bleiben. Das müsste eigentlich jedem politisch Verfolgten aus der ehemaligen DDR zu denken geben. Nun, wie die DDR endete, auch wegen dieser Missstände, ist ja bekannt. Manchmal dauert es halt noch etwas. Von dem Staatskabarett schaue ich mir nichts mehr an. Mit freundlichen Grüßen, M. Wagner 271. Leserbrief Hallo liebe Freunde, Die Genannten kampierten vorher im Lager der Unangepassten? Da muss ich ja wahrlich einiges verpasst haben. Das heißt alles, was Satire (und ihr konsumierendes Publikum!) im kapitalistischen System als irre, wahnwitzig, belästigend und bedrohlich „kritisiert“, wird so erst durch sie erträglich, und die Bedrohten und Belästigten kommen mit den Bedrohungen und Belästigungen besser zurecht. Satire legitimiert sich demzufolge durch ihren gesellschaftsstabilisierenden, also herrschaftlichen Nutzen. Weder Notwehr noch Kritik spricht daraus, sondern ausschließlich affirmative Leistungen einer Zunft, die objektiv zuallererst bei den Mächtigen Punkte macht. Und das nicht erst seit heute. Und die paar Satiriker und Polit-Clowns, denen das „unangenehm“ oder überhaupt jemals bewusst war (wie vermutlich Sonneborn), werden sich da, wie hoffentlich auch die meisten Leser und Schreiber hier, für ein wehrhaftes und widerständiges Leben in inquisitorischen und totalitären Zeiten zu wappnen wissen. Die angekündigte „Zeitenwende“ und ihre rasant vollziehende Durchsetzung auf allen „gesellschaftlichen“ Ebenen lässt da doch wirklich keine Wahl mehr. Und die Frage, warum auch Satiriker und Fernsehclowns schon immer mehrheitlich die Arschkriecher-Ballade gelebt haben (mal wieder reinhören, lohnt sich!) ist doch wirklich müßig. Warum sollte denn ausgerechnet dieser Zweig des schnöden Broterwerbs da eine Ausnahme sein? Mit allerbesten Grüßen, Stefan Goeschen 272. Leserbrief Sehr geehrte Damen und Herren, es geht ums Geld. Davon lebt man und will halt nicht lassen. Den Zwangsgebühren sei Dank. So einfach ist dies. Mit freundlichen Grüßen. P. Ehrental 273. Leserbrief Nuhr im Ersten, 9. März 2023, ARD Dieter Nuhr betrieb sinngemäß die folgende Pöbelei:
Sahra Wagenknecht würde ja eine Partei gründen wollen, aber wie nennt man und wer wählt die? Einige Linke würden diese wählen; denn sie wäre ja sozial. Auch würden die einige von der AfD wählen; denn sie wäre ja auch national …, also national/sozialistisch … (ein dummes Gesicht machend, und der verblödete Pöbel lachte und klatschte).
H. W. 274. Leserbrief Hallo NachDenkSeiten, Die kurzen Gedanken und Ausführungen von Albrecht Müller über die aktuelle Qualität von satirischen Sendungen kann ich nur bestätigen. Tatsächlich hatte ich bei genau der gleichen Sendung, den letzten „Mitternachtsspitzen“, dasselbe Empfinden. Die Beiträge von Christoph Sieber und Philip Simon, die ich bis dato meist sehr geschätzt habe, waren deutlich zu einseitig und platt, ohne Reflektion und Tiefgang. Auch Extra3 ist in der Hinsicht nicht mehr sehenswert, was ich sehr bedaure. Klar ist der Krieg Scheiße und zu verurteilen, aber alles hat seine Vorgeschichte und Hintergründe und viele Seiten, die man zumindest anhören und in Betracht ziehen muss. Dass komplexe Themen durchaus humoristisch, satirisch und publikumswirksam aufbereitet werden können, hat Volker Pispers immer wieder demonstriert. Daran kann es also nicht scheitern. Best Grüße, Jörg Böllmann 275. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, liebe Nachdenkseiten, ich wage zu bezweifeln, dass die Kabarettisten von heute ihre Texte noch selbst verfassen. Und ChatGPT schreibt bekanntlich immer für den größten Haufen. Die Stars unter den medialen Prostituierten haben sich längst zu einer Marke gemacht. Und aus diesem Label können sie nicht mehr ausbrechen. Ihr Fernsehsender ist das Ladenlokal, und die Zuschauer sind das Produkt, das gehandelt wird. Ich kann es ihnen kaum verübeln. Es geht nicht allein um Macht und Ansehen. Bei den Verteilungskämpfen von morgen wird es um Quadratmeter, Kilowattstunden und Lebensmittelmarken gehen. Mit freundlichen Grüßen, Harald Schulz 276. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, leider muss ich Ihnen gleich zu Anfang etwas „widersprechen“. Wir erleben nicht nur „zurzeit etwas Eigenartiges“, leider ist dieser Prozess der Verdummung des Volkes und Herabwürdigung der Meinung von anderen schon seit mehreren Jahren mit dem Beginn von Corona zu beobachten. Für mich das eklatanteste Beispiel in diesem Zusammenhang war der ‚Abstieg’ der „Anstalt“, die ich bis dahin als hervorragendes Beispiel für gelungene Satire gehalten und auch im Unterricht als Beispiel eingesetzt habe. Bestürzt habe ich, genau wie Sie, Herr Müller, am Samstag die „Mitternachtsspitzen“ verfolgt, insbesondere den nicht wiederzuerkennenden Christoph Sieber. Ich kann mir den „Sinneswandel“ nur damit erklären, dass einerseits der ökonomische Druck auf diejenigen immer größer wird, die sich in irgendeiner Weise öffentlich präsentieren (ob journalistisch oder in Form des Kabaretts), sich herrschaftsmeinungskonform zu verhalten, um keine finanziellen Einbußen zu erleiden. Während der Coronazeit hatten viele Kulturschaffende gar keine Gelegenheit, etwas zu verdienen. Andererseits auch dadurch, dass die ‚Angst‘, nicht mehr zum Mainstream zu gehören, immer größer wird und manche dann dem Trommelfeuer der Meinungspropagandisten nicht mehr standhalten können. Wenn man schon Schlagzeilen wie „Wollt ihr den totalen Sieg“ in der ‚Zeit‘ liest, dann kann einem schon angst und bange werden. Noch erschreckender als der ‚Verfall‘ der Satire ist die Reaktion des Publikums, das Herrn Sieber und Herrn Simon applaudiert hat. Es vermehren sich die Tendenzen hin zu einem immer autoritäreren Staat und Gesellschaft. Heinrich Heine hat es einmal wunderbar ausgedrückt: Vertrauet eurem Magistrat,
Der fromm und liebend schützt den Staat
Durch huldreich hochwohlweises Walten;
Euch ziemt es, stets das Maul zu halten. (1797 – 1856), Christian Johann Heinrich Heine (Harry Heine), deutscher Dichter und Romancier, ein Hauptvertreter des Jungen Deutschland, Begründer des modernen Feuilletons Quelle: Heine, H., Gedichte. Aus: Erinnerung aus Krähwinkels Schreckenstagen Gut, dass es die NachDenkSeiten noch gibt. Heine musste seine Satiren im Exil schreiben. Herzlichen Gruß, Wolfgang Pitzer 277. Leserbrief Ein freundliches Hallo! an die NachDenkSeiten und eine kurze Satire zu diesen seltsamen Zeiten meinerseits: Die Verschwörungstheorie über den moderaten, vernunftbegabten Menschen 😉 Die Zeiten, in denen wir leben, als seltsam zu bezeichnen, wäre wohl eine maßlose Untertreibung. In der sogar ein funktionaler Analphabet genötigt wird, zu wissen, wie man zwischen den Zeilen liest. Und doch schicke auch ich als deutscher Michel mich an, meinen eigenen Verstand (Sapere aude) zu benutzen, im Rahmen meiner Möglichkeiten. Was in so manchen Kreisen wohl auf Unverständnis stößt. Reden, mit einem deutschen Michel, „gar auf Augenhöhe“? Nur, wenn wir grad unter Hühneraugen leiden. Was im Alltag zu so mancher intellektuellen Anekdote führt. Beispiel: Ich äußerte mal in einem Gespräch, dass ich zu einem Thema auch ein paar Bücher gelesen hätte. Worauf mein Gegenüber sich genötigt fühlte, mir die Frage zu stellen: Eins oder alle beide? Es ist dieser Trickle\Down\Bullshit\ Schwedentrunk, verabreicht im Gewand des Nürnberger\./ Trichters, der mir als Michel so sauer aufstößt. Oder wenn ich als „kleiner Mann“ zu hören bekomme: Dass ich mich eines Wortschatzes „bemächtige“, der mir nicht gebührt. Komisch, ich dachte immer, der Wort-Schatz ist für uns alle da. Und es wäre gesellschaftlich geschätzt, einen großen davon zu besitzen. Ich könnte noch zig Beispiele für solch intellektuelle Kapriolen bringen … Was mir seltsam anmutet, ist: Dass selbige Leute immer in meinem Namen sprechen wollen,
oder auf die Ungehörtheit meiner Person insistieren, aber mit dieser Ungehörtheit selbst gut leben können. Wir reden für ihn, über ihn, aber keinesfalls mit ihm. Für mich persönlich ist das sehr suspekt. Auch, dass mediterran angehauchte Freizeit\Revoluzzer einen immer für ihre Interessen vergattern wollen, finde ich sehr übergriffig. Da, wenn es um die Belange der kleinen Leute geht, eher einen Akademischen Stiel gepflegt wird, mit deren Problemen umzugehen. (man hat mal darüber geredet, und dann ist aber auch gut, Schwamm drüber). Erst, wenn die Privilegien und Pfründe gewisser Herrschaften in Gefahr sind, tönt es auf einmal laut: WO ist der kleine Mann! Er solle gefälligst auf die Straße gehen. ACH NEIN? AUF EIN MAL: IST DER DUMME TRÄGE DEUTSCHE MICHEL! euch für etwas GUT GENUG. Jetzt, wo den Augurenlächlern selbiges im Hals stecken bleibt, weil sie nicht mehr zu den Eingeweihten, sondern zu den Ausgesonderten gehören. Jetzt schreien auf einmal ALLESAMT: Geh voran KLEINER MANN, wir stehen hinter dir.
Da fällt mir dieser Witz wieder ein: Haltet den Dieb er hat mein Messer im Rücken. Bleibt abschließend zu sagen: Ja, auch ich finde die Entwicklungen in dieser Zeit erschreckend. Und ja, die NachDenkSeiten helfen auch mir, so manchen Sachverhalt besser zu durchdringen, wofür ich dankbar bin. Aber wenn Sapere aude nicht nur eine Phrase für sie ist, dann lassen sie auch mir die Freiheit!, in meinen eigenen Verstand Vertrauen zu setzen. Es grüßt sie freundlich Ein deutscher Michel 278. Leserbrief Schon vor mehr als zwei Jahren fiel mir auf, wie „Die Anstalt“ abglitt in dumpfes Attackieren alles Oppositionellen und Gutheißen von transatlantisch-russophoben Gedanken. Hier, wie bei mehreren anderen „Kabarettisten“ (Schleich und Fitz sind Ausnahmen), gilt wohl: Wes Brot ich eß, des Lied ich sing. Für sie ist Arbeitslosigkeit oder endlose Untersuchungshaft keine Alternative zum zehnfachen Normalgehalt. Reinhard Knittel 279. Leserbrief Liebe Redaktion, gemäß Ihrem Aufruf möchte ich auf vier Bücher verweisen, in denen die Autoren und Autorinnen (allesamt Personen der Zeitgeschichte) über ihre Begegnungen zwischen West und Ost erinnern. Nicht nur die betreffenden Anekdoten, sondern das ganze Spektrum der (politischen) Zeitgeschichte ist dort spannend und oft erheiternd zu lesen. Ein wahrer Lesegenuss und mit ihm die Erkenntnis, dass damals in den 1960er- bis 1990er-Jahren ein von gegenseitigem Respekt gezollter Umgang zwischen den Repräsentanten der Blockmächte stattfand. Im Gegensatz zu heute war der Wille zur Verständigung da und damit der Abbau eines Feindbildes anstatt dessen Aufbau, wie er heute von der politischen (westlichen) Kaste betrieben wird. Beste Grüße, Claudia L. 280. Leserbrief Na, ich denke, dass es überwiegend um die Einkünfte geht – wie immer. Ohne Moos nix los. Wer nicht auf Linie ist, bekommt die Knute: keine Auftritte (weder in den Medien noch in irgendeiner Stadt eine Bühne, siehe aktuell Herr Ganser). Wer zu laut kritisiert, wird heute wirtschaftlich niedergemacht. Man entzieht den Leuten die Lebensgrundlage. Ich hatte schon drauf gewartet, dass Lauterbach und Co. impfunwilligen Hartz-4-Beziehern und Grundsicherungsleuten die Staatsbezüge kürzen oder ganz entziehen (und diese Kohle dann der Rüstungs- oder Pharmaindustrie hinterherwerfen). Wenn ein „Selbständiger“ (Kabarettist) sieht, welch Möglichkeiten zur Existenzvernichtung der Staat sich herausnimmt oder sich herausnehmen kann – muss er sich entscheiden. Ich hatte nicht nur von Kabarettisten mehr Mut und Charakterstärke erwartet – ganz besonders Antworten/Bemerkungen zur Hetzerei gegen Impfunwillige – sondern auch von anderen „Kulturschaffenden“, aber die Reaktion dieser Leute, die sonst z. B. mit ihren tollen Texten aufwarten, welche sich so menschlich geben, war ja wohl mehr als mau. Demnächst gibt sich in unserem kleinen Städtchen Herr Urban Priol die Ehre. Vor Corona hätte ich sofort eine Karte gekauft, jetzt werde ich mir das Geld sparen. Beim „Tilt 2022“ kam in seinem Programm nichts zum Thema Nordstream und nicht ein einziger Satz Kritik an den US-Amerikanern (z. B. zur Vorgeschichte des Ukrainekrieges und den dortigen Betätigungen der Familie Biden). So denke ich mir: Herr Priol hat sich entschieden – und ich mich auch. Bei dieser Gelegenheit: Alle Achtung, Lisa Fitz. Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Kraft. Das gilt auch für Albrecht Mueller und Team. Ich hoffe, Sie begleiten uns noch sehr lange. Mit einem herzlichen Händedruck, Dojan R. Pahl 281. Leserbrief Es sind Nazis. Heiner von Bargen Anmerkung NachDenkSeiten: So einfach ist das nicht und ein solches Etikett hilft auch nicht weiter. 282. Leserbrief Ganz einfach: Kabarettisten sind halt auch nur Menschen. Und anscheinend leider viele von der Sorte Mensch, wie wir sie während der Coronahysterie zuhauf erleben durften. Nämlich: mit dem Mainstream schwimmen ist angesagt, da ist es kuschelig warm, man glaubt, die Mehrheit hinter sich zu haben, nur nicht negativ auffallen, könnte ja Beliebtheitspunkte kosten. Offensichtlich sind diesen Kabarettisten kritisch denkende/hinterfragende Menschen unwichtig, und es ist ihnen egal, wenn sie diese als Fans verlieren. Sie wollen beliebt sein, das ist soo bequem! Und solang die Kasse klingelt, who cares! Ein Programm zu schreiben, das dem Mainstream entgegenkommt, geht sicher schneller und leichter von der Hand. Und das Risiko einzugehen, sich nach der Sendung mit Zensur und Diffamierung herumschlagen zu müssen, darauf haben die Möchtegern-Kabarettisten eben keinen Bock. Aber immerhin trennt sich so die Spreu vom Weizen, ich bin froh, dass ich nun schon vor der Sendung weiß, ob es sich lohnt, sie anzuschauen oder doch lieber einen noch ungelesenen Artikel in den NachDenkSeiten lese/schaue! G.G. 283. Leserbrief Liebes Team der Nachdenkseiten, ich war ein großer Fan von Georg Schramm, der sich leider aus dem Geschäft zurückgezogen hat. Es würde mich interessieren, wie er die aktuelle Politik einschätzen würde. Ich kann mir kaum vorstellen, dass er sich der Einheitsmeinung einfach angeschlossen hätte. Das, was nachkommt, ist leider traurig. Bosetti, Bielendorfer und Co. sind klar damit überfordert, den Regierenden unangenehme Wahrheiten um die Ohren zu hauen. Danke für ihre Arbeit, Moritz Bayer 284. Leserbrief Ich bin genauso geschockt wie ihr, wie angepasst, hirngewaschen, obrigkeitshörig Kabarettisten wie Sieber oder Sarah Bosetti die Mainstreamhetze gegen die letzten Aufrechten in unserem Land anheizen. Ihr habt mit jedem Wort recht. Bin fassungslos, wie bereitwillig rückgratlos deutsche Kabarettisten sich der Lüge, dem Hass und der Kriegspropaganda anbiedern. Danke, dass wenigstens ihr euch noch Wahrheit zu sagen getraut. Euer Lothar 285. Leserbrief Ja, Kabarett war einmal scharfzüngig und passgenau. So wie man es bei politischem Kabarett erwartet, alles andere ist „Comedy“ oder Komik. „Comedians“ wie Sarah Bosetti oder Jan Böhmermann unterstelle ich einfach mal einen zu niedrigen IQ, um zu verstehen, was in dieser Welt gerade geschieht. Christoph Sieber, Tobias Mann, Claus von Wagner und Max Uthoff hatten die richtige „scharfe“ Zunge, um Fehler im System zu benennen, selbst Philip Simon war einmal gut in dieser Hinsicht. Inzwischen sind aber viele der politischen Kabarettisten so eingeschüchtert worden und haben Angst vor dem Verlust ihrer Einnahmequelle ARD/ZDF, dass sie nur noch dem Mainstream folgen, vielleicht sogar noch „Extrageld“ oder Boni dafür bekommen, dass sie ihr Publikum auf die gewünschten Narrative einschwören. Satire oder Kabarett ist es nicht mehr, was sie derzeit bieten. Nur wenige haben es in Kauf genommen, die öffentlich-rechtlichen Pfründe zu verschmähen, um charakterstark zu bleiben, siehe Lisa Fitz, Uwe Steimle und in gewissen Grenzen auch Matthias Richling (der weiter vom SWR gesendet wird). Bei den Komikern wie Thorsten Sträter oder Alfons weiß man, dass sie politische Themen schon immer „umschifft“ haben, und erwartet auch keine politischen Statements von ihnen. Der politische Aschermittwoch hat uns deutlich gezeigt, dass es noch gutes Kabarett gibt, abgesehen von Florian Schroeder. Arnulf Rating, Simone Solga, Martin Sonneborn und bis zu einem gewissen Grad auch Chin Meyer haben dann für Schroeders Auftritt entschädigt. Mit vielen Grüßen aus Berlin, Rainer Felkeneyer 286. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, ja, ich beobachte ebenfalls, dass unser einst wertvolles Kabarett auf dem besten Wege ist, eine 180°-Kehre (korrekt so?) zu vollziehen. Die Zeiten von Volker Pispers und Georg Schramm sind Geschichte, und selbst „Die Anstalt” hat „zu” gemacht. Was jetzt so läuft, ist weichgespült und eher plattes Zeug. Wie das Phänomen dieser „Gleichschaltung“ zu erklären ist? Naja, ich weiß es nicht, und wenn ich mein „Bauchgefühl” befrage, hab ich die schlimmsten Befürchtungen, die ich verständlicher Weise nicht auszusprechen wage. Vor Kurzem war Urban Priol bei „Hart aber Fair”. Ich habe gleich abgeschaltet, aus Angst, ich müsste mir die Frage stellen: „Was, der auch?” Mit freundlichen Grüßen, Ralf Bauer 287. Leserbrief Mir ist auch aufgefallen, dass seit Corona die heute-show dem Mainstream verfallen ist. Gruß, Detlef Reitzuch 288. Leserbrief Hallo, meine Erklärung, die meisten Genannten sind Anhänger der Grünen, die kritiklos jedem Schwenk ihrer Partei folgen. Außerdem ist es für sie ein wohliges Gefühl, beim Mainstream dazuzugehören. Wenn dann inhaltliche Argumente fehlen, wo sollen diese auch herkommen, liegt aggressive Pöbelei schnell nahe. LG, Vera 289. Leserbrief Liebes Team der NachDenkSeiten, es ist immer wieder das alte Lied: „Dessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing!“ Ganz schlimm jedoch, wenn manche völlig in Böhmermann-Ziegenficker-Untiefen abgleiten – da kann man dann den WAHREN Menschen hinter dem Gesteuerten kennenlernen. So wie auch bei Bastian Bielendorfer! Fremdscham! Herzlichen Dank für Ihre mutige, fleißige Arbeit. Jasmin Kramer 290. Leserbrief Verehrter Herr Müller (oder wer immer diese Mail liest), mit Interesse habe ich Ihren Youtube-Beitrag mit oben genanntem Titel gesehen und habe dazu Folgendes aus eigener Erfahrung zu berichten. Am vergangenen Wochenende trat nach längerer Zeit wieder einmal Urban Priol bei uns im Bürgerhaus auf. Ich kannte Herrn Priol schon viele Jahre durch mehrere Live-Auftritte sowie durch dessen Fernsehshows. Meine Vorfreude war entsprechend groß – umso enttäuschender dann der Auftritt: kein einziges kritisches Wort (vielleicht mit Ausnahme Herrn Habecks „Diener“ vor den Scheichs in Katar) zur katastrophalen Energiepolitik, kein kritisches Wort zur Rolle der Amerikaner und dem Verhalten unseres Kanzlers bei der Sprengung der Nordstream 2, kein Wort über die Rolle der Amerikaner und der EU beim Ukraine-Krieg. Stattdessen lediglich eine Hasstirade auf Putin (die ihm billige Klatscher einbrachte), für die die Bezeichnung „Stammtischniveau“ noch eine Beleidigung für Stammtischler wäre, ein Loblied auf die FFF-Kids (…es ist fünf vor zwölf und 12.000 Wissenschaftler sind sich einig, dass die Klimakrise… ) eine Verneigung vor den Klimaklebern und so weiter und so weiter. Auch kein Wort zu Baerbocks feministischer Außenpolitik, zum Gender-Gaga oder dem Umbau unserer Gesellschaft zur woken, transsexuellen, regenbogenfarbenen LBTQ-Community. Dafür aber Schimpf und Schande für Querdenker und Coronaleugner. (Sinngemäßer Wortlaut: Wer Angst hat, durch die Impfung genetisch verändert zu werden, für den wäre die Impfung möglicherweise eine Chance.) Früher waren die Kabarettisten Querdenker, die ihre Finger in die Wunden legten. Heute ist Querdenker ein Schimpfwort. Alles nur traurig. Mit freundlichen Grüßen, Robert Franke 291. Leserbrief Hallo, Möchte kurz auf die I-Seite her-mit-der-marie.at/funny-money/ hinweisen.
Hier werden ein paar der bekanntesten Österreichischen sog. Kabarettisten aufgelistet, die sich die letzten Jahre über fürstlich (bis zu Mio-Beträge) für ihr Engagement vom Staat bezahlen ließen. Hauptsache Brot und Spiele (Propaganda im Deckmantel der leichten Unterhaltung) fürs Volk… natürlich waren die alle zufällig stramm auf Regierungslinie und streiten auch mehrheitlich ab, vom Staat bezahlt worden zu sein. Alles im Schleier sog. Coronahilfen, outet sich hier die Scheinheiligkeit par excellence. Ich vermute mal stark, dass das in Deutschland auch nicht anders läuft und die Förderungsstruktur genutzt wird, um treue „Staats-Künstler“ zu erhalten, während kritische Stimmen/Künstler ausradiert werden. Erst durch Rufmord und dann finanziell. Auch haben viele ihr wahres Gesicht gezeigt, als Beispiel fällt mir hier der sonst so kritische Volker Pispers ein… Aber ich halte mich kurz. Danke und alles Gute, Gruber Benjamin 292. Leserbrief Guten Tag Herr Müller, schon während der Pandemie zeigte sich deutlich, wie das Kabarett auf Regierungslinie einschwenkte. Die Disziplinierung mit Hilfe des Schürens von Todesangst war der Vorläufer für all die politische Entwicklung in unserem Lande. Vorauseilender Gehorsam, Denunziation, Framing usw. bilden die Voraussetzung dafür, dass die meisten Menschen immer unkritischer und folgsamer werden und sind. Wie mit unseren Gebühren für den ÖR umgegangen wird, wie die Regierung Journalisten gekauft hat und kauft, wird gerade von mutigen Leuten aufgedeckt. Aber wen interessiert es? Die Angst, auch bei Journalisten, bei Künstlern, bei Beamten, bei Angestellten, bei Youtubern, bei ganz einfachen Menschen, griff in der Pandemie so stark, dass bei den meisten das Hirn aussetzte. Auch Kabarettisten sind Menschen, und auch sie sind Vorgaben des politischen Systems ausgesetzt. Früher hatten sie wohl eher das Gefühl, dass die Masse der Menschen für eine kritische Haltung gegenüber der Regierung war. Heute ist das Gefühl ein anderes. Ich denke, um zu verstehen, warum Kabarett heute nichts mehr mit dem zu tun hat, was es einmal war, muss man verstehen, warum die Menschen heute anders ticken. Und das hat sehr viel mit Manipulation, Framing und totalitärem Handeln der politischen Kreise zu tun. Jedoch gibt es auch hier Ausnahmen wie Lisa Fitz, Riwa u.a. … leider sind es aber auch diese standhaften und intellektuell anspruchsvollen Künstler, denen man im ÖR keine Sendezeit mehr gibt. Wir brauchen eine neue politische Bewegung, die dafür sorgt, dass die Dinge sich zum Positiven wenden. Leider werden noch zu viele Menschen im alten Denken verharren wollen. Deshalb müsste es gelingen, im ÖRR aufzuräumen und ihn völlig neu zu gestalten. Herzliche Grüße und Danke für Ihre unermüdliche Arbeit. Ich bin Leserin der NDS von erster Stunde an. Jutta Mühl 293. Leserbrief Liebes Team von den Nachdenkseiten, dieses „Umdenken“ der Kabarettisten ist mir schon fast zu Beginn der Corona-Plandemie extrem aufgefallen. Sie alle treten in den Öffentlich-Rechtlichen auf und müssen wahrscheinlich um ihre Jobs fürchten, wenn sie sich nicht regierungskonform äußern. Da sich mir jedes Mal fast der Magen umdreht, wenn ich dieses „Sich-an-die MSM-Anbiedern“ höre, habe ich Kabarett aus meinem Repertoire verbannt, obwohl ich eigentlich ein großer Kabarett-Fan bin. Die Einzigen, die ich mir noch anschaue, sind Lisa Fitz und Anny Hartmann. Die Nachdenkseiten machen einen hervorragenden Job. 👍👍👍Hoffentlich noch sehr lange. Vielen Dank 🙏 Liebe Grüße, Gabriele Krajewski 294. Leserbrief Lieber Herr Müller, liebe Redaktion, Ihr Aufruf zur Teilnahme an der Umfrage zur Hetze gegen kritische Geister durch Kabarettisten ist zwar schon ein paar Tage her, aber ich hoffe, ich kann immer noch meinen „Senf“ beisteuern. Ich glaube, es ist ein Zusammenspiel von vielen Faktoren. Konkret schweben mir sechs Punkte vor: Erstens habe ich das Gefühl, dass viele Kabarettisten, die nicht „auf Linie“ sind, sich aus den Leitmedien bereits verabschiedet haben. Was wir die letzten Wochen gesehen haben, sind die übriggebliebenen faulen Mitläuferäpfel. Zweitens habe ich Zweifel, dass allzu regierungskritische Leute überhaupt Verträge mit ARD, ZDF etc. bekommen. Sicherlich hat es früher durchaus mehr Meinungspluralität gegeben, allerdings fand ich das schon eher alibimäßig. Gewisse Dinge konnten schon sehr lange nicht mehr wirklich angezweifelt werden, z.B. ob Deutschland wirklich zu den „Guten“ gehört, ob Demokratie nach westlichem Vorbild wirklich das Beste ist, was die Menschheit jemals hervorgebracht hat, und ob es wirklich sinnvoll oder gar moralisch ist, die Westlichen Werte™ in anderen Ländern zu „fördern“ (wenn nötig mit Gewalt). Man darf höchstens ein bisschen meckern, wenn das Thema gerade aktuell ist, und dann hat wieder Ruhe einzukehren. Drittens sehe ich einen sehr direkten Zusammenhang zwischen der Hetze gegen das Friedensmanifest und die Demo und antirussischem Rassismus, der in Deutschland meiner intensiven Beobachtung nach eine jahrhundertelange Tradition hat. Ich selbst wurde 1997 von meinen Eltern aus Russland hierhergebracht und war noch kein Jahr hier, als ich ihn erstmals gespürt habe. Vor allem seitens des scheinbar doch so aufgeklärten Bildungsbürgertums: Die schlimmsten Rassisten hier in Deutschland sind meiner Erfahrung nach Leute, die glauben, eine gute Bildung zu haben, zu wissen, was auf der Welt so los ist, und besonders offen und tolerant zu sein. Als wäre das faschistische Überlegenheitsgefühl auf der Grundlage der Zugehörigkeit zu einer vermeintlich überlegenen „Rasse“ zu einem nicht minder faschistischen Überlegenheitsgefühl auf der Grundlage der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Westlichen Werte™ geworden. In den letzten Jahren recherchiere ich intensiv zu diesem Thema und bin zu der festen Ansicht gelangt, dass die deutsche Vergangenheitsbewältigung ein schlechter Witz ist und dass Deutschland nach 1945 nach und nach die nationale Identität geraubt wurde (angebliche „Entnazifizierung“), das Land aber nie wirklich „entfaschisiert“ wurde, und sehe die aktuelle Hetze gegen die Friedensbewegung und Andersdenkende generell als eine Ausprägung dieses Rassismus, der in den letzten Jahren ja auch noch sehr eskaliert ist. Viertens hätte ich wieder die aus meiner Sicht gescheiterte deutsche Vergangenheitsbewältigung. Einer meiner Kritikpunkte daran, der übrigens sehr gut im Buch „Opa war kein Nazi“ erläutert wird, ist das Betrachten der Vergangenheit fast ausschließlich aus Opferperspektive – obwohl man selbst aus Täter- bzw. Mitläufer- bzw. Mittäterfamilien stammt. Diese über Jahrzehnte antrainierte Identifikation mit den Opfern hat, glaube ich, dazu geführt, dass die heutigen Mainstream-Kabarettisten sich geradezu reflexartig auch bei den heutigen politischen Debatten auf der Seite der Opfer wähnen (mit Russland als dem „Täter“ und der Friedensbewegung als seinen Agenten) und somit gar nicht wahrnehmen, dass sie Benachteiligte angreifen und somit selbst zu Tätern werden. Deutschland hat es eben jahrzehntelang weitestgehend versäumt zu ergründen, wie und warum man zum Täter wird und wie sich das Tätersein anfühlt. Fünftens könnte ein (unterbewusster) Versuch der Gesichtswahrung im Spiel sein. Ich glaube den Kabarettisten durchaus, dass ihre hetzerischen Meinungsäußerungen ehrlich sind, gehe also nicht unbedingt von Korruption aus. Wenn man sich also auf der Seite des „Guten“ wähnt, es aber plötzlich die „böse“ Gegenseite ist, die zu Dingen aufruft, die traditionell als „gut“ gelten (keine Waffen in Kriegsgebiete, Frieden etc.), dann läuft man ja Gefahr, als „böse“ dazustehen, und das wäre eine Katastrophe für das eigene Selbstbild. Und vielleicht zweifeln diese Menschen an ihren politischen Ansichten ja durchaus, versuchen diese Zweifel aber zu unterdrücken, indem sie umso aggressiver gegen diese Zweifel und damit auch gegen Andersdenkende vorgehen. Ich habe das an mir selbst gemerkt während Corona: Mein Verhältnis zur Impfdebatte war lange Zeit neutral bzw. eher unentschlossen, aber nachdem ich mich habe impfen lassen, wurde ich (vorübergehend) antagonistischer gegenüber Impfgegnern. Wenn man sich in einem Klima der Schwarz-Weiß-Spaltung für eine Seite entscheidet, wird man automatisch aggressiver gegenüber der Gegenseite und merkt es nicht einmal. Sechstens kann ich nach 25,5 Jahren in Deutschland sagen, dass Deutsche – dem Klischee entsprechend – durchaus eine im internationalen Vergleich weit überdurchschnittliche Neigung haben, sich anzupassen, im Gleichschritt zu marschieren und ihre Aufgaben zu 250 Prozent zu erledigen, weswegen Deutschland, wenn es nicht kontrolliert wird oder über intakte Selbstkontrollmechanismen verfügt (was aktuell meiner Meinung nach der Fall ist), leicht über das Ziel hinausschießt: Im Kaiserreich hatte der Militarismus absurde Ausmaße, später stach der Nationalsozialismus unter den vielen nationalistischen und faschistischen Ideologien Europas besonders hervor, und schließlich ging es – den Erzählungen meiner Eltern und ehemaliger DDR-Bürger nach zu urteilen – im sozialistischen Ostdeutschland deutlich absurder zu als in der Sowjetunion selbst. Ich hoffe, ich konnte Ihrer Bitte, sich kurz zu fassen, einigermaßen gerecht werden, bedanke mich generell für Ihre wertvolle Arbeit und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Mit freundlichen Grüßen, Katharina Joos 295. Leserbrief Liebe Nachdenkseiten, Ich beteilige mich gerne an Eurer Umfrage. Meiner Meinung nach handelt es sich neben allen sonstigen Gründen v.a. um eine pervertierte ethisch-moralische Grundhaltung bei der Regierung, den Mainstreammedien und den staatlich subventionierten Künstlern, die allesamt miteinander verbunden sind. Die eigene Meinung wird überhöht und den Kritikern das Recht der Existenz und des Aussprechens der eigenen Meinung verwehrt, noch dazu werden Abweichler sozial und finanziell angegriffen sowie (teilweise mit ihren Familien) bedroht. Das führt zu einer Positivselektion, sodass der Mainstream noch lauter schreit und die Kritiker aus Angst immer mehr verstummen. Es gibt also viel mehr von „uns“, als wir denken. So kommt es auch, dass Rechtsradikale (die Grünen) sich links nennen und waschechte Linke (z.B. Sahra Wagenknecht) als Nazis bezeichnet werden (links-rechts-Umkehr). Dumme sind nun intelligent und Intelligente sind dumm. Kritiker sind Nazis, Mitläufer sind mündige, kritische Bürger… usw. Ich glaube, viele (nicht alle) der heutigen Mitläufer, also auch die meisten Künstler, hatten schon vor der krisenhaften Entwicklung Probleme mit ihrer Haltung zum Autoritären. Nur damals hat man es nicht bemerkt, da die künstlerische Freiheit sehr dehnbar war. Denn das Schlimme ist, dass die Repressalien nicht auf Gesetzen beruhen, sondern auf dem, was v.a. die Grünen (nicht) „erlauben“. Wir leben also eher in einem „Moralstaat“, da Meinungsfreiheit nicht mehr von Gesetzen geregelt wird. Und die extreme Anbiederung vieler Künstler an das System ist freiwillig. Darüber sollte man nachdenken. Es geht um Kollektivismus vs. Freiheit des Einzelnen. Die Kunst im Kapitalismus wird immer von den Herrschenden zur Machterhaltung missbraucht. Meine Aussagen haben das Thema nur gestreift, und was die Künstler und ihr Verhältnis zur Regierung angeht, trifft dies auf andere Menschengruppen auch zu. Aber finanzielle Abhängigkeiten und Angst vor dem sozialen Aus spielen für viele nicht die entscheidende Rolle. Denn viele betreiben dieses Spiel absichtlich noch intensiver, als es gewollt ist. Geschichtlich interessant: die Aktivisten-Bewegung im Sozialismus. Ich hoffe, der Text war nicht zu lang. Freundliche Grüße, Christian Fischer 296. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, ein altes Sprichwort besagt: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Gilt für das (Mainstream-)Kabarett ebenso wie für den Journalismus, insbesondere in Kriegszeiten. Abgesehen davon ist das Kabarett mit wenigen Ausnahmen schon seit Längerem in Richtung Comedy-Veranstaltung abgedriftet. Typen, die in die Fußstapfen eines Dieter Hildebrandts passen könnten, findet man derzeit nicht. Herzliche Grüße, Peter Theo Geßl 297. Leserbrief Liebes Nachdenkseiten-Team, Es hat eine Gleichschaltung auf der Ebene des ÖRR stattgefunden, so vorbelastet dieser Ausdruck auch ist. Wenn der Hofnarr sich eins mit dem König macht, dann gibt es nichts zu lachen, und andere Blickwinkel verkommen zu einer verpönten Realsatire in unbezahlten Schmuddelecken, vor denen die mörderische Moralkeule im Schulterschluss mit dem finanziellen Ableben bereits wartet. Was bleibt, sind die tragisch angepassten Mitläufer, die Heinz Rühmanns unserer Zeit, Pfeifen mit drei ‚f‘s. Liebe Grüße von jemanden, dem das Lachen im Hals steckengeblieben ist. Herzlichst, Claudia Schwarzrock 298. Leserbrief Liebes NachDenkSeiten-Team, lieber Herr Müller, um auf die von Ihnen gestellte Frage zu antworten, ob das Kabarett zu angepasst sei, nun folgende Erläuterung aus meiner Sicht: Ich schaue es gar nicht. Ich bin fast 40, habe keinen Fernseher, mein primäres Medium ist das Internet, und ich nehme dieses Programm nur in Form von Beschreibungen aus den alternativen Medien wahr. Selten einmal schaue ich versatzstückartig ältere, gute Beiträge, die zu einem bestimmten Thema gemacht und in den sozialen Medien geteilt wurden. Als ich die letzten Male in diverse Kabarett-Stücke hineingeschaut habe – etwa von extra3 oder heute-show – hielt ich das nicht sehr lange durch. Das allgegenwärtige Framing hat die Gesellschaft durchsetzt und vergiftet. Aus Selbstschutz schaue ich es nicht mehr. Und es gibt genügend Alternativen. Es fehlen die kritischen Geister, die sich gerne mit der Macht anlegen; und der Umgangston ist teils vom Treten nach unten, teils vom Wiederholen von ThinkTank-Phrasen bestimmt und entstellt. Auch wurden seltsame Gestalten wie der Kriegsfalke Röttgen in die heute-show eingeladen und freundlich behandelt, dagegen werden alternative Journalisten und Bürgerrechtler verleumdet und gemobbt. Zählten Aussagen wie „Alle Macht den Großkonzernen“, „Fortschritt um jeden Preis“ und „Krieg ist Frieden“ zu meinen Überzeugungen, dann würde ich mich mit dem Mainstream-Programm vermutlich besser fühlen. Doch leider habe ich da ein paar Anpassungsschwierigkeiten. Und an denen werde ich festhalten. Vielen Dank für Eure/Ihre Arbeit. Mit freundlichen Grüßen, Yves Scherdin 299. Leserbrief In meinem Alltag spaziere ich mit meiner Meinung bei meinen „unpolitischen“ Mitmenschen durch offene Türen. Ich denke, es ist die gebildete Mittelschicht, insbesondere die „Grünen”, zu denen die Kabarettisten wohl auch gehören und bei denen sie sich nach der Isolierung durch Corona heimisch fühlen wollen. Wer weiß schon, wie diese Partei entstanden ist (indem sie die BI’s gegen AKW’s auflösten). Die „Linken“ sind total zerstritten; bei ihnen ist das Wort Solidarität auch inhaltlich ein Fremdwort. Die übrigen Parteien kann man vergessen. Wer bleibt? – das „unpolitische“ Volk, meine Mitmenschen. Stefanie Schneidereit 300. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, vielleicht liegt es – wie in Österreich – an den großzügigen Coronahilfen des Staates, die während der Lockdowns als Abfederung des Verdienstentgangs ausbezahlt wurden. In Österreich waren sechsstellige Beträge eher die Regel als die Ausnahme: Viktor Gernot, Michael, Niavaranni, Thomas Stipsits, Alex Kristan uvm. Mit freundlichen Grüßen, Astrid Gortana 301. Leserbrief Hallo, zunächst: Ganz herzlichen Dank für Ihre hochwertige Arbeit bei den NachDenkSeiten, die wesentlich zum Nach- und Mitdenken anregt und immer wieder zu „Aha-Erlebnissen“ bei mir führt! Ich stimme Ihrer Analyse zu, dass der unbedingte bzw. vorauseilende Wunsch, „dazuzugehören“ bei den Genannten das Denken lähmt und die eigene Aufgabe, kritisch und aufklärend zu agieren, ausbremst. Ich vermute, dass sich z.B. die Genannten gleich zu Beginn ihrer Beiträge übereilt „auf die richtige Seite stellen müssen“, um von vornherein zu verhindern, in den Verdacht zu geraten, etwa Verständnis für die im öffentlichen Diskurs bewusst Ausgegrenzten und Diffamierten zu haben (oder gar Sympathie). Dass sie dadurch nicht nur zu Mittätern der Ausgrenzung werden, sondern auch ihre eigene Sache und das eigene Genre verraten, tritt offenbar hinter die Angst zurück, zur „falschen Seite“ gezählt zu werden. Das ist nicht nur schade, sondern geradezu fatal. Und während ich z.B. Sieber und (früher auch) Schroeder durchaus für klug und eloquent genug gehalten habe, aus richtiger Überzeugung gegen den Strom der Meinung schwimmen zu können, die man gerade zu haben hat, zeigt sich m.E. bei Bosetti schon seit Langem, dass die Inhalte ihrer Beiträge die Aufmerksamkeit nicht rechtfertigen, die ihr teils noch immer entgegengebracht wird; ich muss befürchten, dass sie schlicht nicht klug genug ist, um erhellendes Kabarett zu machen. Der einzige Vorteil des Niedergangs: Diejenigen, die tatsächlich „ihren Job machen“ (und dabei äußerst starken Gegenwind in Kauf nehmen), „erstrahlen“ umso heller ;-) Mit herzlichen Grüßen, Christian von Löwensprung 302. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, seit 2021 bin ich Leser und Hörer der NachDenkSeiten und bin sehr froh, andere Sichtweisen als den Mainstream zu finden. Vielen Dank dafür. Früher war ich ein großer Fan von Satiresendungen im TV – aber sie haben für mich zunehmend an Bedeutung verloren. Die Satire geht nur noch in eine Richtung: in die, die in den Mainstream passt. Ich vermute, dass für manche Kabarettisten ihre Auftritte der bloße Beruf sind und keine Berufung. Und dieser Beruf wird so ausgeübt, dass er dem Geldgeber gefällt. Man verkneift sich kritische Äußerungen und hofft so, zu gefallen, um möglichst wieder engagiert zu werden. Solange es hierfür ein Publikum gibt, welches applaudiert bzw. die Sendungen ansieht sowie die Sender finanziert, wird es, fürchte ich, hier keine Veränderung geben. Beste Grüße aus Sachsen, Claudia Tieze 303. Leserbrief Die Kunst geht nach Brot. Wes Brot ich ess, dess Lied ich sing. Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Die Antwort auf Ihre Frage wird seit Jahrhunderten immer gleich gegeben. Die Frage ist inzwischen obsolet. Hen Dabizi 304. Leserbrief Hallo NDS-Redaktion, vielleicht ist es grob etwa so: Auch die Kabarettisten haben unter den Corona-Regelungen massiv gelitten: keine Auftritte über lange Zeit… Massive Existenzängste sind ihnen von daher hinlänglich bekannt. Und Angst schränkt die Denkfähigkeit ein. Wer dann zumindest in der groben Richtung mit dem Strom schwimmt, hat eher Chancen auf ausgebuchte Kabarettveranstaltungen. Die Existenzangst schwächt sich ab…
Außerdem: Der Hass auf Russland ist tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Seit Generationen. In vielen Köpfen unbearbeitet, zwischendurch verdrängt. Und kommt dann leicht wieder hoch, wenn irgendwas dazu Passendes passiert. Sagte ein Bekannter neulich: „Eigentlich bin ich auch Pazifist, aber im Fall von Putin sehe ich keine andere Möglichkeit als Waffen.“ Entwaffnende Grüße, Lilli Mund 305. Leserbrief Hallo Nachdenker, nun z.B. am kritischen Geist Dieter Nuhr konnte man es beginnend vor ca. zwei Jahren (bis heute) prima beobachten. Ich denke, wer das Glück hat, seinen Traum-Job, der obendrein auch noch sehr gut bezahlt wird, ausüben zu dürfen, der macht unter mehr oder weniger Druck beinahe ALLES, um diesen Job behalten zu dürfen. Ich nenne dies übrigens „Heinz Rühmann-Effekt“. Man beobachtet das eigentlich in allen Bereichen, nicht nur im Showbiz, heute… und damals, z.B. in der DDR. Warum sollen heute Kabarettist*#”ininnen die besseren Menschen sein? Dafür gibt es keine Belege. Oder gab es irgendwann neben den geburtenstarken Jahrgängen auch die charakterstarken Jahrgänge? MfG Werner 306. Leserbrief Liebe NachDenkSeiten, erstmal vielen Dank für eure Beiträge. Das sind meine neuen Nachrichten. Bei der Satire bin ich der Meinung, es liegt wie in allen anderen Fällen auch am Geld. Geld hat kein Gewissen, keine Ethik, ist auch keine Person, bietet aber Sicherheit, Wohlstand, Status etc. Ab einem gewissen Betrag ist jeder bestechlich und verzapft eben das, was verlangt wird. Diejenigen, die finanziell abgesichert sind, wollen mehr. Die anderen müssen sehen, wie sie ihre Familie ernähren, und werden erpresst. Liebe Grüße, Heinzi Holzi 307. Leserbrief Lieber Albrecht Müller, ich habe seit 1983 in der DDR politisch satirisches Kabarett gemacht. Von 1990 bis 2004 unterbrochen und ab 2004 als Freiberufler wieder weiter gemacht. Man könnte sagen, ich weiß, wovon ich rede. Zuerst müsste man fragen, warum die genannten Künstler das machen, also politisches Kabarett? Welche Haltung haben sie zu ihrem eigenen Beruf? Es ist und war ja auch für viele Berufung, aber die sind nicht mehr da. Gestorben oder abgetreten. Außerdem besteht immer noch ein großer Unterschied zwischen Ost- und Westkabarettisten und Innen. Viele aus den alten Bundesländern können sich nicht vorstellen, dass sie sich in den USA getäuscht haben. Dass das seit 1933 bis in die heutige Zeit getragene Russlandbild vielleicht gar nicht stimmt. Und: Sie sind mehr oder minder gelebte Narzissten. Da denke ich nur an Gustav Gründgens, oder Jan Joseph Liefers. Die um nichts in der Welt die Bühne opfern würden. Viele Künstler kommen ja auch nie ins Fernsehen, sodass man nicht weiß, wie sie sich äußern. Was ich auch bemerkt habe, was mal bei der „Anstalt“ ein Gütemerkmal war, nämlich Recherche, wofür viele gar keine Zeit mehr haben, der Aufwand dafür ist inzwischen riesig und zum Teil schwer zu erfüllen. Wir hatten als Ossis so eine Art kreatives Misstrauen, das fehlt völlig, auch schon gelebter Humanismus. Ein belastbares Koordinatensystem. Es tut mir leid, das sind eben nur Künstler. Früher hieß es immer: „Wer auf eine Bühne geht, sollte auch was zu sagen haben.“ Tja! PS. Die NachDenkSeiten sind für mich schon sehr lange Zeit ein Leuchtturm und Halt für mein Leben und mein Bewusstsein in diesem Land. Vielen, vielen Dank für Ihre Arbeit!! Viele Grüße, Stephan Arendt 308. Leserbrief Liebe Leute der NachDenkSeiten, zwei mögliche Gründe der Anpassung: Viele Grüße aus Soest P.S.: Auch wenn hier (und anderswo) der „Aufschlag” wohl sehr hart werden wird, halte ich mich (noch) an die Worte von Watzlawik: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst“ ;) Thomas Pohlon 309. Leserbrief Hallo, nur ganz kurz, ich denke, wenn die geistige Dissonanz zu groß wird, wechselt man lieber sein Weltbild. LG, Patrice Linhardt 310. Leserbrief Lieber Herr Müller, Ihren Eindruck kann ich bestätigen. Zum ersten Mal fiel mir die Zurückhaltung des Kabaretts beim diesjährigen Jahreswechsel 2022/2023 auf. Der Jahresrückblick von URBAN PRIOL fiel aus meiner Sicht deutlich zahmer aus als sonst. Wenn ich mich recht erinnere, hat er „die Ukraine ausgelassen“, hat aber auch nicht einseitig gegen Russland gestänkert wie andere. Vielleicht kamen subtile oder sogar eindeutige Hinweise vom Sender, wie weit er und die anderen gehen können. Die Herren WELKE, EHRING und andere sind klar auf Regierungskurs. Leider habe ich das Gefühl, dass sie sich dabei wohl fühlen. (Der Verlust der Scham ist der Beginn der Verblödung. vermutlich – S. Freud) Aus meiner Sicht veränderten sich die Arbeitswelt und der Journalismus nach 2001, Einführung des Teilzeit und Befristungsgesetzes – TzBfG. Verträge werden nur verlängert, wenn der Betreffende auf Kurs ist. Das färbt sicher auch auf das Kabarett ab. Unabhängig ist man nur, wenn man es sich auch leisten kann. Viele Grüße, D.B. 311. Leserbrief Seit ca. zwei bis drei Jahren sehe die Sendung nicht mehr, da die Inhalte unerträglich durch politisch korrekte Treue sind. Vielen Dank für Ihre Arbeit. Mit freundlichen Grüßen, Leon Szostak 312. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, sie fragten nach einer Erklärung, wie sich das Kabarett so entwickeln konnte, dass es heute die Regierung eher verteidigt als kritisiert. Meine These: Die Mehrzahl der Kabarettisten kommt aus dem Milieu, in dessen Augen der Sheriff von Nottingham beseitigt ist und Robin Hood regiert. Wer die edlen Absichten und bewährten Kompetenzen dieses Menschenfreundes anzweifelt – sei es auch nur durch den Hinweis auf Richard Löwenherz als rechtmäßigen Regenten – muss ja zwangsläufig böse sein und mithilfe des Kabaretts attackiert werden. Herzliche Grüße aus München, Markus Helmreich 313. Leserbrief Liebe Leute von den NDS, gerade den bekannten und betuchten ehemaligen Kabarettisten traue ich zu, dass sie sich ein oder zwei Jahre finanziell durchschlagen könnten ohne großen Verlust an Lebensqualität. Wenn man ein Gewissen hätte, könnte man alternativ auch gar nichts sagen und sich elegant zurückziehen! So aber sieht man, wem es ernst ist und was die Vergangenheit für einen Wert hatte. Das sehe ich hier eher als die fundamentale Erkenntnis. Aber wie ich die Bevölkerung kenne, hat sie auch das bereits wieder vergessen… Love & Peace, S. Göhe 314. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, danke für Ihre Umfrage. Sie zu beantworten ist nicht ganz leicht. Die Motive von Sarah Bosetti und Co. könnten durchaus unterschiedlich sein. Die Gier nach Geld und Geltungsbedürfnis halte ich für die wahrscheinlichsten Gründe. Sie treten in den ÖR-Medien auf und verdienen damit ihr Geld. Sie sind sich sicher, dass die breite Masse ihnen folgt und ihr Prestige wächst. Sie verdrehen alles und diffamieren, was das Zeug hält. Das alles aus Angst, ihren Job, ihr Ansehen und ihre Existenz zu verlieren?! Die geschätzte Lisa Fitz ist ein Paradebeispiel, dass es auch anders geht. Es braucht Werte wie Mut, Wahrheit und Liebe, wie Daniele Ganser sie vertritt. Lisa Fitz trägt diese Werte ebenfalls im Herzen. Andere sog. Satiriker und Kabarettisten haben diese Werte im wahrsten Sinn des Wortes verkauft. Leider… Herzliche Grüße, Holger Rohde 315. Leserbrief Sehr geehrtes liebes Team der NachDenkSeiten! Ich erinnre mich an die offizielle Humor-Fabrikation in der DDR rund um den Eulenspiegel-Verlag und auch das staatliche Kabarett (Diestel u.a.). In den 70er und 80er Jahren herrschte trotz klarer Zensur eine recht große Freiheit zum Benennen konkreter Missstände sowie auch struktureller Fehlentwicklungen. Einige Basics durften nicht infrage gestellt werden, das wäre sonst „Klassenfeind-Propaganda“: Die Souveränität des Arbeiter- und Bauernstaates, das Bündnis unter sowjetischer Führung, der Sozialismus und die Führungsrolle der Partei. Aber sonst gab es eine reiche satirisch-kabarettistische Landschaft: In Zeitungsglossen, literarischen Beiträgen, Zeitschriften (insbes. Eulenspiegel), Büchern, Kabarett…, weniger im Fernsehen (DFF) und Hörfunk. Eine besondere Rolle spielte das Theater. Dort wurden in Dramen und v.a. in neoklassischen Inszenierungen* oft satirische oder kabarettistische Andeutungen untergebracht, die der Zensur entgegenwirkten und die sich spätestens ab den 60ern zum eigentümlichen Bestandteil, ja Merkmal der DDR-Kultur entwickelten (und in der UdSSR war es wohl so ähnlich). Überhaupt lief weit mehr über TEXTE, die eine geübte Rezeptionspraxis erfordern, als über AV-Medien, die besonders propagandaanfällig sind. Es war also unter totalitären Verhältnissen möglich, sowohl „Systemkabarett“ zu machen (die Satiriker und Glossenschreiber waren ja anerkannte Mitglieder in den entsprechenden Künstlerverbänden) als auch die Kunst des „zwischen den Zeilen“-Schreibens und -Inszenierens zur Höchstform zu entwickeln.
Demgegenüber sind Unterhaltungskünstler des Westens grundsätzlich dem kommerziellen System der kapitalistischen Kulturindustrie unterworfen. Sie sind grundsätzlich gegenüber der – gewünschten oder herzustellenden – „öffentlichen Meinung“ prostituiert. Der Begriff „Presstituierte“ ist insofern besonders zutreffend, als er auf „amtliche“ bzw. professionelle Witzbold*Innen angewandt wird.
Die Sonderform des Crowd-Kabaretts hat derweil (noch) in der Provinz überlebt: Kabarett-, Laienspiel- und Karnevalsvereine betreiben ehrenamtlich, was die bezahlten Meinungshuren eo ipso nicht fertigbekommen. Die Pay-if-you-like-Praxis verschafft auch einigen Medienschaffenden wie „Snickers für Linkshänder“, Yann Song King, der Sendung „B & B“ oder Uwe Steimles „Aktueller Kamera“ allerlei Reichweite, auch wenn das neoliberale System mit einem vollkommen pervertierten Urheberrecht der Kunst ständig Beine stellt.
Dass insbesondere der ÖRR sich eine „Kabarett“-Szene leistet, die lediglich das Mainstreamnarrativ mit den Mitteln der Stigmatisierung und Diffamierung repetiert, wird noch von privaten „Comedians“ flankiert, die sich vor lauter Wokeness, Corona-Beflissenheit und Russophobie gegenseitig überbieten. Mit dem „Witz“ eines H. Heine, E. Kästner, G. Schramm oder Loriot hat all das überhaupt nichts mehr zu tun. Von selbstkritischer Beleuchtung des eigenen Nestes sind die Böhmermanns und Bosettis, die Wischmeyers, Uthoffs und Wagners so weit entfernt wie der ÖRR von seriösem Journalismus. Erinnert sei an die unübertreffliche Fremdschäm-Nummer, bei der Oliver Kalkofe vor ca. 1,5 Jahren dem woken Publikum in einem Best-of tränenreich erklärte, dass ausgerechnet und einzig seinem „Roberto Blanco“ kein gedankenloses Blackfacing zugrunde läge, sondern tiefe und bewusste Kunstsinnigkeit.
Über das Wesen der westlichen Kulturindustrie haben schon die Altvorderen der Frankfurter Schule hinreichend nachgedacht – das muss hier nicht wiederholt werden.
Fakt ist: Wer halbwegs professionell arbeiten möchte mit entsprechenden Zugängen zu Netzwerken und sozialen Milieus, wer sein Eigenheim abbezahlen und die Privatschulen für die Kinder finanzieren will, ist den Bedingungen unterworfen, unter denen „offizielle“ Kunst im westlich-kapitalistischen Wertesystem überhaupt möglich ist. Außerdem dürfte die Methode „Bestrafe einen – erziehe hundert“ auch auf diesem durch Corona eh angeschlagenen Sektor prächtig funktionieren. Die Scheuklappen sitzen („Einengung des Diskurskorridors“ – R. Mausfeld).
Außerdem sorgt das grundsätzliche Outsourcing der Produktionen zwar einerseits für deutlich mehr „Kasse“, andererseits aber auch für eine Kanalisierung, denn es steht ARD, ZDF & Co. jederzeit frei, die Zusammenarbeit zu beenden, wenn die gelieferten Produkte nicht die gewünschten Charakteristika aufweisen.
Was mich allerdings wundert: Wenn diese Leute doch so überzeugt von ihren Narrativen sind, warum wird dann nicht mit viel mehr und viel treffenderem Humor reagiert? Richtig gute Putin- oder Wagenknecht-Witze habe ich noch nicht gehört. Statt Humor gibt es Häme, statt glossierender Kritik nur unterirdisches Bashing auf Sascha-Lobo-Niveau (und statt schmunzelnder „Erwischt!“-Reaktionen nur ein peinliches Beleidigtsein wie im Fall Klamroth). Insofern dient die(se) Kunst(richtung) wie in allen totalitären Systemen lediglich dem Einzimmern des Narrativs im Stil von „1984“, vor allem bei den staatstragenden Mittelschichten des FAZ- und ZEIT-lesenden Bildungsbürgertums. Und das war schon immer (und in jedem System) gegen Kritik, Selbstkritik und jede Form von Augenzwinkern immun.
Mit herzlichen Grüßen, Ihr Matthias Jehsert
*Zur realsozialistischen Kulturtheorie vgl. vor allem Peter Hacks! 316. Leserbrief Kabinett-Arbeit ist heutzutage Kabarett – Kein Unterschied. Also: einfach reine Satire – merkt das denn nur keiner.
Bundestag: Kleine Anfrage: Was zahlen die Ministerien an Kabarettisten und andere Politik-Statisten an Geldbeträgen? (analog zu Journalisten – Honorare) Übrigens: Was ist der Unterschied zwischen einem Comedian und einem Kabarettisten? Der Comedian macht es wegen dem Geld, der Kabarettist wegen des Geldes. Dieter Hildebrand u.a. machen es wg. Demokratiebelebung unter Idee, Verstand, Geist, Wagemut, Herz: Der Scherz verlangt einen Einfall, der Witz aber Verstand, die Satire Geist, die Ironie Wagemut und der Humor Herz. Money makes the world go around – But if you can see it with my eyes…. Joachim Raedler 317. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, sehr geehrte Redaktion, Ihre und die heute schon veröffentlichten Erklärungsansätze für die alldurchdringende Anpassung an die „h. M.“ sind sicherlich zusammen zutreffend. Ich selbst suche seit 2020 nach Erklärung für die frappante Faktenignoranz meiner Mitmenschen: innere Korruption durch auskömmliches Arbeitnehmerdasein, group think mangels Aufklärung und Reflektionsbereitschaft, Herdentrieb gerade in der Stampede und Verstärkung all dessen durch autopoetische Selbststabilisierung unserer Gesellschaftssysteme? Schmerzhaft, keinen klaren Sinnzusammenhang sehen zu können, keine erschöpfende Erklärung für den mehrheitlichen Totalausfall korrigierender Pluralität und gleichzeitige Verhärtung auch der Gegennarrative. Gefragt nach den Gründen, ist mir jetzt ein grundlegender Gedanke über Elemente und Ursprung all dessen bei dem Kognitionspsychologen Daniel Kahnemann begegnet: Unwillkürliche Abläufe unseres Gehirns im intuitiven System „schnellen Denkens“ seien im Kern bestimmt durch das assoziative Gedächtnis, das „fortwährend eine kohärente Interpretation dessen konstruiert, was zu jedem beliebigen Zeitpunkt in unserer Welt geschieht“. Diese Gehirnfunktion sei einflussreicher als das andere, bewusst logisch und rational operierende System „langsamen Denkens“. Denkt man die Wirkungsweise kognitiver Dissonanz hinzu, erklärt sich, warum die Behavioristen so kein Recht doch Erfolg haben. Konkret: Die auf vermeintlich empirische bzw. normative Prämissen gegründete Impfgläubigkeit bzw. Feindbildbeschwörung der (Journalisten-, Kabarettisten- und Bürger-)Mehrheit ist möglicherweise auf einen einzigen anderen Punkt rückführbar: Nichtdenken-Können des Unvorstellbaren oder Angst. Wer solche Deutung in Betracht zieht, verlässt den hermeneutischen Inner-Circle und setzt sich dem Erkenntnisrisiko aus, er könnte selbst wie andere auch durch feinsinnige Fäden gebunden oder gelenkt sein. Könnten Intensivmediziner durch die Dauerbeschallung zu krisenentscheidenden Beatmungsbetten so beeinflusst gewesen sein, dass sie glaubten, schwer erkrankte Patienten ungeachtet des Patientenwillens beatmen zu müssen? Könnten die inzwischen 747.048 Bundesbewohner, die die Schwarzer/Wagenknecht-Petition zahlreich deshalb unterzeichnet haben, weil sie ebenfalls unter dem Eindruck der allgegenwärtigen Kriegspropaganda Angst haben – vor einem Krieg im eigenen Vorgarten oder auch nur vor dem Verlust bisheriger Gewissheiten? Auf mich gewendet: Es ist keine besondere intellektuelle Leistung, Querdenker zu sein, sondern erklärlich aus meiner Individuation mit ausgeprägter Skepsis vor Gruppenzwängen und Spezialisierung aufs Hinterfragen. Hätte ich durch vielleicht zufällige Faktoren wie meine „Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe“ und ersatzweise ersten Erfahrungen mit der Kommerzialisierung im Gesundheitswesen nicht schon als Student gegen die fadenscheinig begründeten Golfkriege des militärisch-industriellen Komplexes demonstriert, mich nicht als damals kirchtagsbewegter Gemeinsinnglaubender für die Risiken der Biotechnologie interessiert, mir später nicht wissbegierig die wegen bloßer Gendrift an sich ungefährliche Schweingrippe 2009 alternativ erklärt als Katastrophenschutzübung, und hätte ich mich zu dieser Zeit nicht durch weitere Internetrecherchen auch zu 9/11 den Schmerzen einstürzender Gewissheiten unterzogen, um zur Erkenntnis personeller Identifizierbarkeit des inzwischen auch pharmazeutischen Komplexes zu gelangen, ich wäre zu Beginn der Pandemie nicht auf den Gedanken gekommen, einen Zusammenhang des ersten deutschen Coronainfektionsfalles mit einer Rüstungsfirma zu vermuten oder eine nicht nur zufällige zeitliche Koinzidenz des strengen Lockdowns mit dem Transport amerikanischer Panzer für „Defender 2020“ durch den Hauptbahnhof meiner Stadt. Wo sind die jetzt eigentlich? Aufklärung ist notwendig. Laudulus 318. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, sehr geehrter Herr Berger,
sehr geehrte Mitwirkende und Unterstützer der NDS,
Zuallererst möchte ich Ihnen für Ihre unermüdliche Tätigkeit danken und für die für mich immer wieder lesenswerten Artikel von Herrn Berger, dies soll natürlich keine Abwertung aller weiteren Beteiligten darstellen. Jedoch ist für mich die Art und Weise, wie Sie, Herr Berger, formulieren, immer wieder eine Freude.
Nach der Veröffentlichung der Leserbriefe Teil I gehe ich davon aus, dass Sie sehr viele Gedanken zu der Anpassung des Kabaretts erhalten haben, und sehe mich veranlasst, auch einmal wieder aus meiner liebgewonnenen Passivität herauszuschauen.
