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Mit Eurer Angst seid Ihr weiter allein
nd: Die Anklage gegen Beate Zschäpe und vier Spießgesellen des »Nationalsozialistischen Untergrundes« liegt vor. In vielerlei Hinsicht ist es enttäuschend, was die Spitzenkriminalisten und Staatsanwälte der Republik zusammengetragen haben. Liegt wirklich alles auf dem Tisch?Renner: Ich kann die Anklage nicht bewerten. Und wir haben als Abgeordnete auch keine Absicht, uns in prozessuale Dinge einzumischen. Das geht gar nicht. Aber wir werden den Prozess vor Ort beobachten. Auch mit Blick auf die Arbeit des Untersuchungsausschusses. Denn dort tragen wir immer noch eine Vielzahl wichtiger Aspekte zusammentragen. Es tauchen noch immer Fragen auf, die dem Prozess dienlich sein können. So nach der bundesweiten Vernetzung der militanten Szene aus Thüringen. Das Unterstützernetzwerk entstand nicht 1998 mit dem Abtauchen von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe, sondern bestand schon vorher als ideologischer und organisatorischer Zusammenhang. Un... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Der Generalbundesanwalt hat gegen die mutmaßlichen NSU-Mitglieder und -Unterstützer Anklage erhoben. Die Schrift, in der Beate Zschäpe, André Eminger, Holger Gerlach, Ralf Wohlleben und Carsten Schultze beschuldigt werden, ist 488 Seiten dick. Über Ursachen des Neonazi-Terrors, der zehn Menschen das Leben gekostet hat, findet sich wenig.
NSU, Rassismus, Verfassungsschutz
Politik & Ökonomie
Politik
https://www.nd-aktuell.de//artikel/805594.mit-eurer-angst-seid-ihr-weiter-allein.html
Ehrung durch jüdischen Weltkongress
Einen Monat vor seinem 100. Geburtstag ist der US-Schauspieler Kirk Douglas für sein Engagement für die jüdische Kultur geehrt worden. Der Jüdische Weltkongress (WJC) verlieh ihm den Teddy-Kollek-Preis am Mittwochabend (Ortszeit) ... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Kirk Douglas
Israel, Juden, Nahost
Feuilleton
Kultur
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1031682.ehrung-durch-juedischen-weltkongress.html
Experten warnen vor rechtsextremer Szene
Berlin. Der Rechtsextremismusexperte Gideon Botsch warnt vor einer erhöhten Terrorgefahr nach dem Mord an Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU). »Die nächsten 12 bis 18 Monate werden besonders gefährlich«, sagte der Leiter der Forschungsstelle für Antisemitismus und Rechtsextremismus des Moses Mendelssohn Zentrums an der Universität Potsdam dem »Tagesspiegel« am Dienstag. Als Risikofaktor nannte Botsch eine von Frust geprägte rechte Szene - unter anderem durch die rückläufige Aufmerksamkeit für Proteste wie bei Pegida. Es sei »wahrscheinlich, dass mit dem Abflauen der Aufmerksamkeit für solche Gruppen die terroristischen Akte zunehmen werden«. Bis Mitte 2018 hätten diese Gruppen einen politischen Umsturz propagiert. Das habe nicht funktioniert. Dieser Frust könnte nun einige Zellen erneut mobilisieren und diese weiter radikalisieren. »Die Feindbilder sind markiert«, sagte Botsch, der auch die AfD in diesem Kontext verantwortlich macht. »Da hat die AfD deutlich mitmarkiert, da hat Pegida mitmarkiert. All diese Kräfte, die sich offiziell von Gewalt distanzieren, haben sehr deutlich zur Hetze beigetragen.« Die rechtsextreme Szene in Hessen besitzt laut dem Demokratiezentrum der Uni Marburg genug Gewaltpotenzial für eine Tat wie den Mord an Lübcke. »Wenn man die Chronik der Gewaltandrohungen in den letzten Jahren durchgeht, ist das nicht fernliegend«, sagte der Leiter Reiner Becker auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. So habe es Drohungen gegen Bürgermeister in der Flüchtlingskrise gegeben und gegen die NSU-Opfer-Anwältin Seda Basay-Yildiz. Und im Fall Lübcke habe »möglicherweise jemand solche Drohungen leider wahrgemacht«. Laut Becker haben sich die rechtsextremen Strukturen verändert. »Im Vergleich zu einigen Jahren zuvor haben wir in Nordhessen und besonders in Kassel keine manifeste Szene mehr.« Rechtsextreme Gruppierungen wie der Verein »Sturm 18« und der »Freie Widerstand« wurden verboten oder treten öffentlich nicht mehr in Erscheinung. Die klassische Kameradschaft gebe es immer weniger, lediglich die NPD und Identitäre Bewegung würden noch sichtbar auftreten. Lesen sie auch zum Thema: Bundesanwalt übernimmt Lübcke-Fall. Verdächtiger für Mord an CDU-Politiker ist offenbar vorbestraft und als extrem Rechter bekannt. Von Sebastian Bähr »Das hat damit zu tun, dass es dieser Organisationsformen nicht mehr bedarf«, sagte Becker. Menschen kommunizierten anders, soziale Netzwerke spielten eine große Rolle. Statt lokaler Vernetzung erlebe man eine hohe Mobilität zu Veranstaltungen mit rechten Anknüpfungspunkten. So komme es zu skurrilen Mischungen, beispielsweise mit der Kampfsport-, Gelbwesten- oder Hooliganszene. »Selbst wenn es sich um einen Einzeltäter handeln sollte, darf man nicht davon ausgehen, dass er völlig isoliert von anderen Personen mit rechtsextremer Einstellung ist«, erklärte Becker. Vor über zwei Wochen war der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) auf der Terrasse seines Hauses bei Kassel durch einen Kopfschuss getötet worden. Seit Sonntag sitzt der 45-jährige Stephan E. unter Mordverdacht in Untersuchungshaft. Die Generalbundesanwaltschaft sieht einen rechtsextremistischen Hintergrund der Tat und hat die Ermittlungen übernommen. Agenturen/nd
Redaktion nd-aktuell.de
Experten warnen: Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke steigt die Gefahr durch rechten Terror. »Die nächsten 12 bis 18 Monate werden besonders gefährlich.«
Rechtsextremismus, Walter Lübcke
Politik & Ökonomie
Politik Walter Lübcke
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1121104.walter-luebcke-experten-warnen-vor-rechtsextremer-szene.html
Große Zustimmung zu Börsenfusion
Frankfurt. Die Deutsche Börse hat für die geplante Fusion mit der Londoner Börse eine große Zustimmung ihrer Aktionäre erhalten. Nach Auswertung aller zum Umtausch eingereichten Aktien liege die endgültige Annahmequote bei 89,04 Prozent, teilte der Börsenbetreiber am Mittwoch mit. Die verlängerte Annahmefrist war am 12. August um Mitternacht ausgelaufen. Die Deutsche und die Londoner Börse hatten im März offiziell angekündigt, sich zusammenschließen zu wollen. Als nächstes müssen nun die Behörden den Zusammenschluss erlauben. dpa/nd
Redaktion nd-aktuell.de
Börse, Großbritannien
Politik & Ökonomie
Wirtschaft und Umwelt
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1022470.grosse-zustimmung-zu-boersenfusion.html
Neue Details im Skandal um Kaserne in Pfullendorf
Pfullendorf. Im Skandal um demütigende Rituale und sexuelle Nötigung in einer Bundeswehr-Kaserne im baden-württembergischen Pfullendorf hat ein interner Bericht des Verteidigungsministeriums weitere Details zutage gebracht. Dem Ermittlungsbericht zufolge hatten die Erniedrigungen auch einen sexuellen Hintergrund. Ausbilder zwangen untergebene Soldatinnen zum Tanz an der Stange und betatschten sie im Intimbereich. Der Bericht nimmt Bezug auf Schilderungen einer Soldatin, die 2016 in der Kaserne als Oberfähnrich war. Der Bericht schildert zudem, wie sich ein noch minderjähriger Mannschaftssoldat im Januar aus Angst vor einem Aufnahmeritual an seinen Vorgesetzten gewandt habe. Bei solchen Ritualen seien dem Bericht zufolge Soldaten aus ihren Stuben geholt, zumindest in einem Fall mit Klebeband fixiert worden, sie hätten einen Stiefelbeutel über den Kopf gestülpt bekommen und seien mit kaltem Wasser aus einem Schlauch abgespritzt worden. Die Misshandlungen seien mindestens einmal gefilmt worden. In der Elite-Ausbildungskaserne gehen Bundeswehr und Justiz derzeit Hinweisen auf schwerwiegendes Fehlverhalten nach. Die Staatsanwaltschaft Hechingen ermittelt gegen sie wegen Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung. An diesem Mittwoch befasst sich der Verteidigungsausschuss des Bundestags mit dem Fall Pfullendorf. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte nach Bekanntwerden der Vorfälle erklärt, die Missstände seien »bestürzende Zeichen für einen Mangel an Führung, Haltung und Kultur«. Als Konsequenz waren sieben Soldaten vom Dienst suspendiert worden. Nur fünf davon würden dem Bericht zufolge nun entlassen, eine Entlassung werde noch geprüft, bei einem Soldaten hätten sich die Vorwürfe nicht erhärtet. Das Ministerium berichtet in dem 28-seitigen Papier von bislang 300 Anhörungen und Vernehmungen. Die Mängel in der Sanitätsausbildung seien umgehend behoben worden. Gegebenenfalls würden weitere personelle Konsequenzen gezogen. »Die beabsichtigten organisatorischen und personellen Maßnahmen ermöglichen dem Standort einen Neuanfang«, heißt es in dem Bericht. Die Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen, erklärte ein Sprecher des Ministeriums. dpa/nd
Redaktion nd-aktuell.de
Der Skandal um entwürdigende Rituale in der Pfullendorfer Kaserne schlägt erneut hohe Wellen. Ein interner Bericht des Ministeriums schildert schockierende Details. Offenbar hatten die Demütigungen dort System.
Bundeswehr, sexueller Missbrauch, Skandal, Soldaten
Politik & Ökonomie
Politik
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1041921.neue-details-im-skandal-um-kaserne-in-pfullendorf.html
Haftstrafe für KZ-Wächter Demjanjuk
München/Berlin (ND-Heilig). Das Landgericht München hat am Donnerstag den einstigen KZ-Wachmann John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Haft verurteilt. Anschließend ordnete der Richter an, den Gefangenen aus dem Gefängnis zu entlassen. Nach genau zwei Jahren in Untersuchungshaft sei eine weitere Zeit im Gefängnis für den 91-Jährigen nicht verhältnismäßig. Der Haftbefehl wurde aufgehoben, da der Staatenlose Deutschland nicht einfach verlassen könne. Zuvor hatte das Gericht befunden, dass Demjanjuk sich als Teil des Nazi-Machtapparats im Vernichtungslager Sobibor bereitwillig am Massenmord beteiligte. Er hat 1943 geholfen, fast 28 000 Menschen vorwiegend jüdischen Glaubens in Gaskammern zu treiben. Er war, so das Gericht, an 16 Massentötungen beteiligt. Auch ohne einzelne Taten belegen zu können sei klar, dass Sobibor allein der planmäßigen Ermordung von Menschen diente. Jeder, der dort diente, habe sich mitschuldig gemacht. Efraim Zuroff, Leiter des Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem, zeigte sich »sehr zufrieden« darüber, dass Demjanjuk »endlich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde«. Das sei eine »sehr starke Botschaft, dass die Täter auch viele Jahre nach den Verbrechen des Holocaust noch für ihre Vergehen belangt werden können«. Seite 2
Redaktion nd-aktuell.de
91-jähriger SS-Helfer aus Gefängnis entlassen
Gefängnis, John Demjanjuk, Konzentrationslager
Politik & Ökonomie
Politik
https://www.nd-aktuell.de//artikel/197533.haftstrafe-fuer-kz-waechter-demjanjuk.html
De Maizière: Überprüfung der Behörden
Berlin (dpa/ND). Die Bundesregierung will die Effizienz ihrer Sicherheitsbehörden unter die Lupe nehmen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Donnerstag in der abschließenden Beratung über den Einzelhaushalt seines Ressorts für 2010, diese Evaluierung sei ein Schwerpunkt der Arbeit seines Hauses. Experten sollen die Bundesbehörden an Flug-,... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Berlin, Bundesregierung, Sicherheit
Hauptstadtregion
Brandenburg
https://www.nd-aktuell.de//artikel/167446.de-maiziere-ueberpruefung-der-behoerden.html
Höhere Preise trotz unwirksamer Klauseln
Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) in zahlreichen Urteilen die Preisanpassungsklauseln in Erdgas-Sonderkundenverträgen für unwirksam erklärt hatte, entschied er nunmehr am 14. März 2012 (Az. VIII ZR 113/11 und Az. VIII ZR 93/11), welche Preise in diesen Fällen dann letztlich von Verbrauchern gezahlt werden müssen. Mit seinem Urteil gab der Bundesgerichtshof den Energieversorgern weitgehend Recht. Danach kann sich der Kunde und Verbraucher auf die Unwirksamkeit einer Preiserhöhung nur berufen, wenn er sie innerhalb eines Zeitraums von ... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
BGH-Urteil zu steigenden Energiekosten
Bundesgerichtshof, Energiekosten
Ratgeber
https://www.nd-aktuell.de//artikel/225626.hoehere-preise-trotz-unwirksamer-klauseln.html
RWE lässt besetzten Wald räumen
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Marcus Meier
Die Polizei hat heute damit begonnen, den Weg frei zu machen für die Rodungs-Teams des Energieriesen RWE. Der seit April besetzte Hambacher Forst wird geräumt. Die Anti-Aktivisten haben sich in Tunneln verbuddelt oder hängen in Seilen an Bäumen.
Hambacher Forst
Politik & Ökonomie
Politik
https://www.nd-aktuell.de//artikel/804166.rwe-laesst-besetzten-wald-raeumen.html
Als die Gewerkschaften noch bauten
Berlin, die 1920er Jahre: Die Räterepublik war gescheitert, die Inflation galoppierte, und in den Mietskasernen der neu gegründeten Einheitsgemeinde Groß-Berlin hausten Arbeitende und Arbeitslose wie eh und je in dunklen, überbelegten Wohnungen. Das waren die Rahmenbedingungen, als am 14. April 1924 Vertreter des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes ADGB, der Bauhütten und verschiedener Arbeitergenossenschaften im ADGB-Haus in der Inselstraße die Gründung der »Gemeinnützige Heimstätten, Spar- und Bau-Aktiengesellschaft«, kurz GEHAG, besiegelten, um, wie es in der Satzung heißt, »gesunde Wohnungen zu angemessenen Preisen für die minderbemittelten Volksklassen zu schaffen.« Wider Erwarten und gegen den erbitterten Widerstand der Konservativen und der Immobilienlobby wurde das Unternehmen ein Erfolg und baute bis 1933 mehr als 10 000 helle und luftige Wohnungen in einem bis dahin für die »minderbemittelten Volksklassen« unvorstellbaren Standard: mit Balkon, Bad und teilweise Zentralheizung, darunter die Hufeisensiedling in Neukölln, die Wohnstadt Carl Legien in Pankow und die Weiße Stadt in Reinickendorf, die heute allesamt als Musterbeispiele für das Neue Bauen gelten und Weltkulturerbe sind. Was waren die Gründe für diese Erfolgsgeschichte? Für Reinhard Wenzel, Geschäftsführer des August-Bebel-Instituts, der zum 100. Geburtstag Groß-Berlins die Ausstellung über Neues Bauen mitkonzipierte, kamen verschiedene Umstände zusammen, die den Gewerkschaften diesen Einstieg in den Wohnungsbau nahelegten. »Die Wohnbedingungen der Arbeiter waren katastrophal, die Gewerkschaften standen unter Druck, verloren Mitglieder, die Angriffe des Kapitals auf die Errungenschaften der Weimarer Republik wurden stärker.« Bei Gewerkschaften und SPD wuchs die Befürchtung vor unkontrollierbaren Aufständen und Chaos, wenn es keine Antwort auf die Wohnungskrise gebe. Für ADGB und SPD sollte die GEHAG mehr als ein Wohnungsunternehmen werden. Sie sollte ein Schritt auf dem Weg zum Sozialismus sein. Dazu Reinhard Wenzel: »Es war eine Sozialisierung ohne Enteignung. Durch Gründung gemeinwirtschaftlicher Betriebe sollten konkurrenzfähige Betriebe aufgebaut, die kapitalistischen Betriebe niedergerungen und so Schritt für Schritt der Kapitalismus überwunden werden.« Die Bedingungen schienen günstig, das in Berlin zu realisieren. Zum einen ermöglichten die Bauhütten-Betriebe, die aus der Arbeitslosen-Not geborenen Selbsthilfeorganisationen der Bauarbeiter, kostengünstiges Bauen. Gleichzeitig betrieb das Berliner Stadtparlament eine aktive Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus. 1921 wurde mit den Stimmen von SPD, USPD und KPD eine, wie es im Beschluss vom 10. Mai heißt, »vorausschauende Bodenvorratswirtschaft« für »größere Siedlungskomplexe« mit »Kleinwohnungen« für die »minderbemittelte Bevölkerung« auf den Weg gebracht. Treibende Kraft war Baustadtrat Martin Wagner, ein durchsetzungsstarker Mann mit klaren Vorstellungen vom Großsiedlungsbau, der »auch schon mal ohne Baugenehmigung baute« (Wenzel). Auf Betreiben von Wagner wurde 1924 republikweit die Hauszinssteuer eingeführt, eine Abgabe für Besitzer von Altbauten. Die Erfolge der ersten Jahre schienen diesen Überlegungen recht zu geben. Die GEHAG und ihr Hausarchitekt Bruno Taut bauten mit großzügigen, lichtdurchfluteten Siedlungen Alternativen zu der düsteren Mietskasernenwelt des Kapitalismus und legten damit den Grundstein für den Mythos des »Neuen Bauens«, der den Blick auf das Berlin jener Jahre bis heute prägt. Von den ursprünglichen Zielen der Bekämpfung der Wohnungslosigkeit aber blieb man weit entfernt. Von den knapp 200 000 in den 1920er Jahren in Berlin erbauten Wohnungen schuf die GEHAG gerade mal 10 000. Und in den Wohnungen wohnten auch nicht die »minderbemittelten Volksklassen.« Es zogen in großer Zahl Facharbeiter, Angestellte und Beamte aus dem klassischen SPD-Milieu ein. Der Aufstieg der GEHAG währte sieben Jahre und endete, als die Regierung Brüning 1931 die Hauszinssteuer abschaffte und die Wohnungsförderung zurückfuhr. Die Bautätigkeit der GEHAG kam zum Erliegen. Wenzel: »Das ist das grundsätzliche Dilemma des sozialen Wohnungsbaus. Er ist von politischen Konstellationen abhängig. Ändert sich die Politik, ist auch der Wohnungsbau schnell am Ende.« Als schließlich 1933 die Nazis die Gewerkschaften enteigneten und die GEHAG in die Deutsche Arbeitsfront DAF eingliederten, war vom vielversprechenden Aufbruch der Anfangsjahre kaum noch etwas übriggeblieben. Nach 1945 wiederholte sich die Geschichte vom Aufstieg und Fall der GEHAG in erschreckender Weise. Dabei begann es auch dieses Mal vielversprechend. 1952 war die Reorganisation der GEHAG im Westteil Berlins abgeschlossen. (Im Ostteil wurden die Bestände von der Kommunalen Wohnraumverwaltung übernommen). Statt Aufsehen erregender Einzelsiedlungen eines Bruno Taut setzte man nun auf Masse und leistete so einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Nachkriegswohnungsnot. Mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus stieg die GEHAG auf zu einem der großen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen in Westberlin. Der Boom endete abrupt Anfang der 1990er, als sich der Staat aus der Wohnungsförderung zurückzog und einen Großteil des gemeinnützigen Wohnungsbestandes verkaufte. Es begann die Zeit der »Heuschrecken«, wie auch Karl-Heinz Peters, langjähriger Vorstandsvorsitzender der GEHAG und unermüdlicher Kämpfer für die Gemeinnützigkeit, diese renditehungrigen Anlegertrusts bezeichnete. Am 26. November 1998 verkaufte der Senat 75 Prozent der GEHAG und Peters konstatierte in einem Nachruf resigniert: »Die GEHAG ist mit 74 Jahren verstorben.« Heute gehört ein großer Teil der früheren GEHAG-Wohnungen dem Immobiliengiganten Deutsche Wohnen/Vonovia. Der schmückt sich auf seiner Webseite mit den hellen, luftigen Bauten des Bruno Taut, die die GEHAG in den 20ern errichtete und von denen sechs inzwischen Unesco-Weltkulturerbe sind. Die 1998 von der Deutschen Bank AG gegründete Deutsche Wohnen blicke »auf eine lange Historie« zurück und stehe in der Tradition der »Schaffenskraft ihrer Vorgängerunternehmen«. Von den gewerkschaftlichen Wurzeln und den Hoffnungen der Arbeiterbewegung auf eine selbstverwaltete und gemeinwirtschaftliche Alternative im und zum Kapitalismus, die damit verbunden waren, ist dort nichts mehr zu lesen. Lesen Sie am Dienstag, 9. April in »nd.DerTag«: Wohnen im Weltkulturerbe – die Wohnstadt Carl Legien
Günter Piening
Die Geschichte des gewerkschaftlichen Wohnungsbaus in Berlin startete vielversprechend. Einst sollte eine Alternative zur kapitalistischen Wirtschaft aufgebaut werden.
Berlin, Kapitalismus, Kapitalismuskritik, SPD, Wohnen
Hauptstadtregion
Berlin GEHAG
2024-04-01T16:12:17+0200
2024-04-01T16:12:17+0200
2024-04-04T18:35:32+0200
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1181135.als-die-gewerkschaften-noch-bauten.html?pk_campaign=similar-articles&pk_kwd=older-articles
Ein Altstar und wenig Hoffnung
Wie '89 sei ihm, sagt Gregor Gysi, und man wundert sich. Der langjährige Fraktionschef der Linken im Bundestag, der ob seines rhetorischen Talents auch im hohen Alter immer noch für Wahlkampfauftritte gebucht wird, steht an diesem sonnigen Frühlingsabend nicht etwa in Berlin, Leipzig oder Rostock, sondern: vor gut 100 Zuschauer*innen auf dem Stummplatz in Neunkirchen. Hier im Saarland, das Frankreich deutlich näher liegt als dem ehemaligen Staatsgebiet der DDR, wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt. Die Linke muss um den Wiedereinzug kämpfen, aktuelle Umfragen sehen die Partei bei nur vier Prozent. Im Saarland regiert derzeit eine große Koalition mit dem CDU-Politiker Tobias Hans an der Spitze. Seine Partei dürfte in dem kleinen Bundesland mit 800 000 Wahlberechtigten bei der Landtagswahl am Sonntag kräftig an Zustimmung verlieren. In Umfragen kommt die CDU auf um die 30 Prozent, bei der letzten Wahl 2021 erzielte die Partei noch fast 41 Prozent. Hans ist seit 2018 Ministerpräsident, er löste Annegret Kramp-Karrenbauer ab, die damals CDU-Generalsekretärin wurde. Die SPD könnte deutlich dazu gewinnen und mit ihrer Spitzenkandidatin und Landeswirtschaftsministerin Anke Rehlinger mit Abstand stärkste Partei werden. Die Linkspartei dürfte wie die CDU kräftig verlieren: In Umfragen liegt sie bei nur noch vier Prozent.  Grüne und FDP wiederum könnten wieder in den Landtag einziehen. rt Nun hat sie zwischen Einkaufszentrum, Eisdiele und Bratwurststand ihren roten Sonnenschirm mit dem Parteilogo aufgespannt und eine Bühne aufgebaut. Auf dieser steht Gysi und lässt sich von allen Zweifeln, ob seine Ost-Erzählungen auch im Südwesten funktionieren, nicht beirren. Stattdessen versucht er sich an einer Analogie: Damals, als sich die SED in die PDS verwandelte und Gysi zum Vorsitzenden wurde, »kamen alle zu mir und sagten: Das zerbröselt sich, da kannst du machen, was du willst.« Dann schwingt sich der Altstar noch einmal auf, versucht, in dieser äußerst prekären Lage einen Hauch von Aufbruchstimmung auf den Platz zu zaubern: Gerade in einem solchen Moment, in dem der Niedergang besiegelt scheint, »entsteht in mir Leidenschaft. Und deshalb sage ich: Das geht nicht! Jetzt erst recht Die Linke wählen!« Das Publikum klatscht und johlt. Es ist ein Phänomen: Gysi schafft es immer wieder, die Leute auf seine Seite zu ziehen - wenngleich der Applaus in den hinteren Reihen in Gemurmel übergeht und von einem echten Aufbruch an diesem Abend auf dem halb vollen Stummplatz nicht allzu viel zu spüren ist. Die Geschichte ist ja auch tragisch: Ähnlich wie die PDS zur Wendezeit kämpft heute die Linke ums politische Überleben, auch wenn die Umstände ganz andere sind. Zu jener Zeit hat nicht zuletzt Gregor Gysi die Partei gerettet - und jetzt? Ausgerechnet zu diesem maximal ungünstigen Zeitpunkt sorgte jene Koryphäe, die als SPD-Ministerpräsident und späterer Linke-Fraktionschef im Saarland großes Ansehen erworben hatte, durch ihren Parteiaustritt für zusätzlichen Ärger: Oskar Lafontaine kann und will die im kleinsten deutschen Flächenland einst so erfolgreiche Linke - bei der Landtagswahl 2009 kam sie auf 21,3 Prozent - nicht mehr retten. Stattdessen hatte er in seiner Abschiedserklärung noch einmal deutliche Kritik geübt: Die Linke habe Arbeitnehmer*innen und Rentner*innen an andere Parteien verloren sowie friedenspolitische Grundsätze aufgegeben. Es ist diese Position, die auch Ehefrau Sahra Wagenknecht immer wieder vertritt: Die Linke habe sich von den »einfachen Leuten« entfernt, weil sie sich beispielsweise zu stark um den Schutz gesellschaftlicher Minderheiten kümmere. Andere in der Partei werfen Lafontaine und Wagenknecht vor, verschiedene Gruppen - zum Beispiel Geflüchtete und Arbeiter*innen - gegeneinander auszuspielen. Lafontaines Parteiaustritt folgte einer jahrelangen Entfremdung. Nun steht Barbara Spaniol vor der schweren Aufgabe, in große Fußstapfen zu treten. Im Laufe der vergangenen Legislaturperiode war sie noch von Lafontaine aus der Landtagsfraktion geworfen worden, weil sie diese nicht entschieden genug gegen Kritik des Vorstands um Landeschef Thomas Lutze verteidigt habe. Daraufhin gründete sie mit der bis dahin ebenfalls fraktionslosen Abgeordneten Dagmar Ensch-Engel eine zweite linke Fraktion: die Saar-Linke. Nun ist sie die neue Spitzenkandidatin der Gesamtpartei, eröffnet die Wahlkampfveranstaltung in Neunkirchen in knallrotem Kleid. Seit 2004 sitzt die lebhaft wirkende 58-Jährige im Landtag, zunächst für die Grünen, seit 2009 für die Linke. Sie hat nicht den überregionalen Bekanntheitsgrad eines Oskar Lafontaine, aber sich doch durch langjährige Arbeit in der Region ein gewisses Standing erarbeitet. Der Star des Abends ist jedoch ein anderer: Nach kurzer Eröffnungsrede übergibt Spaniol an Gysi, der sich fortan durch den Ukraine-Krieg, die Corona-Krise und natürlich den berühmten »Steuerbauch« arbeitet - jenes Motiv, das er immer wieder verwendet, um die steuerliche Ungleichbehandlung der Mittelschicht gegenüber den Gutverdiener*innen zu verdeutlichen. Bei den Leuten kommt er damit gut an. Nach etwa 30 Minuten dann der unangenehme Teil des Auftritts, um den er aber nicht herumkommt - nicht hier im Saarland: »Oskar Lafontaine hat die Partei verlassen, nachdem es einen Entfernungsprozess gab. Das tut mir weh«, sagt Gysi. Die Personalie kurz und knapp abgehandelt, geht er dann, um schnell die Kurve zu kriegen, zu jener ’89-Erzählung über. Man könnte sagen: Angesichts der gleich doppelt schwierigen Umstände - neben den landespolitischen Querelen trifft auch der Bundestrend die Linke im Saarland hart - sieht sich Gysi gezwungen, alle rhetorischen Register zu ziehen. Am Rand steht Thomas Lutze und beißt in eine Bratwurst. Mit seinen zwei Metern ist der Linke-Landeschef nicht zu übersehen. Während Gysi auf der Bühne darum bemüht ist, für neuen Schwung zu sorgen, wirkt Lutze angesäuert. Er selbst war von Lafontaine dafür angegangen worden, ein »Betrugssystem« geschaffen und sich mit bezahlten Mitgliedern für den Bundestag aufgestellt zu haben. »Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass genau die Leute, die mir das vorgeworfen haben, selbst Unterschriften gefälscht haben«, so Lutze, der über Lafontaine ansonsten nicht weiter sprechen will. Stattdessen lobt er Barbara Spaniol, die sich gegenüber ihrem Vorgänger überhaupt nicht zu verstecken brauche: »Sie hat den Vorteil, dass sie schon lange im Landtag sitzt. Dadurch hat sie in einem so kleinen Bundesland eine gewisse Aufmerksamkeit erworben«, sagt er. Und: »Sie hat sich einen Namen gemacht, indem sie sich auf das landesspezifische Thema Bildung konzentriert hat.« Was er damit ausdrücken will: An Spaniol werde es nicht gelegen haben, sollte die Linke den Wiedereinzug in den Landtag nicht schaffen. Klar ist aber auch: Von einem Aufbruch, wie ihn Gysi in Neunkirchen erzeugen will, ist die Linke derzeit weit entfernt. Sollte sie rausfliegen, wäre sie unter den westdeutschen Flächenländern nur noch im Landtag von Hessen vertreten.