Bei Teil I fällt mir der Hinweis auf materielle Gründe immer wieder auf, diesen kann und möchte ich so nicht gelten lassen. Es ist leicht, Kabarett zu betreiben, wenn man keinerlei Repressalien oder Nachteile zu befürchten hat – jeder „Depp“ kann sich in solchen Zeiten als Kabarettist betätigen. Ein „Vollblutkabarettist“ spiegelt letztendlich auch seine eigene Meinung in seinem Programm wider und steht zu ebendieser – natürlich mit dem Recht, diese Meinung an neue Informationen anzupassen, ohne sich selbst dabei zu verraten. Im Volksmund nennt man so etwas „Rückgrat haben“. Bei dem Personenkreis, von dem wir hier reden, handelte es sich für mich, im Nachhinein betrachtet, lediglich um „als Kabarettisten getarnte Comedians“.
Doch möchte ich auch betont wissen, dass dieses „Phänomen“ der „Rückgratlosigkeit“ nicht alleiniges Monopol des Kabaretts ist, sondern allgemein um sich greift. Hochachtungsvoll, DK 319. Leserbrief Wertes NDS-Team, danke für Ihre Beachtung dieses Themas. Auch ich bin sehr verwundert über den Gleichschritt der Satire gegen die Friedensdemo. Meine Vermutung ist, dass auf den ersten Blick ja Putin der alleinige Schurke sein muss. Man darf also auf gar keinen Fall mit ihm verhandeln. Auch denke ich, dass es einen kabarettistischen Herdentrieb gibt. Wenn sich drei prominente Satiriker gegen die Friedensdemo ausgesprochen haben, traut sich der Rest nicht, auf Gegenkurs zu gehen. Man will sich dann nicht in die Nesseln setzen und als Putintroll gelten. Beste Grüße, Karsten Zöllick PS: Morgen kommt die Anstalt, ich hoffe inständig auf die beiden 😉. 320. Leserbrief Sehr geehrte Damen und Herren, gerne greife ich die Einladung von Albrecht Müller auf und gebe eine Rückmeldung zu meiner aktuellen Sicht auf die deutsche Kabarettszene. Ich kann ihm in seiner formulierten Kritik nur zustimmen. Zu den von Herrn Müller aufgeführten Personen kann ich ergänzend noch Christian Ehring (Extra-3 / NDR) anführen, der ebenfalls in Bezug auf Wagenknecht / Schwarzer den Kniefall vor dem Mainstream-Journalismus vollzogen hat. Es ist nur erbärmlich zu nennen. Satire lebt in ordentlichen Zeiten davon, herrschende Verhältnisse zu beleuchten und zu karikieren. Was aber diese Damen und Herren ablassen können (und müssen?), gibt vielleicht nur einen Sinn, wenn man die wohl potenziell lukrativen Gewinne von Schmarotzern berücksichtigt. Meine Botschaft ist eindeutig: Mit mir nicht mehr! Freundliche Grüße, Peter Bünder 321. Leserbrief Moin, Mahlzeit und einen schönen guten Abend @nachdenkseiten, Meiner Meinung / Ansicht / Auffassung nach liegt es zum Teil an Gewisse Parallelen sehe ich als „gelernter DDR-Bürger“ zu DDR-Zeiten, und ganz besonders die „Kriegs-Lust“-Parallelen zum 3. Reich, was wir mal in Geschichte gelernt haben. Gruß Roberto, Rasch, Berlin 322. Leserbrief Liebe NachDenkSeiten,
kurz soll es sein, also in Schlagworten: Es ist Wunschdenken, Kabarett links zu verorten. Das kommt daher, wir erinnern uns an Karl Valentin, an Weißferdl erinnert sich niemand. Es wird sich erinnert werden an Gerhard Polt und an Mario Bart nicht. Das Schandmaul, der Witzeerzähler, der Hofnarr, die Kleinkunst, all das ist ein besonders schnell ausschlagender Gradmesser von Kultur im weitesten Sinne. Wenn ein Comedian die Olympiahalle füllt, indem er sich über Defizite unter der Gürtellinie lustig macht, dann sagt das etwas über die Defizite derer aus, die das so lustig finden. Dafür bezahlt ein Selbstgerechter €50,- oder mehr. Es sollen Karten für Frau Gruber auch €120.- kosten, in Sporthallen. Es ist zu einfach, diesen Erfolg der Macht der Medien zuzuschreiben.
Der ‚Künstler‘ bietet dem Publikum immer etwas an, worin dieses sich widerspiegelt, sich sehen möchte. Je besser der Künstler, um so mehr Möglichkeiten hat er/sie, darin etwas von sich zu verstecken.
Beispiel: Ein TV-Schandmaul bietet seinem Publikum den Lacher, dass eine alte Frau (Alice Schwarzer) das Mikrofon falsch rum in der Hand hat. Das Defizit unter der Gürtelline seines Publikums könnte sein: „Wir wollen gar nicht darüber nachdenken, was die Frau sagt, wir wollen einen (von Konserve eingespielten) Lacher, welcher die kognitive Dissonanz wieder in Harmonie bringt.“
Fragen Sie sich mal, wer von denen für einen marginalen eigenen Vorteil, sagen wir mal ein Silberbesteck, die Nachbarin an die Gestapo denunzieren würde? Der Judenwitz fegt die moralischen Hindernisse einfach weg. Damit haben wir doch Erfahrung.
Hans Fleischmann 323. Leserbrief Sehr geehrter Herr Müller, sehr geehrte NDS-Redaktion, leider ist es so, dass ich Ihre Meinung und auch die von Herrn Riegel zu 100 Prozent teile. Leider, da dies nicht mehr dem entspricht, was man mal als Kabarett bezeichnete. Leider geht das noch nicht mal mehr als Satire durch. Glauben Sie mir, ich als jahrzehntelanger Fan und Beobachter der Kabarettszene muss es wissen. In bewusster Selbstkasteiung habe ich mir so viel Schlechtes, auch unter Schmerzen, angetan, auch live. Auch in früheren Zeiten gab es schon immer den etwas plumpen, einfältigen und weniger intellektuellen Humor, den man damals als Klamauk oder Unfug bezeichnete, aber dennoch hat es einem vielleicht ein leichtes Schmunzeln auf die Lippen gezeichnet und konnte weitläufig durchaus noch unter dem Überbegriff Unterhaltung subsumiert werden. Die Geschmäcker sind ja zum Glück verschieden. Doch das, was die vermeintlichen Unterhaltungskünstler heutzutage dem geneigten Zuschauer feilbieten, ist mehr als nur unterirdisch und verdient noch nicht mal mehr die Bezeichnung Klamauk oder Unfug. Oberlehrerhaftes Belehrungsdiktum trifft es wohl eher. Warum? Warum ist das so? Ich kann mir gut vorstellen, dass die inzwischen so angepassten Unterhaltungskünstler jetzt endlich Ihren Erfolg ernten, ganz nach dem Leitspruch „Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing.“ Während ja in der Regel bis zum Höhepunkt der eigenen Karriere ein eher steiniger Weg hinter einem liegt, sind die sog. Senkrechtstarter wohl eher in der Unterzahl. Aber senkrecht zu starten, erscheint heute auch durchaus leichter und einfacher. Die eigenen Ansichten müssen nur entsprechend auf Linie sein und am besten noch woke, divers und klimaneutral. Schon generiert man sich so mit der angepassten TV-Leitmedienkultur entsprechende TV-Auftritte, welche einen gesteigerten Bekanntheitsgrad nach sich ziehen, und dadurch füllt man auch größere Hallen bei den eigenen Live-Auftritten. Aber die Nicht-senkrecht-Gestarteten mussten vielleicht Jahre oder sogar Jahrzehnte auf kleinen Bühnen durch die Republik tingeln. Das eigene Dasein so zu fristen, mal mehr oder weniger schlecht geglückt sein. Da ist es doch sehr verlockend, wenn man jetzt endlich in der vermeintlich ersten Reihe angekommen ist, diesen doch sehr komfortablen Status zu halten gegenüber dem mühseligen Tingeltangel aus früheren Tagen. Wäre man wohlgesonnen, könnte man dem ganzen vielleicht noch ein gewisses Verständnis entgegenbringen und zugutehalten. Mit zunehmendem Erfolg konnte man sich vielleicht endlich das vielfach ersehnte Reihenhäuschen leisten, welches aber natürlich noch nicht ganz abbezahlt ist, oder endlich konnte man beiden Kindern das Studium ermöglichen bzw. diese finanziell angemessen unterstützen. Doch welchen Preis bezahlt ihr dafür? Mögen manche durchaus mal ein entsprechendes Handelsgut zu veräußern gehabt haben, hatten dies die unzähligen Neu-Emporkömmlinge ohnehin nie – HALTUNG!!! Bernd Leitel 324. Leserbrief Sehr geehrte Damen und Herren, ich weiß, dass ich mit meiner Antwort etwas spät dran bin, aber vielleicht findet sie ja doch noch Gehör. Ich veröffentlichte just zu diesen Thema ein Video, damals noch spezifisch zum Corona-Skandal. Hier der Link dazu: youtube.com/watch?v=CJQF_8OSPD0 Mit freundlichen Grüßen, Franz Esser, Musik-Kabarettist 325. Leserbrief Liebe NachDenkSeiten-Macher, also ehrlich gesagt ich kann mir diesen Paradigmenwechsel im Kabarett nicht erklären. Bei den üblichen Verdächtigen: Nuhr, Schroeder … schon, aber bei Siebert und Simon??
Als Amateurastronom kann ich nur sagen: In der Vergangenheit galt, nur zwei Insignien der Menschheit sind aus dem Weltall erkennbar. Bei Tag die chinesische Mauer, bei Nacht die beleuchteten belgischen und niederländischen Autobahnen. Seit ein paar Jahren ist für die Nacht eine dritte hinzugekommen: Die Bühnenbuchstaben von Dieter Nuhr 😊.
Wenn die es nicht können, müssen wir Leser das mit der Satire halt auch noch übernehmen 😊.
Amateursatirische Grüße, Heiko Künzel 326. Leserbrief Sehr geehrte Redaktion, nachdem ich erste Wortmeldungen betreffend die derzeitige Rolle des deutschen Kabaretts gelesen habe, möchte ich noch einen Eindruck vermitteln, den ich kürzlich erhielt. Es geht um eine Vorstellung von Urban Priol in der Alten Oper in Erfurt. Priol, den ich bisher sehr geschätzt habe, hat einen Auftritt hingelegt, der mich zum Verlassen der Veranstaltung in der Pause veranlasst hat. Der Grund in einem Satz, der Künstler ließ in seinem Auftreten nicht erkennen, auf welcher Seite er steht. Das heißt, es wurde planlos in alle Richtungen ausgeteilt, auch und besonders gegen diejenigen, die der Corona-Impfung skeptisch gegenüberstehen. Keine Spur mehr vom alten Priol, der vor Jahren messerscharf den Finger in die Wunden der Gesellschaft gelegt hat. Enttäuschend. Mit freundlichen Grüßen, Jürgen Keller 327. Leserbrief Wertes Team der Nachdenkseiten, werter Herr Müller,
angeregt durch ihren Artikel bzgl. des Kabaretts und die ersten Leserbriefe darauf, habe ich mich entschieden, dem von mir sehr geschätzten Kabarettisten Volker Pispers eine Anregung zu schicken… es lag mir einfach auf der Seele.
Also mit der sehr guten Arbeit immer weitermachen, ihr erreicht die Menschen.
Herzliche Grüße, Veikko Villwock
Gesendet: Montag, 13. März 2023 um 16:43 Uhr
Von: Veikko Villwock
An: Volker Pispers Betreff: Gedankenaustausch Sehr geehrter Herr Pispers, nach langem Zögern habe ich mich heute entschlossen, Ihnen zu schreiben. Sie, ihre Bühnenprogramme und vor allem ihre CDs während langer Autofahrten haben mich seit einem Vierteljahrhundert begleitet. Ihre kritisch- witzig- teilweise derben Einlässe und Gedankenspiele haben meine kritische Grundhaltung von Jugend an gestärkt und geformt. Viele Ihrer Sätze sind in meiner Familie zu geflügelten Worten geworden und sind in unseren Wort- und Sprachschatz übergegangen. Das sollte Ihnen ein hohes Lob sein und sie können sicher sein, dass Sie dadurch in den Gedanken und Gefühlen vieler immer präsent sein werden. Mit großem Bedauern habe ich Ihre Abkehr von der Bühne zur Kenntnis nehmen müssen, ich habe es leider nie genießen können, Sie einmal live zu erleben. Schade, schade. Jetzt möchte ich zum Grund meines Schreibens an Sie kommen: In den letzten 3 Jahren habe ich mich bei allen Vorgängen in der Welt immer und immer wieder gefragt, was würde Volker Pispers dazu denken bzw. wie würde er sich äußern? Er hat immer den Finger in die Wunde gelegt und nie ein Blatt vor den Mund genommen, wenn es darum geht, auf Missstände hinzuweisen. Also suchte ich den Weg auf Ihre Website und las ihren Kommentar zur fünfjährigen Auftrittspause… Und was soll ich jetzt denken? Sie als ein Künstler, der sich immer mit den Möglichkeiten und der Gefahr von Sprachmanipulation auseinandergesetzt hat, schreiben stigmatisierende und framende Begriffe wie „Corona-Leugner“ oder „selbsternannte Querdenker“ und distanzieren sich von solchen Leuten, da sie ihre Zitate aus dem Zusammenhang gerissen benutzen könnten? Sie unterstellen weiterhin „krude und kranke“ Ansichten? Wenn sie solche Worte schreiben, haben sie m. E. genau diesen Weg beschritten, vor welchen Sie in ihren Programmen immer gewarnt haben, nämlich den Weg der Ausgrenzung und Stigmatisierung. Jetzt im Rückblick und nach dem Abschwellen der Hysterie könnten Sie mir zustimmen, dass ihre Worte eventuell deutlich über das Ziel hinausgeschossen waren? Wenn man nüchtern zurückblickt, was ist von der „Pandemie“ geblieben? Ich möchte hier nur wenige Schlagworte anführen, derer sie sich sicherlich als aktiver Kabarettist angenommen hätten und zumindest Fragen gestellt hätten: Ja, welche Fragen hätten sie gestellt? Hätten sie welche gestellt? Öffentlich? Ich meinerseits habe mich immer von Ihren Gedanken leiten lassen, Fragen gestellt und mit sehr, sehr vielen, friedlichen, bunten und herzlichen Menschen in der dunkelsten Stunde des Grundgesetzes meinen Unmut, Fragen und mein „NEIN“ auf Demonstrationen in vielen Städten ausgesprochen. Sehen Sie das auch als Ihren Verdienst an! Aber bin ich deswegen ein „Coronaleugner, Querdenker, AfD- Fan oder rechter Extremist mit kruden und kranken Ansichten“? Bitte hinterfragen Sie an dieser Stelle ihre geschriebenen Worte, diese und andere in dieser Form sind der Sargnagel im Diskurs untereinander und führen letztendlich zur Erosion demokratischer Gepflogenheiten. Für eine sachliche und offene Diskussion stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Ich wünsche Ihnen ein gesundes weiteres Leben und eine schöne Zeit im Kreise ihrer Lieben.
Hochachtungsvoll,
Veikko Villwock
328. Leserbrief Ich weiß nicht, ich weiß nicht, liebe Leserbriefschreiber:innen, ob Sie nicht hier und da von falschen Bedingungen ausgehen und deshalb falsche Schlüsse ziehen… Kabarettisten sind nicht per se schlau und auch nicht automatisch links. Sie sind, wie wir alle, Kleinbürger, und in Krisenzeiten eben wild gewordene oder wild gemachte Kleinbürger. Da ist keine fundierte Analyse zu erwarten. Und wird auch nicht erwartet vom Publikum. Das Kabarett-Publikum ist das für Künstler undankbarste aller Publika. Es will immer nur das eine: öffentliche Bestätigung, auf der richtigen Seite zu stehen. UND: künstlerische Qualität ist dabei so egal wie die letzt’ Woch’, wie wir Hunsrücker sagen. Kabarett-Publikum hat keine Ahnung von Mozart, keine von Goethe, aktuelle bildende Kunst kann eher weg, weil’s keine ist, man hasst Jazz außer Oldtime, betet das irgendwie Authentische an, und wenn die Blockflöte verstimmt ist, wunderbar: wie authentisch! Es geht also nur um Lebensgefühl und um die Bestätigung des Eigenen als das Richtige durch Kabarettisten als Lautsprecher des eigenen Bauches. Das Lebensgefühl bis – sagen wir mal: Corona – war irgendwie „links“, besser: sozialdemokratisch-grün. Und so waren halt auch die Kabarettisten. Großes Glück dabei, Zufall oder der Zeit geschuldet (?) … die wirklich Guten waren auch gute Bühnenkünstler – sprachlich, formal, ästhetisch – und also nicht nur Lautsprecher der richtigen Parolen. Talente, die’s nicht jederzeit gibt: Der in den Leserbriefen oft genannte Georg Schramm: ein Ausnahmetalent! Hanns Dieter Hüsch auch, wird aber in den Leserbriefen nicht genannt. Wahrscheinlich den NDS-Lesern nicht politisch genug. Was stimmt, Hüsch war nur ein guter Alltagsbeobachter. Was der ebenfalls nicht genannte Jochen Malmsheimer trotz eines Hangs zu Geschwätzigkeit und Manierismus heute ist. Der großartige Josef Hader! Oder Pigor und Eichhorn, die auch noch begnadigte Musiker sind. Pelzig!
Gerhard Polt: Ausnahmetalent. Ein veritabler Philosoph auf der Bühne. Wie heute vielleicht Alfons und auf jeden Fall Gunkl, den aber keiner kennt. Und der unbekannte Marco Tschirpke ist politischer, als seine kleinen Meisterstückchen auf den ersten Blick preisgeben. Im originär politischen Fach darf der Schleich Helmut nicht vergessen werden. Zu Recht nennt er auch Andreas Rebers und Mathias Tretter. Auch der in den Leserbriefen viel geschmähte Christoph Sieber will verteidigt sein. Ja, sein Eingangsstatement bei den letzten Mitternachtsspitzen „250 sitzen im Saal, oder wie Frau Wagenknecht sagen würde, 250.000“ war billig. Da hat er es sich (eventuell) leicht machen wollen mit einem bequemen, weil garantierten Lacher. So was kommt auch bei Guten vor, wenn sie keinen guten Tag haben. Sein Side-Man Philipp Simon jedoch: dümmlich und müde. Da würde man Sieber eine bessere Hand wünschen. Doch was kriegt der Mann? Tosenden Applaus. Ich sag’s ja: …. Kabarett-Publikum! Siebers Live-Bühnenprogramm ist übrigens hervorragend. Der beklagte Seitenwechsel ist häufig eine 360-Grad-Wende. Dem schlicht schon immer nur geschwätzigen Priol fehlt das Merkel, der einzige Fixstern seines politisch oppositionellen Kosmos’. Kurz und eingebettet in die Anstalt, war er erträglich. Den beiden Anstaltsherren wiederum fehlt der vor geraumer Zeit entlassene dritte Mann im Hintergrund, der (vermutlich) das politische Gehirn war. Kabarettisten sind häufig eben keine Denker, die Politik und Gesellschaft fundiert analysieren und auch noch auf der Bühne inszenieren können. Viele Einsichten und Weisheiten sind doch eher schlicht und getragen vom gerade aktuellen Empörungsgestus. Und der, inklusive des Kabarett-Publikums, verlangt heutzutage (sehr verkürzt:) „Slawa Ukrajini“. Warum nur erwarten Kabarett-Enthusiasten, dass diese bessere Journalisten, bessere Politiker sind als die Profis? Kabarettisten sind von Beruf Kabarettisten. Mein Winzer, von Beruf Winzer, gefragt nach dem besten Wein in seinem Keller, antwortete: „Das ist der, den ich am besten verkaufe.“ Tja. Ein Publikum, das von Kabarettisten in einer Art Selbstbestätigungstherapie stellvertretend für sich selbst Opposition verlangt, ist unlauter. Packt doch eure eigenen Megaphone aus und macht eure Politik selber! Und ein wenig Gnade bitte allen Kleinbürgern, auch wild gewordenen und wild gemachten, auch denen unter den Kabarettisten. Die sind, eine Lebensweisheit meiner Großmutter, doch auch nur Menschen und manchmal großartige Künstler. Martina Helffenstein, ehrenamtliche Kabarett- und Kleinkunstveranstalterin auf einem www.KaFF-Hottenbach.de im Hunsrück, die sich natürlich sehr gerne ein paar mehr Freigeister vorstellen möchte. Aber, wieder meine Großmutter: „Man kann nur mit däne Määd danze, die uffem Saal sinn.“ 329. Leserbrief Lieber Herr Müller, liebe Redaktion der NachDenkSeiten, leider wird im ersten Teil der Lesereinschätzungen zum Kabarett als standhaftes Beispiel Arnulf Rating nicht erwähnt! Er scheint die Unterstützung aber zu brauchen, weil sein Auftritt in Bad Oldesloe ebenso abgesagt wurde wie der in Hamburg. Leider haben durch ihr Verhalten in Corona-Zeiten sowohl Pispers als auch Schramm ihr Lebenswerk entwertet. Leider muss ich davon ausgehen, dass sie schon vorher ähnlich massiven Fehleinschätzungen erlagen. Vermutlich werden sie durch, bei den öffentlich-rechtlichen beschäftigte Angehörige, Freunde geködert, denn gerade bei solchen, die sich aus dem Betrieb zurückgezogen hatten oder es wollten, wie Georg Schramm, Volker Pispers oder Wilfried Schmickler und Jürgen Becker, fällt die eigene Karriere als Konformitätsgrund für Hetze und Ausgrenzung ja weg. Den Anstaltsmachern habe ich die Jubiläumsbücher zu fünf Jahre Anstalt zurückgeschickt, zweifelte dann, und als der dritte im Anstaltstrio, Dietrich Krauß, über die Anthroposophen in der taz in einer unglaublichen Art und Weise, wegen deren Impfskepsis, herzog, wusste ich, dass meine Einschätzung richtig war. Per Email habe ich mich auch von den Mitternachtsspitzen verabschiedet, aber weder von der Anstalt noch von den Mitternachtsspitzen eine Reaktion erhalten. Ebenfalls nicht positiv erwähnt wird Hatzius, der einiges zart Kritisches brachte. Ehring, Pelzig, Sieber, Tobias Mann, Simon, Welke – die sind seit Mitte 2020 für mich nicht mehr existent, andere habe ich nicht mehr beobachtet, weil ich es sowieso mitbekommen hätte, wären sie auf der maßnahmenkritischen Seite aufgefallen. Schöne Grüße, Axel Klein 330. Leserbrief Sehr geehrte Redaktion der Nachdenkseiten,
zugegebenermaßen: Ich bin jetzt gerade erst bei Leserbrief 12 (werde mir den Rest jetzt gleich in der Mittagspause auch noch reinpfeifen, weil es einfach sehr sehr interessant ist, was meine Mitbürger bezüglich dieses Themas so denken), aber was mir auffällt, ist die unkritische Lobhudelei auf Herrn Pispers. Ich gestehe: bis zu seinem Rückzug fand ich selber, dass es der beste, bissigste/schärfste und auch wirklich witzigste politische (noch lebende) Kabarettist ist, den wir in Deutschland haben, von Georg Schramm einmal abgesehen.
Nachdem er aber auf seiner eigenen Homepage aber sowas veröffentlicht hat, ist der für mich auch untendurch/nicht mehr ernst zu nehmen. Ein Mensch, der – so dachte ich bis dato – so kritisch scharf denken kann und viel gelesen/recherchiert haben muss für seine genialen Bühnenprogramme, schafft es nicht, umfassend über die P(l)andemie zu recherchieren, was Sterblichkeiten, PCR, Zulassungsteleskopierung etc. angeht?! Nein, er diffamiert Andersdenkende als Querdenker, etc. Also die, die es von Anfang an besser wussten (als er und gut 80 Prozent der Geschlumpften). Und jetzt, wo es überall herauskommt, wie z.B. UK mit den Lockdownfiles, dass es den Politikern in der Tat rein um die Macht und somit um Unterdrückung ging, kein Wort dazu von ihm auf seiner Homepage… Ja glaubt er denn wirklich, dass das hier in Deutschland anders gewesen ist?
Ich wäre da gerne mal auf seine heutige Sicht der Dinge gespannt. Aber das, was er da auf seiner Homepage verbrochen und bis heute nicht revidiert hat, geht einfach mal gar nicht.
Von daher verstehe ich das Lob, was von einigen Leserbriefschreibern an Herrn Pispers verteilt wird, nicht mal mehr im Ansatz.
P.S. Gleiches gilt, wenn auch nicht als Kabarettist, sondern als Musiker/Liedermacher, für Reinhard Mey. Von wegen „sei wachsam“… Mey war einer der Ersten, der sich dem BMG angedient und in seiner Küche klampfespielend einen auf Pandemieengel und Untertan gemacht hat. Was hat sich mir der Magen jedes Mal umgedreht, wenn der auf Montagssp
Kabarettisten, Schauspieler, Filmschaffende aller Art, Sänger/Musiker – alle wie sie da sind und sich sonst so gerne in den Vordergrund drängeln als gute Menschen: haben alle versagt und ihr wahres Gesicht gezeigt: „mutig“ für Menschrechte, Freiheit und Demokratie eintreten in Zeiten, wo man nichts zu verlieren hat und so sich das in klingender Münze als Werbegag auszahlt – wenn es drauf ankommt, lieber mit den Wölfen (Regierung/Medien) heulen…
Dieser Schlag Menschen widert mich inzwischen nur noch an.
Wenn Sie in der Tat eine Erklärung haben möchten, wie es so weit kommen konnte, nicht nur unter den Kabarettisten, dann muss man sich einfach mal psychologisch damit auseinandersetzen, woher Gutmenschigkeit wirklich herrührt und wie es um die psychische Verfassung vieler Künstler wirklich bestellt ist. Die histrionische Persönlichkeitsstörung gibt da schon einen Hinweis allein über die Bezeichnung: „lateinisch histrio, das eine aus der etruskischen Sprache entlehnte Bezeichnung für einen Schauspieler im antiken Rom war“. Helfersyndrom, histrionische Persönlichkeitsstörung, Gutmenschigkeit ist unter Künstlern deutlich häufiger zu finden als in der Normalbevölkerung – „zarte Künstlerseelen“(mit Sendungsbewusstsein)…
Ich bin heutzutage so weit, dass ich erstmal google, wie sich die „Künstler“ etc. die letzten drei Jahre verhalten und was sie so gesagt haben, bevor ich einem mein hart verdientes Geld in den falschen Rachen schmeiße. Weder Kabarettisten noch Musiker noch Schauspieler werden von mir unterstützt/finanziert, indem ich Ihre Angebote käuflich erwerbe, die sich die letzten drei Jahre (und auch jetzt wieder beim Ukrainekrieg) benommen haben bzw. benehmen wie eine offene Hose. Sehr gut gewähltes Thema für Lesermeinungen.
Aber auch so: Macht weiter so und vielen Dank für die unermüdliche Aufklärung.
Mit freundlichen Grüßen, Jörg Poggemeyer 331. Leserbrief Liebes NachDenkSeiten-Team, Ich bin der Meinung, dass nicht nur die erwähnten Künstler für die regierungstreuen Aussagen bezahlt werden. Vielleicht sind sie erpressbar ? Anders kann ich mir diese Mainstreamhörigkeit nicht erklären. Mit freundlichen Grüßen, M. Wystub 332. Leserbrief Liebes NDS Team, Leserbrief zu einem Leserbrief. Erst mal vielen Dank für den Artikel „Jämmerliches Kabarett“ und die nachfolgende „Umfrage zur Anpassung des Kabaretts“. Ein Leserbrief den ich formuliert hätte, wäre mit meinen Argumenten im Gros der anderen Antworten untergegangen, weil mir die rhetorische Fähigkeit fehlt, meine Gedanken veröffentlichungswert zu formulieren. Bei dem Brief #74 von Peter Lienemann habe ich aber meine Ideen, die ich in dieser Form nicht formulieren konnte, wiedergefunden. Also ein großes Dankeschön und einen lieben Gruß an Herrn Lienemann. Da ich nicht davon ausgehe, dass diese Mail veröffentlicht wird, könnt Ihr das an Herrn Lienemann weiterleiten? Vielen Dank für Eure Arbeit und weiter so! Ralf Boecker 333. Leserbrief Liebes NDS-Team, bravo zu Ihrem Mut, dies Thema anzubieten – und ein bravo an die NDS-Leser: Nach Lektüre der „German Cabaret Files Part I“ war ich erstaunt, bewegt und berührt, wie viele Menschen es in diesem unserem „besten aller möglichen Deutschlands“ doch immer noch gibt, die belesen sind, reflektiert und kritisch denken können und den Mut haben, sich auch entsprechend zu äußern. Aus allen bisher veröffentlichten Zuschriften scheint mir auch eine unglaubliche Enttäuschung mitzuschwingen: Wer sich lange im politischen Kabarett mit seinen eigenen kritischen Gedanken widergespiegelt und daher gut aufgehoben fand, sieht sich mittlerweile seit etwa 10, 15 Jahren fast isoliert… Ich bin Jahrgang 1965, war von 1984 bis 2009 als Kulturjournalist und Kritiker auch für Tageszeitungen und den Rundfunk aktiv und habe 25 Jahre lang auch Bühnenkabarett live erlebt, immer wieder, und immer wieder gern. Etlichen Kabarettisten bin ich auch persönlich begegnet – wobei mir freilich die Unbeugsamsten (Hildebrandt, Schramm, auch Hans Scheibner) immer die Liebsten waren. Mir scheint, spätestens zur Zeit der Übernahme der „Anstalt“ durch von Wagner und Uthoff (2014) gerieten die Dinge langsam ins Rutschen. Anfangs noch begeisterter Fan, war ich zunehmend irritiert, wie immer offenkundiger in diesem (vermutlich vom ZDF gewollt politisch neu ausgerichteten) Revival das Mainstream-Framing wurde – insbesondere in den verschiedenen Sendungen zur Klima-Problematik. Als Herr Uthoff alias Sir Isaac Neffton dann begann, uns ein pseudowissenschaftliches Weltbild für bare Münze zu kaufen, war für mich ein trauriger Tiefpunkt erreicht. Die Corona-Zeit machte mir dann rasch klar, wer auf Linie war und wer sich seine Kritikfähigkeit bewahrt hat und dafür eingestanden ist. Ich habe nach und nach in allen Kabarett-Sendungen dann sofort abgeschaltet, wenn mir ein Framing besonders übel aufgestoßen ist – und das halte ich auch heute noch so. Die einzige Sendung, bei der ich in all dieser Zeit NIE abgeschaltet habe, war SchleichFernsehen!!
Abgesehen davon war es bitter, sich von all meinen Kabarett-Helden nach und nach völlig verabschieden zu müssen: Als ob sie alle von üblen HIRNWÜRMERN befallen wurden. Und dann Priol: Viele Jahre einer meiner „großen Helden“ (2013 beim ZDF noch zur persona non grata geworden, denn seine „Anstalt“ tat den Verantwortlichen zu weh), der in den letzten beiden Jahren plötzlich durch die TV-Talkshows tingelte und teils unglaublich gequirlten politischen Quark von sich gab – ausgerechnet Priol! In seinem letzten „Jahresrückblick“ habe ich es dann noch etwa fünf Minuten ausgehalten, bis ich nicht mehr konnte und rauszappte… Ich kann mir das auch so erklären: Man schaue sich an, wie einfach es heutzutage ist, seit, sagen wir, der Affäre Christian Wulff (herausgegriffen aus einer Vielzahl durchs Dorf Getriebener) Menschen durch die Leidmedien wie auch die Internet-„Communities“ durch gezielte Diffamierungen komplett zu vernichten. Vor 20 Jahren waren das noch Sonderfälle, über die manche sogar noch kritisch berichtet haben. Doch heute ist daraus eine „Cancel Unculture“ geworden, an die sich viel zu viele nicht nur erschreckend gewöhnt haben, sondern diese auch noch selbst praktizieren: Da hackt jede Krähe der anderen die Augen aus! Wenn also eine Frau Bosetti, Kebekus, ein Herr Ehring, Nuhr, Priol, Pufpaff, von Wagner, Welke oder Uthoff weiter im Fernsehen auftreten und Geld verdienen wollen, können sie sich eben einfach im Wortsinne nicht leisten, in irgendeiner Weise als Abweichler aufzutreten. Das züchtet bei diesen Damen und Herren regelrechte Unterwerfungs-Reflexe. Schauen Sie sich nu(h)r einmal an (wenn Sie noch schauen sollten), wie die Genannten und andere immer wieder mit kleinen, wie unabsichtlich eingestreuten Bemerkungen durchblicken lassen, dass sie zur Woke-Kultur gehören, an den menschgemachten Klimawandel glauben, an CO2 als „Treibhausgas“, an den (gebetsmühlenartig wiederholten) „völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine“, mithin zum Ausdruck bringen, dass sie auch zur großen Gruppe der „Schwarz = Ost und Weiß = West“-Denker gehören: „Putin ist böse, Biden ist gut; Trump ist sowieso böse und muss verhindert werden; nur der Westen garantiert Demokratie, doch der Osten will die Weltherrschaft; Impfungen sind toll; für die Rettung der Welt vor dem Klimawandel gehen wir gern in den Tod; wer nicht denkt wie wir, denkt nicht nur quer, sondern vor allem rechts…“
Das Traurigste an dieser ganzen Malaise: Das Kabarett von früher, das waren kluge Köpfe, zu denen nicht nur Intellektuelle und Kulturschaffende aufgeblickt haben. Dieter Hildebrandt, die Lach und Schieß-Gesellschaft, Hanns-Dieter Hüsch, Hans Scheibner und viele andere Große haben uns über Jahrzehnte immer wieder wachgerüttelt und wachgehalten. Heute sind es nur noch wenige Einzelkämpfer, die die Fahne hochhalten: Allein Ihnen gilt mein größter Respekt und Dank. Bitte lassen Sie sich nicht unterkriegen, machen Sie weiter und uns damit weiter Mut, auch aufzustehen und den Mund aufzumachen. An die Staatskabarettisten: Wenn auch nur wenige von Ihnen wieder zur BEsinnung kämen, anstatt nur immer noch mehr GEsinnung zu zeigen, wäre schon viel gewonnen… Und wenn Sie dazu nicht die Eier haben: Einige von Ihnen sind ja zumindest so sprachbegabt und wortgewandt, dass Sie gute, geistvolle Unterhalter wären – aber dann reden Sie doch einfach grundsätzlich nicht mehr über die woken Reizthemen. (Man muss ja nicht in jeden Sch…haufen treten.) Denn niemand zwingt Sie dazu, Klimapolitik, Ostwestpolitik, Gendern oder Wokismus zu thematisieren; der Alltag hat immer noch genügend absurde Geschichten, die man erzählen kann, ohne wehzutun oder sich gleich zur Zielscheibe zu machen. Macht nur ein bisschen mehr Arbeit… Nehmen Sie sich zum Beispiel ein Beispiel an meinem Lieblings-Meteorologen Kai Zorn: Der macht nur das, was er mit der Muttermilch aufgesogen hat, nämlich Wetter, und zwar immer noch völlig ohne jedes politische Framing, eben weil er sich klug ausschließlich auf seine regelrecht künstlerische Leidenschaft beschränkt: Chapeau! Und ein Letztes an die, die schon resigniert und sich zurückgezogen haben oder dies überlegen: Eigentlich hätten Sie jetzt ja nichts mehr zu verlieren, also…? Benjamin-Gunnar Cohrs, Bremen Hier folgen nun noch Leserbriefe, die zu dem Artikel „Jämmerliches ‚Kabarett‘: TV-Satiriker schützen die Kriegspolitik“ eingegangen sind. Christian Reimann hat für Sie eine Auswahl der Leserbriefe zusammengestellt.: 1. Leserbrief Sehr geehrter Herr Riegel, ich betrachte es als belegt, dass die Öffentlich-Rechtlichen genau das betreiben, was anderen Stimmen vorgeworfen wird: Hetze, Spaltung, Diffamierung, Lügen usw. Die Art der Äußerungen zeigt mir, sie sind ganz unten angekommen. Statt Information kommt Hetze, statt Aufklärungen kommen Beleidigungen. Und wir müssen sie dafür bezahlen, und sie geben sich dann eine fürstliche Rente dafür. (Weinendes Smiley) Gut, dass es die NachDenkSeiten gibt. Harald Norkus 2. Leserbrief Guten Tag, Frau Bosetti fiel mir ‚vor Corona‘ meist dadurch auf, dass ihre Beiträge sich sehr oft mit unsachlichen (Netz-)Kommentaren über ihre ‚Satire‘ und über sie selbst beschäftigten. Besonders die sicher teils unangebrachten, auch mal beleidigenden Äußerungen über ihre Person schien sie dabei aber (mit einer schon fast masochistisch anmutenden Attitüde) durchaus auch ein wenig zu genießen. Mit der ‚Coronapandemie‘ hat sie sich dann solche ausgrenzenden, hetzerischen Aussagen, nun über Maßnahmenkritiker, Ungeimpfte etc. selbst zu eigen gemacht – übel. Wird aber trotzdem (oder gerade deshalb?) vom ÖRR weiter alimentiert… Beste Grüße, Ben Leiwen 3. Leserbrief Meine Meinung: Es ist schier unglaublich, wie sich die offenbar corona-geschädigten Komödianten bezüglich des provozierten Ukrainekriegs dem transatlantischen Mainstream unterworfen haben. Oliver Welke und Christian Ehring zähle ich zu den Überzeugungstätern. Ernsthaftes Kabarett ist bereits mit dem Krieg praktisch gestorben. Der hochintelligente QUER-Moderator des BR versteht es darüber hinaus, sich bei seinen Darstellungen von der Verantwortung zu distanzieren. Schade. Sein offensichtliches Motto: Lieber QUER schauen als QUER denken. Grüße, Siegfried Klar 4. Leserbrief Guten Tag, ich sah am Wochenende das bayerische Kabarettformat „Nockherberg“. Wenn Sie ein weiteres Beispiel für politische Einseitigkeit und den Ausschluss Andersdenkender – gut getarnt als Kabarett/Satire – betrachten wollen, empfehle ich die „Fastenrede“ von Maxi Schafroth, es reichen die letzten 15 Minuten. Er bekam von Regierung und Opposition stehenden Beifall. Mir erschien der ganze Saal trunken von der Überzeugung, dass hier die Guten zusammensitzen und feiern. Die Opfer der bayerischen Pandemiepolitik hatten an diesem Abend wohl weniger zu lachen. Sie wurden in der Rede auch gar nicht erst erwähnt. Auch das „Singspiel“ ist aufschlussreich. Da äußerte Gisela Schneeberger als verworren-esoterische Reichsbürgerin ihre Verachtung gegenüber Linksradikalen, Geimpften und Multikulti. Ebenso ein echter Schenkelklopfer: Aiwanger geht fischen am „rechten Rand“ und kommt nach einem Hai-Angriff mit nur einem Arm zurück. br.de/mediathek/video/auf-dem-nockherberg-die-fastenrede-2023-von-maximilian-schafroth-av:64024b0564bf9d000888d45d Beste Grüße aus München, Markus Helmreich 5. Leserbrief Sehr geehrter Herr Riegel, sehr geehrtes NDS-Team,
nachfolgend mein Leserbrief zu o.g. Thema. Ihnen immer wieder vielen Dank und beste Gesundheit. Danke. Mit freundlichen Grüßen, Edgar Bauer Jämmerliches „Kabarett“ Auch hier gilt: Enthaltsamkeit seit vielen Jahren. Früher gerne mal die „Anstalt“ u.a., andere bekannte Namen tauchen hier gar nicht mehr auf, kann man nur noch auf Youtube o.ä. Kanälen sehen. Manche könnten mir gar nicht so viel bezahlen, dass ich einschalten würde. Als ich vor Jahren noch solche Sendungen geschaut habe, war zunehmend zu erkennen, dass hier was schiefläuft, faul ist im Prozess. Plumpe und primitive Diskreditierungen und Diffamierungen lösten satirische und teils lustige Inhalte ab, gefühlter Hass sprach z.T. aus den Mietmäulern. Ich stelle mir nach wie vor die Frage: Cui bono? Was steckt dahinter: Geldzahlungen, Ordenszusagen, Jobgarantie, Sitz neben dem Herrn, oder wo wird man fündig? Nun gut, solange es keine Pflicht ist, diese gesundheitsgefährdenden „Sendungen“ einzuschalten, weiß ich ja, wo ich Alternativen finde, auch hinsichtlich der sogenannten informellen Beiträge wie Nachrichten, Politsendungen, Talkshows etc. Bewundernswert, dass manche Kommentatoren schreiben, sie haben diesen oder jenen Beitrag angeschaut, das wäre mir nicht mehr möglich, die Pumpe – Sie verstehen – und schon deshalb kein Verlust, außer dem Zwangsbeitrag. Wie wohltuend erlebt man die Geächteten, welche man heute nicht hoch genug ehren und schätzen kann? 6. Leserbrief Aber Herr Riegel; Sie sind aber auch gemein. „Comedians“ – also bitte: die von Ihnen angesprochenen Koryphäen halten sich gewiss für die Creme des Kabaretts. Ganz große Kleinkunst. Das war einmal, von wenigen Ausnahmen, die Sie dankenswerterweise erwähnen, abgesehen. Heute wirft ganz kleines Klamaukchen ganz langen Schatten, weil die Sonne sooo schön tief steht. Stelle mir gerade vor, wie ein echter (und überdies sehr mutiger) Kabarettist wie Werner Finck diese kabarettistischen Karikaturen in einem sicher superben Programm verwurstete – mangels Masse würde es natürlich nur zu Würstchen reichen können (Welke fragen!). Und überhaupt und sowieso: Nun gebt dem Bömmelmann doch endlich eine Ziege! Frank Schultz 7. Leserbrief Sehr geehrter Herr Riegel, vielen Dank, dass Sie diesen Missstand hier einmal zur Sprache bringen. Wie in Ihrem Artikel zu lesen und auch mir schon während der Causa Corona auffiel, sind die sogenannten Kabarettisten nur noch ein jämmerlicher Haufen von gleichgeschalteten Erfüllungsgehilfen der Regierung. Kabarett und Satire haben die Aufgabe, den Finger in die Wunde zu legen und Widersprüche in den Handlungsweisen der Regierungen aufzudecken, um den Zuschauer zum Nachdenken anzuregen. Wie bereits gesagt, seit Corona Fehlanzeige, oder wie Herr Schmickler immer rief: „Abschalten Becker, abschalten!“ Uns gehen Kabarettisten wie Hildebrandt, Georg Schramm ab, die den Mut hatten, die Dinge beim Namen zu nennen. Das war zwar nicht immer lustig, es darf auch gern mal Schmerzen verursachen. Ein Lob denjenigen wie Lisa Fitz und anderen, welche noch die Flagge der Freiheit hochhalten, wobei mir kaum noch welche einfallen, in deren Hirn noch nicht die Spikeproteine ihr Unwesen treiben. Mit freundlichen Grüßen, TG 8. Leserbrief Sehr geehrter Herr Riegel, sehr geehrte NDS, sehr geehrte LeserInnen, früher schaute ich gerne Kabarett im „Öffentlich-Rechtlichen“, da war so manch‘ Schmankerl dabei. Doch seit längerer Zeit schon lasse ich das (von zwei, drei Ausnahmen abgesehen), nachdem ich mir einige Male die Augen gerieben und meinen Ohren nicht getraut habe. Es ist in der Tat jämmerlich, was inzwischen „kabarettistisch“ abgeliefert wird. Nun habe ich mir, da in Ihrem Beitrag verlinkt und nur acht Minuten lang, Sarah Bosetti „angetan“ und war geschockt. Alice Schwarzer zu unterstellen, sie schreibe ein Manifest und rufe zur Demonstration auf, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, ist schlicht erbärmlich. Alice Schwarzer hat nicht allein einen außerordentlich bedeutenden Beitrag zur Frauenemanzipation geleistet – und gehört übrigens, wofür ich sie extrem schätze, zu denjenigen, die in Prostitution nicht einen „normalen“ Job, sondern schlichtweg eine menschenverachtende und demütigende Handlung sehen –, sondern behauptet sich seit nunmehr 46 Jahren als eigenständige Herausgeberin einer Zeitschrift, was in der heutigen Medienlandschaft eine mehr als bedeutende Leistung ist. Und Sahra Wagenknecht tut ihrer politischen Karriere nun wahrlich keinen Gefallen – was ihr von Bosetti unterstellt wird –, wenn sie sich gegen die auch in ihrer Partei vorherrschende Meinung stellt, ganz im Gegenteil. Wer vor allem zu denjenigen politischen Akteuren gehört, der sich dem Primat der eigenen politischen Karriere verschrieben hat – und von Bosetti löblich zitiert wird –, ist etwa Robert Habeck. Für drei Jahre, sprich bis zur nächsten Bundestagswahl, engagiert er einen „Personal Fotografen“, der ihn stets perfekt in Szene setzen möge, für knapp 400.000 Euro, wohlgemerkt aus Steuergeldern. Ganz zu schweigen von Annalena Baerbock, die sich für 135.000 Euro jährlich, auch aus Steuergeldern, eine sie überallhin begleitende Stylistin leistet, damit die Außenministerin überall – auch bei ihren Besuchen im Kriegsgebiet!!!! – perfekt gestylt, medienwirksam und damit karrierefördernd auftreten kann. Doch Bosetti verfolgt ihre einseitige und höchst unterkomplexe Auseinandersetzung mit dem „Manifest für den Frieden“ konsequent weiter und zögert auch nicht, die billige und tumbe Keule des Rechtsradikalismus zu zücken. Und sie setzt, auch das gehört inzwischen zu den allfälligen unterkomplexen Denkmustern, die Forderung nach Verhandlungen mit Kapitulation gleich. Tja, Kabarettistinnen und Kabarettisten hatte ich bis vor einiger Zeit die Fähigkeit zu komplexem Denken unterstellt. Doch auch das ist längst Vergangenheit. Die Gegenwart sieht anders aus: durchdrungen von schlichten Geistern – in allen gesellschaftlichen Bereichen. Dr. Petra Braitling 9. Leserbrief Die Lösung des TV-Problems (aus individueller Sicht) ist ganz einfach: Ich schaue Sportschau (ARD), Trucker Babes (Kabel 1), vier Folgen „Der Schwarm“ (ZDF) und ggf. Tatort (ARD). Für Tagesschau, heute, dümmliche Talkshows und regierungstreue Comedians gibt es die rote Taste auf der Fernbedienung. Ich finde es trotzdem verdienstvoll, dass Sie über die Schlechtigkeit der deutschen Medienwelt berichten. Das lese ich gerne, tue mir das selbst aber nicht an. Rainer Kromarek 10. Leserbrief Danke für diesen Beitrag, Herr Riegel. Es ist nicht mehr auszuhalten, einfach nicht mehr reinklicken, die einzige Lösung. Auf der Suche nach einem letzten „Mohikaner“ kann es einem aber passieren, dass selbst „der“ längst unfasslicher Gewalt und Zwang ausgesetzt sein muss, so wie Samstag letzter Woche auch ein Christoph Sieber nebst Philipp Simon in den Mitternachtsspitzen des WDR. Schlimm, der Druck, dem solche Herren ausgesetzt sein müssen, die für niederste Zwecke missbraucht werden, jetzt nach der Zeitenwende. Sie können einem nur noch leidtun. Können die so verdienten Brötchen noch schmecken, bleiben sie doch eher irgendwann im Halse stecken? Oder hat man diesen Komikern und Komikerinnen eine ganz andere Karriere versprochen? Bei den Vorbildern? Und dann gäbe es da neuerdings auch noch die Polit-Satiriker, wie bspw. ein Herr Klingbeil und der angeblich wohl immer noch nicht konditionierte Kollege Mützenich. Diese beiden Führungssozen müssen sich doch tatsächlich gefühlt auf den Knien – so wie einst ein Heinrich IV zum Papst nach Canossa – nach Kiew schleppen, um sich von den Klitschkos und einem Melnyk zurecht beißen zu lassen. Dabei war doch schon die Story von anno 1077 eine von Mönchen nachträglich gedrechselte „pure shit of propaganda“. Geradezu widerlich auch, wie mit dem Kanzler aus dem Reichsprotektorat Ost verfahren wird. Der wird – gefühlt in Ketten – zur alleinigen Verlustifizierung des Oval-Office-Besetzers mal schnell übern Teich gezerrt und muss sein Pflicht-Grinsen für die Kameras absolvieren. Anders geht es wohl nicht mehr, Senilität und Demenz von Nero II aufzuhalten. Wie soll das alles nur noch enden? Es grüßt, Michael Kohle 11. Leserbrief Sehr geehrter Herr Riegel, Ihr äußerst lesenswerter Beitrag „Jämmerliches “Kabarett“: TV-Satiriker schützen die Kriegspolitik“ offenbart in schonungsloser Offenheit die mehr als beklagenswerte Anpassung der im öffentlich-rechtlichen TV ausgestrahlten Satiresendungen wie die „Heute-Show“ im ZDF oder „Extra Drei“ in der ARD an die Regierungspolitik sowie den kriegstreibenden Mainstream! Geradezu erschreckende Beispiele lieferten die „Heute-Show“ sowie „Extra Drei“ mit ihren Beiträgen zur Friedens-Demo von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer am 25. Februar 2023 in Berlin. Wer für das Schweigen der Waffen sowie das Aufnehmen von Verhandlungen zur Beendigung des sinnlosen Sterbens und Zerstörens in der Ukraine ist, gilt inzwischen als Lumpenpazifist, Putin-Versteher oder Querdenker, also der biblische Aussatz der Neuzeit! Selbst das einstige ZDF-Satire-Flaggschiff „Die Anstalt“ ist abgetaucht, anstatt, der wahren Satire verpflichtend, die allgemeine Kriegslüsternheit auf den Punkt, sprich auf die TV-Bildschirme der Republik zu bringen – der satirische Offenbarungseid schlechthin. Sahra Wagenknecht, Gabriele Krone-Schmalz, Daniele Ganser und Ulrike Guérot, um nur einige zu nennen, werden systematisch ausgegrenzt, aus dem öffentlichen Raum verbannt und auf das Übelste diffamiert und diskreditiert. Wir taumeln weiter Richtung Abgrund, Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe war gestern, immer mehr und tödlichere Waffen, soweit sich dies deklinieren lässt, ist das Gebot der Stunde, sprich der Heil versprechenden, viel beschworenen Zeitenwende. Doch künftige Generationen, falls es sie denn noch geben sollte, werden auf ihre bohrenden Fragen nach dem „WARUM“ keine Antworten erhalten. Wilfried Böckmann 12. Leserbrief Sehr geehrter Herr Riegel, alles, was Sie schreiben, muss ich leider hundertprozentig aus meiner Wahrnehmung bestätigen. Die beschriebene Problematik fällt mir seit mindestens drei Jahren auf, also seit Corona. Die Macher von Extra Drei (Christian Ehring), der Heute-Show (Oliver Welke) und Jan Böhmermann waren aus meiner Sicht schon immer billige Hofschranzen.
Da war nichts anderes zu erwarten. Enttäuscht und entsetzt war ich von der „Anstalt“ ab Corona und den letzten beiden Jahresrückblicken Urban Priols. In TILT 2021 zeichnete sich schon ab, was in TILT 2022 voll sichtbar wurde. Bei der Anstalt habe ich mich noch gefragt, wie es möglich ist, sich so weit zu verbiegen. Bei Priol bin ich mir nicht mehr sicher, ob er schon immer vollständig hinter den „Grünen“ und deren aktueller Politik gestanden hat und nur die anderen Parteien vollmundig im Visier hatte. Denn die Politiker der Grünen, Habeck und Baerbock und Konsorten, hat er in TILT 2022 ja nur wohlwollend an Rande erwähnt. Jedenfalls ist Priol seit TILT 2022 für mich gestorben. Dabei war ich ein großer Fan seiner Sendungen. Bei der „Anstalt“ selektiere ich inzwischen genau nach dem Inhalt. Bei der „Anstalt“, also Claus von Wagner und Max Uthoff und Urban Priol, war ich bisher der Meinung, dass es zum Glück immer noch gutes politisches Kabarett gibt. Inzwischen scheint es aber fast nur noch transatlantische Wasserträger zu geben. Oder könnte es auch sein, dass es inzwischen sehr gefährlich und existenzbedrohend geworden ist, politisches Kabarett gegen den Mainstream zu machen? Das erinnert mich an die düstersten Zeiten in Deutschland. Ich bin froh, dass es immer noch die NachDenkSeiten gibt. Danke. MfG, Klaus Korcz 13. Leserbrief Guten Tag, Sie haben in Ihrer Aufzählung Christoph Süß von Quer (BR) vergessen. In meiner unermesslichen Güte verzeihe ich Ihnen… es ist auch, das muss man zu Ihrer Verteidigung sagen, allzu schwer, alle aufzuzählen, denn sie machen, und da haben Sie recht, quasi alle mit. So wie früher auch die „Anstalt“ noch manchmal gut war, so fand ich auch „Quer“ lange gut… aber in letzter Zeit kann man die Sendung und ihren Moderator auch vergessen. Es ist zum Heulen. Bleibt tapfer und anders. Bitte! LG, Laurent Hulten 14. Leserbrief Wertes NDS-Team, es war wirklich eine schlechte Woche. Zu den Ausfällen bei „Extra 3“ und „Heute-Show“ gesellten sich am Sonnabend auch noch die „Mitternachtsspitzen“. Eine Sendung, bei der ich früher manchmal dachte, dürfen die denn das? Aber das ist wohl nun auch vorbei. Ich musste bei allen drei Sendungen nach wenigen Minuten abschalten. Glücklicherweise kann man in der Mediathek den Abschaum überspringen und sich die einigermaßen sehenswerten Themen noch anschauen. Ob man bei Wagenknecht/Schwarzer alle Sätze unterschreibt oder nicht, bleibt dahingestellt. Wenn aber diesen Frauen, die das Töten und Zerstören beendet sehen wollen und für Verhandlungen eintreten, eine derartige niederträchtige Schlammschlacht entgegenschlägt, dann bin ich nur noch fassungslos. Sind denn diesen „Satirikern?“ und den bekannten Talkshowgrößen die vielen Toten egal? Wie viele Tausend sollen denn auf beiden Seiten noch sterben, bis einigen ein Licht aufgeht? Waffen werden doch nur zu einem Zweck hergestellt, nämlich Menschen zu töten und Werte zu vernichten. Hoffen wir auf die Initiativen Außenstehender wie China, Brasilien oder Indien. Mit besten Grüßen und Dank, L. Ritter 15. Leserbrief Hallo, lieber Herr Riegel, es ist traurig, dass auch eine bekannte Satiresendung wie die „Mitternachtsspitzen“ sich in die illustre Gesellschaft der Kriegsschützer und unsäglichen Kritiker der Friedensdemo vom 25. Februar 2023 mit Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer eingereiht hat. Wurde die Sendung bis vor einiger Zeit eher als Klamauk wahrgenommen, hatte ich mich gefreut, dass mit Christoph Sieber jemand die Sendung übernahm, den man als Satiriker von Format kannte. Wie groß war die Enttäuschung über die Sendung vom 4. März 2023, als ich feststellen musste, dass diese von einseitiger Meinungsmache zum Ukrainekrieg und Einprügeln auf Wagenknecht und Schwarzer beherrscht war, wobei besonders Sieber „ganze Arbeit“ leistete. Michael Hatzius war meines Erachtens eine Ausnahme. ardmediathek.de/video/mitternachtsspitzen/… Mit sehr wenigen Ausnahmen gibt es gibt keinen Lichtblick mehr auf der heutigen Satirebühne. Gleichgeschaltet sind fast alle Akteure. Wo sind Leute vom Format Volker Pispers’ oder Dieter Hildebrandts? Mit dem allenthalben wahrnehmbaren Niedergang der Demokratie dürften solche Lichtgestalten heute gar nicht mehr auftreten. Armes Deutschland! Mit besten Grüßen, G. Fernekes 16. Leserbrief Sehr geehrter Herr Riegel, Ihr Beitrag zu einigen Satirikern, die eine Bühne im ÖRR erhalten, kann ich leider nur zustimmen. Die aufgeführten Damen und Herren bzw. Sendungen wie Extra Drei oder Heute-Show sind schon länger nicht mehr sehenswert. Dem Herrn Böhmermann habe ich noch nie zugehört. Spätestens nach seinem sogenannten „Schmähgedicht“ war für mich klar, diese Sendung erst gar nicht anzuschauen. Sarah Bosetti möchte gern gescheit herüberkommen, aber sie schafft es halt nicht. Weil ich die Dame noch nie so richtig angeschaut hatte, habe ich mal auf den Link geklickt, diesen aber nach wenigen Sätzen von ihr ausgeschaltet. Der Herr Schroeder kann anscheinend auch nur noch Regierungspropaganda und Hetze gegen alle Andersdenkenden. Der war sogar vor sehr langer Zeit mal gut. Extra Drei und Heute-Show sind ebenfalls zum Nicht-mehr-Einschalten. Einen haben Sie aber vergessen. Über ihn hat schon mal ein Leser geschrieben. Urban Priol war für mich mal „Pflichtprogramm“. Seit seinem Jahresrückblick „TILD 2022“ werde ich Sendungen von ihm ebenfalls nicht mehr anschauen. Dieser Mann hat mich einfach nur sehr enttäuscht. Sein Traum vom Selbstmord-Attentat Gerhard Schröders auf Putin war unterirdisch. Wenn er ja wenigstens noch G. W. Bush und Biden mit eingeladen hätte, dann wäre vielleicht noch ein Sinn erkennbar gewesen. Frau Baerbock wird nebenbei von ihm als diejenige bezeichnet, die wenigstens mal Klartext spricht. Natürlich nur gegen China oder Russland, nicht aber gegenüber unseren „NATO-Freunden“ und den USA. Alle von Ihnen genannten „Satiriker“ haben keinen Ton zu dem US-Sabotageakt(?!) auf die Gasleitungen verloren. Es ist einfach nur traurig, wie sich denkende (hoffte ich zumindest) Leute so klein machen und sich auf eine Stufe mit z.B. einer Strack-Zimmermann stellen. Mit freundlichen Grüßen, Ulrich Kleinecke 17. Leserbrief Sehr geehrter Herr Riegel,
Ihrem Artikel stimme ich inhaltlich weitgehend zu. Es ist schwer aushaltbar, wie sich sogenannte Kabarettisten öffentlich äußern (dürfen) und dass sie dafür in den Medien eine Bühnenpräsenz erhalten. Schlimm ist es, dass diese Bühnen durch die öffentlichen Medien zur Verfügung gestellt werden. Diese Medien schließen kritisches Kabarett weitgehend aus und werden von Gebühren finanziert. Negativ ist es, dass sich viele Gebührenzahler, die u.a. dem Umgang mit dem Krieg gegenüber kritisch eingestellt sind, von sogenannten Kabarettisten beschimpfen lassen müssen, welches wahrscheinlich auch fürstlich mit den Gebühren honoriert wird. Die medialen Ausfälle der Kabarettisten sind nicht nur aktuell zu beobachten. Diese Verhaltensweisen begannen bereits 2020 in der Coronakrise. Dabei waren bereits vor allem die von Ihnen, Herrn Riegel, in Ihrem Artikel benannten Protagonisten medial sehr präsent und hatten bereits ihre Schaffenskraft darauf abgezielt, Menschen, die den politischen und gesellschaftlichen Umgang mit Corona kritisierten, zu verunglimpfen und massiv herabzuwürdigen. Diese hatten ihren Anteil an der gesellschaftlichen Ausgrenzung ganz vieler Menschen in unserem Staat. Damals gehörten neben Kabarettisten wie Hirschhausen auch die von mir früher sehr geschätzte Sendung „die Anstalt“, die ich seitdem nicht mehr anschaue, zu den Ausführenden, welche die überwiegende politische und mediale Haltung unterstützten. Deutschland hat eine große Kabarettisten-Tradition, u.a. Dieter Hildebrandt, Dietrich Kittner oder bedeutsame Kabaretts. Heute ist dieses Niveau medial weitgehend abgeflacht. Kritische Kabarettisten können nur auf einzelnen kleineren Bühnen oder im Internet gesehen werden. Vielleicht müssen Kabarettisten sich heute anpassen, um öffentlich auftreten zu dürfen. Aber dann würde ich ihnen mehr Rückgrat wünschen. Ich hatte immer gehofft, dass es in unserer Gesellschaft und gerade auch im politischen Kabarett zu versöhnlicheren Tönen mit einer gewissen Demut kommt. Diese Hoffnung schwindet derzeit immer weiter, und es scheint so, dass die Zeiten noch rauer werden. Herzliche Grüße, Klaus-Dieter Wippler 18. Leserbrief Sehr geehrter Herr Riegel, sehr geehrtes Team der NachDenkSeiten,
zunächst einmal vielen herzlichen Dank für diesen tollen Artikel. Herr Riegel bringt es wieder einmal perfekt auf den Punkt. Dass das Friedens-Manifest von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer (das ich übrigens auch unterschrieben habe) und die erfolgreiche Demonstration am 25. Februar 2023 in Berlin einen gnadenlosen „Beißreflex“ bei den öffentlich-rechtlichen TV-„Satirikern“ auslösen würde, war eigentlich abzusehen. Wer GEGEN den Krieg ist, der muss mit allen Mitteln der Diffamierung gnadenlos bekämpft werden. Nur MIT Waffen bringt man Frieden … warum nur werde ich da immer so sehr an Orwells „1984“ erinnert?
Wobei ich allerdings davon absehe, solche dubiosen Gestalten wie die „Blinddarm“ Sarah Bosetti oder den niveaulosen Jan Böhmermann als „Satiriker“ zu bezeichnen, denn das wäre viel zu viel Ehre für sie. In meinen Augen sind das nichts weiter als öffentlich-rechtliche Dreckschleudern ohne Niveau. Und gerade, weil sie genau wissen, dass sie einer Diskussion mit Sahra Wagenknecht nie gewachsen wären, versucht man, sie unter dem Deckmantel der „Satire“ zu diffamieren. Dumm nur, dass das nicht klappt.
Zur Heute-Show bzw. Extra Drei muss nicht mehr viel gesagt werden, das ist einfach nur übelster Mainstream mit Lachern der billigen Sorte. Schon vor Corona habe ich es mir abgewöhnt, die Sendungen zu schauen, weil es einfach nur noch zum Fremdschämen ist. Leider gibt es immer noch sehr viele Leute, die diesen Humor schätzen (besonders dann, wenn es sich um billiges Putin-Bashing handelt). Aber auch von der „Anstalt“ bin ich inzwischen ziemlich enttäuscht. Nach vielen sehr guten Sendungen ist deren Niveau nun auch ziemlich in Richtung mehrheitsfähiger Mainstream abgesunken. Anstatt Aufklärung wird nur noch Propaganda betrieben.
Die größte Enttäuschung unter den Satirikern bzw. guten Kabarettisten war für mich eindeutig Urban Priol. Ich hatte den Fehler begangen, mir sein Programm „Tilt 2022“ anzusehen, und habe nach zehn Minuten angewidert ausgeschaltet, weil ich diese als Satire getarnte Propaganda einfach nicht mehr ertragen konnte. Schade, wirklich schade, denn er war mal ein ganz Großer unter den deutschen Kabarettisten.
Die einzigen Satiriker bzw. Kabarettisten, die diesen Namen wirklich noch verdienen, sind die großartige Lisa Fitz, aber auch Lisa Eckhart, Serdar Somuncu, Hartmut Schleich und Uwe Steimle, aber die gelten ja als „umstritten“ ;-).
Herzliche Grüße sendet Ihnen Anja Voelkel 19. Leserbrief Sehr geehrter Herr Riegel, der Zustand der Kabarett-Szene (insbesondere im Fernsehen) ist seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges noch erbärmlicher, als er vorher schon war. Mit Christoph Sieber und vor allen Dingen Philip Simon sind mit der letzten Sendung der „Mitternachtsspitzen“ des WDR nun auch diese beiden Künstler in der Welt der Befürworter für ein weiteres Sterben in der Ukraine angekommen. Allein Michael Hatzius durfte ein wenig Kritik an der Ukrainepolitik üben und die Argumente für die Waffenlieferungen kurz kritisch beleuchten. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum Christoph Sieber sich über die Zahl der Demonstranten mit 13.000 lustig macht, einer Zahl also, die offiziell von der Polizei so eingeschätzt wurde und er diese Zahl wohl nicht infrage stellt. So gesehen machen er und insbesondere auch Philip Simon sich nicht nur über alle Demonstranten und Unterzeichner der Petition von Wagenknecht und Schwarzer lustig, sondern diffamieren diese Menschen auch noch. Eine weitere herbe Enttäuschung also nach Urban Priol und seinem letzten Jahresrückblick „2022“. Ebenso wie Urban Priol trauen sie sich wohl nicht, z.B. auch den Terroranschlag auf Nord-Stream 2 und die Veröffentlichung des US-Journalisten Seymour Hersh zu thematisieren. Seit einiger Zeit habe ich auch den Eindruck, dass die amerikanische Politik so gut wie gar nicht von diesen Künstlern kritisiert wird. Liegt es vielleicht an der neuen Generation, dass viele der aktuell prominenten Kabarettisten sich plötzlich gegen das eigene Publikum wenden? Welche Vorstellungen haben diese Kabarettisten plötzlich von der Meinungsfreiheit, einem unserer „westlichen Werte“, für die ja angeblich in der Ukraine für uns hier in Europa gekämpft und gestorben wird? Werden diese Künstler von den Fernsehanstalten „eingenordet“, um gewisse Dinge nicht in ihren Auftritten anzusprechen? Wollen Sie ihre TV-Präsenz damit aufrechterhalten? Brauchen Sie das Geld? Kann man überhaupt noch in diesem Zusammenhang von Künstlern sprechen? Ich bin einfach nur noch fassungslos. Wen man auch nicht in der Reihe der Kriegsbefürworter unter den Kabarettisten vergessen darf, ist der besonders im Südwesten (also SWR) präsente Lars Reichow, der sich (wenn ich mich recht erinnere) ganz offensiv in seinem Programm für die Waffenlieferungen an die Ukraine mit den entsprechenden „Rechtfertigungen“ ausgesprochen hat. Ein absolutes Trauerspiel. Zu den Befürwortern der Waffenlieferungen und der Weiterführung des Krieges in der Ukraine fällt mir immer der Satz von Erich Maria Remarque ein: Auf der einen Seite hört man seit der Pandemie immer wieder aus den Reihen der Kabarettisten, dass man die örtlichen Kleinkunstbühnen unterstützen soll, aber wenn solche Größen (?) dort in Zukunft auftreten wollen, auf die ja die Kleinkunstbühnen angewiesen sind, dann kann einem die Lust auf Kabarett vergehen. Ich muss zugeben, dass ich vor der Pandemie Christoph Sieber und auch Lars Reichow live gesehen habe, aber aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass ich diese beiden Künstler, aber auch einige andere, wohl falsch eingeschätzt habe. Ich werde jedenfalls nicht mehr zu Auftritten der oben genannten Kabarettisten gehen und auch im Fernsehen auf ihre Beiträge verzichten. Mit freundlichen Grüßen, Ralf Glahn Anmerkung zur Korrespondenz mit den NachDenkSeiten Die NachDenkSeiten freuen sich über Ihre Zuschriften, am besten in einer angemessenen Länge und mit einem eindeutigen Betreff. Es gibt die folgenden E-Mail-Adressen: Weitere Details zu diesem Thema finden Sie in unserer „Gebrauchsanleitung“. | Redaktion | Hiermit präsentieren die NachDenkSeiten den dritten und letzten Teil der Leserzuschriften zum Thema Kabarett in Deutschland, beginnend mit Nr. 211. Insgesamt sind es beeindruckende 333 Leserbriefe geworden, für Sie zusammengestellt von Steffen Kiesling. Im Teil III finden sich neben Lektürehinweisen und interessanten Eigenkreationen unserer Leser im Bereich Satire und Musik auch einige Reaktio ... | [] | [
"Leserbriefe"
] | 17. März 2023 10:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=95134&share=email |
Europa – mehr Demokratie wagen! | Seit gestern sind die rund 375 Millionen Wahlberechtigten in der EU aufgerufen, ein neues EU-Parlament zu wählen. Viel zu wenige werden diesem Ruf folgen und wenn am Sonntagabend die Ergebnisse veröffentlicht sind, wird der Katzenjammer der etablierten Politik groß sein. Die Heuchelei kennt keine Grenzen. Wer jahrelang die Demokratie mit Füßen getreten und Europa für seine eigenen Interessen missbraucht hat, braucht sich nicht darüber zu wundern, wenn die Bürger sich vom politischen Europa abwenden. Doch diese Entwicklung ist fatal. Nur mit einem Mehr an Demokratie kann das europäische Projekt noch gerettet werden. Von Jens Berger
zum Thema: Albrecht Müller – Europa ist prima, aber die in Brüssel, Berlin u.a.m. herrschende Ideologie ist fürchterlich und ein Versager Auf die Frage „Was ist Europa?“ gibt es viele Antworten. Seitens der etablierten Politik wird man jedoch vergeblich auf eine ernsthafte Antwort auf diese eigentlich doch selbstverständliche Frage warten. Stattdessen bekommt man Floskeln zu hören, die aus einem Paralleluniversum stammen könnten. Das real existierende Europa hat jedoch nur sehr wenig mit diesem Sonntagsreden-Europa zu tun. Das politische Europa folgt einer marktkonformen Ideologie, ist ein Europa der Reichen und Mächtigen, dem die Wünsche und Träume seiner Bürger relativ egal sind und das himmelschreiende demokratisch Defizite in nahezu allen Bereichen aufweist. Selbst für bekennende Europa-Freunde wird es da von Tag zu Tag schwieriger, den Traum von einem gemeinsamen politischen Europa zu verteidigen. Die bittere Realität lässt immer weniger Platz für Träume. Na klar, wir haben ein Europäisches Parlament. Das hört sich doch sehr nach Demokratie an. Leider hat dieses Parlament jedoch kaum etwas zu sagen, wenn es hart auf hart kommt. In einer echten Demokratie wählt ein Parlament seine Regierung, kontrolliert sie und spricht ihr bei einem groben Zerwürfnis das Misstrauen aus, um entweder eine neue Regierung zu wählen oder sich selbst durch Neuwahlen neu zu konstitutieren. All dies trifft auf das Europäische Parlament nicht zu. Die „EU-Regierung“, also die Europäische Kommission, wird stattdessen von den Staatschefs der EU-Staaten im Hinterzimmer ausgeklügelt und dem Parlament lediglich zum Abnicken vorgelegt. In diesem Jahr soll dies alles plötzlich anders sein. Die Spitzenkandidaten der europäischen Parteien, die einen Zusammenschluss der nationalen Parteien bilden, treten im Wahlkampf als Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten auf. Doch dies ist Augenwischerei. Die Spatzen pfeifen bereits von Dächern, dass Angela Merkel hinter den Kulissen den noch amtierenden finnischen Staatschef Jyrki Katainen – der als großer Anhänger der merkelschen marktkonformen Politik gilt – als neuen Kommissionspräsidenten gekürt hat. Kaitainen hat bereits im April angekündigt, im Juni von seinem Job in Helsinki zurückzutreten. Warum erweckt man dann bei den Wählern den Eindruck, sie würden eine Regierung wählen? Diese Täuschung ist symptomatisch für das politische Europa. Egal was in Brüssel entschieden wird – das Volk wird nicht gefragt und seine Vertreter in Strassburg werden zwar gehört, aber nur dann ernst genommen, wenn ihr Votum auf Linie der EU-Kommission im fernen Brüssel liegt. Die Linie der EU-Kommission wird wiederum maßgeblich vom starken Deutschland, genauer gesagt von dessen Regierung bestimmt. Egal, um wessen Interessen es sich handelt – im Zweifel wird nicht im Interesse der europäischen Bürger, sondern im Interesse der deutschen Banken und der deutschen Industrie entschieden. Mit Demokratie hat dies nichts, aber auch gar nichts, zu tun. Dazu: Philippe Legrain – Eurozone voters have been blackmailed and betrayed. No wonder they’re angry Dennoch, bei aller berechtigten Kritik an den europäischen Institutionen: Für die Machtlosigkeit des Europäischen Parlament kann das Europäische Parlament nichts. Im Gegenteil. In der jüngeren Vergangenheit ist das Parlament mehrfach dadurch aufgefallen, dass es gegen die marktkonforme Linie der Kommission rebelliert. Doch leider sind Strassburg hier bei wichtigen Weichenstellungen die Hände gebunden. Wer Europa stärken will, muss diese undemokratische Kastration der einzigen demokratisch legitimierten Institution der EU überwinden. Wer Europa retten will, muss mehr Demokratie wagen. Die Chancen dafür stehen, realistisch betrachtet, jedoch nicht sonderlich gut. Der größte Gewinner der Europawahlen wird – den Prognosen zufolge – ausgerechnet das Lager der Europagegner sein. Egal ob es sich um den französischen Front National oder die britische UKIP handelt – in den meisten EU-Ländern sind die Rechtspopulisten auf dem Vormarsch. Auch in Deutschland könnten aktuellen Umfrage zufolge, sechs AfD-Abgeordnete und ein NPD-Vertreter ein Mandat für das EU-Parlament erringen. Darüber mag man klagen. Wenn man sich jedoch anschaut, wie Europa systematisch durch die etablierte Politik beschädigt wird, darf man sich über diese Entwicklung jedoch nicht wundern. Im Gegenteil. Es ist bemerkenswert und erfreulich, dass in krisengeschüttelten Europa nicht noch mehr Menschen auf die rechten Rattenfänger hereinfallen. Doch auch hier lässt die Zukunft böses erahnen. Paradoxerweise wird der Rechtsruck die Entwicklungen, die auch die Wähler der Rechten kritisieren, weiter verstärken. Ein EU-Parlament, das zu einem nicht geringen Teil aus EU-Gegnern besteht, wird ganz sicher nicht die Fähigkeit haben, sich selbst zu einem demokratischen Organ für ein besseres Europa aufzuschwingen. Dadurch wird seine Bedeutung noch weiter zurückgehen und die marktkonforme EU-Kommission wird seine Macht noch weiter ausbauen können. Angela Merkel wird dies sicher außerordentlich freuen. Wer mehr Demokratie wagen und die demokratischen Institutionen in der EU stärken will, muss die Parteien im europäischen Parlament stärken, die sich für ein demokratischeres Europa einsetzen. Wunder darf man sich davon jedoch nicht erwarten. Der Marsch in ein besseres, demokratisches Europa ist lang und steinig. Doch jeder lange Marsch beginnt mit dem ersten Schritt. Der größte Fehler wäre es, seinen durchaus gerechtfertigten Ärger über Europa durch eine Nichtteilnahme an den Wahlen Ausdruck zu verleihen. Dies würde genau die Kräfte stärken, die mit weniger Demokratie sehr gut leben können und Europa ohnehin ablehnen. | Jens Berger | Seit gestern sind die rund 375 Millionen Wahlberechtigten in der EU aufgerufen, ein neues EU-Parlament zu wählen. Viel zu wenige werden diesem Ruf folgen und wenn am Sonntagabend die Ergebnisse veröffentlicht sind, wird der Katzenjammer der etablierten Politik groß sein. Die Heuchelei kennt keine Grenzen. Wer jahrelang die Demokratie mit Füßen getreten und Europa für seine eigenen Interessen m ... | [
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] | 23. Mai 2014 11:38 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=21813&share=email&nb=1 |
Europäische Arzneimittel-Agentur | Seit über zwei Jahren blitzen fünf Chemieprofessoren aus Deutschland und der Schweiz bei ihrem Bemühen ab, von Behörden und dem Pharmaunternehmen BioNTech Informationen zur möglichen Toxizität des Corona-Impfstoffs Comirnaty zu erhalten. Ihre Wissbegierde quittierte das Paul-Ehrlich-Institut inzwischen sogar ausdrücklich mit einer „Nachrichtensperre“. Dabei tauchen fast täglich neue Hinweise dafür auf, dass die genbasierten Covid-19-Vakzine risikobehaftet sind und ernste Schäden bei einer Vielzahl von Geimpften verursacht haben könnten. „Verrückt“ sei nur, dass dies alles „keinerlei Konsequenzen“ für die Beteiligten habe, wundert sich Martin Winkler von der Zürcher Hochschule der angewandten Wissenschaften im Interview mit den NachDenkSeiten. Seinem Mitstreiter Jörg Matysik von der Universität Leipzig macht es „Angst“ zu sehen, „wie einfach Gesetze, die zu unserem Schutz erlassen wurden, umgangen werden können“. Mit beiden sprach Ralf Wurzbacher. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. | [] | [] | 14. März 2024 9:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?tag=europaeische-arzneimittel-agentur |
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Der Antisemitismus-Vorwurf wird zur friedens- und gesellschaftspolitischen Gleichschaltung der Linken benutzt | Mit der Linkspartei beschäftige ich mich deshalb, weil es dort mehr als in anderen Parteien noch Kräfte gibt, die sich der neoliberalen und militärpolitischen Gleichschaltung entziehen und erwehren. Ohne die Linke werden sich Grüne und Sozialdemokraten vollends ergeben. Wer eine Alternative zur herrschenden Lehre und Politik will, wer will, dass sich bei der SPD und den Grünen Widerstand gegen die Agenda 2010 und die Fortsetzung dieser falschen Linie regt, muss daran interessiert sein, die Linke in möglichst vielen Parlamenten vertreten zu sehen. Dagegen wird massiv mobilisiert nach dem Motto: Entweder: Ihr passt Euch an, oder: Ihr habt in den Parlamenten – und an der Regierungsmacht sowieso – nichts zu suchen. Mit der Resolution zum Antisemitismus vom 7. Juni hat die Bundestagsfraktion der Linken die Rettung durch Anpassung versucht. Damit hat sie die Stöckchen geschnitzt, über die die Linke in Zukunft wird springen müssen. Albrecht Müller.
Gegen die Linke läuft seit längerem schon eine von allen anderen Parteien und der überwiegenden Zahl der Medien getragene Kampagne – mit teilweise lächerlichen Vorwürfen: Oskar habe hingeschmissen, Klaus Ernst fahre Porsche, die Führungsspitze sei zerstritten, die Ossis sind gut – mit Ausnahme der „Kommunistin“ Wagenknecht -, die Wessis sind des Teufels, usw. Jetzt wird der Vorwurf, „der Antisemitismus“ sei „in der Linkspartei tief verankert“ (Präsident Graumann lt. Spiegel Online), zum Thema einer Dauerkampagne. Eine gute Übersicht zur sachlichen Seite des Themas und zu seiner strategischen Bedeutung auf dem Weg zur politischen Gleichschaltung oder Marginalisierung der Linken bieten drei Artikel, die nacheinander in der „jungen Welt“ publiziert wurden: In diesen Beiträgen ist die hinterhältige Absicht der Debatte gut herausgearbeitet einschließlich des Schadens, den der Beschluss der Fraktion der Linken für die weitere Fähigkeit zur politischen Aktion haben wird: Der Beschluss verstärkt die Tendenz, dass die Linke von den gegen sie engagierten Medien und der politischen Konkurrenz künftig noch mehr vor sich her getrieben werden kann. Die Bundestagsfraktion der Linken hat die Stöckchen geschnitzt, über die die Linke künftig wird springen müssen. In dem Beschluss vom 7. Juni heißt es unter anderem: Immer dann, wenn irgend ein Mitglied der Linken, es muss nicht einmal ein Mandatsträger sein, für die „Ein-Staat-Lösung“ eintritt oder die Gaza-Flottille unterstützt, wird sich irgendein Medium oder irgendein Politiker einer anderen Partei oder ein so genannter Wissenschaftler zu Wort melden und die Führung der Linken auffordern, dieses Mitglied zurechtzuweisen oder gar auszuschließen. Wenn sich eine Mitarbeiterin der Fraktion Die Linke gegen die Kampagne der Bild-Zeitung zum Boykott israelischer Waren aus den besetzten Gebieten wehrt, und sei es nur mit dem Hinweis, dass es sich hier nicht um einen Flyer [PDF – 550 KB] mit „anti-jüdischer Hetze“ handelt, wie Bild behauptet, dann wird der Fraktionsvorsitzende Gysi aufgefordert, diese Mitarbeiterin aus dem Verkehr zu ziehen. – Dann wird Gysi handeln müssen oder sein Nichthandeln erklären müssen. Dann reicht die Erklärung, dass ein Boykott schon wegen der Parallelität zur Nazizeit problematisch ist, was ich teilen würde, nicht mehr. Die Fraktion hat sich ja durch die Resolution auf eine härtere Gangart festgelegt, offensichtlich bis hin zur Entlassung von solchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Man wird fragen, wo die Konsequenzen bleiben. Das kann einen Rattenschwanz von Folgen haben – bis hin zu Arbeitsgerichtsprozessen. Der Beschluss vom 7. Juni bietet somit eine Fülle von Möglichkeiten für die Fortsetzung und Erweiterung der Kampagne gegen den angeblichen Antisemitismus der Linkspartei. Der helle Wahnsinn! Es ist übrigens auch deshalb der helle Wahnsinn, weil eine solche Resolution und ihre Folgen die Arbeitskapazität der Fraktions- und Parteiführung in unerträglicher Weise bindet. Sie ermuntert dazu, das Stöckchen hinzuhalten. Wie richtig diese Einschätzung ist, konnten die Leser von Spiegel online gestern gleich zweimal beobachten: So wird die Kampagne weiterlaufen. Wegen der üblen Machart, die man an den beiden Artikeln von Spiegel online sehen kann, und wegen der Unendlichkeit von Unterstellungen, die man an den Äußerungen des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Graumann sehen kann, und wegen der Dominanz der allumfassenden Koalition aus konkurrierenden Parteien, so genannter Wissenschaft und Medien wird die Abwehr dieser Kampagne nicht einfach sein. Umso schlimmer ist es, dass die Bundestagsfraktion der Linken mit ihrer Resolution vom 7. Juni den Trägern der Kampagne unnötig Glaubwürdigkeit verliehen hat. Am Beitrag Graumanns kann man übrigens schon erkennen, dass die mit der Resolution gezeigte Demut keine Gnade findet und nicht zu Einvernehmen führt, sondern zum Nachlegen von weiteren Forderungen. „Uns reicht auch kein Fraktionsbeschluss gegen Antisemitismus“, stellt der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland fest. Und dann folgt das nächste Stöckchen. Möglicherweise ist die Linkspartei schon nicht mehr fähig, sich gegen die auch mit dem Antisemitismus-Vorwurf betriebene Gleichschaltung machtvoll zu wehren, weil in ihren eigenen Reihen solche sitzen, die auf Rechnung anderer arbeiten, trojanische Pferde sozusagen. Dann wird auch sie das Schicksal von SPD und Grünen teilen. Und wir alle wären um die kleine Chance zum Aufbau von politischen Alternativen zur herrschenden Politik gebracht, den die Linke als Katalysator spielen könnte. | Albrecht Müller | Mit der Linkspartei beschäftige ich mich deshalb, weil es dort mehr als in anderen Parteien noch Kräfte gibt, die sich der neoliberalen und militärpolitischen Gleichschaltung entziehen und erwehren. Ohne die Linke werden sich Grüne und Sozialdemokraten vollends ergeben. Wer eine Alternative zur herrschenden Lehre und Politik will, wer will, dass sich bei der SPD und den Grünen Widerstand gegen ... | [
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"Kampagnen/Tarnworte/Neusprech"
] | 21. Juni 2011 15:40 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=9849&share=email |
Meinungsmache | „Abgehobene Gehälter führen zu abgehobener Politik“ – so sehen es die beiden neuen Vorsitzenden der Linkspartei, Ines Schwerdtner und Jan van Aken. Um nicht abgehoben zu wirken, verzichten die beiden nun freiwillig auf die Hälfte ihres Gehalts und begrenzen ihr Salär auf den statistischen Durchschnittslohn von 2.850 Euro netto. Man wolle sich nicht bereichern, so von Aken. Was auf den ersten Blick sicher sympathisch wirken mag, ist jedoch bei näherer Betrachtung ein Schlag ins Gesicht der Arbeitnehmerinteressen. Folgt man der Logik der beiden Parteichefs, wären nämlich auch die Gehälter vieler Angestellter im öffentlichen Dienst und im Tarifbereich der Gewerkschaften „abgehoben“, während die Bezüge vieler Schulleiter, Richter, Ingenieure oder Filialleiter gar eine „Bereicherung“ darstellen. Ob die Linkspartei sich mit derlei schrägem Populismus einen Gefallen tut, mag dahingestellt sein. Ein Kommentar von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. | NachDenkSeiten - Die kritische Website | [] | [] | 24. Oktober 2024 11:40 | https://www.nachdenkseiten.de/?cat=121&paged=17 |
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Siemens-Chef Kleinfeld massiv in der Kritik. | Bei SpiegelOnline können Sie einen Blick auf die Debatte werfen, die bei Siemens anlässlich der 30% Erhöhung für Managergehälter läuft.
Mich berührt dabei auch die Bestätigung, dass dieses große Unternehmen von einem ziemlich unfähigen Mann der flotten Worte geführt wird. Lesen Sie das folgende Zitat: “Mein persönlicher Anspruch an meine Arbeit ist ‘work hard, win big, have fun“. So habe der Siemenschef an seine Belegschaft geschrieben. Das Niveau ist wahnsinnig tief. Was hat dieser Mann für eine Ahnung davon, was seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach den vielfältigen Abwanderungsdrohungen, Kürzungen, Arbeitszeitverlängerungen, Enttäuschungen wie beim Handybau und der staatlich verordneten Zerstörung des Vertrauens in die Arbeitslosenversicherung durch Hartz IV bewegt? In meiner kurpfälzischen Heimat würde man so jemanden wie Kleinfeld einen „Dummbabbler“ nennen. Das klingt böser als es gemeint ist. Aber es ist vernichtend. | Albrecht Müller | Bei SpiegelOnline können Sie einen Blick auf die Debatte werfen, die bei Siemens anlässlich der 30% Erhöhung für Managergehälter läuft.
Mich berührt dabei auch die Bestätigung, dass dieses große Unternehmen von einem ziemlich unfähigen Mann der flotten Worte geführt wird. Lesen Sie das folgende Zitat: "Mein persönlicher Anspruch an meine Arbeit ist 'work hard, win big, have fun“. So habe der ... | [
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] | 27. September 2006 15:54 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=1772&share=email&nb=1 |
Zur Lage in Kaschmir – Teil Zwei | Seit rund zwei Monaten herrscht ein neuer Ausnahmezustand in der Region Kaschmir. Wie in diesem Artikel zum Thema bereits vorhergesagt wurde, nahm das öffentliche Interesse an der Situation im Krisenherd nach einigen Schlagzeilen massiv ab. Nicht nur aus diesem Grund ist ein weiterer Blick auf den Konflikt notwendig. Von Emran Feroz.
“Was ist eigentlich in Kaschmir los?” Der erste Versuch, diese Frage zu beantworten, lässt sich in diesem Artikel lesen, zumindest auf lokaler Ebene. Aus diesem Grund wird im Folgenden auch nicht abermals auf alle Einzelheiten, die zur aktuellen Eskalation beigetragen haben, eingegangen. Folgendes sollte allerdings weiterhin klar sein: Im indischen Teil der Region Kaschmir (konkret Jammu, Kaschmir und Ladakh) findet durch die rechtsextreme Regierung Narendra Modis eine massive Entrechtung statt, deren Konsequenzen nicht nur die regionale, sondern auch die globale Politik beeinflussen könnten. Dies wurde vor wenigen Tagen abermals deutlich, als der pakistanische Premierminister Imran Khan vor der UN-Generalversammlung in New York eine feurige Rede hielt, in der er sich mit den Menschen in Kaschmir solidarisierte. Währenddessen verlor sein indischer Amtskollege Narendra Modi kein Wort über jenen Konflikt, den er gegenwärtig eskalieren lässt. Khan warnte nicht nur vor einem möglichen Blutbad, sondern betonte in emotionaler Manier auch, dass ein bewaffneter Widerstand der Menschen in Kaschmir nachvollziehbar sei und er auf dieselbe Art und Weise reagieren würde, wenn er sich in ebenjener Situation befinden würde. Imran Khan, einst Playboy und Cricket-Star, ist ein charismatischer Mann. Seine Rede kam auf der Weltbühne, allen voran bei mehrheitlich muslimischen Staaten, gut an. Hinzu kommt, dass Khan bereits seit Beginn der Kaschmir-Eskalation im August als Stimme der Vernunft erschien – zumindest neben dem lauten, aggressiven Modi. Doch ganz so einfach ist die Situation dann doch nicht, was die Konstellation regionaler und globaler Verbündeter Indiens und Pakistans deutlich macht. Geopolitische Machtspiele sind vorprogrammiert Zu Modis ideologischen Verbündeten gehören mittlerweile die USA und Israel. Erst vor wenigen Wochen besuchte Modi die Staaten, in der die Gemeinsamkeiten zwischen Neu-Delhi und Washington deutlich wurden. Modi und Trump zelebrierten ihre Partnerschaft und ihren „Kampf gegen den Terror“, der natürlich auch in Kaschmir fortgeführt wird. Die beiden Staatschefs gelten als Produkte des neuen, rechten Zeitgeistes und umso weniger ist es überraschend, dass Modi mittlerweile als eine Art Trump Südasiens gilt. Währenddessen sind im Laufe der Amtszeit Modis auch die Kontakte zur Regierung Benjamin Netanjahus intensiver geworden. In den letzten Jahren gab es nicht nur Propagandatrips, an denen auch Bollywoodsternchen teilnahmen, sondern auch eine sehr konkrete Zusammenarbeit, etwa in Form von Rüstungsdeals. Währenddessen sind sich immer mehr Stimmen darin einig, dass die Situation in Kaschmir jener in Palästina gar nicht unähnlich ist. Auf der anderen Seite ist allerdings klar, dass die USA auch zu den wichtigsten Geldgebern Pakistans gehören. Seit Beginn des „War on Terror“ erhielt Pakistan Milliarden Dollar aus Washington. Aufgrund des Krieges im Nachbarland Afghanistan war für die Amerikaner der pakistanische Verbündete besonders wichtig. Vor allem der Sicherheitsapparat des Landes, eine Art Staat im Staat mit dem berühmt-berüchtigten Geheimdienst ISI an der Spitze, profitiert von den Geldern enorm. Ein weiterer Akteur, der in Pakistan weitaus präsenter ist als die USA, ist China. Die pakistanische Wirtschaft ist von den Chinesen nämlich abhängig geworden. Peking hat in den letzten Jahren in zahlreiche Projekte (im Gesamten als China-Pakistan Economic Corridor bezeichnet) investiert. Insgesamt spricht man von einem Investitionsvolumen zwischen 46 und 65 Milliarden US-Dollar. Manch einer könnte demnach behaupten, dass weite Teile Pakistans de facto China gehören und Khans Vorgänger das Land mehr oder weniger verkauft haben. Auch Indien ist ein wichtiger Handelspartner Chinas, doch im Fall von Pakistan geht die Beziehung weit über jene eines Partners hinaus, was auch „on the ground“ deutlich wird. In Regionen wie der Provinz Belutschistan, die seit Jahrzehnten als Unruheherd gilt, wird offen von einer chinesischen Kolonialisierung gesprochen. In der Provinz befindet sich unter anderem die Hafenstadt Gwadar, in der aufgrund deren geostrategischer Bedeutung Milliarden seitens Peking hineingepumpt wurden. All dies geschah nicht von heute auf morgen und war von stetiger Unruhe begleitet. Das Volk der Belutschen wird seit Jahrzehnten vom pakistanischen Staat unterdrückt. Separatistische Gruppierungen, hauptsächlich marxistisch angehaucht, greifen immer wieder chinesische Stationen an und begehen Terroranschläge. Ähnlich problematisch ist die Lage auch in den Nachbarprovinzen Khyber Pakhtunkhwa und FATA, den paschtunischen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan. Auch hier zieht es das pakistanische Militär samt Geheimdienst vor, die lokalen Paschtunen zu unterdrücken und jeglichen Aufstand zu zerschlagen, selbst wenn dieser in friedlicher Form stattfindet, wie es in den letzten Monaten der Fall war. Derartige Umstände machen deutlich, warum Imran Khans Worte im Kontext von Kaschmir für viele Menschen im eigenen Land unglaubwürdig erscheinen. Lokale Interessen unterscheiden sich stets von geopolitischen Interessen In dieser Hinsicht ist auch die Rolle eines weiteren Staates in der Region, nämlich Afghanistans, zu beachten. Die Kabuler Regierung gilt als enger Verbündeter Indiens. Dies hat eine gewisse Tradition, denn fast alle afghanischen Zentralregierungen der letzten vierzig Jahre pflegten eine Freundschaft mit Indien und eine Feindschaft mit Pakistan. Zum gleichen Zeitpunkt hatten alle aufständischen Gruppierungen – ob nun Mudschaheddin in den 1980ern oder die Taliban bis heute – aufgrund der Abhängigkeit zum Nachbarstaat ein enges, wenn auch nicht immer freundliches Verhältnis zu ebenjenen. Zeitgleich war der afghanisch-paschtunische Nationalismus, der die erwähnten Grenzprovinzen als illegal annektiert betrachtet, stets ein Dorn im Auge Islamabads. Jener Nationalismus keimte bereits früh in den ersten Tagen der afghanischen Republik in den 1970ern, als der erste Präsident des Landes, Mohammad Daoud Khan, mit dem Finger in die Wunde griff und Pakistans belutschische und paschtunische Regionen als Teile Afghanistans bezeichnete. Die Kabuler Regierungen, die seit 2001 an der Macht sind, pflegen diesen Nationalismus weiterhin. Als im vergangenen Jahr Pakistans Paschtunen lautstark demonstrierten, mischte sich Präsident Ashraf Ghani sogar mittels Twitter ein und drückte seine Solidarität aus. Ein Akt, der von pakistanischen Offiziellen als skandalöse Intervention betrachtet wurde. Den rebellischen Paschtunen, die sich dem gewaltfreien Protest verschrieben haben, wird spätestens seitdem in regelmäßigen Abständen vorgeworfen, Agenten des indischen oder afghanischen Geheimdienstes zu sein. In der innerafghanischen Debatte wird selbiges allerdings auch den aufständischen Kaschmiris vorgeworfen. Der Unterschied ist lediglich, dass sie als pakistanische Agenten bezeichnet werden. Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass niemand niemandes Agent ist. Viel mehr besteht die Tatsache, dass ein lokales Bestreben – etwa die Autonomie oder Unabhängigkeit der Kaschmiris, Belutschen oder Paschtunen – für einen Akteur zum Vorteil sein kann, und für den anderen eben nicht. Indien hat die Situation in Kaschmir zum Eskalieren gebracht. Der Widerstand der lokalen Bevölkerung ist nachvollziehbar und war vorauszusehen. Ähnliches ist auch in den paschtunischen Stammesgebieten der Fall. Beide Eskalationen haben Profiteure, und denen geht es nicht nur meistens, sondern immer nur um die eigenen Machtinteressen und weniger um das Schicksal der betroffenen Menschen. Titelbild: HACK_CG / Shutterstock | Emran Feroz | Seit rund zwei Monaten herrscht ein neuer Ausnahmezustand in der Region Kaschmir. Wie in diesem Artikel zum Thema bereits vorhergesagt wurde, nahm das öffentliche Interesse an der Situation im Krisenherd nach einigen Schlagzeilen massiv ab. Nicht nur aus diesem Grund ist ein weiterer Blick auf den Konflikt notwendig. Von Emran Feroz.
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] | 02. November 2019 11:45 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=56054&share=email |
Der Leiter des Bereichs „Interessenvertretung Wirtschaft und Politik“ einer Telekom-Tochter wird neuer Regierungssprecher in NRW. | Dass der nordrhein-westfälische Ministerpräsident nach einem knappen Jahr im Amt schon seinen Regierungssprecher austauscht ist weniger interessant. Interessant ist vielmehr, dass er einen der vielen von der Telekom bezahlten Jung-Lobbyisten, Andreas Krautscheid, zu seinem neuen Sprecher macht. Krautscheid war zuletzt als Leiter des Bereichs „Interessenvertretung Wirtschaft und Politik“ der T-Systems International, einer Telekom-Tochter tätig (Quelle: Presseservice NRW).
Der Regierungssprecher ist in NRW gleichzeitig Staatssekretär für Medien. Die Telekom nimmt also künftig mit einem Lobbyisten ihres Geschäftsbereichs unmittelbar am nordrhein-westfälischen Kabinettstisch Platz. | Wolfgang Lieb | Dass der nordrhein-westfälische Ministerpräsident nach einem knappen Jahr im Amt schon seinen Regierungssprecher austauscht ist weniger interessant. Interessant ist vielmehr, dass er einen der vielen von der Telekom bezahlten Jung-Lobbyisten, Andreas Krautscheid, zu seinem neuen Sprecher macht. Krautscheid war zuletzt als Leiter des Bereichs „Interessenvertretung Wirtschaft und Politik“ der T- ... | [
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] | 06. Juli 2006 17:24 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=1390&share=email |
Hubertus Heil soll die SPD zum Wahlsieg führen? Und da sage wer, Politiker hätten keinen Sinn für Humor | Der Anlass war eine tragische Erkrankung des Ministerpräsidenten Sellering, die Folge ist eine Personalrochade, an deren Ende die Neubesetzung des Postens des Generalsekretärs stand. Den soll nun Hubertus Heil einnehmen. Hubertus Heil? Da war doch mal was. Richtig. Heil hatte genau diesen Posten schon einmal inne. Von 2005 bis 2009, als er das bislang schlechteste Wahlergebnis der SPD bei Bundestagswahlen verantworten musste und seinen Posten räumte. Wer ernsthaft gehofft hat, dass die SPD aus ihren eigenen Fehlern lernen würde, muss erneut eingestehen, dass er sich getäuscht hatte. Von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Das ist schon Wahnsinn. Kaum ging ein Artikel von uns online, der die SPD aufforderte, sich beim kommenden Wahlkampf an ihrer britischen Schwesterpartei ein Vorbild zu nehmen, da kam die Meldung über den Ticker, dass Hubertus Heil neuer Generalsekretär der SPD wird und dabei vier Monate vor den Bundestagswahlen die Rolle des Wahlkampfmanagers übernehmen soll. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir uns von der SPD gewünscht hatten. Heil ist Teil des „Niedersachsen-Blocks“ der SPD, der aus den „Reformern“ rund um Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und Thomas Oppermann besteht, die der Partei ihren eigenen Stempel aufgedrückt haben. In einer 2009 aufgestellten Auswertung über das Abstimmverhalten der SPD-Bundestagsmitglieder kam heraus, dass Hubertus Heil zu den „Überzeugungstätern“ gehörte und in 94% für die Vorlagen der damaligen Regierung Merkel stimmte – seine Parteifreunde Ottmar Schreiner, Hermann Scheer, Niels Annen und Herta Däubler-Gmelin bilden bei dieser Auswertung mit 13, 44 und zweimal 50 Prozent Zustimmung die untere Grenze der Fraktion. Häufiger als Heil hatten nur Franz Müntefering, Walter Riester und Klaus Uwe Benneter für die Agenda-Politik gestimmt. Die SPD macht also tatsächlich einen der Mitarchitekten der neoliberalen Agendapolitik, der stets Merkels Vorgaben umgesetzt hat, zum verantwortlichen Wahlkampfmanager für die kommenden Bundestagswahlen? Das kann doch eigentlich nur ein schlechter Scherz sein. Wie will die SPD sich denn bitte so als Alternative zu Angela Merkels Union präsentieren? Wie will die SPD sich einen glaubwürdigen Anstrich verpassen? Es scheint fast so, als legten es die Sozialdemokraten auf Teufel komm raus darauf an, am 24. September die Bundestagswahlen mit Pauken und Trompeten zu verlieren. 2009 verlor die SPD übrigens 11,2 Prozentpunkte und holte mit 23,0 Prozent ihr bislang historisch schlechtestes Ergebnis. Schau´n wir mal, ob Hubertus Heil sich im September selbst unterbieten kann. Zumindest Angela Merkel wird diese Meldung mit Freude vernommen haben. Wäre es nicht so bittertraurig, man könnte fast lachen. Leider geht es jedoch auch um die Zukunft des Landes und die Zukunft Europas. Und da kann man nur noch heulen. | Jens Berger | Der Anlass war eine tragische Erkrankung des Ministerpräsidenten Sellering, die Folge ist eine Personalrochade, an deren Ende die Neubesetzung des Postens des Generalsekretärs stand. Den soll nun Hubertus Heil einnehmen. Hubertus Heil? Da war doch mal was. Richtig. Heil hatte genau diesen Posten schon einmal inne. Von 2005 bis 2009, als er das bislang schlechteste Wahlergebnis der SPD bei Bund ... | [
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] | 30. Mai 2017 16:14 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=38524 |
Der Gründer der „Weißhelme“ ist tot | Der mutmaßliche britische Geheimdienstmitarbeiter James Le Mesurier ist unter unklaren Umständen in Istanbul gestorben. Im Syrienkrieg erfüllten Le Mesurier und sein „Syrischer Zivilschutz“ eine „Scharnierfunktion“ zwischen Militär und zivilem Umfeld. Kritiker sehen die „Weißhelme“ als Akteure der ausländischen Intervention gegen Syrien. Von Karin Leukefeld. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Die in Amsterdam und Istanbul ansässige Stiftung “Mayday Rescue“ hat den Tod ihres Gründers und Geschäftsführers James Le Mesurier bestätigt. Le Mesurier habe sein Leben der Hilfe von Zivilisten in Notlagen, Konflikten und Naturkatastrophen geweiht. „Nirgends war die Auswirkung seiner wichtigen Arbeit so sehr zu spüren wie in Syrien“, heißt es in der knappen Mitteilung auf der Webseite von „Mayday Rescue“ weiter. Dort habe man „ein Netzwerk von freiwilligen Rettungshelfern unterstützt, das als Syrischer Zivilschutz, auch Weißhelme genannt, bekannt geworden ist.“ Unzählige Leben von Zivilisten habe man gerettet, so „Mayday Rescue“ weiter. Le Mesurier sei „ein großartiger Führer, Visionär, ein lieber Kollege und Freund“ gewesen. Die Umstände des Todes von James Le Mesurier sind unklar. Er wurde in den frühen Morgenstunden des 11. November 2019 tot vor einem Haus in Beyoglu, einem Stadtteil in Istanbul aufgefunden, in dem er mit seiner Frau wohnte und in dem sich auch das Büro von „Mayday Rescue“ Istanbul befand. Seine Frau berichtete, beide hätten am frühen Morgen des Tages Schlaftabletten genommen, ihr Mann habe unter Stress und Depressionen gelitten. Sie sei erst aufgewacht, als die Polizei an ihre Wohnungstür klopfte und vom Tod ihres Mannes berichtete. Le Mesurier soll Agent des britischen Geheimdienstes MI6 gewesen sein, eine Bestätigung dafür wird es vom britischen Geheimdienst nicht geben. Fest steht, dass er ein erstklassig ausgebildeter und hochdekorierter britischer Elite-Soldat war. Spiegel Online schreibt, er habe im Balkankrieg begriffen, „dass humanitäre Hilfe besser geeignet sei, Kriege zu verhindern, als bewaffnete Einsätze“. Er habe seinen Militärdienst im Jahr 2000 quittiert und einige Jahre für private Sicherheitsfirmen in der „humanitären Sparte“ gearbeitet. 2013 habe er mit türkischer Unterstützung „die ersten 25 Syrer darin ausgebildet, Kriegsopfer zu bergen“. (Spiegel Online, 12.11.2019). Daraus wurden schließlich die international bekannten „Weißhelme“. Scharnierfunktion im Syrien-Krieg Le Mesuriers‘ Erfahrungen auf dem Balkan waren nicht ausschließlich persönlicher Art. Er folgte einem Angebot an Elitekräfte, sich – außerhalb des Militärs – für ein neues NATO-Konzept zu engagieren, die zivil-militärische Zusammenarbeit. Das neue Konzept beruht auf der militärischen Notwendigkeit, in Kriegs- und Krisengebieten das zivile Umfeld einzubeziehen. Doch „Schuldächer reparieren und Brunnen bohren“ sei „keine Entwicklungshilfe sondern Bestandteil der militärischen Operationsführung“, heißt es in einer Erläuterung der deutschen Bundeswehr zur Aufgabe der zivil-militärischen Zusammenarbeit. Für die „Scharnierfunktion zwischen militärischem Einsatzstab und dem zivilen Umfeld“ bedarf es hoch motivierter und ausgebildeter Personen, die als Spezialkräfte mit militärischem Hintergrund mit der Zivilbevölkerung kooperieren. Es liegt nahe, dass diese Personen nicht nur Militärs in Zivil sind, sondern auch Aufklärer für die Geheimdienste der jeweiligen kriegführenden NATO-Staaten. Informationen von vor Ort aus einem Kriegs – und Krisengebiet hilft dem militärischen Stab bei der Einsatzplanung, ermöglicht – in Verbindung mit Luftaufklärung und Satellitenaufnahmen – „Präzisionsschläge“ gegen bestimmte Ziele oder auch Einzelpersonen. Die Aufklärung liefert nicht zuletzt Material, um Politik und Medien entsprechend dem Einsatzplan zu „informieren“. Aufbau und Einsatz der „Weißhelme“ in Syrien entsprechen in idealer Weise dem Konzept der NATO für die zivil-militärische Zusammenarbeit. Man operiert als „humanitäre Helfer“ in einem Kriegs- und Krisengebiet (Syrien) mit der Bevölkerung, die gegen den Kriegsgegner – die syrische Regierung und deren Verbündete – eingestellt sind. Die Arbeit von Le Mesurier und seiner Partner in der „Mayday Rescue“-Stiftung und bei den „Weißhelmen“ war den NATO-Auftraggebern viel Geld wert. Deren „humanitärer“ Einsatz sicherte das militär-strategische Interesse des NATO-Engagements in Syrien und der Region ab. Die europäischen NATO-Staaten, allen voran Großbritannien, die USA und Kanada, förderten die „Weißhelme“ mit Millionensummen. Die Bundesregierung zahlte mehr als 12 Millionen Euro. Geld kam auch vom Entwicklungsfond des Emirats Katar und von den Vereinten Nationen. Japan und Israel, die als wichtige „Nicht-NATO-Alliierte“ in die NATO-Strukturen eingebunden sind, zahlten ebenfalls. Israel half im Juli 2018 Hunderten „Weißhelmen“ und ihren Familien, den Südwesten Syriens zu verlassen, wo sie mit dortigen Kampfgruppen kooperiert hatten. Sie wurden über den von Israel besetzten Golan nach Jordanien transportiert, von wo sie in verschiedene NATO-Staaten ausreisen konnten. Akteure der ausländischen Intervention? Wer als humanitäre Organisation im militärischen Interesse in einem Kriegs- und Krisengebiet an der Seite einer der Kriegsparteien agiert, kommt an den militärischen Akteuren nicht vorbei. Bildmaterial belegt, dass „Weißhelme“ Tote abtransportieren, die zuvor von Kämpfern der Nusra Front oder anderer islamistischer Kampfgruppen hingerichtet wurden. Es gibt Bilder, auf denen sie Waffen tragen und an der Seite bewaffneter Islamisten die Einnahme von syrischen Orten feiern. Eine Filmsequenz zeigt den Abtransport von getöteten syrischen Soldaten auf einem Pick-Up. „Weißhelme“ stehen auf den Leichen und machen ein Siegeszeichen in die Kamera, die den Vorgang festhält. Le Mesurier und die von ihm gegründeten „Weißhelme“ werden in einem Teil der Welt bejubelt und ausgezeichnet. In Syrien und bei dessem wichtigsten Verbündeten Russland allerdings werden die „Weißhelme“ als Akteure der ausländischen Intervention gegen Syrien kritisiert. Eine Pressekonferenz in Genf, bei der die freie Reporterin Vanessa Beeley im November 2017 über ihre Recherchen zu den „Weißhelmen“ berichten wollte, wurde u.a. von Reportern ohne Grenzen so sehr angegriffen, dass dem Veranstalter der Pressekonferenz, dem Schweizer Presseclub Genf, sogar mit dem Entzug öffentlicher Gelder gedroht wurde. Warum Le Mesurier jetzt ums Leben kam, ist unklar. Die Bild-Zeitung spekulierte bereits, dass der „mysteriöse Todesfall in Istanbul“ mit der Kritik aus Russland zu tun haben könne. Wenige Tage vor dem Tod sei Le Mesurier von Russland „zum Terroristen erklärt“ worden. Die Medien sollten sich von „unnötigen Spekulationen über seinen Tod zurückhalten und abwarten, bis die Untersuchung abgeschlossen“ sei, hieß es in der Erklärung von „Mayday Rescue“. Seine Familie, Freunde und Kollegen bräuchten Zeit, um den „schrecklichen Verlust“ zu verkraften. Titelbild: Alexander Lukatskiy / Shutterstock | Karin Leukefeld | Der mutmaßliche britische Geheimdienstmitarbeiter James Le Mesurier ist unter unklaren Umständen in Istanbul gestorben. Im Syrienkrieg erfüllten Le Mesurier und sein „Syrischer Zivilschutz“ eine „Scharnierfunktion“ zwischen Militär und zivilem Umfeld. Kritiker sehen die „Weißhelme“ als Akteure der ausländischen Intervention gegen Syrien. Von Karin Leukefeld.