Max Zeising, Neunkirchen
Schafft sie den Wiedereinzug auch ohne Oskar Lafontaine? Die Linke kämpft bei der Landtagswahl im Saarland um den Wiedereinzug. Wie die Partei versucht, eine weitere Niederlage noch zu verhindern. Ein Ortsbesuch in Neunkirchen.
Die Linke, Gregor Gysi, Landtagswahl, Oskar Lafontaine, Saarland
Politik & Ökonomie
Politik Linke im Saarland
2022-03-25T16:27:55+0100
2022-03-25T16:27:55+0100
2023-01-20T18:54:47+0100
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1162480.linke-im-saarland-ein-altstar-und-wenig-hoffnung.html
Laschet setzt Ultimatum
Die CDU verspricht, die SPD fordert: In der Affäre um die Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel (ehemals CDU, Bundestagsmandat niedergelegt) und Georg Nüßlein (ehemals CSU, weiterhin Abgeordneter), die Provisionen in sechsstelliger Höhe für die Vermittlung von Geschäften mit Corona-Schutzmasken kassiert haben sollen, gelobt CDU-Parteichef Armin Laschet Aufklärungswillen. Die Sozialdemokraten wiederum verlangen eine Verschärfung der Regeln des kürzlich von der Großen Koalition vereinbarten Lobbyregisters. So erklärte CDU-Chef Laschet am Montagabend in den ARD-»Tagesthemen«: »Sollte irgendjemand noch solche Geschäfte gemacht haben, hat er sehr schnell Zeit, mir das persönlich zu sagen, bevor es auffällt, damit die Konsequenzen gezogen werden.« Er wisse nicht, ob es weitere Fälle gebe: »Aber wenn es sie gibt, ist jetzt die Zeit, reinen Tisch zu machen. Wenn nicht, machen wir das.« SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, allen Demokraten müsse daran gelegen sein, »dass Raffgier und Vetternwirtschaft in unseren Parlamenten keine Chance haben.« Er rief die Spitzen von CDU und CSU auf, gemeinsam mit der SPD »für wirksame Transparenz- und Sanktionsregeln« einzutreten. Dazu müsse auch der sogenannte »exekutive Fußabdruck« im Lobbyregister zählen, so Walter-Borjans. Damit wäre nachvollziehbar, welche Akteure und Organisationen an einem Gesetzestext mitgewirkt haben. Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, fordert derweil ein sofortiges Verbot »der bezahlten Lobbytätigkeit von Abgeordneten« und ein »effektives Lobbyregistergesetz«. Zudem müsse in der Geschäftsordnung des Bundestags geregelt werden, »dass Nebeneinkünfte auf Euro und Cent veröffentlicht werden müssen«. Die Staatsanwaltschaft Mannheim leitete unterdessen einen Überprüfungsvorgang gegen Löbel ein. Bei der Überprüfung gehe es um die von ihm kassierten Provisionen bei der Beschaffung der Masken, erklärte ein Sprecher. Insgesamt lägen vier Strafanzeigen gegen Löbel vor. Mit Agenturen
Markus Drescher
Während in der sogenannten Masken-Affäre über politische Konsequenzen diskutiert wird, interessiert sich mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft für einen der beiden betroffenen Unionspolitiker.
Armin Laschet, CDU, Lobbyismus, SPD
Politik & Ökonomie
Politik Masken-Affäre
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1149305.masken-affaere-laschet-setzt-ultimatum.html?sstr=Nüßlein
Starkes Erdbeben in Indonesien
Jakarta. Vor der Küste Indonesiens hat sich ein starkes Erdbeben ereignet. Die indonesische Erdbebenwarte gab am Mittwochnachmittag eine Tsunami-Warnung aus, nahm diese jedoch nach kurzer Zeit wieder zurück. Entwarnung gaben die Lokalbehörden für Padang in Sumatra, wie ein Beamter den Lokalmedien am Mittwochnachmittag sagte. Von den relativ nahe am Zentrum des Bebens liegenden Mentawai-Inseln wurden zunächst keine Schäden gemeldet. Zunächst wurden keine Todesopfer gemeldet, Berichten zufolge gibt es jedoch noch Befürchtungen, dass es Tote gegeben haben könnte. Für Teile von Sumatra, darunter Aceh, Bengkulu, Nordsumatra und Lampung, bestehe das Risiko, von einem Tsunami getroffen zu werden. Ein Augenzeuge in der Stadt Padang berichtete, dass die Einwohner sich in höher gelegene Gebiete geflüchtet hatten, nachdem die Tsunami-Warnung von den örtlichen Moscheen verbreitet worden sei. »Die Menschen hatten Panik und flohen zu Fuß oder auf ihren Motorrädern. Es gab Verkehrsstaus«, sagte Muhammad Ridho. Nach dem Beben mit einer Stärke von mindestens 7,7 war zunächst von einem Tsunami-Risiko für Teile von Sumatra, darunter Aceh, Bengkulu, Nordsumatra und Lampung sowie für die Menatawi-Inseln gewarnt worden. »Das Risiko ist sehr gering, aber die Bewohner in den Küstenregionen sollten derzeit noch nicht dorthin zurückkehren«, sagte ein Sprecher der indonesischen Tsunami-Warnzentrums in Jakarta. Das Beben habe in diesem Fall nur zu horizontalen und nicht zu vertikalen Verschiebungen des Meeresbodens geführt, sagte Prof. Rainer Kind vom Helmholtz-Zentrum der Deutschen Presse-Agentur. Dadurch bestehe nur ein geringes Tsunami-Risiko. Zu vertikalen Verschiebungen komme es, wenn sich Beben näher an der Küste ereigneten. Zu der Stärke des Bebens gab es zunächst unterschiedliche Angaben, es hatte mindestens eine Stärke von 7,7. Japanische Seismologen maßen eine Stärke von 8,3. Das Zentrum des Bebens lag demnach etwa 800 Kilometer südwestlich von Padang in der geringen Tiefe von 10 Kilometern. Auch für die zu Australien gehörenden Cocos- und Weihnachtsinseln wurde eine Tsunami-Warnung ausgesprochen. Die indonesischen Behörden meldeten keine Schäden von den Sumatra vorgelagerten Mentawai-Inseln. »Wir haben mit Beamten auf Mentawai gesprochen, und sie haben uns gesagt, es gebe weder Schäden noch Opfer«, sagte der Chef der für die Region zuständigen Behörde für Katastrophenschutz dem Rundfunksender Elshinta. Im Oktober 2010 kamen nach einem Erdbeben und Tsunami vor den Mentawai-Inseln 500 Menschen ums Leben. In Indonesien bebt häufig die Erde. Der südostasiatische Inselstaat liegt in einer seismologisch aktiven Zone, wo es immer wieder zu Erschütterungen und Vulkanausbrüchen kommt. Am 26. Dezember 2004 starben mehr als 200 000 Menschen bei einem gewaltigen Erdbeben und Tsunami im Indischen Ozean mit der Stärke 9,1. Agenturen/nd
Redaktion nd-aktuell.de
Entwarnung gaben die Behörden für Padang in Sumatra. Von den relativ nahe am Zentrum der schweren Erschütterungen liegenden Mentawai-Inseln wurden zunächst keine Schäden gemeldet.
Erdbeben, Tsunami
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Brandgefährliche Stimmungsmache
Angesichts vermehrter Proteste gegen Flüchtlingsheime fühlen sich manche an die frühen 90er Jahre erinnert. Es war die Zeit rassistischer Pogrome und Morde. Es war die Zeit, als das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl im hohen Maße eingeschränkt wurde. Und es war die Zeit, in der auch die Medien eine unrühmliche Rolle spielten. Margret Jäger, Leiterin des Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, betonte damals in einem Gastkommentar für »Neues Deutschland« die Mitverantwortung der Medien für den sich Bahn brechenden Rassismus. Den Ausschreitungen und Gesetzesänderungen ging eine bereits Jahre andauernde negative Berichterstattung über Flüchtlinge voraus. Von »Bild« bis »Spiegel« wurden Schreckensbilder krimineller Flüchtlinge gezeichnet, die mit ihrer unüberbrückbar »fremden Kultur« die innere Sicherheit gefährdeten, schreckliche Krankheiten nach Deutschland brächten und den deutschen Sozialstaat in die Pleite... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Sebastian Friedrich
Sebastian Friedrich vergleicht die Berichterstattung zum Thema Asyl Anfang der 1990er Jahre und heute
Deutschland, Flüchtlinge, Rassismus
Meinung
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Opposition fordert Ausstieg aus »Überwachungslogik«
Berlin. Die Linkspartei hat die Reaktion der Bundesregierung auf die jüngsten Entwicklungen in der NSA-Affäre als völlig unzureichend kritisiert. Trotz des Bekanntwerdens eines Spions beim BND, der offenbar auch Material über den Untersuchungsausschuss des Bundestags zur weltweiten Überwachung weitergetragen hatte, seien der Großen Koalition die Interessen der Geheimdienste wichtiger »als der Grundrechtsschutz ihrer Bürger«, sagte der Innenpolitiker Jan Korte. Mehr als ein Jahr nach den ersten Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden weigere »sich die Bundesregierung beharrlich, politische Konsequenzen zu ziehen und übt sich lediglich in Wortakrobatik«. Die Ankündigung, der Bundesinnenminister wolle nun eventuell auch die deutschen Geheimdienste gegen die USA und andere Verbündete einsetzen, nannte der Bundestagsabgeordnete einen »schlechten Scherz«. Die Koalition müsse »endlich begreifen, dass das Problem die herrschende Sich... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Während die Opposition die Forderungen aus der Koalition nach mehr Gegenspionage als falsche Konsequenz aus der NSA-Affäre zurückweist, fordert ein Unionspolitiker mehr Geld für den BND - für noch mehr Spionage.
BND, Die Grünen, Hans-Christian Ströbele, Jan Korte, LINKE, NSA, Spionage
Politik & Ökonomie
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Südamerika feiert in Katar
Mit einem neu erbauten Stadion verhält es sich wie mit einem gerade fertiggestellten Haus: Ob wirklich alles den Belastungen standhält, zeigt erst der Alltagsbetrieb. Insofern muss es für die Konstrukteure des »974« getauften Stadions am Hafen von Doha ein beruhigendes Gefühl gewesen sein, dass in der Nacht zu Donnerstag zwar nicht alles ruhig, aber heil blieb. Eine Herde Büffel in amerikanischer Prärie hätte kein größeres Beben auf den übereinander gestapelten Containern auslösen können als die Menschenmenge, die Argentinien beim Einzug ins WM-Achtelfinale singend, tanzend und stampfend begleitete. Als Alexis Mac Allister und Julián Álvarez die krasse Überlegenheit des zweifachen Weltmeisters gegen Polen mit ihren Toren zum 2:0 krönten, wackelte der Boden in den provisorischen Bauten drumherum. Robert Lewandowski und seine Elf waren vom Weltstar Lionel Messi und seinem Ensemble schlicht überrannt worden. Den Luxus des verschossenen Elfmeters durch Messi – nach fragwürdiger Intervention des Videoschiedsrichters übrigens – lächelten alle weg, erst recht der 35-Jährige, der hinterher bester Laune war. »Wir haben wieder angefangen, das zu tun, was wir so lange getan haben, was wir aber seit Beginn der WM aus verschiedenen Gründen nicht umsetzen konnten«, sagte der Superstar. Die Auftaktpleite gegen Saudi-Arabien war gestern, am Samstag wartet das Achtelfinale gegen Australien – am Sonntagnachmittag im Ahmad Bin Ali Stadium in Ar-Rayyan. Woran es nicht mangelt, ist die Unterstützung von den Rängen, die sich direkt auf den Rasen überträgt, und das Singen und Stampfen, das an Spieltagen mit argentinischer Beteiligung von frühmorgens bis spätabends einem Belastungstest des gesamten Metronetzes gleichkommt. Wie schon bei der WM 2018 in Russland prägen die Südamerikaner auch in Katar das Erscheinungsbild. Ihnen ist kein Weg zu einer WM zu weit, kein Trip zu teuer. Unter den zehn Ländern mit den meisten Ticket-Bestellungen befanden sich wieder Mexiko, Argentinien und Brasilien. Gefühlt fast die Hälfte der mehr als 88 000 Zuschauer im Lusail Stadium trugen beim ersten Spiel von Rekordweltmeister Brasilien gegen Serbien kanariengelbe Trikots, am Tag danach bei Argentinien gegen Mexiko dominierten dann die Jerseys mit den drei hellblauen Längsstreifen, Erkennungszeichen der Albiceleste. Es ist allerdings ein Irrglaube, dass alle diese Unterstützer aus Südamerika kommen. Das erzählt Sheikh Ferdous am Millennium Plaza, ein nettes Public-Viewing-Areal in Al-Sadd. Er stand dort gegen Mitternacht in seinem Argentinien-Trikot an einem Brunnen, trällerte Lieder und hielt seinen Schal. Mit Argentinien, erklärte der in Bangladesch geborene, aber in Katar seit Jahren arbeitende Mann, verbinde ihn seit seiner Kindheit die Liebe und Bewunderung für Diego Maradona – und heute verehre er Lionel Messi. Man müsse sich mal umhören bei anderen Gastarbeitern aus Nepal, Pakistan oder seiner Heimat: »Ganz viele unterstützen Argentinien oder Brasilien.« Das würde den riesigen Support vor Ort erklären. Fast 100 000 Besucher sind an Spieltagen mit Brasilien und Argentinien verteilt jeweils zum Fan-Festival in den Al-Bidda Park geströmt. Das weitgehend durchgesetzte Alkoholverbot scheint gar nicht mehr groß zu stören. Die Stadien füllen sich gut ohne Bierverkauf. Von den mehr als drei Millionen verkauften WM-Tickets gingen die meisten zwar an Staatsbürger von Katar, der USA und Saudi-Arabiens, aber die Südamerikaner machen die Stimmung. Motto: Wenn die WM jetzt hier stattfindet, machen wir das Beste daraus. Die Gäste aus den Schwellenländern haben eine Grundhaltung mitgebracht, die Oscar Lopez aus Ecuador in einem Gespräch mit »nd« so beschreibt: Er verschließe nicht den Augen vor der Kehrseite, habe viel über die Ausbeutung der Arbeitsmigranten gelesen, aber er wolle das hier nicht ansprechen, denn: »In Südamerika haben viele Menschen ihre eigenen Probleme mit der Regierung, mit der Korruption, mit der Zerrissenheit. Es steht uns einfach nicht zu, den Gastgeber zu belehren.« Er schätzt, dass mindestens 20 000 Landsleute etwa beim zweiten Gruppenspiel gegen die Niederlande gewesen seien. Wie wichtig dem Land mit seinen knapp 18 Millionen Einwohnern das Spiel war, zeigte die Tatsache, dass Schulen und Universitäten vergangenen Freitag geschlossen blieben. Auch Schüler, Studenten und Lehrer sollten »zum Zugehörigkeitsgefühl, zur nationalen Einheit und zum ecuadorianischen Stolz beitragen«, hieß es. Während in Deutschland Millionen Menschen nicht einschalten, werden anderswo die Bürger angehalten, Fußball zu schauen. Der in England arbeitende Fan aus Ecuador findet, dass eine WM viel für die Verständigung bringe. Die Komprimierung der WM auf eine Stadt und deren Umgebung ermögliche viele Kontakte. Der Trip in die Wüste, sagte er vor der Abreise, habe sich auf jeden Fall gelohnt. Zurück in London wurde auch das letzte Gruppenspiel gegen Senegal geschaut, wobei er aus der Ferne erleben musste, wie sich seine Lieblinge von der südamerikanischen Party in Katar vorzeitig verabschiedeten. Lesen Sie alle unsere Beiträge zur Fußball-WM in Katar unter: dasnd.de/katar
Frank Hellmann, Doha
Argentinische Fans und Fußballer sind beseelt davon, in Katar etwas Großes zu erreichen. Die Unterstützung südamerikanischer Fans erreicht in Doha generell weltmeisterliche Dimensionen.
Argentinien, Brasilien, Katar
Sport
Sport Fußball-WM in Katar
2022-12-01T15:00:20+0100
2022-12-01T15:00:20+0100
2023-01-20T16:51:20+0100
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1168988.suedamerika-feiert-in-katar.html
Zehntausende junge Menschen in Brüssel auf der Straße
Brüssel. In Brüssel haben zehntausende Schüler und Studenten Unterricht und Vorlesungen geschwänzt, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. 35.000 junge Menschen hätten am Donnerstag am dritten Protestmarsch der Bewegung Youth for Climate teilgenommen, erklärte die belgische Polizei im Kurzbotschaftendienst Twitter. Viele junge Belgier wollen nun jeden Donnerstag auf die Straße zu gehen, bis die Politik im Kampf gegen den Klimawandel mehr Ehrgeiz zeigt. Am ersten Protestmarsch in Brüssel vor drei Wochen hatten noch rund 3000 Schüler teilgenommen. Vergangene Woche waren es bereits 12.500 - und nun noch einmal rund drei Mal so viele. Der Nachrichtenagentur Belga zufolge schlossen sich zahlreiche Studenten dem Protestzug an. Die Demonstrationen sind von der schwedischen Schülerin Greta Thunberg inspiriert. Sie streikt seit etwa einem halben Jahr jeden Freitag vor dem Parlament in Stockholm und will weitermachen, bis die Regierung die auf dem Pariser Klimagipfel 2015 gemachten Zusagen einhält. Derzeit ist die 16-Jährige beim Weltwirtschaftsforum in Davos, um ihre Botschaft an Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik heranzutragen. Aus der Idee hat sich eine internationale Kampagne junger Menschen entwickelt, die der Politik Versagen bei der Lösung dieses zentralen Zukunftsproblems zu ihren Lasten vorwerfen. Auch in Deutschland waren in diesem Zusammenhang vergangenen Freitag tausende Schüler, Auszubildende und Studenten in mehr als 50 Städten auf die Straße gegangen. Agenturen/nd
Redaktion nd-aktuell.de
In Brüssel haben zehntausende Schüler und Studenten Unterricht und Vorlesungen geschwänzt, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. 35.000 junge Menschen haben am dritten Protestmarsch der Bewegung Youth for Climate teilgenommen.
Klima, Schüler
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Politik Klimaschutz
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Zypern - Kolonie der Eurokraten
In Zypern beginnt heute die Fastenzeit. Doch in diesem Jahr ist es nicht nur der Verzicht auf Fleisch und Milch, der den Zyprern zusetzen wird, sondern auch die harte Realität, in die sie am Wochenende gestoßen wurden. Buchstäblich über Nacht hat ihr Präsident Nikos Anastasiades mit der Eurogruppe die Beteiligung der Bankkunden an der Sanierung der zyprischen Geldhäuser ausgehandelt und auch gleich alle Konten für den Auslandsverkehr sperren lassen. Betroffen sind nicht nur Firmen und Privatleute mit einem Kapital von über 100 000 Euro, sondern auch Kleinsparer. Die Empörung darüber ist größer als der Ärger über die eigentliche Zwangsabgabe. Zum einen werfen die Bürger Anastasiades vor, er habe nach nicht einmal drei Wochen Amtszeit schon seine Wahlversprechen gebrochen. Auf der anderen Seite gehen die Anschuldigungen... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Christiane Sternberg
Das »Rettungspaket« für den Euro-Krisenstaat Zypern wird wieder aufgeschnürt. Nach heftigen Protesten gegen die Zwangsabgabe für Bankkunden verschob das Parlament in Nikosia am Montag zum zweiten Mal die Debatte darüber.
EU, Finanzkrise, Zypern
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Sondierung im Saarland
Bereits der Auftakt der Sondierung am Sonntagnachmittag hatte einen gewissen Symbolwert für die Ausgangslage zwischen Eile und Zurückhaltung. Die siebenköpfige CDU-Verhandlungsgruppe traf bereits fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit ein. Ministerpräsidentin und Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte ihre Erwartung nach einem »ordentlichen, sachlich-orientierten und konstruktiven« Gespräch und eilte zum Sitzungssaal »Alte Bibliothek« im Saarbrücker Landtag. SPD-Chef Heiko Maas folgte mit seinen Kollegen exakt pünktlich um 14 Uhr, »Wir werden jetzt einige Themen auf den Tisch legen und die Reaktionen abwarten«, sagte er betont gelassen. Für das erste Sondierungsgespräch hatten beide Seiten zunächst einen Kassensturz vereinbart, um herauszufinden, welchen politischen Handlungsspielraum es im Haushaltsnotlageland Saarland angesichts der Schuldenbremse überhaupt noch gibt. Beide Seiten gingen mit durchaus unterschiedliche... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Oliver Hilt, Saarbrücken
Am Sonntag begannen CDU und SPD im Saarland ihre Sondierungsgespräche für eine mögliche Koalition.
CDU, Jamaika-Koalition, Saarland, SPD
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Politik
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Bundestag beschließt Zahlung von Ghetto-Renten
Berlin. Auch Menschen in Polen, die während der NS-Zeit zur Arbeit in einem Ghetto gezwungen wurden, haben künftig Anspruch auf eine Rente aus Deutschland. Der Bundestag stimmte am Donnerstagabend mit den Stimmen aller Fraktionen einem Abkommen zwischen Deutschland und Polen zu, das die Zahlung ermöglicht. Bislang konnte wegen anderslautender Regeln in Polen lebenden ehemaligen Ghetto-Beschäftigten keine Rente aus Deutschland gezahlt... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Auch Polen sollen für NS-Zwangsarbeit eine Altersversorgung bekommen
Bundestag, Ghettorenten
Politik & Ökonomie
Politik
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EU-Ultimatum für AKP Staaten
Die Zeit tickt: Mit ihrem Ultimatum vom 30. September setzt die Europäische Kommission Nachzügler wie Namibia und Botswana unter Druck. »Diese Entscheidung der EU kommt nicht unerwartet«, meinte der unabhängige namibische Handelsexperte Wallie Roux. Sie ziele auf Länder wie Namibia, die sich nur widerwillig an den EPA-Verhandlungen beteiligten. »Vielleicht versucht die EU, ihren letzten Trumpf auszuspielen, um die Verhandlungen über dieses schlecht konzipierte Modell zukünftiger Handelsbeziehungen überhaupt zeitlich in den Griff zu bekommen«, sagte er IPS. Besonders in afrikanischen Ländern sind die EPAs unpopulär. Sie kritisieren, die darin vorgegebenen Handelsbedingungen seien unfair und schränkten den Spielraum ihrer eigenen Handels- und Wirtschaftspolitik ein. Roux betonte, es sei wohl kein Zufall, dass die EU ihr Ultimatum zu einer Zeit stelle, in der Ländern mit mittleren Einkommen wie Botswana und Namibia der Verlust der Zo... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Servaas van den Bosch, Windhuk, (IPS)
Bis zum 31. Dezember 2013 sollen die Verhandlungen über die umstrittenen Wirtschaftspartnerschaften (EPAs) zwischen der Europäischen Union und den sogenannten AKP-Staaten in Afrika, der Karibik und der Pazifik-Region abgeschlossen sein. Andernfalls droht den Ländern der Verlust der Handelspräferenzen, die ihnen die EU bislang einräumt.
Afrika, EU, Handel, Wirtschaftspolitik
Politik & Ökonomie
Politik
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Fettleibigkeit im Slum
Es war ein ehrgeiziges Ziel, dass sich die Teilnehmer aus Forschung, Politik, Industrie und Zivilgesellschaft für ihr Treffen gesetzt hatten: Sie wollten darüber beraten, wie der medizinische Fortschritt alle erreichen kann. Alle, das schließt die Entwicklungs- und Schwellenländer ein. Auf dem hochkarätigen Gipfeltreffen, das in der Berliner Charité unter der Schirmherrschaft von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy zum zweiten Mal stattfand, waren diese Länder jedoch unterrepräsentiert. Getragen wird der World Health Summit (WHS) von der M8 Allianz, einem akademischen Exzellenzforum, dessen Name gewollt an den G8-Zirkel der großen Industrienationen erinnert. Zu den Problemen der Entwicklungsländer zählen trotz Verabschiedung der Millennium-Entwicklungsziele vor zehn Jahren noch immer eine hohe Kindersterblichkeit, die schlechte Gesundheit von Müttern und die Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie HIV, Malaria und Tuberkulose. Dessen is... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Jenny Becker
Heute endet der Weltgesundheitsgipfel in Berlin, auf dem seit Sonntag rund 1000 Experten über globale Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung diskutierten.