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] | 14. November 2019 8:35 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=56345 |
Auffälliges Schweigen über Schweden. Hier ein Bericht von Henning Rosenbusch | Obwohl die Erfahrung in Schweden und ein Vergleich der politischen Corona-Maßnahmen dort und hierzulande wichtig und nützlich für die eigenen Entscheidungen wäre, wird in Deutschland kaum über die dortige Entwicklung berichtet. Man muss den Eindruck gewinnen, dass auch die politisch Verantwortlichen hierzulande die schwedischen Erfahrungen nicht ernsthaft prüfen. Im Anhang finden Sie einen Deutschlandfunk-Bericht vom 28. Oktober und einen Beitrag von Capital vom Juli. Ansonsten wurde hierzulande weitgehend gegen Schweden polemisiert oder eben verschwiegen. Aus diesem Grund sind wir dankbar dafür, dass der deutsche Journalist und Fotograf Henning Rosenbusch angeboten hat, für die NachDenkSeiten aus Schweden zu berichten. Wir beginnen heute mit einem umfassenden Artikel zur Situation und setzen die Berichterstattung dann später fort. Redaktion NDS. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Zunächst der Beitrag von Henning Rosenbusch: Viel liest man derzeit nicht mehr über den schwedischen Sonderweg in den deutschen Gazetten. Der Grund dürfte einfach sein: Staatsepidemiologe Anders Tegnell setzt ihn unbeirrt fort und will es weiter „relaxed“ angehen, wie er vor einer Woche verkündete: „Wir rufen die ältere Bevölkerung auf, sich nicht mehr komplett zu isolieren, nur noch große Menschenansammlungen zu vermeiden.“ Denn ein Bericht habe gezeigt, dass sich die soziale Distanzierung bei vielen Älteren negativ auf ihre psychische Gesundheit ausgewirkt habe. Weil Tegnell eben nicht nur auf Fallzahlen schaut, die in Schweden nach einer Verdreifachung der Tests derzeit massiv ansteigen. Wobei in Schweden die Inzidenz (Fälle/100.000 Einwohner) im europäischen Vergleich trotz massiver Anstiege niedriger liegt als in weiten Teilen Europas und in den letzten Tagen sogar knapp hinter Deutschland zurückgefallen ist. Weil er, wie die Virologen Hendrik Streeck und Jonas Schmidt-Chanasit sowie der Kassenärzte-Verband am Mittwoch es für Deutschland forderten, die Positivrate, die Krankenhauseinweisungen und vor allem die weiter gleichbleibend niedrigen Todesfälle mit Covid-19 im Blick hat. Übrigens gilt dabei auch in Schweden die Definition der Europäischen Seuchenbehörde. Diese schreibt bekanntlich vor, dass jeder, der binnen 28 Tagen nach positivem Befund verstorben ist, in die Statistik aufgenommen werden müsse. Das gilt auch für diejenigen, die ohnehin auch ohne Covid-19 verstorben wären. Das alles gibt es in Schweden momentan nicht: Masken(pflicht), Beherbergungsverbote, Sperrstunden, kalte Klassenzimmer mit maskierten Kindern, Aufrufe zum Denunziantentum, Verordnungswahn, Corona-Polizeikontrollen, Diskussionen um die Unverletzlichkeit der Wohnung, Demonstrationen gegen die Corona-Politik, Bundeswehr im Innern, Schulklassen in Quarantäne, abgesagte Weihnachtsmärkte und vor allem: „Wir werden weitermachen wie bisher und Lockdowns vermeiden“, so der 64-Jährige. Das ebenso wie Deutschland exportorientierte Schweden scheint so in punkto Wirtschaft besser zu fahren als die Länder, die mit strikteren Maßnahmen gegen die Pandemie vorgehen. Zwar brach auch das schwedische Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal während der Lockdowns im Ausland um nie dagewesene 8,2 Prozent zum Vorjahresquartal ein. Damit hielt sich die Wirtschaft aber besser als in Deutschland – hierzulande schrumpfte die Leistung im zweiten Quartal um 11,7 Prozent zum Vorjahr. Laut dem staatlichen Unternehmensanalysebüro Tillväxtanalys wurden in den ersten sieben Monaten 2020 knapp 9 Prozent mehr Konkurse verzeichnet als im gleichen Vorjahreszeitraum. Vergleichszahlen aus Deutschland gibt es nicht: die in Deutschland bis zum Jahreswechsel ausgesetzte Insolvenzanmeldepflicht gilt in Schweden weiterhin. Die Auskunftei Creditreform schätzte im August die Zahl der sogenannten „Zombie-Unternehmen“ derzeit auf 550.000. Sollte die Insolvenzantragspflicht in Deutschland bis März 2021 ausgesetzt bleiben, was im Gespräch war, so könnte sich die Zahl der Zombie-Unternehmen laut Creditreform auf 700.000 bis 800.000 erhöhen: “Die Lage verschlimmert sich von Tag zu Tag. Denn die Insolvenzen werden derzeit nur verschoben”, warnte seinerzeit Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung bei der Auskunftei Creditreform gegenüber der “Welt”. “Dadurch könnten viele derzeit noch gesunde Firmen mit in den Abgrund gerissen werden.” Das habe am Ende gravierende Auswirkungen auf die Zahl der Arbeitsplätze. Und: Weitere Lockdowns hatte die Creditreform seinerzeit noch gar nicht auf dem Schirm. Tegnell stand bei der gestrigen Pressekonferenz in Stockholm einmal mehr wie ein Fels in der Brandung, wobei die Journalisten trotz der steigenden Fallzahlen lange nicht so eine Welle machen wie im April, als der Staatsepidemiologe für seinen vermeintlich laxen Umgang mit der Pandemie sogar Morddrohungen erhielt. Natürlich werden zwischenzeitlich verstummte Kritiker wieder lauter, aber sie finden in der Bevölkerung, die Umfragen zufolge zu größten Teilen hinter Tegnell steht, weniger Gehör als seinerzeit und werden in den sozialen Netzwerken schon für „unnötige Panikmache“ kritisiert. Dort gibt es Tegnell-Fanclubs mit zehntausenden Mitgliedern, die geöffneten Clubs feiern Partys für ihn. Fanartikel und T-Shirts werden verkauft, er wird gemalt und modelliert, gestrickt und plakatiert und bei vielen Menschen ziert er nun die heimische Einrichtung. Einige Schweden haben ihn sogar auf ihrer Haut als Tattoo verewigt. Ihm wurde auch die besondere Ehre zuteil, in diesem Jahr das „Sommerinterview“ führen zu dürfen, wofür er sich traditionell mit einem schwedischen Blumenkranz schmücken ließ. Tegnell wird für seine ruhige und klare Art verehrt und vor allem auch dafür, dass er etwaige Kollateralschäden von Maßnahmen immer im Blick hat. Einkaufen in Stockholm / © Henning Rosenbusch Die allgemeinen Empfehlungen zur Verringerung der Corona-Ausbreitung wurden jedoch angesichts der steigenden Zahl der Neuinfektionen auf weitere Landesteile ausgeweitet: In der Hauptstadtregion um Stockholm, den Regionen Västra Götaland um Göteborg und Östergötland werden die Menschen in den kommenden Wochen dazu aufgefordert, Kontakt mit Personen aus anderen Haushalten, den Nahverkehr und Veranstaltungen wie Konzerte oder sportliche Wettkämpfe zu meiden. Ähnliches gilt bereits in der Region Uppsala und im südschwedischen Skåne (Schonen). Geschlossen wird allerdings nichts. Und eine Maskenpflicht stand für Tegnell nie zur Debatte, „da wir nicht glauben, dass Erwachsene oder gar Kinder Masken so handhaben, dass sie am Ende auch nützlich sind.“ „Schweden erwägt Lockdowns“, „Schweden überdenkt seine lockere Strategie“, die Überschriften der letzten Wochen in Deutschland sind angesichts verschärfter Empfehlungen also zumindest irreführend. Die Meldung „Schweden mit Rekord-Todesfällen im ersten Halbjahr seit 150 Jahren“ war sogar hanebüchen, da man die absolute Zahl der Todesfälle während einer Hungersnot 1869 mit dem heutigen Schweden verglich. Dass die Bevölkerung der heutigen parlamentarischen Monarchie in dieser Zeit von 4,1 Millionen auf 10,2 Millionen angewachsen ist, was natürlicherweise für mehr Todesfälle pro Jahr sorgt, wurde in diesen Berichten geflissentlich weggelassen. Den Vogel schoss aber Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ab: „München ist ein Drittel größer als Stockholm, aber Stockholm hatte 16 Mal so viele Tote auf 100.000 Einwohner“, behauptete er während seiner Regierungserklärung am vergangenen Mittwoch vor dem Landtag. Der Corona-Hardliner stellte damit eine Falschbehauptung auf, denn auf den Faktor 16 kommt er nur, wenn er nicht Stockholm-Stadt, sondern die Region Stockholm mit München vergleicht. Und die hat 2,4 Millionen Einwohner, ist also nicht kleiner, sondern hat eine Million mehr Einwohner als München. Dabei ist Söder nicht der Bürgermeister der Landeshauptstadt: Wenn man Bayern, auf die Einwohnerzahl bereinigt, mit Schweden vergleicht, kommt man nicht einmal mehr auf den Faktor drei. Bayern liegt mit den restriktivsten Maßnahmen mit 21,2 Corona- Toten auf 100.000 Einwohner momentan an der Spitze aller Bundesländer und holt wie Gesamtdeutschland zu Schweden tagtäglich auf. Dr. Sebastian Rushworth, tätig in der Notaufnahme einer der größten Kliniken Stockholms, kann über Lockdown-Diskussionen nur noch den Kopf schütteln. Der Mediziner betreibt einen englischsprachigen Internetblog, wo er evidenzbasierte medizinische Erkenntnisse in einem Format bieten will, das auch Nicht-Wissenschaftler verstehen. Seine Beiträge zum Thema Covid-19 wurden unter anderem auch ins Deutsche übersetzt, zuletzt war er vom australischen Sender Sky News auch in eine Expertenrunde geladen. Er vertritt seit einigen Monaten die These, dass alle Länder, ganz gleich wie hart die Restriktionen für die Bevölkerungen sind, am Ende die gleiche Anzahl an Toten durch Covid-19 zu beklagen haben werden und feuert seit einigen Tagen mit neuen Zahlen gegen die wiederholten Lockdowns in Mittel- und Südeuropa: „Der vergangene September war für Schweden der Monat mit der niedrigsten Sterblichkeit pro Einwohner aller Zeiten. Das Jahr 2020 ist bisher das Jahr mit der drittniedrigsten Sterblichkeit pro Einwohner aller Zeiten.“ Und die Schweden wären bekannt für ihre genauen Statistiken, unterstreicht er. Die fehlende Übersterblichkeit sei der Beleg, „dass die schwedischen Corona-Opfer aller Wahrscheinlichkeit nach in diesem Jahr ohnehin verstorben wären.“ Damit wiederholt er eine ältere Aussage von Anders Tegnell. Sebastian Rushworth / © Henning Rosenbusch Dass Schweden dünner besiedelt und nicht vergleichbar wäre, dem sei nicht so: „Das gilt für den Norden. Schweden habe einen Urbanisierungsgrad von 87 Prozent, zehn Prozent mehr als Deutschland.“ Auf Twitter setzt der praktizierende Arzt sogar noch einen drauf: „Lockdowns für ein Virus, das keine Übersterblichkeit in Schweden erzeugt?“ Es handele sich doch offensichtlich eher um eine „herkömmliche Erkältung, ein saisonales Virus, als um Ebola“. Und in Schweden hätten in vielen Regionen schon genug Menschen Immunität aufgebaut: Trotz zuletzt massiv steigender Fallzahlen im Großraum Stockholm gäbe es nur es einige wenige neue Covid-19-Patienten in den Intensivstationen, bei ihm in der Klinik, einem Zentrum des Corona-Sturms in Schweden im März und April, bisher gar nicht: „Und ich gehe davon aus, dass es lange nicht mehr so viele Todesfälle geben wird wie seinerzeit.“ Titelbild: © Henning Rosenbusch Anhang:
Spärliche Berichterstattungen deutschen Medien. 2 Beispiele: | Henning Rosenbusch | Obwohl die Erfahrung in Schweden und ein Vergleich der politischen Corona-Maßnahmen dort und hierzulande wichtig und nützlich für die eigenen Entscheidungen wäre, wird in Deutschland kaum über die dortige Entwicklung berichtet. Man muss den Eindruck gewinnen, dass auch die politisch Verantwortlichen hierzulande die schwedischen Erfahrungen nicht ernsthaft prüfen. Im Anhang finden Sie einen Deu ... | [
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Festnahme des aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten in Rumänien: Das soll Demokratie sein? | Rumänien ist zu einem Schauplatz geworden, auf dem sich die Spannungen zwischen den „ souveränistischen“ und „globalistisch-liberalen“ Lagern entladen. Nach dem Sieg des von EU und NATO ungewünschten Kandidaten Calin Georgescu wurde zunächst die erste Runde der Wahlen aufgrund eines eher vagen Verdachts der Geheimdienste annulliert und dann dieser Tage Georgescu verhaftet. Ein Beitrag von Gábor Stier, aus dem Ungarischen übersetzt von Éva Péli. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Das Paradoxe an der Situation ist, dass die rumänische Führung, die eindeutig eine transatlantische Politik verfolgt und eine US-Militärbasis beherbergt, jetzt von dem Umfeld von Donald Trump aufs Schärfste angegriffen wird und Rumänien als Beispiel für das Versagen der europäischen Demokratien anführt. Kürzlich verhaftete die rumänische Polizei Calin Georgescu, den Spitzenkandidaten bei den annullierten Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr, und führte bei Dutzenden seiner Anhänger und Wahlkampfkollegen Razzien durch. Georgescu ist ein nationalistischer Kritiker der NATO und der EU und ein Gegner der Unterstützung für die Ukraine. Sein Name wurde im November letzten Jahres zum ersten Mal der Weltöffentlichkeit bekannt, als er in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen unerwartet 23 Prozent der Stimmen erhielt. Doch das Verfassungsgericht annullierte die Ergebnisse kurz vor dem zweiten Wahlgang und berief sich dabei auf Geheimdienstdokumente, in denen von „Unregelmäßigkeiten“ bei seiner Kampagne die Rede war. Das verfassungsrechtlich fragwürdige Verfahren wurde damit begründet, dass die Wahlergebnisse das Ergebnis einer russischen Einmischung seien. Nun wurde er verhaftet, als er sich gerade wieder um die Präsidentschaftskandidatur bewerben wollte. „Sein Auto wurde im Verkehr angehalten und er wurde der Generalstaatsanwaltschaft zum Verhör vorgeführt! Wo ist die Demokratie, wo sind die Partner, die die Demokratie zu verteidigen haben?“ – schrieb sein Team auf der Plattform Facebook. Vor seiner Verhaftung verurteilte Georgescu in einem Beitrag auf Online-Plattformen auch die Razzien bei seinen Anhängern: „Das kommunistisch-bolschewistische Regime setzt seine abscheulichen Übergriffe fort.“ Er beschuldigte die rumänischen Behörden, Beweise zu fabrizieren, um den Wahlbetrug zu rechtfertigen, und alles zu tun, um seine erneute Präsidentschaftskandidatur zu verhindern. Der Oberste Gerichtshof beschuldigte Georgescu der Verschwörung gegen die verfassungsmäßige Ordnung, der Abgabe falscher Steuererklärungen, der Gründung einer antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen faschistischen Organisation, der Förderung von Völkermord und Kriegsverbrechen. Wird er für schuldig befunden, drohen ihm 15 bis 25 Jahre Gefängnis. In der Presse hieß es, dass die Polizei bei Razzien Waffen, scharfe Munition und mehr als eine Million US-Dollar in einem Safe gefunden habe. Offiziell wurden bisher keine Beweise vorgelegt. Es wird immer deutlicher, dass die rumänischen Behörden mit den Verhaftungen verhindern wollen, dass Georgescu bei den Präsidentschaftswahlen erneut antritt, was die Korrektheit der Wahlen vom 4. Mai infrage stellt. Während die Europäische Kommission, die sich normalerweise in solchen Fällen zu Wort meldet, vielsagend schweigt, hat die Trump-Administration das Geschehene unmittelbar kritisiert. Tesla-Chef Elon Musk nannte das Vorgehen der rumänischen Behörden einen Fehler. Musk hat sich in letzter Zeit mehrfach zu Rumänien geäußert und dabei insbesondere das Politik- und Justizsystem des Landes kritisiert. In aktuellen Beiträgen hat er wiederholt den Präsidenten des rumänischen Verfassungsgerichts, Marian Enache, angegriffen, den er als Tyrannen bezeichnete, nachdem er sich geweigert hatte, Georgescu eine erneute Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen zu gestatten. Der Tesla-Chef bringt regelmäßig seine Unterstützung für rechte politische Kräfte in Rumänien zum Ausdruck. Im Februar dieses Jahres teilte er beispielsweise auf der Plattform X ein Interview mit der Abgeordneten Georgiana Teodorescu der Partei AUR (Alliance for the Union of Romanians), in dem sie die globalistische Agenda der Europäischen Union und die Unterdrückung der Konservativen kritisierten. Auch US-Vizepräsident James D. Vance kritisierte scharf die Untergrabung demokratischer Werte in Rumänien und die Tatsache, dass die EU die Missachtung demokratischer Werte aus politischen Gründen toleriere. Der Vizepräsident hatte Rumänien erstmals auf der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar angesprochen. Was sei das für eine Demokratie, die durch ausländische Digitalwerbung für ein paar Hunderttausend US-Dollar zerstört werden könne, bemerkte er abschätzig. Vance führte Rumänien auf der Konferenz der Konservativen Politischen Aktion (CPAC) am 21. Februar erneut als Beispiel für das Scheitern der europäischen Demokratien an. Er sagte: Unterdessen haben die rumänische Regierung und die Trump-Administration offiziell Kontakt aufgenommen. Rumäniens Außenminister Emil Hurezeanu führte in München Gespräche mit Richard Grenell, Trumps Sondergesandtem. Das Außenministerium in Bukarest nannte keine Einzelheiten des Treffens, sondern teilte lediglich mit, dass aktuelle Fragen von gemeinsamem Interesse erörtert wurden. Im Zusammenhang mit den Skandalen um die rumänischen Präsidentschaftswahlen sagte Grenell, dass die Biden-Regierung linke und liberale Politiker durch USAID-Programme unterstützt und konservative Kräfte unter Druck gesetzt habe. Rumänien sei dafür ein markantes Beispiel. Aus diesen Äußerungen wird deutlich, dass Rumänien zu einem Feld der ideologischen Konfrontation zwischen der konservativen Trump-Administration und dem europäischen liberalen Mainstream geworden ist. Die Entscheidung in Rumänien, den zweiten Wahlgang Ende letzten Jahres abzusagen, machte viele fassungslos. Sie wird weithin dem Druck der Biden-Administration und westeuropäischer politischer Kreise zugeschrieben. Vermutlich sollte mit diesem Schritt der Sieg eines nationalistischen Politikers verhindert werden. Auch die nun vorsichtigere Haltung Rumäniens im Ukraine-Konflikt könnte für viele alarmierend sein und sorgt für Unruhe im östlichen Flügel der NATO, der sich bisher für die Fortsetzung des Krieges eingesetzt hat. Es ist kein Zufall, dass Ilie Bolojan, der seit dem Rücktritt von Klaus Johannis das Amt des kommissarischen Staatsoberhaupts Rumäniens innehat, auf die Äußerungen von Vance auf X mit den Worten reagierte: „Rumänien bleibt ein verlässlicher Verbündeter, der sich für eine geschlossene Europäische Union, eine stärkere NATO und ein verlässliches transatlantisches Bündnis einsetzt.“ Die vielleicht wichtigste Lehre aus dem Skandal um Rumänien seit Ende letzten Jahres ist, dass die Konfrontation zwischen dem Westen und dem Rest der Welt inmitten der geopolitischen Neuausrichtung eine immer schärfere Wendung nimmt, nämlich zur Konfrontation zwischen Patrioten und Liberalen innerhalb des westlichen Blocks wird. Die rumänischen Präsidentschaftswahlen sind in der Tat ein gutes Beispiel für den Zustand der europäischen Demokratie. Und dass es sich dabei nicht um ein isoliertes Phänomen handelt, zeigt sich an den Ereignissen bei den Wahlen in Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Deutschland. Der liberale Mainstream ignoriert die vielgepriesenen europäischen Werte, um zu verhindern, dass die souveränistischen Kräfte an die Macht kommen. Ein verzweifelter Kampf ist im Gange, denn die Kräfte, die sich gerne als fortschrittlich bezeichnen, spüren, wie ihr Einfluss schwindet. Dieser Kampf wurde durch die Rückkehr Trumps angeheizt. Der alte-neue US-Präsident verteidigt nicht nur die geopolitischen Interessen der USA, sondern hat auch den liberalen globalistischen Kräften im Westen den Kampf angesagt. Wie heftig die Konfrontation ist, zeigt die Tatsache, dass sich die eindeutig transatlantisch orientierte rumänische Führung unter dem Druck des globalistischen Mainstreams sogar dem US-Präsidenten entgegenstellt. Und was den Stil und die Mittel dieses Kampfes angeht, so wird wie üblich die „russische Spur“ hervorgeholt. Doch der Vorwurf, Moskau mische sich in die Wahlen anderer Länder ein, hat nach der Aufdeckung der USAID-Affären an Kraft verloren. In der Zwischenzeit können wir uns auch darauf einstellen, dass Trump und sein Team über aggressive Rhetorik hinausgehen und angesichts ihrer Beziehungen zu den europäischen Institutionen direkt in den politischen Prozess eingreifen werden. Die unverblümte Unterstützung für Georgescu oder die AfD-Kandidatin Alice Weidel in Deutschland zeigt auch, dass die neue US-Administration nicht davor zurückschreckt, ihre Favoriten im Wahlkampf zu unterstützen. In der neuen Situation sind die bisher von den US-Demokraten unterstützten Kräfte zur Zielscheibe des Weißen Hauses geworden, während die Außenseiter zu den Bevorzugten werden, durch die Druck auf den liberalen Mainstream ausgeübt werden kann, wenn dieser sich nicht fügt. In diesem inneren Konflikt des Westens zeigt sich die tiefe Krise des angelsächsischen Modells der liberalen Demokratie, das sich erlaubt, unbequeme Gegner wahllos zu vernichten. Es ist daher zunehmend heuchlerisch, von einer globalen Konfrontation von Diktaturen und Demokratien zu sprechen, wie es die Biden-Führung getan habe. Stattdessen wird immer öfter die Frage gestellt: Soll das die Demokratie sein? Der Beitrag ist zuerst hier auf Ungarisch erschienen. Titelbild: Shutterstock / LCV | Gábor Stier | Rumänien ist zu einem Schauplatz geworden, auf dem sich die Spannungen zwischen den „ souveränistischen“ und „globalistisch-liberalen“ Lagern entladen. Nach dem Sieg des von EU und NATO ungewünschten Kandidaten Calin Georgescu wurde zunächst die erste Runde der Wahlen aufgrund eines eher vagen Verdachts der Geheimdienste annulliert und dann dieser Tage Georgescu verhaftet. Ein Beitrag von Gábo ... | [
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] | 03. März 2025 11:22 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=129583&share=email&nb=1 |
Keine Argumente, nur Kampfbegriffe | Ob zum Thema Russland, zum Fall Julian Assange oder zu Corona: In weiten Teilen des „Journalismus“ wird der Bruch mit der Realität zur bestimmenden Konstante. Der österreichische Germanist und Philosoph Ortwin Rosner zeigt im NachDenkSeiten-Interview, wie sich Medien von der Realität abkoppeln und wie die „Kämpfer gegen Hass“ selbst Hass schüren und Feindbilder pflegen. Die Folgen sind weitreichend: „Wenn kritische Leute systematisch mit Kampfbegriffen und verzerrten Darstellungen der Wirklichkeit niedergemacht werden, dann ist eine Demokratie nicht mehr möglich“, sagt Rosner. Von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download „Kampf gegen Hass“ – das ist seit Langem eine Formulierung, die in den großen Medien immer gerne aufgegriffen wird. Nur: Während der „Coronazeit“ ist es selbst zu einer „Dynamik des Hasses“ in diesen Medien, die sonst vor Hass warnen, gekommen. Davon handelt ein Essay von Ihnen. Können Sie uns sagen, was Sie beobachtet haben? Ich denke, dass nicht nur ich es beobachtet habe, sondern es im Grunde für jeden sichtbar war oder hätte sein müssen: nämlich dieser enorme Widerspruch zwischen dem, was die linksliberalen Meinungsmacher predigen, und dem, was sie selbst tun. Und das schier Unverständliche ist, dass ihnen selbst dieser Widerspruch nicht aufzufallen scheint. Das ist das eigentlich Unfassliche, und viele fragen sich, was da los ist, wie so etwas möglich sein kann. Seit Jahren, Jahrzehnten, prangern diese Medien den „Hass im Netz“ an, klagen sie die „Rechtspopulisten“ ihrer Methoden der Polarisierung und der Spaltung an, werfen ihnen das Spiel „Wir gegen die Anderen“, das Schüren von Hass, die Pflege von Feindbildern und so weiter vor. Während der Coronazeit aber war es so, als sei da plötzlich ein Schalter umgelegt worden. Auf einmal ließ man selbst alle Hemmungen fallen. Der Wolf im Schafspelz kam zum Vorschein. Was hat dieser „Wolf“ gemacht? Mit einer unfasslichen Brutalität, wie es sie bislang in der Nachkriegszeit nicht im öffentlichen Diskurs gegeben hatte, bediente sich ausgerechnet der angeblich anti-faschistische linksliberale Mainstream systematisch genau jener agitatorischen Methoden, die er bislang schärfstens verurteilt hatte, wenn andere sie verwendeten. Dieser krasse Widerspruch ist so offensichtlich wie der helllichte Tag. Und es ist darum an und für sich grotesk, dass man ihn überhaupt eigens als These formulieren muss, so wie ich das in meinem Essay getan habe. Generell ist es ein Ausdruck der tiefen Erkrankung des öffentlichen Diskurses, dass man heutzutage Dinge explizieren muss, die im Grunde jeder sehen müsste – die so offensichtlich geworden sind wie die Tatsache, dass der Himmel blau ist. Vorab: In der ersten Zeit war es zunächst aber noch so, dass Medien eher keine große Gefahr im Hinblick auf das Coronavirus gesehen haben. Erinnert sei an den längst schon legendären Beitrag des BR-Magazins „quer“ („…doch in den sozialen Medien häufen sich jetzt Fake News, Verschwörungstheorien und Berichte, die Angst vor dem Coronavirus machen.“) Und dann hat sich die Ausrichtung der Medien geändert. In Österreich war es auch so, oder? Allerdings. Das ist ja die nächste absurde Angelegenheit. Das war im Prinzip auch in Österreich so. Wer von Anfang an Corona-Alarm schlug, das war jedoch der Boulevard, das sind bei uns insbesondere die Gratisblätter Heute und oe24. Aber die linksliberalen Leitmedien, das sind bei uns Blätter wie der Standard, der Falter und das profil, die gingen in den ersten beiden Monaten — ich spreche hier von Jänner und Februar 2020 — zuerst einmal ganz anders mit Corona um. Ich weiß nicht, ob da geradezu der Vorwurf von „Fake News“ und „Verschwörungstheorien“ in den österreichischen Medien irgendwo auftauchte, aber jedenfalls grenzte man sich explizit von „Panik“ und „Angstmache“ ab. Man setzte Covid der Grippe oder sogar einer bloßen Erkältung gleich. Man verwies auf das hohe Alter der Todesopfer. Man zitierte Experten, die einem erklärten, dass Viren etwas ganz Natürliches seien, vor dem man keine Angst haben müsse. Man ging geradezu beschwichtigend mit dem Thema um. Dann sind Medien aber dazu übergegangen, Maßnahmenkritiker anzugreifen. Wie sind Journalisten vorgegangen? Grotesk daran ist, dass nur kurz darauf dieselben Medien jeden als „Verschwörungstheoretiker“, „Schwurbler“, „Corona-Verharmloser“ und so weiter an den öffentlichen Pranger stellten, der eigentlich nur das sagte, was sie selbst zuvor gerade noch als Wahrheit verkündet hatten. Ich rede darum von zwei grundlegenden Phänomenen, nämlich von „Dissoziation“ und „Assoziation“. „Dissoziation“ heißt eben, dass es plötzlich so war, als ob die Journalisten sich nicht mehr an das erinnern hätten können, was sie selbst gerade zuvor noch gesagt hatten. Oder sie mussten sich von früheren Aussagen distanzieren, so wie der Wissenschaftsjournalist Jakob Simmank, der 2017 noch einen kritischen Artikel mit dem Titel „Der heimliche WHO-Chef heißt Bill Gates“ in der Zeit hatte unterbringen können. Allerdings nahm er in einem öffentlichen Statement vom Juni 2020 diese Formulierung zurück und tat so, als sei ihm damals ein Fehler passiert. Mit anderen Worten heißt das: Es kam im Frühjahr 2020 zu einer massiven Einengung der Grenzen des Sagbaren im gesamten journalistischen Feld. Womit wir schon bei der „Assoziation“ wären. Denn das bedeutete überdies, dass ab nun jeder, der die Grenzen dessen überschritt, was zu sagen noch erlaubt war, in ein bestimmtes Eck gestellt wurde. Kritiker wurden automatisch in einen Topf mit „Verschwörungstheoretikern“, „Antisemiten“, „Rechtsextremisten“, „Schwurblern“, „Corona-Leugnern“ usw. geworfen. So absurd diese Zuschreibungen teilweise waren, es wurde getan. Ab jetzt brauchte man einfach keine Argumente mehr. Es reichte zu sagen, jemand verbreite „Verschwörungstheorien“. Im Handumdrehen war damit ein Zeitungsartikel fertig. Es wurden journalistische Arbeiten fabriziert, die bestanden nur aus der ununterbrochenen Wiederholung, dass XY „Verschwörungstheorien“ verbreite – ohne irgendeine sachliche, inhaltliche Auseinandersetzung. Der Content war bloß noch Diffamierung, die leere Hülle des Framings, sonst nichts. Sie gehen in Ihrem Essay so weit zu sagen, dass für den Journalismus, der dann sichtbar wurde, die Wirklichkeit keine Rolle mehr gespielt hat. Würden Sie das bitte näher erläutern? Ein wesentliches Element sind eben die Kampfbegriffe. Sie sind bloße Worthüllen, die eigentlich keine Inhalte mehr vermitteln und die darum jede sachliche Auseinandersetzung und damit natürlich auch jede Auseinandersetzung mit der Realität blockieren. So ein Journalismus braucht keine Realität mehr. Sie haben selbst ein sehr gutes Beispiel dafür gebracht, wie so etwas funktioniert, durch Ihren Hinweis auf den Beitrag vom Bayrischen Rundfunk. Zuerst wurde also diejenige Meinung, die im Coronavirus eine ernsthafte Bedrohung sah, als „Verschwörungstheorie“ diffamiert. Dann plötzlich diejenige Meinung, die das nicht tat. Was bedeutet das aber? Das bedeutet, dass diese Begriffe oder Pseudobegriffe letztlich völlig beliebig verwendbar sind, sie sind in keiner ihnen entsprechenden Wirklichkeit mehr sachlich fundiert. Es sind bloße Wortgespenster, die von jeglicher Realität entkoppelt benutzt werden können. „Verschwörungstheoretiker“ – das ist eben immer derjenige, den man gegenwärtig zum politischen Gegner auserkoren hat. Im nächsten Moment kann das schon wieder jemand ganz anderes sein. Das ist ja das Praktische an diesen Kampfbegriffen: Man kann sie jederzeit umdrehen – so, wie es einem gerade passt. Was bedeutet das für die Berichterstattung, wenn, zum Beispiel, ein Reporter eine Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen besucht? Hier hat sich die folgende bizarre Konstellation als typisch herauskristallisiert: Ein Reporter geht zu einer Corona-Demonstration, um davon zu berichten. Allerdings: Was er davon berichten wird, das steht von vornherein fest. Im Kopf ist das Drehbuch immer schon fertig. Es werden dort lauter „Verschwörungstheoretiker“, „Schwurbler“ und „Rechtsextremisten“ sein. Es kann ja gar nicht anders sein. Er wird also demnach auf der Demo auch nur lauter „Verschwörungstheoretiker“, „Schwurbler“ und „Rechtsextremisten“ sehen, ganz gleich, was sich dort tatsächlich abspielt. Das war der typische Ablauf der Corona-Demo-Berichterstattung. Ein besonders krasses Beispiel dafür ist ein Artikel der Standard-Redakteurin Colette M. Schmidt, die eine Demonstrantengruppe namens „Freie Linke“ gesichtet hatte. Das Drehbuch wurde dadurch gestört. Aber das konnte ja nicht falsch sein. Die Schlussfolgerung lag für Schmidt demnach auf der Hand: Das konnten keine wirklichen Linken sein, vermutlich seien das bloß verkappte Rechte, unterstellte sie in ihrem Artikel. Ist diese Abkopplung von der Realität dessen, was als „Berichterstattung“ bezeichnet werden will, nicht längst Normalität im Journalismus geworden – zumindest, wenn es um weitreichende politische Themen geht? Kampfbegriffe wie „Verschwörungstheoretiker“ oder „Putinversteher“ sind ja in Wahrheit schon lange im Spiel, genauso wie die Methoden des Framings und der Diffamierung. Und Journalismus nach Drehbuch ist auch nichts Neues. Diese Methoden haben sich in den letzten drei Jahren bloß radikalisiert. Die Verwandlung des Journalismus in ein System reiner Meinungsmache hat sich aber bereits länger abgezeichnet. Insofern muss ich meine obige Aussage relativieren, es sei hier ganz „plötzlich“ ein Schalter umgelegt worden. Da gab es eine jahrzehntelange Entwicklung, rückblickend ist das erkennbar, und uns ist es gegangen wie dem Frosch im siedenden Kochtopf, der nicht gesehen hat, worauf das hinausläuft. Wäre es nicht Corona gewesen, dann etwas anderes, bei dem das passiert wäre, was jetzt passiert ist. Beim Fall Julian Assange ist es nicht viel anders, oder? Spätestens hier wurde es erkennbar, dass irgendetwas ganz im Argen mit dem öffentlichen Diskurs liegt. Es ist geradezu unfassbar, dass da ein Journalist seit mittlerweile vier Jahren unter Bedingungen, die man als Folter bezeichnen muss, in einem Londoner Hochsicherheitsgefängnis gefangen gehalten wird, als wäre er ein gemeingefährlicher Mörder und Terrorist. Und das bloß deswegen, weil er Dokumente veröffentlicht hat, die die USA nicht veröffentlicht haben wollten – und, weil er dabei unter anderem schwere Kriegsverbrechen an die Öffentlichkeit gebracht hat. Was aber hat das Personal in den Redaktionsstuben getan, Leute, die in ihm eigentlich einen Kollegen sehen müssten, den sie mit ganzer Kraft im Namen der Pressefreiheit unterstützen sollten? Die hatten oft nichts anderes zu tun, als längst widerlegte Vorwürfe gegen ihn am Leben zu halten. Vor allem haben sie aber viel geschwiegen. Schließlich passt der Fall nicht in das Drehbuch. Das besagt ja, dass der Westen der Beschützer der Menschenrechte ist, aber keinesfalls, dass er eine Bedrohung für sie ist. Oder ein anderes Beispiel: Denken Sie an den Anti-Handke-Journalismus. Wie völlig verzerrt man da den Inhalt des Jugoslawien-Buchs von Peter Handke wiedergegeben hat, auf eine Art und Weise, dass das nichts damit zu tun hatte, was tatsächlich drinstand. Das ist ja schon nahe an die Corona-Meinungsmachemaschinerie gekommen, wie da im Herbst 2019 im Standard bisweilen mehrere Anti-Handke-Artikel gleichzeitig herausgeschossen kamen, und das fast tagtäglich. Das waren also die Corona-Vorboten. Kritische Akteure werden also schon seit geraumer Zeit mundtot gemacht. Und wie bewerten Sie die Arbeit der Medien im Zusammenhang mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine? Hatte der Corona-Diskurs seine Vorboten, so ist demgegenüber der aktuelle Ukraine-Journalismus so eine Art Corona-Nachfolger. Da findet das radikalisierte agitatorische Instrumentarium seit mittlerweile mehr als einem Jahr seine fortgesetzte Anwendung. Fast eins zu eins wurden hier die Methoden übertragen, die man während Corona etabliert hatte. Ein charakteristisches Beispiel dafür ist mir noch relativ frisch in Erinnerung: Ende Januar fand hier in Wien eine Demonstration gegen die Panzerlieferungen vor der deutschen Botschaft statt. Ich war dabei. Und ich kann daher bezeugen, dass das Bild, das der Standard-Journalist Markus Sulzbacher davon auf Twitter zeichnete, fast nichts mit der Realität zu tun hatte. Vom Inhalt der Reden teilte er überhaupt nichts mit. Stattdessen ging es in seinem Tweet um einen Mann, der vor Ort gar keine Rolle gespielt hatte und von den meisten gar nicht bemerkt worden war, der aber eine Reichsflagge oder so etwas bei sich getragen hatte. Auf dieser Grundlage framte Sulzbacher im Handumdrehen die gesamte Kundgebung als „rechtsextrem“. Man pickt sich von der Realität immer genau jene Details heraus, die man braucht, um das stets gleiche Narrativ herunterzuspulen – das Drehbuch eben, wie gesagt. Gerade steht der Münchner Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen im Fokus. Aber auch Patrik Baab, Ulrike Guérot und noch einige andere werden öffentlich angegriffen, weil sie es wagen, eine Meinung zu vertreten, die vom Mainstream abweicht. Würden Sie diese Entwicklung bitte einordnen? Da geht es um die Kündigung und Einschüchterung von im Wissenschaftsbetrieb tätigen Personen. Analoge Vorfälle gab es ja schon in der Coronazeit. Hier in Österreich erhielt etwa der Mediziner Andreas Sönnichsen von seiner Universität in Wien die Kündigung. Beim Thema Ukraine findet das nun seine Fortsetzung. Was hier passiert, ist absolut einschneidend, weil es über das Problem des Journalismus noch hinausgeht. Für mich hatten die Universitäten, was auch immer rundherum in der Gesellschaft geschah, im Verhältnis dazu lange doch als ein Reservat des freien und kritischen Denkens gegolten – wo es zwar auch manchmal hart zuging, wo es natürlich auch Ideologien gab, Machtkämpfe, aber letztlich doch die Argumente galten. Wenn es nun die Freiheit der Wissenschaft nicht mehr gibt, dann ist das im Grunde genommen eine noch viel größere Katastrophe, als dass der Journalismus seine Unabhängigkeit verloren hat, die er ja vielleicht so richtig ohnehin nie hatte. Nicht der Journalismus hatte für mich lange als diejenige Institution gegolten, die die Rolle des sorgfältigen wie kritischen Hüters der „Realität“ für die Gesellschaft zu übernehmen hätte, falls man das so formulieren will, sondern unsere Forschungs- und Bildungseinrichtungen. Auch in der allgemeinen Wahrnehmung, glaube ich, ist es so, dass am ehesten das als „Wirklichkeit“ gilt, was von den Wissenschaften als „Wirklichkeit“ ausgegeben wird. Ihnen kommt daher die höchste Verantwortung zu. Dass diese Festung nun am Fallen ist, weist auf eine tiefergehende Umstrukturierung der gesamten Gesellschaft hin. Ähnliche Entwicklungen gibt es im Kunst- und Kulturbetrieb, der gleichfalls seine kritische Funktion verloren hat. Man kann all diese Veränderungen in ihrer Bedeutung gar nicht hoch genug einschätzen. So wie mit der modernen Wissenschaft stets der Begriff der Freiheit verbunden war, so mit der modernen Kunst der Begriff ihrer Autonomie. Wir haben es, das müssen wir uns bewusst machen, mit wirklich sehr tiefgehenden historischen Umbrüchen in den westlichen Gesellschaften zu tun, deren Zeitzeugen wir sind. So grauenhaft das alles ist, so gerne man sich das erspart hätte, aber spannend ist das allemal, was wir da erleben. Was sind die Folgen für unsere Gesellschaft? Wir haben es meines Erachtens mit einem völligen Verfall des gesamten öffentlichen Diskurses zu tun, einhergehend natürlich mit seiner gleichzeitigen Verhärtung. Es gibt keinen öffentlichen demokratischen Diskurs mehr, der diesen Namen verdienen würde. Und das ist das Ende der Demokratie. Wenn kritische Leute systematisch mit Kampfbegriffen und verzerrten Darstellungen der Wirklichkeit niedergemacht werden, wenn aller Widerspruch dagegen mechanisch als „Verschwörungstheorie“ stigmatisiert wird, dann ist eine Demokratie nicht mehr möglich. Wir haben es endgültig nur mehr mit einer Fassadendemokratie zu tun. Ja, so drastisch würde ich das ausdrücken. Titelbild: Khakimullin Aleksandr/shutterstock.com Lesetipp: Andreas Urban. Schwerer Verlauf – Corona als Krisensymptom. Promedia. 272 S. 24 Euro. Anmerkung Redaktion: In dem Buch enthalten ist das Essay von Ortwin Rosner „Dynamik des Hasses: Zur Metamorphose der Medien unter dem Corona-Regime“. | Marcus Klöckner | Ob zum Thema Russland, zum Fall Julian Assange oder zu Corona: In weiten Teilen des „Journalismus“ wird der Bruch mit der Realität zur bestimmenden Konstante. 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] | 30. Juni 2023 9:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=100100 |
Brüderle: Wir leben Ideologie | Statt Opels Logo „Wir leben Autos“, gilt für Brüderle offenbar, wir leben Ideologie.
„Das Pendel muss wieder in Richtung Markt schwingen“, sagte Brüderle in seiner kurzen Erklärung, warum er „als Wirtschaftsminister“ eine Bürgschaft für Opel aus dem Deutschlandfonds ablehne. Zugegeben die Entscheidung für Opel eine staatliche Garantieerklärung über 1,1 Milliarden Euro abzugeben ist nicht einfach. Warum Opel retten und nicht Karstadt? Wolfgang Lieb
Man könnte argumentieren, dass der Abbau von Überkapazitäten in der Autobranche von 20 bis 30 % nicht ohne deutsche Arbeitsplatzverluste möglich ist. Aber den Mut, das zu sagen, hat Brüderle nicht. Und immerhin wird Opel europaweit 8.500 Arbeitsplätze abbauen und von den 25.000 Arbeitsplätzen in Deutschland sollen 2.500 wegfallen. Man könnte auch argumentieren, Staatshilfen sind wettbewerbsverzerrende Subventionen. Aber dann ist der „Deutschlandfonds“- also das Kredit- und Bürgschaftsprogramm für angeschlagene Unternehmen im Volumen von 100 Milliarden Euro – insgesamt wettbewerbsverzerrend. Mehr als 11.000 Firmen wurde schon geholfen und angeblich 750.000 Stellen gerettet. Im Übrigen, würden die Wettbewerbshüter in Brüssel eine Bürgschaft an Opel noch zusätzlich überprüfen. Ist Opel nicht auch ein Opfer der Wirtschaftskrise und sei es der amerikanischen? Der Mutterkonzern gehört noch immer mehrheitlich der US-amerikanischen und kanadischen Regierung. Warum darf man in den wirtschaftsliberalen USA der Staat sogar in ein Unternehmen einsteigen und in der „sozialen Marktwirtschaft“ Deutschlands darf noch nicht einmal eine Bürgschaft übernommen werden? Wie Brüderle tatsächlich argumentiert, so kann man allerdings nicht argumentieren, wenn man nicht als Gefangener seiner marktliberalen Ideologie dastehen will: GM sei in der Lage, sich aus eigener Kraft zu modernisieren. Das US-Unternehmen verfüge über rund zehn Milliarden Dollar an flüssigen Mitteln und habe im ersten Quartal 2010 fast eine Milliarde Gewinn verbucht. So begründet Brüderle seine ablehnende Entscheidung.
Wenn es sich bei der Mutter von Opel also um ein profitables Unternehmen handelt, welches Risiko geht dann aber Brüderle mit einer Bürgschaft für den Kredit für die deutsche Tochter Opel ein, zumal wenn man die Bürgschaftskonditionen mit der Konzernmutter vernünftig ausgehandelt hätte? Wurden nicht mit Zustimmung der FDP und mit Zustimmung von Brüderle Garantiesummen und Kapitalzuschüsse in exorbitanter Höhe an Banken gewährt, bei denen das Geld von vorneherein verloren (IKB) oder aber der Bürgschaftsfall viel wahrscheinlicher ist (HRE)? Weit über 100 Milliarden Garantiesumme für die HRE, ein Einstieg mit über 18 Milliarden bei der Commerzbank, das sind Dimensionen, die weit über der Bürgschaft für Opel liegen. Als Minister könne er nicht auf einzelne Unternehmen schauen, meint Brüderle und belegt damit seine ordoliberale Amtsauffassung. Es geht ihm um die Durchsetzung des Markt- und Wettbewerbsdogmas und nicht um die konkrete wirtschaftspolitische Flankierung für die Neustrukturierung eines Unternehmens. Das Dogma ist wichtiger als das Schicksal von 25.000 Menschen, deren Arbeitsplatz und damit auch ihre Existenz auf dem Spiel steht. Brüderle meint offenbar, dass damit hat ein „Wirtschaftsminister“ nichts zu tun habe. Für ihn steht die reine Lehre über einer pragmatischen wirtschaftspolitischen Lösung. Man könnte über eine solche Wirtschaftspolitik der Sprüche sogar noch hinwegsehen, wenn sie der marktwirtschaftlichen Wirklichkeit angemessen wären. Was Brüderle verleugnet, das ist die Tatsache, dass seit November 2008 die Politik und der Staat bei der Rettung von Opel nicht etwa marktwirtschaftlich über den Wassern schwebten, sondern im Überlebenskampf von Opel unmittelbar beteiligt waren und deshalb auch in Verantwortung stehen. Da kann sich auch ein FDP-Minister nicht mehr nur einfach mit seinen ideologischen Floskeln aus der Verantwortung stehlen. Da stellt sich z.B. die Frage: Was passiert mit den Arbeitsplätzen bei Opel in Deutschland, wenn an den anderen Standorten in Europa, also in Spanien, in Belgien, in Polen oder in England, die Bürgschaften gewährt werden? Zugegeben als die Kanzlerin zu den Opel-Werkern pilgerte, war sie im Wahlkampf und da war Brüderle noch nicht Minister. Dass Brüderle Frau Merkel aber jetzt im Regen stehen lässt, das ist eine politische Scheidungserklärung.
Im Lenkungsausschuss des Deutschlandfonds gab es bei dieser Entscheidung offenbar ein Patt. Die Vertreter des FDP-geführten Wirtschafts- und Justizressorts dürften wohl gegen eine Bürgschaft gestimmt haben, während der Vertreter des Finanzministeriums und des Kanzleramtes dafür waren. Brüderle selbst hat also die Entscheidung zu vertreten. Offenbar sehr zum Unmut von Kanzlerin Merkel. Die Kanzlerin erklärte nach der Entscheidung Brüderles Folgendes: Doch welche „möglichen Hilfen“ stehen der Kanzlerin noch zu Verfügung? Welche Angebote will sie in ihrem heutigen Gespräch mit den Ministerpräsidenten der deutschen Opel-Standorte (darunter drei ihrer Partei) noch machen? Hilfen aus dem Deutschlandfonds sind durch Brüderle blockiert.
Es wird über Hilfen der Europäischen Investitionsbank (EIB) spekuliert. Aber auch dafür müsste der Staat bürgen und außerdem sind solche Hilfen mit zweckgebundenen Auflagen verbunden. Das Gewürge um Opel ginge also weiter und Einfluss auf die Entscheidungen auf europäischer Ebene hat die Kanzlerin auch nur begrenzt. Außerdem müsste Opel zunächst mit eigenem Geld in Vorleistung gehen und gerade für dieses Geld erhofft das Unternehmen ja die Bürgschaft. Andere Pläne gibt es bisher nicht. Das beste was die Kanzlerin noch erreichen kann, sind wieder einmal freundliche Worte für die Opel-Arbeitnehmer. Wenn Merkel nach ihrer heutigen Erklärung als Kanzlerin noch ihr Gesicht wahren will, dann kann sie eigentlich Brüderle nur aus dem Kabinett werfen.
Ob das die schwarz-gelbe Koalition überlebt ist höchst fraglich. | Wolfgang Lieb | Statt Opels Logo „Wir leben Autos“, gilt für Brüderle offenbar, wir leben Ideologie.
„Das Pendel muss wieder in Richtung Markt schwingen“, sagte Brüderle in seiner kurzen Erklärung, warum er „als Wirtschaftsminister“ eine Bürgschaft für Opel aus dem Deutschlandfonds ablehne. Zugegeben die Entscheidung für Opel eine staatliche Garantieerklärung über 1,1 Milliarden Euro abzugeben ist nicht einf ... | [
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] | 10. Juni 2010 9:08 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=5852&share=email |
Alles mitreißen in den Untergang | Die nach dem 11. September 2001 entstandene, weltweit verbreitete schizoide Stimmungslage begünstigt kollektive und individuelle Amokläufe. Wir leben seither zunehmend in einem Klima von Gewalt und Krieg. Nach dem – was wir bisher nur vermuten – mutwillig herbeigeführten Absturz eines Airbus‘ mit vielen deutschen Opfern befindet sich Deutschland im Ausnahmezustand. Götz Eisenberg unternimmt den Versuch einer Annäherung an die Ereignisse.
Medialer Vampirismus Seit am Dienstag vergangener Woche ein Airbus der Fluglinie Germanwings auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen abgestürzt ist, kennt Deutschland kein anderes Thema mehr. Griechenland, Ukraine, Eurokrise, die saudi-arabischen Luftangriffe im Jemen, all das verschwindet aus der öffentlichen Wahrnehmung. Die letzte Trauer- und Empörungswelle nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo war gerade abgeebbt, da sehen wir Angela Merkel und François Hollande am nächsten Unglücksort stehen und betroffen in die Kameras schauen. Die Medien berichten rund um die Uhr über die Folgen des Absturzes und überschreiten in ihrer Jagd nach Auflagenhöhe und Einschaltquoten teilweise die Grenzen des guten Geschmacks und journalistischer Sorgfaltspflicht und Rücksichtnahme. Der Boulevard und auch ein Großteil der sog. Qualitätsmedien nährt sich vampiristisch vom Unglück und Leid anderer Menschen. Das ganze Land befindet sich im Ausnahmezustand. Die Fahnen hängen auf Halbmast und allenthalben werden Schweigeminuten und Gedenkveranstaltungen abgehalten. Der Bundespräsident brach eine Südamerikareise ab und reiste nach Haltern am See, um an einer Trauerfeier für 16 Schüler und zwei Lehrerinnen teilzunehmen, die bei dem Absturz ums Leben gekommen sind. Es entstehe ein “Band des Mitleidens und Mittrauerns”, sagte er nach dem Besuch des ökumenischen Gottesdienstes, und fuhr pastoral fort: „In solchen Notsituationen spürt man, dass wir in einer Gesellschaft von Menschen leben und nicht nur von funktionierenden Wesen”. Homogenisierende Paniken Die Nachricht über eine solche Katastrophe und die medial groß in Szene gesetzte Suche nach den Opfern und Ursachen vereinen die ganze Nation auf einer affektiven Ebene wie sonst nichts mehr. Die durch die Konkurrenz isolierten und durch den Konsum individualisierten Gesellschaftsmitglieder erleben sich offenbar nur noch in Augenblicken großen Unglücks oder bei Sportevents als zusammengehörig. „Moderne Nationen“, heißt es bei Peter Sloterdijk, „sind Erregungs-Gemeinschaften, die sich durch telekommunikativ (…) erzeugten Synchron-Stress in Form halten.“ Mit Hilfe synchronisierender Hysterien und homogenisierender Paniken versetzen sie sich selbst fortwährend in jene Mindestspannung, die nötig ist, um von Krisen zerrissene Gesellschaften zusammenzuhalten. Alles ist, wie Brecht sagte, „in die Funktionale gerutscht“, und wir benötigen gelegentliche Katastrophen wie das Elbehochwasser, Amokläufe und andere spektakuläre Verbrechen, um uns vorübergehend als Gemeinschaft zu erleben, die sich gegen die Gefahr zusammenschließt. Wie Schopenhauers frierende Stachelschweine drängen sich die zeitgenössischen Elementarteilchen aneinander und laufen Gefahr, sich dabei zu verletzen, was sie schnell wieder auseinandertreibt – zurück in die Kälte ihrer Indifferenz und Isolation. Obwohl die Untersuchungen der Flugzeugkatastrophe längst noch nicht abgeschlossen sind, scheint inzwischen erwiesen, dass der Kopilot Andreas L., der den Absturz des Airbus mutwillig herbeigeführt haben soll, psychische Probleme hatte und wohl unter Depressionen litt. Er soll sich deswegen in psychiatrischer Behandlung befunden haben. Außerdem soll er, wie die FAZ in ihrer Sonntagsausgabe meldet, Probleme mit den Augen gehabt haben, dem vielleicht wichtigsten Organ eines Piloten.
Depressionen können in schweren Fällen zu so etwas wie einer Versteinerung führen, einen Menschen handlungsunfähig machen und seine Antriebskräfte lähmen. Das berufliche Image eines Piloten zeigt in allen Punkten das genaue Gegenteil: einen aktiven, hellwachen, entschlusskräftigen, zupackenden Menschen, der jederzeit Herr der Lage ist und selbst in Momenten der Gefahr den Überblick behält. In Werbebroschüren sieht man kräftige Männer in gut sitzenden Uniformen, mit blendend weißen Zähnen und einem vertrauenserweckenden Lächeln. Wer möchte schon sein Leben einem depressiven Trauerkloß und Zauderer anvertrauen? Depression und Aggression Die Depression ist die am häufigsten diagnostizierte psychische Störung. Das Bundesgesundheitsministerium schätzt, dass in Deutschland vier Millionen Menschen unter einer Depression leiden und dass gut zehn Millionen Menschen bis zum 65. Lebensjahr irgendwann einmal eine Depression durchleben. Die Masse dieser Menschen führt ein Leben in stiller Verzweiflung und nimmt brav die verordneten Antidepressiva ein. Das Leben Depressiver ist häufig eine ständige Vertagung des Selbstmordes, der für viele von ihnen eine Option ist. Langzeitstudien haben ergeben, dass etwa 15 Prozent aller depressiven Patienten schließlich Suizid begehen. Bekannt ist auch, dass Depressionen gelegentlich eine gehörige Portion Aggressivität beigemischt ist. Diese kann in verschiedene Richtungen gehen. Wendet sie sich gegen die eigene Person, mündet es in den Suizid oder andere strafende und selbstschädigende Handlungen gegen den eigenen Körper. Wendet sie sich nach außen, kann die Amalgamierung von Aggression und Depression sich zu einem explosiven Gemisch verdichten, das man einen „erweiterten Selbstmord“ nennt. Depressive Rückzüge im Vorfeld eines Amoklaufs gelten fast allen Beschreibern als typisch. Man spricht von der Phase des „Brütens“, die dem „Raptus“, dem blutigen Wüten, vorausgeht. In der Folge von Enttäuschungen und Misserfolgen zieht sich der zukünftige Amokläufer von der Außenwelt mehr und mehr zurück in seine seelischen Innenräume, die für das Austragen solcher Energien ungeeignet sind. Sie sind zu eng. Unglückserfahrungen sind dann am explosivsten, wenn ihnen gesellschaftliche Berührung fehlt und sie nur noch in sich rotieren. Seine Wahrnehmungsweise verzerrt und verengt sich und Handlungsalternativen schwinden. Zorn und Wut verwandeln sich in reinen Hass, der auf Entladung drängt. Bei den Amokläufen der jüngsten Zeit lässt sich eine Dynamik beobachten, die man „medialen Narzissmus“ genannt hat. Der Täter wird von dem Wunsch angetrieben, bekannt und berühmt zu werden. Er genießt im Vorfeld der Tat seinen vorphantasierten posthumen Ruhm, will seinen Abgang grandios in Szene setzen und in seinen eigenen Untergang möglichst viele andere, am liebsten die ganze Welt mitreißen. Der Täter begibt sich sodann ins Epizentrum seiner Kränkungen und verwandelt die Stätte seiner Traumatisierungen in den Ort seines Triumphes. Er lässt sein geschundenes und verkanntes Selbst in einem gigantischen finalen Feuerwerk verglühen. Die Lufthansa hatte, so war erklärte sie, von akuten Erkrankungen und psychischen Problemen des Kopiloten Andreas L. keine Kenntnis. Das wäre aber sicher nicht mehr lange so geblieben. Irgendwann hätte Herr L. seinem Chef unter die Augen treten und ihn über seine Erkrankung informieren müssen oder andere hätten das an seiner statt getan. Das Motiv des Verschweigens von wichtigen und dem späteren Täter peinlichen Informationen ist nicht untypisch und spielte auch beim Amoklauf von Erfurt eine zentrale Rolle. Robert S. hatte zu Hause verschwiegen, dass er seit einem halben Jahr nicht mehr zur Schule ging. Das Gutenberg-Gymnasium hatte sich seiner Anfang Oktober 2001 durch einen Akt bürokratischer Exklusion entledigt, nachdem er geschwänzt und Atteste gefälscht hatte. Da Robert S. volljährig war, brauchte die Schule seine Eltern nicht zu informieren. Der Schulverweis entzog seinem Lebensentwurf die Grundlagen und stürzte ihn wegen einer Besonderheit des damaligen thüringischen Schulgesetzes ins Nichts. Ohne jeden Bildungsnachweis drohte er zu dem zu werden, was man im sozialdarwinistischen Jargon der Gegenwart einen „Loser“ nennt. Indem Robert S. den Schulverweis zu Hause verschwieg und so tat, als wäre alles in Ordnung, begann er, wie der Gerichtsberichterstatter Gerhard Mauz einmal gesagt hat, mit seiner Umgebung „Federball mit Dynamit“ zu spielen. Denn zwangsläufig musste der Tag kommen, an dem seine Lügen auffliegen würden, und er seinen Eltern mit dem Geständnis seines Scheiterns unter die Augen treten müsste. Der letzte Tag der schriftlichen Abiturprüfungen wurde so zum Tag der Entscheidung und er beschloss, die Widersprüche, in die er sich heillos verstrickt hatte, gewaltsam zu „lösen“. Die tödliche Dynamik des Verschweigens Was bei Robert S. der verschwiegene Schulverweis gewesen ist, könnte bei Andreas L. seine geheim gehaltene Erkrankung gewesen sein. Er wusste, dass er diese dauerhaft nicht würde für sich behalten können und er in der Folge der Aufdeckung seines Geheimnisses Gefahr lief, seine Fluglizenz und damit seinen Traumberuf zu verlieren. Wenn der Beruf verloren geht, geht häufig viel mehr verloren als die Arbeit. Die Berufsrolle ist in unserer Kultur eine zentrale Stütze des Selbstgefühls und fungiert für viele Menschen geradezu als Selbstwertprothese. Der Beruf des Piloten, der ja als Traum von zahllosen kleinen Jungen gilt und von einem gewissen Glamour umgeben ist, versorgt denjenigen, der ihn ausübt, mit narzisstischen Gratifikationen mannigfacher Art und kann seine Vorstellungen der eigenen Grandiosität stützen. Wenn das für den Kopiloten Andreas L. zutreffen sollte, bekommen wir eine Ahnung von der Dramatik der Situation. Bevor es dazu kommen konnte, die Fluglizenz zu verlieren, könnte er beschlossen haben, seinem Leben ein Ende zu setzen und sich die Schmach der Enthüllung seiner Erkrankung zu ersparen. Der Kollaps des Selbstgefühls und der narzisstische Zusammenbruch gehören zu den bedrohlichsten seelischen Ereignissen. Um sie zu vermeiden, nimmt man mitunter den eigenen Untergang in Kauf. Das einzige, was in einer solchen Lage helfen könnte und den drohenden Fall aus der Welt hätte auffangen können, wäre ein Netz von emotionalen Bindungen an Freunde oder Verwandte. Wer das Glück hat, in einem solchen Netz von Beziehungen zu leben, die er als bestätigend empfindet und notfalls aktivieren kann, der ist viel besser gegen massive Einbrüche geschützt als jemand, der auf sich allein gestellt ist. Gefahr droht immer dann, wenn jemand in einer kritischen Lebenssituation nicht den Kontakt und das Gespräch sucht oder findet, sondern sich in ein Lügengebäude und ins Verschweigen zurückzieht. Es gibt ja durchaus so etwas wie ein heilsames Sich-Aussprechen von verdrängten pathogenen Geheimnissen – ein Aussprechen, das einen instand setzt, es irgendwann selbst mit den schlimmsten Wahrheiten und den peinlichsten Kränkungen aufnehmen zu können. Was ausgesprochen werden kann, muss nicht länger ausagiert werden, fatale Handlungen lassen sich durch schmerzhafte Geständnisse ersetzen. Hat Andreas L. möglicherweise den Weg zu ihm nahe stehenden Menschen nicht gefunden? Bei Robert S. war es ein sehr stark auf Leistung zentriertes familiäres Klima, das ihm das Eingeständnis seines schulischen Scheiterns vermeintlich erschwerte oder verunmöglichte. Ein Klima des Vertrauens Ein weiterer schützender Faktor wäre in Fällen wie dem des Andreas L. ein von Vertrauen geprägtes Betriebsklima, das psychische Probleme von Mitarbeitern nicht nur als Störung und Leistungsminderung wahrnimmt. Nur, wer nicht von Kündigung und beruflicher Abstufung oder gar Absturz bedroht ist, wird in einer Notlage den Weg zu Kollegen und Vorgesetzten finden. Psychologen, Psychiater und ein Flugkapitän zeichnen gegenüber SPIEGEL ONLINE ein besorgniserregendes Bild vom Umgang mit psychischen Problemen in der Luftfahrtbranche. Depressionen, Alkoholsucht, chronische Müdigkeit und Überarbeitung werden demnach oft totgeschwiegen. Einen offenen Umgang mit psychischen Erkrankungen gebe es nicht, stattdessen herrsche ein Klima von Verdrängung und Karriereangst. “Der Druck vom Management nimmt immer weiter zu”, sagt ein Flugkapitän, der seit 20 Jahren in der Branche tätig ist. “Die Krankschreibungen wegen chronischer Ermüdung und psychischen Problemen haben drastisch zugenommen.” Mitunter würden deshalb sogar Flüge gestrichen.
Nicht alle betroffenen Kollegen würden sich krankschreiben lassen, so der Flugkapitän, der aus Angst vor beruflichen Nachteilen anonym bleiben möchte. “Die Leute funktionieren trotzdem. Manche schaffen das mit Alkohol oder Medikamenten.” Nach dem, nach bisherigen Indizien, mutwillig herbeigeführten Absturz wird nun gefordert, die Piloten nicht nur regelmäßig medizinisch, sondern auch psychiatrisch untersuchen zu lassen, gerade so als ließen sich psychische Störungen messen wie Bluthochdruck oder Harnsäure. Von einigen Politikern wird zusätzlich die Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht gefordert – als würde damit eine psychische Störung nicht auch noch vor den Ärzten verborgen.
All die Programme, von denen auf der Suche nach präventiven Möglichkeiten nun die Rede ist, sind durch einen Bindestrich mit dem Begriff „Management“ verknüpft und geben sich schon dadurch als Sozial- und Psychotechniken und als Teil der herrschenden ökonomischen Vernunft zu erkennen. Aus neurowissenschaftlicher Perspektive setzt man auf die Entwicklung von Gehirnscannern, mit deren Hilfe sich potentielle Terroristen und Amokläufer erkennen ließen. Auf dem Weg vom Rechts- zum Sicherheits- und Präventionsstaat werden grundrechtliche Skrupel über Bord geworfen. Es läge durchaus im Interesse der Gesellschaft, sagte der Mainzer Neuro- und Kognitionswissenschaftler Metzinger in einem Interview, „ihre Mitglieder in jungen Jahren zu screenen“, um Dispositionen zu abweichendem Verhalten und späterer Gewalttätigkeit rechtzeitig diagnostizieren und erfolgreich therapieren zu können. Der italienische Arzt Cesare Lombroso, der schon im 19. Jahrhundert behauptete, dass man den „geborenen Verbrecher“ an gewissen anatomisch-physiognomischen Stigmata identifizieren könne, feiert seine Auferstehung in Gestalt einer neurowissenschaftlich aufgeputzten Gedankenpolizei, die sich anheischig macht, Verbrechens-Vorhersagen direkt aus den Gehirnen auffälliger Personen ablesen zu können. Der Kult des „Winners“ Bevor wir uns der Frage zuwenden, warum manche Suizidanten andere Menschen in ihren Tod mitreißen, muss man sich mit der Frage beschäftigen, warum das Offenbaren einer depressiven Erkrankung als Schande und Kränkung empfunden wird. „Prominente und Wohlhabende bekommen einen Burnout attestiert, arme Schlucker und normale Leute eine Depression“, sagte mir dieser Tage ein befreundeter Arzt. Während das Burn-out-Syndrom als Veteranenmedaille der Leistungsgesellschaft gilt: „Ich habe alles gegeben und mich dabei übernommen, ich brauche jetzt mal eine Auszeit“, klingt Depression nach Psychiatrie und Versagertum. Wer dem Leitbild des „Winners“, des aktiv handelnden, allzeit fitten, gut gelaunten und erfolgreichen Tatmenschen nicht entspricht, empfindet sich als „Loser“, schämt sich und zieht sich zurück. Er scheidet aus dem Rennen um Erfolg, Karriere und Geld aus, das schon im Kindergarten beginnt, sich in den Schulen fortsetzt und in den Kampf um beruflichen Aufstieg und Erfolg mündet. Das Problem ist nicht so sehr die Depression, sondern die damit verbundene Stigmatisierung und soziale Ächtung. Der Depressive wird von der Leistungsgesellschaft behandelt wie ein Deserteur, der sich unerlaubt von der „Arbeitsbrigade“ entfernt hat. In einem gesellschaftlichen Umfeld, das sich über Leistung definiert und Anerkennung an Leistung bindet, hat Depression eine schlechte Presse und Depressive einen schweren Stand. Das kann dazu führen, dass man Zuflucht nimmt zur Lüge und zum Versteckspiel. Der Pariser Soziologe Alain Ehrenberg deutete schon Mitte der neunziger Jahre die Depression als symptomatische Krankheit unserer Tage. Er arbeitete in seinem Buch „Das erschöpfte Selbst“ heraus, wie sich seit den siebziger Jahren das freiheitliche Versprechen der Selbstverwirklichung hinter dem Rücken der so wunderbar Selbstverwirklichten schleichend in einen dämonischen Zwang verwandelte. Indem das authentische Selbst umfunktioniert wurde zum produktiven Motor all unseres Handelns, ist die Erschöpfung vorprogrammiert. Erschöpfung als Dauerzustand aber mündet in Depression, die bei Ehrenberg definiert wird als „Krankheit der Verantwortlichkeit, in der ein Gefühl der Minderwertigkeit vorherrscht. Der Depressive ist nicht voll auf der Höhe, er ist erschöpft von der Anstrengung, er selbst werden zu müssen.“ Depression, der steigende Konsum von Alkohol und Antidepressiva sind für Ehrenberg Reaktionen auf die Strapazen der den Individuen aufgebürdeten Eigenverantwortlichkeit. („Jeder ist seines Glückes Schmied!“) Damit hat das Projekt der Moderne – die Befreiung des Subjekts aus überkommenen Bindungen und Traditionen – eine paradoxe Verkehrung erfahren. War die Neurose das Produkt einer repressiven, die Triebe unterdrückenden Gesellschaftsform, so ist die Depression die Kehrseite einer Wettbewerbsgesellschaft, die das authentische Selbst zur Produktivkraft macht und seine Kreativität bis zur Erschöpfung fordert. Die Depression hält unserer Gesellschaft den Spiegel vor, in dem wir uns erkennen könnten. Weil wir das nicht riskieren wollen, zerbrechen wir den Spiegel, machen aus der Depression einen genetischen Defekt oder eine hirnorganische Erkrankung und verbannen die Depressiven in Krankenhäuser. „Going postal“ Als man in den 80er Jahren in den USA im Zuge der Reaganomics dazu überging, die Post zu privatisieren und zu verschlanken, kehrten zahlreiche ehemalige Angestellte bewaffnet an ihren Arbeitsplatz zurück und schossen dort um sich. „Going postal“, aufs Postamt gehen, ist seither in den USA ein Synonym für Amoklaufen. In Frankreich hat die seit einigen Jahren betriebene Privatisierung des Telekommunikationskonzerns France Telecom eine Selbstmordwelle ausgelöst: Innerhalb von nur 18 Monaten haben sich 25 Angestellte das Leben genommen. (Süddeutsche Zeitung vom 30.10.2009) In Europa scheinen noch immer ein eher depressiver Modus der Reaktion auf biographische Brüche und der Modus einer Reprivatisierung gesellschaftlicher Konflikte vorzuherrschen. Die Menschen geben sich selbst die Schuld und versinken in Resignation und stiller Verzweiflung. Wie wir jetzt sehen, muss das nicht unbedingt so bleiben. Wie wir es auch drehen und wenden, am Ende unserer Überlegungen finden wir uns unter den giftigen Bäumen unseres neoliberalen Dschungels vor. Erweiterter Suizid „Eine unausweichlich scheinende Katastrophe muss man beschleunigen“, hat Ernst Jünger einmal gesagt, und uns damit einen Fingerzeig geliefert zur Lösung des Rätsels des erweiterten Suizids. Statt passiv zuzusehen, wie dem eigenen Lebensentwurf die Grundlagen entzogen werden, nimmt man die Zerstörung in eigene Regie. Warum aber entschließt sich der Suizidant, in seinen eigenen Untergang andere mitzureißen? Warum geht er nicht auf den Dachboden und hängt sich dort still und leise auf? Warum fährt er nicht mit dem Auto in den Wald und leitet die Abgase nach innen? Entweder ist seine Wut auf die wirklichen und vermeintlichen Verursacher seines Unglücks zu groß oder er ist so narzisstisch, dass ihm der einfache Suizid zu unspektakulär vorkommt. Ein solcher erweiterter Suizid drückt eine ins Negative gewendete Größen- und Allmachtphantasie aus. Der Täter hält sich für Gott oder einen Übermenschen – er schwingt sich zum Herrscher über Leben und Tod anderer auf. Dahinter steht eine spezifische Form von narzisstischer Wut. Manche Menschen können mit Kränkungen gelassen umgehen. Sie prallen an ihrem intakten Selbstwertgefühl ab, während andere bei vergleichsweise harmlosen und banal wirkenden Kränkungen buchstäblich um ihre Existenz fürchten. Der Rückschlag auf eine erfahrene Kränkung kann dann über die Maßen heftig ausfallen, weil sie so erlebt werden, dass sie auf keinen Fall hätte passieren dürfen. Im „Zeitalter des Narzissmus“ kommt noch etwas anderes ins Spiel. Wer es nicht schafft, auf gesellschaftlich üblichem Weg Anerkennung zu finden, kann als Negativheld in die Annalen der Geschichte eingehen. Pointiert ausgedrückt: Wer bei „Deutschland sucht den Superstar“ nicht landen kann, kann sich für die bösartige Variante des medialen Narzissmus entscheiden und als Amokläufer Berühmtheit erlangen.