Entwicklungsland, Ernährung, WHO
Politik & Ökonomie
Wirtschaft und Umwelt
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Was Jude sein, was Israeli sein bedeutet
Die Synagoge - bei einem solchen Titel sind Auskünfte über das Judentum zu erwarten, über jüdische Religiosität und Bräuche - und in der Tat, hierin erweist sich Chaim Nolls Roman als enzyklopädisch. Sein Wissen ist enorm. Nur gut, dass die Auskünfte meist mit der Handlung verwoben bleiben. Selbst die detaillierten Schilderungen anti-israelischer Anschläge in den Jahren der Intifada sprengen nur selten den Handlungsrahmen. Da nimmt es Wunder, dass ausgerechnet der Romananfang »Der Fremde« nicht zu einem Teil des Ganzen wird. Rabbi Jaakov Baruch Binsenweis aus Kalifornien, ein hagerer, hochgewachsener Chassid ganz in Schwarz gekleidet, mit schwarzem Hut und Ringellocken, der es sich in den Kopf gesetzt hat, Jerusalem zu verlassen, um eine Zeit lang in der Negev Wüste im Umfeld von Wüstenforschern, Algen- und Pflanzenzüchter, Geologen, Anthropologen, Hochschullehrern und Experten für Solarenergie zu leben, bleibt außen vor. Kein... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Walter Kaufmann
Chaim Noll wird siebzig: In seinem großangelegten Roman »Die Synagoge« führt er in die Negev-Wüste
Buchrezension, Israel, Juden, Synagoge
Feuilleton
Kultur
https://www.nd-aktuell.de//artikel/938926.was-jude-sein-was-israeli-sein-bedeutet.html
Die Internetwelt bei der Bahn mit Grenzen
Sie stattet die drahtlosen Funknetze (WLAN) ihrer rund 250 ICE derzeit mit einer modernen Technik aus. Dabei werden alle Mobilfunknetze an einer Bahnstrecke genutzt. Das Steuerungssystem greift auf die jeweils schnellsten Netze (LTE, UMTS) zu und kann die Kapazitäten mehrerer Netzbetreiber bündeln. Bislang wurde nur das Telekomnetz angezapft. Der schnelle Wechsel der Funknetze bei bis zu Tempo 300 mit bis zu 800 Fahrgästen pro ICE, die gleichzeitig ins Internet wollen, sind eine schwierige Aufgabe. Das neue System verteilt die vorhandene Bandbreite möglichst gerecht auf alle Passagiere, wobei Fahrgäste der 1. Klasse einen Tempovorteil beim Surfen haben und keine Drosselung befürchten müssen. In der 2. Klasse liegt die Datenrate laut Bahn bei unter einem... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
In allen ICE-Hochgeschwindigkeitszügen der Deutschen Bahn sollte ab 1. Januar 2017 ein stabiler Internet-Zugang Standard sein - auch in der 2. Klasse. Doch dem Surfvergnügen sind Grenzen gesetzt.
Bahn, Internet, Mobilfunk
Ratgeber
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1041794.die-internetwelt-bei-der-bahn-mit-grenzen.html
Tausende gegen die AfD: Mobilisierung gegen Parteitag in Essen
Ein Blick neun Jahre zurück: Das erste Juli-Wochenende im Jahr 2015. Es ist heiß in Deutschland. Noch heißer ist es in der Essener Grugahalle. 4000 Mitglieder der AfD haben sich zum Bundesparteitag getroffen. Die Partei ist damals in einer Krise. Der EU-kritische Schwerpunkt der »Professorenpartei« ist am Ende. Rechtere Kräfte übernehmen in der AfD den Ton. In Essen wird Bernd Lucke gestürzt. Frauke Petry wird AfD-Chefin. Damals unterstützt vom Lager um Björn Höcke. Die AfD hat sich seitdem immer weiter ins Lager der extremen Rechten bewegt. Faschist*innen sind heute an zentralen Schalthebeln der Partei. Neun Jahre später, am letzten Juni-Wochenende, will sich die Partei wieder in Essen zum Parteitag treffen. Eine Gemeinsamkeit. Damals wie heute wird es Protest geben. 2015, als viele noch meinten, die AfD sei eine konservativere Variante der CDU, hielt sich der Protest in Grenzen. 70 Menschen kamen zu einer Kundgebung des Bündnisses »Essen stellt sich quer«. So klein soll und wird der Protest in diesem Jahr nicht ausfallen. Umfragespitzen für die Landtagswahlen in Ostdeutschland und die Correctiv-Recherchen haben viele Menschen aufmerksam werden lassen. Es gibt eine extrem rechte Partei in Deutschland, sie hat reale Machtoptionen und ist eine Gefahr für Millionen Menschen im Land. Ende April hat sich bei einem Online-Treffen mit über 170 Menschen und Organisationen das »Widersetzen«-Bündnis gegründet. Das Ziel ist einfach, möglichst viele Menschen gegen den Parteitag der AfD auf die Straße bringen. Das Protestbündnis will an die erfolgreichen Blockaden der großen Naziaufmärsche in Dresden vor einigen Jahren anknüpfen. Ein zentrales Element damals wie heute. Eine bundesweite, solidarisch finanzierte Busanreise. Mit einfachen Mitteln soll es vielen Menschen ermöglicht werden, den Weg zum Protest in Essen zu organisieren. In der Ruhrgebietsstadt soll dann mit Mitteln des zivilen Ungehorsams gegen den AfD-Parteitag vorgegangen werden. Bei »Widersetzen« hält man den Zeitpunkt für richtig, den Konflikt mit der AfD zuzuspitzen. Die Partei arbeite am »Umsturz« und wolle »millionenfach« deportieren. Dagegen müsse man vorgehen und »offensiv den faschistischen Kern der AfD offenlegen«. Eine Idee, die auf breite Unterstützung trifft. So kündigte bei dem Treffen eine Düsseldorfer Antifaschistin an, dass der prominente Karnevalswagenbauer Jacques Tilly sich mit zwei Wagen am Protest beteiligen wolle. Und Janine Wissler, Vorsitzende der Linken, erklärte, dass die Partei bereitstehe, den Protest mit parlamentarischen Beobachter*innen zu begleiten. Vieles, was das Protestwochenende in Essen betrifft, ist noch offen. Etwa ob es Camps geben wird. Einiges ist allerdings auch schon klar. Unter »gemeinsam-laut.de« informieren die Gruppen und Bündnisse über die Aktivitäten am Protestwochenende, das unter dem Motto »Gemeinsam laut – Gesicht zeigen gegen Hass und Hetze« stattfindet. Am Freitag, dem 28. Juni, geht es mit einer Rave-Demo los. Anschließend soll auch in zahlreichen Clubs der Stadt gegen die AfD getanzt werden. Samstag gibt es neben den Aktionen zivilen Ungehorsams eine Großdemonstration, Kundgebungen in der Nähe des Parteitags und einen Markt der Möglichkeiten, bei dem sich Initiativen aus ganz Deutschland vorstellen können. Am Sonntag endet das Protestwochenende mit einer Mahnwache vor der Grugahalle.
Sebastian Weiermann
Ende Juni will sich die AfD zum Parteitag in Essen treffen. Die Kampagne »Widersetzen« trommelt bundesweit für zivilen Ungehorsam gegen das rechte Event.
AfD, Dresden
Politik & Ökonomie
Politik Antifa
2024-05-03T11:57:39+0200
2024-05-03T11:57:39+0200
2024-05-06T17:09:23+0200
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181939.antifa-tausende-gegen-die-afd-mobilisierung-gegen-parteitag-in-essen.html
Immer auf die Mütze
Düsseldorf. »Wir lassen uns nicht zum Affen machen. Wir sind hier nicht in Moskau.« Die Stimmung unter den Polizisten im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen ist gereizt, obwohl der Anlass, wie Gewerkschaftsboss Frank Richter einräumt, eher banal ist. »Seit drei Jahren warten die Kollegen auf eine anständige Wintermütze.« Dabei ist es nicht so, als müssten die Beamten bei Frost und Schnee ohne Mütze die Stellung halten. Es geht um das vom Innenministerium ausgewählte Modell: eine Fellmütze mit Ohrenklappen. Gab es bei der neuen blauen Uniform der Polizei Mitsprache und ein Auswahlverfahren, sei das bei der Wintermütze ganz anders gewesen, berichten die Beamten: »Die gab es als Cocktailkirsche oben drauf.« Eine einsame Entscheidung aus dem Innenministerium in Düsseldorf sei das gewesen, also von dort, wo in der Regel keine Wintermützen getragen werden müssen. Das Ergebnis: Den Polizisten wurde das gleiche Modell verpasst, das schon in Grün jahrzehntelang eher den Spind als das Beamtenhaupt zierte, nur eben in dunkelblau. »Warum, das wird wohl das ewige Geheimnis des großen Innenministeriums bleiben«, stichelt Polizei-Gewerkschafter Richter. In anderen Bundesländern gebe es längst ansprechende Fleece-Mützen. Mehr als 6000 Stück habe man von der Fellvariante bereits angeschafft, berichtet das Polizei-Beschaffungsamt in Duisburg. Die Nachfrage sei groß und die Fellmütze für Minustemperaturen auch gut geeignet. Das wiederum regt die Beamten auf: »Was heißt große Nachfrage? Die wurden einfach bestellt, uns hat keiner gefragt«, berichtet ein Polizist aus Düsseldorf. »Die hält zwar warm, aber die sieht einfach tierisch Scheiße aus«, findet Marco Spelleken, Polizist aus Bergheim. »Die grüne Fellmütze hat auch schon keiner angezogen.« Außerdem sei sie unhandlich, passe in keine Uniformtasche und: »Sie juckt.« Passanten sehen die Sache nicht so dramatisch: »Die mit dem Fell sind doch gerade ganz modern.« Doch Polizei-Gewerkschafter Richter zufolge wird die Fellmütze »von 80 Prozent der Kollegen abgelehnt«. Deswegen hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die landesweite »Aktion Wintermütze« gestartet und verteilt auf eigene Kosten 5000 Mützen. »Die finde ich super - definitiv besser als die andere. Die lag nach zwei Tagen bei mir im Keller«, sagt eine Polizistin in der Düsseldorfer Altstadt. »Der Respekt vor der Polizei hat ohnehin abgenommen«, sagt Polizei-Personalrat Manfred Böhm. »Es ist schwer genug geworden, sich durchzusetzen - etwa hier in der Düsseldorfer Altstadt. Da will man sich nicht noch zusätzlich lächerlich machen.« Allerdings hat auch das Gewerkschafts-Modell seine Tücken: Es ist schwarz statt dunkelblau, trotz »Polizei«-Schriftzug keine offizielle Dienstbekleidung, aus 100 Prozent Acryl, knistert und juckt. Dennoch: Viele Vorgesetzte duldeten das Tragen der Gewerkschafts- oder privaten Wintermützen, berichten die Beamten. Im Innenministerium hat man offenbar die Brisanz der Mützenfrage erkannt und hält sich zur Frage der Kopfbedeckung bedeckt: Der Stellungnahme des Polizei-Landesamtes sei nichts hinzuzufügen.
Frank Christiansen
Noch sind die Temperaturen mild, doch das Ungemach droht. Wenn der Winter kommt, haben viele Polizisten in Nordrhein-Westfalen keine Wintermütze, mit der sie sich auf der Straße sehen lassen wollen.
Nordrhein-Westfalen, Polizei
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Politik
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Ermittlungen gegen Bush?
Berlin/Ottawa (Agenturen/nd). Murat Kurnaz und drei weitere ehemalige Gefangene der USA wollen den früheren US-Präsidenten George W. Bush wegen Foltervorwürfen verklagen. Die Klage wurde jetzt bei der kanadischen Justiz anlässlich eines Besuchs von Bush in dem Land eingereicht, hieß es. Die Kläger werfen Bush vor, gegen die Antifolterkonvention der UNO verstoßen zu haben. Als Präsident habe er Folterungen im US-Gefangenenlager Guantanamo Bay und in afghanischen US-Stützpunkten zugelassen. Die Kläger wollen erreichen, dass die kanadische Justiz strafrechtliche Ermittlungen gegen Bush einleitet. Der Deutsch-Türke Kurnaz wurde fast fünf Jahre in Guantanamo festgehalten.
Redaktion nd-aktuell.de
Neuer Versuch in Kanada
George W Bush, Guantanamo, Kanada, USA
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Politik
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Jena und die Dynamik des Vorläufigen
Es ist ein Ort wie gemacht für Abrissbagger: Eine löchrige Matratze. Glasflaschen und Zigarettenstummel auf einem durchgesessenen Sofa. Vier Plakate warben am morschen Gartenzaun einst für einen Dia-Abend, bevor sie unter dem Schmutz der zwei angrenzenden Bundesstraßen verblassten. Dahinter: Ein heruntergekommenes dreistöckiges Haus, das sich in die letzte freie Ecke eines Schotterparkplatzes drängt. Zusammen mit 19 anderen wohnt der Politik-Student Clemens Leder in dem Altbau am Jenaer Inselplatz 9a. »Wohnen + X«, so nennen sie ihr Leben in einem Aushang. »Sich selbst verwirklichen jenseits kapitalistischer Zwänge« sei Ziel des Projekts, sagt Leder. Selten kocht jemand allein im Haus, nie vergeht eine Woche ohne Diskussionsabend. Zum 21. Jahrestag der Angriffe auf Ausländer in Hoyerswerda schaut man gemeinsam die Doku dazu. Manchmal laden sie Flüchtlinge ein, Lebensmittelgutscheine gegen Bargeld zu tauschen. Teil ... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Fabian Köhler
Ein Wohnprojekt und alternatives Kulturzentrum soll im thüringischen Jena abgerissen werden. Verwundert ist darüber kaum jemand, denn die Schließung selbstorganisierter Kultureinrichtungen hat in Jena Tradition - nicht erst seit der rot-schwarz-grünen Koalition im Stadtrat.
Jena, Kommunalpolitik, Kultur, Wirtschaft
Politik & Ökonomie
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Ab 200 Megabyte wird gedrosselt
Berlin. Die Deutsche Bahn bietet seit Sonntag allen ICE-Fahrgästen auch in der zweiten Klasse kostenlos einen Internetzugang an. Der Datenaustausch über ein lokales Funknetz (WLAN) soll deutlich stabiler und leistungsfähiger sein als bisher, kündigte das Unternehmen an. Die Umrüstung der Wagen und die Vorbereitung seien planmäßig bis Jahresende abgeschlossen worden, sagte eine Bahnsprecherin. Die Fahrgäste der zweiten Wagenklasse erhalten ein Datenvolumen von 200 Megabyte (MB) pro Tag und Endgerät. Dabei ist es egal, ob ein Reisender eine Stunde im Zug sitzt oder eine lange Reise vor sich hat. Bis zu diesem Limit soll das Übertragungstempo bei knapp einem Megabit pro Sekunde liegen. Danach wird die Datenrate gedrosselt. Nutzern wird es zunächst allerdings nicht möglich sein, zu kontrollieren, wie viel Datenvolumen ihnen noch bleibt. Für Kunden der ersten Klasse ist das Datenvolumen nicht begrenzt. ... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Zehntausende Fahrgäste machten am Sonntag bei der Fahrt im ICE die Probe aufs Exempel: Funktioniert das neue kostenlose WLAN im Zug? Schnell ist es nur bis zu einer bestimmten Datenmenge.
Bahn, Internet
Politik & Ökonomie
Wirtschaft und Umwelt
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Demo gegen rechte Gewalt
Leipzig (epd/nd). Rund 800 Menschen gedachten laut Polizei am Samstag in Leipzig mit einer Demo den Opfern rechter Gewalt. Anlass war der zweite Todestag eines christlichen Irakers. Der 19-jährige Kamal K. war von zwei Neonazis im Oktober 2010 in der Innenstadt zusammengeschlagen und niedergestochen worden. Er verblutete. Zu der Demo hatte unter anderem die Gruppe »Rise up« aufgerufen. Nach ihren Angaben sind in Leipzig seit 1989 sechs Todesopfer rassistischer Gewalt zu beklagen.
Redaktion nd-aktuell.de
Demonstration, Leipzig, Rechtsextremismus
Politik & Ökonomie
Politik
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Der Wunsch nach Wandel durch die Paralympics
Paris verfügt über eines der ältesten Metronetze der Welt. Einige Linien wurden vor mehr als 120 Jahren eröffnet. An den Stationen führen oft steile Treppen zu den Bahnsteigen. Aufzüge und Rampen gibt es selten. Nur die neue Bahnlinie 14 ist komplett barrierefrei. »Paris ist wie ein Hindernisparcours für behinderte Menschen«, sagt der Rollstuhltennisspieler Serge Mabilly. »Man braucht hier immer einen Plan B.« Am kommenden Mittwoch beginnen in Paris die 17. Sommer-Paralympics, mit rund 4400 Sportlern. Traditionell beschleunigen die Spiele des Behindertensports in den Gastgeberstädten eine Debatte über Barrierefreiheit und Teilhabe. In Frankreich leben zwölf Millionen Menschen mit einer Beeinträchtigung, rund 17 Prozent der Bevölkerung. Was können die Paralympics bewirken? Serge Mabilly engagiert sich als Vizepräsident des Verbandes APF France Handicap für behinderte Menschen. Er hatte große Hoffnungen mit den Paralympics in der französischen Hauptstadt verbunden. Schließlich stellten die Gastgeber in der Bewerbungsphase Investitionen von 1,5 Milliarden Euro in Aussicht: etwa in Rampen, rollstuhlgerechte Busse und Leitsysteme. Doch NGOs wie APF France Handicap beschreiben die Umsetzung als langsam und ambitionslos. Einige von ihnen haben bereits gegen die Gastgeber der Paralympischen Spiele demonstriert. Womöglich wird es auch bei den Spielen erneut zu Protesten kommen. »Für manche Strecken, die ohne Rollstuhl zehn Minuten dauern, brauche ich 40 Minuten«, sagt Serge Mabilly. »Oft kann ich dann nicht mal den Bus nutzen. Weil der Bus schon voll ist, nicht richtig parken konnte oder die Einstiegsrampe kaputt ist. Wir müssen jede Fahrt genau planen.« Es ist wohl unmöglich, die historische Metro komplett barrierefrei umzubauen. Die Organisatoren stellen aber mehr behindertengerechte Busse und Taxis in Aussicht. Auf den Bürgersteigen sollen Schlaglöcher und hohe Bordsteinkanten beseitigt werden. Während der Paralympics sollen außerdem Shuttlebusse an den großen Bahnhöfen bereitstehen, eine Fahrt muss aber reserviert werden. Die Athleten sollen von den Problemen wenig mitbekommen. Sie sind im Olympischen Dorf von Saint-Denis untergebracht, wo im Norden von Paris ein neues Quartier entsteht. »Im Dorf hat jedes Apartment barrierefreie Bäder«, erzählt Karl Quade, der Chef de Mission der deutschen Paralympier. »Langfristig können diese Wohnungen dann von behinderten Menschen genutzt werden.« Darüber hinaus haben die französischen Behörden im Rahmen der Paralympics weitere Maßnahmen angekündigt. So sollen öffentliche Stellen in Paris ihre Angebote für Menschen mit kognitiven Einschränkungen leichter zugänglich machen. Zudem wird das Bildungssystem gestärkt. »Bis 2030 soll in Paris mindestens eine barrierefreie Schule in maximal fünfzehn Minuten erreichbar sein«, sagt Andrew Parsons, Präsident der Internationalen Paralympischen Komitees (IPC). »Wir wollen beweisen, dass die Paralympics eine Stadt positiv prägen können.« Doch es hat Jahrzehnte gedauert, bis die Spiele diese Stellung erreichten. 1996 zum Beispiel ließen die Organisatoren in Atlanta etliche Sportstätten abbauen, sodass die Paralympics zum Teil in Ruinen stattfinden mussten. 2008 in Peking wurden bei den Paralympics zum ersten Mal überhaupt behinderte Menschen im chinesischen Fernsehen gezeigt, doch Ausgrenzung erleben sie in China bis heute. Immerhin: Nach den Spielen in London 2012 haben laut einer Studie ein Drittel der Briten ihre Einstellung zu Behinderungen geändert. Vor den Sommerspielen in Rio 2016 erarbeitete die brasilianische Regierung ein Antidiskriminierungsgesetz. Zwei Jahre später war in Brasilien die Zahl der Beschäftigten mit einer Behinderung um 50 Prozent höher als 2009 – das Jahr, in dem Rio den Zuschlag für die Spiele erhielt. Trotzdem können behinderte Menschen in den Favelas bis heute ihre Wohnungen oft nicht verlassen. IPC-Präsident Parsons sagt, dass die Paralympics nur der Anstoß für eine Entwicklung sein können, die Jahrzehnte dauern kann. Tokio etwa war schon vor den Paralympics 2021 eine Stadt mit eher wenigen Barrieren im Nahverkehr. Trotzdem sah man selten behinderte Menschen im Stadtbild. »In Japan gab es die Wahrnehmung, dass man sie besonders schützen müsse«, erklärt Parsons. »Aber das ist falsch. Behinderte Menschen brauchen Möglichkeiten, um sich zu entfalten. Ich glaube, dass die Paralympics die japanische Gesellschaft verändert haben.« In Deutschland fanden die Paralympics einmal statt, 1972 in Heidelberg. Die Olympia-Stadt München wollte das Athletendorf nicht umbauen, sondern die Wohnungen früh für Mieter freigeben. Mehr als 50 Jahre später wollen deutsche Sportverbände erneut eine Olympia-Bewerbung auf den Weg bringen. Aber wie könnte die Gesellschaft von Paralympics profitieren? Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, nennt Sportstätten, Schwimmhallen und Schulen, die in Deutschland vielfach nicht barrierefrei sind: »Und in vielen Städten mangelt es auch an barrierefreien Hotelzimmern.« Realistisch sind Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland frühestens 2040. Doch auch in der Bewerbungsphase könnten Themen in den Fokus rücken wie fehlende Lehrkräfte oder die teils mangelnde Zusammenarbeit zwischen olympischen und paralympischen Vereinen. Jürgen Dusel möchte auch nicht nur auf den Leistungssport blicken: »Menschen mit Behinderungen treiben deutlich weniger Sport als Menschen ohne Behinderungen. Und während der Pandemie haben viele Rehasport-Vereine Mitglieder verloren.« Die Paralympics könnten deswegen auch in Deutschland eine wichtige Debatte anstoßen.
Ronny Blaschke
Die Paralympischen Spiele befeuern in den Gastgeberstädten regelmäßig eine Debatte über Barrierefreiheit und Teilhabe. Wirkliche Verbesserungen bringen die allerdings nur selten.
Brot und Spiele
Sport
Sport Paralympische Spiele
2024-08-22T18:01:12+0200
2024-08-22T18:01:12+0200
2024-09-13T11:51:08+0200
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1184705.paralympische-spiele-der-wunsch-nach-wandel-durch-die-paralympics.html?sstr=paralympics
Afrika-Cup: Guter Gastgeber Côte d’Ivoire im Finale gegen Nigeria
Besser könnte es bislang nicht laufen für Côte d’Ivoire. Die Mannschaft vom Gastgeber des 34. Afrika-Cups steht nach einem schwierigen Start im Finale der kontinentalen Fußballmeisterschaft – und kann sich somit im eigenen Land krönen. Der dritte Titel nach 1992 und 2015 ist nur noch einen Sieg entfernt, am kommenden Sonntag wartet im Endspiel Nigeria. Dass das gesamte Land im Westen Afrikas derzeit Kopf steht, kann man sich gut vorstellen. Lange bevor Sebastien Haller das Siegtor im Halbfinale gegen die DR Kongo erzielte, ist Côte d’Ivoire, wie die Elfenbeinküste offiziell heißt, unter schlechten Voraussetzungen ins Turnier gestartet. Wie so oft verlief die Vorbereitung chaotisch. Und nach dem Auftaktsieg gegen Guinea-Bissau folgte sogleich die erste Niederlage: 0:1 – ausgerechnet gegen Nigeria. Die Qualifikation für das Achtelfinale war gefährdet, die Stimmung am Boden. Und sie sollte noch schlechter werden. Im letzten Gruppenspiel ging das Team mit 0:4 gegen Äquatorialguinea unter, der Tiefpunkt war erreicht. »Eine Katastrophe war das«, erinnert sich der Ivorer Landry, der als Geschäftsmann in der Wirtschaftsmetropole Abidjan arbeitet: »Wir hatten uns doch so viel vorgenommen. Jetzt standen wir vor dem Aus.« Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen. Côte d’Ivoire wollte sich als perfekter Gastgeber inszenieren. Dafür wurden fünf neue Stadien gebaut – und sonst auch viel Geld, das vornehmlich aus China kommt, in die Infrastruktur investiert. Für das mit Abstand bedeutendste Sportereignis auf dem afrikanischen Kontinent sollte alles stimmen. Nur die sportliche Leistung stimmte nicht. Jedem Turnier, so auch dem Afrika-Cup und der Stimmung im Lande, tut es nie gut, wenn der Gastgeber ausscheidet. Und so reagierte der ivorische Fußballverband kurzerhand auf die schlechten Resultate und entließ seinen französischen Nationaltrainer Jean-Louis Gasset, der das Team seit Mai 2022 betreut hatte. Mit einem Franzosen hatte Côte d’Ivoire 2015 den bislang letzten großen Titel gewonnen. Folglich wurde jener Hervé Renard wieder ins Spiel gebracht. Der signalisierte seinerseits sogar Interesse, obwohl er derzeit unter Vertrag steht – als Nationaltrainer der französischen Fußballerinnen. Das kam in seiner Heimat gar nicht gut an. Schließlich wurde Gassets Assistenzcoach Emerse Fae als Interimstrainer eingesetzt. Der Tag des Trainerwechsels sollte noch kurioser werden: Am Abend erreichte das Team dank der Schützenhilfe von Marokko, WM-Vierter von 2022, doch noch als eines von vier besten Gruppendritten das Minimalziel Achtelfinale. »Statt Sambia und Ghana standen wir im Achtelfinale. Etwas glücklich, aber wir waren alle froh und erleichtert«, schildert Landry, der nun verzweifelt noch Karten für das große Finale am Sonntag sucht. »Wir sinnen auf Revanche und sind nach diesem Turnierverlauf optimistisch, auch diese Hürde zu meistern«, meint Landry. Sein Tipp: Côte d’Ivoire 1, Nigera 0. Im Halbfinale hatte sich der Endspielgegner am Mittwochabend im Elfmeterschießen gegen Südafrika durchgesetzt. »Ein Sieg würde unserem Land guttun«, hofft Landry. Die heimische Presse schwärmt, Organisatoren und Fans sind mit dem Turnier zufrieden. Das ist nicht immer so bei Afrika-Cups, die in der Vergangenheit schon mit Skandalen für Schlagzeilen gesorgt haben. Auch wurden Gastgebern wegen Mängeln in der Organisation die Turniere wieder entzogen. Für die Ivore scheint vieles gut zu werden, auch sportlich. Das ist ihnen und einer ganzen Region, die es gegenwärtig einmal mehr nur mit Negativschlagzeilen um Konflikte, Krisen und Kriege in internationale Medien schafft, zu gönnen. Côte d’Ivoire leidet noch immer unter den Nachwirkungen zweier Bürgerkriege. 2002 scheiterte ein Militärputsch und führte die ehemalige französische Kolonie in eine mehrjährige Krise. Nach Neuwahlen 2010 ging das Ganze wieder los, als die Gefolgsleute des bis dahin amtierenden Präsidenten Laurent Gbagbo die knappe Wahlniederlage gegen den Herausforderer Alassane Ouattara nicht akzeptieren wollten. Gewaltsame und blutige Auseinandersetzungen forderten Hunderte von Toten. Das mittlerweile auch in diesem Land unpopuläre Frankreich griff ein und brachte letztlich die Lage unter Kontrolle. Gbagbo wurde verhaftet. Seither ist Côte d’Ivoire mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Es gilt als eine am stärksten wachsende Volkswirtschaft in Westafrika mit viel Ressourcen und Bodenschätzen. Ob die Afrikameisterschaften samt der Investitionen nachhaltig ökomische Effekte für das Land bringen werden, bleibt abzuwarten, wie eigentlich immer bei großen Sportereignissen. Dennoch: Der Aufschwung der Wirtschaft hält weiter an – und wird bestimmt nicht durch den Gewinn des Afrika-Cups ins Stocken geraten. Ermöglicht hat den Einzug ins Endspiel übrigens der Dortmunder Stürmer Sébastien Haller. In einem zähen Halbfinalspiel gegen das Überraschungsteam aus der DR Kongo hatte er das entscheidende Tor erzielt. Während sein Team und Nigeria am Sonntagabend versuchen werden, den dritten beziehungsweise vierten Titel zu gewinnen, trifft die DR Kongo an diesem Sonnabend im Spiel um Platz drei auf Südafrika.
David Bieber
Schlechte Vorbereitung, missratener Turnierstart und mittendrin ein Trainerwechsel: Trotz alldem hat sich das Team des Gastgebers ins Finale gekämpft. Damit stehen die Fußballer symbolisch für den Aufschwung im Land.
Frankreich, Fußball, Nigeria, NordSüd
Sport
Sport Fußball
2024-02-09T17:32:29+0100
2024-02-09T17:32:29+0100
2024-02-12T11:32:10+0100
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1179908.afrika-cup-guter-gastgeber-cote-drivoire-im-finale-gegen-nigeria.html
Ein langer Niedergang
Die italienische Demokratie stützte sich in den 70er Jahren angesichts der lange fragmentierten und relativ kurzen Nationalgeschichte auf nur relativ schwache staatliche Institutionen und Traditionen. In der noch feudal-agrarischen konstitutionellen Monarchie entstand aus den bürgerkriegsähnlichen Wirren nach dem Ersten Weltkrieg eine faschistische Diktatur, die dem schwachen und lokal verstreuten italienischen Bürgertum einen ersten staatlich-korporativen Rahmen bot. Das ermöglichte auch eine verstärkte Industrialisierung. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, der in Italien mit einem internen Sieg der norditalienischen Widerstandsbewegung (Resistenza) über den Faschismus geendet hatte, entstand eine demokratische Regierung. Bei den Parlamentswahlen 1946 erhielten die beiden Arbeiterparteien Partito Socialista Italiano di Unità Proletaria (PSIUP) und Partito Comunista Italiano (PCI) mit 40 Prozent zusammen mehr Stimmen als die Christdemokraten (35 Prozent). Der Christdemokrat Alcide De Gasperi bildete eine Regierung, die durch die Einbindung der PSIUP, PCI und der Republikaner ein letztes Abbild jener breiten Volksfront darstellte, die die Parteien der Arbeiterklasse und des bürgerlichen Lagers im Abwehrkampf gegen die Deutschen und gegen die Faschisten vereint hatte. Susanna Böhme-Kuby, Jahrgang 1947, ist Germanistin und freie Publizistin. Sie lebt in Venedig und veröffentlicht in deutschen und italienischen Medien. Unter anderem in »Blätter für deutsche und internationale Politik«, »Ossietzky«, »L’Indice dei libri« (Der Bücher-Index). Der hier veröffentlichte Text ist die gekürzte Fassung eines Artikels im außenpolitischen Magazin »WeltTrends«. Dessen Februarausgabe enthält einen Themenschwerpunkt »Italiens Abstieg«, daneben unter anderem Beiträge zum Konflikt zwischen Serbien und Kosovo, zur asiatischen Perspektive auf die Weltpolitik und zur Forschung an Chemiewaffen. Zum Weiterlesen: welttrends.de Die in der Resistenza erstarkten Kommunisten durften aufgrund der Einbindung Italiens in die US-Einflusssphäre politisch nicht weiter zum Tragen kommen und wurden mit Beginn des Kalten Krieges zurückgedrängt. Die USA unterstützten massiv den Ausbau der neu gegründeten Christdemokratischen Partei (Democrazia Cristiana, DC) zu einem möglichst die ganze Gesellschaft umfassenden politischen Zusammenschluss. Mithilfe der katholischen Kirche erhielt die DC bei der Richtungswahl von 1948 auch die Mehrheit. Die Christdemokraten, die Italiens Politik bis in die 1960er-Jahre allein bestimmten, zeichneten sich durch eine starke Kompromissfähigkeit aus, die die politische Kontrolle und soziale Kohäsion der Gesellschaft garantierte. Sie war eng verflochten mit der Staatsindustrie und wurde bei Bedarf von kleinen bürgerlichen Parteien (Republikaner, Liberale, Sozialdemokraten) flankiert, die allerdings bei der Verfolgung ihrer Partikularinteressen die Regierungen oft zu Fall brachten. Trotz der 66 Regierungswechsel in 73 Jahren blieb aber immer dieselbe »politische Klasse« an der Macht. Aus der Opposition nahmen die Kommunisten indirekt Einfluss auf die Entwicklung. Erst nach den Arbeitskämpfen in der Großindustrie waren sie in den 1970er-Jahren stark genug, um Anspruch auf eine Beteiligung an der Regierung zu erheben. Seit 1976 tolerierten sie gewissermaßen als Eintrittskarte in die Machtsphäre drei von Giulio Andreotti geführte christdemokratische Regierungen - bis der Anschlag auf den linken DC-Politiker Aldo Moro die Perspektive eines »historischen Kompromisses« zwischen Christdemokraten und Kommunisten 1978 schlagartig zunichte machte. Privatisierung der Politik Der Verlust der politischen Hegemonie der PCI innerhalb der Linken stärkte die Sozialisten (Partito Socialista Italiano, PSI). Eine Wende schien sich anzukündigen, als die Sozialisten 1983 die Ernennung ihres Vorsitzenden Bettino Craxi zum ersten Regierungschef einer Koalition mit den Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen und Republikaner gar als »Krönung des hundertjährigen Kampfes der italienischen Arbeiterbewegung« (!) feierten. Die Sozialisten, die über erheblichen Einfluss in den Gewerkschaften und im Genossenschaftswesen verfügten, hatten bei vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni zwar nur elf Prozent erhalten, aber nach dem Leitmotiv »Haltet die Kommunisten draußen!« mussten letztere mit einem Drittel der Wählerstimmen weiterhin in der Opposition bleiben. Craxi, ein politischer Macher, dessen Führungsstil oft an Mussolini erinnerte, betrat dann jenen neoliberalen Weg eines »modernen Reformismus«, der den durch Misswirtschaft blockierten Kapitalismus der Christdemokraten modernisieren und alte wie neue Mittelschichten mobilisieren sollte. Die Arbeiterbewegung aber musste registrieren, dass Craxis erste Maßnahme ein Regierungsdekret war, mit dem die automatische Lohnanpassung an die Inflationsrate eingeschränkt und dabei das Parlament umgangen wurde. Es kam zu starken Protesten, Streiks und schließlich zur Spaltung der drei großen Gewerkschaften. Dieser Angriff auf die Arbeiterrechte war der erste Schritt in eine neoliberale Richtung. Die Privatisierung der Banca d‘Italia 1981 diente der Integration ins Europäische Währungssystem, gab aber die italienischen Staatsschulden dem internationalen Finanzmarkt preis und ließ seitdem die Schulden und den Schuldendienst in ungeahnte Höhen schnellen. Diese Entwicklung belastete bereits Craxis Regierung, während gleichzeitig die Verstrickung der PSI und praktisch aller bürgerlichen Parteien in illegale Parteienfinanzierungen, in Machenschaften mit der Mafia und der geheimen Machtzentrale P21 zu Untersuchungsausschüssen und Prozessen führten. Die Folgen bestanden nicht nur in Rücktritten vieler Politiker und in der Auflösung einzelner Parteien, sondern im Zusammenbruch des gesamten Systems der politischen Repräsentanz in Italien. Dieses Ende der »Ersten Republik« war ein einmaliger Vorgang in Europa, der ohne das Ende des Realsozialismus schwer verständlich bleibt. Auch die PCI als bis dahin stärkste kommunistische Partei Westeuropas beging prophylaktisch Selbstmord. Insgesamt spalteten die Kommunisten zwischen 1987 und 2019 ihre Kräfte nacheinander in 24 Formationen und verloren Millionen entmutigter Anhänger. Anti-Politik in der Zweiten Republik In das bis 1993 entstandene politische Machtvakuum stieß als erklärter »Antipolitiker« und dennoch auf das Engste mit den Mächtigen direkt Verbundener Silvio Berlusconi. Sein ad hoc gegründetes Partei-Unternehmen Forza Italia recycelte viele der verbliebenen Politiker der aufgelösten Parteien und vermittelte seine anti-institutionelle Propaganda seitdem als gruppenegoistische Konsumideologie in einer Medien-Publikums-Demokratie. Zwischen 1989 und 1991 hatten sich auch im rechten Lager lokale sezessionistische Antipolitikbewegungen vor allem im aufstreben-den Norden zur Lega Nord formiert, die schon 1992 auf nationaler Ebene acht Prozent erhielt. Auch die über Jahrzehnte am Rande gebliebenen Kräfte um den faschistischen Movimento Sociale (MSI) mutierten bis 1994 als rechtsradikale Alleanza Nazionale (AN) vor allem im Süden zu einer salonfähigen Säule des neuen Mitte-rechts-Bündnisses unter Führung Berlusconis. Politischen Konsens fanden diese nun auf populistische »leader« zugeschnittenen Parteien der »Zweiten Republik« durch einen schrittweisen Umbau des proportionalen Wahlmodus hin zu einem Mehrheitssystem, das der stärksten Partei oder Koalition mittels eines Bonus eine starke Mehrheit im Parlament garantiert und dessen Abgeordnete von den Parteispitzen statt von den Wählern bestimmt werden. Berlusconi konnte damit »durchregieren«, denn seine nie mehr als 30 Prozent wuchsen im Parlament auf eine doppelte Repräsentanz. Die Ära Berlusconi Zwischen 1994 und 2011 gab es mehrere Regierungswechsel zwischen Mitte-rechts- und Mitte-links-Koalitionen. Dem Mitte-links-Bündnis von Romano Prodi oblag es dann, die Sparschraube massiv anzusetzen, um Italien in den Euro einzubringen. An den Deregulierungen und Kürzungen im Sozialsystem scheiterte 1998 letztlich die Unterstützung seiner Regierung durch die Restkommunisten. Letztere wurden später durch eine von der Demokratischen Partei mit Berlusconi ausgehandelte Sperrklausel von vier Prozent ausgeschaltet und sind seit 2008 ohne nationale Repräsentanz und somit aus der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend verschwunden. Als die Sparauflagen in der Wirtschaftskrise weiter verschärft werden sollten, wurde Berlusconi 2011 auf Brüsseler Weisung vom Finanzexperten Mario Monti »abgelöst«. Montis Austeritäts-»Reformen«, die seine Nachfolger fortsetzten, haben die Wirtschaftslage Italiens nicht verbessert, sondern nachhaltig verschlechtert. Sie verschärften die sozialen und regionalen Konflikte und ließen die landesweit nur digital vernetzte Protestbewegung der Fünf Sterne (M5S) gegen »die da oben« rapide anwachsen. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 2018 wurde die in Regierungsgeschäften unerfahrene M5S mit 32 Prozent sogar stärkste »Partei«. Renzis PD war - nach seiner gescheiterten Verfassungsreform zur Schwächung des Parlaments - mit 18 Prozent abgestraft und weigerte sich, mit M5S zu regieren. Da blieb diesen nur die Möglichkeit, ein äußerst prekäres Regierungsbündnis mit der national gestärkten Lega (17 Prozent) einzugehen. Durch massiven Einsatz digitaler Propaganda und Manipulationen à la Trump gelang es dem sich in diesem Bündnis als Volkstribun gerierenden Lega-Chef Matteo Salvini, das Kräfteverhältnis mit M5S bereits im Europawahlkampf 2019 umzukehren. Sein Versuch, im August 2019 durch eine Regierungskrise gleich Neuwahlen zu provozieren, um seinen Wahlerfolg national zu verankern, misslang jedoch. Um Neuwahlen zu verhindern, sprangen wider Erwarten die Demokraten in die Bresche, um mit dem schwankenden M5S in einer zweiten Regierung unter Giuseppe Conte den Balanceakt zur Verabschiedung des Haushaltsentwurfs 2020 unter Brüsseler Aufsicht zu bestehen. Dagegen führen Salvini und die Lega, unterstützt von den erstarkten Postfaschisten und dem nicht aufgebenden Berlusconi, in allen Medien einen äußerst aggressiven Propagandakampf. Gegen die Aussicht eines autoritären Regimes sammelt sich seit November 2019 über das Internet auf den Plätzen ganz Italiens eine neue friedfertige, explizit antifaschistische, transversale Bürgerbewegung (»movimento delle Sardine«). Sie unterbricht die bisherige Lähmung der Zivilgesellschaft und fordert eine politische Umkehr - nunmehr ganz ohne Embleme von Parteien.
Susanna Böhme-Kuby
Italiens traditionelle Volksparteien sind obsolet geworden. Ihre Nachfolger agieren eher als Wahl-Marketingagenturen und schüren mit populistischen Forderungen Partikularinteressen und Emotionen.
Faschismus, Italien, KommunistInnen, Nationalsozialismus, Neoliberalismus
Politik & Ökonomie
Politik Italien
2020-02-12T17:50:14+0100
2020-02-12T17:50:14+0100
2023-01-21T12:05:57+0100
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1132824.italien-ein-langer-niedergang.html?sstr=berlusconi
Thüringen will kurdischer Stadt Kobane helfen
Erfurt. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) hat dafür geworben, den Wiederaufbau der von der Terrormiliz IS weitgehend zerstörten syrisch-kurdischen Stadt Kobane auch vom Freistaat aus zu unterstützen. Als ein Zeichen der Solidarität mit den Kurden werde er einen Empfang in der Staatskanzlei zum kurdischen Newroz-Fest geben, sagte Ramelow am Mittwoch in Erfurt. Am Newroz-Tag, dem 21. März, feiern die Kurden traditionell Neujahr. Kobane war vom IS 2014 angegriffen und dabei weitgehend zerstört worden. Den Kurden gelang es Anfang 2015, die nordsyrische Stadt vom IS zurückzuerobern. Ramelow warb auch gemeinsam mit anderen Politikern der LINKEN für die Unterstützung eines Hilfsprojektes zum Wiederaufbau Kobanes. Das Projekt »Help Kobane« brauche sowohl einmalige Geldspenden als auch langfristige Patenschaften, hieß es. dpa/nd
Redaktion nd-aktuell.de
IS, Islamismus, Kurden, Thüringen
Politik & Ökonomie
Politik
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1003816.thueringen-will-kurdischer-stadt-kobane-helfen.html
Rechte Anschläge: Von Neukölln bis Lichtenberg
»Der Bezirk ist nicht mehr die Nazi-Hochburg, die er mal war«, sagt Michael Mallé von der Lichtenberger Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Und dennoch ist das Problem nicht gelöst, wie sich ganz dramatisch seit Anfang des vergangenen Jahres zeigt: »Seit Februar 2022 gab es in Neu-Hohenschönhausen 20 Brandanschläge auf Keller von Wohnhäusern und Jugendclubs«, so Mallé. Nur durch Glück habe keines der Feuer auf die Wohnungen der großen Mehrfamilienhäuser übergegriffen. Mallé diskutierte am vergangenen Sonntag anlässlich des von der Berliner VVN-BdA organisierten Tages der Erinnerung und Mahnung mit Niklas Schrader, dem innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, und Karl von der Kampagne »Entnazifizierung jetzt« über die Bekämpfung neonazistischer Strukturen in den Kiezen und Sicherheitsbehörden. Denn für die drei Antifaschisten ist klar: Verfassungsschutz, Justiz und Polizei tragen nicht ausreichend zur Aufklärung und Verurteilung rechter Straftaten bei, sondern sind in viel zu vielen Fällen Teil rechter Strukturen. Im Fall der Brandanschläge im Lichtenberger Ortsteil Neu-Hohenschönhausen äußere sich das zum Beispiel darin, dass der mutmaßliche Täter, der ein rassistisches und islamfeindliches Bekennerschreiben veröffentlicht hatte, letzten Endes nicht für einen oder mehrere der Anschläge verurteilt wurde. »In dem Schreiben droht er sogar mit weiteren Anschlägen«, sagt Mallé. Dass es nicht genug Beweise für eine Verurteilung gegeben habe, sei auf unzureichende Motivation von Justiz und Polizei zurückzuführen. »Diese halbherzigen Ermittlungen lassen nicht darauf hoffen, dass die kommenden Prozesse erfolgreicher verlaufen.« In Neu-Hohenschönhausen haben die Ermittlungen zumindest ergeben, dass es sich um eine Gruppe rechtsextremistischer, rassistischer Jugendlicher handle, die sich über das Internet radikalisiert hätten. »Es gibt keine Hinweise auf eine Anbindung an organisierte neonazistische Strukturen oder rechte Parteien«, sagt der Lichtenberger Antifaschist. Anders verhält es sich bei den Anschlägen im Süden des Bezirks Neukölln, die als Neukölln-Komplex zusammengefasst werden. Hier gilt es als gesichert, dass schon lange aktive Neonazis rund um den Hauptbeschuldigten Tilo P. verantwortlich sind. Die Ermittlungen und Gerichtsverfahren liefern trotzdem kaum Erfolge in der Aufklärung und Verurteilung der Taten, weshalb ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingerichtet wurde. Niklas Schrader ist Teil dieses Ausschusses. »Der Untersuchungsausschuss kann die Straftaten in der Anschlagsserie nicht aufklären, aber die Arbeit der Sicherheitsbehörden«, sagt er. nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik - aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin - ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss. So sei bislang in dem Ausschuss auch die Inkompetenz der Behörden zutage getreten. In der zuständigen Ermittlungseinheit der Polizei sei das seit Mitte der 2000er Jahren agierende und inzwischen nicht mehr unter diesem Namen bestehende militante Neonazi-Netzwerk NW Berlin beispielsweise nicht bekannt gewesen. »Alle antifaschistisch Engagierten kennen das Netzwerk und die Kontinuität zum Neukölln-Komplex«, so Schrader. Nicht nur handle es sich zum Teil um dieselben Personen, es seien auch Feindeslisten fortgeführt worden. Durch den Untersuchungsausschuss würden darüber hinaus auch immer mehr Hinweise auf die Verbindung der neonazistischen Täter in die Behörden hinein ans Licht kommen. »Ein Polizeizeuge sagte, dass wahrscheinlich Infos über Beschattungseinsätze an die Tatverdächtigen herangetragen wurden. Das ist das erste Mal, dass dieser Verdacht tatsächlich aus der Polizei heraus geäußert wurde.« Auch sei ausgesagt worden, dass ein Staatsanwalt die polizeilichen Untersuchungen durch Nichterteilung von Befugnissen blockiert habe. Dass es den Untersuchungsausschuss überhaupt gibt, ist eine Errungenschaft von Betroffenen und antifaschistischen Initiativen aus der Zivilgesellschaft, die hart darum kämpfen mussten, so Schrader. Trotzdem sei es in vielen Fällen nicht möglich, die relevanten Informationen öffentlich transparent zu machen. Vor allem die Arbeit des Verfassungsschutzes könne nicht ausreichend transparent beleuchtet werden. »Die Abschaffung des Verfassungsschutzes ist eine der ältesten Forderungen, die wir als Linke haben«, sagt der Innenpolitiker. Denn dieser arbeite »strukturell im Geheimen« und sei »nicht einfach umzukrempeln«. Auch im Fall Neu-Hohenschönhausen erwartet Michael Mallé wenig Aufklärung durch die Behörden. Antifaschist*innen bemühen sich deshalb seit Beginn des ersten Prozesses im Mai darum, die von den Anschlägen betroffene und bedrohte Nachbarschaft selbst aufzuklären. »Wir haben Zehntausende Flugblätter in den ganzen umliegenden Straßen verteilt«, sagt er. »Die Gespräche, die dadurch entstanden sind, wollen wir fortführen und uns mit den Anwohner*innen und Betroffenen zusammen organisieren«, sagt Mallé. Man werde außerdem die kommenden Prozesse möglichst intensiv zivilgesellschaftlich begleiten. »Wir brauchen noch viel mehr öffentlichen Druck.«
Lola Zeller
Am Tag der Erinnerung und Mahnung am vergangenen Sonntag diskutierte Innenpolitiker Niklas Schrader (Linke) mit antifaschistischen Aktivist*innen über die aktuelle Lichtenberger Anschlagsserie und den Neukölln-Komplex.
Antifa, Berlin, Neukölln, Rechtsradikalismus, Verfassungsschutz
Hauptstadtregion
Berlin Antifaschismus
2023-09-11T17:24:56+0200
2023-09-11T17:24:56+0200
2023-09-12T18:33:59+0200
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1176209.rechte-anschlaege-von-neukoelln-bis-lichtenberg.html
Union reif für Ende der Wehrpflicht
Überraschend ist das Pro-Guttenberg-Votum nicht. Die CDU-Führung hatte sich bereits Mitte September nach kurzem Aufbegehren an die Seite des Verteidigungsministers gestellt. Jüngst hat auch die CSU-Führung ihre Unterstützung bekundet. Auf der Klausur in Berlin erarbeiteten die Chefs der Konservativen nun eine gemeinsame Empfehlung für die beiden im Herbst anstehenden Parteitage. Die CSU will im Oktober in München, die CDU Mitte November in Karlsruhe zusammenkommen. Mit der Entscheidung der Präsidien ist so gut wie sicher, dass künftig keine jungen Männer mehr zur Bundeswehr eingezogen werden. Die Wehrpflicht soll für Notfälle im Grundgesetz verankert bleiben.... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
René Heilig
Die Parteispitzen von CDU und CSU sind über ihren Schatten gesprungen und haben sich für die Aussetzung der Wehrpflicht ausgesprochen. Bei einer gemeinsamen Sitzung am Wochenende in Berlin stellten sich die Unions-Führungsgremien einvernehmlich hinter entsprechende Pläne von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).
CDU, Wehrpflicht
Politik & Ökonomie
Politik
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Sozial-ökologischer Wandel nicht ohne Demokratisierung der Wirtschaft
Ein sozial-ökologischer Umbau von Wirtschaft und Arbeitswelt wird ohne Unterstützung der Gewerkschaften nicht gelingen. Entsprechend wichtig sind Anstöße von innen. Solche, wie sie Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall, mit seinem Buch »Gute Arbeit in der Transformation« unternimmt. Er untersucht darin, wie die bereits stattfindende Umwälzung von Wirtschaft und Arbeitswelt durch digitale Technologien, Globalisierung und Dekarbonisierung Profitlogik und Marktzwängen entzogen und in den Dienst von Mensch und Natur gestellt werden kann. Gewerkschaften wollen die Transformation gern »gestalten«. Urban hält nicht viel davon: Der so beliebte Begriff laufe nämlich Gefahr, die Konfliktpotenziale zu unterschätzen, warnt er. »Wenig spricht dafür, dass sich die Digitalisierung als eine sozialpartnerschaftliche Konsensmaschine erweisen wird. Auch bei der Industrie 4.0. handelt es sich im Kern um eine Rationalisierungsstrategie beziehungsweise -vision.« Der Hype um diese »Revolution« - Urban bleibt davon angenehm unberührt. »So folgenreich die Durchdringung von Wirtschaft, Gesellschaft und Kommunikation durch diese Technologien sein werden: Der digitalisierte Kapitalismus bleibt auf absehbare Zeit vor allem Kapitalismus.« Der Gewerkschafter bestreitet dabei gar nicht, dass die neuen Technologien auch das Potenzial haben, Arbeit zu erleichtern. Nur was die Oberhand gewinnt, die Emanzipation oder Destruktivkräfte, das sei nicht ausgemacht. Gerade deshalb ermahnt er Gewerkschaften, die Transformation als »Machtfrage« zu begreifen, in der soziale und ökologische Ziele gegen wirtschaftliche und politische Eliten durchgesetzt werden müssen. Gewerkschaften sollten demnach weniger »gestalten«, als »eingreifen«. Die Digitalisierung gefährdet Arbeitsplätze, zugleich nehmen psychische Belastungen zu. Urban fürchtet, Gewerkschaften und Betriebsräte könnten Arbeitsbedingungen und qualitative Ansprüche an die Arbeit hinter die Verteidigung von Arbeitsplätzen zurückstellen. »Hauptsache Arbeit« - das sei schon einmal benutzt worden, um Sozialabbau und die Absenkung von Tarifstandards zu legitimieren. Eine Sackgasse. Statt dessen müsse »gute Arbeit« sich heute die Frage nach ihrem gesellschaftlichen Gebrauchswert und der Naturverträglichkeit von Arbeit, Produktion und Produkt stellen. Die IG Metall fordert angesichts des unausweichlichen Wandels mehr Mitbestimmung in Betrieben. Doch diese Forderung ende meist an den kapitalistischen Eigentumsstrukturen, kritisiert Urban. Er ist überzeugt: Öko-sozialer Fortschritt geht nur mit Demokratisierung der Wirtschaft und einem Entwicklungsmodell, das weder die »Wieder mehr wachsen«-Strategie keynesianischer Prägung fortführen kann, das sozialen Fortschritt mit ökologischem Rückschritt erkaufen würde, noch auf die »Nie wieder wachsen«-Strategie der Degrowth-Fürsprecher umschwenken kann. Urban positioniert sich dazwischen und plädiert für qualitatives und selektives Wachstum. Das bedeute: »anders, weil langsamer, nachhaltiger und demokratischer wachsen«. Urban sagt offen: Auch mit diesem Ansatz würden Konflikte nicht ausbleiben. Weniger Wachstum gleich weniger Wertschöpfung, das führe entweder zu weniger materieller Lebensstandardsteigerung oder härteren Verteilungskonflikten. Auch die gesellschaftliche Verständigung darüber, was wachsen soll, enthalte großen »sozialen Sprengstoff«. Und welche Folgen »die Ermächtigung der Gesellschaft über die Ökonomie« für Eigentumsstruktur und Verfügungsrechte hätte - Urban wirft diese Fragen auf, legt sich selbst aber nicht fest. Dies alles wäre gesellschaftlich zu diskutieren und zu entscheiden, sagt er. Und darauf macht Urban in jedem Fall Lust. Mit seinem Buch greift Urban in die gesellschaftliche Zukunftsdebatte ein, aber zuvorderst zielt er auf die Positionierung seiner Gewerkschaft - sozial-ökologische Transformation wird das Hauptthema beim anstehenden Gewerkschaftstag der IG Metall in Nürnberg sein. Urbans Antwort, die auf einen neuen Anlauf zur Demokratisierung der Wirtschaft hinausläuft, wird dort nicht sofort mehrheitsfähig sein, aber sie findet in den Debatten seiner Gewerkschaft inzwischen immerhin Anknüpfungspunkte. Ein Riesensprung. Hans-Jürgen Urban: Gute Arbeit in der Transformation. Über eingreifende Politik im digitalen Kapitalismus. VSA-Verlag, Hamburg 2019, 264 S., 19,80 Euro.
Ines Wallrodt
Eingreifen ist besser als gestalten. IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban wirbt in seinem neuen Buch für ein kämpferisches Rollenverständnis seiner Gewerkschaft.
Degrowth, Digitalisierung, IG Metall, Klimawandel
Politik & Ökonomie
Wirtschaft und Umwelt IG Metall
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EuGH: Online-Kunden müssen Preis für Flugticket sofort sehen können
Luxemburg. Kunden müssen bei Online-Buchungen eines Fluges sofort den Endpreis inklusive Steuern und Gebühren erkennen können. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in einem Urteil klar gestellt (Rechtssache C-573/13). Die Luxemburger Richter erklärten die Praxis von Air Berlin aus dem Jahr 2008 für nicht rechtens. Airlines müssten bei jedem Flug von einem Flughafen in der EU schon von Anfang an den Endpreis anzeigen. Das gelte nicht nur für den vom Kunden ausgewählten Flug, sondern auch für alternative Verbindungen. Die Vorwürf... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Kunden müssen bei Online-Buchungen eines Fluges sofort den Endpreis inklusive Steuern und Gebühren erkennen können. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in einem Urteil klar gestellt.