Seit dem Massaker an der Colombine-High-School in Littleton/Colorado im Jahr 1999 spielt dieses Motiv bei einigen spektakulären Amoktaten junger Männer eine dominierende Rolle. „Ich möchte, dass mich eines Tages alle kennen“, hat Robert S. im Vorfeld der Tat einer Mitschülerin anvertraut. Auch den Namenlosen und aus der Welt Herausgefallenen wird auf diese Weise Beachtung gesichert und Bedeutung verliehen. Anerkennungsverluste und -defizite machen Menschen anfällig für das, was Florian Rötzer „Aufmerksamkeitsterror“ genannt hat: Du musst etwas großes Böses tun, um aus dem Nichts der Bedeutungslosigkeit herauszutreten und ein Gefühl des Existierens zu erzeugen. „Rampage killing“ nennt man in den USA einen Typus öffentlichen Mordens, bei dem sich eine private Wut mit der zeitgenössischen Sehnsucht nach medialer Spiegelung zu einer explosiven Mischung verbindet. Diesem Typus des Mordens wird man, wenn die bisherigen Vermutungen und Aussagen aus seinem persönlichen Umfeld zutreffen, auch die Tat des Andreas L. zuordnen müssen. Das Streben nach perfekter Sicherheit Noch eine letzte Bemerkung: Die Katastrophe in den französischen Alpen offenbart das vor allem seit 9/11 um sich greifenden Bestreben, jede nur denkbare Sicherheitslücke zu schließen, ein Bestreben, das jedoch gleichzeitig neue Unsicherheiten hervorbringt. Früher durften z.B. Kinder in Begleitung der Stewardess den Piloten in der Pilotenkanzel besuchen, heute hat man das Cockpit derart gegen unerwünschte Eindringlinge gesichert, dass selbst das rettende Eindringen nicht mehr möglich ist. Die nun erwogene und von einigen Fluggesellschaften umgehend eingeführte Zwei-Personen-Regel wird ebenfalls keine perfekte, lückenlose Sicherheit bringen. Diese Gesellschaft setzt nach Katastrophen, wie der gerade erlebten, auf den Ausbau technisch-instrumenteller Sicherheit, auf Überwachungs- und Kontrolltechniken, an denen gewisse Industrien gut verdienen. Dabei böte allein soziale Sicherheit langfristig erheblich mehr Schutz. Soziale Sicherheit ist ein dynamischer Faktor, der im Wesentlichen durch das in einer Gesellschaft herrschende Klima bestimmt wird, das zwischenmenschliche Akzeptanz und Vertrauen erzeugt oder eben eher unterbindet. Der vom Wettbewerbswahn entfesselte Sozialdarwinismus erzeugt eher ein Klima des Misstrauen und der gegenseitigen Verfeindung. Aber auch in einer freieren, weniger repressiven Gesellschaft werden wir mit gewissen Risiken leben müssen. Wer nach perfekter, lückenloser Sicherheit strebt, kommt darin um. Schlussbemerkung Zu Vorsicht und zur Skepsis auch den eigenen Gedanken und vermeintlichen theoretischen Gewissheiten gegenüber neigend, möchte ich die Möglichkeit nicht unerwähnt lassen, dass mein Versuch, mir und anderen den Flugzeug-Amok verstehbar werden zu lassen, letztlich etwas von einer „Sinngebung des Sinnlosen“ (Theodor Lessing) haben mag. Vielleicht gibt es ihn doch, den „acte gratuit“, vom dem bei André Gide die Rede ist, also eine letztlich absurde, gewalttätige und zerstörerische Handlung ohne Sinn und nachvollziehbares Motiv. Als jene kleinen überspannten Säugetiere, über die die Katastrophe des Bewusstseins hereingebrochen ist, können wir uns mit quälender Ungewissheit und allzu vielen Schwebezuständen nur schwer abfinden und befriedigen unser Kausalitätsbedürfnis, indem wir Unbekannt-Bedrohliches auf leidlich Bekanntes reduzieren, das sich unserer Verarbeitungsroutine fügt. Alles oder fast alles, was zu Täter und Tat gesagt wird, muss einstweilen im Konjunktiv formuliert werden, und auch da, wo ich ihn nicht verwendet habe, sollte er mitgedacht werden. Aber auch, wenn die Umstände der Tat eines Tages geklärt sein werden, bewahren Gewalttaten wie die, von denen hier die Rede war, letztlich immer etwas Rätselhaftes, zu dem wir mit unseren Erklärungsversuchen nur annähernd vordringen. Im Verlag Brandes & Apsel ist gerade Götz Eisenbergs neues Buch Zwischen Amok und Alzheimer. Zur Sozialpsychologie des entfesselten Kapitalismus erschienen. Siehe dazu die Rezension von Joke Frerichs auf den NachDenkSeiten. | Götz Eisenberg | Die nach dem 11. September 2001 entstandene, weltweit verbreitete schizoide Stimmungslage begünstigt kollektive und individuelle Amokläufe. Wir leben seither zunehmend in einem Klima von Gewalt und Krieg. Nach dem – was wir bisher nur vermuten - mutwillig herbeigeführten Absturz eines Airbus‘ mit vielen deutschen Opfern befindet sich Deutschland im Ausnahmezustand. Götz Eisenberg unternimmt de ... | [
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Verteidigungsministerium und Bundeswehr kapitulieren: Rückzug von der Plattform „X“ – und tschüss! | Gestern gaben das Bundesverteidigungsministerium und die Bundeswehr ihren Rückzug von der Plattform „X“ bekannt. Kriegstüchtig werden wollen und sich vom Kampf auf dem Feld der politischen Diskussion zurückziehen? Wie passt das zusammen? Ja, das passt genau ins Bild. Einerseits aufrüsten und Deutschland für einen Krieg mit Russland vorbereiten wollen und andererseits wegducken vor dem Gegenwind. Auch dieser Schritt zeigt: Die vorherrschende Politik ist keine Politik für und mit dem Bürger. Die vorherrschende Politik zerschellt an der freien Meinung der Staatsbürger. Deshalb schottet sie sich ab. Ein Kommentar von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download „Rückzug, Rückzug, macht die Schotten dicht!“ So oder so ähnlich muss es sich wohl angehört haben. Das Bundesverteidigungsministerium und die Bundeswehr ziehen sich von der Plattform „X“ zurück. Unfreiwillig und auf eine fast schon komödienhafte Weise offenbart der Schritt, was ohnehin jeder weiß: Die Bundeswehr ist nicht kriegstüchtig – gut. Und offensichtlich fehlt dem Militär auch das, wozu die Politik ohnehin unfähig ist: Sich einer freien, öffentlichen Debatte zu stellen. Unter den Tweets von Politik und Militär hagelt es nur so vor Grundsatzkritik. Kritische Bürger stellen vieles infrage, dekonstruieren die platten Parolen, die dumpfe Propaganda und die Manipulationsversuche so, dass die Schwarte kracht. Wer sich in die Tweets einliest, stellt schnell fest: Die Bürger, die unter den Tweets von Ministerium und Co ihre Kommentare hinterlassen, haben klare Standpunkte. Und die sind nicht mit der veranschlagten Politik in Einklang zu bringen. Das bemerkt natürlich auch die Politik. Und auf Dauer – nüchtern betrachtet – kommt es überhaupt nicht gut an, wenn die Lücke zwischen Regierungs- und Bürgermeinung zu einem unüberbrückbaren Graben anwächst. Denn dann wird für die Öffentlichkeit sichtbar, wie weit die Politik an den Interessen der Bürger vorbeigeht. Das ist die Situation. Die „Lösung“, zu der das Bundesverteidigungsministerium und die Bundeswehr nun greifen, lautet: Kopf in den Sand stecken! Was nicht gesehen werden kann, muss „weg“ sein. Das hat tatsächlich etwas von Komik, aber bei Lichte betrachtet ist das alles andere als lustig. Wie unter einem Brennglas zeigt sich, dass hier offensichtlich Institutionen große Probleme mit dem freien Diskurs haben. Um vor sich selbst und der Öffentlichkeit diesen Schritt aber mit einem scheinbar aufrechten Rücken rechtfertigen zu können, zieht die Truppe den Superjoker. Lesen wir die Stellungnahme des Bundesverteidigungsministeriums: Bemerkenswert. Der „sachliche Austausch“ werde also zunehmend „erschwert“. Mit anderen Worten: Die Schuld liegt bei den Bürgern. Wie können die es auch wagen, das pure Gold, das ihnen Politik und Militär anbieten, schlechtzureden? Wie kommen Bürger nur dazu, bei dem Unternehmen „Kriegstüchtigkeit“, für das Milliarden von Steuergeldern ausgegeben werden, etwas die Contenance zu verlieren? Doch genug der Ironie. An dieser Stelle zeigt sich das Grundproblem: Politik hat sich den Bürgern zu stellen. Zumindest führt in einer Demokratie daran kein Weg vorbei. Wenn das Volk anfängt, immer lauter zu schimpfen, dann ist das ein Warnsignal. An der veranschlagten Politik könnte etwas massiv nicht stimmen. Auf diese Weise sollten zumindest echte Demokraten die Reaktion der Bürger wahrnehmen. Hier sehen wir das Gegenteil. Wie an vielen Stellen innerhalb des politischen und medialen Mainstreams zu beobachten: Über die, sagen wir, relativ freie Rede auf „X“ und das Wirken des einflussreichen Musk wird sich echauffiert, während vordemokratische, machtelitäre Klüngeleien wie bei Bilderberg dezent ignoriert werden. Gut ist: Der Rückzug von der Plattform „X“ zeigt, dass auf Ebene der Argumentation der Kampf für die Vertreter der vorherrschenden Politik verloren ist. Und seien wir mal ehrlich: Was bringt das Vorhandensein von Regierungsaccounts auf den sozialen Medien überhaupt? Bei einer Politik, die so ausgerichtet ist, wie zu beobachten: nichts außer Propaganda. Von daher ein Vorschlag: Macht einfach alle Regierungsaccounts auf sozialen Medien dicht. Geht, meinetwegen mit Gott, aber geht. Tschüss. Titelbild: Screenshot X | Marcus Klöckner | Gestern gaben das Bundesverteidigungsministerium und die Bundeswehr ihren Rückzug von der Plattform „X“ bekannt. Kriegstüchtig werden wollen und sich vom Kampf auf dem Feld der politischen Diskussion zurückziehen? Wie passt das zusammen? Ja, das passt genau ins Bild. Einerseits aufrüsten und Deutschland für einen Krieg mit Russland vorbereiten wollen und andererseits wegducken vor dem Gegenwin ... | [
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Demographische Folgen der Eurokrise | Im Kielwasser der Eurokrise unterwirft sich die Staatengemeinschaft einer selbstmörderischen Sparpolitik. Bereits heute haben die Arbeitslosenzahlen südeuropäischer Staaten einen Wert erreicht, der an die schlimmsten Wirtschaftskrisen vergangener Zeiten erinnert. Dies wird zwangsläufig zu Migrationsbewegungen von der Peripherie ins Zentrum führen, die Europa zwar enger zusammenwachsen lassen, allerdings vor allem die Peripherie noch weiter schwächen. Wenn die europäische Politik diesem Trend nicht entgegensteuert, sondern ihn weiter verstärkt, könnten ganze Staaten vom gemeinsamen Wohlstand abgehängt werden. Von Jens Berger
Ökonomisch motivierte Migration ist im historischen Kontext keine Ausnahme, sondern eher die Regel. Diese Migration kann grenzüberschreitend sein, wie die große Einwanderungswelle in die USA, die Besiedlung des Ruhrgebietes im 19. Jahrhundert oder der Zustrom von Arbeitsmigranten (Gastarbeitern) in die Bundesrepublik in der Nachkriegszeit zeigten. Vor allem die Binnenmigration, also der Wechsel des Arbeits- und Wohnortes innerhalb der Grenzen eines Landes, spielt auch heute eine sehr wichtige Rolle. Nur 40% der US-Amerikaner leben in dem Bundesstaat, in dem sie auch geboren sind. Innerhalb Deutschlands gibt es vor allem eine starke Ost-West-Wanderung, die bereits weite Landstriche Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns beinahe entvölkert hat. Ähnliches ist auch in fast allen anderen Industriestaaten zu beobachten – Frankreich hat sein Massif Central und sein Pas de Calais, Italien sein Mezzogiorno. Durch die Eurokrise droht nun halb Südeuropa zum Mezzogiorno der Eurozone zu werden. Wiederaufleben der Arbeitsmigration durch die Eurokrise Weit vor der Einführung des Euro gab es bereits eine Phase der massiven grenzüberschreitenden Arbeitsmigration von Süd- nach Nord- und Mitteleuropa. Heute leben in Deutschland rund 745.000 Menschen mit italienischem und 375.000 Menschen mit griechischem Migrationshintergrund, die (bzw. deren Eltern oder Großeltern) meist in der Zeit von 1955 bis 1973 nach Deutschland kamen. Spanische und portugiesische Auswanderer zog es vor allem nach Frankreich, in die Schweiz und nach Großbritannien. Der wirtschaftliche Aufschwung der südeuropäischen Staaten und nicht zuletzt die Einführung des Euros schwächten diesen Trend ab. Während vor allem in Deutschland die Löhne stagnierten, konnten die südeuropäischen Länder gewaltig aufholen. Durch den weitgehenden Wegfall des Lohnvorteils und den „Siegeszug“ prekärer Arbeitsverhältnisse büßte Deutschland auch seine Attraktivität
für Einwanderer deutlich ein, selbst polnische Erntehelfer gingen lieber nach Großbritannien oder Skandinavien als nach Deutschland – dies ist eine weitere, wenig beachtete Nebenwirkung der neoliberalen Politik, die das Land seit langem im Würgegriff hält. Durch die Eurokrise und die darauffolgende Austeritätspolitik haben sich die Voraussetzungen jedoch wieder verändert. In den südeuropäischen Staaten ist die Arbeitslosigkeit massiv angestiegen und die Nachfrage ebenso massiv eingebrochen. Ohne eine antizyklische Konjunkturpolitik wird sich der Niedergang dieser Volkswirtschaften nicht stoppen lassen – im Gegenteil, es ist sogar wahrscheinlich, dass der wirtschaftliche Abstieg des „Olivengürtels“ noch lange anhalten wird. Im Endeffekt könnte die Sparpolitik mitsamt des Fiskalpakts sogar dazu führen, dass der jahrzehntelange Aufstieg Südeuropas revidiert wird und wir wieder vor einem ähnlichen Wohlstandsgefälle stehen wie in der Zeit der großen Migrationsströme von Süd nach Nord. Schon heute stellt vor allem der für Arbeitsmigration entscheidendste Faktor, die Jugendarbeitslosigkeit, eine einzige Bankrotterklärung für den gemeinsamen Wirtschaftsraum Europa dar. Sowohl in Griechenland als auch in Spanien ist jeder zweite Unter-25-Jährige ohne einen Job, in Portugal beträgt die Jugendarbeitslosigkeitsquote 35%, in Italien 32%. Besonders dramatisch ist dabei die Dynamik: In Griechenland, Spanien und Portugal hat sich die Jugendarbeitslosigkeit seit Beginn der Eurokrise mehr als verdoppelt, in Italien ist sie um rund 50% gestiegen. Ein Ende dieses Trends ist in keinem dieser Länder absehbar. Absehbar ist jedoch, dass die katastrophale Lage auf dem Arbeitsmarkt zu gewaltigen Migrationsbewegungen führen wird. Die ersten Auswirkungen sind bereits zu beobachten. Im ersten Halbjahr 2011 stieg die Zahl der Spanier, die nach Deutschland auswanderten, um 49% auf 7.257 Zuwanderer, während die Zahl der Zuwanderer aus Griechenland sogar um 84% auf 8.890 Zuwanderer stieg. Ähnliche Entwicklungen lassen sich in unseren Nachbarländern Österreich und der Schweiz beobachten. Aktuellere Zahlen sind noch nicht verfügbar, aber es ist anzunehmen, dass dies erst der Beginn einer massenhaften Arbeitsmigration ist. Schaut man sich die Wanderungsbewegungen der EU-Binnenmigration an, so sind deutliche Parallelen zur Binnenmigration in den betreffenden Nationalstaaten zu erkennen. Nicht nur Brandenburger, sondern auch Spanier und Griechen wandern bevorzugt in die Millionenstädte Berlin und Hamburg und die dicht besiedelten und wirtschaftlich starken Regionen innerhalb der „blauen Banane“ aus – dem Städtegürtel, der sich von der Region London, über das Benelux, das Rhein-Ruhr-Gebiet, Baden-Württemberg und Bayern über die Schweiz bis nach Norditalien zieht. Brain-Drain und Teufelskreis Wie bei den meisten Migrationsströmen betrifft auch die aktuelle Süd-Nord-Wanderung bislang vor allem junge und gut ausgebildete Menschen. So mancher Jungakademiker tauscht gerne die Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit im Heimatland gegen einen schlecht bezahlten Job der Generation Praktikum in Deutschland ein. Die Deutschkurse in den Goethe-Instituten der südeuropäischen Länder können schon heute die Nachfrage nicht mehr bewältigen. Diese Entwicklungen werden von den deutschen Arbeitgebern positiv wahrgenommen. Je größer das Angebot an qualifizierten Arbeitnehmern ist, desto mehr Spielraum nach unten haben die Arbeitgeber bei den Lohnverhandlungen. Man braucht wohl auch nicht sonderlich viel Phantasie, um sich die weiteren Entwicklungen der Arbeitsmigration von Süd nach Nord vorzustellen. Wer im Heimatland weder Hoffnung noch Perspektive hat, wird sogar im deutschen Niedriglohnsektor eine Chance sehen – in vielen Berufen ist die Sprachbarriere zudem kein großes Hindernis. Durch die Abwanderung der jungen Bildungselite verlieren die südeuropäischen Länder jedoch nicht nur einen Teil ihres „Humankapitals“ – sie fallen auch in puncto Konkurrenzfähigkeit noch weiter zurück. Man könnte hier auch Parallelen zur deutschen Binnenmigration ziehen. Die Regionen, die am stärksten von der Abwanderung junger, gut ausgebildeter Menschen betroffen sind, weisen auch bei nahezu allen anderen demographischen und ökonomischen Faktoren schlechte Werte auf. Weite Teile Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns und Sachsen-Anhalts haben einen Altersschnitt, der weit über dem deutschen Durchschnitt liegt, geringe Geburtenzahlen und eine vergleichsweise hohe Arbeitslosenquote. Dies sind bereits „Push-Faktoren“, die sich durch die Abwanderung jedoch immer weiter verstärken und in einem Teufelskreis münden. Je mehr junge Menschen abwandern, desto geringer ist die Geburtenquote, desto geringer sind die Existenzgründungen, desto niedriger ist die Binnennachfrage, desto niedriger das Arbeitsplatzangebot im Dienstleistungssektor, desto höher die Arbeitslosigkeit, desto größer die Abwanderung. Ohne dauerhafte Transferleistungen des Staates wäre diese Entwicklung noch dramatischer, als sie ohnehin schon ist. Alternative: Transferunion In weiten Teilen Ostdeutschlands sind mittlerweile die Transferleistungen der mit Abstand wichtigste Wirtschaftsfaktor, ohne den die prekäre lokale Nachfrage vollends versiegen würde. Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Nationalstaaten die klassischen Abwanderungsregionen dauerhaft querfinanzieren. Was wurde nicht alles unternommen, um strukturschwache Regionen wie das Mezzogiorno oder die Nordost-Regionen Deutschlands „konkurrenzfähig“ zu machen – all diese Versuche erreichten trotz milliardenschwerer Transfers jedoch nie eine Angleichung der strukturellen Verhältnisse, sondern bestenfalls eine Verlangsamung der Scherenentwicklung zwischen den starken und den schwachen Regionen. Auch wenn dies selten offen gesagt wird, so hat man sich doch bereits damit abgefunden, dass es innerhalb von Nationalstaaten Regionen mit unterschiedlicher Wirtschaftskraft gibt. Es käme wohl niemand auf die Idee, dass sich in puncto Produktivität Florida mit Ohio, Mecklenburg-Vorpommern mit der Rhein-Main-Region oder das Mezzogiorno mit der Lombardei messen sollte. Paradoxerweise sind wir jedoch in der Wirtschafts- und Währungsunion der Eurozone immer noch felsenfest davon überzeugt, dass Griechenland ohne fremde Hilfe das Kunststück gelingen könnte, das Mecklenburg-Vorpommern und dem Mezzogiorno trotz Milliardenhilfen nicht gelungen ist. Der Geist ist aus der Flasche. Selbst mit einer vorbildlichen Finanz- und Wirtschaftspolitik wird es Europa nicht gelingen, die dauerhafte Abwanderung von der Peripherie ins Zentrum zu verhindern. Einzig und allein das Ausmaß dieser Wanderungsbewegungen ist durch politische Maßnahmen zu beeinflussen. Bleibt Europa bei seiner selbstmörderischen Austeritätspolitik, wird das Wohlstandsgefälle innerhalb der Eurozone ebenso massiv zunehmen wie die zu erwartenden Migrationsströme. Ohne eine Angleichung der Lohnstückkosten, die vor allem über Lohnerhöhungen in Deutschland zu erreichen ist, und eine dauerhafte Transferunion stehen dem Süden düstere Zeiten bevor, die aufgrund der ökonomischen Wechselwirkungen auch im Norden negative Folgen haben werden. Innerhalb der Nationalstaaten ist eine solche Transferunion der Normalfall – so sorgt beispielsweise der Länderfinanzausgleich für eine Umverteilung der finanziellen Mitteln aus den strukturstarken Regionen des deutschen Südens und Südwestens in den strukturschwachen Osten, Norden und Nordwesten. Mit einer dauerhaften Transferunion und dauerhaften Konjunkturprogrammen ließe sich zumindest ein dramatischer Abstieg der Peripherie verhindern – eine vollkommene Angleichung der Lebensverhältnisse wird es jedoch auch dann nicht geben. Durch die Wirtschafts- und Währungsunion ist die Eurozone zusammengewachsen, der Weg zurück ist keine realistische Perspektive, würde er doch allen Beteiligten massiven Schaden zufügen. Nun stehen wir an der Weiche für die Zukunft der Eurozone. Wenn wir den allgemeinen Wohlstand zumindest in Grundzügen als Ziel europäischer Politik begreifen wollen, muss Europa enger zusammenwachsen und – wie jeder Nationalstaat – zu einer dauerhaften Transferunion werden. Wollen wir das nicht, steht Europa vor einer Zeitenwende. Es wäre naiv anzunehmen, dass eine verarmende Peripherie, die vom gemeinsamen Wohlstand abgeschnitten ist und deren Kinder ihr Glück nicht mehr im Heimatland finden, demokratisch bleibt. | Jens Berger | Im Kielwasser der Eurokrise unterwirft sich die Staatengemeinschaft einer selbstmörderischen Sparpolitik. Bereits heute haben die Arbeitslosenzahlen südeuropäischer Staaten einen Wert erreicht, der an die schlimmsten Wirtschaftskrisen vergangener Zeiten erinnert. Dies wird zwangsläufig zu Migrationsbewegungen von der Peripherie ins Zentrum führen, die Europa zwar enger zusammenwachsen lassen, ... | [
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] | 26. April 2012 10:39 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=13006&share=email&nb=1 |
Ecuador | Eine Reportage aus dem Europäischen Parlament vom 14. November. Am vergangenen Donnerstag fand im Europäischen Parlament die Veranstaltung „Journalism Is Not A Crime“ statt, aus der wir bereits einige Aussagen zitiert haben. Nun sind wir in der glücklichen Lage, auch einen exklusiven Vor-Ort-Bericht von Mara Kupka zu veröffentlichen. Im Bericht finden Sie auch etwas zum Drumherum der Veranstaltung und in welche Richtung die weiteren Bemühungen zur Freilassung von Julian Assange zielen werden sowie Informationen, wo und wann man an weiteren Aktionen teilnehmen kann. | [] | [] | 19. November 2019 9:01 | https://www.nachdenkseiten.de/?tag=ecuador&paged=2 |
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Laschet, Armin | Der Parteitag der CDU und die Wahl des Vorsitzenden vom 17. Januar hatte wenigstens einen Vorteil: Wir können jetzt die Machtverhältnisse in der CDU und ihren wahren Charakter etwas besser einschätzen: Ein reaktionärer, bis kurz vor der Wahl im Dienste internationalen Finanzkapitals stehender Politiker, Friedrich Merz, erreichte 47 % der Delegiertenstimmen, 466 von 987 Delegierten. Das zeigt den wahren Charakter dieser Partei. Es gibt nichts Soziales in ihr. Norbert Blüm ist nicht nur tot, er hätte in dieser Partei nicht einmal ein soziales Eckchen als seine politische Heimat. Albrecht Müller. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. | [] | [] | 19. Januar 2021 16:53 | https://www.nachdenkseiten.de/?tag=laschet-armin&paged=2 |
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„Mit dem Wissen wächst der Zweifel“ | Dieses Zitat von Johann Wolfgang von Goethe gehört zu den Losungen der NachDenkSeiten von Anfang an. Dieser Devise folgt Albrecht Müller mit seinem gestrigen Beitrag „Darf man an Motiv und Hintergrund der Mörder von Paris noch zweifeln“. Selbstverständlich kann man an all dem, was darüber berichtet und vor allem wie über die Hintergründe spekuliert wird, zweifeln und man muss auch zweifeln, was bis jetzt über die mutmaßlichen Täter und deren mutmaßlichen Motive berichtet wird. Das Recht und die Tugend des Zweifelns gilt – zumindest beim gegenwärtigen Stand des Wissens – aber gegenüber sämtlichen Darstellungen und Hypothesen zu den Motiven und Hintergründen der Mörder und der Mordtat. Von Wolfgang Lieb. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Niemand kennt bisher die wahren Täter. Die Brüder Kouachi sind bis jetzt nur Verdächtigte. Niemand kennt ihre Motive und niemand sollte aus den wenigen Indizien – die Täter sollen auf französisch „Rache für den Propheten“ gerufen haben – ein Urteil fällen oder daraus gar die Wahrheit über die Hintergründe ableiten. Die Anrufung des Propheten, genauso wie der gefundene Personalausweis aus dem Fluchtwagen (eine Meldung die auf einer einzigen Zeitungsmeldung, Le Point, beruht) könnten genauso gut falsche Fährten sein. Albrecht Müller stellt keine Mutmaßungen über Hintergründe und Motive der Mörder an, aber er legt mit den drei genannten Anschlägen, mit dem Verweis auf Andreas von Bülows Vorstellungen über die Rolle der Geheimdienste in unserer Welt und mit dem Hinweis auf eine Rundmail von Ken Jebsen nahe, dass hinter der Tat auch Geheimdienste stecken könnten. Auch das könnte zutreffen. Man kann und man muss beim Oktoberfestattentat oder auch beim Anschlag auf den Hauptbahnhof von Bologna durchaus weiter nach der Rolle der Geheimdienste fragen. Die Zweifel an der Aufklärung dieser Fälle und ihrer Hintergründe – zumal beim Anschlag in Bologna – sind berechtigt. Albrecht Müller zwingt niemanden den Theorien über die Verwicklung von Geheimdiensten zu folgen – auch nicht bei dem Pariser Anschlag, aber er verteidigt die Annahme solcher Zusammenhänge gegen Vorwürfe. Weil der Vorwurf „Verschwörungstheoretiker…einer der dümmsten Vorwürfe“ sei, die „in der aktuellen Debatte obendrein inflationär verwendet“ würden. Obwohl der Kontext der Morde in Paris schon wegen des gewählten Anschlagziels und der Art der Durchführung der Mordtat nicht mit den im Beitrag genannten Attentaten gleichgesetzt werden kann, kann man den Verdacht nicht rundheraus ausschließen, dass auch bei dem Mord in Paris Geheimdienste verwickelt sein könnten – zumal ja einer der Verdächtigten angeblich polizeibekannt sein soll. Aber hier gibt es – für jedermann sichtbar – zunächst einmal Täter und man müsste diese erst einmal ihrer Tat überführen und von ihnen erfahren, warum sie und warum sie wen gemordet haben und erst dann kann und sollte man nach weiteren Hintergründen suchen. (Hoffentlich werden die Gesuchten lebend gestellt, so dass es wenigstens eine gerichtliche Aufklärung geben kann. Ansonsten wir die Wahrheitssuche noch schwieriger.) Man kann an der vorschnellen und fast durchgängigen Darstellung in den Medien, dass die Täter Islamisten oder radikale Muslime waren, mit Fug und Recht zweifeln. Genauso sind aber auch Zweifel an allen anderen möglichen Motiven und Hintergründen der Täter angebracht. Außer dem Zweifel an der überwiegenden Darstellung der Tat und der Täter (teilweise) durch die Politik und (überwiegend) durch die Medien gibt es bisher keine zusätzlichen und konkretere Anhaltspunkte für andere Mutmaßungen hat. Die Haltung des Zweifels ist unteilbar. Zweifel ist nach allen Seiten berechtigt, sowohl gegen die etablierten Medien als auch gegenüber dem Internet oder sonstwem. „Mit“ dem Wissen wächst der Zweifel, heißt das Goethe-Zitat. „Vor“ dem Wissen kann man eigentlich nur spekulieren oder insinuieren. Das gilt logischerweise auch für Ken Jebsen und dessen dem Beitrag angefügte Rundmail. Seine Erklärungsversuche und seine Hypothesen stützt er auf seine Erkenntnis, dass es in der Politik und damit in der Geschichte keine Zufälle gebe. Ob Politik und Geschichte tatsächlich determiniert sind, das mag dahin stehen, aber selbst wenn man eine solche Bestimmtheit annimmt, besteht die Schwierigkeit, die Ursachen für den Verlauf für Politik und Geschichte eindeutig festzustellen und herauszufinden, wer in einer komplexen Welt die Ursachen setzt und wie die Kausalität zu Ende geführt wird. Dazu mag es Theorien geben, aber jede Theorie muss sich an der Wirklichkeit messen lassen. Und jede Theorie darf und muss, wenn sie nicht zum Dogma oder Glaubenssatz werden soll, in Zweifel gezogen werden können. Was nach dem Attentat in Paris leider nicht mehr in Zweifel gezogen werden kann,
das ist, Übrigens: Keine Zweifel an Täter und Motiv der Tat hat die Dschihadisten-Sphäre: “Kaum eine halbe Stunde nach dem Angriff auf den Sitz von Charlie Hebdo in Paris beginnen accounts, die dem “Islamischen Staat” nahestehen, den letzten tweet der Zeitschrift aufzunehmen und kommentieren:
“Sie haben ihren post veröffentlicht und dann sind unsere Löwen gekommen”. Sie begrüßen einen „blitzschnellen Gegenschlag” des Mudschahed im Herzen der französischen Hauptstadt.” Und Sympathisanten des “Islamischen Staats” der Al-Nousra-Front und von Al Quaida, die sich sonst gegenseitig öffentlich anprangern, loben oder feiern sich auf Twitter selbst: #die Eroberung von Paris, #Wir haben den Propheten gerächt, #Paris brennt.”
Auch die Stimme des Radios des “Islamischen Staats” bezeichnet die Urheber des Angriffs als „Helden“.
Auch der (noch) stellvertretende Vorsitzende der AfD Alexander Gauland sieht das Attentat als Beleg für das Anliegen der „Pegida“-Bewegung gegen die Islamisierung und auf ihrer Facebook-Seite fordert „Pegida“, auf der kommenden Montagsdemonstration einen Trauerflor für die Terror-Opfer zu tragen. Natürlich sollte man auch an solchen Einschätzungen zweifeln. | Wolfgang Lieb | Dieses Zitat von Johann Wolfgang von Goethe gehört zu den Losungen der NachDenkSeiten von Anfang an. Dieser Devise folgt Albrecht Müller mit seinem gestrigen Beitrag „Darf man an Motiv und Hintergrund der Mörder von Paris noch zweifeln“. Selbstverständlich kann man an all dem, was darüber berichtet und vor allem wie über die Hintergründe spekuliert wird, zweifeln und man muss auch zweifeln, wa ... | [
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] | 09. Januar 2015 9:31 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=24510 |
Leserbriefe zu „Die „Pandemie der Ungeimpften“ – es gab sie nie“ | Hier thematisiert Marcus Klöckner die erneute Diskussion über die Formulierung „Pandemie der Ungeimpften“. Aktuell gehe es jedoch nicht um ein Pandemiegeschehen, sondern um die Formulierung an sich. Denn, was Kritiker seit langem gesagt hätten, sei nun durch geleakte Protokolle des Robert Koch-Instituts (RKI) bestätigt worden: „In den Medien wird von einer Pandemie der Ungeimpften gesprochen. Aus fachlicher Sicht ist das nicht korrekt. Gesamtbevölkerung trägt bei. Soll das in Kommunikation aufgegriffen werden?“, sei im RKI-Protokoll vom 5. November 2021 zu lesen. Der Entzug von Grundrechten basiere nach allem, wie es aussehe, auf einem politischen Willen. Wir danken für die interessanten E-Mails. Es folgt nun eine Auswahl der Leserbriefe, für Sie zusammengestellt von Christian Reimann.
1. Leserbrief Sehr wichtig, dass Marcus Klöckner mit seinen Beiträgen auch in Erinnerung bringt, zu welchen Verwerfungen der Umgang mit dem Coronageschehen führte, und dass es darum gehen muss „aus der Geschichte zu lernen“. Gerade sog. Leitmedien haben eine Hörigkeit gegenüber Politverlautbarungen und regierungsnahen WissenschaftlerInnen an den Tag gelegt, an die viele JournalistInnen vermutlich nicht gerne erinnert werden wollen, und sich daher in bekannter freud’scher Manier entsprechender Abwehrmechanismen bedienen, siehe z.B. norberthaering.de/propaganda-zensur/deutschlandfunk-rki-files/ So schmerzlich es für diverse Medien auch sein mag, zu erkennen, dass man autoritären bis faschistoid anmutenden „Schutzmaßnahmen“, mit Propaganda „zum Erfolg“ verhalf, darf dass nicht dazu führen, die notwendige Aufklärungsarbeit und Selbstreflexion zu verweigern. Sehr hilfreich wäre somit auch, sich unbedingt Mitscherlichs „Unfähigkeit zu trauern“ anzuschauen. L.G.
Ute Plass 2. Leserbrief Lieber Herr Klöckner und NDS Team, Die Pandemie der Ungeimpften gibt es tatsächlich, nur eben nicht im Zusammenhang mit Corona oder einer Krankheit verursacht durch Kleinstlebewesen. Die heutige Pandemie der Ungeimpften hat als Definition, die Bevölkerung die ungeimpft ist gegen (Kriegs)Propaganda. Die Krankheit nennt sich Kriegstüchtigkeitssyndrom, sie wird übertragen durch die Medien. Die Krankheitserreger tragen im allgemeinen Maßanzüge. Die Inkubationszeit kann mehrere Jahre betragen. Die Mortalität ist höher bei Männern als bei Frauen und betrifft vor allem Menschen zwischen 18 und 45 Jahren. Neueste Forschungen haben ergeben dass ein Zusammenhang besteht zwischen der Mortalität und dem tragen von Tarnanzügen. Die Aussichten für einen Impfstoff in der näheren Zukunft sind nicht gut. Ein SMS Verkehr mit Impfstoffherstellern konnte bis heute noch nicht nachgewiesen werden. Mit freundlichem Gruß
Patrick Janssens 3. Leserbrief Sehr geehrter Herr Klöckner, natürlich war das eine Pandemie der Ungeimpften, das belegen inzwischen zahlreiche Studien. Lasst es nun endlich bleiben, über „Querdenker-Philosophie“ zu berichten, denn diese lagen mit allen Prognosen völlig daneben! Dieser Teil der Berichterstattung hat auf Ihren Seiten nichts zu suchen! Mit freundlichen Grüßen
Volker Voß 4. Leserbrief ich zittere leise, wenn ich zusehe, wie das RKI-Leak jetzt einfach so im Nichts verpufft – allerdings hatte ich auch nichts anderes erwartet … Die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist tot. Ein Land, in dem eine so scheusalhafte Tat – einen ganzen Bevölkerungsteil, die Ungeimpften, einfach so zu entrechten – einfach so möglich war …. und jetzt – das tut fast noch mehr weh – es nur zu einem müden “ach, war da ein Skandal?” reicht –– ein solches Land ist nichts mehr. Nichts. Man möchte die Leute schütteln: Begreift ihr nicht, was für eine scheusalhafte Tat geschehen ist? Stellt euch vor, das RKI sagt: Afrikanische Flüchtlinge tragen eine schlummernde Krankheit in sich, die für uns alle tödlich ist, weil wir Europäer keine Abwehrstoffe dagegen haben – leider dürfen Farbige deshalb nun nicht mehr in die Schulen, in Theater, in Kinos, sie dürfen im Bus nicht mal mehr hinten sitzen ….. Was wäre da für ein Aufschrei – oder??? Selbst wenn diese “Pandemie der Unweißen” wirklich so wäre. Aber bei unserer “Pandemie der Ungeimpften” – auch, wo wir jetzt wissen, dass sie eine Lüge war – reicht es nur zu einem müden “ach, war da was?” tja … Die Demokratie hat grad leise den Raum verlassen – und das hat in der rauschenden Party nicht mal einer gemerkt … In der rauschenden “wir sind so toll – wir verteidigen die Demokratie gegen die AfD!” Party … Aaaaber – wir Ungeimpften haben es uns ja auch selbst zuzuschreiben! Hätten wir doch den tollen nebenwirkungsfreien™ Piiiiieks genommen! Hat doch Lauterbach gesagt: “Die Impfung ist nebenwirkungsfrei – mehr oder weniger!” Stellt euch vor, in einer Talkshow über Liebe sagt ein Mann: “Meine eheliche Treue war seitensprungfrei – Pause – mehr oder weniger.” Dass da keine Talkshowmoderatorin mal nachhakt: “Moment mal?! WAS haben Sie da grad gesagt?!?” Martin aus S 5. Leserbrief Vielen Dank, daß ihr am Ball bleibt! Zum Thema “Pandemie der Ungeimpften” würde ich sogar noch einen großen Schritt weiter gehen. Wenn es überhaupt eine “Pandemie der xxx” gab, dann war es tatsächlich eine “Pandemie der Geimpften”! Wie komme ich darauf? Nun, die Hetze gegen die Gruppe der Ungeimpften als regelrechte “Volksschädlinge”, die die nun weiter andauernde Pandemie verursachen würden, fußte ja auf einer gewissen Grundannahme. Einer sachlich falschen, wie wir inzwischen amtlich haben. Sie lautete, vereinfacht dargestellt: Dabei war schon damals klar, daß die “Impfung”, wenn überhaupt, nur einen sehr geringen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit hatte, sich anzustecken und zu erkranken, und damit auch auf die Weiterverbreitung der Infektion durch bspw. symptomfreie Infektion, was um die 70% aller Infizierten betraf. Das wurde auch damals schon deutlich, wenn ab und zu mal ein bisschen Wahrheit durch den Propagandanebel drang, und den Ungeimpften “der Pieks” mit dem Argument ans Herz gelegt wurde, daß damit immerhin das Risiko schwerer Verläufe gemindert würde. Was logischerweise bedeutete, daß Infektion und Erkrankung weiterhin sehr wahrscheinlich waren. Aber auch das war offenkundig nicht so wirklich zwingend, denn ich erinnere mich daran, daß das RKI ab einem bestimmten Zeitpunkt den Impfstatus der Intensivpatienten einfach nicht mehr erfaßte. Etwa zur gleichen Zeit ging eine Meldung aus dem Landkreis Görlitz um, in der die Impfquote der Covid-Intensivpatienten mit 50% angegeben wurde, was damals auch in etwa dem Anteil der Geimpften in Sachsen entsprach! Der Effekt war also mindestens gering! Die Meldung verschwand kurz darauf wieder aus dem Netz…. Letzten Endes wurden “die Ungeimpften” in der Öffentlichkeit unter Zuhilfenahme eines reinen Statistik-Tricks zum Paria erklärt, denn sie waren ja tatsächlich mit Abstand die größte Gruppe unter den positiv getesteten Personen! Aber durfte einen das verwundern? Die Folge von 3G/2G war doch, daß ab einem bestimmten Zeitpunkt praktisch nur noch Ungeimpfte getestet wurden! In der Schule, vor der Arbeit… Für Geimpfte und Genesene reichte dagegen der Nachweis aus, und sie durften arbeiten gehen, den ÖPNV nutzen, in Konzerte rein, zu “2G-Partys” etc. Sie wurden überhaupt nur noch Tests unterzogen, wenn sie mit Symptomen einer Erkrankung beim Arzt aufschlugen! Daraus nun aber zu schließen, nur Ungeimpfte würden das Virus haben und verbreiten, ist in etwa so sinnfrei, als würde die Polizei nur noch rote Autos blitzen, um anschließend zu behaupten, nur rote Autos seien zu schnell unterwegs. Und jetzt zurück zur These vom Anfang, die von der “Pandemie der Geimpften”. Wenn wir davon ausgehen, daß alle drei relevanten Gruppen, Geimpfte, Genesene und Ungeimpfte nahezu gleichermaßen das Virus weiterverbreiten können, von welcher Gruppe geht dann die größte Gefahr aus? Sicher nicht von den Ungeimpften, die sich alle 24 Stunden testen lassen mußten, und so fast hundertprozentig sicher waren, da sie bei einem positiven Test umgehend in “häusliche Quarantäne” gemußt hätten. Es waren vor allem die Geimpften, die ohne jegliche Tests überall Zugang hatten! Könnte man drauf kommen, oder? ;-) Es gab sogar offenkundige Belege dafür, denn eine Zeitlang erfreuten sich ja “2G-Partys” einer großen Beliebtheit, mit der “brave Geimpfte” für ihre Folgsamkeit mit ein wenig zurück erhaltener Normalität belohnt wurden. Und sehr oft gab es kurz nach solchen Ereignissen plötzlich Massenausbrüche von Neuinfektionen unter den Gästen eines solchen Events. Erklärt wurde das dann oft mit der Mutmaßung, es hätten sich wohl auch böse Ungeimpfte mit gefälschten Zertifikaten unter die Gäste geschummelt. Auf die naheliegendste Erklärung kam in den “Qualitätsmedien” natürlich niemand. Dabei war es offensichtlich! Grüße an das ganze Team: Ole. Anmerkung zur Korrespondenz mit den NachDenkSeiten Die NachDenkSeiten freuen sich über Ihre Zuschriften, am besten in einer angemessenen Länge und mit einem eindeutigen Betreff. Es gibt die folgenden E-Mail-Adressen: Weitere Details zu diesem Thema finden Sie in unserer „Gebrauchsanleitung“. | Redaktion | Hier thematisiert Marcus Klöckner die erneute Diskussion über die Formulierung „Pandemie der Ungeimpften“. Aktuell gehe es jedoch nicht um ein Pandemiegeschehen, sondern um die Formulierung an sich. Denn, was Kritiker seit langem gesagt hätten, sei nun durch geleakte Protokolle des Robert Koch-Instituts (RKI) bestätigt worden: „In den Medien wird von einer Pandemie der Ungeimpften gesprochen. ... | [] | [
"Leserbriefe"
] | 04. August 2024 15:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=119113&share=email |
Vertrauenskrise der Medien – Die Kritik an den Medien ist unberechtigt? Alles in Ordnung?? | Im Münchner Gewerkschaftshaus fand am 19. März eine Podiumsdiskussion über die Glaubwürdigkeitskrise der Medien statt. Mit dabei waren Professor Wolfgang Donsbach, Kommunikationswissenschaftler aus Dresden, Detlef Esslinger, Ressortleiter Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung und Albrecht Müller/NachDenkSeiten. – Bei meiner Einführung zu dieser Podiumsdiskussion war ich noch davon ausgegangen, es gebe eine gewisse Einsicht bei Medien und Medienwissenschaftlern in die Problematik. Das war blauäugig. Die Kritisierten glauben wirklich, dass die Medienordnung Deutschlands und die Praxis der Medien im Großen und Ganzen in Ordnung seien und den Bedürfnissen einer lebendigen Demokratie entsprächen. – Im Folgenden finden Sie eine Langfassung meiner Einführung zur Diskussion. Albrecht Müller. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Zwölf Anmerkungen und Beobachtungen zur Glaubwürdigkeitskrise der Medien Medien in der Vertrauenskrise? So lautet das gestellte Thema. Es ist mit einem Fragezeichen versehen. Wenn sich die Medien eines Landes über Tage mit einem Stinkefinger beschäftigen und zugleich mehrheitlich eine bemerkenswerte Kampagne gegen eine kleines europäisches Volk forcieren und sich und ihre Leser und Zuschauer an dieser ausgedehnten Demütigung Griechenlands ergötzen, dann ist das Fragezeichen wohl unangebracht. Der Vertrauensverlust ist da und er ist berechtigt. Ich will trotzdem artig konstruktiv sein und 12 Beobachtungen zum gestellten Thema vortragen: Erste Beobachtung: Immer wieder, auch in der letzten Zeit, begegnen wir hervorragenden Medienprodukten. Es gibt wahre Sternstunden der Aufklärung durch Journalistinnen und Journalisten. Zweite Beobachtung: Es fällt auf, dass Artikel und Sendungen, die man als Sternstunden betrachten kann, häufig nicht lange im Gespräch bleiben, oft gar nicht. Komischerweise finden diese Medienereignisse keine große Verbreitung und geraten schnell in Vergessenheit. Mal sehen, ob ich richtig liege mit meiner Vermutung: ich teste bei Ihnen, sehr verehrtes Publikum, ob Ihnen einige markante Medienprodukte aufgefallen und in Erinnerung geblieben sind: Wenn diese und ähnliche Medienprodukte das Bild der deutschen Medien bestimmen würden, wir bräuchten uns heute hier nicht zu treffen. Aber das ist nicht so. Die große Zahl der Medienprodukte haben eine ganz andere Stoßrichtung. Deshalb ist das Vertrauen in sie verloren gegangen. Die in der Einführung zu unserer Veranstaltung genannten Zahlen entsprechen vermutlich der Wirklichkeit. Viele Menschen, nach der zitierten Erhebung 69%, vertrauen den Medien nicht oder wenig. Damit bin ich bei der Dritten Beobachtung: Vielen Menschen stößt auf, dass ihre eigenen Erfahrungen im Leben, bei ihrer Arbeit, dass ihre Berufschancen und wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht dem entsprechen, was von den Medien mehrheitlich als schöne Wirklichkeit verkündet wird. Da ist in der Regel zu hören: „Es geht uns gut.“ „Wir haben ein Wirtschaftswunder“. „Deutschland ist spitze“ usw. diese verbreiteten Parolen werden von der Lebenswirklichkeit vieler Menschen nicht bestätigt. Gehen Sie mal nach Sachsen-Anhalt oder ins nördliche Ruhrgebiet oder in die Westpfalz oder nach Brandenburg. Selbst Menschen im blühenden München, die nicht wirklich viel verdienen, bekommen täglich vorgeführt, dass sie Versager sind. Sie können die Mieten in der Stadt nicht mehr bezahlen und müssen nach draußen ziehen. Jedenfalls merken sie, dass zum Beispiel auch die allabendlichen Parolen der Börsensendung der ARD über den immer weiter steigenden DAX und das damit insinuierte Blühen und Wachsen des Wohlstands nicht dem entspricht, was sie an wirtschaftlichen Zuwächsen für sich und ihre Kinder vermerken können. Zu ihren eigenen Erfahrungen kommen dann noch Informationsquellen und kritische Stimmen im Internet hinzu. Diese säen Zweifel. Sie bieten Fakten. Aber: wenn diese kritischen Anmerkungen im Netz nicht der selbst erfahrenen Wirklichkeit vieler Menschen entsprächen, würden sie nicht geglaubt und die Glaubwürdigkeit der Medien würde nicht von so vielen Menschen infrage gestellt. Beides zusammen, die eigene Erfahrung, die den verbreiteten Meldungen vom allgegenwärtigen Wohlstand wiedersprechen, und die kritischen Impulse aus dem Internet erschüttern immer wieder die Glaubwürdigkeit der involvierten Medien. Vierte Anmerkung: Die Medien insgesamt haben als kritische Instanz versagt. Viele Menschen merken nämlich, dass sie von der Politik nicht wahrheitsgemäß unterrichtet werden, dass Politiker nicht das Richtige tun, dass sie schwadronieren, zum Beispiel über die angeblich notwendige Reformpolitik und über die Notwendigkeit zum Beispiel der Privatvorsorge und die Notwendigkeit von TTIP und der Privatisierung öffentlicher Unternehmen einschließlich jener der Daseinsvorsorge. Sie haben aber auf mehreren Feldern eigene Vorstellungen, die den politischen Lösungsansätzen der maßgeblichen Politiker widersprechen. Ihre kritische Einstellung bekommt von den Medien keine Unterstützung – so ist es in der Mehrheit der Fälle. Im Gegenteil und damit bin ich bei der fünften Anmerkung: Fünfte Anmerkung: Wo man hinschaut: Kampagnenjournalismus. Was ich damit meine, muss ich wohl erklären: Wer heute über viel Geld und/oder publizistische Macht verfügt, kann die politischen Entscheidungen maßgeblich mitbestimmen, wenn er oder sie sich an Meinungsmache beteiligt bzw. sie organisiert. Das haben die finanzstarken Gruppen und Oberschichten gemerkt und sie handeln danach. Zur Durchsetzung ihrer Interessen planen sie die notwendige Meinungsbildung. Strategisch. Langfristig angelegt. Bestes Beispiel ist die Eroberung eines neuen Geschäftsfeldes durch Versicherungen und Banken. Sie haben sich eine subtile Strategie ausgedacht: die Dramatisierung des demographischen Wandels, die Erosion der Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente und dann auch noch die Nötigung des Staates zur Zahlung einer Subvention für die Privatvorsorge, genannt Förderrente. Ein ungeheuerlicher Vorgang. Auch die Behauptung, es gebe keine Alternative zur sogenannten Reformpolitik – there is no alternative: TINA – ist das Ergebnis strategischen Planens. Genauso die Feiern zum Exportweltmeister oder die Behauptung, nur sparen sparen sparen brächte in jeder Lebenslage einen wirtschaftspolitischen und finanziellen Erfolg. „Sparabsicht gleich Sparerfolg“ – das ist makroökonomisch betrachtet ein wahres Meisterstück der Indoktrination eines Denkfehlers. – Entstaatlichung und Schuldenbremse sind ähnlich gute Beispiele für erfolgreiche Strategien der Meinungsmache. Die seit 2010 laufende Kampagne gegen Griechenland gründet in weitem Maße auf diesen Denkfehlern und war und ist bis heute massiv. Wo war und ist der Einspruch unserer Medien und die Korrektur solchen Wahnsinns interessengeleiteter Kampagnen? Fehlanzeige. Viele Medien waren und sind handfest eingebunden und damit bin ich bei der sechsten Beobachtung: Sechste Beobachtung: Die Macht der Public Relations ist gewachsen. Public Relations sind ein wichtiger Teil der Lobbyarbeit und der Lobby Siebte Anmerkung: Guter Journalismus und Kampagnen-Journalismus leben in einer merkwürdigen Parallelwelt zusammen im eigenen Haus. Das ist auch wörtlich so gemeint. In den Medienhäusern sitzen beide Typen von Journalistinnen und Journalisten, die publizistisch arbeitenden Journalisten und die PR Journalisten und Mischformen. Viele Journalisten können sich nicht mehr ökonomisch über Wasser halten, ohne Public-Relations-Arbeit zu leisten. Das ist kein neues Phänomen. Schon als ich 1968 von München nach Bonn wechselte, begegneten mir leibhaftige Belege für sechsstellig bezahlten PR-Journalismus. Wer diese Erfahrungen eine Verschwörungstheorie nennen wollte, dem kann ich zur besseren Beobachtung verhelfen. Schon damals waren die Verhältnisse schlimmer als sich Verschwörungstheoretiker dies ausdenken könnten. Achte Beobachtung: Dass es gute Medienprodukte gibt – siehe die erste Beobachtung – , erhöht die Glaubwürdigkeit der Medien, auch für den PR-Journalismus, auch für die von den Medien mit betriebenen Kampagnen zugunsten von großen Finanzinteressen. So bitter dies für die guten Journalisten ist. Ingo blank und Dietrich Krauss, die Autoren und Produzenten des erwähnten Films, haben mit ihrem Film Rentenangst zum einen gute Aufklärungsarbeit geleistet und zum anderen die Glaubwürdigkeit des Ersten Deutschen Fernsehens gefördert. Dort liefen dann parallel reihenweise Kampagnenjournalismus-Stücke zum gleichen Thema wie zum Beispiel Sendewochen zum angeblich dramatischen demographischen Wandel und zu seiner angeblich großen Gefahr, derentwegen man privat vorsorgen müsse, also Riesterverträge abschließen müsse. Neunte Anmerkung: Journalistinnen und Journalisten lassen sich in Kampagnen einbauen, weil ihnen gar nichts anderes übrig bleibt. Sie sind aus wirtschaftlichen Gründen dazu gezwungen. Ein aktuelles Beispiel ist die teilweise verleumderische Aggression junger Journalisten im Umgang mit den Ansätzen einer neuen Friedensbewegung. Da wurden ohne jegliche ernsthafte Faktenbasis Parolen über die sogenannte Querfront mit rechts und über angeblichen Antisemitismus verbreitet. Ich war selbst Opfer dieser Kampagne und kann deshalb einigermaßen beurteilen, wer die armen Kerle unter den Journalisten waren und sind, die in diese Kampagnen eingespannt sind: meist jüngere, wenig etablierte Journalisten, denen keine andere Wahl bleibt, als dieses schmutzige Geschäft mit zu betreiben. Herausragendes Beispiel ist ein Christian Jakob bei der TAZ. Dort aber nicht nur dort. Journalisten lassen sich oft auch freiwillig auf Kampagnen ein, weil sie die notwendigen Fakten zum kritischen Begleiten des Geschehens nicht parat haben. Ein gutes Beispiel dafür ist, dass so viele Journalisten sich bewundernd an der Agitation zum Sparen und zur Austeritätspolitik beteiligen und dann auch an den Aggressionen gegen Griechenland zum Beispiel. Ein weiteres gutes Beispiel ist wiederum die Mitwirkung an den Debatten um den demographischen Wandel: wir werden immer weniger, wir werden immer älter, immer weniger arbeitsfähige müssen für immer mehr Alte sorgen; der Generationenvertrag trägt nicht mehr; jetzt hilft nur noch Privatvorsorge. Diese Glaubenssätze wurden von vielen Kolleginnen und Kollegen heruntergebetet, weil sie es nicht anders wussten, weil sie keine Ahnung davon haben, dass das sogenannte demographische Problem wegen der Produktivitätszuwächse unserer Volkswirtschaft und in Kenntnis der Möglichkeit, die Erwerbsquote erhöhen zu können und die Arbeitslosenzahl zu vermindern, kein bedrängende Problem ist und gelöst werden kann. Hier fehlte es wie auf vielen anderen Feldern aus dem Bereich der Wirtschaft-und Gesellschaftspolitik einfach an Fachwissen. Zehnte Anmerkung: Was müsste sich ändern, damit die Menschen Vertrauen in die Medien zurückgewinnen. In Stichworten: Elfte Anmerkung: Es ist nicht einzusehen, dass harte Fronten und Feindseligkeit zwischen herkömmlichen Medien und kritischen neuen Medien fortbestehen und aufrecht erhalten werden müssen. An uns liegt das nicht. Ich stoße aber immer wieder auf geradezu bösartige Kommentare zur Arbeit der Internet Medien. Wir bringen auf den NachDenkSeiten jeden Tag Hinweise auf gute Beiträge in den Medien. Manche Journalistinnen und Journalisten wissen das und nutzen das und genießen das auch. Wir tun einiges für ihre Verbreitung. Allerdings leisten wir eben auch die Vorarbeit für eine kritische Betrachtung der Medien und nehmen dabei kein Blatt vor den Mund und sind damit vielleicht mitverantwortlich für schwindendes Vertrauen. Das liegt aber nicht an uns Zwölfte Anmerkung: Die Medien sollten die Verantwortung für die Vertrauenskrise nicht den Kritikern zuschieben. Sie sollten sich verändern. Nicht die Kritiker. Nachtrag: Die Einlassungen der Gesprächspartner zeigten, dass diese letzte Anmerkung keinerlei Grundlage findet. Die Medienschaffenden und die sie begleitende Wissenschaft gehen offensichtlich davon aus, dass an der Vertrauenskrise die Kritiker schuld sind und nicht zum Beispiel der um sich greifende PR- und Kampagnenjournalismus. | Albrecht Müller | Im Münchner Gewerkschaftshaus fand am 19. März eine Podiumsdiskussion über die Glaubwürdigkeitskrise der Medien statt. Mit dabei waren Professor Wolfgang Donsbach, Kommunikationswissenschaftler aus Dresden, Detlef Esslinger, Ressortleiter Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung und Albrecht Müller/NachDenkSeiten. - Bei meiner Einführung zu dieser Podiumsdiskussion war ich noch davon ausgegan ... | [
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] | 25. März 2015 16:53 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=25544&share=email&nb=1 |
PHOENIX geht INSM auf den Leim | Günter Frech, Journalist und Autor einiger Beiträge zur Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, machte gestern auf einen, wie ich meine, skandalösen Vorgang aufmerksam. Hier sein Hinweis:
Hier Günter Frechs Brief an PHOENIX: Frechs folgende, nützliche Liste ergänze ich um den Hinweis, dass Sie die m.W. erste Analyse der INSM in unserer Rubrik „Veröffentlichungen der Herausgeber“ mit Datum vom 11.3.2001 (!!!) finden. Anlage zum Brief von G. Frech an PHOENIX: “Hallo, Partner!” – Die 100-Millionen-Kampagne: Gesamtmetall kämpft trickreich für Sozial-Umbau (Katrin Schuster) SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom 26. November “Die Guerilla der Wirtschaftliberalen” – Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall investiert 100 Millionen Euro für eine PR-Kampagne (Günter Frech)
FRANKFURTER RUNDSCHAU (Medien) vom 3.11.04 “Die Apo des Kapitals” – Als überparteiliche Reformbewegung definiert sich die “Initiative neue soziale Marktwirtschaft”. Tatsächlich handelt es sich um eine PR-Maschine zur Bekehrung der deutschen Wähler (Harald Schuhmann) TAGESSPIEGEL (Seite 3) vom 30.10.04 “Revolution von oben” – Sie treiben Rot-Grün vor sich her: Mit mehr als 100 Millionen Euro finanziert das Arbeitgeberlager Anzeigenkampagnen für einen radikalen Sozialabbau (Markus Grill) STERN vom 18.12.03 “Stimmungsmache für Studiengebühren” – Wie wirtschaftsliberale “Denkfabriken” die öffentliche Debatte im Sinne neoliberaler Trends manipulieren (Ulrich Müller) FRANKFURTER RUNDSCHAU (Standpunkt) vom 18.06.04 “Kopfsprung ins Seichte” – Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steckt in der Krise. Immer stärker bedrohen Kommerz und Politik die journalistische Unabhängigkeit (Thomas Assheuer) DIE ZEIT (Dossier) vom 8.01.04 “Generation Ruck” – Die neuen Bürgerbewegungen wollen den Staat überwinden (Alexander Kissler) SZ (Feuilleton) vom 12.06.03 “Kollektive Verblendung” – Das Volk kapituliert vor den Kassandrarufen der Vorstandsetagen, Parteivorstände und Chefkommentatoren (Hans Thie) FREITAG vom 23. 05.03 “Drittmittelfernsehen” – Der HR, Günter Ederer und die deutsche Wirtschaft (Volker Lilienthal) epd-MEDIEN vom 14.05.03 “Kollektiver Wahn” – Wie in Deutschland Meinung gemacht wird (Albrecht Müller) FRANKFURTER RUNDSCHAU (Dokumentation) vom 12.02.03 “Der Kongress sucht” – Arbeitgeber wollen mit einer Millionenschweren Initiative die soziale Marktwirtschaft reformieren (Oliver Schuhmacher) SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (Wirtschaft) vom 4.07.01 “Aufbruch in die Vergangenheit” – Die ‚Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft’ missachtet Traditionen, auf die sie sich beruft (Norbert Reuter) DIE ZEIT (Wirtschaft) vom 11.10.01 Rudolf Speth: “Die politischen Strategien der INITIATIVE NEUE SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT”, August 2004, im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, Arbeitspapiere Nr. 96; zu beziehen bei der Hans-Böckler-Stiftung, Hans-Böckler-Straße 39, 40476 Düsseldorf oder im Internet unter www.boeckler.de Albrecht Müller “Die Reformlüge” – 40 Denkfehler, Mythen und Legenden, mit denen Politik und Wirtschaft Deutschland ruinieren, 416 Seiten, Droemer-Verlag 2004, 19,90 Euro. Walter van Rossum “Meine Sonntage mit ‚Sabine Christiansen'” – Wie das Palaver uns regiert, 185 Seiten, KiWi-Verlag 2004, 8,90 Euro Ulrich Müller/Sven Gigold/Malte Arhelger (Hrsg.) “Gesteuerte Demokratie” – Wie neoliberale Eliten Politik und Öffentlichkeit beeinflussen, 182 Seiten, VSA-Verlag 2004, 12,80 Euro Werner Rügemer (Hrsg) “Die Berater” – Ihr Wirken in Staat und Gesellschaft, 246 Seiten, transcript-Verlag 2004, 21,890 Euro Thomas Leif/Rudolf Speth (Hrsg) “Die stille Macht” – Lobbyismus In Deutschland 385 Seiten, Verlag für Sozialwissenschaften 2003, 32,90 Euro Thomas Meyer “Mediokratie” – Die Kolonisierung der Politik durch die Medien 226 Seiten, edition suhrkamp 2001, 10,00 Euro | Albrecht Müller | Günter Frech, Journalist und Autor einiger Beiträge zur Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, machte gestern auf einen, wie ich meine, skandalösen Vorgang aufmerksam. Hier sein Hinweis:
Heute strahlte PHOENIX die INSM-Preisverleihung "Reformer des Jahres" aus. In voller Länge die Reden von Kirchhoff, Merz und Tietmeyer. Ich habe mir erlaubt, an den Sender zu schreiben und gebe euch unten ... | [
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] | 02. Dezember 2004 16:08 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=412 |
Hinweis: Norbert Blüm wehrt sich: Plädoyer für die gute alte Rentenversicherung | Quelle: berlinonline » | Albrecht Müller | Quelle: berlinonline » | [] | [
"Hinweise des Tages"
] | 07. April 2005 18:39 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=511&share=email&nb=1 |
Manager erobern die Unis | Referat auf Einladung AStA an der Universität zu Köln, am 19. Mai 2009 über die „unternehmerische Hochschule“, über die Hintergründe für den Leitbildwechsel von der staatlich verantwortete, sich selbst verwaltenden Hochschule zur wettbewerbsgesteuerten Hochschule und über das jetzt schon erkennbare Scheitern der Wettbewerbsideologie bei der zukunftsfähigen Entwicklung der Bildungs- und Hochschullandschaft. Von Wolfgang Lieb
Manager erobern die Unis Ich möchte das Thema meines Vortrags unter drei Aspekten behandeln, Download: Referat auf Einladung AStA an der Universität zu Köln – “Manager erobern die Unis” [PDF – 128 KB] | Wolfgang Lieb | Referat auf Einladung AStA an der Universität zu Köln, am 19. Mai 2009 über die „unternehmerische Hochschule“, über die Hintergründe für den Leitbildwechsel von der staatlich verantwortete, sich selbst verwaltenden Hochschule zur wettbewerbsgesteuerten Hochschule und über das jetzt schon erkennbare Scheitern der Wettbewerbsideologie bei der zukunftsfähigen Entwicklung der Bildungs- und Hochsch ... | [
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] | 20. Mai 2009 16:34 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=3954 |
Journalisten als „Rekruten eines verdeckten Informationskriegs“ | Die Instrumentalisierung von Journalisten durch Geheimdienste rückt durch die „Enttarnung“ zweier britischer Pressevertreter in den Blick. Auch das Andienen von Pressevertretern an die Nachrichtendienste, etwa um andere Journalisten zu attackieren, die die Sicht der großen Medien infrage stellen, wird dadurch beleuchtet. Die Vorgänge um die britischen Journalisten sind von prinzipieller Relevanz – und das mutmaßlich auch für die deutsche Presse- und Geheimdienstlandschaft, Stichwort: „Integrity Initiative“. Was diese einflussreichen Akteure betreiben, ist das Gegenteil von Journalismus. Von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Akteure aus etablierten Medien haben gemeinsam mit Mitarbeitern von Geheimdiensten gezielte Aktionen gegen alternative Medien betrieben, etwa zur Rufschädigung. Der Zusammenarbeit mit Geheimdienstpersonal entlarvt wurden in den konkreten Fällen die „Guardian“-Kolumnistin Carole Cadwalladr und der langjährige Mitarbeiter der BBC Paul Mason. Diese Vorgänge sind wahrscheinlich keine Einzelfälle. Und auch in Deutschland existieren mutmaßlich fragwürdige Verbindungen zwischen Journalisten und Mitarbeitern von deutschen oder ausländischen Geheimdiensten – Stichwort: „Integrity Initiative“, einem „Programm des dubiosen britischen ‚Institute for Statecraft‘; maßgeblich finanziert vom britischen Außenministerium und der NATO, geleitet von Personen aus dem engeren Umfeld der NATO, des britischen Militärs und der britischen Geheimdienste“, das auch Ausprägungen in Deutschland hatte. Auch aus den USA kommen aktuelle Neuigkeiten zu Manipulationen der öffentlichen Meinung durch Geheimdienste: Über ältere und aktuelle Operationen von US-Geheimdienstpersonal, um Soziale Medien zu manipulieren, berichtet in diesem Video die Jimmy Dore Show. Die britischen Akademiker Piers Robinson und David Miller erzählen Max Blumenthal in diesem Video, wie sie von den britischen Geheimdiensten und ihren Medien-„Partnern“ ins Visier genommen wurden. „Sie versuchten, bereits benachteiligte Journalisten zu schwächen“ Berichte zu den Vorgängen in Großbritannien um Mason und Cadwalladr gab es vor allem in englischsprachigen Alternativmedien. So schrieb Jonathan Cook Ende Juni auf dem Portal „Mintpress“, dass der Ruf von etablierten Medien in diesem Monat schwer erschüttert wurde: Zum einen sei der Verleumdungsprozess gegen die „Guardian“-Kolumnistin Carole Cadwalladr zu Ende gegangen, zum anderen seien gehackte E-Mails von Paul Mason, einem langjährigen Mitarbeiter von BBC, Channel 4 und dem „Guardian“, online veröffentlicht worden. Die beiden Journalisten seien – auf unterschiedliche Weise – „als Rekruten eines verdeckten Informationskriegs geoutet“ worden, der „von westlichen Geheimdiensten geführt“ werde. Beide Journalisten hätten versucht, ein Kanal für verdeckte Verleumdungskampagnen westlicher Geheimdienste gegen andere Journalisten zu werden oder sie aktiv dabei zu unterstützen. Cooks Urteil ist eindeutig: BBC-Journalist spinnt Intrigen mit Geheimdiensten – gegen Alternativmedien Zunächst zum Fall von Paul Mason, der viele Jahre lang als BBC-Journalist tätig war. E-Mails, die der US-Webseite „The Grayzone“ zugespielt wurden, zeigen, dass der sich selbst als “links” bezeichnende Journalist heimlich mit Personen konspiriert hat, die mit den britischen Geheimdiensten verbündet sind. Ziel sei gewesen, ein Netzwerk von Journalisten und Akademikern aufzubauen, um damit jene unabhängigen Medien zu verleumden und zu zensieren, die das Narrativ der westlichen Geheimdienste infrage stellen. Max Blumenthal und Kit Klarenberg beschreiben auf „The Grayzone“ (hier und hier), wie durchgesickerte E-Mails belegen, dass Mason ausführliche Pläne mit Andy Pryce von der Abteilung für Desinformationsbekämpfung und Medienentwicklung des britischen Außenministeriums geschmiedet habe. Mason und Pryce hätten einen Plan für eine Informationskriegsführung entworfen, die der berüchtigten „Integrity Initiative“ nachempfunden werden sollte. So habe Mason ein „Putin Proxy Watch“-Projekt und die Aussetzung des britischen Verleumdungsrechts vorgeschlagen, um die Zielpersonen zu verleumden und russische Gräueltaten zu verbreiten. Außerdem hätte er eine künstliche Graswurzelbewegung mit „schwarzen und asiatischen Stimmen“ vorgeschlagen, um gegen schwarze und asiatische Kritiker des Stellvertreterkriegs in der Ukraine vorzugehen. „Unerbittliche Verleumdung“ von kritischen Journalisten In geleakten privaten Mitteilungen zwischen Mason und Amil Khan, dem Chef des Geheimdienstunternehmens Valent Projects, planen die beiden laut „Grayzone“ einen „Anti-Grayzone-Gipfel“ mit ausgesuchten Gästen, auf dem die „unerbittliche Verleumdung“ dieses Mediums und ein “nuklearjuristischer Angriff” geplant werden sollten, um es „finanziell auszuquetschen“. In diesem Artikel hat Mason auf die Vorgänge reagiert und bezeichnet den E-Mail-Leak als eine „russische Hack- und Leak-Operation“. Eine Rolle spielen laut den Berichten auch Akteure der Abteilung „Counter Disinformation and Media Development“ (CDMD) des britischen Außenministeriums, die laut „Grayzone“ im April 2016 gegründet wurde, um „gegen die russische Propaganda vorzugehen“. Die Existenz der CDMD sei zunächst weitgehend verborgen geblieben. Erst im Dezember 2018 wurde der CDMD von britischen Beamten öffentlich diskutiert. Die offiziellen parlamentarischen Enthüllungen über die Existenz des CDMD wurden 2018 durch das Durchsickern belastender Akten im Zusammenhang mit der bereits erwähnten „Integrity Initiative“ ausgelöst. „Grayzone“ schreibt zu diesem destruktiven Netzwerk: Die verborgene Hand des Kreml Die ebenfalls in den Verdacht der Geheimdienst-Zusammenarbeit geratene „Guardian“-Kolumnistin Carole Cadwalladr zeichnet sich laut dem Portal „Mintpress“ durch langjährige Bemühungen aus, eine weitverbreitete russische Einmischung in die britische Politik zu unterstellen. Ihre mutmaßliche Zusammenarbeit mit Geheimdiensten ist laut den Berichten nur aufgrund eines Gerichtsverfahrens bekannt geworden. Auch mit Unterstützung anonymer Geheimdienstmitarbeiter habe Cadwalladr unter anderem „eine politische Übereinstimmung zwischen der Ideologie von WikiLeaks, der Ideologie der UKIP und der Ideologie von Trump“ verbreitet und die Behauptung, dass hinter den Kulissen die verborgene Hand des Kremls „sie alle in einem bösartigen Komplott zur fatalen Untergrabung der britischen Demokratie lenkt“. Titelbild: AlyoshinE / Shutterstock | Tobias Riegel | Die Instrumentalisierung von Journalisten durch Geheimdienste rückt durch die „Enttarnung“ zweier britischer Pressevertreter in den Blick. Auch das Andienen von Pressevertretern an die Nachrichtendienste, etwa um andere Journalisten zu attackieren, die die Sicht der großen Medien infrage stellen, wird dadurch beleuchtet. Die Vorgänge um die britischen Journalisten sind von prinzipieller Releva ... | [
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] | 11. Juli 2022 9:55 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=85693 |
Zur Präsidentenwahl in Österreich. Ein Kommentar von Hans Bleibinhaus. | Vorweg die Information zum (vorläufigen) Ergebnis der gestrigen Wahl: 51,7 % für van der Bellen, 48,3 % für Hofer. – Die erneute Wahl Alexander van der Bellens mit deutlich größerer Mehrheit als bei der annullierten Stichwahl vom 22. Mai 2016 kam zumindest für die Mehrheit der Umfrageinstitute, die auf ein 51:49-Ergebnis zugunsten von Norbert Hofer tippten, wieder einmal überraschend. Die Wahlbeteiligung ist leicht gestiegen und sogar in ländlichen Gebieten haben mehr Wähler als vorher für den freundlichen Professor als Bundespräsident gestimmt. Albrecht Müller.
Die Erleichterung im liberalen Bürgertum ist groß und die Gefahr besteht, dass mit dieser politischen Beruhigungspille in Österreich alles so weitergeht wie bisher. Es wird darauf ankommen, ob die Parteien, die ganz oder teilweise für Alexander van der Bellen und gegen Norbert Hofer eintraten, wahrnehmen, dass fast die Hälfte der Wähler gegen die bisherige Politik im Land protestiert hat.
Heinz-Christian Strache, der Vorsitzende der FPÖ, hat gleich nach den Hochrechnungen die eigentlich nicht zu überhörende Warnung ausgesprochen, diese Bundespräsidentenwahl sei erst der Anfang und man werde noch zeigen, was alles in der FPÖ stecke. Es wird vor allem auf die SPÖ ankommen, der die FPÖ vor allem bei der arbeitenden Mitte, den Arbeitslosen und ärmeren Bevölkerungsgruppen Konkurrenz macht, welche Lehren sie aus diesem Ergebnis zieht. Zwar ist Österreich, verglichen mit Deutschland, geradezu ein Sozialstaat, aber die Ergebenheit der Großen Koalition aus SPÖ und ÖVP gegenüber den Anforderungen der globalisierten Wirtschaft und die gleichzeitige Vernachlässigung der Interessen einer Mehrheit der Bevölkerung ist weiter Wasser auf die Mühlen der Rechten. Die Befolgung der von der EU vorgegebenen Austeritätspolitik mit Hinnahme einer hohen Arbeitslosigkeit, steuerlicher Schonung der Reichen, Vernachlässigung öffentlicher Investitionen, Einsparungen bei Bildung und Gesundheit ist keine gute Idee, das Schwinden der ÖVP und die Erosion der ehemaligen Volkspartei SPÖ aufzuhalten. Der Erfolg Alexander van der Bellens ist vermutlich vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen (näheres müssen die Soziologen in den kommenden Wochen herausfinden): Norbert Hofer und die FPÖ haben in den letzten Wochen des Wahlkampfes zwar etwas davon bemerkt und sehr zurückgesteckt mit ihren forschen Sprüchen zur Möglichkeit eines EU-Austritts auch von Österreich, propagieren jedoch unverdrossen die Abkehr von der EU und dem globalisierten Kapitalismus hin zu einem autoritär geführten nationalen Kapitalismus. Davon, so suggerieren sie ihrer Anhängerschaft, ergäbe sich dann auch – hokus pokus – die Lösung aller sozialen Fragen. Daran glaubt heute offenbar fast die Hälfte der österreichischen Wählerschaft. Es wird sich zeigen, welche Folgerungen daraus gezogen werden. Hans Bleibinhaus lebt teilweise in Österreich. | Albrecht Müller | Vorweg die Information zum (vorläufigen) Ergebnis der gestrigen Wahl: 51,7 % für van der Bellen, 48,3 % für Hofer. - Die erneute Wahl Alexander van der Bellens mit deutlich größerer Mehrheit als bei der annullierten Stichwahl vom 22. Mai 2016 kam zumindest für die Mehrheit der Umfrageinstitute, die auf ein 51:49-Ergebnis zugunsten von Norbert Hofer tippten, wieder einmal überraschend. Die Wahl ... | [
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] | 05. Dezember 2016 8:33 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=36107&share=email |
Leserbriefe zu „KenFM und Anonymus: Hacken gegen die Meinungsvielfalt“ | Tobias Riegel berichtet in diesem Beitrag über den Hacker-Angriff auf das Alternativ-Medium KenFM. Große Medien würden diesen Vorgang ignorieren oder verniedlichen. Hacker-Angriffe auf Medien seien grundsätzlich abzulehnen, sie seien eine Attacke auf die Meinungsfreiheit. Hinterfragt wird, ob die eigene inhaltliche Unsicherheit so groß ist, dass „die wenigen Kritiker, die noch übrig sind, in so scharfer Form und gleichzeitig von Geheimdiensten, Tech-Konzernen, Landesmedienanstalten, Politikern, großen Medien, ‚Faktencheckern‘ und nun Hackern bekämpft werden“ müssten. Für die interessanten Zuschriften bedanken wir uns. Hier eine Auswahl der Leserbriefe. Zusammengestellt von Christian Reimann.