Air Berlin, Europäischer Gerichtshof, Fluggesellschaft, Verbraucherschutz
Politik & Ökonomie
Wirtschaft und Umwelt
https://www.nd-aktuell.de//artikel/958584.eugh-online-kunden-muessen-preis-fuer-flugticket-sofort-sehen-koennen.html
Verlieren verboten
Routinier Oliver Roggisch gab sich vor dem Abflug nach Podgorica betont lässig, und auch Rückkehrer Holger Glandorf ließ keine Zweifel am Gelingen der Mission EM-Qualifikation aufkommen. Trotz erheblicher Personalprobleme und einer schwierigen Ausgangsposition gehen Deutschlands Handballer mit breiter Brust ins heutige Duell mit Montenegro, wo nur ein Sieg zählt. »Wenn wir verlieren, sind wir raus«, rechnete Roggisch vor. »Das wäre ein Debakel. Aber wir lassen das nicht an uns herankommen. Wir waren immer voll da, wenn es um alles geht. Deutschland gehört zur Europameisterschaft«, verkündete der Abwehrchef. Mit 4:4 Punkten liegt die DHB-Auswahl hinter Montenegro (6:2) auf Rang zwei, der zur EM-Teilnahme im Januar 2014 in Dänemark reicht. Doch die punktgleichen Tschechen sitzen dem Team von Bundestrainer Martin Heuberger im Nacken, so dass ein Ausrutscher wie beim 27:31 im Hinspiel verboten ist. Glandorf, der Anfang Mai nach mehr als einjähriger Abstinenz in die Nationalmannschaft zurückgekehrt war, schließt ein Scheitern im Hexenkessel von Podgorica aus. »Jeder wird seine Leistung bringen. Wir dürfen uns nicht von der hitzigen Atmosphäre anstecken lassen. Wir wollen unbedingt zur EM«, sagte der Flensburger. Bundestrainer Heuberger demonstrierte ebenfalls Gelassenheit, auch wenn er etliche Ausfälle verkraften muss. Am Dienstag sagte auch noch Rechtsaußen Tobias Reichmann wegen eines Bänderrisses im Sprunggelenk ab. Für den Wetzlarer wurde Johannes Sellin von den Füchsen Berlin nachnominiert. dpa
Redaktion nd-aktuell.de
Handballer wollen über Montenegro zur EM
Europameisterschaft, Handball
Sport
Sport
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Ende Dreißig und uralt
Es ist ein geflügeltes Wort, dass Frauen jahrelang 39 Jahre jung bleiben. Im Falle von Emilia Marty, der Hauptperson in Leoš Janáčeks Oper »Die Sache Makropulos« ist diese ansonsten eher charmant eitle Notlüge, eine eher bittere Wahrheit. Die Frau ist, wenn die Oper in ihrer Entstehungszeit 1927 beginnt, in Wahrheit schon 337 Jahre alt. Was aber kein Triumph eines offenbar schon zu Kaiser Rudolfs Zeiten grassierenden Jugendwahns ist. Sondern eher der Kollateralschaden eines Menschenexperiments. Der Kaiser bestellte beim Hofalchimisten Makropulos eine Jugendelixier, ließ es aber an dessen Tochter ausprobieren, ohne zu bedenken, dass er von einem positiven Ausgang des Versuchs gar nichts haben würde. So altert denn die damals 16-Jährige extrem verlangsamt. Der Kern der Geschichte, der eine Komödie von Karel Capek zugrunde liegt, handelt aber von den Erfahrungen, die... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Roberto Becker
Es ist ein geflügeltes Wort, dass Frauen jahrelang 39 Jahre jung bleiben. Im Falle von Emilia Marty, der Hauptperson in Leoš Janáčeks Oper »Die Sache Makropulos« ist diese eher charmant eitle Notlüge, eine eher bittere Wahrheit.
Staatsoper Berlin, Theater
Feuilleton
Kultur
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Unser Saatgut bleibt!
Bartolomeu Antonio, Programmleiter von UNAC und Verantwortlicher für das gemeinsame Projekt mit dem INKOTA-netzwerk ist beeindruckt, als er erfährt, wie viel Geld die Leser und Leserinnen des »neuen deutschland« schon für die Unterstützung der Kleinbauern in der Provinz Manica gespendet haben. Zurzeit befindet er sich in Gondola, wo er die Bauern und Bäuerinnen aus dem Projekt bei der Erstellung einer Liste aller lokal verwendeten Sorten unterstützt. Neben Getreide werden auch Obst und Gemüse erfasst. Die Sorten sollen anschließend Eingang in die Saatgutbank finden, die UNAC im Rahmen des Projekts aufbaut. Auch die Bäuerinnen und Bauern sind sehr dankbar für die Unterstützung aus Deutschland. José Macueira, Vorsitzender der UNAC aus Gondola, möchte den Lesern und Leserinnen noch einmal persönlich sagen, warum die Zusammenarbeit mit UNAC so wichtig für sie ist: »UNAC unterstützt uns, unser lokales Saatgut zu bewahren und untereinander auszutauschen. Viele Sorten waren schon fast verschwunden - dank UNAC bauen wir sie jetzt wieder an. Es sind unsere eigenen, lokalen Sorten, die uns ernähren. Außerdem gibt UNAC uns eine Stimme: gegen den Ausverkauf an die Agrarindustrie und für die Kleinbauern. Das Wichtigste für uns aber ist: Unser Saatgut bleibt - für uns, für unsere Kinder und für zukünftige Generationen.« Für die nächsten Monate ist die Organisation einer Saatgutbörse geplant. Da die Projektregion als Kornkammer des Landes gilt, werden Teilnehmer aus der ganzen Provinz Manica erwartet. Mit dem Geld, was im Rahmen der Aktion gespendet wurde, werden unter anderem Getreidewaagen für die Saatgutbörsen gekauft. Auch Claudina Manuel, eine Bäuerin aus Gondola, ist dankbar für die Spenden aus Deutschland: »Die Bauern in Gondola und Sussundenga sind wirklich motiviert. Viele bauen die vervielfältigten Sorten nun auch auf ihrer «machamba», ihrem eigenen Feld, an. Und an zwei Tagen in der Woche arbeiten wir auf den Gemeinschaftsfeldern. Die Experten von UNAC schulen uns und stehen uns mit Rat und Tat zur Seite. Daher noch mal ein großes Dankeschön aus Manica an alle Unterstützer und Unterstützerinnen aus Deutschland, die diese Arbeit möglich machen!«
Christine Wiid, INKOTA
In Mosambik ist man beeindruckt, als man erfährt, wie viel Geld die Leser und Leserinnen des »neuen deutschland« schon für die Unterstützung der Kleinbauern in der Provinz Manica gespendet haben.
Landwirtschaft, Mosambik, nd-Solidaritätsaktion, Solidarität
Politik & Ökonomie
Politik nd-Soliaktion: Teilen macht satt
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1076778.nd-soliaktion-teilen-macht-satt-unser-saatgut-bleibt.html
Steuerliche Denkmalförderung bei Neubau
Mit aktuellem Urteil vom 24. Juni 2009 (Az. X R 8/08) entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass ein Baudenkmal, das aus bautechnischer Sicht als Neubau einzustufen ist, auch mit einer steuerlichen Abschreibung oder mit Sonderausgabenabzug gefördert werden kann. Darauf weist der Neue Verband der Lohnsteuerhilfevereine (NVL) hin. Wer kulturhistorisch wertvolle Gebäude saniert und damit zur Erhaltung geschichtsträchtiger Bausubstanz beiträgt, soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch eine besondere steuerliche Unterstützung erhalten... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Bundesfinanzhof
Bundesfinanzhof
Ratgeber
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Keine Flitterwochen
Er bekommt gleich eine delikate Aufgabe aufs Auge gedrückt, der neu ernannte UN-Hochkommissar für Menschenrechte: Volker Türk soll dem jüngst veröffentlichten UN-Bericht über Menschenrechtsverletzungen im chinesischen Xinjiang Wirkung verleihen. Seine Vorgängerin Michelle Bachelet hat ihm das Dokument noch kurz vor Ende ihrer Amtszeit als brisantes Erbe hinterlassen. Nun muss Türk ran, es mit der chinesischen Regierung aufnehmen und mit den Kritikern, die Bachelet einen Schmusekurs gegenüber Peking vorgeworfen hatten. Erfahrung dafür sollte er genug haben: Der 57-jährige Österreicher arbeitete mehr als zwei Jahrzehnte für das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), wo er zuletzt von 2015 bis 2019 das Amt eines stellvertretenden Hochkommissars bekleidete. Danach wechselte der Jurist in das Büro des UN-Generalsekretärs António Guterres, diente als stellvertretender Generalsekretär. Türk gilt als enger Vertrauter des UN-Chefs. Menschenrechtsorganisationen fordern von Türk eine unnachgiebige Haltung. Er müsse bereit sein, so Human Rights Watch (HRW), »mächtige Regierungen wie China, die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen anzuprangern«, heißt es in einer Erklärung. Pauschale Bekundungen zu Menschenrechten reichten nicht, erklärte auf Twitter auch Ex-HRW-Direktor Kenneth Roth: »Wenn niemand benannt wird, verspürt auch niemand den Druck, sich zu ändern.« UN-Generalsekretär Antonio Guterres hatte Turk als Nachfolger von Bachelet vorgeschlagen, die UN-Vollversammlung hat die Ernennung im Konsens gebilligt; Kritiker sprachen daraufhin von einem intransparenten Auswahlprozess. Türk selbst erklärte am Freitag auf Twitter: »Ich werde alles geben, um die Versprechen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte für alle und überall zu verwirklichen.« Sicher ist nur, es wird nicht einfach werden für Volker Türk: »Der neue Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte sollte von den UN-Mitgliedsstaaten keine Flitterwochen erwarten«, s Tirana Hassan, HRW-Interimsgeschäftsführerin.
Cyrus Salimi-Asl
Der Österreicher Volker Türk wird neuer UN-Hochkommissar für Menschenrechte werden. UN-Generalsekretär António Guterres nominierte den Juristen nach Bestätigung der UN-Vollversammlung am Donnerstag.
China, Menschenrechte, Türkei, UNO
Politik & Ökonomie
Politik Volker Türk
2022-09-09T16:53:47+0200
2022-09-09T16:53:47+0200
2023-01-20T17:31:16+0100
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Die Musik selbst wird parodiert
«Max Goldt ist Schriftsteller. Über seine Texte lacht man laut, und dann merkt man, eigentlich sind sie nicht lustig. Sie sind bitter oder böse oder beides. So ähnlich ist es mit seiner Musik auch. Nur ist die viel weniger bekannt. Goldts Texte sind stilistisch sehr geschmeidig. Ihre Sperrigkeit liegt eher am Inhalt. Bei seiner Musik kommt die Sperrigkeit nicht nur aus dem Inhalt der Texte, sondern vor allem aus der musikalischen Gestaltung. Der Literaturwissenschaftler Moritz Baßler begegnete der Musik Max Goldts zum ersten Mal Anfang der achtziger Jahre. Der Song »Wissenswertes über Erlangen« lief im Radio. Das war Goldts einziger »Hit« mit seiner Band Foyer des Arts. »Schon die in den 80er Jahren entstandenen Songs Goldts praktizieren den Abschied von der avantgardistischen Bedeutungsgravität nicht nur, sondern thematisieren ihn auch«, charakterisiert Baßler das Besondere an Goldts Musik. »Ein LP-Titel wie ›Die Unfähigkeit zu frühstücken‹ (1986) wird schon recht deutlich, unmissverständlich dann etwa ›Ein Eimer voll Erbsen mittelfein‹ (vom Solo-Album ›Die majestätische Ruhe des Anorganischen‹, 1984).« »Ein Eimer voll Erbsen mittelfein« ist auf der letztes Jahr erschienenen Mega-Kompilation »Draußen die herrliche Sonne« enthalten. Der Song zeigt nicht nur exemplarisch, wie der Lyriker Max Goldt arbeitet, sondern auch die Produktionsweise des Musikers Goldt und seiner Partner. Bei ihm gibt es keine Hymnen und keine Balladen. Es gibt keinen Rock und keinen Pop. Eigentlich macht Goldt gar keine Musik. Es sind eher Musik-Parodien, die in Tonfolgen und Arrangements gesetzt sind. Aber nicht in dem Sinne, wie beispielsweise Eric Idle und Neil Innes The Beatles als The Rutles parodiert haben. Denn das ist eigentlich eine ziemlich kunstvoll gemachte Hommage an die Originale. Bei Max Goldts Musik hingegen gibt es keine Originalität. Sie ist eher originell. Es ist auch keine Parodie wie Frank Zanders kunstvolle Albernheiten wie »Hier kommt Kurt!« oder Diether Krebs’ »Ich bin der Martin, ne ...?!« Denn das ist liebevoller Klamauk. Also was parodiert Goldt? Wahrscheinlich die Musik selbst. Im Grunde funktionieren die Tonfolgen und Arrangements von Goldt und seinen Mitmusikern ähnlich wie seine Texte. Sie sperren sich der popmusikalischen Bedeutungsgravität. Ähnlich wie bei den späten Goldenen Zitronen, aber ohne moralischen Impetus. Man könnte sagen: Es sind zynische Tonfolgen. So wie sich Goldt mit dem Albumtitel »Die Unfähigkeit zu frühstücken« Alexander Mitscherlichs einflussreiches, aber bleischweres psychoanalytisches 68er-Diktum von der »Unfähigkeit zu trauern« vornimmt, so nimmt sich Goldts Musik die Popmusik vor. Latent aggressiv. Dem Deutschlandfunk erzählte er, dass er sich jenseits gängiger Popmelodien bewegen wollte. Die CD-Box »Draußen die herrliche Sonne« enthält sechs CDs, die den Hörer natürlich komplett überfordern. Nicht ganz so überfordernd ist »Draußen die herrliche Sonne (Extrakt)«, das jetzt herausgekommen ist - und nur aus zwei CDs besteht. Die Plattenfirma preist das als »das Feinste vom Feinsten aus 20 Jahren Max-Goldt-Musikgeschichte« an. Da denkt man sofort an Erbsen. Mittelfein. Die sind aber bei der Auswahl leider nicht dabei. Goldt hat Songs von Foyer des Arts, seiner Band Nuuk und viele Solowerke ausgewählt, die er zwischen 1980 und 2000 aufgenommen hat. Manches ist bereits bekannt, einiges gibt es in neuen Versionen, und wieder anderes ist bisher nicht veröffentlicht worden. Höhepunkt des »Extrakts« ist das Studio-Demo des Foyer-des-Arts-Songs »Schimmliges Brot«. Fast verstörend wirkt dagegen ein echter englischsprachiger Popsong wie »Drums On Mind«, der ein bisschen klingt, als hätten sich The mit den Specials zusammengetan. Max Goldt: »Draußen die Herrliche Sonne (Extrakt)« (Tapete/Indigo)
Jens Buchholz
Max Goldt ist Schriftsteller. Über seine Texte lacht man laut, und dann merkt man, eigentlich sind sie nicht lustig. So ähnlich ist es mit seiner Musik auch. Von seinen Songs gibt es jetzt «das Feinste vom Feinen».
Literatur, Musik
Feuilleton
Kultur Max Goldt
2020-11-05T17:49:32+0100
2020-11-05T17:49:32+0100
2023-01-21T09:49:05+0100
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1144045.die-musik-selbst-wird-parodiert.html
Skandal folgt Skandal
Erinnern Sie sich an Ehec-Sprossen? An Fipronil oder Dioxin in Hühnereiern? An Pferdefleisch in der Lasagne? Trotz unterschiedlich dramatischer Auswirkungen ist diesen Beispielen gemein: Einmal an der Öffentlichkeit, verunsichern sie Verbraucher*innen und lösen in den zuständigen Behörden und Ministerien mehr oder weniger hektische Betriebsamkeit aus. So ist es auch im aktuellen Listerienfall beim hessischen Wurstfabrikanten Wilke und beim kürzlichen Rückruf nach Bakterienbefall fettarmer Milch der Unternehmen Deutsche Milchkontor und Fude+Serrahn. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) etwa hat ihre Landeskolleg*innen in zwei Wochen zu einem Gespräch über Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten in der Lebensmittelkontrolle eingeladen. Geklärt werden soll, wie ausreichend Personal für die Lebensmittelkontrolle bereitgestellt werden kann. Zudem sollen Informationen besser und schneller koordiniert sowie Verstöße konsequenter verfolgt werden. Auf offene Ohren trifft Klöckner damit beim Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure. »Wir plädieren für mehr Personal, um die amtliche Lebensmittelüberwachung effektiv und flächendeckend durchführen zu können«, sagte Maik Maschke, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes, der Nachrichtenagentur dpa. Die Kontrollzahlen seien zuletzt jedes Jahr gesunken. »Wir haben voriges Jahr knapp 42 Prozent aller registrierten Betriebe kontrollieren können«, so Maschke. Verbraucherorganisationen argumentieren dagegen, mehr Kontrollen allein reichten nicht aus, um grundlegend strukturelle Lücken zu schließen. »Wer einfach nur mehr Kontrollen fordert, stellt sich dümmer als er ist«, sagt Martin Rücker, Geschäftsführer von Foodwatch Deutschland in Richtung Klöckner, die am Wochenende auf die Zuständigkeit ihrer Länderkolleg*innen verwiesen hatte: »Ich lege Wert darauf, wenn die Länder stets ihre Zuständigkeit hier betonen, dass sie ihrer Verantwortung auch mit ausreichend Personal für diese Aufgabe gerecht werden.« Verbraucherorganisationen fordern stattdessen eine substanzielle Reform des Lebensmittelrechts, die auch Maßnahmen des Bundes einschließe. So müsse die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln - eine zen-trale Vorgabe aus Brüssel - endlich durchgesetzt werden. »Im Fall Wilke können die Behörden bis zum heutigen Tag nicht sagen, wo genau die vom Rückruf betroffenen Produkte abgegeben oder weiterverarbeitet worden sind«, heißt es in einer Analyse, die Foodwatch am Dienstag in Berlin vorstellte. Zudem müssten der Handel und andere Abgabestellen verpflichtet werden, Lebensmittelwarnungen an ihre Kunden weiterzugeben. Bisher ist bei Rückrufaktionen vor allem der Hersteller in der Pflicht. Der informiert etwa die belieferten Supermärkte, die jedoch die Informationen nicht weitergeben müssen. Da wolle niemand den ersten Schritt machen, so Rückert, aus Angst, beim Kunden könnte ein negatives Bild entstehen, wenn ein Handelsunternehmen regelmäßig informiere und ein anderes nicht. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kritisiert, die Strukturen der Lebensmittelüberwachung reichten nicht aus, »um Missstände zeitnah zu beheben«. Der Verband fordert, dass die Zuständigkeit für die Überwachung nicht mehr bei den Kommunen, sondern bei den Ländern liegen sollte. Aktuell sind mehr als 400 Kommunen zuständig, allein bei den Ländern gibt es 16 unterschiedliche Verfahren. »Die kommunale Lebensmittelüberwachung ist bei komplexen Lieferketten nicht mehr zeitgemäß«, heißt es beim vzbv. Zudem sollte im Krisenfall der Bund die Koordinierung und Verantwortung übernehmen. Dies sind Empfehlungen, die der Bundesrechnungshof bereits 2012 ausgesprochen hat, damals an Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU), in deren Amtszeit mehrere Lebensmittelskandale fielen. Die »miteinander verflochtenen Zuständigkeiten von Bund und Land« sollten laut Bundesrechnungshof aufgelöst und dem Bund allein zugeschrieben werden. Außerdem wurde die Einrichtung eines nationalen Qualitäts- und Krisenmanagements gefordert sowie die Etablierung eines Systems, das eine lückenlose Rückverfolgung von Lebensmitteln sichert. Passiert ist seither wenig. Die von Aigner ins Leben gerufene Institution eines Krisenrates geriet in Vergessenheit, eine Sonderkonferenz der Ministerien für Verbraucherschutz und Landwirtschaft verabschiedete 2011 eine gemeinsame Erklärung für mehr Transparenz und bessere Überwachung. Aus der Hand nehmen lassen wollten sich die Länder die Lebensmittelüberwachung aber nicht. Vzbv-Vorstand Klaus Müller fordert dennoch eine Konferenz der Verbraucherschutzminister, in der die alten Empfehlungen des Bundesrechnungshofes einbezogen werden. »Viele Verbesserungsvorschläge sind unverändert richtig«, so Müller.
Haidy Damm
Bakterien in Wurst und Milch, Produktrückrufe und die Schuldfrage. Nach Lebensmittelskandalen tönt regelmäßig der Ruf nach mehr Kontrollen und Transparenz. Strukturelle Veränderungen gibt es kaum.
Gesundheit, Lebensmittel, Lebensmittelkontrolle
Politik & Ökonomie
Wirtschaft und Umwelt Lebensmittelkontrolle
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Der Schritt aus dem Internet
»Stoppt den großen Austausch, Geburtenrückgang, Masseneinwanderung«, stand auf den in den Farben gelb, schwarz und weiß gehaltenen Transparent, das am Sonntagabend für einige Minuten auf einem Balkon der Bundeszentrale der SPD im Berliner Willy-Brand-Hauses hing. Was war da passiert bei den Sozialdemokraten? »Fünf Personen haben am frühen Sonntagabend einen Balkon besetzt, der sich an der Spitze des Willy-Brandt-Hauses im ersten Stock befindet. Sie sind nicht in das Haus gelangt, sondern mittels einer Leiter von außen auf den Balkon gestiegen«, erläutert der stellvertretende Sprecher des SPD-Parteivorstands, Steffen Hebestreit, gegenüber dieser Zeitung. Bevor die Polizei eintraf, seien die Personen bereits verschwunden gewesen. Inzwischen ermittelt auch der Staatsschutz ermittelt. Offenbar war es die extrem rechte »Identitäre Bewegung« (IDB), die nicht nur in Berlin, sondern fast zeitgleich auch die Hamburger SPD-Landeszentrale symbolisch »besetzte«. In einer Erklärung, die zurzeit im Internet verbreitet wird, heißt es: »In öffentlichen Verlautbarungen der politischen Eliten aus dem SPD-Umfeld kann immer wieder festgestellt werden, wie wenig sie für das eigene Volk noch übrig haben, welches sie lediglich als billiges Stimmvieh« betrachteten. Zugleich habe die SPD, »in ihren Mitregierungsverantwortungen klar die Politik des Großen Austausches forciert« und trage damit eine »Verantwortung dafür (...), dass wir als Deutsche in nur wenigen Jahrzehnten zur Minderheit im eigenen Land« würden. Eine Mitarbeiterin des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildzentrums e. V. (Apabiz) erklärte gegenüber »nd«, dass die Identitäre Bewegung bisher in Berlin kaum in Erscheinung getreten sei. Auch bundesweit war es zuletzt ruhig um die »Bewegung« geworden, die sich in Deutschland im Oktober 2012 als Facebook-Gruppe mit dem Ziel gegründet hatte, nach dem Vorbild des französischen »Bloc Identitaire« mit Flashmobs, Besetzungen und anderen jugendgemäßen Aktionsformen den Kampf der Kulturen zu führen. Es müsse nun beobachtet werden, meint man beim Apabiz, ob die Kurzzeitbesetzung der Auftakt für eine verstärke Aktivität der »Identitären« werde. Auf einem Treffen vor einem Jahr wurde ein Verein »Identitäre Bewegung e. V.« mit Sitz in Paderborn gegründet. Statt einer losen Facebook-Vernetzung existieren jetzt bundesweit 16 lokale Gruppen. Seitdem sind die »Identitären« in einigen Städten verstärkt mit Plakaten und Aufklebern in Erscheinung getreten, die sich inhaltlich um Schlagwörter wie Heimat, Patriotismus und Tradition drehen. Die IDB, die sich selbst als Nichtregierungsorganisation bezeichnet, hat sich bisher aus der vielfach zerstrittenen extrem rechten Szene herausgehalten. Allerdings existiert auch kein Abgrenzungsbeschluss nach rechts. So können Mitglieder unterschiedlicher zerstrittener Szenen und Gruppierungen der Szene in der IDB kooperieren. Zudem sollen gezielt junge Menschen angesprochen werden, die sich nicht den traditionellen rechten Gruppierungen anschließen würden.
Peter Nowak
Die sogenannte Identitäre Bewegung war bisher vor allem im Internet aktiv. Nun sucht sie die Öffentlichkeit. Zielgruppe sind junge Leute, die die traditionelle extrem rechte Szene nicht erreicht.