1. Leserbrief Hallo Herr Riegel, vielen Dank für Ihren Artikel. Da niemand weiß, was oder wer sich wirklich hinter Anonymus verbirgt, kann es sich um eine der vielen Desinformationskapagnen handeln, die u.U. von Geheimdiensten geführt werden. Man baut erst eine vermeintlich progressive “Marke” auf und verwendet sie dann um potentielle Gegner zu dikreditieren. Als mögliche Analogien fallen mir z.B. die Weißhelme oder Bellingcat ein. Viele Grüße
Andrej R. 2. Leserbrief Sehr geehrter Herr Riegel, vielen Dank für Ihren sehr zutreffenden Artikel, dessen Inhalt ich teile.
Auch ich bin Opfer dieser Attacke geworden, in dem mir in einer eMail von diesen Cyber-Söldnern mitgeteilt wurde, dass sie KenFM ausgeraubt, dabei meine Daten erbeutet haben und diese nun für diese Propagandamail missbrauchen. Gerne setze ich mich kritisch mit den Inhalten von KenFM, so wie mit allen anderen Medien auseinander. Was ich allerdings zu lesen bekam war pure Diffamierung im heute üblichen Propagandajargon. Auch die Links führten zu ähnlich indiskutablen Inhalten. Keine Frage das morgentliche Öffnen dieser eMail hat mich erschreckt und auch in Angst versetzt. Ich denke, dies ist auch Sinn und Zweck dieser Aktion, weniger (aber auch) die Schädigung der alternativen Informationsplattform KenFm. Ich sehe das als umfassende Zersetzungsstrategie. Es wird die Meinungsfreiheit angegriffen und die Nutzer abgeschreckt.
Es ist eine subtile Form der Gewalt, die hier zur Anwendung kommt, Anonymus agiert quasi wie eine moderne Cyber-SA. Es wird nicht mehr physisch geknüppelt, sondern mit der digitalen Keule gedroht, wir kriegen Euch alle, die Ihr nicht denkt, wie wir wollen. Im nächsten Schritt werden diese Daten dann zur Zerstörungen des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens der Betroffenen genutzt. Das ist auch viel eleganter als dumpfe physische Gewalt. Da wo wir jetzt sind, sind wir bereits weit über den Punkt des “Wehret den Anfängen” hinaus! Bleiben Sie tapfer! Viele Grüße
M. Vogel P.S.: Wenn Sie sich für den Inhalt der Mail von Anonymus interessieren, ich leite Sie Ihnen gerne zu. 3. Leserbrief Liebes Leserbriefteam, lieber Tobias Riegel, so wie ich Ihren Artikel verstanden habe, sind diese “Anonymus Hacker” Menschen die im Kollektiv heimlich Daten von anderen ausspionieren und öffentlich machen, was im Grunde genommen nur der Geheimdienst darf, für Privatpersonen verboten ist und unter Strafe steht. Diese “Hacker” suchen sich bewusst Menschen, die politisch per Blog tätig sind, sehr viel Erfolg haben, wie z.B. Ken Jebsen. Oder eine noch junge Partei wie die “Basis” die politisch frei sein will, sich keinesfalls als “marktkonform” versteht und ausspionieren um sie in der Bevölkerung – unter Mithilfe der “marktkonformen” – Medien für unwählbar erscheinen lassen soll, wenn nicht sogar staatsfeindlich, die ausgeschaltet werden muss. Die Frage ist, wovon leben diese Hacker? Machen sie das privat aus Jux und Dollerei? Ein Sport und Egokitzel, was sie alles können und wie gefährlich sie sind? Ein Rechtsstaat müsste in der Lage sein, so eine Gruppe ruckzuck ausfindig zu machen, ihnen das Handwerk zu legen und zu bestrafen. Aber da diese Corona-Politik nun mehr als deutlich gemacht hat, dass von Deutschland als Rechtsstaat schon lange keine Rede mehr sein kann, (NSU Akte 120 Jahre unter Verschluss durch CDU und Grüne) werden sie Unterstützer haben die in der Regierung oder beim BND sitzen, also gut vernetzt sind. In der DDR galt ausspionieren, denunzieren als Volkssport und fand unter dem Sammelbegriff “Zersetzung” statt, eine aus der psychologischen Kriegführung angewandte Technik auch unter “operative Psychologie” bekannt. Meistens stoße ich auf Widerstand, wenn ich das Wort “Zersetzung” erwähne und werde scharf angegriffen. Erst recht, wo die DDR nach 20 Jahren gerne auch – was normal ist – doch nicht mehr als so schlimm gesehen wird, wie sie mal wirklich war. Alles was Sie schreiben, lieber Tobias Riegel, riecht geradezu nach “Zersetzung” der Gesellschaft, in der Andersdenkende als Staatsfeinde gesehen werden und psychisch, gesellschaftlich vernichtet werden müssen, wie etwa Ken Jebsen oder jetzt diese Partei, oder die linke Zeitung “junge Welt.” Man will sie nicht. Man will den diktatorischen Einheitsbrei. Alle müssen an den einen Mann oder die eine Frau in der Regierung glauben und sie fleißig unterstützen, dann bekommt man Orden und ein gutes Leben. Diese Menschen, die das tun, fühlen sich im Recht, tun was Gutes für den Staat. Insofern kann ich mich darüber nicht mehr aufregen. Wiedervereinigung und 16 Jahre Merkel und ihre Art der “Menschen-und politischen Führung” haben ihre Spuren hinterlassen und Deutschland kennt keine mediale Vielfalt mehr sondern nur noch Einfalt. Was natürlich auch für die EU gewünscht, erstrebt und hoffentlich nicht durchgesetzt werden kann, weil die meisten anderen Länder diese deutsche Untertanenmentalität bei gleichzeitigen Aggressionen gehen andere Länder, nicht haben. Freundliche Grüße
Karola Schramm 4. Leserbrief Lieber Tobias Riedel, ich bin selbst „Opfer“ des Datenklaus und habe persönlich Post von angeblich Anonymous bekommen.
Schreibweise und Stil der Email (kann zur Verfügung gestellt werden) zeigen aus meiner Sicht nicht auf Anonymous sondern auf geübten Kommunikations- und Propagandastil ?! Sind Sie sicher , dass nicht jemand anderes hinter den Attacken steckt. Beste Grüße
S. L. 5. Leserbrief Die E-Mail von Anonymus an KenFM-Newsletter Abonnenten kann man ausschließlich als Drohung betrachten. Auch wenn die E-Mail vom Schreibstil her von einem Pubertierenden geschrieben wurde. Denn was man aus der E-Mail herauslesen kann, ist, dass Anonymus im Besitz von privaten Daten sind und es offen stellen ob sie diese Daten veröffentlichen werden oder nicht. Sicherlich werden sie die Daten auf irgendeiner Plattform veröffentlichen damit dann irgendwelche Trittbrettfahrer diese Daten benutzen werden um die KenFM-Spender oder einfache Zuschauer bei beispielsweise Arbeitgeber anzuschwärzen. Es geht denen hier (neben ihrem Kampf gegen die Meinungsvielfalt und gegen Journalisten bzw. Presse) ausschließlich um die Zerstörung der Lebensexistenz und wie Gaffer am Unfallort das Leid anderer zu verfolgen und es mit anderen ”Gleichgesinnten” zu teilen. Sie und deren Anhänger auf den sogenannten sozialen Medien ergötzen sich wie Soziopathen am Leid. Für mich sieht das außerdem verdächtig nach Methoden der Zersetzung aus. Das beherrschte unter anderem die Stasi hervorragend und hatte in den 70ern auf ihrer Hochschule in Potsdam-Golm das Fach Operative Psychologie eingeführt. Da können diese sogenannten Aktivisten von Anonymus und deren versammelten Zuschauer auf Twitter (die wie im römischen Reich sich vom Leid von Fremden und auch Tieren ergötzt haben) ja richtig stolz sein. Beeindruckend ist es zuzusehen, dass die Vollzugsorgane wie z.B. Staatsanwaltschaft und Polizei keinerlei Interesse haben gegen Anonymus vorzugehen. Das war anfangs ganz anders. Dies änderte sich allerdings als Anonymus anfing seit 2015 mehr und mehr auf der transatlantischen Linie zu hacken. Also im Interesse der NATO und des neoliberalen Systems: Gegen Iran, gegen Russland, gegen Syrien usw. Beste Grüße
E 6. Leserbrief Liebes Nachdenkseiten-Team, ich gehe davon aus, dass der Hack eine Aktion des Verfassungsschutzes war – die zeitliche Nähe zum Beginn der Beobachtung ist doch auffallend. Entweder Anonymous ist eine Tarnbezeichnung, unter der der Geheimdienst auftritt, oder es sind größtenteils idealistische Aktivisten, die nicht wissen, dass sie vom Geheimdienst gesteuert werden. Viele Grüße,
Wolfgang Schwarz 7. Leserbrief Liebe Redaktion, ich hätte eigentlich gedacht, dass irgendeiner den letzten Schluss auch noch geschafft hätte. Denn in der Tat sind viele Elemente ja versammelt worden, wie z.B. das Zitat von Anonymous: „Schlag von Anonymous-Aktivisten gegen die organisierte Szene der Corona-Verharmloser: Das Hackerkollektiv ist an die Daten der mehr als 10.000 Mitglieder der Partei ‚dieBasis‘ gelangt.“ usw. Auch meine Adresse schien dort in der Datenbank hinterlegt gewesen. Denn ich erhielt am 16.06.05h00 eine Mail von [email protected] mit einem süffisanten alternative Medien diskreditierenden Text nebst freundlichen Links zur eigenen Site. Wer nun die Hack-Strecke dieser Hack-Gruppe nachliest und auch sonst die gesamte Argumentation prüft stellt fest, dass es sich bei DIESER Gruppierung mitnichten um die zitierten ECHTEN Hacker handeln kann, denn die Buben dieser Gruppe folgen nahezu komplett dem Narrativ des Mainstreams und der Macht. Somit müssen sie auch Angehörige oder eben Meinungssöldner, die Ehre und Seele der Macht verkauft haben, sein, die wie eben diverse “Facktenchecker” usw. über die üblichen Kanäle von hinten durch die Kalte Küche über Steuergelder “PRIVAT” finanziert werden, eine echte FAKE-Anonymous Gruppe. Die ECHTEN Anonymous indessen kennen alle Informationen und wissen auch, wie sie die offiziellen Verlautbarungen und das offizielle Narrativ einzuschätzen haben und würden sich derartiger Fehlurteile nicht entblößen. Somit kann dieser, wie auch alle anderen Hacks der FAKE-Gruppe nur als eine privat finanzierte aber insgeheim mit öffentlichem Auftrag der Dienste durchgeführte VERDECKTE OPERATION – auch FALSE-FLAG Operation sein! Mit Hilfe der heutigen Technik läßt sich also solch eine strafbewehrte Handlung – also ein Straftat – ganz diskret aus den Hinterzimmern der Macht, in diesem Falle dem Bundeskanzleramt als vorgesetzte Dienstelle des BND – die Organisation ist ja angeblich im Ausland (nl) – durchziehen ohne dabei entsprechend in Erscheinung treten zu müssen. Es bleibt jedem überlassen sich dazu seine eigenen Gedanken zu machen… R. H. 8. Leserbrief Sehr geehrter Herr Riegel, Anonymous Deutschland meint, dass es sich bei KenFM um ein Medium handle, das sich nicht an journalistische Standards halte und der Angriff deswegen gerechtfertigt sei. (netzpolitik.org) Journalistische Standards beim ÖR: Die Tagesschau hat uns im Herbst täglich die „Neuinfektionen“ im Vergleich zum Frühjahr serviert und dabei weggelassen, dass inzwischen dreimal mehr Tests hinter den Zahlen standen. Ab Klasse 7 sollten die meisten Journalisten in der Lage sein, das ins Verhältnis zu setzen. ÖR Medien haben die Lage in Indien jüngst als sehr dramatisch dargestellt. Indien hat über 16 mal mehr Einwohner als Deutschland. Jeder, der sich traut, kann die „bedrohlichen“ Zahlen mal auf Deutschland umrechnen. Da Bevölkerungsverhältnisse keine Rolle in den ÖR Medien spielen, könnte auch Monaco komplett aussterben und wäre in deren Statistik noch Vorbild. Die hochansteckende indische (Delta) Variante kommt zu uns. Andere Gebiete scheint sie großzügig zu meiden. Hongkong gehört zu den dicht besiedeltsten Gebieten der Welt. Viele kennen die verstörenden Bilder der Wohnverhältnisse der „Käfigmenschen“. Ich hatte daher seit einem Jahr mit apokalyptischen Meldungen aus dieser Region gerechnet. Beim Auswärtiges Amt kann man aktuell lesen: „Hongkong war bisher von COVID-19 kaum betroffen.“ Und das bei 6890 Einwohnern pro km² ! Die WHO sollte sich dort unbedingt Rat holen! Hongkong sollte im Corona-Medienfocus stehen. Jeder, der das Grundschulniveau der ganzen Zahlen verlässt, läuft Gefahr, zum Medienkritiker zu werden. Damit steht man zwangsweise in der Nähe zu Leugnern und Schwurblern. Kontaktschuld sei Dank. Sollte Anonymous wider Erwarten zur Erkenntnis gelangen, dass Prozentrechnung keine Verschwörungstheorie ist, müssten auch ÖR Medien mangels journalistischer Standards in deren Fadenkreuz geraten. Mit freundlichen Grüßen
Gunnar Riedel 9. Leserbrief Sehr geehrter Herr Berger es ist nachvollziehbar, dass Sie als Journalist in Ihrem oben genannten Beitrag den Hacker-Angriff auf das Alternativ-Medium KenFM hauptsächlich dahin kritisieren, dass es sich hierbei um eine Attacke auf die Meinungsvielfalt und einen Angriff auf die Pressefreiheit handelt. Dem ist voll zuzustimmen, aber ein anderer Aspekt wiegt aus meiner Sicht mindestens genauso schwer: Werden Hacker-Angriffe auf kommerzielle Online-Portale verübt und dabei in ähnlicher Weise persönliche Daten von Nutzern, etwa Vornamen, Nachnamen, E-Mail-Adressen und Passwörter sowie Kontodaten erbeutet, dann ist die mediale Kritik groß, und es werden ggf. Ermittlungsverfahren gegen diese Kriminellen angestrengt. Im Fall des Hacker-Angriffs auf das Alternativ-Medium KenFM ist der ‚Täter‘ jedoch bereits bekannt, und man fragt sich, was will die Hacker-Gruppe „Anonymus“ mit diesen hochsensiblen Daten eigentlich anfangen, wozu brauchen die Hacker sie, wie wollen sie diese Daten nutzen? Sie schreiben: „Einige der so identifizierten Abonnenten wurden in den vergangenen Tagen bereits mit E-Mails von „Anonymus“ behelligt.“ Das kann nervig sein, aber dagegen kann man sich schützen, indem man den Absender in die Blacklist seines E-Mail-Accounts einträgt. Aber ist der illegale Erwerb oben genannter Daten nicht eigentlich strafbar und müsste hier nicht sogar von Rechts wegen ermittelt werden? Oder muss die Justiz erst warten, bis Abonnenten von und Spender für KenFM vielleicht öffentlich diffamiert bzw. anderweitig ‚behelligt’ oder evtl. gar finanziell geschädigt werden? Und wie würden andere Parteien wohl reagieren, wenn Daten von ihren Mitgliedern erbeutet worden wären, so wie es Mitgliedern der neuen Partei „Die Basis“ erging? Ich halte jedenfalls diese Aspekte mindestens für genau so wichtig wie die von Ihnen mit Recht kritisierte Attacke auf die Meinungsfreiheit, und man kann nur hoffen, dass sich Betroffene dagegen erfolgreich zur Wehr setzen. Mit freundlichen Grüßen, und bleiben Sie bitte weiter so kritisch
A. M. 10. Leserbrief Liebe Nachdenkseiten-Redaktion Was die Nachdenkseiten zum Angriff auf Kenfm und auf die Pressefreiheit geschrieben haben, das ist sehr wichtig. DANKE!
Ich habe zu dem Thema ein Gedicht verfasst:
Hüter der Ordnung
Als die Ordnungshüter gegen Plattformen vorgingen,
die vom Mainstream abweichende Positionen
als die einzig wahren darstellten,
dachte ich mir, die Damen und Herren in der Aufsicht da oben werden’s schon wissen,
schließlich wissen sie viel mehr als ich.
Als sie die Kritik an doppelten Standards der NATO-nahen Medien
als gefährliche Propaganda zugunsten der Feinde der Freiheit darstellten,
dachte ich: Klar, Menschenrechte und Demokratie müssen wehrhaft verteidigt werden,
und die Propaganda der Gegenseite ist geschickt, also gefährlich für unsere Ordnung.
Als die Ordnungshüter linke Medien als verfassungswidrig weil linksradikal einstuften,
habe ich das gar nicht mitbekommen,
in den Mainstream-Medien war davon nichts zu lesen.
Als sie vor antiimperialistischen Blättern warnten,
diese würden Terror verharmlosen,
konnte ich mir vorstellen, dass die Hüter der Ordnung Recht haben,
Freiheitsbewegungen sind für Kampf gegen die Autorität
– fließen da nicht die Grenzen zur Gewalt?
Als die Hüter der Ordnung Marxisten unter Verdacht stellten,
sie würden die öffentliche Meinung im Sinne einer gewaltsamen Revolution manipulieren,
glaubte ich ihnen kein Wort. Schließlich waren auch Bert Brecht und Pablo Picasso Marxisten.
Ich dachte, das wird sich schnell klären lassen.
Als sie das Gedenken an Rosa Luxemburg als gesichert extremistisch
und verfassungsfeindlich einstuften
und als sie davor warnten,
hielt ich inne,
ich wollte ja noch was erreichen in meiner Karriere.
Als sie dem Blatt für rechte Freiheit attestierten,
es sei anders als linke Zeitungen keine gesicherte extremistische Bestrebung
also nicht erwiesen verfassungswidrig,
da kam ich schließlich doch noch ins Zweifeln
Bernhard Trautvetter Anmerkung zur Korrespondenz mit den NachDenkSeiten Die NachDenkSeiten freuen sich über Ihre Zuschriften, am besten in einer angemessenen Länge und mit einem eindeutigen Betreff. Es gibt die folgenden Emailadressen: Weitere Details zu diesem Thema finden Sie in unserer „Gebrauchsanleitung“. | Redaktion | Tobias Riegel berichtet in diesem Beitrag über den Hacker-Angriff auf das Alternativ-Medium KenFM. Große Medien würden diesen Vorgang ignorieren oder verniedlichen. Hacker-Angriffe auf Medien seien grundsätzlich abzulehnen, sie seien eine Attacke auf die Meinungsfreiheit. Hinterfragt wird, ob die eigene inhaltliche Unsicherheit so groß ist, dass „die wenigen Kritiker, die noch übrig sind, in s ... | [] | [
"Leserbriefe"
] | 22. Juni 2021 10:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=73573&share=email |
Ayuso und Ayusadas | Ein halbwegs kohärentes Bild von Isabel Díaz Ayuso zu zeichnen, die gerade als „Erdrutsch-Siegerin“ aus den Wahlen der autonomen Region Madrid hervorgegangen ist, ist schwierig. Es gibt wenig verlässliches Material zu ihrer Person und ihrem Werdegang. Und seit ihrem Eintritt in die Rechtspartei PP vor über 15 Jahren liegen einige Abschnitte ihres Lebens bis hin zu möglichen Verwicklungen in kriminelle Aktivitäten des PP genauso im Nebel wie in der Partei insgesamt. Von Eckart Leiser.
Ayuso war bis zu ihrer Nominierung als Spitzenkandidatin für die Wahlen der autonomen Region Madrid vor knapp zwei Jahren selbst in ihrer Partei eine weitgehend unbekannte Figur. Sie wurde immer als „Kreatur“ wahrgenommen: Erst als Protegé von Pablo Casado, Chef des PP, seinerzeit Vorsitzender von „Nuevas Generaciones“, der „Jungen Union“ des PP. Später nahm sie dann Ex-Präsident José María Aznar unter seine Fittiche, Gründer von FAES. FAES versteht sich selbst als rechten „think tank“, wird allerdings von der digitalen Zeitung DCML als „Fabrik für die Herstellung von mittelmäßigen rechten Politikern“ bezeichnet (so ging aus ihr der Chef der faschistischen Partei, Abascal, hervor). Aber konkret: Woher kommt diese Isabel Díaz Ayuso? Sie wurde 1978 in Madrid geboren, im Reiche-Leute-Viertel Chamberí, in das der Vater aus einem Dorf in der Provinz Avila gezogen war. Er gründete eine Firma nach der anderen. Alle scheiterten. Er stirbt völlig überschuldet und mit schwerer Demenz. Immerhin schaffte man es noch, seine zwei Häuser in Madrid und Avila rechtzeitig vor der Pfändung zu retten und als „Geschenk“ seinen zwei Kindern zu überschreiben. Immer noch wird gegen Ayuso wegen „Verheimlichung von Vermögenswerten“ ermittelt. Nach ihrem Studium der Publizistik in Madrid, das sie 2002 mit einem Master abschließt, startet Ayuso 2005 ihre Ochsentour durch verschiedene untergeordnete Posten in der Regierung der autonomen Region, die ihr Parteifreunde verschaffen. Zwischen 2008 und 2011 platziert sie die damalige Präsidentin Esperanza Aguirre in einem gut bezahlten Job in „Madrid Network“, einem dieser korrumpierten öffentlich-privaten Unternehmen, die zu dieser Zeit entstehen. Ayusos Versuche, aus der PP-Kelleretage in die Politik einzusteigen, fruchten nicht. Zwar gelangt sie 2011 auf die Liste für die Wahlen zum Madrider Parlament, wird aber nicht gewählt. Sie hat jedoch Glück: Als eine Abgeordnete im gleichen Jahr auf ihr Mandat verzichtet, rückt Ayuso nach. Ähnliches Glück hatte sie dann 2019: Die Präsidentin Cristina Cifuentes, Nachfolgerin von Ignacio González, wegen Korruption zu einer Haftstrafe verurteilt, musste ihrerseits wegen eines gefälschten Mastertitels zurücktreten. Gegen Widerstand in der Partei setzte damals deren Chef Pablo Casado die Kandidatur Ayusos durch. Ihr Wahlergebnis war das seit Jahrzehnten schlechteste. Aber in Koalition mit der Partei Ciudadanos wurde sie dann doch zur Präsidentin gewählt. Nach wenig mehr als einem halben Jahr reduzierte sich ihre Arbeit auf das Management der Pandemie. Das Ergebnis hatte Spanien im letzten Jahr schockiert: etwa die Altenheime mit 6200 Toten, eine um 53 Prozent höhere Mortalität als in den übrigen Altenheimen Spaniens. Ayuso zieht sich für längere Zeit nach einer Corona-Infektion in ein Luxushotel zurück, vermutlich auf Einladung von Kiko Sarasola, Hotelkettenbesitzer. Sie lässt im Schnellverfahren und mit Hilfe des Militärs eine Art Riesenlazarett für Corona-Patienten in den Messehallen errichten, zur Erweiterung der als Folge der Privatisierung des Gesundheitswesens dezimierten Madrider Krankenhauskapazitäten. Leider gab es dann dafür kein Personal. Schließlich führt an einem Lockdown der Schulen kein Weg mehr vorbei, und um den aus den Armenvierteln kommenden Schülern die Schulspeisung zu ersetzen, erhalten Fastfoodketten gut bezahlte Aufträge zur Lieferung von Pizzas und Hamburgern frei Haus. Erst nach öffentlichem Aufschrei wird eine andere Lösung gesucht. Immerhin hatte Ayuso eine bisher nicht umgesetzte Gesetzesidee: auch schon den schwangeren Frauen, derem Fötus also, ein Kindergeld zu gewähren. Konkret betrachtet ist ihre Zeit als Regierungschefin der autonomen Region Madrid eine Serie von Skandalen und Misserfolgen. Wenn Ayuso politisches Talent hat, besteht es in ihren permanenten Versuchen, all diese Misserfolge in Trümpfe umzumünzen, und zwar unter dem Label „Freiheit“. Sie hält Bars und andere Stätten der Unterhaltung offen (womit auch die Zahlung einer Corona-Unterstützung wegfiel), bis die Zentralregierung wegen überbordender Inzidenzen deren vorübergehende Schließung anordnet. Keine Rede, in der Ayuso nicht den Madrider „Lebensstil“ preist und von dem mit Ausgangssperren unverträglichen Madrider Nachtleben schwärmt. Sie wird nicht müde, geradezu eine Madrider Identität zu erfinden. Ein Satz zu dieser Identität ging viral: „Du kannst hier Deinen Arbeitgeber und Deinen Partner wechseln und ihn niemals wiedertreffen.“ Solche Sätze, „Ayusadas“ genannt, kommen an. Während des Lockdowns vermisste sie sogar die nächtlichen Autostaus im Stadtzentrum, sind doch auch diese für sie Teil der Madrider Identität. Inzwischen wird Madrid als Partyhauptstadt Europas gefeiert, zum Stolz von Ayuso. Das Hotel- und Gaststättengewerbe hat sie zur „Heiligen Isabel“ ernannt. Ihr Wahlerfolg ist rational daher nur schwer zu verstehen, wobei bei dessen Bewertung soziologisch differenziert werden sollte: Die hohe Wahlbeteiligung findet sich vorwiegend in den Reiche-Leute-Vierteln im Norden der Hauptstadt und der autonomen Region Madrid. Die Mobilisierung der sozialistischen Stammwähler im Süden war dagegen nur mäßig erfolgreich. Außerdem ist die jahrzehntelange Zerrissenheit der Madrider Sozialisten auch dieses Mal trotz ihres konsensbesessenen Kandidaten Gabilondo nicht wirklich überwunden worden. Hinter dem Wahlerfolg steht wohl ein schon die Franco-Diktatur stützendes Bündnis zwischen den inzwischen „hippen“ und modernen „Hidalgos“ aus Chamberí mit ihren SUVs (diese waren im letzten Jahr in den Protest-Autokorsos gegen die Lockdowns auf dem Paseo de Castellana zu besichtigen), und dem verschreckten traditionell katholischen Kleinbürgertum. Diesem kann Pedro Sánchez ohne weiteres als Kommunistenfreund und Pablo Iglesias als Beelzebub verkauft werden. Beiden Gruppen gemeinsam ist, dass bei ihnen die Demokratie nie angekommen ist. Für sie sind letztlich der König und die Streitkräfte die Garanten für ihren sozioökonomischen Status bzw. die Rettung Spaniens vor dem Untergang. Das Schreckgespenst für beide Gruppen ist die Republik. Sollte nicht unter diesen Bedingungen und ab einem bestimmten Niveau von Dummheit – fragt Gerardo Tecé in der digitalen Zeitung ctxt.es – das demokratische Tabu des Wähler-Bashings etwas gelockert werden? Der Ayuso-„Hype“ wurde neben den Medien in erster Linie von der Frivolität der Madrider Geld-Eliten angefeuert, denen Ayusos Triage-Politik in den Altenheimen einfach „wurscht“ war. Das verknüpfte sich mit den frivolen Flirts Ayusos mit den Faschisten, in Sätzen wie: „VOX steht uns nicht als Gegner gegenüber, sondern an unserer Seite“. Warum dann noch VOX wählen? Deren Zuwachs hielt sich deshalb in Grenzen. Die Barbesitzer, ohne einen Cent Unterstützung durch den Staat und eine traditionelle Abteilung des Kleinbürgertums, steuerten dieser Frivolität ihre eigene bei: „Freiheit heißt, in der Bar ein Bier trinken zu können“. Folge: Inzidenz in Madrid aktuell 150, in Barcelona 80. Jedenfalls ist Madrid ein Mikrokosmos, von dem nur schwer auf die politische Zukunft Spaniens extrapoliert werden kann. Regionale Führer der Rechtspartei und selbst der Parteivorsitzende Pablo Casado sind vom Erfolg Ayusos eher verschreckt. Wenn die linke Regierung in Madrid jetzt nicht den Kopf verliert, ist die Chance für einen politischen Wandel in Spanien noch nicht verspielt. Titelbild: Diego_Radames/shutterstock.com | Eckart Leiser | Ein halbwegs kohärentes Bild von Isabel Díaz Ayuso zu zeichnen, die gerade als „Erdrutsch-Siegerin“ aus den Wahlen der autonomen Region Madrid hervorgegangen ist, ist schwierig. Es gibt wenig verlässliches Material zu ihrer Person und ihrem Werdegang. Und seit ihrem Eintritt in die Rechtspartei PP vor über 15 Jahren liegen einige Abschnitte ihres Lebens bis hin zu möglichen Verwicklungen in kr ... | [
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] | 20. Mai 2021 9:10 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=72598&share=email |
Serie zur Novemberrevolution – Teil 3 | Vorbemerkung: Wir bringen auf den NachDenkSeiten in drei Teilen einen ausführlichen Text von Winfried Wolf zur Novemberrevolution, zur Bayerischen Räterepublik und zur aktuellen Debatte über diese Ereignisse. Der erste Teil “Serie zur Novemberrevolution – Teil 1” hatte drei Ereignisse, die zum Verständnis der Revolution wichtig sind, zum Thema. In Teil 2 „Serie zur Novemberrevolution – Teil 2“ wurden drei Phasen der Revolution untersucht.
Der hier wiedergegebene Teil 3 geht ein auf die Bayerische Räterepublik, die hierzulande meist besonders verzerrt dargestellt wird. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Im Zeitraum 8.November 1918 bis 2. Mai 1919 standen in dieser noch stark landwirtschaftlich geprägten Region ebenfalls die Räte – und zwar Arbeiterräte und Bauernräte – und damit die Forderungen nach direkter Demokratie im Zentrum. Im Folgenden werden vier Gründe für das Scheitern der Revolution genannt: (1) die fehlende organische Führung bzw. die Zersplitterung der linken Kräfte, (2) die fehlende Ausarbeitung eines Gesamtkonzeptes der Rätedemokratie, (3) das Doppelspiel der SPD-Führung und deren enge Zusammenarbeit mit rechten Kräfte und (4) schließlich die unvorstellbare Brutalität, mit der Freikorps und Reichswehr gegen die Räte und gegen die Zivilbevölkerung vorgingen. Schließlich warnt Winfried Wolf vor Projekten einer neuen Militarisierung, wie sie von der deutschen Bundeskanzlerin und von dem französischen Präsidenten ausgerechnet im Zusammenhang mit dem Gedenken an das Kriegsende vor 100 Jahren propagiert wurden. Die Bayerische Räterepublik – Bauernräte inklusive Die deutsche Revolution 1918-1920 gab es im gesamten deutschen Reich. Reichsweit hatten sich im November 1918 (und danach meist immer wieder aufs Neue) Arbeiterräte herausgebildet, die die lokale und oft die regionale Macht übernahmen. Dies führte zu bemerkenswerten regionalen Verdichtungen des revolutionären Prozesses mit lokalen Besonderheiten und oft mit unglaublich harten Auseinandersetzungen. Im Jahr 1919 (ab Februar) und im Jahr 1920 (ab Ende März) tobte in Deutschland ein umfassender Bürgerkrieg. Als Stichpunkte zu nennen sind hier die Räterepublik Bremen, die Kämpfe um Braunschweig, im Ruhrgebiet, in Sachsen, dann erneut im Ruhrgebiet, in Thüringen, Magdeburg, Chemnitz, im Erzgebirge, im Vogtland (dort, mit der Besonderheit des Kampfs von Max Hoelz, eines neuen Robin Hood.)[1] Im März 1919 kam es in Berlin zu einem Generalstreik mit den Forderungen nach Demokratisierung des Heeres und Sozialisierung der Wirtschaft, der von allen Arbeiterparteien beschlossen wurde. Er wurde nach einer Woche abgebrochen. Es folgte, wie Mark Jones schrieb, „ein Crescendo der Gewalt, das alles übertraf, was seit Ausbruch der Moderne in irgendeiner deutschen Stadt oder Großstadt an Blutvergießen stattgefunden hatte.“ Nach Gustav Noskes eigenen Angaben wurden von den Freikorps-Männern 1200 Menschen, darunter Jugendliche, Frauen und Kinder, ermordet.[2] In dieser Darstellung kann nicht dieses breite Spektrum der Revolution abgedeckt werden. Das ist auch nicht der Anspruch dieser Arbeit. Auf Bayern soll jedoch gesondert eingegangen werden. Es handelt sich immerhin um das einzige Land im Reichsgebiet, in dem ein Modell direkter Demokratie mit Arbeiterräten, gepaart mit einer parlamentarischen Regierung, zunächst erfolgreich war und in dem es eine Reihe anderer interessanter Besonderheiten gab. Dass in Bayern die Uhren anders ticken, gilt in Deutschland als Allgemeingut. Allerdings ist damit heute in der Regel gemeint, dass es dort oft mehr als anderswo in Deutschland reaktionäre Tendenzen gibt und dass zum Beispiel die CSU traditionell deutlich rechts von ihrer Schwesterpartei steht. Was der CSU-Übervater Franz-Joseph Strauß in den 1970-er Jahren programmatisch sah, wenn er forderte, dass es rechts neben der CSU keine Partei mit Aussicht auf parlamentarische Repräsentanz geben dürfe. Und so tobte denn in der Münchner Öffentlichkeit Ende der 1960-er Jahre eine heftige Debatte, als eine Straße nach Kurt Eisner, dem ersten roten Regierungschef des Freistaats Bayern, benannt werden sollte. Der damalige bayerische Landwirtschaftsminister, Alois Hundhammer (CSU), argumentierte, Eisner sei „eine böse und verhängnisvolle Erscheinung der bayrischen Geschichte” gewesen. In Leserbriefen wurde Eisner mal eher freundlich als „Bohemien mit dem Sauerkrautbart”, überwiegend jedoch unfreundlich und hasserfüllt als „Tyrann“, „Bolschewist”, „Geiselmörder” und „Novemberverbrecher” bezeichnet.[3] Die Negativtitulierungen treffen kaum die Gefühle, die die bayerische Bevölkerung in ihrer Mehrheit Eisner entgegenbrachte. Generell versetzt die Entwicklung in Bayern in den Jahren 1918/19 uns heutzutage vielfach ins Erstaunen. Hier fand die Revolution früher als anderswo im Deutschen Reich statt.[4] Sie war tiefer als im sonstigen Reich in der Bevölkerung verankert. Sie konnte sich so lang wie nirgendwo sonst im Reich an der Macht halten. Sie hatte zutiefst demokratischen Charakter. Und sie war, wie überall im Reich, gutmütig und vor dem Eingreifen der Konterrevolution großzügig. Sie vermied solange viele der Fehler, die in Berlin begangen wurden, wie ihr führender Kopf – Kurt Eisner – lebte. In München hatte die Revolution bereits am 3. November begonnen, als dort tausend Matrosen aus dem österreichischen Hafen Pola (heute Pula) ankamen und mit Blick auf den Matrosenaufstand im Norden zurückgehalten wurden. Sie waren bald Teil der Revolution in Bayern. Am 7. November – ein Tag vor der Revolution in Berlin! – wurde der bayerische König davongejagt, ein Arbeiter- und Bauernrat gebildet, die „Republik“ ausgerufen und Kurt Eisner zum Ministerpräsidenten ernannt. Eisner griff den reichsweit weit verbreiteten Einheitsgedanken auf und erklärte: „Der Bruderkrieg der Sozialisten ist für Bayern beendet.“ Am 8. November bildete sich in München ein „Provisorischer Nationalrat“, unter anderem bestehend aus Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräten. Eisner präsentierte diesem sein Kabinett, bestehend aus USPD- und SPD-Personal. Es gelang in München von Anfang an, die dort stationierten Truppen für die Revolution zu gewinnen oder zumindest zu neutralisieren. Sebastian Haffner: Haffner ist überzeugt, dass „der wahre Gegenspieler Eberts […] nicht Liebknecht, [sondern] Eisner [war].“ Ihn interessierte Eisners Richtig ist, dass sich Eisner – ursprünglich ein Berliner Literat, ein Jude und ein Bilderbuch-Intellektueller – binnen weniger Tage zum bayerischen Volkshelden entwickelte. Unter Eisner konnten sich die Ideen von radikaler Demokratie, Volksherrschaft und Räten als Kontrollorgane gegenüber einem Parlament landesweit verankern – und dies in einer Region, die so stark wie kaum eine andere im Deutschen Reich weiterhin überwiegend landwirtschaftlich geprägt war. Der neue Staat in Bayern sollte nach Eisner nicht nur ein Arbeiterstaat, er sollte zugleich ein Bauernstaat sein. Nur in Bayern spielten Bauernräte in der Revolution eine größere Rolle. Karl Schweizer legte 2018 eine umfangreiche, 200 Seiten starke, bebilderte Studie über die Novemberrevolution und die Räterepublik im (bayerischen) Lindau vor. Verfolgt man in dieser Arbeit das Revolutionsgeschehen, so ist man überrascht, wie viel Zustimmung die Forderungen, die in München formuliert wurden, auch in dieser Bodenseestadt – man ist geneigt zu sagen: tief in der bayerischen Provinz – fanden.[7] Klaus Gietinger führt seinerseits eine lange Liste von überwiegend ländlichen Orten in Bayern an, die sich dem Rätegedanken anschlossen.[8] All das dokumentiert, dass die Revolution keineswegs nur eine Sache der Stadtbevölkerung und auch nicht nur eine Sache der Arbeiterklasse war. Eisner hatte auch ein gutes Gefühl für den Zusammenhang zwischen Revolution und Außenpolitik. Er warnte vor einem „Diktatfrieden“ und kritisierte die SPD-geführte Regierung in Berlin, weil diese sich in der Außenpolitik in die Tradition des alten Regimes stellte. „Einer Regierung, die alle Verantwortung der Vergangenheit mit übernommen hat“, drohe ein „furchtbarer Friede“.[9] Die friedliche Revolution in Bayern währte ein gutes Vierteljahr. Am 21. Februar 1919 wurde Eisner von einem Nazi der frühen Stunde ermordet. Wenige Stunden später wurde der SPD-Führer Auer, zugleich der Innenminister und der zweitwichtigste Mann im Kabinett, ebenfalls ermordet. Die Regierung brach auseinander. Nach einer Zwischenperiode, in der mit einer all-sozialistischen Regierung unter dem SPD-Mann Johannes Hoffmann nochmals ein Kompromiss zwischen Räten und Parlamentarismus gesucht wurde, kam es am 5. April zur Spaltung. Jetzt – und erst jetzt – wurde eine (reine) Räterepublik ausgerufen. Die Regierung Hoffmann suchte sich im katholischen Bamberg einen Standort, der nicht von der Revolution umtost war und von wo die Konterrevolution angeleitet werden konnte. Die Räterepublik konnte sich zunächst mit einer Streitmacht, die improvisiert aufgestellt wurde und die sich als „Rote Armee“ bezeichnete, gegen rechte, bayerische Militärs durchsetzen. Daraufhin rief Hoffmann Reichswehrminister Noske und dessen Freikorps zu Hilfe. 20.000 Mann preußischer und württembergischer Freikorps rückten von Norden und Westen gegen die Räterepublik vor. Diese konnte sich noch wenige Tage in heftigen Kämpfen verteidigen. Als die Sieger am 2. Mai München eingenommen hatten, folgte, so Sebastian Haffner, Vier Gründe für die Niederlagen.
Oder: Wie die Revolution immer wieder zurückgeworfen und schließlich abgewürgt werden konnte Die mehrfachen Niederlagen der Revolution in Berlin, München und im gesamten Reich werfen die Frage nach den Gründen auf. Zumal dieser Sieg der Konterrevolution und der alten Kräfte, die im Kaiserreich das Sagen hatten, tatsächlich von welthistorischer Bedeutung sind. Die Ereignisse in Deutschland im Zeitraum 1918 bis 1920 beförderten zunächst das Scheitern der Weimarer Republik und bereiteten die Machtübernahme durch die faktischen Nachfolger der Freikorps, die NSDAP, SA und SS im Januar 1933 vor.
Sodann gab es 1918-1923 in vielen Ländern – so in Österreich – Räte und in einigen Ländern (so in Ungarn, in der Slowakei und in der iranischen Provinz Gilan) kurzzeitige Räterepubliken. Die Entwicklung in Deutschland spielte hier überall eine wichtige Rolle und beeinflusste die politische Situation andernorts. Vor allem trug die Niederlage der Revolution in Deutschland erheblich dazu bei, dass die Errungenschaften der Oktoberrevolution in Russland abgewürgt, der Prozess der Entdemokratisierung und der Stalinisierung sich beschleunigte und dass sich dort bis Ende der 1920-er Jahre eine Diktatur durchsetzte, die eine Perversion der sozialistischen Ideale darstellte. Klaus Gietinger: „Hätte die Novemberrevolution wenigstens in Teilen gesiegt, es hätte vermutlich keinen Hitler und vermutlich keinen Stalin gegeben. Und hunderte Millionen Menschen hätten länger und gut gelebt.“ Es waren im Wesentlichen vier Gründe, die für diese Niederlage verantwortlich waren: zunächst die fehlende Führung, sodann das am Ende unzureichend konkretisierte Konzept einer direkten Demokratie mit Rätestrukturen; des weiteren die Politik der SPD (oder deren Doppelspiel und Verrat) und schließlich die unvorstellbare Brutalität der Konterrevolution. Erstens. Es gab keine bewusste Führung mit ausreichender Verbreitung und Verankerung im deutschen Reich. Dass die Novemberrevolution primär ein spontaner Prozess gewesen sei, ist ebenso unwahr, wie die Behauptung, diese sei in starkem Maß von Spartakus beeinflusst gewesen. Die Revolutionären Obleute waren, wie beschrieben, eine klug handelnde, den Prozess in Berlin im November steuernde und später stark beeinflussende Gruppierung. Ihr Vorgehen und ihre Strukturen hatten einige Ähnlichkeit mit denen der Bolschewiki 1917 (was Richard Müller, Emil Barth, Ernst Däumig und Freunde allerdings wohl von sich gewiesen hätten). Es gab bei den Obleuten sicher personelle Schwächen – siehe das Missmanagement am 10. November im Zirkus Busch (Teil 2 dieser Serie). Es gab deutliche Fehlentscheidungen: Liebknecht als Volksbeauftragter auf dem Obleute-Ticket wäre sicher eine ganz andere Sache gewesen als Haase. An wichtigen Scheidepunkten der Revolution weigerten sich die Radikalen (Obleute, USPD, Spartakus), in Gremien zu gehen, in denen die Mehrheitssozialisten maßgeblich vertreten waren. Das waren offensichtlich fatale Fehlentscheidungen. Die KPD beschloss auf ihrem Gründungsparteitag – entgegen den Forderungen von Luxemburg und Liebknecht –, die Reichstagswahlen im Februar 1919 zu boykottieren. Auch dies war wohl ein Fehler. Doch vergleichbare Fehler, Schwächen und Schwankungen gab es in den Monaten Februar bis Oktober 1917 auch bei den Bolschewiki. Lenin war innerhalb „seiner“ Bolschewiki, als er seine „Aprilthesen“ (im April 1917) schrieb und mit diesen auf eine zweite Revolution hinarbeitete, in der absoluten Minderheit. Das doppelte Manko – auch im Vergleich zu den Bolschewiki – war: Die Obleute waren auf die Hauptstadt beschränkt. Gleichzeitig war die radikale Linke mehrfach gespalten. Auf Reichsebene gab es auf Seiten der revolutionären Kräfte die heterogene USPD[11] und die radikale, oft ultralinke Spartakus-Gruppe. Die Obleute waren überwiegend mit der USPD verbunden; dies aber meist nur in lockerer Form. Als zum Jahreswechsel 1918/19 Spartakus aufgegeben und die KPD gegründet wurde, sprach alles für eine Vereinigung von KPD (Spartakus) und den Obleuten. Das war auch das Ziel von Luxemburg und Liebknecht. Der KPD-Parteitag wurde sogar unterbrochen, um eine solche Vereinigung in letzter Minute zu ermöglichen. Doch diese scheiterte – nicht zuletzt aufgrund von ultimativen Positionen Liebknechts: Dieser bestand u.a. darauf, dass der Name „Spartakus“ weiter im Namen und in Verbindung mit „KPD“ geführt werden müsse. Die Räte agitierten oft, z. B. im Ruhrgebiet, parteiunabhängig, es gab dort eine starke syndikalistische Strömung. Insgesamt waren damit die radikalen Kräfte auch in den großen Auseinandersetzungen im November und Dezember 1918, im Januar 1919 und im März 1920 gespalten. Die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht (und in den Wochen danach die Ermordung anderer prominenter Radikaler, so diejenige von Kurt Eisner (USPD) und Eugen Leviné (KPD) in München und von Leo Jogiches (KPD), Hugo Haase (USPD) und Heinrich Dorrenbach (Volksmarinedivision) in Berlin) beraubte die radikale Linke ihrer führenden Köpfe. Insbesondere die Morde an Luxemburg und Liebknecht waren strategisch geplant. Die beiden personifizierten die Kritik an der SPD-Führung seit dem SPD-Ja zu den Kriegskrediten. Sie analysierten von Beginn der Revolution an in Aufsätzen und Reden und ab dem 18. November 1918 täglich in der Roten Fahne das falsche Spiel, das die SPD-Führer trieben. Vor allem aber „verkörperten Liebknecht und Luxemburg wie niemand sonst in den Augen von Freund und Feind die deutsche Revolution. Sie waren ihre Symbole, und mit ihnen erschlug man die Revolution.“[12] Zweitens. Es gab einerseits in der deutschen Revolution diesen begeisternden Gedanken von Räten. Andererseits wurde diese Idee einer direkten Demokratie nicht verallgemeinert, womit es erschwert wurde, dass sie massenwirksam wurde. Es handelte sich immer „nur“ um eine Idee, die weltweit und spontan aufgegriffen wurde (und dies auch noch in späteren Revolten, so beim Ungarischen Aufstand 1956 und in späteren sozialistischen Modellen, so im Rahmen der Arbeiterselbstverwaltung in Jugoslawien 1945 bis 1989 [13]). In der deutschen Revolution 1918-1920 spielten die Arbeiterräte (anfangs die Arbeiter- und Soldatenräte) eine große Rolle. Sie wurden vielfach spontan gebildet. Dies erfolgte bereits in den Tagen vor dem 9. November in Norddeutschland und im Westen des Reichs. Sie waren aber auch ein zentrales Element in den strategischen Planungen der Revolutionären Obleute. Siehe deren Coup zur Wahl von Arbeiter- und Soldatenräten und dem ersten Treffen dieser Räte im Zirkus Busch am 10. November in Berlin. Bei all dem spielten sicher die historischen Erfahrungen der Pariser Kommune und vor allem diejenigen der Russischen Revolution 1905 und der Oktoberrevolution 1917 eine große Rolle. Trotz einiger Versuche (z.B. seitens Müller und Däumig) wurde kein Gesamtkonzept dieses Rätemodells, das von den wesentlichen Kräften der Revolution mitgetragen worden wäre, entwickelt. Faktisch gab es zwei grundlegende Modelle: das Modell einer reinen Räteherrschaft (teilweise angelehnt an die Oktoberrevolution). Und das Modell, in dem die Räte als Körperschaft der arbeitenden Klassen ein Kontrollorgan gegenüber dem Parlament sein würden (dies scheint das Modell gewesen zu sein, das Kurt Eisner und teilweise Richard Müller und Ernst Däumig vorschwebte). In den „Richtlinien für die Aufgaben und das Tätigwerden der Arbeiterräte“, die im Januar 1919 auf der Vollversammlung der Groß-Berliner Arbeiterräte angenommen wurden, tauchen die Regierung (Volksbeauftragte) und eine Nationalversammlung bzw. ein Parlament allerdings nicht auf. Festgehalten wird: „Die Arbeiterräte sind die berufene Vertretung der werktätigen Bevölkerung. Sie haben die Aufgabe, die Neuordnung in Deutschland zu sichern und auszubauen. […] Das Ziel ihrer Tätigkeit muss die schleunige Sozialisierung des Wirtschafts- und Staatswesens sein.“[14] Unbestritten scheint, dass es ursprünglich bei beiden Modellen mehrere Strömungen und Parteien geben sollte, die Kandidaten zur Wahl der Räte aufstellen würden und dass sich in den Räten die unterschiedlichen politischen Strömungen der arbeitenden Bevölkerung widerspiegeln sollten. Das war auch in den Räten in Russland 1917/18 der Fall. Dass es dort dann zum Ausschluss aller Strömungen, die in Opposition zu den Bolschewiki standen, kam, hat auch viel mit dem aufgezwungenen Bürgerkrieg und der Invasion von ausländischen Heeren zu tun. Es war aber auch ein schwerer Sündenfall der Führung der Bolschewiki um Lenin und Trotzki, der die spätere Stalinisierung begünstigte. Rosa Luxemburg hat diese Entscheidungen frühzeitig kritisiert und vor der Gefahr des Absterbens jeder Demokratie und des Entstehens einer Diktatur gewarnt.[15] Auch wenn es auf den Rätegedanken gewiss kein deutsches Patent gibt, so waren die Räte als Teil des revolutionären Prozesses wohl in keinem anderen Land derart in der arbeitenden Bevölkerung verbreitet und verankert – und zugleich bei den Militärs und im Großbürgertum verhasst – wie in Deutschland 1918-1920. Die heutige Linke und die demokratischen Kräfte hierzulande sollten angesichts der Erfahrungen der deutschen Revolution 1918-20 prüfen, inwieweit Räte als Struktur direkter Demokratie Bestandteil einer zukünftigen solidarischen Gesellschaft sein könnten. Drittens. Der Verrat der SPD-Führung und der SPD-nahen Gewerkschaften spielte eine entscheidende Rolle bei der Niederlage der deutschen Revolution. Das Doppelspiel der SPD war perfide und umfassend. Der Verrat fand in einer organisierten und fast gespenstisch zu nennenden Form statt. Klaus Gietinger findet den Begriff „Verrat“ unpassend, da die SPD-Führung ihre Absichten immer deutlich gemacht hätte. Man könne hier „nicht von Verrat sprechen, sondern einfach davon, dass sich da Führungspersonal der SPD und der Gewerkschaften bis hinein in die Kader der Provinz verbürgerlicht hatte.“[16] Ich tendiere dazu, den Begriff „Verrat“ weiter als moralische und politische Kategorie zu verwenden. Die Mehrheit der arbeitenden Menschen hielt die SPD auch Ende 1918 noch für eine Partei, die Arbeiterinteressen vertreten würde. Sie sah diese nicht auf Seiten der Konterrevolution. Teilweise gewann sie den Eindruck, diese habe sich geläutert. Anders kann man nicht erklären, dass die SPD bei der Reichstagswahl 1919 gegenüber den letzten vorausgegangenen Wahlen von 1912 zugelegt hat – und die USPD nur auf eher bescheidene 7,6 Prozent kam. Die Entwicklung des allgemeinen Bewusstseins verläuft – nicht zuletzt bedingt durch die bürgerliche Propagandamaschinerie – deutlich verlangsamt und oft sprunghaft. Hinzu kommt: Dass es einen „Verrat“ der SPD-Führung im moralischen Sinn gab, war seit ihrer Zustimmung zu den Kriegskrediten im August 1914 eine in Deutschland weit verbreitete Erkenntnis. Doch die hier beschriebene organisierte und vielfach bis zur Selbstverleugnung und Selbstzerstörung betriebene Form des Doppelspiels, diese intensive Zusammenarbeit zwischen SPD-Führung und Konterrevolution, überstieg wohl alles, was auch aufgeklärte Menschen im revolutionären Deutschland für möglich gehalten hatten. Wäre beispielsweise bereits während der Höhepunkte der Revolution aufgedeckt worden, dass es die ständigen Absprachen zwischen Ebert und Groener über die beschriebene geheime Telefonleitung gegeben hatte, hätte es also damals eine Art Wikileaks mit der entsprechenden Dokumentation, der Mitschrift, dieser Gespräche gegeben, so hätte dies zweifelsohne die Glaubwürdigkeit, die die SPD-Führung damals noch in weiten Kreisen der arbeitenden Klasse hatte, nachhaltig erschüttert. Die Bourgeoisie jedenfalls kannte die weiterhin integrierende Kraft der Sozialdemokratie. Sie wusste, dass die Führungen von SPD und Gewerkschaften das Vertrauen der Massen hatten, dass es also große Chancen auf ein Funktionieren des Doppelspiels gab. Und diese Bourgeoisie setzte noch vor Kriegsende bewusst auf die SPD und die SPD-nahen Gewerkschaften als ihre Retter vor der Revolution. In der Arbeit von Richard Müller wird ein einmaliges Dokument wiedergegeben, das dieses Langzeitdenken des deutschen Großbürgertums belegt. Es handelt sich um eine Rede von Dr. J. Reichert, des Geschäftsführers des Vereins Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, die dieser am 30. Dezember 1918 vor einem internen Gremium der Unternehmer hielt und in der dieser über interne Debatten in den Industriellenkreisen vor Kriegsende wie folgt berichtet: Viertens. Die Brutalität, mit der die Konterrevolution gegen die revolutionären und demokratischen Kräfte vorging, ist in der Geschichte der modernen Gesellschaft und in der jüngeren deutschen Geschichte einmalig. Es gab in Deutschland einen von den Rechten betriebenen und von der SPD-Führung orchestrierten langanhaltenden Bürgerkrieg. In diesem wurden Waffen eingesetzt, wie sie „eigentlich“ nur im Krieg und „eigentlich“ nur gegen eine vergleichbar ausgerüstete militärische Gruppe bzw. Armee zum Einsatz kommen. Die SPD-geführte Regierung und ihr Frontmann auf dem Gebiet Konterrevolution und Massaker, Gustav Noske, bauten binnen weniger Monate eine gigantische Bürgerkriegsarmee auf, die in erster Linie aus Freikorps-Einheiten bestand. Auf dem Höhepunkt dieses Bürgerkriegs gab es 68 anerkannte Freikorps mit – laut Noske – insgesamt vierhunderttausend Mann. Die Freikorps glichen eher Landsknechtstrupps; Gietinger spricht von „autoritär geführten Stoßtrupps mit hoher Zerstörungskraft; Kampfblöcke.“[18] Die Freikorps waren auf ihre Führer eingeschworen, die Mentalität der Freikorps-Männer war durchgehend reaktionär, teilweise noch monarchistisch eingestellt, überwiegend bereits rechtsextrem und faschistisch. Auch wenn sie von der SPD-geführten Regierung immer wieder zu Hilfe gerufen wurden, hassten die Freikorps-Männer nicht nur die Revolutionäre, sondern vielfach auch die SPD – und in jedem Fall die „Republik“. Finanziert wurden die Freikorps teilweise von Großunternehmern wie Hugo Stinnes, überwiegend aber aus der Reichskasse, also bis Mitte 1920 auf der Grundlage von Entscheidungen der jeweiligen SPD-geführten Regierungen. Nach den heutigen Begriffen würde man von einer halb-privaten Söldner-Armee nach Art der Blackwater-Einheiten im Irak-Krieg 2003ff sprechen. Die Freikorps-Männer waren Berufssoldaten auf Zeit, Job-Beschreibung „Bürgerkrieg; Straßenkampf; zu Liquidationen befähigt“. Vor allem waren diese Leute gut bezahlt. Dazu heißt es in einer Studie über den Gründer des ersten Freikorps, Georg Maerker: Angesichts eines kaiserlichen Heeres, das in den vier Weltkriegsjahren 13 Millionen Mann durchlaufen hatten, das bei Kriegsende mehr als fünf Millionen Soldaten zählte, das im Zeitraum November 1918 bis Frühjahr 1919 rasant auf bis wenige Hunderttausend Mann geschrumpft war und angesichts einer darniederliegenden Wirtschaft mit wenig Möglichkeiten für einen „anständigen“ Broterwerb, boten diese Freikorps höchst interessante Erwerbsmöglichkeiten. Das „Werben fürs Sterben“, das aktuell die Bundeswehr mit eher wenig Erfolg betreibt, stieß unter solchen Bedingungen auf fruchtbaren Boden. Die Soldateska, die auf diese Weise aufgebaut wurde, hatte überwiegend ihr „Handwerk“ im Krieg gelernt. Viele der Freikorps-Männer hatten zuvor im Krieg jede Wertschätzung von Menschenwürde und Leben verloren. Dabei handelte es sich bei den Angehörigen der Freikorps fast immer um Menschen, deren extrem rechte – monarchistische und faschistische – Gesinnung die allgemeinen Verrohungstendenzen, zu denen es im Krieg kam, ergänzten. Der Freikorps-Offizier Friedrich Wilhelm von Oertzen schrieb: Mit entsprechender Geisteshaltung und Mordpraxis agierten die Freikorps in Russland, im Baltikum, in Polen… und in Deutschland. Haffner schreibt in seiner Bilanz des Terrors in München nach Niederschlagung der Bayerischen Räterepublik, dass dem Agieren dieser Truppen „etwas vom Charakter einer fremden Invasion und Besetzung anhaftet. Die preußischen Freikorps fühlten und benahmen sich wie Sieger in einem eroberten Land.“ Klaus Gietinger zieht einen ähnlichen Vergleich und verbindet dies mit dem Vorausgegangenen und dem noch Kommenden: Macron und Merkel plädieren für Hochrüstung
… als Lehre aus dem Ersten Weltkrieg Womit wir wieder bei des Bundespräsidenten Aussage vom 9. November 2018 sind, wonach die „gemäßigten Kräfte“, die SPD-Führung, einen „Kompromiss“ mit den „gemäßigten Kräften des Bürgertums“ gesucht und gefunden hätten. Nein! Es gab eine solche Kompromisssuche nicht. Die Revolution scheiterte auch, weil die SPD elementare Grundwerte, für die sie damals und heute laut Programm eintritt, etwa für Frieden, mit Füßen trat und mit denjenigen Kräften zusammenarbeitete, die für den Ersten Weltkrieg die wesentliche Verantwortung tragen und die dann den Zweiten Weltkrieg vorbereiteten. Selbst für die Waffenstillstandsverhandlungen delegierte die SPD Leute, die Kriegsbefürworter waren. Dabei machte sich die deutsche Verhandlungsdelegation gegenüber den Siegermächten unglaubwürdig; die dann harten Bedingungen des Versailler Vertrags wurde bereits durch das Personal, das den Friedensvertrag auf deutscher Seite mit aushandeln sollte, begünstigt.[22] Diejenigen, die, wie Steinmeier, die Novemberrevolution derartig umdeuten, fehldeuten und verleugnen, nutzen heute bereits wieder das Gedenken an diese Revolution mit deren radikalen Forderungen nach Entmilitarisierung und Frieden, um Militarisierung zu fördern und auf neue Kriege vorzubereiten. Der französische Präsident und die deutsche Kanzlerin warben im November 2018 im Zusammenhang mit den Erinnerungsveranstaltungen zum Kriegsende für eine „Europa-Armee“. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung enthielt am 12. November 2018 einen Leitartikel, in dem ein fataler Bogen von den behaupteten Schlafwandlern des Jahres 1914 zur Forderung nach einer Militarisierung der EU 2018 ff gezogen wurde. Dort heißt es: Ein solches deutsches Plädoyer für eine neue Militarisierung und Hochrüstung, nunmehr mit einem Verbündeten, der über Atomwaffen verfügt, ist fatal. Die Behauptung, wonach die Menschen bei den beiden Friedensgesten in Verdun bzw. in Compiègne an Aufrüstungsprojekte denken bzw. sich eine neue Hochrüstung herbeiwünschen, ist absurd und infam. Dennoch ist der FAZ-Leitartikel bitterer Ernst, der zur neuen blutigen Wirklichkeit werden könnte. Zumal die jüngere Entwicklung des Kapitalismus mit einer drohenden neuen Finanz- und Wirtschaftskrise und einem bereits stattfindenden neuen Handelskrieg deutliche Parallelen zur Periode vor dem Ersten Weltkrieg aufweist. Umso wichtiger ist eine Wiederinbesitznahme der Grundidee der Novemberrevolution mit den Forderungen nach Abrüstung, nach Frieden und nach umfassender und direkter Demokratie. Die Sätze, die Sebastian Haffner vor einem halben Jahrhundert als Bilanz seiner Arbeit und der Novemberrevolution schrieb, haben auch heute Gültigkeit: Entreißen wir die verratene und verleugnete deutsche Revolution von 1918/19 dem Dunkeln! Rücken wir die Ideale von Frieden und Demokratie ins Licht! Klaus Gietinger und Winfried Wolf veröffentlichten 2017 das Buch „Der Seelentröster. Wie Christopher Clark die Deutschen von der Schuld am Ersten Weltkrieg erlöst.“ (Schmetterling Stuttgart). Er stützt sich in seinem hier veröffentlichten Text vor allem auf Klaus Gietinger, November 1918. Der verpasste Frühling (Nautilus, Hamburg 2018), Sebastian Haffner, Der Verrat – Deutschland 1918/19 (verschiedene Ausgaben verschiedener Verlage) und Richard Müller, Die Geschichte der Revolution (ursprünglich drei Bände; zuletzt Berlin 2011, Buchmacherei). | Winfried Wolf | Vorbemerkung: Wir bringen auf den NachDenkSeiten in drei Teilen einen ausführlichen Text von Winfried Wolf zur Novemberrevolution, zur Bayerischen Räterepublik und zur aktuellen Debatte über diese Ereignisse. Der erste Teil “Serie zur Novemberrevolution – Teil 1” hatte drei Ereignisse, die zum Verständnis der Revolution wichtig sind, zum Thema. In Teil 2 „Serie zur Novemberrevolution – Teil 2“ ... | [
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] | 07. Dezember 2018 9:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=47668&share=email |
Leserbriefe zu „Baerbock: Annalena, die „Maskulinisten“ und der böse Russe“ | Dieser Beitrag thematisiert die mediale Berichterstattung über die grüne Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Annalena Baerbock. Der „massiven und distanzlosen Kampagne“ zugunsten der Kandidatin folge der Versuch, „alle Baerbock-Kritiker und die Kritik an ihr allgemein zu diskreditieren“ – als „rechts“ oder „vom Kreml gesteuert“. Tobias Riegel vermutet, dass dies geschehe, „um einerseits die Unerfahrenheit und andererseits die teils drastischen Standpunkte der Kandidatin zu verschleiern“. Über einige ihrer Standpunkte hatte Jens Berger zuvor berichtet. Danke für die interessanten Leserbriefe. Es folgt eine Auswahl. Zusammengestellt von Christian Reimann.