Nazis
Politik & Ökonomie
Politik
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Lasko Schleunung: »Ich bin besorgt, was noch kommt«
In der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung (BVV) kam es vor zwei Wochen zu einem Vorfall zwischen einem AfD-Abgeordneten und dir. Warum warst du an dem Tag da? Ich gehe regelmäßig in die Bezirksverordnetenversammlung, weil ich es sehr interessant finde. Dort habe ich dann eine Bürger*innenanfrage gestellt zu rechten Flyern und der Präsenz rechter Parteien an Schulen. Ich wollte wissen, ob das Bezirksamt von diesen Vorfällen weiß und was es dagegen machen wird. Was ist dann passiert? Ich habe unter anderem erwähnt, dass in meiner Schule auch ein Sticker von der AfD aufgetaucht ist. Und als ich zur Beantwortung der Frage das Redner*innenpult verlassen habe, habe ich ein »dummer Lügner« von dem Lichtenberger AfD-Vorsitzenden Dietmar Drewes gehört. Ich bin kein Lügner, denn ich habe nie behauptet, dass die AfD Sticker an unserer Schule verteilt, lediglich dass ein Sticker dieser Partei aufgetaucht ist. Ich habe weder die AfD-Fraktion direkt angesprochen, noch habe ich gesagt, dass sie Sticker an Schulen verteilt. Aber Herr Drewes hat sich angesprochen gefühlt. Es heißt ja, getroffene Hunde bellen. Was war deine erste Reaktion darauf? Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Ich glaube, ich habe gesagt: »Ja, ja«. Weil ich mir dachte: AfD halt, was erwartet man? Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen. Warum war dir das Thema so ein wichtiges Anliegen? Ich bin Mitglied bei Die Linke, sitze auch in mehreren Ausschüssen und bin seit diesem Jahr Anne-Frank-Botschafter. Außerdem bin ich ja selbst auch Schüler und Schulsprecher meiner Schule und engagiere mich gegen rechts, gegen Antisemitismus, gegen Rassismus und gegen Diskriminierung. Und das ist mir deswegen einfach ein besonderes Thema, weil ich finde, dass so etwas nichts vor Schulen und generell nirgendwo etwas zu suchen hat. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich in dem Moment in der BVV die Frage als besorgter Schüler und Bürger gestellt habe, nicht als Mitglied einer Partei. Wie kam es dazu, dass du dann noch direkt in der BVV Anzeige erstattet hast? Ich habe jemandem von meiner Partei davon erzählt. Die Person hat vorgeschlagen, zum Vorsteher zu gehen. Ich hatte wirklich die Hoffnung, dass der Vorsteher etwas macht. Also, einen Ordnungsruf wäre das wert gewesen. Mich als Lügner zu bezeichnen, ist ja schon unparlamentarisch. Aber dann noch »dummer Lügner«, das ist ein persönlicher Angriff. Der Vorsteher, Georg Hoffmann von der CDU, hat dann die Sitzung unterbrochen und darum gebeten, dass alle Beteiligten sich einer ordentlichen Sprache zuwenden. Das heißt, er hat mich indirekt auch angesprochen. Dann hat Herr Hoffmann noch eine kurze Pause gemacht und mit Herrn Drewes von der AfD geredet. Aber das sah eher aus wie ein freundliches Gespräch, zumindest nach meiner Interpretation. Wie ging es dann weiter? »Dummer Lügner« ist eine Beleidigung. Ich habe dann bei den Polizeibeamt*innen, die vor Ort waren, eine Anzeige erstattet und meine Aussage getätigt. Sie haben dann Herrn Drewes zur Seite gezogen und ihn befragt. Er hat das natürlich abgestritten. Er hat gesagt, er habe nur »Lügner« gesagt, nicht »dummer Lügner«. Bisher steht Aussage gegen Aussage. Aber man muss abwarten, ob auf den Videos etwas Genaueres zu hören ist. Hättest du dir gewünscht, das auf eine andere Art und Weise zu klären? Ich hätte so oder so Strafanzeige erstattet. Aber von dem Vorsteher kam kein Ordnungsruf, keine Abmahnung, nichts. Das war in dem Moment ein bisschen blöd. Dazu kommt, dass ich selbst Anfang des Jahres von Nazis körperlich angegriffen wurde, an einem Infostand der Linken in Lichtenberg. Deshalb ist mir das persönlich noch einmal wichtiger. Denn wenn man solche Leute nicht in die Schranken weist, dann werden sie immer stärker. Lasko Schleunung ist 17 Jahre alt und geht auf eine Integrierte Sekundarschule in Berlin-Lichtenberg. Er ist Sprecher seines Ortsverbandes der Linken und Mitglied im Ausschuss für Vielfalt, Gleichstellung, Inklusion, Arbeit, Soziales und Gesundheit der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg. Nachdem das Interview geführt worden war, erklärte der Geschäftsführer der AfD-Fraktion der BVV Lichtenberg, Strafanzeige wegen Verleumdung gegen den Schüler zu stellen. Wurde denn deine Frage zu den Flyern noch beantwortet? Die Bezirksstadträtin Catrin Gocksch (CDU) sagte, sie sei darüber nicht in Kenntnis gesetzt worden. Das soll geklärt werden. Aber das kann überhaupt nicht stimmen, dass sie davon nicht weiß, weil mein Schulleiter diese Vorfälle an die Schulaufsicht gemeldet hat. Was genau ist das Problem bei Schulen in Lichtenberg? Es wurden in mehreren Schulen im Bezirk in letzter Zeit vermehrt rechte Sticker und Flyer gefunden. Ich weiß persönlich von vier weiteren Schulen neben meiner eigenen. Rechte Parteien sind auch sonst präsent. Ende September stand vor meiner Schule die Partei Der III. Weg mit einem Infostand und hat Schüler*innen angesprochen, Infomaterial verteilt. Gibt es andere, demokratische Parteien, die sich vor eure Schule stellen? Es gibt Infostände in Schulnähe, von der Linken, aber auch von der CDU. Und es gibt eine Jugendorganisation, die Internationale Jugend, die sich ab und zu mal vor unsere Schule stellt. Vor allem nach dem Vorfall mit Der III. Weg. Dazu muss man aber sagen: Parteien haben grundlegend nichts in der direkten Nähe von Schulen zu suchen. Aber man muss unterscheiden zwischen linken und rechten Parteien beziehungsweise demokratischen Parteien und undemokratischen Parteien. Rechte Parteien, die undemokratisch sind, die politische Bildung komplett ruinieren und menschenverachtend sind, sind etwas anderes als eine linke Jugendorganisation. Fühlen sich Lichtenberger Schüler*innen sicher? Wir fühlen uns schon sicher. Aber wenn man manchmal bis spätabends in der Schule ist, noch eine Ausschusssitzung hat, halt ein bisschen linker aussieht und nach Hause läuft, dann hat man schon ein bisschen Angst. Das gebe ich ehrlich zu. Es gibt Jungs, die tragen Nagellack oder halt mal ein Netzhemd. Oder wenn ich einen linken Pullover trage, nur mit einer Faust drauf, wird man schon angepöbelt. Aber ich denke, ich werde dem entschlossen entgegentreten und dafür auch so lange kämpfen, bis das wirklich überwunden ist; gerade dieser Rechtsruck, den wir in Deutschland haben. Seit wann engagierst du dich politisch? Ich war schon von klein auf jemand, der gefragt hat: Warum werden Menschen beleidigt und verfolgt? So richtig gegen Nazis aktiv bin ich sogar schon, seit ich zehn Jahre alt bin. Ich habe früher selbst zu Hause Plakate gemalt, mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz drauf und Sprüchen wie »Mensch ist Mensch«. Die habe ich dann bei der Nazikneipe »Sturgis« im Weitlingkiez aufgehängt und wurde dann als Zehnjähriger von deren Leuten verfolgt. Dass ich für die Rechte von Menschen einstehen kann, ist mir wirklich das Allerwichtigste. Die Demokratie in unserem Land, sie ist nicht perfekt. Aber ich schätze sie sehr und ich muss ehrlich sagen, dass ich besorgt bin, was noch kommt. Wo siehst du dich in der Zukunft? Ich möchte auf jeden Fall hauptberuflich in die Politik gehen. Ich bin Lichtenberger mit Herz und Seele und kompletter Leidenschaft. Ich wohne mein ganzes Leben hier und habe auch nicht vor wegzuziehen. Und ich möchte wirklich etwas für die Menschen hier erreichen, sei es als Bürger, Bezirksbürgermeister, Bundestagsabgeordneter, Abgeordnetenhausabgeordneter oder Bezirksverordneter. Aber ich möchte vorher erst mal eine Ausbildung machen und was vom Leben sehen, damit ich auch weiß, wo man anpacken muss.
Interview: Julia Belzig
Der Berliner Schüler Lasko Schleunung über politischen Aktivismus, die Präsenz rechter Parteien an seiner Schule und eine Auseinandersetzung mit der AfD in der Bezirksverordnetenversammlung von Lichtenberg
AfD, Bildungspolitik, Rechtsradikalismus
Politik & Ökonomie
Politik Rechtsruck
2023-12-01T12:44:07+0100
2023-12-01T12:44:07+0100
2023-12-05T17:56:47+0100
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1178196.rechtsruck-lasko-schleunung-ich-bin-besorgt-was-noch-kommt.html
Weniger Misstrauen und Bürokratie
Genau jetzt müssen die gesundheitspolitischen Weichen gestellt werden, fordert Marc Schreiner, der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft am Mittwoch. Denn jetzt, nachdem die Kliniken der Hauptstadt mit der Bewältigung der Corona-Pandemie gezeigt haben, zu welchen Spitzenleistungen sie fähig seien, gelte es, die Strukturen zu stärken und »eine moderne medizinische und pflegerische Versorgung der Zukunft, die Krisen bewältigen, Personal halten und verlässlich wirtschaften kann«, zu gewährleisten, so Schreiner weiter. Diese Forderung werde man im Vorfeld der Wahlen zum Abgeordnetenhaus im September »laut hörbar« machen, erklärte er. Aus diesem Anlass legte die Krankenhausgesellschaft am Mittwoch einen 28-seitigen Katalog mit dem Titel »Gesundheitspolitische Positionen – sicher, nachhaltig, zukunftsorientiert« vor, an dem sich alle Parteien orientieren können, wenn es um ihre gesundheitspolitische Profilierung im Wahljahr 2021 geht. Denn da ist viel Luft nach oben: Dafür, dass Berlin sein über Jahrzehnte kaputt gespartes Gesundheitssystem wie auf dem Tablett vor sich herträgt, legen sich erstaunlich wenige Gesundheitsexpert*innen im Parlament für konkrete Verbesserungen ins Zeug. Überdeckt wird dies allerdings gern vom Loblied auf die Hauptstadt als medizinwissenschaftliches Zentrum und Standort hochmoderner Einrichtungen wie der Charité, unter anderem Vorzeigeobjekt des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), der dem Aufsichtrat des Landesunternehmens als Senator für Wissenschaft und Forschung vorsitzt. Die gesundheitswirtschaftlichen und exzellenzwissenschaftlichen Ambitionen helfen allerdings den maroden Häusern und vor allem ihren hochgradig belasteten Beschäftigten, die unter Personalnot und bürokratischem Aufwand durch das Fallpauschalensystem ächzen, nicht viel weiter. Und: Sich abzeichnende Fehlentwicklungen bei den Systemeinstellungen der Krankenhausversorgung seien während der Pandemie erdrückend deutlich geworden, so Schreiner. Die BKG hatte vor zwei Jahren bereits die Berliner Klinikoffensive lanciert, in der sie an den Realitäten und nachhaltig orientierte Investitionen forderten, damit der Modernisierungsstau nicht mehr auf den Rücken der Mitarbeiter*innen ausgetragen wird. Die Fortsetzung dieser Offensive gehört zu den Kernforderungen, die nun auf dem Tisch liegen: Vor allem nach mehr Unterstützung bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels, nach weniger Bürokratie und Misstrauen sowie schnellerer Digitalisierung mit moderner Auftragsdatenverarbeitung. Um den Fachkräftemangel, den Beschäftigtenvertreter*innen auch auf Berufsflucht aufgrund starker Überlastung zurückführen, wirksam zu bekämpfen, müssten Ausbildungskapazitäten gefördert, der »Qualifikationsmix« stärker beachtet und endlich die Pflegepersonal-Regelung eingeführt werden. Dass auf vielen Stationen Leiharbeit mehr Probleme schafft als beseitigt, ist ein offenes Geheimnis, aber auch sie ist ein Ergebnis schlechter Bedingungen: Pflegekräfte suchen flexiblere Arbeitszeiten und bessere Bezahlung, die ihnen Leasing-Firmen bieten, Kliniken aber nicht. Durch Bürokratieabbau, so heißt es weiter, insbesondere in der Pflege, werde dann auch wieder mehr Zeit für Patient*innen frei. »Die Berliner Kliniken und Pflegeeinrichtungen sind bereit, sich diesen Herausforderungen zu stellen«, heißt es begleitend. Die Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung seien nun aufgerufen, »ihre Unterstützungsangebote zu machen und die Versorgung der Berliner Bevölkerung für die kommenden Jahre noch stärker aufzustellen«.
Claudia Krieg
Die Zukunft der Berliner Krankenhäuser hängt an einer politisch gewollten Verbesserung von Gesundheitsversorgung und Arbeitsbedingungen.
Berlin, Corona, Gesundheit, Krankenhaus
Hauptstadtregion
Berlin Berliner Krankenhäuser
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1152463.berliner-krankenhaeuser-weniger-misstrauen-und-buerokratie.html
Weniger Menschen bei »Meile der Demokratie«
Magdeburg. Rund 8000 Menschen waren am Samstag auf der »Meile der Demokratie« in Magdeburg unterwegs. »Das ist ein leichter Rückgang von 2000 Besuchern im Vergleich zu 2016. Aber ich bin dennoch sehr zufrieden«, sagte Magdeburgs Ordnungsbürgermeister Holger Platz. Die Stimmung sei sehr gut gewesen. Zum 9. Mal veranstaltete die Hauptstadt von Sachsen-Anhalt die »Meile der Demokratie« und setzte damit ein Zeichen gegen Intoleranz, Hass und Gewalt. Anlass für die jährliche Veranstaltung ist die Zerstörung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg am 16. Februar. Der Jahrestag war immer wieder von Rechtsradikalen für Aufmärsche genutzt worden. Zum Auftakt hatte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) die Bürger zu mehr Engagement aufgerufen. Demokratie sei keine Veranstaltung bei der man nur zuschauen könne, betonte er. Demokratie lebe vom Mitgestalten. In der Innenstadt präsentierten sich rund 100 Vereine, Verbände, Unternehmen und Kirchen. Landesbischöfin Ilse Junkermann übergab einen symbolischen Spendenscheck über 30 000 Euro an den Förderverein »Neue Synagoge Magdeburg«. »Mit der Spende möchten wir als Evangelische Kirche in Mitteldeutschland ein Zeichen setzen, dass wir den Bau einer Synagoge ausdrücklich unterstützen«, betonte Junkermann. Die Freiwilligenagentur Halle-Saalkreis nutzte die »Meile« für den Start des landesweiten Wettbewerbs »freistil - Jugend engagiert in Sachsen-Anhalt«. Bis 31. März können sich junge Leute von 14 bis 27 Jahren mit ihrem Projekt bewerben. Voraussetzung ist, dass dieses dem Gemeinwesen nützt. dpa/nd
Redaktion nd-aktuell.de
Magdeburg organisiert eigene Veranstaltung zum Jahrestag der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg
Demokratie, Kirche, Magdeburg, Religion, Sachsen-Anhalt, Spenden
Politik & Ökonomie
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Ein Traum, viele Träumer
Es wird dieser Tage viel geträumt. »Natürlich wollen wir ganz oben stehen«, sagt Thierry Omeyer, der Torhüter der französischen Nationalmannschaft. »Unser Ziel in Österreich ist Gold«, sagt Bogdan Wenta, der polnische Trainer. Und auch Johannes Bitter strebt das Maximale an: »Der Traum ist immer der Titel«, sagt der 27-jährige Torwart der deutschen Nationalmannschaft. Spanien, Titelverteidiger Dänemark und Kroatien greifen ebenfalls nach den Sternen, Rekordeuropameister Schweden, der Olympiazweite Island und Serbien starten zudem als Geheimfavoriten in die 9. Handball-Europameisterschaft, die heute in Österreich beginnt. Diese große Anzahl an Favoriten ist eines der Merkmale dafür, dass es sich bei der EM um das schwerste Handballturnier der Welt handelt. »Wir können gegen fast alle gewinnen, aber wir können auch gegen alle verlieren«, so charakterisiert Bundestrainer Heiner Brand die Ausgangslage. Nur Olympiasieger Frankreich sei sehr, sehr schwer zu schlagen. Als die Spieler am Samstag anreisten, war es ein Flug ins Ungewisse. Zu viele Fragen begleiten den Europameister von 2004: Wird Stammkeeper Johannes Bitter, der in der Bundesliga zuletzt schwächelte, rechtzeitig internationales Niveau abrufen können? Kann Brand die 6:0-Abwehr, die sich in den Tests gegen Island und Brasilien durchlässig präsentierte, noch stabilisieren? Und schafft es der 57-Jährige Gummersbacher, dem »konzeptlosen Rückraum« (Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar) um den labilen Regisseur Michael Kraus (Lemgo) die nötige Struktur zu verleihen? Zweifelsfrei wegweisend ist das Duell zum Auftakt heute gegen Polen. Der Vizeweltmeister von 2007 gilt, da er seit Jahren in der gleichen Besetzung spielt, als Favorit. Doch wie die Deutschen, denen mit Pascal Hens (HSV) und Sebastian Preiß (Lemgo) zwei wichtige Profis fehlen, haben auch die Osteuropäer mit den Aufbauspielern Grzegorz Tkaczyk (Rhein Neckar-Löwen) und Damian Wleklak (Minden) zwei prominente Ausfälle zu verzeichnen. Auch im letzten Jahr bei der WM in Kroatien stufte Brand sein Team gegen Polen als Außenseiter ein, siegte aber doch deutlich mit 30:23. Für das deutsche Team spricht ferner, dass viele deutsche Fans nach Innsbruck strömen werden und in der Partie gegen den Nachbarn – wie auch in den weiteren Vorrundenpartien gegen Slowenien und Schweden – eine Heimspiel-Atmosphäre schaffen werden Die deutsche Mannschaft wandelt angesichts der schweren Vorrundenkaliber auf einem schmalen Grat. Zwischen Triumph und Absturz könnten nur ein paar Tore liegen. Es wird auf Winzigkeiten ankommen, auf einen Fehlpass vielleicht, oder eine Torwartparade zum rechten Zeitpunkt. Die vielen Fehler, die sich die junge Rückraumachse Kraus, Michael Müller und Lars Kaufmann in den beiden verlorenen Testspielen gegen Island leistete, würden sich in diesen EM-Partien fatal auswirken. Dann wäre sogar das größte anzunehmende Horrorszenario denkbar: Das Ausscheiden in der Vorrunde. EM Vorrunde, 1. Spieltag heute Gruppe A Russland - Ukraine 18.10 Kroatien - Norwegen 20.10 Gruppe B Dänemark - Österreich 18.00 Island - Serbien 20.15 Gruppe C Deutschland - Polen 18.30 Schweden - Slowenien 20.30 Gruppe D Spanien - Tschechien 18.15 Frankreich - Ungarn 20.15 Die besten drei jeder Gruppe ziehen in die zwei Hauptrundengruppen ein.
Erik Eggers, Innsbruck
Es wird dieser Tage viel geträumt. »Natürlich wollen wir ganz oben stehen«, sagt Thierry Omeyer, der Torhüter der französischen Nationalmannschaft. »Unser Ziel in Österreich ist Gold«, sagt Bogdan Wenta, der polnische Trainer. Und auch Johannes Bitter strebt das Maximale an: »Der Traum ist immer der Titel«.
Europameisterschaft, Handball, Österreich
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Was geschah im Bonner Flüchtlingsheim?
Zur Schussabgabe auf einen Flüchtling in Bonn-Endenich am Samstagabend hatte es widersprüchliche Angaben in der Presse gegeben. Zunächst hieß es, der Mann aus Guinea habe Polizeibeamte attackiert, die sich mit der Waffe verteidigt hätten. Andere Berichte sprachen davon, die Schüsse seien erfolgt, weil der flüchtende Täter nach wie vor bewaffnet gewesen war, zur Gefahrenabwehr. Spricht man mit Geflüchteten aus dem Heim in Bonn-Endenich, stellt sich die Lage jedoch anders da. Völlig chaotische Zustände habe es beim Eintreffen der Polizei gegeben, die das Gelände nur unzureichend abgesperrt habe. Die Räumung sei nur teilweise erfolgt, ein von einer Initiative zur Unterstützung der Flüchtlinge organisiertes Sommerfest wurde vom Innenhof erst verzögert aufgelöst, obwohl sich der Flüchtige in einem zum Hof angrenzenden Raum verschanzt hatte. Mehrere Bewohner flohen mit ihren Kindern in die Wohnungen von Nachbarn, andere versteckten sich in i... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Jana Klein
Ein unter psychischen Problemen leidender Flüchtling geht in Bonn auf einen Mitbewohner los, die Polizei schreitet ein, die Lage eskaliert. Als der Mann flüchten will, schießt das SEK auf den Verwirrten.
Asylpolitik, Bonn, Flüchtlinge, Polizei
Politik & Ökonomie
Politik
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»Was die da treiben, weiß ich bis heute nicht«
ND: Haben Sie die Informationen von WikiLeaks überrascht? Ströbele: Im Kern nicht, in Einzelheiten schon. Ich habe vieles geahnt und einiges gewusst von dem, was die US-Truppen dort treiben. Jetzt haben wir es Schwarz auf Weiß. Wussten Sie von der deutschen Beteiligung bei der Erstellung sogenannter Abschusslisten? Ja, dazu habe ich seit November eine Reihe von Fragen an die Bundesregierung gerichtet. Erst im Juni wurde mir mitgeteilt, dass seit Juni 2009 acht Personen für die Listen der NATO vorgeschlagen wurden und zwei danach getötet wurden. Das war für mich eine Bestätigung mündlicher Berichte. Sie sagten schon vor Jahren, der Krieg sei »schmutzig«. Welche Informationen hatten Sie da ? Wir hatten immer wieder Informationen, beispielsweise dass die USA auf der Grundlage von Denunziationen Hochzeitsgesellschaften bombardierten, und da gab es bis zu 76 Tote. Viele waren Frauen und Kinder und keine Taliban. Hintergrund der Denunziation soll ein Eifersuchtsstreit gewesen sein. Gab es Informationen über das Kommando Spezialkräfte? Wir haben sehr schleppend Informationen erhalten. Was die da im Einzelnen getrieben haben, weiß ich bis heute nicht. Etwa im letzten Oktober habe ich von der neuen Einheit der Bundeswehr erfahren, der Task Force 47, und von der US-Einheit TF 373. Auch dazu habe ich parlamentarische Anfragen gestellt. Und ich habe einiges von TF 47-Leuten erfahren, als ich selbst im April 2010 in Afghanistan war. Aber was die genau treiben und ob sie auch töten, habe ich nicht herausbekommen. Der »Spiegel« schreibt, Deutschland habe sich »kenntnislos und naiv« in den Krieg hinein begeben. Würden Sie das auch Ihren Parteikollegen vorwerfen, die damals den Einsatz befürwortet haben? Uns im Bundestag ist der ISAF-Einsatz jahrelang als Stabilisierungsmaßnahme verkauft worden. Inzwischen laufen über 90 Prozent aller militärischen Aktionen über ISAF. Ich zweifele an, dass alles, wovon wir jetzt erfahren haben, durch das ISAF-Mandat gedeckt ist. Wenn Deutschland bei den gezielten Tötungen dabei wäre, wäre das sicher verfassungswidrig. Wenn die Grünen jetzt für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan plädieren, ist das also weniger ein Zeichen dafür, dass sie wieder der parlamentarische Arm der Friedensbewegung werden? Die Grünen haben ihre Position stark verändert. Das ist durch den Göttinger Parteitag, der von der Basis erzwungen wurde, eingeleitet worden. Zuletzt hat die Mehrheit der Grünen den ISAF-Einsatz nicht mehr befürwortet. 21 Abgeordnete haben mit Nein gestimmt, die anderen haben sich überwiegend enthalten. Ich hoffe, wir werden nächstes Mal klar mit Nein stimmen. Meine Forderung ist, den Krieg in verantwortungsvoller Weise zu beenden: sofort alle Offensivmaßnahmen einstellen und Verhandlungen beginnen – auch mit Aufständischen, die kämpfen. Sie haben geschrieben, dass Sie die jetzige Regierung nicht für »kooperationsfähig« halten. Wie sollen dann Verhandlungen mit den Taliban funktionieren? Ich habe große Zweifel, dass Karzai ernsthafte Verhandlungen führt. Er ist aber auch nur von rund 14 Prozent der Bevölkerung gewählt worden. Er ist nicht der anerkannte Vertreter des afghanischen Volkes. Er ist ein Machtfaktor, aber die entscheidenden Kräfte sind natürlich die USA und die NATO. Alle müssen verhandeln. Die Deutschen müssen im Norden verhandeln, und die USA dürfen mit ihren gezielten Tötungen nicht alles wieder kaputtmachen. Sie sagen, dass man auch die, die auf diesen Listen stehen, für Verhandlungen braucht. Ja, in der jetzigen Situation sehen diese Personen aber keine Grundlage dafür. Sie wissen, wenn sie irgendwo den Kopf herausstrecken, kommt eine Drohne und liquidiert sie. Aber die haben ja wohl üble Sachen gemacht, bevor sie auf den Listen standen. Trotzdem, wir haben die Todesstrafe von Verfassung wegen abgeschafft. Und wie kommt man auf eine Killing-Liste? Durch ein Gerichtsurteil? Oder hat nur jemand gesagt, ich weiß da einen, der ist auch Taliban-Führer? Das kam immer wieder vor. Nicht alle Aufständischen sind Taliban, da sind viele dabei, die nicht religiös motiviert sind. Man muss beginnen, dezentral zu verhandeln über einen Waffenstillstand. Dafür braucht man die Gegenseite, und zwar die, die Waffen einsetzt. Dann muss man darüber sprechen, wie eine Friedenslösung aussieht. Ich habe sie auch nicht, aber sie kann nur aus Verhandlungen kommen.
Redaktion nd-aktuell.de
Hans-Christian Ströbele ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag. Die Beteiligung der Bundeswehr am Kampfeinsatz in Afghanistan (»Operation Enduring Freedom«) lehnte er stets ab. Über Anfragen an die Bundesregierung und auf juristischem Wege versucht er seit langem hartnäckig, konkrete Informationen über den Krieg zu erhalten. Mit Ströbele sprach Regina Stötzel.
Afghanistan, Afghanistan-Einsatz, Bundeswehr, Die Grünen, Hans-Christian Ströbele, Luftangriff
Politik & Ökonomie
Politik
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Kabinett will Militäreinsatz ohne Völkerrecht
Die deutsche militärische Unterstützung sei »eingebettet in einen breiten politischen Ansatz, der von der großen Mehrheit der Staatengemeinschaft getragen wird«. So viel findet sich im Mandat zum Bemühen um eine politische Lösung. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) brachte bis zu 1200 Soldaten, vier bis sechs Tornado-Aufklärungs-Jets, ein Tankflugzeug und eine Fregatte in das Mandat ein. Der angekündigte Austausch von Satellitendaten ist seit Jahren Normalität. Der Einsatz deutscher Streitkräfte erfolge vorrangig im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation Islamischer Staat in Syrien sowie auf dem Gebiet von Staaten, von denen eine Genehmigung der jeweiligen Regierung vorliegt. Als Einsatzraum der Marine sind das östliche Mittelmeer aber auch der Persische Golf, das Rote Meer und angrenzende Seegebiete vorgesehen. Das hat vermutlich damit zu tun, dass der französische Flugzeugträger »Charles de Gaulle« ... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
René Heilig
Ruck zuck! Am Dienstag wird der Mandatsvorschlag für den Syrien-Bundeswehreinsatz im Kabinett beschlossen. Bis zum Wochenende soll das Parlament dann alles abgenickt haben.
Bundeswehr, Frankreich, IS, Islamismus, Syrien, Terror
Politik & Ökonomie
Politik
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Lindners selbstverschuldete Realität
Eigentlich profitiert der Staat von der Inflation. Wenn die Preise und Löhne steigen, dann steigen auch die Einnahmen aus Einkommens- und Konsumsteuern. Eigentlich. Denn die Steuerschätzung ergab, dass alleine der Bund im kommenden Jahr mit 13 Milliarden Euro weniger an Einnahmen auskommen muss als noch im Oktober geschätzt. Doch anders als andere Finanzminister freut das Christian Lindner, der nun jubelt, dass man sich den »haushaltspolitischen Realitäten« stellen müsse. Denn das Minus im Staatssäckel ist selbstgemacht. Schuld sind nämlich umstrittene Steuerreformen, die Lindner unbedingt haben wollte und von denen vor allem Besserverdienende profitieren. So kann sich der FDP-Politiker endlich als der neoliberale Fürsprecher der Reichen behaupten, der er so gerne sein will, und mit dem Verweis auf klamme Kassen sozialen Ansinnen seiner Koalitionspartner wie Kindergrundsicherung oder Klimaschutzprojekte eine Abfuhr erteilen. Der Haushaltsstreit in der Ampel-Koalition, der schon seit einiger Zeit schwelt, wird sich vermutlich also verschärfen. Schließlich hat Linder keinerlei Interesse daran, mehr Einnahmen durch höhere Steuern oder neue Schulden zu generieren und so mehr Luft für die Vorhaben von SPD und Grünen zu haben. Denn das würde nicht nur seinen Prinzipien als Verfechter eines schlanken Staates widersprechen, sondern ihn auch als schwachen Politiker darstehen lassen, der sich nicht gegen seine Koalitionspartner durchsetzen kann. So erklärt es sich auch, warum der FDP-Chef der ökonomischen Vernunft zum Trotz weiterhin auf der Wiedereinhaltung der Schuldenbremse beharrt. Bleibt also abzuwarten, wie viel Druck SPD und Grüne auf Lindner noch machen – und ob sie sich durchsetzen werden. Schließlich müssen auch sie sich profilieren.
Simon Poelchau
Laut der aktuellen Steuerschätzung muss der Bund mit weniger Geld auskommen als bisher gedacht. Bundesfinanzminister Christian Lindner passen die Mindereinnahmen ins Konzept.
Bildungspolitik, FDP, Steuerpolitik, Verschuldung
Meinung
Kommentare Steuerschätzung
2023-05-12T14:53:36+0200
2023-05-12T14:53:36+0200
2023-05-12T18:19:12+0200
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173190.steuerschaetzung-lindners-selbstverschuldete-realitaet.html
Fabian Hambüchen wagt und gewinnt
Seine Turnkollegen vom Bundesligisten KTV Obere Lahn trommelten sich auf der Tribüne die Finger wund, Vater und Trainer Wolfgang hüpfte nach eigenen Worten wie ein »Dilldöppchen« durch die Halle - Fabian Hambüchens Aufholjagd ließ im Sportpaleis von Antwerpen niemanden kalt. Bei einer Weltmeisterschaft vom letzten Platz aufs Siegertreppchen - das hatte selbst der fast 26 Jahre alte Ausnahmeturner kaum noch für möglich gehalten. Der Wetzlarer ertrank nach seinem Triumph fast in den eigenen Emotionen, erst bei der Siegerehrung, mit der Bronzemedaille um den Hals, kam er langsam zur Besinnung: »Ich war vor dem Wettkampf unglaublich aufgeregt und wollte eigentlich nur unter die ersten Acht kommen. Jetzt bin ich absolut überwältigt davon, was hier passiert ist.« Nach einem Auftaktpatzer am Seitpferd war Hambüchen 24. und damit Letzter. Taktisch turnen war unmöglich geworden, er musste auf A... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Er turnte wie im Rausch: Dank einer sensationellen Aufholjagd hat Fabian Hambüchen erstmals seit sechs Jahren bei einer Weltmeisterschaft wieder eine Mehrkampf-Medaille gewonnen.Nun hofft er bis Olympia 2016 auf höchstem Niveau konkurrenzfähig zu bleiben.
Turnen, Weltmeisterschaft
Sport
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Geflüchtete als Vorwand
Die sogenannten Wirtschaftsweisen machten noch nie einen Hehl daraus, dass sie den Mindestlohn nicht mögen. »Statt den Arbeitsmarkt noch stärker zu regulieren, sind die bestehenden Regulierungen kritisch zu überprüfen und zu korrigieren«, schrieb der fünfköpfige Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wie die »Wirtschaftsweisen« offiziell heißen, vergangenes Jahr. Für die Ökonomen ist die steigende Anzahl hierzulande ankommender Geflüchteter ein willkommener Anlass, wieder gegen die gesetzliche Lohnuntergrenze vorzugehen. In ihrem am Mittwoch vorgestellten Jahresgutachten 2015/16 schlagen sie eine Reihe weiterer Ausnahmen vor. Lediglich der seinen Sachverständigenkollegen stets kritisch gegenüberstehende Peter Bofinger widersprach den Ideen. Dabei ist der Mindestlohn nicht die einzige Sache, bei der er seine Stimme gegen die übrigen Sachverständigen erheben musste: Unter dem Titel »Zukunftsfähigkeit in den Mittelpunkt« präsentierten die Berater der Bundesregierung eine wahre Giftliste neoliberaler Forderungen wie steuerliche Vergünstigungen für Unternehmen, die Abschaffung der Förderung regenerativer Energiequellen und den Investorenschutz durch Schiedsgerichtsverfahren im Rahmen von Freihandelsabkommen wie TTIP zwischen der EU und den USA. Die Ökonomen rechnen mit einem Wachstum der Wirtschaftsleistung von 1,7 Prozent für dieses und 1,6 Prozent für das nächste Jahr. »Durch die Flüchtlingsmigration ist es jedoch noch wichtiger geworden, die Zukunftsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft durch geeignete Rahmenbedingungen zu gewährleisten«, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Christoph Schmidt. Die voraussichtlichen Mehrausgaben angesichts der verstärkten Migration von maximal 8,3 Milliarden Euro im Jahr 2015 und 14,3 Milliarden Euro im Jahr 2016 hält sein Team für verkraftbar. Doch dürften für die hierzulande ankommenden Geflüchteten die »Hürden für die Beschäftigung nicht zu hoch ausfallen«, schreibt das Gremium. Ihre Forderungen: Arbeitsuchende Migranten sollen von Anfang an als Langzeitarbeitslose gelten und die Ausnahme vom Mindestlohn bei eben jener Gruppe Arbeitsloser von sechs auf zwölf Monate verlängert werden. Auch Praktika sollen künftig bis zu einer Dauer von einem Jahr von der Lohnuntergrenze befreit sein. Zudem denkt der Rat über einen nach Alter gestaffelten Mindestlohn für junge Erwachsene nach. »Die Zuwanderung von Flüchtlingen sollte nicht zum Anlass genommen werden, den Anwendungsbereich des Mindestlohns einzuschränken«, wandte sich der Sachverständige Peter Bofinger gegen die Mehrheitsmeinung seiner Kollegen. Ihm zufolge dürfte sich bei aller Unsicherheit über die Entwicklung der Migration die Anzahl der in den deutschen Arbeitsmarkt eintretenden anerkannten Flüchtlinge zunächst in Grenzen halten. Von den übrigen Vorschlägen der anderen Sachverständigen unter dem Motto »mehr Markt und weniger Staat« hält Bofinger auch nicht viel: »Die in diesem Gutachten von der Mehrheit vorgeschlagenen Reformen würden die Handlungsfähigkeit des Staates erheblich einschränken.« Dies gilt ihm zufolge ebenso für die ins Spiel gebrachte Insolvenzordnung für Staaten wie für die Entprivilegierung von Staatsforderungen in den Bankbilanzen, welche der öffentlichen Hand gerade in Krisenzeiten die Finanzierung erschweren würde. Der LINKE-Wirtschaftsexperte Michael Schlecht hält den Sachverständigen indes zumindest zugute, dass sie »völlig zu Recht« feststellen, dass die Kosten für die Flüchtlinge tragbar seien. »Leider sind die Forderungen, die der Rat dazu aufstellt, wie gewohnt, wenig hilfreich«, so Schlecht. Kommentar Seite 4
Simon Poelchau
Ob Steuergeschenke für Unternehmen oder Einschränkungen beim Mindestlohn - die neoliberale Giftliste des Sachverständigenrates ist lang.
Asylpolitik, Einwanderung, Flüchtlinge, Mindestlohn
Politik & Ökonomie
Wirtschaft und Umwelt
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Die Bresche nach Gaza
Kein amerikanischer Repräsentant hat sich je in die Nähe der eingepferchten Gaza-Palästinenser begeben, um zu fordern: »Mr. President, tear down this wall!« Und es ist auch nicht bekannt, dass etwa Obama die Absicht gehabt hätte, dies zu tun. Reißen Sie diese Mauer ein – weder in Israel noch in Ägypten mussten die Herrschenden derlei öffentliche Missbilligung aus dem Land der Freiheitsstatue fürchten. Bis dato galt der Gaza-Streifen als größtes Freiluftgefängnis der Welt. Allein die Wärt... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Kommentar von Roland Etzel
Ägypten, Gaza-Streifen, Palästina
Meinung
Kommentare
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Berlin: Linker Technoclub beklagt Drohungen und Angriffe
Erneut hat der linke Technoclub About Blank Angriffe, Hetze und Drohungen wegen seiner Haltung zum Krieg im Gazastreifen beklagt. Seit dem Überfall der islamistischen Hamas auf Israel vor gut einem Jahr und dem Beginn des Krieges gebe es eine Serie von Schmierereien, Fäkalienwürfen und anderer physischer Attacken etwa mit Buttersäure gegen das About Blank. So schrieb der Club in einer ausführlichen Stellungnahme im Internet: »Auch andere linke Veranstaltungsorte sind seit Monaten solchen Angriffen ausgesetzt, weil sie sich im Kontext des Israel-Palästina-Konflikts vermeintlich falsch positionieren.« Das zehnköpfige Kollektiv der Clubbetreiber betont, der Nahost-Konflikt und seine Geschichte seien zu komplex, »um eindeutig und plakativ Partei zu ergreifen«. Daher habe man es immer unterlassen, Israel einseitig zu verurteilen. Zugleich stelle man sich gegen jeden Antisemitismus und Boykottkampagnen. Fälschlicherweise werde man daher im Internet als »pro-israelisch« oder »zionistisch« verurteilt und mit gezielten Falschbehauptungen gemobbt. Angestellte würden im Club beleidigt und bedroht. Möglich sein müsste Mitgefühl mit allen Opfern, auf der israelischen und auf der palästinensischen Seite, mit Juden und Muslimen. Stattdessen gebe es eine Welle antisemitischer Vorfälle in Deutschland. »Eine Solidarisierung mit den Opfern des 7. Oktobers und des Supernova-Festivals hat es weder in der gesellschaftlichen Breite noch in der Clubkultur oder innerhalb der Linken gegeben.« Offen israelfeindliche und antisemitische Bekundungen würden das Massaker und den Terror der Hamas verklären. Die ganze Clubszene sei zunehmend gespalten. Zuletzt hatte es auch immer wieder Zerstörungen, gesprühte Propaganda-Symbole der Hamas und antisemitische Parolen an anderen linken Kneipen oder Kultureinrichtungen gegeben. Außerdem kam es zu Aktionen gegen den Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) und verschiedene Veranstaltungen, hinter denen propalästinensische Gruppen vermutet werden. dpa/nd
dpa/nd
Ein Jahr nach dem 7. Oktober ist die linke Berliner Kulturszene nach wie vor zerrissen. Einrichtungen berichten von Hass und Aggressionen. Ein Club gibt an, mit Fäkalien und Buttersäure attackiert worden zu sein.
Antisemitismus, Berlin, Hamas, Israel, Juden, linke Bewegung, Musik, Nahost
Hauptstadtregion
Berlin Kulturszene
2024-10-01T17:54:10+0200
2024-10-01T17:54:10+0200
2024-10-02T08:05:35+0200
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1185696.kulturszene-berlin-linker-technoclub-beklagt-drohungen-und-angriffe.html
Wir sind ein Teil von Pachamama!
»Wenn eine Person krank wird, kann man sie heilen. Wenn aber das Wasser krank wird, kann man es dann heilen?«, fragen sich die indigenen BewohnerInnen im nordwestlichen Argentinien. Der Rat der indigenen Organisationen von Jujuy (COAJ) nimmt dieses Problem auf. Unterstützt vom Weltfriedensdienst, kümmert er sich um die rechtliche Absicherung des Wasserzugangs. Für die Angehörigen indigener Völker, wie die der Kolla, Omahuaca oder Guaraní, ist der Zugang zu sauberem Wasser leider keine Selbstverständlichkeit. Sie bewohnen die entlegene argentinische Provinz Jujuy im Norden, von vielen ArgentinierInnen vergessen. Das Bewusstsein für die Nöte der Gemeindemitglieder fehlt. »Der Stadtbewohner öffnet einfach den Hahn und das Wasser fließt heraus, was aber macht der Dorfbewohner?« Die Region ist durch das karge Hochland, weite Ebenen und große Salzseen geprägt und schon jetzt vom Klimawandel betroffen. Unzuverlässige Niederschläge und Wetterextreme sind die Folge. Verschmutzte Flüsse sowie Tendenzen zur Privatisierung des kostbaren Guts Wasser beeinflussen die Gemeinden zusätzlich negativ. Deren Überleben steht nun auf dem Spiel. Wie sollen die Bauern der Kolla ausreichend Lebensmittel ernten, wenn sie verschmutztes Wasser über ihre Pflanzen gießen müssen und diese dann von Pilzen befallen werden? Können Gemeinden der Guaraní ohne gesicherten Zugang zu sauberem Trinkwasser weiterhin bestehen und ihre Traditionen bewahren? In einer von COAJ in Auftrag gegebenen Befragung der Mitglieder 260 indigener Gemeinden wird das ganze Ausmaß der Wasserproblematik erkennbar. Auf dem Weg zu den weit verstreuten Dörfern häufen sich die Bilder von Orten ohne Wasser, ausgetrockneten Flussarmen und Abwässern auf Weideflächen. Doch welche Ursachen führen dazu? Im Umland der Dörfer befinden sich immer weiter wachsende Städte. Das Gebiet ist auch aufgrund seiner Ressourcen begehrt, so dass der Wasserstand eines einst stolzen Flusses im Laufe der Zeit immer weiter absinken kann. Auch die Wasserqualität leidet. An den Ufern des Flusses Río Labayen leben Familien, die größtenteils in der Landwirtschaft oder als TagelöhnerInnen ihr Leben bestreiten. In einer Untersuchung wurde von WissenschaftlerInnen Arsen im Wasser nachgewiesen, dessen Ursprung in einer nahe gelegenen Mine oder den Ölraffinerien der Stadt vermutet wird. Andere Gemeinden klagen über die Abwässer einer Kläranlage, die ihren ehemals blauen Fluss in einen gelben verwandelt haben. In der indigenen Gemeinde von Puramarca ist wiederum weniger als ein Drittel der Häuser überhaupt an ein Abwassersystem angebunden. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen das Wasser des Flusses klar war und man ihn barfuß überqueren oder Fische angeln konnte. Nach wie vor widmen sich viele Bauern der Zucht von Lamas oder dem Anbau von Gemüse. Früher wurden selbstgegrabene Brunnen oder natürliche Quellen zur Bewässerung genutzt. Heute glauben viele Campesinos, nur durch den Einsatz von Pestiziden ihr Überleben sichern zu können. Dabei möchten die Gemeindemitglieder eigentlich nur im Einklang mit der Natur leben. Sie verstehen sich als ein Teil der Pachamama, Mutter Erde, ohne dabei Besitzansprüche an die Natur zu haben. »Niemand kann Besitzer des Wassers sein, es weder kaufen noch verkaufen. Wie kann es sein, dass Menschen heutzutage entscheiden, ob du Zugang zu Wasser hast oder nicht? Der Mensch besitzt nichts in der Natur«, unterstreichen sie. Was aber, wenn örtliche Finca-BesitzerInnen mehr Macht haben und den Wasserverbrauch in den umliegenden Gemeinden regeln dürfen, ohne die Indigenen einzubeziehen ? Oder wenn die örtliche Umweltbehörde auch nach jahrelangen Berichten über verschmutztes Wasser keine Lösung anbietet? Einige Indigene sehen für die Zukunft daher schwarz: »Wie können die Guaraní ohne das Wasser leben?«, fragen sie verzweifelt. Der Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht. Das Element hat aber eine noch viel weitreichendere Bedeutung. Wasser, das ist auch ein spirituelles Gut, welches einen wichtigen Teil der Kultur indigener Völker darstellt. Das Fiscara- Volk beispielsweise würdigt die Großmutter Wasser in einer alten Zeremonie. Alle TeilnehmerInnen der umliegenden Gemeinden werden eingeladen und feiern zusammen. Sie verstehen sich dabei als ein Teil der natürlichen Umwelt. Die Guaraní erzählen außerdem, dass sie Fische nie zum reinen Vergnügen fangen, sondern den Fluss vorher um Erlaubnis bitten. Leider geraten viele Zeremonien und Rituale immer mehr in Vergessenheit, genau wie das Wissen zu traditionellen Bewässerungs- und Anbauformen. Viele Jugendliche ziehen in die Städte, nur die Älteren bleiben in den Dörfern zurück. Die Herausforderungen für die Zukunft sind also groß. »Was wird mit dieser Gemeinde, mit uns, die wir hier leben, geschehen?«, fragen sich viele Indigene. Wie soll es weitergehen? COAJ im Norden Argentiniens steht für Rechte indigener Völker ein. In langjähriger Zusammenarbeit mit dem Weltfriedensdienst hat COAJ schon einige Erfolge bezüglich der Landrechte indigener Gemeinden gefeiert. Erste Landtitel wurden dabei erstritten. Dennoch: Es ist noch ein weiter Weg. Der Norden Argentiniens steht ungebrochen im Fokus wirtschaftlicher Interessen. Die Salzseen der Region bilden eine wichtige Ressource für die Herstellung elektrischer Autobatterien: Lithium. Leider werden bei der Gewinnung immense Wassermengen verschwendet. Es ist also weiterhin essenziell, dass indigene Gemeinden bei entsprechenden Vorhaben im Voraus konsultiert und nicht einfach übergangen werden. Natalia Sarapura ist Staatssekretärin für indigene Angelegenheiten und setzt sich bei COAJ bereits seit ihrer Jugend für mehr indigene Sichtbarkeit in Jujuy ein. Dabei ist ihr wichtig, dass die indigenen Gemeinden ihren eigenen Weg finden und sich weiterentwickeln, ohne dabei ihre Identität aufzugeben. In Zusammenarbeit mit dem Weltfriedensdienst wurde ein Ausbildungszentrum für Indigene geschaffen. Dort lernen sie ihre Rechte kennen und reaktivieren traditionelles Wissen, das den Gemeinden zugute kommt - auch in Bezug auf die Wasserproblematik. Zuerst wurden Analysen angestellt und Fortbildungen zum Pflanzenschutz sowie zur Wassergewinnung durchgeführt. Dann ging es an die Arbeit: Alte Bewässerungskanäle wurden repariert oder wieder aufgebaut. Im Hochland wurden Quellen rehabilitiert und heilige Stätten neu aufgeforstet. Eine Gemeinde wurde bei der Trinkwassergewinnung unterstützt. Mindestens einmal jährlich werden in jeder Region nun Märkte für Saatgut und Tiere abgehalten, die resistent gegen die Folgen des Klimawandels sind. In der Gemeinde der Fiscara wurde eine Zeremonie, die bereits in Vergessenheit geraten war, wiederbelebt. Die Initiative übernahm Dorfbewohner Hugo, der bei der Rückkehr aus der Stadt kaum Jugendliche und fast kein Wasser mehr vorfand. Er beschloss, die Zeremonie für die Großmutter Wasser wieder abzuhalten. Das bewirkte in der Gemeinde ein neues Bewusstsein für altes Wissen und kollektiven Zusammenhalt. Inzwischen sprudelt wieder frisches Süßwasser aus den Quellen. »Der Mensch ist ein integrativer Teil der Natur«, so Sarapura, die für ein alternatives Wirtschaftsmodell plädiert. Die COAJ-Aktivistin und die indigenen Gemeinden in Jujuy haben noch einen weiten Weg vor sich. Sie werden sich aber weiterhin für ihren Wunsch nach einem Leben in Einklang mit der Umwelt einsetzen. Dabei spielt Wasser eine bedeutende Rolle - es ist ein unveräußerliches Menschenrecht.
Redaktion nd-aktuell.de
Wenn das Wasser krank wird, kann man es dann heilen? Für die Angehörigen indigener Völker, wie die der Kolla, Omahuaca oder Guaraní, ist der Zugang zu sauberem Wasser leider keine Selbstverständlichkeit.
Argentinien, Indigene, nd-Solidaritätsaktion, Solidarität, Südamerika, Wasser
Politik & Ökonomie
Politik nd-Soliaktion 2016
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1034252.wir-sind-ein-teil-von-pachamama.html
Hilfe, die nicht ankommt
Vor einer Woche war die Sache klar: »Unsere Wohnungen werden in den kommenden Wochen sehr gut gefüllt sein«, schreibt ein Freund mit zahlreichen Kontakten in die Ukraine. Auch ohne persönliche Verbindungen konnte daran kein Zweifel bestehen. Am Dienstag dauert der Krieg in der Ukraine sechs Tage. Dass Berlin neben Warschau ein Knotenpunkt werden würde auf der Flucht nach Westen, stand fest. Und dennoch: An den Bahnhöfen helfen wieder diejenigen, die schon im Winter 2015/2016 das Chaos bewältigt haben, das die Institutionen mit Bürokratie und Verschlafenheit eher vergrößert als verringert haben. Auch im Fall der Flüchtlinge, die jetzt kommen, mahlen die Mühlen langsam. Es wird mit Formblättern gewedelt, statt knappe, einfache und vor allem hilfreiche Informationen zu liefern. Zwei Jahre ist seit Ausbruch der Pandemie über Krisenfestigkeit geredet worden, und wenn einige Hundert Flüchtlinge kommen, steht an den zentralen Ankunftsorten nicht mal eine Flasche Wasser parat. Aber wo soll behördliches Engagement auch herkommen? Die Flüchtlingsfeindlichkeit steckt im System. Daran ändern auch die schnell aufgelegten Aufnahmeprogramme nicht viel – nur die Menschen, die helfen und sich fragen, warum sie eigentlich allein am Gleis stehen.
Claudia Krieg
An den Bahnhöfen und bei der Unterkunft helfen wieder diejenigen, die schon im Winter 2015/2016 bereit standen. Gerade in Berlin gibt es zwar große Bekenntnisse, aber die Unterstützung durch staatliche Institutionen läuft schleppend an.
Berlin, Flüchtlinge, Flüchtlingshelfer, Ukraine-Krieg
Meinung
Kommentare Ehrenamtliche Hilfe für Flüchtlinge
2022-03-01T16:12:05+0100
2022-03-01T16:12:05+0100
2022-03-02T18:54:51+0100
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1161755.hilfe-die-nicht-ankommt.html
Rot-Rot-Grün gegen A 100
»Die Friedrichshain-Kreuzberger SPD will auf gar keinen Fall einen Weiterbau der Trasse«, sagt Peggy Hochstätter auf dem Podium, zu dem das »Aktionsbündnis A 100 stoppen« eingeladen hat. Es findet direkt am Friedrichshainer Spreeufer im Club Magdalena statt. Einige Jahre saß das »nd« in dem Gebäude. »Wir argumentieren seit Jahren gegen die Autobahn«, sagt die sozialdemokratische Abgeordnetenhauskandidatin. Es ist keine Neuigkeit, dass die Landes-SPD in der Frage seit Jahren gespalten ist. Hochstätter hat jedoch den Eindruck, dass »immer mehr Menschen die Sinnhaftigkeit des Projekts in Frage stellen«. Trotzdem zeigt der Regierende Bürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Michael Müller in diesen Tagen vollen Einsatz für die Verlängerung der A 100 über Treptow hinaus bis nach Prenzlauer Berg. »Bis auf die CDU sind alle Parteien in der Bezirksverordnetenversammlung gegen den Weiterbau«, bestätigt die Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) Hochstätters Aussagen. Auch alle Stadträte des Bezirks seien dagegen. »Kontroversen gibt es da eigentlich nie«, sagt Hermann. Was das Wohnen an einer Autobahn bedeutet, kennt sie aus eigener Anschauung aus der Neuköllner Grenzallee. »Die Lebensqualität ist weg. Man kann nicht mehr die Fenster öffnen, telefonieren, schlafen.« 1999 konnte sie aber wegen der seinerzeit entspannten Wohnungssituation noch umziehen. Der Lichtenberger stellvertretende Bürgermeister Andreas Prüfer (LINKE) kann aus seinem Bezirk kein so eindeutiges Votum gegen die Autobahn vermelden, allerdings gab es im Bezirksparlament in den letzten sechs Jahren auch drei Beschlüsse, die sich gegen einen Weiterbau richteten. »Die Bewohner der Platte an der Wilhelm-Guddorf-Straße hätten die Autobahn auf Höhe des vierten Stocks«, sagt er. Man denke intensiv über ein bezirkliches Bürgerbegehren gegen die »Planungen aus dem vorigen Jahrhundert« nach. LINKEN-Verkehrsexperte Harald Wolf spricht von einem »stadtzerstörerischen Projekt«. »Am Besten wäre in der Tat ein Abschluss der A 100 an der Sonnenallee«, sagt er. Damit würde ein Teil der bereits im Bau befindlichen Strecke nicht realisiert. »Die Entscheidung über den Weiterbau ist «ein Lackmustest, ob die Verkehrswende ernst gemeint ist», sagt der ehemalige Wirtschaftssenator der LINKEN. Fabio Reinhardt von der Piratenfraktion freut sich, dass «vier Parteien aus zwei Bezirken» gegen das Projekt sind. «Ich will nicht nur keinen Baubeginn in den nächsten fünf Jahren, sondern auch kein Planfeststellungsverfahren.» Auch der im Bau befindliche Abschnitt sollte hinterfragt werden. «Die freiwerdenden Flächen können für mehr Grün und preiswerten Wohnraum genutzt werden.» Harald Moritz von den Grünen erinnert daran, dass der Senat lieber Geld für Gerichtsverfahren ausgibt, als den Mietern der Beermannstraße, deren Häuser für den Straßenbau abgerissen wurden, Entschädigungen zu zahlen. Statt für die Autobahnverlängerung würde er die Bundesmillionen lieber in die Reaktivierung von Bahnstrecken stecken. Er ist deutlich irritiert von Michael Müllers Kampf für den Weiterbau der A 100. «Wenn Müller das in einer Koalition mit CDU und FDP durchziehen will, dann weiß ich nicht, was von der SPD danach noch übrigbleibt.» «Klug ist etwas anderes», kommentiert Harald Wolf. Aller Voraussicht nach werde eine in der Frage gespaltene Partei - die SPD - mit zwei Parteien mit klaren Positionen, LINKE und Grüne, in Koalitionsverhandlungen gehen.
Nicolas Šustr
Landesweit sprechen sich LINKE, Grüne und Piraten gegen weitere Autobahnkilometer aus. Doch auch die Bezirks-SPD steht in dem Punkt nicht hinter Michael Müller. So bleibt die CDU mit ihren Plänen alleine.
A 100, Berlin, CDU, SPD
Hauptstadtregion
Berlin
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Grüne sehen Spannungen mit radikalen Klima-Aktivisten gelassen
Berlin. Immer wieder ist den Grünen in den vergangenen Monaten von Umwelt- und Klimaaktivisten vorgeworfen worden, nicht entschieden genug für den Schutz der Natur und die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad einzutreten. In mehreren Bundesländern haben sich sogenannte Klimalisten gebildet, die auch bei anstehenden Landtagswahlen den Grünen Konkurrenz machen wollen. Der Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, Oliver Krischer, sieht diese Konflikte jedoch gelassen. «Sorgen macht mir das insofern keine, weil ich heilfroh darüber bin, dass wir diese Bewegung haben und gerade die jungen Leute da unterwegs sind», sagte Krischer der Nachrichtenagentur AFP. «Das hat in den vergangenen zwei Jahren unglaublich viel Bewegung reingebracht, und die können auch stolz darauf sein, was sie erreicht haben.» Auch sei es ja richtig, dass das Erreichte «bei Weitem noch nicht genug ist» und «dass da eine Menge noch zu tun ist.» Krischer verwies jedoch auf den Unterschied zwischen Parteien und politischen Bewegungen. «Unsere Aufgabe ist, dass wir nicht nur das Problem benennen, nicht nur sagen, wo wir hin müssen, sondern dass wir auch den Weg beschreiben», gab er zu bedenken. Das habe die Grünen immer ausgezeichnet. Und bestimmte Dinge bräuchten eigentlich auch Zeit. «Dann nützt es nichts, dass Sie einfach die radikale Forderung der Bewegung kopieren, auch wenn sie völlig berechtigt ist.» Als Beispiel nannte Krischer den Konflikt um die Rodung des Dannenröder Waldes für den Bau der Autobahn A49. Hier müsse der hessische Grünen-Verkehrsminister Tarek Al-Wazir «etwas umsetzen, was er selber jahrzehntelang bekämpft hat». Es wäre generell sehr einfach, als Grüne zu sagen, «was ist das radikalste Ziel, juhu das machen wir». Lasse sich das dann aber nicht in der Gesellschaft umsetzen, dann würden die Grünen «auch bei der Bundestagswahl Schiffbruch erleiden». Eine Partei habe immer «auch die Aufgabe, dass sie den Menschen konkret erklären kann, wie man bestimmte Ziele erreichen will, betonte Krischer. »Da ist eine Bewegung anders, eine Bewegung muss das Ziel benennen, muss das einfordern, muss Druck machen.« »Da scheinen manche in der Bewegung das vielleicht auch zu verwechseln und nicht auch die Rollenteilung an der Stelle klar zu sehen.« Das mache Diskussionen manchmal schwieriger, doch aus Sicht der Grünen sei das Ziel klar, »und da trennt uns auch gar nichts von den Bewegungen, dass das Pariser Abkommen für uns die Grundlage unseres Handelns ist«, hob der Grünen-Politiker hervor. Deutlich mehr Ehrgeiz, bitte! HEISSE ZEITEN - Die Klimakolumne: Fünf Jahre nach dem Pariser Klima-Abkommen geht das Ringen um die Begrenzung der Erderwärmung weiter, meint Olaf Bandt. Ebenso sei es jedoch wichtig, sich nicht nur auf Fernziele zu konzentrieren, »was wird möglicherweise 2050 sein«, sondern »dass wir gucken, was müssen wir jetzt in den nächsten drei, vier Jahren machen«. Dies sei derzeit die eigentliche Herausforderung, »dass wir endlich mal aus der Ziel-Diskussion herauskommen, dass wir ins Handeln reinkommen, weil hier in der Zeit der großen Koalition viel zu wenig passiert ist.« Krischer äußerte sich überzeugt, dass dies auch viele Aktivistinnen und Aktivisten in der Umwelt- und Klimabewegung so sehen würden. Natürlich gebe es dort auch Menschen, »die lieber die bekämpfen, die ihnen am nächsten stehen als die, die das Problem darstellen«. Die meisten würden aber erkennen, dass beim Klimaschutz »die Grünen die Partei sind, die da für die Umsetzung steht«. AFP/nd
Redaktion nd-aktuell.de
Immer wieder wird den Grünen von Umwelt- und Klimaaktivisten vorgeworfen, nicht entschieden genug für den Klimaschutz einzutreten. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer entgegnet: Es ist komplizierter.