1. Leserbrief Lieber Herr Riegel, danke dass sie noch einmal dieses Video verlinken, indem Frau Baerbock sich derart arrogant und intellektuell minderbemittelt entblößt, dass sogar ihr Kompagnon Habeck sich das Schmunzeln nicht verkneifen kann. Gefälschte Nacktbilder von ihr im Netz? Würde mich nicht wundern, wenn das von denselben kommt, die sie so vehement verteidigen. Um ernsthafte Kritik zu diskreditieren. Wie sagte man früher im “Netz” über eingebildete Größen wie Baerbock? “Intelligenz von einem Quadratmeter Torfmooos nach einer Sommerdürre”. Das braucht es offenbar, um kritiklos die Dummheiten und Schweinereien der Transatlantiker vorzutragen. Und gleichzeitig vermeintliche “wissenschaftliche” Qualifikation (nebenbei: Familienministerin gerade zurückgetreten, wegen fragwürdigem Doktortitel), um Eindruck zu machen. Am besten was mit “Doktor” oder halt “aus dem Völkerrecht kommend”. Es ist so peinlich, dass man sich mit diesem Mist gar nicht mehr beschäftigen mag. Aber leider gleichzeitig gefährlich, wollen die doch wieder gen Moskau marschieren. Das sind die neuen Faschisten, ohne wenn und aber. Herzliche Grüße an die NachDenkSeiten, wir brauchen Euch!
Rolf Henze 2. Leserbrief Wir lesen hier in Kanada Ihre Website sehr gerne. Beim Artikel vom 19. Mai über Baerbock kommt mir der Gedanke auf, daß sie als Bauernopfer gewählt und gedacht ist. Da sie als unmöglich rüberkommt, und gegen alles ist, was die Mehrheit der Deutschen eigentlich wollen, Nordstream 2, Friede mit Russland, keine Militäreinsätze, so haben die Wähler letzten Endes keine andere Möglichkeit als wieder die CDU zu wählen. Das ist der Plan. MfG Helga Weber 3. Leserbrief Liebes Leserbriefteam, lieber Tobias Riegel, ein schönes Thema: Frauen in der Politik und erst recht jetzt Annalena Baerbockk – gespickt mit Tretminen – da muss Mann sehr, sehr vorsichtig sein und Frau etwas. Nun steht A.B. für 5 Jahre Ausbildung unter den Fittichen des Weltwirtschaftsforums – wie Jens Spahn und ehemalige wie Angela Merkel oder Ursula v.d.Leyen. Da wissen wir, woher der tragende Wind weht. Es gibt für die Weltwirtschaft derzeit nichts Besseres als der Ruf “Frauen an die Macht.” Denn diese sind viel besser manipulierbar als Männer. Sie wollen nach Oben. Sie sind jung, politisch total unerfahren auch was die neuere politische Geschichte nach dem 2.WK angeht und die Übergänge in die Globalisierung mit dem Aufkommen des Neoliberalismus, der weltweiten Ausbeutung und auch der Kriege für Handelswege, wie derzeit von AKK vorgemacht wird in Richtung China. Hinter diesen Frauen stehen Männer, die die Strategie vorgeben. Frauen werden nun mal auch nach dem Aussehen beurteilt, was auch für Männer gilt. Nur, das wird nicht thematisiert. Und wenn eine dann so glatt aussieht wie Baerbock, (mit einem sehr scharfen Zug um den Mund der kein Pardon kennt) hat sie gute Chancen, dann noch ein gutes Potential an Selbstüberhöhung und Arroganz, eine Portion Frechheit und Dreistigkeit wie derzeit zu sehen am Umgang mit Boris Palmer. Eine Frau die beißen kann – als gutes Vorbild für andere Frauen, die noch schüchtern sind. Dafür bekommt sie tosenden Beifall von den grünen spätpubertierenden Anhängern. Allerings ein Schlag ins Gesicht für alle Männer, wie sich Harbeck in dem Video darstellt. Lächelnder Großvater der seiner Enkelin, die nach ganz, ganz oben will, schweigend zuhört. sich selbst als Völkerrechtlerin darstellt und ihn als Kuh-und Schweinehirten…. Beide haben kein Potential, dass ausreifen könnte für eine friedliche, faire Politik für Deutschland, die EU und die Welt. Sie sind Nullen, die gefüllt werden würden von den Drahtziehern, die hinter ihnen stehen. Die Politik – derzeit ein Tollhaus für alle Psychopathen mit großen und kleinen Schäden, die keinen Anstand und keine Toleranz kennen und die Gier nach Anerkennung sie blind und taub macht. Das wissen die männlichen Förderer und sie haben leichtes Spiel. So benutzen sie dann auch gerne die Mutterschaft von Baerbock als Köder: Jede Frau kann, auch wenn sie Mutter ist, Kanzlerin werden. Na klar. Eben nicht jede, sondern nur bestimmte Frauen und die tun nichts Besseres und mehr für die arbeitenden Mütter und deren Kinder als das Männer machten. Siehe Fischer-Schröder. Beide aus armen Verhältnissen und machten diese in ihrer politischen Phase noch ärmer. Oder hat Baerbock als Mutter schon mal gesagt, dass, wenn sie BK wäre, auf jeden Fall dafür sorgen würde, dass Hartz 4 gänzlich abgeschafft wird auch zu Gunsten der Mütter mit den Worten, die sie gerne benutzt: Dafür stehe ich. Dafür stehen wir Grünen? Nein! Sie plant Kriege und sitzt der amerikanischen Politik auf dem Schoß. Noch mehr Elend für Deutschland! Fremdbestimmte Politik kennen wir schon von Merkel und wie es aussieht, wird es so weitergehen, wenn Frauen an der Macht sind. Vielleicht ist das auch so, weil kompetente Männer sich wegducken und die Konfrontation mit den Frauen fürchten? Denn wenn “Frauen zu Hyänen werden” – dann gibt es Turbulenzen und ich denke, dass Männer diesen sehr gut gewachsen sind. Sie sollten sich trauen! Für eine friedliche, weltfreundschaftliche Politik, die brauchen wir nämlich und keine Sprechpuppen, die zwar eine große Klappe haben, wo aber nichts dahinter ist und die von Männern aus der Welt-Wirtschaft dirigiert werden. Freundliche Grüße
Karola Schramm 4. Leserbrief Hallo und guten Tag. Unsere Medien sehen sich nicht mehr als Berichterstatter, welcher neutral über das politische Geschehen zu berichten hat, damit man als Konsument sich eine Meinung bilden kann, sondern sie machen mittlerweile die Politik, zumindest versuchen sie es. Das ganze Schmierentheater um die oliv-grünen und Frau Baerbock erinnert an den medialen Hype, der vor vier Jahren um Sankt Martin gemacht wurde, wahrscheinlich allerdings mit dem Unterschied, dass sie Frau Baerbock nicht so abschmieren lassen, wie den Herr Schulz damals. Es wird wohl darauf hinaus laufen, dass unsere nächste Regierung eine oliv-grüne Kanzlerin bekommt. Um das zu erreichen sind sich unsere Medien für nichts zu schade. Hier fällt mir wieder der Begriff “Lückenpresse” ein, denn was nicht passt, über das wird nicht berichtet, allen voran das Frau Baerbock für jeden Waffengang zu haben sein wird, ähnlich wie unsere Kriegsministerin. Sie müssen ja auch nicht hin… von unserem Leser U.E. Anmerkung zur Korrespondenz mit den NachDenkSeiten Die NachDenkSeiten freuen sich über Ihre Zuschriften, am besten in einer angemessenen Länge und mit einem eindeutigen Betreff. Es gibt die folgenden Emailadressen: Weitere Details zu diesem Thema finden Sie in unserer „Gebrauchsanleitung“. | Redaktion | Dieser Beitrag thematisiert die mediale Berichterstattung über die grüne Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Annalena Baerbock. Der „massiven und distanzlosen Kampagne“ zugunsten der Kandidatin folge der Versuch, „alle Baerbock-Kritiker und die Kritik an ihr allgemein zu diskreditieren“ - als „rechts“ oder „vom Kreml gesteuert“. Tobias Riegel vermutet, dass dies geschehe, „um einerseits ... | [] | [
"Leserbriefe"
] | 27. Mai 2021 13:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=72844&share=email |
Jan Böhmermann und die skandalös doppelten Standards im öffentlich-rechtlichen Rundfunk | Identität und Wohnort eines politischen Gegners hat der ZDF-Moderator Böhmermann auf der großen TV-Bühne angedeutet. Das ist sehr bedenklich, möglicherweise erfüllt das Verhalten auch den Straftatbestand des „Doxing“, also einer Veröffentlichung von privaten Details, um politische Gegner zusätzlich individuell in ihrem Umfeld unter Druck zu setzen. Diese Strategie ist zu ächten – auch wenn sie von „den Guten“ im ZDF praktiziert wird. Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download ZDF-Moderator Jan Böhmermann hat in der aktuellen Ausgabe des „ZDF Magazin Royale“ die Identität und den Wohnort des bisher anonymen Betreibers des Youtube-Kanals „Clownswelt“ im Fernsehen öffentlich angedeutet*, wie die Berliner Zeitung berichtet. Der Kanalbetreiber habe Hunderttausende Abonnenten und kommentiere und kritisiere regelmäßig Interviews von Politikern und Beiträge aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, so der Artikel. Wie Böhmermann in seiner Sendung nun erklärte, habe der Kanalbetreiber sein Recht auf Anonymität verwirkt. „Wer im Internet vor 227.000 Abonnent_innen die Wahrheit sagt, ‚Clownswelt‘, der kann doch auch sein Gesicht zeigen. Also, wer steckt hinter der Maske?“, so Böhmermann dazu. Gemeinsam mit der Zeit recherchierte das „ZDF Magazin Royale” demnach die Identität des Mannes. Den Angaben der Sendung zufolge handelt es sich dabei um einen Mann aus Ostwestfalen, weitere Infos zur Person sollen hier nicht verbreitet werden. Böhmermann nennt in der Sendung aber sowohl den Vornamen* des Mannes als auch seinen beruflichen Werdegang sowie weitere identifizierende Merkmale. Im Zuge der vorhergehenden „Recherchen“ wurden wohl sogar die Eltern des Mannes in ihrem Privathaus von Journalisten belästigt. Einen Ausschnitt aus der betreffenden Böhmermann-Sendung hat der X-Nutzer RealTom unter diesem Link veröffentlicht: „Die Guten“ und das „Doxing“ Das Öffentlichmachen von Identitäten und Wohnorten von politischen Gegnern ist total abzulehnen. Wer so etwas macht, verlässt endgültig die Ebene der erlaubten politischen Auseinandersetzung. Das Urteil darüber – wenn schon nicht juristisch, so doch mindestens moralisch – ist eindeutig: Dieses Verhalten ist schäbig und durch keine „edlen“ Motive zu rechtfertigen. Die Praxis, politische Gegner unter Druck zu setzen, indem man durch die Veröffentlichung von Namen und Wohnort ihr Privatleben in den politischen Kampf hineinzieht, wurde in der Vergangenheit auch von Rechten genutzt und entsprechend hart kritisiert. Die Praxis wird auch als „Doxing“ bezeichnet, und sie ist laut ZDF inzwischen verboten. Ob der betreffende Paragraf auf das Verhalten von Böhmermann anzuwenden ist, müssen Juristen beurteilen – der Absatz lautet: Der Twitter-Nutzer Argo-Nerd, ein Spezialist für Collagen zu doppelten Standards, hat das Thema „Doxing“ und seine Behandlung beim ZDF unter diesem Link mal so kombiniert: Retourkutschen sind jetzt ebenfalls abzulehnen Es gibt Dinge, die macht man einfach nicht, das „Doxing“ gehört dazu. Dass nun von „den Guten“ im ZDF solche abzulehnenden Taktiken auf der großen TV-Bühne zelebriert werden, ist schwer zu ertragen. Das Verhalten wird nun, zusätzlich zur prinzipiellen Kritik an einem solchen Verhalten, wahrscheinlich eine Steilvorlage für rechte Nachahmer bilden. Es gibt jetzt schon solche ebenfalls abzulehnenden Reaktionen, etwa gegenüber Grünen-Politikern. Ich würde auch solche Retourkutschen als Reaktion auf Böhmermanns Verhalten scharf kritisieren – diese Strategie muss ganz grundsätzlich geächtet werden. Auch um eine Dynamik des Gegenseitigen „Doxings“ zu unterbinden, sollte es jetzt eine Reaktion auf das Verhalten von Böhmermann geben. Wenn dieses Verhalten selbst auf der etablierten öffentlich-rechtlichen TV-Bühne jetzt so durchgeht, könnte das ein „offizieller“ Startschuss für das gegenseitige Ausschnüffeln des Privatlebens aus allen politischen Richtungen werden. Der Betreiber von „Clownswelt“, der politisch-inhaltlich hier nicht verteidigt wird, hat sich laut Medien nun auch geäußert. Laut Berliner Zeitung ist die Reichweite seines Kanals seit der Böhmermann-Sendung „massiv gestiegen“. Angepasstes „Kabarett” Böhmermann ist schon öfter mit mindestens grenzwertigen Aktionen aufgefallen, unter vielem anderen etwa mit seiner Sendung über den damaligen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, dem er Nähe zum russischen Nachrichtendienst vorgeworfen hatte. Böhmermann bezeichnet, wie die kürzlich in diesem Artikel mal wieder thematisierte Sarah Bosetti, sein Agieren oft als „Satire“ – tatsächlich ist das Programm beider TV-Sternchen über weite Strecken meiner Meinung nach keine Satire, ebenso wenig wie weite Teile von „Heute Show“ oder „Extra Drei“. Statt Persiflagen auf die Phrasen der Mächtigen zu verfassen (etwa zu den Themen Corona oder Militarisierung), ist diese Art der „Satire“ oft eine mit Kraftausdrücken gewürzte Verstärkung der Kommunikation der Mächtigen – Ausnahmen gibt es, aber sie bestätigen die Regel. Im Artikel „Jämmerliches „Kabarett“: TV-Satiriker schützen die Kriegspolitik” hatte ich über die angepassten Vertreter der etablierten TV-Komiker geschrieben: Die Finanzierung von polarisierenden Charakteren wie Böhmermann oder Bosetti durch die Beitragszahler wäre übrigens akzeptabel, wenn von diesen Gebühren auch inhaltliche und politische Gegenpole zu den ganz überwiegend angepassten TV-„Satirikern“ bezahlt und prominent präsentiert würden. Aber das ist nicht der Fall, und so entsteht der Eindruck eines zum Teil giftigen und tendenziösen Gleichklangs, der mit dem Auftrag der Ausgewogenheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht vereinbar ist. Titelbild: Screenshot/ZDF *Die Berliner Zeitung hat ihren Artikel nachträglich geändert, darum wurde diese Stelle ergänzt. | Tobias Riegel | Identität und Wohnort eines politischen Gegners hat der ZDF-Moderator Böhmermann auf der großen TV-Bühne angedeutet. Das ist sehr bedenklich, möglicherweise erfüllt das Verhalten auch den Straftatbestand des „Doxing“, also einer Veröffentlichung von privaten Details, um politische Gegner zusätzlich individuell in ihrem Umfeld unter Druck zu setzen. Diese Strategie ist zu ächten - auch wenn si ... | [
"ÖRR",
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] | 12. Mai 2025 11:40 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=132815&share=email |
Zweiter Nachtrag zu Becks Treppenwitz | Uns erreichen Erfahrungsberichte aus der Arbeitswelt, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen. Diese Erfahrung kommt in den Talkshows ohnehin zu kurz. Ein Grund mehr für uns, die Spalten dafür zu öffnen. Hier der Bericht eines anderen „Leistungsträgers“:
Danke für die Ermunterung, aber wir überschätzen uns nicht. | Albrecht Müller | Uns erreichen Erfahrungsberichte aus der Arbeitswelt, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen. Diese Erfahrung kommt in den Talkshows ohnehin zu kurz. Ein Grund mehr für uns, die Spalten dafür zu öffnen. Hier der Bericht eines anderen „Leistungsträgers“:
Hallo Nachdenkseiten!
Kann ihnen zu Becks Treppenwitz nur zustimmen. Als vermeintlicher Betriebsmeister (Erklärung weiter unten) sehe i ... | [
"Beck, Kurt"
] | [
"Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik"
] | 05. September 2006 12:31 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=1669 |
Der „Aufstand der Alten“ oder die Panik der „Generation Ich“. Nötig wäre ein Aufstand der demokratischen Kontrollorgane des ZDF gegen eine einseitige Werbekampagne | Der Autor und Regisseur der Doku-Fiction „Aufstand der Alten“, Jörg Lühdorff ist Jahrgang 1966, gehört also zu der Generation der 40-Jährigen, die von der ARD-Sendung Greisenland für die Überalterung verantwortlich gemacht wird, weil sie nicht genug Kinder gezeugt hat.
Das ist natürlich simpler Quatsch. Aber die Grundphilosophie des ZDF-Stücks lässt einen doch darüber nachdenken, ob sie nicht den Zeitgeist eines Teils der zu den derzeitigen Gewinnern zählenden Altersgruppe ausdrückt, die ihrem eigenen Nutzen lebt sich vor allem auf ihre Ellbogen verlässt und die keine Orientierung an anderen gesellschaftliche Normen mehr anerkennt und für die Solidarität oder das Gefühl für sozialen Ausgleich unbekannt oder verschüttet sind. Solche nur ihren eigenen Nutzen maximierenden Leute müssen natürlich in Panik geraten, wenn sie an ihr Alter im Jahre 2030 denken, wo ihr Paradigma – jeder ist seines Glückes Schmied – für sie persönlich an ihre physischen Grenzen stößt. Und diese Panik drückt sich nach meinem Eindruck in der Horror-Doku-Fiction aus. Wolfgang Lieb.
Solche Menschen, die vor allem mit ihrem aktuellen persönlichen Vorteil kalkulieren, können kaum noch auf den Gedanken kommen, dass eine Gesellschaft ihre technologische Basis erweitern, Produktivitätsfortschritte erzielen könnte, der von allen hergestellte „Kuchen“ größer werden könnte, so dass alle – vielleicht weniger Junge und auch mehr Alte – davon ausreichend satt werden und besser leben könnten, wenn man zukünftig den Kuchen nur ein wenig gerechter verteilte.
Sie können sich gemäß den heute gängigen Parolen von der armutsabsichernden Grundrente nur vorstellen, dass die Rente bis 2030 nur auf 560 Euro gestiegen ist. Und in ihrer unkritischen Distanz zu einem zunehmend ausbeuterischen Kapitalismus gehen sie in ihrer Zukunftsbetrachtung halt auch davon aus, dass die Alten ihre Rente an eine gleichfalls ausbeuterische „Pro Life AG“ verkaufen, die ihnen dafür ein gutes Leben bis ans Ende vorgaukelt.
Insofern ist der Film – ungewollt – eine Kritik am Zeitgeist, mit seinem Abbau des Sozialstaates, seinem inhumanen Marktradikalismus und seiner unsolidarischen Propaganda für Eigenverantwortung und der Ideologie, dass es keine solidarische Transferleistung ohne Gegenleistung geben darf – Fördern und Fordern bis zum Ableben eben. Wer sich den Film „Aufstand der Alten“ und anschließend womöglich noch „Frontal 21“ mit der „Alten-Republik Deutschland“ sowie dazu noch das „heute-journal“ angetan hat und zu denen gehört, die befürchten müssen, dass sie das Jahr 2030 noch erreichen, der kann eigentlich nur noch in eine Depression verfallen und sich am besten nur noch Gedanken über ein „sozialverträgliches Frühableben“ machen.
An dieser Fiction ist so viel Wahres dran: So könnte es in Deutschland zugehen, wenn der derzeit herrschende libertäre Zeitgeist die Oberhand behält. Der Film ist ja der Masche von Guido Knopp mit seinen pseudohistorischen Doku-Serien über die Vergangenheit nachempfunden. Man stelle sich aber nur einmal für einen Augenblick vor, ZDF-History hätte diese Dokumentation aus dem Blickwinkel des Jahres 1900 betrachtet. Diese Doku hätte eine (bis zum heutigen Tag empirisch erhärtete) Erhöhung der Lebenserwartung um mindestens 20 Jahre prognostizieren müssen. Sie hätte somit viel mehr Alarm schlagen müssen, als Jörg Lühdorff in seiner Doku-Fiction in die Zukunft, denn seine Fiktion kann sich nach den Modellen des statistischen Bundesamtes auf eine Alterung von allenfalls 6 Jahren stützen. Geht es etwa den Menschen heute in einer Gesellschaft mit einer zurückliegend sehr viel höheren Steigerung der Lebenserwartung denn so schlecht, wie uns das dieser Film bei einer weitaus geringeren Alterung bis 2030 weismachen will?
Wir haben im letzten Jahrhundert sowohl was das Älterwerden als auch was die Zunahme der zu versorgenden Alten anbetrifft viel mehr verkraftet, als nach allen Modellannahmen für die Zukunft errechnet wird. Und das zurückliegend bei deutlich steigendem Wohlstand für alle und einem Auf- und Ausbau der Sozialsysteme (Vgl. Bosbach) das gegenüber dem im Film „dokumentierten“ geradezu nobel ist. Oder nehmen wir das Beispiel der nachfolgenden Sendung Frontal 21 noch dazu: Da soll mit einer Stoffpuppe im Kreißsaal des Knappschaftskrankenhauses der Geburtenschwund und damit die „Schrumpfung“ der Bevölkerung in der Stadt Essen dargestellt werden. Ein Leser hat mir dankenswerterweise die Bevölkerungsentwicklung der Ruhrgebietsstadt zukommen lassen: Danach hatte Essen 1965 750.000 Einwohner und diese Zahl ist bis 2006 auf 582.000 „geschrumpft“. Ist damit die künftige „Weltkulturhauptstadt“ ihrem Aussterben nahe? Ist sie nicht gerade deshalb zu diesen Ehren gekommen, weil sie eine Stadt mit einer lebendigen, zukunftsgerichteten Kultur verkörpert? Nein, ich will ja gar nicht bestreiten, dass, wenn sich nichts ändert, sich aus den statistischen Modellannahmen – und wohlgemerkt nicht aus Prognosen – ergibt, dass die Gesellschaft älter wird. Was man dem Drehbuch aber vorwerfen muss, das ist, dass es daraus eine Katastrophendarstellung macht, die überwiegend darauf beruht, dass die Story ausschließlich auf die Zunahme der Älteren aufbaut, ohne auch nur einen einzigen anderen Faktor, der sich in den kommenden Jahrzehnten genauso verändern wird, auch nur zu erwähnen. Etwa, Aber solche solche triviallogischen Überlegungen würden ja nur die Dramatik des Films stören, ja sogar der Lächerlichkeit preisgeben. Die Dokumentation würde sich als völlig irreale Posse herausstellen. Das alles könnte man in Zeiten von Fantasy-Filmen noch hinnehmen, was aber wirklich ärgerlich an der Pseudo-Doku-Fiction ist, dass einer im Wortsinne einfältige Story, sozusagen mit „Zeitzeugen“ wie dem Versicherungslobbyisten Meinhard Miegel ein seriöser Anstrich gegeben werden soll. Und noch schlimmer: Dass quasi als (im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbotenes) „product-placement“ penetrant für die private Altersvorsorge Reklame gemacht wird.
Der „Held“ Sven Darow ist in Not geraten, weil er „keine Zusatzversicherung abgeschlossen“ hatte und sich im Alter „die Zusatzversicherung nicht mehr leisten“ konnte. Man komme „mit der Grundrente nicht mehr weit“ sagt ein Zukunftsrentner. Man habe „jahrzehntelang seine Rentenbeiträge bezahlt“ und was habe „man jetzt davon“, man werde mit 560 Euro abgespeist! Jeder dritte Rentner falle unter die Armutsgrenze. Der Staat habe eine „offensichtliche Versorgungslücke“ zugelassen. Dass die Rente sicher sei, sei und bleibe ein Märchen. Ein Ehepaar wird zitiert: Die Eltern meines Mannes hätten sich zum Glück nicht auf die Rente verlassen, sie hätten vorgesorgt. Es gäbe eine zunehmende Verarmung und sogar eine steigende Selbstmordrate der Rentner aus „Angst den Angehörigen zur Last zu fallen“. Usw. usf.
Das alles hätte ein Werbefilmer der Versicherungswirtschaft nicht besser machen können. Insofern ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass der Drehbuchautor und Regisseur Lühdorff, bisher seine größten filmischen Meriten vor allem mit Werbespots eingesammelt hat. Er hat seine Ausbildung an der (Werbe-)Filmakademie Baden-Württemberg erhalten, und wie ein Werbefilm wirkt der „Aufstand der Alten“ auch auf weite Strecken. Aber selbst filmisch ist die Fiktion eher nachahmerisch: Einer unser Leser macht mich darauf aufmerksam, dass die im Film gezeigte futuristische Internet-Suchmaschine von Steven Spielberg`s „Minority Report“ abgekupfert wurde. Die Schauspieler mussten sich zu „Un-Schauspielern“ degradieren lassen und ähnlich wie bei Guido Knopp „Zeitzeugen“ mimen. Von Dramatik im Drama keine Spur. Man könnte die pompös angekündigte Doku-Fiction „Aufstand der Alten“ als einen schlecht gemachten Kriminalfilm mit einem dummen Drehbuch abtun, wenn er nicht vom ZDF selbst und von vielen Medien die Weihen einer durchaus realistischen Zukunftsprognose erfahren hätte:
Der Film soll “aufklären”, “aufrütteln” und zeigen, “was uns erwartet, wenn der Anteil der älteren Bürger immer weiter steigt und der der jüngeren hingegen dramatisch sinkt”, sagt etwa ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender.
Damit wird aber aus einem schlechten Film eine unseriöse, ja geradezu perfide Propaganda für die private Vorsorge. Zumal wenn das noch mit anderen Sendeformaten mit gleicher Tendenz unterstrichen und umrahmt wird. So etwa in der Vorankündigung des am Vorabend ausgestrahlten „heute-journals“, in der Nachfolgesendung „Frontal 21“ und dann sogar noch einmal von der blauäugigen Marietta Slomka im darauf folgenden ZDF-Nachrichtenmagazin.
Hinzu kommen weiter noch die themenbezogenen Beiträge von WISO, Mona Lisa und dem Auslandsjournal. So wird aus einer Themenwoche zur demografischen Entwicklung eine Medienkampagne des ZDF für die private Alters- (und nebenbei auch für die private Zusatz-Gesundheits-) vorsorge, wie sie bisher einmalig ist im Deutschen Fernsehen. Mit dem gesetzlichen Verbot von Schleichwerbung und mit der Verpflichtung des ZDF-Programms zur Meinungsvielfalt hat dies nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun.
Wenn die Kontrollgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks noch ihren öffentlichen Auftrag erfüllen wollten, dann müssten sie spätestens jetzt einen „Aufstand“ der dort vertretenen Gewerkschaftsvertreter oder der Vertreter von Wohlfahrtsverbänden gegen eine derart interessengesteuerte Meinungsmanipulation machen. | Wolfgang Lieb | Der Autor und Regisseur der Doku-Fiction „Aufstand der Alten“, Jörg Lühdorff ist Jahrgang 1966, gehört also zu der Generation der 40-Jährigen, die von der ARD-Sendung Greisenland für die Überalterung verantwortlich gemacht wird, weil sie nicht genug Kinder gezeugt hat.
Das ist natürlich simpler Quatsch. Aber die Grundphilosophie des ZDF-Stücks lässt einen doch darüber nachdenken, ob sie nic ... | [
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Beim Stichwort „Elite“ verliert mancher aus unserer eitlen Elite den Verstand. Oder: Wie Julian Nida-Rümelin auf eine Wallraffiade hereinfiel. | Eine fingierte, sich eindeutig rechtslastig gebende „Deutsche Nationalakademie“ lobte eine Ehrendoktorwürde an deutsche Prominente aus. Sie sollten sich zum Erwerb dieses Titels nur dazu verpflichten, sich ganz und gar mit den Zielen der Stiftung einverstanden zu erklären. Der zusammenfassende Schlussabschnitt des Programms der Akademie enthielt boshafter Weise einen den Elitewahn beschreibenden Satz aus Hitlers „Mein Kampf“.
Auf den Lockvogel eines „Dr. hc.“ der für eine einzige Nummer auferstandenen Zeitschrift „Tempo“ fielen einige unserer Geistesheroen, wie „Poptitan“ Dieter Bohlen und der Starfriseur Udo Walz herein. Leider auch der ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin, der laut Wikipedia „zu den momentan bekanntesten Vertretern der akademischen Philosophie gezählt“ werde. Selbst die FAZ meint: „Ein Symptom der voranschreitenden Entkopplung akademischer Eliten von der bundesrepublikanischen Wirklichkeit.“ Wolfgang Lieb.
„Eine Weltanschauung, die bestrebt ist, dem demokratischen Massengedanken eine klare Ablehnung entgegenzubringen und der Elite des Volkes zu neuer Geltung zu verhelfen, muss auch dafür Sorge tragen, dass den besten Köpfen im Alltag und in der Politik der höchste Einfluss zukommt. Damit baut die Deutsche Nationalakademie nicht auf dem Gedanken der Majorität, sondern auf dem der Persönlichkeit auf. Sie setzt sich dafür ein, dass die Besten zum Zuge kommen und nicht das Mittelmaß.“ So lautete der letzte Absatz des Programms einer getürkten „Deutschen Nationalakademie“, auf den sich diejenigen verpflichten sollten, die von ihr einen Ehrendoktor verliehen bekommen wollten.
Selbst wenn man den ersten Satz nicht als Hitler-Zitat erkannt haben mag, hätte man den antidemokratischen und elitären Inhalt erkennen müssen. Nicht so der sich offenbar zu den „besten Köpfen“ zählende Nida-Rümelin, der einen Lehrstuhl für Politische Theorie und Philosophie am Geschwister-Scholl-Institut an der Elite-Universität München vertritt.
(Nebenbei: Dem GSI ist auch das von der Bertelsmann Stiftung geförderte Centrum für angewandte Politikforschung CAP mit dem Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung Werner Weidenfeld als Leiter angeschlossen.)
Nida Rümelin fiel auf diese Leimrute herein, bedankte sich für die „Ehre“ und schloss sich Ziele und Programm dieser fingierten „Deutschen Nationalakademie“ „ohne jeden Vorbehalt“ an.
Zu Recht zog das FAZ-Feuilleton genüsslich über diesen Fauxpas her. Auch wir wollen fairer Weise darauf hinweisen, dass Nida-Rümelin einen Monat später in einer E-Mail darauf hinwies, dass er die Akademie der „Tempo“-Fallensteller mit Helmut Schmidts „Deutscher Nationalstiftung“ verwechselte.
Das hilft aber nicht darüber hinweg, dass bei ihm wie offenbar bei Vielen unserer selbst ernannten „Großkopfeten“ inzwischen offenbar der Verstand aussetzt, wenn es um „Elite“ geht und wenn es um die Missachtung, ja sogar um die „klare Ablehnung“ des „demokratischen Massengedankens“ oder um es mit Heine zu sagen um „das Volk, dem Lümmel“ geht. Dass das ziemlich typisch für das Denken unserer selbst ernannten Eliten ist, beweist auch ein Essay eines sog. Intellektuellen in der SPD-Bundestagsfraktion Hans-Peter Bartels – Mitglied der sogenannten Netzwerker – im Spiegel unter der Überschrift „Wider die Politikverachtung“.
Dort führt dieser Volksvertreter aus, dass sich die Mehrheit des Volkes mit den Regeln der parlamentarischen Demokratie zu wenig auskenne und vor allem deswegen so „politikverdrossen“ sei. Auf den Gedanken, dass eine Politik gegen die Mehrheit des Volkes das Volk auf die Politik verdrossen machen könnte, kommt unser Volksvertreter wohl nicht mehr.
Wäre es – frei nach Bertolt Brecht – nicht allmählich am besten, wenn sich unsere selbst auserwählte „Élite“ (frz. d`élite = auserlesen) ein neues Volk wählte, weil sie das vorhandene für zu mittelmäßig hält? | Wolfgang Lieb | Eine fingierte, sich eindeutig rechtslastig gebende „Deutsche Nationalakademie“ lobte eine Ehrendoktorwürde an deutsche Prominente aus. Sie sollten sich zum Erwerb dieses Titels nur dazu verpflichten, sich ganz und gar mit den Zielen der Stiftung einverstanden zu erklären. Der zusammenfassende Schlussabschnitt des Programms der Akademie enthielt boshafter Weise einen den Elitewahn beschreiben ... | [
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Brasilien – Dilma Rousseff und der Tag danach | Das Folgende ist ein interessanter Beitrag des Südamerika-Korrespondenten Frederico Füllgraf. Es geht dabei um die Rede der Präsidentin Dilma Rousseff gegen den Versuch der Amtsenthebung und die Hintergründe. Albrecht Müller.
Am Vorabend der Senatsabstimmung über Präsidentin Dilma Rousseffs politisches Schicksal verglich der Schriftsteller Luis Veríssimo in seiner Kolumne in O Globo, das seit April 2016 laufende Amtsenthebungsverfahren gegen die Staatschefin mit dem lächerlichen Trauerspiel unter einem Zirkusdach: „Unsere Lage ist wie in der Oper ´Pagliacci´, eine Tragikomödie, burlesk und traurig zugleich”. Veríssimos Metapher wurde tatsächlich bestätigt. Zwei Tage zuvor, von einer Journalistin in den Gängen des Senats auf die Anhörung von Zeugen und Gutachtern angesprochen, verzog der konservative Rousseff-Gegner, Senator Álvaro Dias, seine Gesichszüge zu einem verächtlichen Lächeln und sagte: „Zeugen hin, Gutachter her, was spielt das denn noch für eine Rolle? Das Verfahren wird meine Stimmabgabe jedenfalls nicht ändern. Das hier ist doch bloss eine Inszenierung! In Wahrheit sind wir seit Oktober 2015 von der Richtigkeit der Amtsenthebung überzeugt”. Chronik einer Farce Dias bezog sich auf die Inszenierung eines scheinbar legalen Verfahrens, das mit der Einreichung des Amtsenthebungsantrags am 21. Oktober 2015 begann und im Vorsitz Ricardo Lewandowskis, Präsident des Obersten Gerichshofs, gipfelt. Doch wo bleibt das Wichtigste, ihr angebliches „Verbrechen”?, hinterfragte der ehemalige Generalbundesanwalt und Rousseff-Verteidiger, José Eduardo Cardoso. Vor einem knappen Jahr hatte der damalige Präsident der Abgeordnetenkammer, Eduardo Cunha, die Klageschrift der von der Oppositionspartei PSDB beauftragten Juristen Miguel Reale Jr. und Helio Bicudo mit den Worten entgegengenommen: „Wir werden den Antrag mit vollständiger Überparteilichkeit und im Geist des Gesetzes behandeln” – ein zynisches Legalitätsbekenntnis, wie sich bald zeigen sollte. Doch Cunha hielt den Antrag Monate lang zurück. Als Angeklagter der Generalstaatsanwaltschaft im Petrobras-Skandal, wegen Aneignung von 40 Millionen US-Dollar – wovon 5 Millionen auf geheimen schweizer Konten deponiert sind – schwebte umgekehrt über Cunhas Kopf das Damoklesschwert der Amtsenthebung. Als er den Kontobesitz bestritt und die Kammer belog, berief diese eine Prüfkommission ein. Doch der Kammerpräsident spekulierte mit einem Geschäft: sollte die regierende Arbeiterpartei für seinen Amtsverbleib stimmen, wollte er im Gegenzug den Antrag der PSDB gegen Rousseff mit Geschäftsordnungstricks abwürgen. Es kam anders: die PT votierte für seine Absetzung und der seit Ende 2014 ohnehin wacklige Hausfrieden mit Cunhas PMDB ging zu Bruch. Im Handumdrehen entschied der vielfache Millionär und korrupte Parlamentarier, die Absetzung der Staatspräsidentin durchzupeitschen. Selbst Rousseff – feindliche Blätter, wie Folha de São Paulo, sprechen seitdem von einem persönlichen Racheakt Cunhas („Discurso de Cunha corrobora tese da vingança contra Dilma – Rede Cunhas unterstreicht These einer Rache gegen Dilma”, 07.07.2016). Nach vielfältigen und vergeblichen Versuchen, Rousseff in die Petrobras-Korruption zu verwickeln, oder ihr Wahlfinanzierung mit Schwarzgeld zu unterstellen, eigneten sich die PSDB-Juristen den Vorwurf des brasilianischen Rechnungshofs (TCU) an, die Präsidentin habe mit dem Umherschieben von Ausgaben und verspäteter Rückzahlung von Überbrückungsanleihen der staatlichen Banco do Brasil „ein Verbrechen gegen die Finanzordnung” begangen. Die fragwürdige Argumentation und ihre juristische Unredlichkeit wurden von Cardozo, Experten für Staatsfinanzen und anerkannten Rechtskoryphäen – darunter Prof. Ricardo Lodi Ribeiro und der ehemalige PSDB-Minister Luiz Gonzaga Belluzzo – bis zum Erbrechen als landesweit übliche Routine revidiert, das Verfahren als hanebüchene Verdrehung zurückgewiesen. Ein für allemal wurde klargestellt, dass Rousseffs Handeln den Staatsfinanzen keinen einzigen Cent Schaden zufügte. Doch alles vergebens. Da war jedoch ein unauffälliges Fernsehinterview vom Dezember 2015, das Aufschluss gibt über den eigentlichen Grund für das Manöver gegen die Präsidentin. Zur völligen Verblüffung seiner Interviewer in der Sendung “Espaço Público” (15.12.2015) im Staatssender TV Brasil, gestand der senile, 93jährige Mitautor des Absetzungsantrags, Helio Bicudo, dass „es garnicht mehr um diese Sache des Haushaltsgesetzes geht, dessen Einzelheiten ich nicht in Erinnerung habe, sondern vor allem um ´diese ganze Korruption´, die zum Beispiel bei Petrobras entdeckt wurde!” (siehe ´Espaço Público entrevista Hélio Bicudo – YouTube). Der inzwischen von Übergangspräsident Michel Temer gefeuerte Journalist Paulo Moreira Leite fasste sich an den Kopf: Wieso denn nun wieder “Korruption”, wo doch die Ermittlungsbehörden, so gerne sie wollten, Rousseff keinerlei Involvierung vorwerfen? Auf den Einwand, es sei schlimm bestellt um die Zukunft der Demokratie, wenn eine mit 54,5 Millionen Stimmen gewählte Präsidentin abgesetzt wird, nur weil sie angeblich schlecht regiert, ließ der wild gestikulierende und stotternde Bicudo die Katze aus dem Sack: „Die Oppostion hatte auch fast soviel Stimmen, und im Laufe der Monate wurden die Stimmen für Rousseff ´verbraucht´, also muss sie weg!”. Ein seltenes Geständnis von hirnverbrannter Logik, der Nichtanerkennung demokratischer Spielregeln, des Angriffs auf den Rechtsstaat. In den mehrtätigen Senatsanhörungen seit dem 25. August, brachte es Rousseffs Verteidiger auf den Punkt: Es ist ein Putsch! Der kaschierte Hauptgrund, der sich aus der gesamten Scheinargumentation herauslesen lasse, sei die Missbilligung staatlicher Sozialausgaben durch machtvolle Rentiers hinter den Kulissen des Parlaments. Showdown mit 49 Gesetzesbrechern Rousseffs Entschluss, sich selbst gegen die absurden Vorwürfe zu verteidigen, überraschte ihre Häscher. Vor genau 62 Jahren, im August 1954, schoss sich der von der konservativen Opposition und hetzenden Medien verfolgte Präsident Getúlio Vargas eine Kugel in den Kopf. Zehn Jahre später flüchtete der demokratisch gewählte Reformpräsident João Goulart vor putschenden Militärs über die Grenze. Rousseff hingegen verkündete Widerstand: „Ich denke nicht daran, abzudanken, noch mir das Leben zu nehmen, oder nach Uruguay zu flüchten. Das einzige wirksame Mittel gegen antidemokratische Parasiten ist der Sauerstoff der Debatte, der Kritik und der Wahrheit”. Begleitet von einer 35 köpfigen Delegation, darunter Ex-Präsident Luis Inácio Lula da Silva und öffentliche Persönlichkeiten, wie der Musiker Chico Buarque de Hollanda, betrat zwar eine gedemütigte, doch anders als erwartet, nicht etwa eine ängstliche, sondern lächelnde Staatschefin die Rednertribüne und zeigte, dass sie in bester Form ist. Der Präsidentin wurden 30 Minuten Zeit für ihre Rede zugestanden, sie nahm jedoch fast eine volle Stunde in Anspruch. In – und ausländische Kommentatoren prophezeiten ein Tribunal der Geschichte. Was sich unter dem Vorsitz von Ricardo Lewandowski, Präsident des Obersten Gerichtshofs, abspielte, hatte das Zeug, um Samuel Becketts absurdes Theater in den Schatten zu stellen: auf der Anklagebank eine integre, nachweislich über jeden Verdacht der Korruption erhabene Regierungschefin; auf der Klägerbank mindestens 49 von der Justiz der Korruption, Veruntreuung, Geldwäsche, Entführung und des Mordes beschuldigte, doch straflos amtierende Politiker Auge in Auge mit jenen 59 Parlamentariern, die vor wenigen Wochen für die Zulässigkeit des Verfahrens votierten, nahm Rousseff die Farce Stück für Stück auseinander und dirigierte im Scheinwerferlicht einheimischer und massiv vertretener internationaler Medien die Bloßstellung des Anschlags auf die Demokratie. Ultrakonservative Senatoren hatten am Vorabend versucht, von Lewandowski eine Sprachregelung zu erwirken, nämlich Rousseff die Nutzung des Wortes “Putsch” zu verbieten. Doch es kam anders. „Uns steht ein schwerer Verstoß gegen die Verfassung und ein genuiner Staatsstreich ins Haus”, warnte die Präsidentin, leidenschaftlich. Das Verfahren gegen sie sei politisch motiviert, ziele darauf ab, “die Arbeiterpartei aus der Regierung zu drängen”, und diene dem Zweck, einen neoliberalen Wirtschaftskurs zur Liquidierung sozialer Errungenschaften für die Armen und Mittelschichten einzuschlagen. Ohne Nachweis ihres angeblichen Vergehens sei das Verfahren selbstverständlich ein Putsch, betonte Rousseff mehrmals. Die 68 jährige nahm kein Blatt vor den Mund: sie nannte Amt, Rang und Namen der Drahtzieher ihrer Absetzung. Dem schloss sich eine 13 Stunden lange Befragung von 47 der 81 Senatoren an, mehrheitlich Provokationen Ihrer Feinde – keine leichte Aufgabe für den Magistraten Lewandowski, der als Vertreter des hohen Gerichts dem Verfahren Fairness und Legalität verleihen sollte. Wirklich? Weder hatte das hohe Gericht den Mut, schon vor Monaten dem Spuk den Riegel der Justiz vorzuschieben, noch wurde der korrupte, ehemalige Kammerpräsident Eduardo Cunha bisher verhaftet; weshalb er weiter im Bündnis mit Busenfreund und Übergangspräsident Michel Temer sein Unwesen treibt. Zusammen erwirkten sie, die Entscheidung über seine Entamtung auf Ende September hinauszuzögern. Nach dem Sturz Dilma Rousseffs, so das Kalkül des Duos, könnte nämlich Bandenchef Cunha, der über 200 Mitläufer im Parlament finanziell aushält, als Held des Anschlags gefeiert und seine Amnestierung bei Lewandowskis hohem Gericht beantragt werden. Kein Wunder, sollte es passieren – in Brasilien regieren derzeit Hohn und Zynismus. Nachspiel und Krieg der Narrative Weil Rousseff couragiert der Inszenierung widerstand und ihre Anwälte jedem Scheinargument widersprachen, wuchs die Prozessakte auf 27.000 Seiten an. Im Übrigen: zum Ärger der Verschwörer drehten im Parlament gleichzeitig vier unterschiedliche Filmteams ihre Chronik des programmierten Staatsstreichs. Jedoch: Das Script ist längst nicht zu Ende geschrieben. Sollte Rousseff am 31. August von den Senatoren niedergestimmt werden, wird Cardozo automatisch den Obersten Gerichtshof anrufen. Dieser tendiert natürlich dazu, sich dem Votum des Senats anzuschließen. Des Anwalts Strategie ist, im 11 köpfigen Gericht wenigstens eine Stimme für die Präsidentin zu sichern, denn ein abtrünniger Richter würde nicht umhin kommen, den gesetzwidrigen Charakter des Prozesses beim Namen zu nennen. Das wiederum würde die nächste Instanz – den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte – auf den Plan rufen und eine scharfe Verurteilung durch die Mehrzahl der internationalen Medien zur Folge haben. Setzt sich diese Dramaturgie durch, ist es schlecht bestellt um den internationalen Ruf der brasilianischen Justiz, die dem illegalen Spiel des Kammerpräsidenten Eduardo Cunha untätig zusah und damit ein Verfahren ermutigte, das Rousseffs Rechte verletzte. Sollte jedoch ein Wunder geschehen und mindestens 6 der 59 Senatoren wider Erwarten gegen Rousseffs Absetzung stimmen, muss Michel Temer wenige Stunden später seinen Schreibtisch für die Präsidentin räumen. Doch nicht lange, schon garnicht bis zum offiziellen Ende ihres Mandats, am 31. Januar 2019. Schon am Tag nach einer eventuellen Amtswiedereinführung werden sich drei simultane Fronten gegen Rousseff erheben: Brandstifter-Richter Sergio Moro und Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot drohen bereits der Präsidentin und ihrem Vorgänger Lula mit einem neuen Prozess wegen angeblicher “Justizbehinderung”, und werden im Konzert mit den scharfmachenden Oppositionsmedien Stimmung erzeugen für neue Massenaufmärsche gegen die gelittene Präsidentin und die Arbeiterpartei. Was könnte Rousseff gegen den von Temer beschleunigten Abbau des bescheidenen Sozialstaats und die anvisierte, radikale Privatisierungswelle staatlicher Unternehmen tun? Wenig oder nichts. Setzt sie die Maßnahmen außer Kraft, ruft sie die geballte Macht des in-und ausländischen Kapitals auf den Plan.Bleibt sie untätig, riskiert sie, unter dem Wahlvolk sich noch unbeliebter machen, von dem nach jüngsten Erhebungen ohnehin 62 Prozent Neuwahlen vorziehen. Ein Auge auf dieses unwahrscheinliche Szenario gerichtet, verpflichtete sich die Präsidentin deshalb, in kürzester Zeit ein Referendum über Neuwahlen auszurufen, das die Opposition jedoch ablehnt und bereits als “den wahren Putsch” diffamiert. Dilma oder neoliberale Scheindemokratie heisst das Dilemma – Brasiliens Elite und die Zeichner einer neuen geopolitischen Weltkarte riskieren eine endlose Krise mit explosiven Ausgang. | Frederico Füllgraf | Das Folgende ist ein interessanter Beitrag des Südamerika-Korrespondenten Frederico Füllgraf. Es geht dabei um die Rede der Präsidentin Dilma Rousseff gegen den Versuch der Amtsenthebung und die Hintergründe. Albrecht Müller.
Am Vorabend der Senatsabstimmung über Präsidentin Dilma Rousseffs politisches Schicksal verglich der Schriftsteller Luis Veríssimo in seiner Kolumne in O Globo, das se ... | [
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"Temer, Michel",
"Verteilungsgerechtigkeit"
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"Länderberichte"
] | 31. August 2016 11:44 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=34826&share=email |
Leserbriefe zu „Dokumente der Niedertracht: Pressekonferenz zu den nun vorliegenden völlig ungeschwärzten RKI-Protokollen“ | Florian Warweg berichtet hier über die Pressekonferenz der freien Journalistin Aya Velázquez sowie ihrer Mitstreiter, der freie Journalist Bastian Barucker und der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg, am 23. Juli 2024 in Berlin. Sie stellten die nun erstmals völlig unzensiert vorliegenden Protokolle des RKI-Krisenstabes aus den Jahren 2020 bis 2023 vor. Sie seien „ein Paukenschlag des unabhängigen „alternativen“ Journalismus und zugleich eine fette Backpfeife für die großen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien“. Wir haben hierzu zahlreiche und interessante Zuschriften bekommen. Danke dafür. Es folgt nun eine Auswahl der Leserbriefe. Zusammengestellt von Christian Reimann.
1. Leserbrief Sehr geehrter Herr Warweg, “Dokumente der Niedertracht” beschreiben die Protokolle wahrlich treffend. Bezüglich der Ausführungen von Stefan Homburg zu den RKI-Protokollvermerken hinsichtlich der AstraZeneca Impfungen und den Impfnebenwirkungen quält mich ein Gedanke. Wenn das Risiko mit dieser Impfung an einer tödlich endenden Sinusvenenthrombose zu erkranken 20-mal so hoch war und das RKI dies unmissverständlich klar erkannt hat, stellt sich mir die Frage, mit welchem Impfstoff wurden wenige Wochen später öffentlichkeitswirksam die damalige Kanzlerin Angela Merkel, Vize-Kanzler Olaf Scholz, der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn und Karl Lauterbach wirklich geimpft? War diese Aktion ein reines Schauspiel, ein Schmierentheater für die Bevölkerung um lagernde Bestände von AstraZeneca zu dezimieren? Danke für Ihre unermüdliche Arbeit! Stefan Heine 2. Leserbrief Werte NDS-Redaktion,lieber Albrecht, so reagiert die Deutsche Presse-(Geichschaltungs)Agentur und der Minister Lauterbach auf die Veröffentlichung, die Dank den Nachdenkseiten, jetzt einige Ungeheuerlichkeiten politischer Willkür, Dummheit und Eingriffe in Grundrechte aufdeckt. Dabei werden die investigativen Journalisten angegriffen als verantwortungslose „Rechtsbrecher“, die Persönlichkeitsrechte und Unternehmensgeheimhaltungsansprüche mißachteten. Frage: Wer delegitimiert jetzt die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO)? Bestens,
Reinhold Lang boerse-frankfurt.de/nachrichten/RKI-kritisiert-Veroeffentlichung-ungeschwaerzter-Corona-Protokolle-fe039d9d-91db-4b2b-8f1f-23f32cac6de6 3. Leserbrief Liebe NDS-Redaktion, lieber Florian Warweg, tolle Sache, die lange und sehr spannende Pressekonferenz so knapp zusammen zu fassen! Vielen Dank dafür. Nur eine Bemerkung – nicht als Kritik gegen Euch, sondern als Mutmaßung meinerseits: “Beispielhaft zitiert er aus den RKI-Protokollvermerken zu AstraZeneca. In denen wird vermerkt, dass das Risiko, mit einer AstraZeneca-Impfung an einer oft tödlich endenden Sinusvenenthrombose zu erkranken, 20-mal so hoch ist wie ohne Impfung. Die Gefahr, die von dieser Impfung ausgeht, das wird aus den ungeschwärzten Protokollen unmissverständlich klar, wurde vom RKI klar erkannt. Doch trotz dieser Erkenntnis werden wenige Wochen später öffentlichkeitswirksam die damalige Kanzlerin Angela Merkel, Vize-Kanzler Olaf Scholz, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn und Karl Lauterbach mit AstraZeneca geimpft, verbunden mit der Aufforderung an die Bevölkerung, es doch diesen Politikern gleichzutun.“ Für mich ist das mehr als ein hinreichender Grund anzunehmen, dass diesen Personen NICHT das propagierte Gift gespritzt wurde. Es gab damals kurz Berichte in alternativen Medien, dass eine Krankenschwester im ehemaligen Jugoslawien (habe vergessen, in welchem Teilstaat), davon berichtete, dass Politiker und andere Einflussreiche sich nicht den offiziellen Impfstoff spritzen ließen, sondern eine Salzlösung. Auch die Gerüchte, dass die Superreichen, die nach Davos (bzw. Zürich) einfliegen, nur Piloten mieten wollen, die nicht geimpft sind – weil es unter Piloten zu viele „plötzliche Herztode“ nach den Impfungen gegeben hat, deuten ja in die Richtung. Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein Whistleblower aus dem Gesundheitswesen, der bestätigt, dass unsere „Eliten“ – wie sonst auch immer – für sich das Privileg in Anspruch genommen haben, „gleicher“ zu sein als wir, der Pöbel, und sich eben NICHT der Gefahr ausgesetzt haben, am „Impfstoff“ zu sterben oder auch nur gesundheitliche Beeinträchtigungen hinzunehmen. Apropos: Da ich seit einer Impfung mit „Johnson & Johnson“ unter erheblichen Long-Covid-Symptomen (Covid hatte ich erst im letzten Winter) – ich nenne sie „Long-Impfung“-Symptome leide, J&J aber nicht durch solche massiven Impfschäden aufgefallen ist, halte ich es für sehr gut möglich, dass mir klammheimlich und unter falschem Etikett eine mRNA-„Gentherapie” als „Impfstoff“ verabreicht wurde. Die Protokolle zeigen, dass wir den Poltiikern und den politik-nahen „Wissenschaftlern“ NICHTS glauben dürfen (aber das gilt ja ohnehin seit … 1914?), warum sollten wir ihnen also nicht auch zutrauen, im Interesse der Pfizer-Aktionäre deren Genmittel verabreicht lassen zu haben – schließlich waren und sind sie ja offensichtlich auch bereit, den Tod von Kindern und Jugendlichen in Kauf zu nehmen. Ob wohl Dr. Mengele gerade in seinem Grab rotiert …? Beste Grüsse
Bernd Kulawik 4. Leserbrief Sehr geehrter Herr Warweg, wir brauchen nicht nur eine Aufarbeitung der Maßnahmen, wir brauchen ein Tribunal, vor welches sich die Akteure zu verantworten haben. Sie haben Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, Die einrichtungsbezogene Impfpflicht mit einem auf völlig dubiose Weise die Notfallzulassung erhaltenen „Impfstoff“ ist nichts weiter als die Anordnung von Menschenversuchen. Der Nürnberger Kodex trifft vollkommen zu. Gerade jetzt ist bekannt, dass „die Wissenschaft“ bei den Coronamaßnahmen durch „die Politik“ ersetzt wurde. Das die Coronamaßnahmen (u.a. Masken, Schulschließungen Kontaktverbote usw.) Humbug waren, konnte man damals bei richtigen Wissenschaftlern schon nachlesen gbdeclaration.org/ Diese in Dauerschleife gebrachte Behauptung „Deutschland sei gut durch die Pandemie gekommen“ wird allzu gern akzeptiert, obwohl sie nicht stimmt. Die Medien haben halt mitgemacht, darum wollen auch sie keine Aufarbeitung. Noch heute stehen Ärzte vor Gericht, die im Sinne Ihrer Patienten und ihres Eides gehandelt haben und Maskenbefreiungen erteilt hatten und somit zum Wohl des Patienten. Wenn man jetzt dem Verlauf der Untersuchung in Brandenburg (von AfD initiierter Untersuchungsausschuss über die Coronamaßnahmen, der massiv von den Altparteien behindert wurde: jungefreiheit.de/politik/deutschland/2023/corona-am-ende-will-es-keiner-gewesen-sein/ beachtet, wir deutlich, was die Politik vorhat. Auch wenn ich ungern auf den ÖRR als Quelle verweise, kann man exemplarisch die ½ Stunde investieren: rbb-online.de/imparlament/berlin/2024/2–mai-2024/02-mai-2024—47–Sitzung-des-Berliner-Abgeordnetenhauses1/top-24-komplett–top24.html (wenn Ruckelbilder entstehen, auf Download klicken). Was sich da die Altparteien an „Argumentation“ leisten, ist beispielhaft. Täter wollen nicht bestraft werden. Da wird der AfD unterstellt, sie wollen Ihr „braunes Süppchen kochen“. Es wird versucht, dem sachliche Beitrag des AfD Abgeordneten einen braunen Stempel aufzudrücken. Die gleichen abgedroschenen Phrasen, die uns die Altparteien schon seit 2020 um die Ohren hauen, werden wieder bemüht (Coronaleugner, Verschwörungstheoretiker, Antisemit, usw.) Wir müssen uns wehren, dass die gleichen Verbrecher (nur so kann man die benennen) die gleichen Verbrechen nochmal begehen (Stichwort Vogelgrippe). Hier müssen Handschellen klicken, nicht nur bei Spahn und Lauterbach, sondern auch bei den Teilnehmern der Ministerkonferenz bis zu jedem Abgeordneten im Bundestag, der für diese Maßnahmen abgestimmt hat. — Mit freundlichen Grüssen
Ralf Binde 5. Leserbrief Sehr geehrte Damen und Herren, nachdem ich das Buch von Clemens Arvey gelesen und mich eingehender mit der Materie „Corona“ beschäftigt hatte war mir klar das da richtig was schief läuft. Meinen Unmut habe ich direkt gegenüber den Akteuren zum Ausdruck gebracht. Herr Drosden war auch dabei. Natürlich war er beleidigt und hat geklagt. Morgens 8:00 Uhr stand dann die örtliche Abteilung Staatsschutz mit einem Hausdurchsuchungsbefehl (siehe Anhang) vor der Tür. Das Ganze endete dann vorerst mit einer Geldstrafe von 900,- Euro. Die Frage ist doch – wie kann man einen Menschen beleidigen der Millionen anderen Menschen, ohne eigene Konsequenzen, durch sein Handeln solchen Schaden zufügt? Wut habe ich immer noch im Bauch und bin schwer enttäuscht von vielen meiner Mitmenschen. Es war auch erschreckend, da mir bewußt wurde wie so etwas im „Dritten Reich“ funktioniert hat. Es wäre wirklich an der Zeit, daß diese „Herrschaften“ sich für die „Schweinerei“ verantworten müssen. Wird aber nicht passieren … Mit besten Grüßen
Bernd Vetterlein 6. Leserbrief Liebe Nachdenkseiten, Vielen Danke für den Bericht!!! Ich möchte dazu noch gerne ergänzen, dass zur corona zeit etliche Sendungen liefen mit einer sehr selbstbewussten Dame von der Ethikkommission. Ich habe damals schon nicht verstanden, wie sich eine angebliche Ethikkomission so Verhalten kann! Ich erinnere auch an den DESASTRÖSEN und völlig UNETHISCHEN Umgang mit hochbetagten Menschen, Erkrankte und Beeinträchtigten Menschen!!‘ Eine Katastrophe!!! Einsam sterbende Menschen, in REHA kliniken isolierte Menschen, schwer erkrankt und wochenlang isoliert von ihren Angehörigen!!! Natürlich auch Kinder und Jugendliche, die ihre Großeltern nicht sehen durften, weil sie ja eine GEFAHR sind!!‘ und was ist mit der Ethikkommision??? Redet der Bundesregierung nach dem Mund! Aber zum Glück haben sich ja auch einige bereichert mit Wohlwollen der Regierung! Ich wundere mich immer noch, dass ein Herr Spahn immer noch in den Medien rumturnt, ungeniert und ohne Konsequenz für sein Verhalten!!! Aber eine kritisch hinterfragende Politikerin wie sarah wagenknecht in den Dreck ziehen! Es ist so bitter, man kann nur noch den kopf schütteln, wie das alles unter den teppich gekehrt wird. Ich bin Therapeutin und hatte mich damals schon sehr échauffiert über die Zustände und Vorgehensweise. Von einer naturheilkundlichen ärztin bekam ich mal die Antwort auf meine Klage:“ ja, nur weil die Menschen einsam sind, kann ich doch keine Therapie verschreiben…“ sie hat wohl vergessen, dass etliche schwerstkranke menschen alleine zuhause sind(enkel dürfen ja nicht hin) und menschen alleine versterben müssen… wo waren die tollen hospizvereine? Keine Kritik zu hören… Es wird endlich mal richtig Zeit für eine Aufarbeitung… danke für den Artikel!!! Lg Alexandra Pütz 7. Leserbrief Was für ein Knall !!! Ich tippte gerade einen Leserbrief zu “Christian Drosten: harte Kritik hinterhältig” … der sollte in dem Fazit gipfeln: Ist eine Demokratie nicht TOT – wenn man einfach so die größten Grundrechtsrechtseingriffe seit 1945 machen kann und das NICHT MAL ÜBERPRÜFT werden soll??? WÄHREND Corona nicht, da hieß es: “Jetzt ist alles ganz akut und schlimm, jetzt müssen wir handeln, jetzt dürft ihr nicht dauernd dazwischenfragen!” – und HINTERHER auch nicht mehr: “Jetzt wollen wir ja nicht nachtreten!” Also … ich fand’s schon vorher ein Trauerspiel: keiner weiß, ob’s Unrecht war … keiner will’s wissen … keinen interessiert’s … Aber jetzt – der Knall! Und nun, wo plötzlich entschwärzt ist, dass es Unrecht WAR – was nun??? Was passiert nun? Ich möchte fast eine traurige Wette abschließen: noch immer wird es keiner wissen wollen … Unser Volk ist so psychologisch seltsam wie eine Ehefrau, die von ihrer Nachbarin gesagt bekommt: “Du, dein Ehemann betrügt dich, merkst du das nicht?” – und die Ehefrau wird dann nicht wütend auf den Ehemann, sondern auf die – Nachbarin! … Ich glaub, so wird’s laufen mit unserm Volk ……. Ach schade … Eine Sanduhr ist ja schön als Silhouette einer Frau – aber als Abbild eines Volkes ist sie katastrophal. Wir sind zwei Hälften eines Volkes, zwei Blasen einer Sanduhr, die in der Mitte fast nicht mehr verbunden sind! Wie konnte es so weit kommen? Für die eine Hälfte ist es himmelschreiend, wie demokratiewidrig das alles in Corona war – für die andre Hälfte ist noch nicht mal klar, dass es überhaupt ein Problem gab …… Sie gingen massenhaft auf die Straße – um die Demokratie gegen das böse Geheimtreffen von Potsdam zu verteidigen. Gehen sie jetzt auch auf die Straße – wo die bösen Geheimpläne aus der RKI-Villa offenbar wurden? Eigentlich müsste sich ja die Zahl derer, die zur Querdenkerdemo am 3.August in Berlin kommen wollten, jetzt verzehnfachen? Naja, ich bin Einer. Fehlen noch neun :-) Martin 8. Leserbrief Sehr geehrte und liebe NDS’LER. Euer Bericht von heute, über den Betrug, den die führende und herrschende Oberschicht unseres Volkes, die sogenannte Bundesregierung, an uns begangen hat, ist mir nun endlich sogar ein schriftlicher Beweis, dass diese rücksichtslosen Egoisten, ob männlich oder weiblich oder sonstwas, uns alle vollkommen VERA…. Für die gibt es keine Grenzen und kein Tabu, wie die Geistesgestörten herum zu kaspern – das ist kein Regieren, das ist eine bedingungslose Kapitulation vor dem Mammon, dem sie katzbuckeln, schleimend dienen und bis in den Mastdarm kriechen. Wer hat die gewählt ? Meine Regierung ist das nicht! Die haben das bisschen Demokratie, was vorhanden war geopfert in ihrer Untertanshaltung, um von den Amis gelobt und aufgewertet zu werden. Es stimmt. Diese Regierung ist nicht nur dumm und falsch, sie beherrscht ihr Handwerk nicht, sie muss abgewählt werden ! Eine riesige Hochachtung habe ich vor den Menschen, die das erreicht, vor Gericht erstritten haben, wenigstens “das” funktioniert wieder einigermaßen, und die RKI-PROTOKOLLE voll lesbar ausgehändigt bekamen. Vor allem der oder die mutigen Menschen die die Protokolle tapfer an sich
genommen haben, um sie zu veröffentlichen. Diese sind in nach meinem Verständnis die wahren Helden, die sogar ihre Existenz auf das “Spiel” gesetzt haben, um Unrecht ans Tageslicht zu bringen. Sie stelle ich auf eine Ebene mit EDWARD SNOWDEN und JULIAN ASSANGE.
Solche Menschen sollten in meinen Augen einen NOBEL-PREIS erhalten und nicht KRIEGS-VERFÜHRER oder Menscherverächter, wie es sie in europa und in usa gibt, manche in hohen Positionen, sogar Staatspräsidenten. Möge es weiterhin solche tapferen Leute geben, die noch unterscheiden können zwischen GUT und BÖSE, zwischen MENSCH und UNMENSCH. Ihnen, liebe NACHDENKSEITEN, tausendenfachen Dank, dass es Sie gibt. Herzliche Grüsse,
J. Juhre 9. Leserbrief Sehr geehrtes Nachdenkseiten-Team, ein wiederholtes Mal vielen Dank für diese Veröffentlichung. Einmal mehr lehrt es uns, das Experten und Faktenfindern sowie den Mainstreammedien allgemein in Deutschland nicht zu trauen ist. Hier als Beispiel der Tagesschau-Faktencheck vom 23.07.: tagesschau.de/faktenfinder/rki-protokolle-100.html Es ist wie immer, man greift etwas heraus, ruft seinen Experten der Wahl an, befragt den gezielt zu diesem Schnipsel und kanalisiert das Thema so vom Inhalt weg. Offensichtlich ist dies auch die Absicht dahinter, von wegen Faktenfinder. Man muss doch hier mal festhalten, die Wissenschaft hat so getan, als wäre sie wissenschaftlich unterwegs hat aber eigentlich nur politische Vorgaben umgesetzt und jede Kritik daran mit Verweis auf ihre Expertise plattgetreten. Wie es inzwischen bei jedem brisanten Thema geschieht. Aber das ist nicht einmal das Schlimmste, denn es gibt schließlich auch konkrete Resultate dieser Arbeit. Mit diesen Maßnahmen hat man Gesundheitsschäden und Todesfälle wissentlich in Kauf genommen. Man hat Kindern Bildung vorenthalten, Menschen entlassen, ins Gefängnis gesperrt, verleumdet und ruiniert. Vom volkswirtschaftlichen Schaden ganz abgesehen. Hat ein paar Milliarden gekostet, egal Herr Spahn darf uns immer noch die Welt erklären. Was soll daran eigentlich noch an eine Demokratie erinnern? Man wird die Leute ohnehin nie los, egal was sie verbocken, wenn man Milliardenschäden, Todesfälle oder ruinierte Menschen noch so bezeichnen kann. Es herrscht die reine Willkür. Und wann wird dies endlich mal rechtlich verfolgt? Denn wenn jetzt immer noch nichts passiert, darf man den „deutschen Rechtsstaat“ abschließend abschreiben. Oder wahlweise die Gewaltenteilung und nebenbei auch die FDGO, denn die soll so beschaffen sein: Aber es wird wie immer überhaupt nichts passieren, ein paar Einzelne klagen vielleicht, sowas wird dann mit dem Geld der Steuerzahler „repariert“ und es geht heiter weiter. Mit freundlichen Grüßen
Kai P. 10. Leserbrief Lieber Herr Warweg und alle anderen der Nachdenkseiten, Sie zitieren aus den nunmehr ungeschwärzt vorliegenden RKI-Protokollen u.a. ganz am Ende Ihres Artikels: Das wirkt zunächst schockierend. Und zwar, weil wir alle glaubten, dass Einrichtungen wie das Robert-Koch-Institut (RKI) unabhängig und nur ihrem wissenschaftlichem Ethos verpflichtet seien. Und wir glaubten das, weil in der Öffentlichkeit dieser Anschein erweckt wird. Schon der Name “Institut” suggeriert das. Früher bildete das RKI mit anderen heute selbständigen Einrichtungen das “Bundesgesundheitsamt”, ein sehr viel ehrlicherer Name. Dazu muss man wissen, dass der Bund Dutzende derartiger Einrichtungen mit unterschiedlichen Bezeichnungen unterhält: Anstalt (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung), Amt (Bundesumweltamt), Institut (Paul-Ehrlich-Institut), Zentrale (Bundeszentrale für politische Bildung). Sie forschen, beraten darauf basierend die Politik, nehmen hoheitliche Aufgaben wahr und informieren die jeweils interessierende Öffentlichkeit – dies mit jeweils unterschiedlicher Gewichtung. Ihnen zuzubilligen, dass sie in dem Maße unabhängig sind wie die universitäre Forschung oder Institute der Blauen Liste (z.B. Leibniz- oder Max-Planck-Institute), ist hochgradig naiv. Es sind nachgeordnete Behörden, die weisungsgebunden arbeiten, deren Forschung genehmigt wird oder auch nicht und deren Erkenntnissen die Politik folgt oder auch nicht. In „normalen“ Zeiten ist das Verhältnis von vorgesetztem Ministerium und nachgeordneter Forschungsbehörde meistens unproblematisch und wenig konfliktträchtig. In Krisenzeiten oder bei besonders wichtigen Themen hängt vieles von der „Renitenz“ – oder sollte man sagen „Resilienz“ – der Leitungen und dem Klima in den jeweiligen Einrichtungen ab. In der Vergangenheit hat sich hier besonders das Bundesumweltamt hervorgetan und häufig Scharmützel mit seinem Ministerium ausgetragen. Beim Robert-Koch-Institut scheint das leider anders gewesen zu sein. Hier haben sich die Beamten wohl wider besseren Wissens als gehorsam erwiesen. Was man davon halten soll, mag jeder für sich selbst beantworten. Ob man dieses System der sogenannten Ressortforschung ändern soll, bleibt dahin gestellt. Zumindest sollte Transparenz hergestellt werden: Einrichtungen wie das RKI repräsentieren keine freie, unabhängige Wissenschaft. Ihren Verlautbarungen gegenüber ist prinzipiell mehr Skepsis angeraten, als es bei der als „frei“ titulierten, aber mitnichten freien Wissenschaft ohnehin der Fall ist. Und man könnte darüber nachdenken, ob unsere regierenden Akteure nicht dazu neigen, ihre nachgeordneten Beratungsorgane und Sprachrohre möglichst umfassend mit dem Mantel wissenschaftlicher Reputation einzukleiden, um ihrer Politik mehr vermeintliche Evidenz zu verleihen. Warum das nötig ist, erschließt sich mir nicht, gibt es doch hinreichend genug “unabhängige” Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich nicht zu schade sind, als Kronzeugen des jeweiligen Regierungshandelns herzuhalten. Viele Grüße
Dr. Ulrich Zumdick 11. Leserbrief Sehr geehrtes Team der NDS, Wo soll man noch anfangen bei der Analyse eines Skandals in Zeiten, in denen – in meiner persönlichen Wertewelt – ein Skandal den nächsten ablöst, in atemberaubender Geschwindigkeit und, jeder einzelne, in einer unbeschreiblichen Vielschichtigkeit? Dass es sich in der öffentlichen Darstellung und Wahrnehmung gar nicht um Skandale zu handeln scheint, könnte u.a. genau daran liegen: durch ihre Anzahl und ihre Vielschichtigkeit stiften sie so viel Verwirrung, dass man gar nicht mehr mitkommt. Die langfristigen und ebenfalls vielschichtigen Schäden, die sie anrichten, beinhalten v.a. in Bezug auf Corona für mich folgende: Ein nachhaltiger, massiver Vertrauensverlust in Politiker, Medien, altehrwürdige Institutionen, Behörden wie das Europäische Arzneimittel Institut, sowie “die Wissenschaft”. Ein Beispiel: Ein Virologe, nennen wir ihn Christian D. aus B., veröffentlicht seine These nicht, weil sie der Politik missfallen könnte?! Unabhängig davon, ob seine These in Zukunft verifiziert oder falsifiziert würde: die Tatsache, dass er sie unter Verschluss hält, um nicht politischen Narrativen zu widersprechen, löst bei mir folgendes aus: leider werde ich “der Wissenschaft” nicht mehr glauben können, auch nicht in anderen Fachgebieten. Leider muss ich nun davon ausgehen, dass viele Wissenschaftler mit ihren Thesen hinterm Berg halten, weil sie den politischen Wünschen nicht entsprechen. Unzählige andere Beispiele des Vertrauensverlustes bzgl. Politikern, Medien und Institutionen könnte ich anführen, zu allen möglichen Themen. Eins haben alle gemeinsam: es fühlt sich an, als würde einem der Boden unter den Füßen weggezogen. Vielleicht ist das eine der Gründe, warum so viele Menschen die Augen weiter vor den Realitäten verschließen. Man möchte in seiner vermeintlich heilen Welt möglichst lange unbehelligt bleiben. Und dass, um wieder zu Corona zu kommen, über Jahre hinweg so viele Menschen, die es besser wussten, den politischen Willkürentscheidungen freie Bahn gelassen haben, bestätigt mein Bild über den Großteil der Menschen in diesem Land: viele schlafen noch ganz tief, viele denken nicht selbst, und viel zu viele sind einfach nur feige. Ich erwarte in unserer zivilisierten westlichen Wertegemeinschaft, unserem demokratischen, freiheitlichen, liberalen Rechtsstaat (oder heißt das jetzt politisch korrekt Linksstaat?), na jedenfalls dem besten Deutschland aller Zeiten, nichts Gutes mehr, sofern nicht ein Großteil der Menschen endlich aus ihrem Schlaf und ihrer Angst kommt. Sonja Reise 12. Leserbrief Danke Herr Warweg für diesen Artikel – Nun wissen wir schwarz auf weiß: Sie haben uns alle nach Strich und Faden belogen, die Spahns, die Lauterbachs, die Scholzens ,die Söders und all die anderen teuer bezahlten Volksvertreter. Sie haben wissentlich diffamiert und gespalten. Nie gab es eine „Pandemie der Ungeimpften”. Ja, es gab nicht einmal eine pandemische Bedrohungslage, die ganze Covid-Seuche entpuppt sich als eine Phantom-Pandemie, die etwas professioneller inszeniert wurde als die der Schweinegrippe. Auch die PCR-Tests waren von Anfang an untauglich und die Lockdowns oder Masken dienten nur einem Zweck: die größtmögliche Impfbereitschaft zu erzeugen. All das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Aber die PKI-Protokolle sagen noch mehr aus. Sie zeigen uns: Es war eine Pandemie auf Anweisung. Merkel stellte uns den obersten Koordinator der Pandemie in Gestalt des Generalstabsarztes Holtherm persönlich vor. Aber es wäre naiv zu glauben, er hätte selbständig entschieden. Man muss kein großer Kriminalist sein, um zu verstehen, dass das Drehbuch für diese kriminelle Aktion im Pentagon geschrieben wurde. Von dort kam die Marschroute und wurde über Holtherm an die transatlantische Politiker-Riege weiter gegeben. Zufälligerweise unterstand auch die gain-of-function Forschung zum Covid-19-Erreger in Wuhan dem Pentagon. Hier schließt sich ein Kreis und es zeichnet sich das größte medizinische Verbrechens der Menschheit ab. Vielleicht dürften die als „Verschwörungstheoretiker” diffamierten Aufklärer auch in diesem Punkt Recht behalten. Mit freundlichem Gruß
Wolf Polzin Anmerkung zur Korrespondenz mit den NachDenkSeiten Die NachDenkSeiten freuen sich über Ihre Zuschriften, am besten in einer angemessenen Länge und mit einem eindeutigen Betreff. Es gibt die folgenden E-Mail-Adressen: Weitere Details zu diesem Thema finden Sie in unserer „Gebrauchsanleitung“. | Redaktion | Florian Warweg berichtet hier über die Pressekonferenz der freien Journalistin Aya Velázquez sowie ihrer Mitstreiter, der freie Journalist Bastian Barucker und der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg, am 23. Juli 2024 in Berlin. Sie stellten die nun erstmals völlig unzensiert vorliegenden Protokolle des RKI-Krisenstabes aus den Jahren 2020 bis 2023 vor. Sie seien „ein Paukenschlag des unabhän ... | [] | [
"Leserbriefe"
] | 26. Juli 2024 13:00 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=118800&share=email |
Die Ukraine-Unterstützung der Bundesregierung: Koste es, was es wolle … | Das Prinzip „So lange wie nötig…” ist die grundsätzliche Aussage der meisten bundesdeutschen Politiker, wenn es um die Frage geht, wie lange man die Unterstützung der Ukraine aufrechterhalten will. Was das konkret bedeutet, hat bislang noch kein Politiker definiert, sodass man sich dadurch alle Möglichkeiten offenhält. Zwischen den Zeilen klingt in politischen Statements allerdings immer wieder durch, dass man die Ukraine offensichtlich so lange unterstützen will, bis sie den Krieg gewonnen oder sich Kiew durch militärische Erfolge zumindest eine akzeptable Ausgangsposition für Verhandlungen mit Moskau geschaffen hat. Diese Vorstellungen haben in der Realität keine Basis und können nur als Wunschdenken bezeichnet werden. Von Jürgen Hübschen.
Die Ukraine ist militärisch nicht in der Lage, diesen Krieg für sich zu entscheiden, und daran werden auch weitere westliche Waffenlieferungen nichts ändern. Der Grund sind nicht nur die Vernichtung/der Verlust dieser Waffen auf dem Gefechtsfeld und die zunehmenden Schwierigkeiten „des Westens“, überhaupt weitere Waffen und vor allem auch die notwendige Munition zu liefern, sondern vor allem auch das Fehlen qualifizierter ukrainischer Soldaten, diese Waffen fachgerecht einzusetzen. Die Soldaten der ukrainischen Streitkräfte, die in den Herstellungsländern an westlichen Waffensystemen ausgebildet wurden, können diese zwar bedienen, aber nicht qualifiziert einsetzen, vor allem nicht im Rahmen des Gefechts der verbundenen Waffen. Wer dieser Einschätzung widerspricht, muss eine überzeugende Erklärung dafür liefern, wie und ob die ukrainischen Soldaten, nach einer in der Regel um 50 bis 80 Prozent verkürzten Ausbildung im Vergleich z.B. mit ihren deutschen Kameraden, über eine gleichwertige Qualifikation verfügen. Es ist nicht nur unfair, sondern geradezu verbrecherisch, junge ukrainische Soldaten mit unzureichender Befähigung und zusätzlich noch fehlender Erfahrung in einen Krieg zu schicken. Diesen Vorwurf muss sich nicht nur die ukrainische Führung gefallen lassen, sondern alle „westlichen“ Militärs und Politiker, die dieser Vorgehensweise zugestimmt haben. Und damit komme ich zum zweiten Teil meiner Ausführungen „no matter the cost“. „No matter the cost“ In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu sehen, dass die Kosten oder der Preis, wie immer man will, offensichtlich weder auf dem militärischen Sektor noch im zivilen Bereich eine Rolle zu spielen scheinen. Der militärische Bereich Deutschland – natürlich auch „der Westen“ – leistet militärische Unterstützung ohne politisches Konzept, ohne Strategie und ohne definierte Zielsetzung. Aber nicht nur das, sondern auch ohne sich in irgendeiner Weise über die Kosten Gedanken zu machen, für die letztlich die Steuerzahler geradestehen müssen. Deshalb ist es aus meiner Sicht an der Zeit, sich z.B. die bislang erbrachten militärischen Unterstützungsleistungen einmal konkret und im Detail vor Augen zu führen, und zwar anhand einer offiziellen Aufstellung der Bundesregierung mit Stand vom 20. Juli 2023. Diese Aufstellung vermittelt eine Übersicht der von der Bundesrepublik Deutschland erbrachten militärische Unterstützungsleistungen für die Ukraine. Sie umfasst Abgaben aus Beständen der Bundeswehr, solche der Industrie und Lieferungen gemeinsam mit Partnern, die unter anderem aus Mitteln der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung finanziert werden. Die Mittel des Ertüchtigungstitels belaufen sich auf insgesamt rund 5,4 Milliarden Euro für das Jahr 2023 (nach zwei Milliarden Euro im Jahr 2022) zzgl. Verpflichtungsermächtigungen für die Folgejahre in Höhe von rund 10,5 Milliarden Euro. Diese Mittel sollen vornehmlich für die militärische Unterstützung der Ukraine eingesetzt werden. Zugleich werden sie zur Finanzierung der Wiederbeschaffung von an die Ukraine aus Beständen der Bundeswehr abgegebenem militärischem Material für die Bundeswehr sowie der deutschen Beiträge an die Europäische Friedensfazilität (EPF) eingesetzt, aus der wiederum Kosten der EU-Mitgliedstaaten für Unterstützungsleistungen an die Ukraine erstattet werden können. Ich habe diese, wie ich meine, wirklich informative Liste als Anlage 1 beigefügt. Wichtig ist, zur Kenntnis zu nehmen, dass – getreu dem Prinzip „as long as it takes“ – auch schon geplante weitere Unterstützungsleistungen in dieser Übersicht aufgeführt sind, ohne überhaupt zu wissen, ob zum Zeitpunkt der Lieferung dafür überhaupt noch eine Notwendigkeit vorhanden ist. Sonstige, nicht materielle und nicht militärische Unterstützungsleistungen Die im Rahmen der Ausbildung ukrainischer Soldaten erbrachten Leistungen sind in der Übersicht der militärischen Unterstützungsleistungen nicht erfasst. Es fehlt auch eine genaue Übersicht der Kosten für das gelieferte militärische Material. Neben den militärischen Unterstützungsleistungen gibt es umfangreiche finanzielle Leistungen und eine Vielzahl von zivilen Leistungen zur Unterstützung der Ukraine in allen Lebensbereichen. Eine vollständige und ausgesprochen informative Übersicht des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung – zu umfangreich für diesen Artikel – findet man im Internet unter dem Titel: „Deutsche Bilaterale Unterstützungsleistungen der Bundesregierung für die Ukraine und Menschen aus der Ukraine.“ Durch diese Zusammenstallung wird neben den einzelnen Unterstützungsmaßnahmen und -leistungen auch deutlich, dass es offensichtlich dabei keinerlei Abstimmung zwischen den einzelnen Ressorts gibt, also auch hier überhaupt keine Strategie erkennbar ist. Es wird unterstützt, und zwar auf allen Gebieten – koste es, was es wolle. Klar wird dabei auch, dass die erbrachten Unterstützungsleistungen nicht selten aus Bereichen stammen, in denen in Deutschland Eigenbedarf vorhanden ist. Die Folgen des „as long as it takes“ and „no matter the cost“ Die Folgen dieses politischen Handels ohne erkennbare Strategie und eine definierte Zielsetzung sind natürlich nicht nur finanzielle und materielle Belastungen, sondern gehen weit darüber hinaus Zusammenfassung Aus meiner Sicht machen vor allem die aufgezeigten Folgen dieses ziellosen Prinzips „As long as it takes – no matter the cost“, die keinerlei Anspruch auf Vollzähligkeit erheben, deutlich, dass dieser Krieg beendet werden muss und diplomatische Initiativen dringender als je zuvor sind, um eine Ausweitung der Katastrophe zu verhindern. Anlage 1: Gelieferte militärische Unterstützungsleistungen: (Änderungen im Vergleich zur Vorwoche in fett) Gepanzerte Gefechtsfahrzeuge Luftverteidigung Artillerie Pionierfähigkeiten Schutz- und Spezialausrüstung Logistik Durchhaltefähigkeit Militärische Unterstützungsleistungen in Vorbereitung/Durchführung: (Aus Sicherheitserwägungen sieht die Bundesregierung bis zur erfolgten Übergabe von weiteren Details insbesondere zu Modalitäten und Zeitpunkten der Lieferungen ab.) Gepanzerte Gefechtsfahrzeuge Luftverteidigung Artillerie Pionierfähigkeiten Schutz- und Spezialausrüstung Logistik Durchhaltefähigkeit *Es handelt sich um aus Mitteln der Ertüchtigungsinitiative finanzierte Lieferungen der Industrie. Mit den Lieferungen sind teilweise Instandsetzungsmaßnahmen verbunden, oder die Produktion dauert noch an; zudem erfolgen teilweise noch Ausbildungsleistungen. Titelbild: Shutterstock / Michele Ursi | Jürgen Hübschen | Das Prinzip „So lange wie nötig...” ist die grundsätzliche Aussage der meisten bundesdeutschen Politiker, wenn es um die Frage geht, wie lange man die Unterstützung der Ukraine aufrechterhalten will. Was das konkret bedeutet, hat bislang noch kein Politiker definiert, sodass man sich dadurch alle Möglichkeiten offenhält. Zwischen den Zeilen klingt in politischen Statements allerdings immer wie ... | [
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] | 25. Juli 2023 10:13 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=101614&share=email |
Konstantin Wecker zu den Versuchen rechter Anschläge auf die Friedensbewegung | Wir NachDenkSeiten-Macher haben uns gerade mit der Frage beschäftigt, wie wir auf die Versuche von rechts, sich der Montagsdemonstrationen und damit auch eines teils der Friedensbewegung zu bemächtigen, und mit der dagegen laufenden Kampagne umgehen. Konstantin Wecker hat sich dazu weise und engagiert zugleich geäußert. In Absprache mit ihm übernehmen wir seinen Text aus Facebook Konstantin Wecker hier bei uns. Albrecht Müller. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Nachbemerkung AM: Anzumerken bleibt, dass ich die Rolle von Jutta Ditfurth etwas kritischer sehe. Sie unterstellt manchen zu Recht und manchen zu Unrecht Antisemitismus, ohne Belege zu nennen, wie zum Beispiel hier. | Albrecht Müller | Wir NachDenkSeiten-Macher haben uns gerade mit der Frage beschäftigt, wie wir auf die Versuche von rechts, sich der Montagsdemonstrationen und damit auch eines teils der Friedensbewegung zu bemächtigen, und mit der dagegen laufenden Kampagne umgehen. Konstantin Wecker hat sich dazu weise und engagiert zugleich geäußert. In Absprache mit ihm übernehmen wir seinen Text aus Facebook Konstantin We ... | [
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] | 24. April 2014 15:22 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=21523&share=email |
Interessante Gäste beim 22. Pleisweiler Gespräch mit Prof. Norman Birnbaum am 18. Mai 2013. | Interessante Freunde und Freundinnen Norman Birnbaums und der NachDenkSeiten haben sich angemeldet: Norbert Blüm, Wibke Bruhns, Heiner Flassbeck, Oskar Lafontaine, Wolfgang Lieb, Sahra Wagenknecht, der Filmemacher Volker Arzt, der Initiator des Ost-West-Forums Axel Schmidt-Gödelitz u.a.m.. Es wird eine bunte Gesellschaft. Uns verbindet das Interesse am Vortragsthema „Die Zukunft der Demokratie in den USA/Die Folgen für uns“ und darüber hinaus eine große Sympathie für die Sozialstaatlichkeit und wohl auch ein kritisches Verhältnis zur neoliberalen Ideologie. Jedenfalls wird das ein bemerkenswertes Ereignis für unser kleines Südpfälzisches Dorf. Sie sind herzlich eingeladen. Näheres finden Sie hier. Bitte beachten. Übrigens: Das Gespräch wird aufgezeichnet und ins Netz gestellt. Die Halle ist voraussichtlich schon komplett belegt. | Albrecht Müller | Interessante Freunde und Freundinnen Norman Birnbaums und der NachDenkSeiten haben sich angemeldet: Norbert Blüm, Wibke Bruhns, Heiner Flassbeck, Oskar Lafontaine, Wolfgang Lieb, Sahra Wagenknecht, der Filmemacher Volker Arzt, der Initiator des Ost-West-Forums Axel Schmidt-Gödelitz u.a.m..
Es wird eine bunte Gesellschaft. Uns verbindet das Interesse am Vortragsthema „Die Zukunft der Demokra ... | [
"Birnbaum, Norman",
"Pleisweiler Gespräch"
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"Veranstaltungshinweise/Veranstaltungen"
] | 07. Mai 2013 15:39 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=17182&share=email |
Stuttgart Institute of Management and Technology: Schon wieder eine private Elitehochschule pleite | Die private Universität Witten-Herdecke wurde jüngst vom Gesundheitskonzern SRH vor der Pleite bewahrt, die “International University Bremen” (IUB) musste jüngst von der Kaffeeröster- Stiftung Jacobs gerettet werden, der Größenwahn der „European School of Management and Technology“ (ESMT) im ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude Berlin ist längst an der Realität zerplatzt. Und nun wird auch die „Eliteeinrichtung“ des Stuttgart Institute of Management and Technology (SIMT) verramscht: Für einen symbolischen Euro übernahm die Steinbeis-Gruppe des akademischen Multi-Unternehmers Professor Johann Löhn aus Stuttgart die Führung. Über 20 Millionen Euro staatlicher und privater Mittel flossen – viel Geld für eine private Universität, die nach neun Jahren lediglich 281 Absolventen vorzeigen kann.
Warum entpuppen sich die bombastischen Ankündigungen über die von der Wirtschaft gesponserten „Spitzenhochschulen“ immer wieder als Größenwahn? Da es immer dieselben Gründe sind erlaube ich mir, einen früheren Beitrag zu diesem Thema zu wiederholen:
Die Gründe sind: Die staatlichen Hochschulen sind zu gut. Kein noch so karrieresüchtiger Student gibt teures Geld aus, wenn er an den staatlichen Hochschulen eine vergleichbare Leistung bekommt. Kein Unternehmen steckt auf Dauer Geld in eine Ausbildung, wenn die Gefahr besteht, dass die Ausgebildeten zum Konkurrenten abwandern.
Ein Strategiewechsel zeichnet sich ab: Durch unmittelbare Einflussnahme auf die Hochschulpolitik und die Hochschulen lassen sich die Interessen der Wirtschaft flächendeckender und kostengünstiger durchsetzen als durch die langfristige Finanzierung von wenigen privaten Hochschulen. Die Ausbreitung der neoklassischen Lehrmeinungen an den deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten beweist den durchschlagenden Erfolg dieser Strategie. Private Hochschulen – minimaler Anteil, maximale Öffentlichkeitsarbeit In Deutschland gibt es laut dem neuesten Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz 88 staatliche, 16 kirchliche, überwiegend staatlich finanzierte und 15 private staatlich anerkannte Universitäten. Von den insgesamt 1.361.951 Studierenden an wissenschaftlichen Hochschulen (also ohne Fachhochschulen) studieren 6.904 an privaten Hochschulen, das ist gerade mal ein halbes Prozent. Berücksichtigt man noch, dass unter den privaten auch solche Hochschulen sind, die von wohltätigen Organisationen getragen werden, bleibt nur noch ein verschwindend kleiner Teil von Studierenden übrig, der an den überwiegend von der Wirtschaft getragenen wissenschaftlichen Hochschulen studiert. Selbst wenn man nur die Studierenden der Wirtschaftswissenschaften nimmt – denn die meisten dieser privaten Universitäten bilden ausschließlich Betriebswirte aus -, dürfte der Anteil der an privaten „Schools“ Studierenden allenfalls zwischen 1 und 2 Prozent – eher aber niedriger – liegen.
Blättert man jedoch die Wissenschaftsseiten der Tages- oder Wochenzeitungen und vor allem der Wirtschaftszeitungen durch, so muss man den Eindruck gewinnen, dass die von der Wirtschaft getragenen „Business“ oder „Management Schools“ nicht nur geradezu wie Pilze aus dem Boden schießen, sondern mehr noch, dass an ihnen das deutsche Hochschulwesen wieder genesen werde.
Kein Wunder: Über die staatlichen Hochschulen hört man seit Jahrzehnten nicht viel anderes, als dass sie „Mittelmaß“, „im Kern verrottet“ (Peter Glotz), „mit dem Latein am Ende“ (SPIEGEL) oder einfach „krank“ sind.
Wahre Jubelberichte hingegen kann man immer wieder über solche Hochschulen lesen, die sich gerne mit modernen englischen Kürzeln schmücken, wie E.A.P für European School of Management (Berlin), IUB für International University of Bremen, IU für International University in Germany (Bruchsal), BLS für Bucerius Law School (Hamburg), GISM für German international School of Management and Administration (Hannover), EBS für European Business School (Oestrich-Winkel) oder ESMT für European School of Management and Technology (Berlin).
Wenn man der überwiegenden Berichterstattung über diese im Laufe der letzten zehn Jahre gegründeten Hochschulen und vor allem den hochschuleigenen Werbebroschüren Glauben schenkt, dann kann man nur noch an Hölderlin denken und den Eindruck gewinnen, dass von diesen selbst ernannten „Elite“-Hochschulen endlich „das Rettende naht“. Das Beispiel der ESMT Berlin Eine besonders feine Hochschul-Adresse sollte die European School of Management and Technology (ESMT) werden. Wie bei all diesen „Schools“ wird natürlich nur auf Englisch gelehrt; deshalb gelten sie von vornherein als „international“, mindestens aber „european“. Die ESMT wurde sogleich als „Super-Business-School“ gehandelt, als „Schule mit globalem Anspruch und einem europäischen Geist im Herzen Europas“. An dieser Managerschule geht es nicht nur um ein Studium oder um wissenschaftliche Weiterbildung für einen ordentlichen akademischen Beruf – nein, es geht um „Learning for Leading“. Ziel der Ausbildung in der ESMT ist nicht etwa nur die Befähigung zu selbständigem wissenschaftlichen Arbeiten, nein, der „klare Schwerpunkt ist Leadership“ oder wenigstens „Career Transition“. Dort sollen auch nicht mehr mittelalterlich anmutende „Seminare“, sondern „executive education programs“ angeboten werden. Studienpläne werden zu „Open Enrollment-Programs“ und Studiengänge werden nach „degree programs“ unterschieden. So heißt es, für jedermann nachlesbar, im Internet-Auftritt der ESMT.
Natürlich gehört zu dem „path to leadership“ das passende bauliche Ambiente. Dafür war in München die Wappenhalle im ehemaligen Flughafengebäude Riem, im Rheinland das Schloss Gracht bei Erftstadt und als „Headquarter“ und „the futur esmt campus“ das frühere Staatsratsgebäude auf der Museumsinsel in Berlin-Mitte gerade gut genug. “Früher wurden dort Eliten für die DDR ausgebildet, heute für die Weltpolitik. Wir bewegen uns also immer vorwärts, der Zukunft zugewandt”, merkte dazu der Berliner Wissenschaftssenator Thomas Flierl – gewollt oder ungewollt – ironisch an.
Die Crème de la Crème der deutschen Wirtschaft hat sich als Stifter eines „deutschen Harvard“ zusammengefunden. Im „Foundation Board“ sitzen Top-Manager: Dr. Henning Schulte-Noelle (Chairmann of th Supervisory Board of Allianz AG), Dr. Rolf Breuer (Chairman of th Supervisory Board of Deutsche Bank AG), Dr. Ulrich Hartmann (Chairman of the Supervisory Board of E.ON AG), Prof. Jürgen E. Schrempp (Chairman of the Management Board of DaimlerChrysler AG). Zu den weiteren 25 Top-Unternehmen, die diese Top-Elite-Einrichtung tragen, gehören noch die Siemens AG, die Lufthansa, BMW, die Hertie-Stiftung, die Deutsche Telekom, der Axel Springer Verlag, die Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG, die Bundesvereinigung der Deutschen Industrie e.V., die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V., die Deutsche Post WorldNet AG, EADS N.V., die KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft, die MAN AG, McKinsey&Company Inc., die Münchner Rückversicherungs AG, die Robert Bosch GmbH, die Ruhrgas AG, die RWE AG, die SAP AG, die Schering AG und The Boston Consulting Group GmbH.
Dr. Gerhard Cromme (Chairman of the Supervisory Board of ThyssenKrupp AG) hat den Vorsitz im Supervisory Board der ESMT inne.
Eindrucksvoller, größer, globaler, mit größerer ökonomischer Potenz geht es jedenfalls in Deutschland kaum noch, um eine Hochschule aufzubauen, die den Ansprüchen unserer Global Player endlich entspricht und die in der Weltliga mitspielen kann. 50.000 € Studiengebühr p.a. – Zum Welterfolg fehlen nur noch die Studenten Und weil ja nichts wert ist, was nichts kostet, müssen die Studierenden dieser „bedeutendsten Lehr- und Forschungseinrichtung auf dem Kontinent“ es sich schon was kosten lassen, um zu den „High Potentials“ aufzusteigen, nämlich 50.000 Euro im Jahr. Das ist mehr, als in Stanford oder Harvard an Studiengebühren auf den Tisch geblättert werden muss, viel mehr als an der London School of Economics und sehr viel mehr als an der renommierten Uni St. Gallen.
Zum absoluten Welterfolg fehlt dieser Elite-Hochschule eigentlich nur noch eine winzige Kleinigkeit: Es fehlen die Studierenden. Zwar gab es in München und Köln seit 2002 für rund 750 Führungskräfte einige Seminarprogramme, aber ein erster MBA-Studiengang ist – obwohl die Hochschule seit November 2001 Schlagzeilen macht und die Berliner Gründung mit allem Pomp im Beisein des Bundespräsidenten schon im Oktober 2002 gefeiert wurde – nach mehrfachem Hinausschieben erst für Januar 2006 mit 30 bis 50 Teilnehmern angekündigt worden.
Wenn es denn dazu kommt!
Denn SPIEGEL ONLINE meldet am 28. Mai 2005 unter der Überschrift „Studienabbruch des ESMT- Präsidenten“, dass der Chef des Management Boards, der britische Professor für Strategie und Marketing Derek F. Abell, sein Amt aufgibt. Sein Traum vom Aufbau eines „Harvard an der Spree“ scheint wohl geplatzt zu sein; vielleicht muss er auch den Sündenbock für die Pannenserie beim Aufbau spielen.
Hinter den groß gefeierten „Milestones“ des ESMT verbergen sich nämlich eine Serie von Peinlichkeiten. Die Gründungsphase Der Staat als Ausfallbürge „Das Engagement der deutschen Wirtschaft garantiert, dass die Sache ein Erfolg wird“ erklärte Gerhard Cromme noch im Jahre 2002. Niemand brauchte sich zu wundern, wenn auch das ESMT im nächsten Jahr die Hand nach weiterer Staatshilfe aufhielte. So war es in Bremen, wo die IUB von Anfang an über 200 Millionen vom verarmten Bremen abstaubte, so war es in Baden-Württemberg, und so war es in Witten-Herdecke, wo das Land NRW inzwischen ein Drittel der Kosten für die „private Universität“ trägt. Wie selbstverständlich sacken diese „privaten“ Hochschulen schon seit längerem staatliche Hochschulbaufördermittel in Millionenhöhe ein. Angesichts der geringen Studierendenzahl sind die Studierenden an der „privaten“ Universität Witten-Herdecke pro Kopf inzwischen die teuersten Studierenden für das Land NRW geworden. (Nimmt man einmal die Kunst- und Musikhochschulen aus.) Warum entpuppten sich die bombastischen Ankündigungen immer wieder als Größenwahn? Warum kommen die meisten der von der Wirtschaft gesponserten, privaten Hochschulen nicht auf die Beine? Es ist immer die gleiche Schrittfolge: Was sind die Gründe, warum die meisten privaten Hochschulen in Deutschland nicht zu Erfolgsmodellen werden? Der Strategiewechsel: Statt der Gründung von privaten Hochschulen die „Privatisierung“ der staatlichen Hochschulen Der entscheidende Grund für das nachlassende, finanzielle Engagement der Wirtschaft für private Hochschulen ist allerdings ein ganz anderer:
„Was als hochschulpolitische Strategie einmal sinnvoll gewesen sein mag, nämlich durch private Gründungen Reformbereitschaft im öffentlichen Hochschulwesen zu wecken, ist längst überholt“ meint Stanford-Professor Weiler. Selbst der unternehmereigene Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft bewertet den „Mehrwert“ der privaten Business-Schools im Vergleich zu den öffentlichen Hochschulen als „relativ bescheiden“. Reinhard Mohn, der Bertelsmann-Patriarch, einst Hauptmotor und wichtigster Geldgeber der privaten Universität Witten-Herdecke, hat den Strategiewechsel schon vor einiger Zeit vollzogen: Er stellte seine Zahlungen an diese Hochschule ein und lenkt sein Geld lieber in das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) der Bertelsmann-Stiftung. Er hat erkannt, dass durch die „Beratungsleistungen“ und die unmittelbare Einflussnahme auf die Hochschulpolitik und auf die staatlichen Hochschulen die Interessen der Wirtschaft viel besser und flächendeckender umgesetzt werden können als durch einen aussichtslosen Wettbewerb einiger privaten Hochschulen mit ihren viel potenteren, staatlichen Konkurrenten. “Es ist zu befürchten, dass die Auswirkungen der ESMT auf die deutsche Hochschullandschaft eher gering bleiben werden”, fasst Erik Otto vom CHE zusammen. Es könne sein, „dass schon in wenigen Jahren niemand mehr von der ESMT rede.”
Im übrigen haben die Unternehmen die Erfahrung gemacht, dass sie mit einigen Stiftungsprofessuren (natürlich unter der Auflage, dass diese nach wenigen Jahren vom Staat übernommen werden) das wissenschaftliche Profil und die wissenschaftliche Ausrichtung einer wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät viel direkter und mit der einmaligen Bereitstellung von etwa drei Millionen Euro viel kostengünstiger nach ihren Interessen beeinflussen und sogar bestimmen können als über den langen, teuren und unsicheren Weg der Gründung und langfristigen Finanzierung einer privaten Hochschule. Die Erfolge dieses hochschulpolitische Strategiewechsel der Wirtschaft sind unübersehbar: Doch es werden nicht nur (privat-)unternehmerische Betriebs- und Managementstrukturen auf die staatlichen Hochschulen übertragen, auch die erkenntnisleitenden Interessen in den einzelnen Wissenschaften werden zunehmend von wirtschaftlichen Interessen geprägt. Auf die Wirtschaftswissenschaften hat dieser Effekt schon voll durchgeschlagen. Der frühere, pluralistische Wettstreit zwischen eher nachfrageorientierten und eher angebotsorientierten Schulen ist nahezu uniform zugunsten der Angebotstheoretiker entschieden, der Neokeynesianismus ist fast komplett von der Neoklassik verdrängt worden. Die Mikroökonomie bzw. die Betriebswirtschaftslehre haben gegenüber der Makroökonomie oder der „Nationalökonomie“ bzw. den „Staatswissenschaften“ weitgehend obsiegt. Die mathematische („rein wissenschaftliche“) Modellzimmerei hat gemessen am internationalen Standard die empirische Wirtschaftsforschung an die Wand gedrängt.
Wozu sollte also die Wirtschaft noch private Business oder Management Schools aufbauen oder finanzieren, wenn es ihr zu gelingen scheint, die etablierten, staatlich finanzierten Hochschulen zu „privatisieren“? Quelle 1: Kopflose Elite-Uni, Studienabbruch des ESMT-Präsidenten
Quelle 2: Am Tropf der Unternehmen, Bärbel Schwertfeger
Quelle 3: Universum statt Nische! Hans N. Weiler
Quelle 4: esmt.org
Quelle 5: hochschulkompass.de | Wolfgang Lieb | Die private Universität Witten-Herdecke wurde jüngst vom Gesundheitskonzern SRH vor der Pleite bewahrt, die “International University Bremen” (IUB) musste jüngst von der Kaffeeröster- Stiftung Jacobs gerettet werden, der Größenwahn der „European School of Management and Technology“ (ESMT) im ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude Berlin ist längst an der Realität zerplatzt. Und nun wird auch die „El ... | [
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NATO: Die Gründungs-Lüge | Das ist ein Beitrag von Werner Rügemer. Er bietet eine für viele Menschen neue Sicht der Zusammenhänge und der Motive, die zur Gründung der NATO führten. Rügemers Sicht liegt quer zur gängigen Erzählung über die Gründung der NATO. Wer die damalige Zeit, wer die Debatten um die Wiederbewaffnung Deutschlands erlebt hat, kann der Sicht Rügemers einiges abgewinnen. Wahrscheinlich würde der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann, der wegen der Wiederbewaffnung die CDU verlassen hat und 1950 aus dem Kabinett Adenauer ausgetreten ist, vieles ähnlich sehen. Albrecht Müller. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download Die Gründungs-Lüge der NATO Von Werner Rügemer Nach 1945 wussten die USA: Von der geschwächten Sowjetunion geht keine Gefahr aus. Aber mit dem Zangengriff von Marshall-Plan und NATO integrierte die Siegermacht des 2. Weltkriegs ausgewählte europäische Staaten in ihre ökonomische und militärische Expansion und half ihnen beim Kampf gegen Befreiungsbewegungen in den Kolonien – auch wegen der Rohstoffe für US-Konzerne. Im Vorfeld der NATO-Gründung wussten die Verantwortlichen in den USA: Die Sowjetunion bedeutet keine militärische Gefahr. Einen Angriff auf Westeuropa könne die geschwächte Macht, selbst wenn sie wollte, nicht durchhalten: Die Wirtschaft der Sowjetunion ist zu schwach; ihr Transportsystem ist zu primitiv; ihre Ölindustrie ist viel zu leicht anzugreifen. Die Männer im Kreml sind kluge Tyrannen, die ihre innere Macht nicht durch militärische Abenteuer im Ausland aufs Spiel setzen. „Sie wollen den Kampf um Deutschland und Europa gewinnen, aber nicht durch militärische Aktion.“ Das hielt der Chefplaner im State Department, George Kennan, 1948 für Außenminister Marshall, für Präsident Truman und für die US-Botschafter in diversen Memoranden wiederholt fest.[1] Warum aber gründeten die USA und ihre damals noch wenigen Bündnispartner trotzdem das ausdrücklich gegen die Sowjetunion gerichtete Militärbündnis NATO? Die Legende vom „Kalten Krieg“ Die Legende besagt, die NATO sei ein „Produkt des Kalten Krieges“. In Wirklichkeit ist die NATO ein Produkt der US-Expansion, die schon lange vor dem militärischen Eingriff der USA in den zweiten Weltkrieg im Gange war. Der „kalte Krieg“ ist eines der findigsten ideologischen Konstrukte, mit denen die US-Meinungsmaschine die US-Praktiken seit dem 2. Weltkrieg bis heute verschleiert. Der Begriff wurde vom wichtigsten US-Ideologen des 20. Jahrhunderts popularisiert: Walter Lippmann.[2] „Kalter Krieg“ soll bedeuten: Nach dem 2. Weltkrieg ist der militärische Krieg zu Ende und es beginnt die Phase der nicht-militärischen Auseinandersetzung zwischen dem „freien Westen“ und dem „kommunistischen Ostblock“. Doch während des „kalten Krieges“ führten die USA und die ersten NATO-Staaten Kriege wie in Korea und Indochina – darauf wird zurückzukommen sein. Zunächst: In Wirklichkeit begann der „kalte“ Krieg schon kurz nach Kriegsbeginn, etwa 1941. Roosevelt und Churchill griffen – trotz mehrmaliger Aufforderungen ihres Alliierten Stalin – militärisch so spät wie möglich in den Krieg ein: Die Rote Armee und die deutsche Wehrmacht sollten sich so weit wie möglich gegenseitig zerstören. Die US- und die britische Regierung lehnten auch jeden inneren Widerstand gegen Hitler prinzipiell ab.[3] Der zunächst linke Harvard-Absolvent Walter Lippmann hatte im 1. Weltkrieg für das US-Kriegsministerium die Propaganda für den Kriegseintritt der USA mitorganisiert (Committee on Public Information, CPI) – um 1917 das pazifistische Neutralitäts-Versprechen des US-Präsidenten Woodrow Wilson umzudrehen.[4] Danach hatte er an prominenter Stelle die Globalisierung der USA theoretisch begründet und publizistisch begleitet. 1938 hatte er als Gegner des Roosevelt’schen Reformkurses (New Deal) die späteren Gurus der „neoliberalen“ Wirtschaftslehre wie Friedrich Hayek (The Route to Serfdom, 1943, deutsch Der Weg in die Knechtschaft), Alexander Rüstow und Raymond Aron zusammengeführt: Hier wurde der beschönigende Begriff des „Neoliberalismus“ für die neue, antigewerkschaftlich und antikommunistisch ausgeschärfte Kapitalismus-Doktrin geprägt. Die „Verteidigungs“linie der USA nach Europa vorschieben Im März 1943 schrieb Lippmann: Nach der Eroberung Nordamerikas, Mittelamerikas, der Karibik, der Philippinen und mehrerer Inseln im Pazifik (Wake, Guam, Hawai, japanische Mandatsinseln) sind die USA gezwungen gewesen, „zwei Drittel der Erdoberfläche von unserer kontinentalen Basis in Nordamerika aus zu verteidigen.“ Jetzt aber eröffne sich mit der absehbaren Niederlage der Achsenmächte Deutschland, Japan, Italien und ihrer Bündnispartner und Kollaborateure ein viel intensiverer Zugriff. Die USA werden ihre eroberten Gebiete, so der Geostratege, nun nicht mehr allein von ihrem nordamerikanischen Territorium und den verstreuten Inseln im Pazifik aus „verteidigen“ können. Vielmehr könne und müsse Amerika jetzt seine „Verteidigungs“linie entscheidend erweitern, „indem wir unsere Außenpolitik auf zuverlässige Bündnisse in der alten Welt gründen.“ In Europa und Japan könnten nun neue US-Stützpunkte errichtet werden. Damit könnten die USA von der bisherigen passiven zur aktiven „Verteidigung“ ihrer nationalen Interessen übergehen.[5] Zu dieser Strategie gehörten Lippmanns ideologische Kunstgriffe: Die antiliberal verschärfte Wirtschaftsdoktrin wurde als „Neoliberalismus“ bezeichnet. Und die verschärfte militärische Expansion wurde als „Verteidigung“ ausgegeben: Von 1789 an, seit ihrer Gründung, hatten die USA faktengemäß ein Kriegsministerium (War Department): Durch Kriege wurden der nordamerikanische Kontinent, Mittelamerika, die Karibik, Kuba, die Philippinen, Puerto Rico usw. erobert. Aber gerade auf der bis dahin höchsten Stufe ihrer auch militärischen Expansion wurde das Kriegsministerium 1947 beschönigend und faktenwidrig in Verteidigungsministerium (Defense Department) umbenannt. Konsequenterweise lief dann auch die NATO unter „Verteidigungs“Bündnis. Der Zwilling: Marshall-Plan und NATO Die 1949 gegründete NATO war Zwillingsgeschöpf des Marshall-Plans. Den militärisch-zivilen Doppelcharakter verkörperte George Marshall selbst: Während des 2. Weltkriegs koordinierte er als Chief of Staff das US-Militär auf allen Kriegsschauplätzen zwischen Nordafrika und Asien. Nach dem Krieg organisierte er als Außenminister von 1947 bis 1949 den Marshall-Plan. Und 1950 schlüpfte der Wendige in die Rolle des US-Verteidigungsministers und organisierte brutale Interventionen einschließlich Napalm-Bombardements gegen Befreiungsbewegungen rund um den Globus, in Korea genauso wie in Griechenland. Ab 1947 erhielten alle späteren NATO-Gründungsmitglieder Hilfen aus dem Marshall-Plan: Großbritannien, Frankreich, Portugal, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Dänemark, Island, Italien, Norwegen. Dies ging auch nach der NATO-Gründung bis zum Ende des Marshall-Plans 1952 weiter. Zusätzlich beschloss der US-Kongress 1949 eine Milliarde US-Dollar an Hilfen für die Aufrüstung der NATO-Mitgründer-Staaten. Teilweise wurden Marshall-Plan-Hilfen militärisch umgewidmet.[6] Alle diese Staaten – außer Luxemburg und Norwegen – waren zudem aktive Kolonialmächte. Die meisten waren zudem Monarchien und kein Ausbund an Demokratie. Die USA selbst unterhielten in neokolonialer Art zahlreiche abhängige Territorien und beherrschten Staaten in Mittelamerika und in der Karibik mit Hilfe von Diktatoren – am bekanntesten in Kuba. Auch die Beziehungen zu Diktator Franco waren ausgezeichnet. Es ging also nicht um die Verteidigung der Demokratie. Vorstufe Brüsseler Pakt: „Deutsche“ und „kommunistische Gefahr“ Vor der NATO-Gründung durften die zuverlässigsten europäischen Staaten, die als Gründungsmitglieder vorgesehen waren, ihr Vorspiel machen. Im März 1948 beschlossen die vom Marshall-Plan subventionierten Regierungen Großbritanniens, Frankreichs und der drei kleinen Benelux-Monarchien den „Brüsseler Pakt“: Er verstand sich als Militärbündnis gegen eine erneute deutsche Aggression und gegen eine drohende sowjetische Aggression. Diese US-geführten Verschwörungstheoretiker simulierten Gefahren, die es nicht gab: Deutschland war vollständig abgerüstet und stand unter militärischer Kontrolle der Alliierten, also auch der Brüsseler Pakt-Mitglieder selbst – Frankreich, Großbritannien, Belgien und die Niederlande waren Besatzungsmächte in Westdeutschland; und sie konnten darüber mitentscheiden, ob Westdeutschland bzw. die Bundesrepublik Deutschland neu aufgerüstet wird oder nicht. Die Sowjetunion war zu einem Angriff auf Westeuropa weder fähig noch willens, zu einer dauerhaften Besetzung noch weniger – diese Einschätzung der US-Regierung war auch den Brüsseler Pakt-Staaten geläufig. Im Brüsseler Pakt kamen neben Großbritannien die Staaten zusammen, deren Regierungen und Wirtschaftseliten keinen Widerstand gegen die Besetzung der Wehrmacht geleistet, sondern mit Nazi-Deutschland kollaboriert und ebenfalls im „Kommunismus“ die Hauptgefahr gesehen hatten. Sie alle fürchteten nach dem Krieg Bestrafung und Enteignung, die Militärs und Geheimdienste fürchteten Einflussverlust.[7] Ein Jahr später nahmen die USA die Sache auch offiziell in die Hand. Am 4. April 1949 – einige Monate vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland – gründeten sie in Washington das Militärbündnis North Atlantic Treaty Organisation, NATO. Es wurde als „Verteidigungs“-Bündnis ausgegeben und folgte damit der US-Sprachregelung. Alle anderen Mitglieder waren von den USA abhängig, nicht nur durch den Marshall-Plan, sondern auch durch zusätzliche Kredite, Militärhilfen und Investitionen. Der Sitz der NATO war bis 1952 in Washington. Krieg gegen Befreiungsbewegungen in den europäischen Kolonien Mit der NATO und mit den zusätzlichen US-Militärstützpunkten in den NATO-Mitgliedsstaaten schoben die USA nicht nur im Sinne Lippmanns ihre „Verteidigungs“linie nach Westeuropa vor. Sie unterstützten auch die Kriege, die die europäischen Kolonialmächte gegen die nach dem Krieg erstarkten Befreiungsbewegungen in den Kolonien führten. Und die USA verschafften sich mit Marshall-Plan und NATO Zugang zu Rohstoffen in diesen Kolonien. Großbritannien
Großbritannien war während des Krieges von den USA durch Rüstung, Schiffe und Nahrungsmittel beliefert worden und war nun bei den USA hochverschuldet. Die USA sorgten dafür, dass der von ihnen 1944 gegründete und beherrschte Internationale Währungsfonds IWF 1947 den ersten großen Kredit an Großbritannien vergab: Damit wurde die Labour-Regierung versöhnt und erpresst. Großbritannien war auch in weiterer Hinsicht geschwächt: Die wichtigsten Kolonien wie Indien gingen verloren. Schon im Krieg hatte Großbritannien den USA mehrere Militärstützpunkte im Commonwealth überlassen. Zur Zeit der NATO-Gründung bekämpfte die Labour-geführte Regierung die Befreiungsbewegung in Ghana, bezeichnete den Vorsitzenden der Convention People’s Party, Kwane Nkrumah, als „little local Hitler“ und steckte ihn 1950 ins Gefängnis. Erst 1957 konnte Ghana mit Nkrumah selbständig werden.[8] Die USA, die mit ihrem Geheimdienst OSS schon ab 1943 in Griechenland und der Türkei präsent waren, lösten 1948 dort das Militär und den Geheimdienst Großbritanniens ab und übernahmen den Krieg gegen die antifaschistische Befreiungsbewegung. Kanada als Mitglied des Commonwealth war doppelt abhängig: Seit Ende des 19. Jahrhunderts war das Land eine Wirtschaftskolonie der USA.[9] Die kanadischen Truppen hatten unter britischem Kommando gestanden, und die britischen Truppen sowie die gesamte britische Kriegswirtschaft waren den USA unterstellt gewesen.[10] Frankreich
Das zweitwichtigste NATO-Mitglied nach Großbritannien war Frankreich. Die US-Army hatte das Land, zusammen mit Briten und Kanadiern, 1944 von den Nazis und der Vichy-Kollaborationsregierung befreit. Die linke Résistance, die vom US-Geheimdienst OSS unterwandert worden war, wurde schnell ausgeschaltet. Den ungeliebten General Charles de Gaulle, der ein unabhängiges Frankreich vertrat, musste man auf der Siegesparade auf dem Champs Elysées in Paris mitlaufen und dann eine provisorische Regierung bilden lassen, in der auch die in der Résistance führende kommunistische Partei vertreten war. Die Weltbank unter Präsident John McCloy vergab noch vor dem Marshall-Plan einen Kredit an Frankreich, unter der Bedingung: De Gaulle und die Kommunisten dürfen nicht in die Regierung! US-Außenminister Byrnes, Vorgänger von Marshall, versprach einen 650-Millionen-Kredit und die zusätzliche Lieferung von 500.000 Tonnen Kohle.[11] Christlich lackierte Politiker wie George Bidault, enger Freund des CDU-Vorsitzenden und zukünftigen bundesdeutschen Kanzlers Konrad Adenauer und wie dieser mit CIA-Chef Allen Dulles im Kontakt,[12] wurden in die Regierung manövriert, de Gaulle wurde rausgeworfen, der Kredit wurde gewährt.[13] Die USA rüsteten 1948 zudem drei französische Divisionen auf, damit Frankreich in seinem Besatzungsgebiet in Westdeutschland überhaupt als ernstzunehmende Besatzungsmacht auftreten konnte.[14] Die französische Kolonie Algerien wurde NATO-Vertragsgebiet. Gleichzeitig verlangte die französische Regierung militärische Hilfe gegen den „Kommunismus“ in der Kolonie Indochina: Die im September 1945 von der Unabhängigkeitsbewegung Vietminh unter Ho Chi Minh ausgerufene Demokratische Republik Vietnam sollte vernichtet werden – die USA halfen mit Militärberatern, Nahrungsmitteln und Rüstungsgütern.[15] McCloy als Präsident der Weltbank genehmigte im NATO-Gründungsjahr 1949 auch dafür einen Kredit.[16] Belgien, Niederlande, Luxemburg
Die drei Benelux-Staaten, deren Regierungen im Krieg mit den Nazis kollaborierten, hatten keinen militärischen Beitrag gegen Hitler-Deutschland geleistet. Aber Belgien und die Niederlande durften aus US-Gnaden als Besatzungsmächte nach Westdeutschland einrücken. Auch dem Königreich Niederlande gestand McCloy im NATO-Gründungsjahr 1949 einen Kredit der Weltbank zu, damit die Unabhängigkeitsbewegung in der Kolonie Indonesien bekämpft werden konnte.[17] Indonesien erhielt zusätzlich zum „Mutterland“ Hilfen aus dem Marshall-Plan. Gegen die 1945 nach der japanischen Besetzung gegründete Republik Indonesien gingen die 145.000 niederländischen Militärs mit der Bombardierung von Städten vor, ermordeten zehntausende Widerstandskämpfer und andere Einheimische und nahmen die Regierung gefangen.[18] Belgien
Das Königreich Belgien hielt seine rohstoffreiche Kolonie Kongo auch nach 1945 mit US-Zustimmung weiter unter der Knute. Die USA hatten seit Kriegsbeginn das für die Atombomben entscheidende Uran aus der belgischen Kolonie bezogen. Der Bergwerkskonzern Union Minière du Haut Katanga – die Rockefellers waren daran beteiligt – hatte schon 1939 seine Zentrale von Brüssel nach New York verlegt.[19] Nach 1945 wurde der antikoloniale Widerstand im Kongo gnadenlos bekämpft: Gewerkschaften waren verboten, Streikende wurden erschossen oder öffentlich ausgepeitscht.[20] Später, 1961, wurde in belgisch-US-amerikanischer Komplizenschaft (König Baudouin, US-Präsident Eisenhower, CIA, einheimische Kollaborateure) der erste Premierminister des unabhängig gewordenen Kongo, Patrice Lumumba, nach kurzer Zeit bestialisch ermordet.[21] Portugal
Das faschistische Portugal war im Krieg neutral geblieben und deshalb wirtschaftlich für Nazi-Deutschland umso wichtiger gewesen: Als einziger Staat lieferte Portugal das kriegsentscheidende Edelmetall Wolfram für die Stahlhärtung. In Portugal wurden Raubaktien und Raubgold für die Finanzierung der deutschen Kriegsführung gewaschen.[22] Die USA gaben nach 1945 die asiatischen Kolonien Timor und Macau, die von Japan besetzt worden waren, an Portugal zurück. In den afrikanischen Kolonien Mosambik und Angola herrschte kolonialistische Zwangs- und Plantagenwirtschaft (Kaffee, Baumwolle). Die Kommunistische Partei als wichtigste Befreiungsorganisation war verboten und wurde verfolgt.[23] Die USA und die NATO konnten nun die Atlantikinseln Portugals, die Azoren, als Militärstützpunkte nutzen. Kleine Staaten und spätere NATO-Mitglieder
Island hatte sich 1944 vom Status als dänische Halbkolonie gelöst und seine Unabhängigkeit erklärt. 1940 war das Land von Großbritannien und den USA besetzt worden. Island bekam Marshall-Plan-Gelder und stimmte seiner NATO-Mitgliedschaft zu: Das Land unterhielt kein eigenes Militär, diente aber als US- und NATO-Stützpunkt. In Dänemark wurde nach der Nazizeit eine Regierung gebildet, zu der auch die Kommunistische Partei gehörte. Auch hier wurde mit der Sozialdemokratisierung und mithilfe des Marshall-Plans die ursprünglich gewollte Blockfreiheit ausgetrieben. Die dänische Kolonie Grönland, in der die USA schon 1941 Militärstützpunkte errichtet hatten, wurde 1951 zum NATO-Verteidigungsgebiet erklärt. In Norwegen wollte die sozialdemokratische Regierung nach der deutschen Besetzung blockfrei bleiben. Aber mithilfe des Marshall-Plans und zusätzlicher Aufrüstungshilfen manövrierten die USA auch Norwegen in die NATO. Im NATO-Gründungsjahr bombardierten US-Sturzkampfflieger die Stellungen der antifaschistischen Befreiungsbewegung in Griechenland mit Napalm und rüsteten das monarchietreue Militär aus, das mit den Nazis kollaboriert hatte. Nur so konnte die Befreiungsbewegung in dem angeblichen „Bürger“krieg besiegt werden.[24] Als die USA hier wie in der benachbarten Türkei für eine US-abhängige Regierung gesorgt hatten, holten sie 1952 die beiden Staaten in die NATO. Die USA wollten vor allem die westlichen Besatzungszonen Deutschlands in die NATO holen. Doch erstens war dieses Westdeutschland noch kein Staat; und zweitens sperrten sich zunächst die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens wegen der kritischen Öffentlichkeit in beiden Staaten gegen die Wiederbewaffnung der Deutschen. Aber kurz nach der Gründung des neuen Staates Bundesrepublik Deutschland (BRD) sagte dessen Kanzler Adenauer 1950 die Wiederbewaffnung zu (heimlich). Und die USA förderten schon ab 1950 die Rüstungsproduktion der BRD für den Bedarf des Krieges gegen die Volksbefreiungsbewegung in Korea. Die bundesdeutschen Rüstungsindustriellen setzten sich mehrheitlich für die NATO ein. Und schon im September 1950 schloss die NATO die BRD in das NATO-Verteidigungsgebiet ein – fünf Jahre vor dem formellen NATO-Beitritt.[25] Die USA dringen in die europäischen Kolonien ein Die NATO war somit ein Bündnis gegen die nachfaschistische Demokratisierung in Europa und gegen die nationale Selbstbestimmung in den Kolonien. Und die neokoloniale NATO-Supermacht drang in die alten Kolonien der Europäer ein. In den französischen Kolonien Indochinas (Vietnam, Laos, Kambodscha) und Afrikas (ein gutes Dutzend Kolonien) lagerten wichtige Rohstoffe. An diese wollten US-Unternehmen nun möglichst günstig herankommen. Die Behörde des Marshall-Plans in Paris unterhielt unter Evan Just die Abteilung „Strategische Rohstoffe“. Sie erkundete und inventarisierte in den Kolonien der europäischen Kolonialmächte z.B. Mangan und Graphit in Madagaskar; Blei, Kobalt und Mangan in Marokko; Kobalt, Uran und Cadmium im Kongo; Zinn in Kamerun; Chrom und Nickel in Neu-Kaledonien; Kautschuk in Indochina; Öl in Indonesien;[26] daneben Industriediamanten, Asbest, Beryllium, Tantalit und Colombit. Die Marshall-Plan-Behörde und das State Department organisierten ab 1948 Rohstoff-Kaufverträge etwa für United Steel, Bethlehem Steel und Newmont Mining und bildeten mithilfe von Investmentbanken wie Morgan Stanley und Lazard Frères gemeinsame Holdings zur Modernisierung von Bergwerken in den Kolonien der Europäer.[27] Für die Atombomben brauchten die USA nach dem Krieg ohnehin noch mehr Uran als während des Krieges. Endlich, endlich Russland erobern? Widerstand!
Die NATO war und ist ein Bündnis, das die UNO-Charta, Artikel 1 „Selbstbestimmung der Nationen“, von Anfang an prinzipiell und dauerhaft verletzte und weiter verletzt. NATO-Mitglieder zogen in unterschiedlicher Weise mit in die von den USA angeführten, zahlreichen Kriege des zu Unrecht so genannten „Kalten Krieges“.[28] Und selbst unter dem ansonsten ein bisschen kritisierten Präsidenten Donald Trump folgen die europäischen NATO-Partner der NATO-Führungsmacht bei der antirussischen Hetze und Aufrüstung, und auch aus eigenem Interesse an der Eroberung des Großraums, die endlich, endlich gelingen soll, wenn es sein muss wieder mit Krieg, und diesmal auch mit Atombomben. Es geht um viel. Das jahrzehntelang genährte NATO-Lügengebäude ist brüchiger denn je. Das heutige Russland ist noch ungleich viel schwächer als die damalige Sowjetunion im Vergleich zur noch höher aufgerüsteten westlichen NATO-Völkerrechtsbruch-Gemeinschaft von heute. Der Widerstand gegen sie muss und kann eine Kraft annehmen, die heute noch nicht sichtbar ist. Letzte Buchveröffentlichung von Werner Rügemer: Bis diese Freiheit die Welt erleuchtet. Transatlantische Sittenbilder aus Politik und Wirtschaft, aus Geschichte und Kultur. 2. Auflage Köln 2017 | Werner Rügemer | Das ist ein Beitrag von Werner Rügemer. Er bietet eine für viele Menschen neue Sicht der Zusammenhänge und der Motive, die zur Gründung der NATO führten. Rügemers Sicht liegt quer zur gängigen Erzählung über die Gründung der NATO. Wer die damalige Zeit, wer die Debatten um die Wiederbewaffnung Deutschlands erlebt hat, kann der Sicht Rügemers einiges abgewinnen. Wahrscheinlich würde der frühere ... | [
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] | 04. April 2018 8:10 | https://www.nachdenkseiten.de/?p=43276&share=email&nb=1 |
Balodis, Holger | Die gewollte Demontage der gesetzlichen Rentenversicherung und die damit verbundenen Kampagnen sind seit jeher eines der Kernthemen der NachDenkSeiten. In wohl kaum einen anderen Bereich gibt es in der öffentlichen Debatten so viele Lobbyisten, die sich „Rentenexperten“ nennen und am Ende des Tages doch nur die Einflussarbeit für die Finanzwirtschaft erledigen, die an der privaten Altersvorsorge fürstlich verdient. Eine rühmliche Ausnahme stellt da der Versicherungsexperte Holger Balodis[*] dar, mit dem Jens Wernicke für die NachDenkSeiten gesprochen hat. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. | [] | [] | 11. November 2016 9:47 | https://www.nachdenkseiten.de/?tag=balodis-holger |
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Bestellung, signiert als Geschenk! | „Meinungsmache. Wie Wirtschaft, Politik und Medien uns das Denken abgewöhnen wollen“ ist ein „Augenöffner“, wie ein Leser der NachDenkSeiten treffend formulierte. Es ist der Lesestoff für Menschen, die heute oft „die Welt nicht mehr verstehen“. Ab heute (12.12.2010) als Taschenbuch
mit 37 Seiten aktuellem Nachtrag, insgesamt: 493 Seiten Preis incl. MWSt:
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