Dannenröder Forst, Die Grünen, Klimabewegung, Klimaliste, Klimaschutz
Politik & Ökonomie
Politik Klimalisten
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1146174.gruene-sehen-spannungen-mit-radikalen-klima-aktivisten-gelassen.html
36 Tote bei Massenpanik in Shanghai
Update 9.55 Uhr: Die Zahl der Toten nach der Massenpanik am Silvesterabend in Shanghai ist auf 36 gestiegen. 47 Menschen wurden verletzt. 13 von ihnen hätten schwere Verletzungen und seien noch nicht außer Lebensgefahr, meldete die Nachrichtenagentur China News am Donnerstag nach einem Krisentreffen der Stadtregierung. Viele Shanghaier legten am Neujahrstag spontan Blumen am Unglücksort am Bund, der Uferpromenade der ostchinesischen Hafenmetropole, nieder. Unter den Toten sind 25 Frauen und 11 Männer. Ihr Alter wurde in Staatsmedien mit 16 bis 36 Jahren angegeben. Shanghai. Bei einer Massenpanik sind am Silvesterabend in Shanghai 35 Menschen ums Leben gekommen. 48 wurden verletzt, wie die Behörden der ostchinesischen Hafenmetropole in der Nacht zum Donnerstag mitteilten. Die Katastrophe begann 25 Minuten vor dem Jahreswechsel um Mitternacht Ortszeit auf dem von ... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Die Menschen stürzen übereinander, werden eingequetscht und niedergetrampelt: Die Silvesterfeier in Shanghai endet in einer Massenpanik. Auslöser sind nachgemachte Geldscheine, die US-Dollar-Noten ähneln.
China, Shanghai, Silvester, Unglück
Politik & Ökonomie
Politik
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Saurer Hering bei der NPD
22. Februar, Kulturhalle in Völklingen - die NPD Saar lädt ein zum Politischen Aschermittwoch. Eintritt frei. Wer zwei Euro berappt, kann Hering essen. Hering bei der NPD? Ist nicht jedermanns Sache. Und so fragt in Facebook ein Sascha Wagner: »Gibt es auch was anderes wie Fisch?« Klar gibt es das. Da kann man auch Frank Franz, den Landesvorsitzenden und Pressesprecher der Bundes-NPD hören, der Udo Pastörs, den Fraktionschef der NPD aus Mecklenburg-Vorpommern, als Gastredner ansagen wird. Der Auftritt in einer Stadt, in der ein ganzer Stadtteil nach dem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilten Wehrwirtschaftsführer Hermann Röchling benannt ist, wird Pastörs gefallen. Er braucht Seelenmassage, denn in seinem hohen Norden wird er als »Klappspaten« verspottet und im Schweriner Landtag hört keiner hin, wenn er zu seinen Tiraden anhebt. Kurzum, Sascha Wagner, der im Bundesvorstand der Jungen Nationaldemokraten sitzt, in der sächsischen NPD-Fraktion arbeitet und Vizechef der NPD Rheinland-Pfalz ist, braucht keine Sorge zu haben, dass ihm etwas serviert wird, das nicht nach seinem Geschmack ist. Andere finden das angekündigte Menü (mit Verlaub) »zum Kotzen«. Und so haben Einwohner der Stadt dem Oberbürgermeister Klaus Lorig mehrfach zu verstehen gegeben, dass sie auch in der »närrischen Zeit« nicht tatenlos zuschauen wollen, wenn die NPD, die den ideologischen Boden für Nazi-Terrorzellen bereitet, Wahlkampf macht. Womöglich erinnert sich der Oberbürgermeister ja an seine hehren Worte, als er mit Bürgern der Stadt das Projekt »Stolpersteine« initiierte. Angeregt durch die bereits in vielen saarländischen Städten und Gemeinden verlegten Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunther Demnig wollte man solche auch in Völklingen auf den Weg bringen, um so den Blick auf die Opfer des Hitlerfaschismus zu lenken und sie zu ehren. Bei der Vorstellung des Projekts nannte Oberbürgermeister Lorig das Vorhaben eine »Aktion gegen das Vergessen«. NPD-Franz dagegen tönt, es sei ihm »völlig unverständlich«, dass Völklingen, das an allen Ecken und Enden sparen müsse, solch einen Firlefanz finanziert. »Es kann doch nicht angehen, dass jeder den Anspruch erhebt, für seine Gedenkidee Jubel zu ernten. Uns soll schon jetzt an jeder Ecke eingetrichtert werden, wir seien ein böswilliges Tätervolk. Da brauchen wir beim besten Willen nicht auch noch Stolpersteine.« Der »widerständige« OB teilte inzwischen mit, dass es an besagtem Aschermittwoch in der Kulturhalle keinen Hausmeister gebe. Ist das schon Widerstand oder noch nur Alibi?
René Heilig
Während Rechtsextremisten in Sachsen und Thüringen inzwischen Kneipen heimlich kaufen müssen, um ihre Treffen zu organisieren, nutzt die NPD Saar die Kulturhalle Völklingen für ihren Wahlkampf-Aschermittwoch.
NPD, Rechtsterrorismus, Saarland
Politik & Ökonomie
Politik
https://www.nd-aktuell.de//artikel/218419.saurer-hering-bei-der-npd.html
Deutschland hofft auf mehr Abschiebungen in Türkei
Deutschland erwartet nach ersten neu ausgehandelten Ausweisungen türkischer Staatsbürger*innen in die Türkei weitere Abschiebungen. Die Bundesregierung sei fortlaufend auch mit der Türkei über migrationspolitische Themen im Gespräch – »auch im Bereich Rückführungskooperation«, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Am Freitag war bekanntgeworden, dass Deutschland neu ausgehandelte Abschiebungen in die Türkei begonnen hat. Vorerst sollen insgesamt 200 Türk*innen in die Türkei gebracht werden. Dabei geht es um Ausreisepflichtige. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ließ Medienberichte über massenhafte Ausweisungen allerdings umgehend dementieren. Erdoğans Kommunikationsdirektorat stellte auf der Plattform X klar, es gebe keine Einigung mit der Bundesregierung, wonach jede Woche 500 ausreisepflichtige türkische Staatsbürger*innen in die Türkei ausgeflogen werden sollten. So hatte es die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) unter Berufung auf »Regierungskreise« am Freitag gemeldet. Demnach habe die Türkei angeboten, bis zu 500 Abgeschobene pro Woche aus Deutschland zurückzunehmen. Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen. Ein Sprecher des türkischen Außenministeriums unterstrich hingegen, man habe keine solchen Massenabschiebungen genehmigt. Das Thema sei auch nicht wie von der »FAZ« berichtet bei einem Treffen zwischen Erdoğan und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 23. September in New York auf der Agenda gewesen, sagte der Sprecher Öncü Keçeli. Als Reaktion auf diese Äußerungen sagte der Sprecher von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der Deutschen Presse-Agentur auch: »Die Bundesregierung spricht intensiv mit Herkunftsländern über die Verbesserung der Rückkehrkooperation.« Die Türkei sei ein sehr wichtiger Partner Deutschlands in all diesen Fragen. Angesichts der generellen diplomatischen Bedeutung solcher Verhandlungen bat der Sprecher aber um Verständnis, »dass Details dieser Gespräche vertraulich sind«. »Wir haben jetzt erreicht, dass Rückführungen in die Türkei schneller und effektiver erfolgen können und die Türkei Staatsbürger*innen, die nicht in Deutschland bleiben dürfen, schneller zurücknimmt«, sagte Faeser den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Ob die Einigung nun auch Zugeständnisse an Ankara beinhaltetet, war zunächst unklar. Die Türkei pocht seit Langem auf Visa-Erleichterungen für ihre Staatsbürger*innen. Allerdings wurden im Zeitraum 2018 bis 2023 nur für Menschen aus China mehr Visa erteilt, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde. Allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres hat Deutschland fast 16 000 nationale Visa für türkische Antragsteller*innen ausgestellt. 2019 waren es im gleichen Zeitraum weniger als die Hälfte. Abschiebungen sind oft umstritten – auch in die Türkei. Auf der Liste der wichtigsten Herkunftsländer von Asylsuchenden belegt das Land in Deutschland aktuell den dritten Platz. In den ersten acht Monaten dieses Jahres stellten 21 590 türkische Staatsbürger in Deutschland einen Asylantrag. Dass jetzt mehr Menschen aus der Türkei kommen, hat nach Einschätzung von Asylexpert*innen auch mit den Folgen des verheerenden Erdbebens von 2023 zu tun. Die Regierung in Ankara steht aber auch wegen der Menschenrechtslage und des harschen Vorgehens gegen politische Gegner in der Kritik. Laut Pro Asyl sind die meisten türkischen Asylsuchenden in Deutschland Kurd*innen. »Die drohende Abschiebung von mehreren tausend Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft ist die zur konkreten Politik gewordene Parole ›Türken raus‹«, sagt dazu der Münchener Kommunikationswissenschaftler und Aktivist Kerem Schamberger dem »nd«. Betroffen seien dabei überwiegend Kurd*innen, die vor wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und politischer Verfolgung aus ihrer Heimat fliehen mussten. »Ihre Verdienste im Kampf gegen islamistischen Terror in Syrien als auch in der Türkei scheinen längst vergessen«, erinnert Schamberger. dpa/nd
Redaktion nd-aktuell.de
Schiebt Deutschland nun mehr Türk*innen in ihr Herkunftsland ab oder nicht? Aussagen aus Berlin und Ankara scheinen sich zu widersprechen. Leidtragende sind in jedem Fall kurdische Asylsuchende.
Asylpolitik, Flüchtlinge, Medienkritik, Türkei
Politik & Ökonomie
Politik Angeblicher Abschiebe-Deal
2024-09-29T14:24:21+0200
2024-09-29T14:24:21+0200
2024-09-30T14:17:12+0200
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1185623.deutschland-hofft-auf-mehr-abschiebungen-in-tuerkei.html
Selbstbestimmt und selbstvertreten
Steffi will selbst bestimmen, was sie anzieht. »Ich entscheide für mich, das ist Selbstvertretung«, erklärt die Trickfilmfigur und beeindruckt damit ihren Kumpel Max, der dazu meint: »Toll, ich traue mich oft nicht.« Deshalb lädt Steffi Max ein und zeigt ihm die Möglichkeiten, wo man seine Meinung sagen und zeigen kann, was man gern möchte: zu Hause, auf der Arbeit, überall. Dass Steffi und Max zwei Menschen mit Behinderungen darstellen, wird erst auf den zweiten oder dritten Blick deutlich. Der vierminütige Erklärfilm »Meine Stimme zählt«, den die Berliner Lebenshilfe zusammen mit der Aktion Mensch zum diesjährigen Tag der Menschen mit Behinderung auf ihrem Youtube-Kanal veröffentlicht hat, soll denen Mut machen, die vielleicht oft denken: Mir hört niemand zu. Er soll Mut machen, seine Stimme zu erheben und seine Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Gerade Menschen mit Behinderungen oder Einschränkungen machen trotz des jahrzehntelangen Kampfes um Selbstbestimmung und Gleichbehandlung wiederkehrende Erfahrungen von Diskriminierung. Dazu kann auch gehören, nicht gehört zu werden, wenn man die eigenen Wünsche formuliert. Denn Selbstvertretung heißt: Das will ich. Der Film erklärt nicht, wie behinderte Menschen »ticken«, er erklärt ihnen, dass sie sich nicht von denjenigen ohne Einschränkungen sagen lassen sollen, was ihre Bedürfnisse sind. Aber auch untereinander müssen Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, sich artikulieren dürfen. Deshalb begleitet Steffi Max auf der »Straße der leichten Sprache« zu seiner Wohngemeinschaft und steht ihm dabei zur Seite, einen großen Wunsch auszusprechen - was er sich bis dahin nicht getraut hat. Eine Situation, die vielen bekannt vorkommt? Aus diesem Grund ist der kleine Film auch lehrreich für alle. Dass es für Menschen mit Behinderung nicht um Sonderrechte geht, erklärt auch Dagmar Pohle (Linke), Bezirksbürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf: »Wir alle haben das Bedürfnis nach geeignetem Wohnraum, nach Bildung, nach einem sinnvollen und ausreichend gut bezahlten Job, möchten vielleicht gerne in einem der zahlreichen Vereine Sport treiben und unseren Alltag nach unseren eigenen, selbstbestimmten Vorstellungen gestalten«, heißt es in einer Mitteilung der Bezirksbürgermeisterin zum 3. Dezember. Besonders sei daran nichts. Besonders sei es vielmehr, dass alltägliche Dinge, die für Menschen ohne Behinderung selbstverständlich sind, von Menschen mit Behinderung auch elf Jahre nach Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention noch erkämpft werden müssten. In Marzahn-Hellersdorf wird mit dem Bezirksbeirat für Menschen mit Behinderung ein Aktions- und Maßnahmenplan erarbeitet, der diese Situation langfristig verbessern soll. Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie sind solche Vorhaben unter anderem dadurch erschwert, dass Menschen mit Behinderungen zu Covid-19-Risikogruppen gehören oder andere Einschränkungen dazu führen, sich in einer von Unsicherheit geprägten Situation eher zurückzuziehen als andere. Darauf wiesen Verbände bereits zu Beginn der Coronakrise hin. Diese Erfahrung macht auch Lina Gühne, Leiterin beim Projekt »Jobbrücke« vom Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Etwa 30 Berufstätige beraten hier ehrenamtlich Menschen mit Einschränkungen bei Bewerbungsstrategien und der grundlegenden Orientierung auf dem Arbeitsmarkt. An sich sei das ein »kleines, aber feines Nischenprojekt«, erklärt Gühne dem »nd«, in dem »kostbare Spezialerfahrung« entstehe. Aber es einfach auf digital umzustellen, sei gar nicht so einfach, erzählt sie weiter: »Wer auch sonst scheu ist oder an einer seelischen Erkrankung leidet, für den ist es schwer, wenn er sich im direkten Gespräch nicht mal mehr an einer Tasse Kaffee festhalten kann.« Für viele Menschen sei die Zeit sehr hart und auch im Projekt habe sie einige Beratungsnehmer*innen bereits »verloren«, meint die Diakonie-Mitarbeiterin. Es braucht in der Pandemie Sensibilität für Menschen mit Einschränkungen, zum Beispiel auch, weil sie aufgrund von Sehbehinderungen Abstand nicht einhalten können oder auch Hinweise übersehen, ganz abgesehen von Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen, die mit einer Mundnasenbedeckung nur sehr schlecht Luft bekämen. Darauf verwiesen haben die Landesbehindertenbeauftragte Christine Braunert-Rümenapf und Niels Busch-Petersen, Leiter des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, in einem Brief an die Betriebe des Berliner Einzelhandels bereits im August.
Claudia Krieg
Am 3. Dezember ist der internationale Tag der Menschen mit Behinderung. Viele von ihnen kämpfen auch in diesem Jahr der Pandemie vor allem für Mitbestimmung und Teilhabe.
Berlin
Hauptstadtregion
Berlin Menschen mit Behinderungen
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1145248.menschen-mit-behinderungen-selbstbestimmt-und-selbstvertreten.html
CDU will Flüchtlinge zu Dauerpraktikanten machen
Bis zum Montagnachmittag sah es danach aus, als sollte die Große Koalition auf einen großen neuen Konflikt in der Flüchtlingspolitik zusteuern. Anlass hierfür war die Forderung der CDU, Schutzsuchende zeitweise vom Mindestlohn auszunehmen. Diese sollten grundsätzlich erst nach sechs Monaten ihrer Beschäftigung das gesetzlich vorgeschriebene Gehalt von mindestens 8,50 Euro in der Stunde erhalten. Diese Regelung gilt auch für frühere Langzeitarbeitslose. Doch in der Vorstandssitzung schwächte die CDU ihre ursprüngliche Forderung ab. Dort hatten vor allem christdemokratische Sozialpolitiker Bedenken geäußert. Letztlich einigten sich die Konservativen auf die Formulierung, dass für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge die Praktikumszeiten, bei denen vom Mindestlohn abgewichen werden kann, auf mindestens sechs Monate verlängert werden sollen. Bereits jetzt können Unternehmer vielen Praktikanten, deren freiwilliges Praktikum nicht läng... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Aert van Riel
Nach Kritik aus der SPD und in den eigenen Reihen hat die CDU ihr Vorhaben abgeschwächt, den Mindestlohn für Flüchtlinge einzuschränken.
Asylpolitik, CDU, Flüchtlinge, Integration, Löhne, Mindestlohn, SPD
Politik & Ökonomie
Politik
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Ex-Linke-Politiker Schlüsselburg wechselt zur Berliner SPD
Sebastian Schlüsselburg, langjähriger justizpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, wechselt zu SPD. Nach nd-Informationen hat Torsten Schneider, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, die übrigen Mitglieder zu Beginn der Fraktionssitzung am Dienstagnachmittag über den Fraktionswechsel und den Parteibeitritt des 41-jährigen Juristen Schlüsselburg informiert. Wie der RBB berichtet, werden noch mehrere ehemalige Politiker der Linkspartei in die SPD wechseln. Die Linkfraktion Berlin teilt mit, dass Schlüsselburg aus der Fraktion ausgeschlossen wurde, nachdem man erfahren habe, dass dieser seinen Übertritt zur SPD bekannt geben wolle. »Der Vorstand der Fraktion Die Linke hat für die heutige Fraktionssitzung den Antrag auf Ausschluss des Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg gestellt«, heißt es von den Fraktionsvorsitzenden Anne Helm und Tobias Schulze. Schlüsselburg habe seinen Austritt aus der Fraktion erklärt. Die Linke forderte ihn erneut dazu auf, sein Mandat zurückzugeben. Schlüsselburg war Ende Oktober 2024 schon aus der Linken ausgetreten, allerdings als parteiloses Mitglied in der Fraktion verblieben. Auslöser waren Auseinandersetzungen auf dem Parteitag der Berliner Linken zum Umgang mit Antisemitismus. Gemeinsam mit Schlüsselburg waren damals auch die prominenten Parteimitglieder Klaus Lederer, Elke Breitenbach, Sebastian Scheel und Carsten Schatz ausgetreten. Wie der RBB mitteilt, wechseln diese nicht zur SPD. Schlüsselburg ist seit 2016 im Abgeordnetenhaus und hatte erst vor wenigen Monaten die wichtige Rolle des finanzpolitischen Sprechers der Linksfraktion übernommen. Mit seinem Wechsel schrumpft die Linksfraktion auf 20 Mandate. Die mitregierende SPD zählt nun 35 Mitglieder in ihrer Fraktion.
David Rojas Kienzle
Der ehemalige Linke-Politiker Sebastian Schlüsselburg wechselt zur SPD. Schlüsselburg war Ende Oktober 2024 aus der Partei ausgetreten, aber in der Fraktion verblieben.
Berlin, Die Linke, SPD
Hauptstadtregion
Berlin Linkspartei
2025-01-14T16:47:47+0100
2025-01-14T16:47:47+0100
2025-01-14T18:37:20+0100
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Machtgierig
An bedachter Rhetorik fehlt es den Putschisten in Niger nicht: Unser Ziel ist es, die Demokratie wieder herzustellen und die Bevölkerung vor »Armut, Betrug und Korruption« zu schützen. Diese Ziele dürften von einer großen Mehrheit der verarmten Nigrer geteilt werden. Ob ausgerechnet eine Militärjunta sie verwirklichen wird, ist indes mehr als fraglich. Unstrittig ist hingegen, dass der 1938 im Département Diffa im Osten des Nigers geborene Langzeitpräsident Mamadou Tandja einiges getan hat, um die formale Demokratie des Landes, die Anfang der 90er Jahre mit einem Mehrparteiensystem ihren Ausgang nahm, zu untergraben. Tandja, der es im Militär bis zum Oberstleutnant br... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Martin Ling
Mamadou Tandja - der Staatspräsident Nigers wurde weggeputscht
Macht, Nigeria
Politik & Ökonomie
Politik Personalien
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Castorf verlängert
(dpa). Der Vertrag des Intendanten der Berliner Volksbühne, Frank Castorf, wird um weitere drei Jahre bis zum Ende der Spielzeit 2015/16 verlängert. Dann wird Castorf 65 und will den Posten aufgeben. Er leitet die Volksbühne seit rund 20 Jahren. Castorf habe mit der Bühne Theatergeschichte geschrieben, teilte der für Kultur verantwortliche Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Montag mit. »Der Ruf des Hauses reic... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Frank Castorf, Regisseur, Volksbühne Berlin
Hauptstadtregion
Brandenburg
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DFB-Frauen wollen gegen Südkorea mit neuem Plan zu alten Zielen
Vielleicht musste es so kommen, dass nicht mal Brisbane bei der Erleuchtung der deutschen Fußballerinnen sofort mitspielt. Mag die lässige Millionenstadt an der australischen Ostküste stets mit ihren 300 Sonnentagen prahlen, hieß es am Mittwoch nicht »big, bold, beautiful«. Statt groß, keck und schön zu strahlen, verdunkelten dichte Regenwolken das Stadtzentrum, zu dem auch jenes Stadion gehört, in dem die DFB-Frauen an diesem Donnerstag ihr drittes Gruppenspiel der WM gegen Südkorea bestreiten. Aber: Sie bestimmen ja auch selbst ihre Aussichten für dieses Turnier, das bald in die entscheidende Phase geht. Siegen oder fliegen? Mit einem Erfolg wäre der Achtelfinaleinzug klar, für den Gruppensieg bräuchte es allerdings noch Hilfe durch die Marokkanerinnen im Parallelspiel gegen Kolumbien. Im schlimmsten Falle könnte eine Niederlage das Aus bedeuten. Das Schreckensszenario hat indes nur die Reiseabteilung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im Kopf, die längst alle Optionen abklopft. Der mal so logisch klingende Masterplan, sich als Erster der Gruppe H vor allem mit Spielen in Sydney den Traum vom dritten Stern in Down Under zu erfüllen, ist eigentlich schon in der Tonne gelandet. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat jedenfalls schon entspannter gewirkt als bei der Pressekonferenz vor dem dritten Match. Man habe die Dinge kritisch angesprochen, aber auch Vertrauen vermittelt: »Deshalb ist es nicht nötig, künstlich den Pausenclown zu spielen. Wir haben überwiegend gute Stimmung.« Sie hat viele Gespräche geführt, gerade auch mit ihrer Assistentin Britta Carlson, deren Einfluss in personellen Fragen nicht zu unterschätzen ist. Es braucht Veränderungen, um mehr Torchancen herauszuspielen. »Es ist klar, dass es Gedankenspiele gibt«, gab die Chefin zu. Gut möglich, dass mit Lea Schüller eine zweite Zielspielerin in der Offensive in die Startelf rückt, um die Größenvorteile gegen die Asiatinnen auszuspielen. Alexandra Popp würde sich dann tiefer fallen lassen, was die Kapitänin vom VfL Wolfsburg zur Genüge kennt. Lina Magull, die auch beim FC Bayern in der Endphase der Saison überspielt wirkte, bekäme eine Verschnaufpause. Und dazu feiert Abwehrchefin Marina Hegering endlich ihr Debüt bei dieser Endrunde. Voss-Tecklenburg hielt allgemein fest: »Wir bleiben bei uns. Wir gewinnen zusammen, wir verlieren zusammen, und wir gehen die nächsten Schritte zusammen.« Die 55-Jährigen hatte zwar immer vor den Gegnern gewarnt, aber im Gegensatz zu Gruppen mit Spanien und Japan, USA und Niederlande oder England und Dänemark hatte Deutschland keinen echten Hochkaräter in Auckland zugelost bekommen. Ergo sollte in der Vorrunde dreimal Selbstvertrauen getankt werden. Mitfavorit Brasilien ist ausgeschieden. Das Team um Superstar Marta kam am Mittwoch in Melbourne nicht über ein 0:0 gegen die Fußballerinnen aus Jamaika hinaus. Damit ist Jamaika als Zweiter der Gruppe F ein möglicher Achtelfinalgegner der DFB-Frauen, die an diesem Donnerstag gegen die Südkoreanerinnen den Einzug in die K.-o-Runde perfekt machen wollen. Für die Jamaikanerinnen ist es bei einer Weltmeisterschaft der erste Einzug in die Runde der letzten 16. Im Parallelspiel setzten sich die Französinnen in Sydney nach einem holprigen Start sicher mit 6:3 (4:1) gegen Panama durch und sicherte vor den Gruppensieg. Die erste Überraschung des WM-Tages gab es zuvor in Wellington. Südafrikas Fußballerinnen schossen gegen Italien ins Achtelfinale: Durch den 3:2 (1:1)-Sieg beendeten sie die Gruppe G mit vier Punkten auf Rang zwei und treffen am Sonntag im Achtelfinale auf die Niederlande. Nach der Niederlage verkündete Italiens Trainerin Milena Bertolini ihren Abschied. »Ich hoffe, dass ich im Frauenfußball in Italien ein Erbe hinterlasse«, sagte die 57-Jährige nach sechs Jahren im Amt. Gruppensieger wurden nach einem 2:0 gegen Argentinien die Schwedinnen, die am Sonntag im Achtelfinale auf Titelverteidiger USA treffen. Agenturen/nd Die DFB-Frauen haben sich in der Gruppe H aber nun selbst früh in Bedrängnis gebracht. Torhüterin Merle Frohms räumte ein: Man merke, »dass viel Druck auf uns lastet«. Immerhin hat sie einige Vorderleute, die das in positive Energie ummünzen wollen. »Ich glaube, dass der Druck auch immer ein bisschen dazugehört, um seine Leistung abzurufen«, erklärte Mittelfeldchefin Lena Oberdorf und ergänzte: »Wenn man zu locker in ein Spiel geht, wird es auch nichts. K.o.-Spiele sind für uns nichts Neues. Nur fängt es ein Spiel früher damit an.« Unter dieser pragmatischen Prämisse wurde schon der Ausrutscher gegen Kolumbien eingeordnet. Doch war diese 1:2-Niederlage wirklich nur das? Oder Vorbote einer seit der EM in England zu beobachtenden Stagnation? Frische Gesichter bei der WM in Australien? Eigentlich Fehlanzeige. Chantal Hagel ist als Linksverteidigerin nur ein Notnagel, der auf dieser Position nicht ausgebildet ist; Sjoeke Nüsken muss auch im Hinblick auf die Anforderungen beim FC Chelsea in zentraler Abwehrposition dringend lernen, den Körper besser einzusetzen. Noch müssen Diskussionen über defizitäre Grundlagen nicht geführt werden – wenn Deutschland seiner klaren Favoritenrolle gegen die bislang punkt- und torlosen Südkoreanerinnen erfüllt. Deren Trainer Colin Bell – mit Voss-Tecklenburg hin und wieder im Whatsapp-Austausch – hat vor dem Aufeinandertreffen selbstbewusst mitgeteilt: »Lass dich überraschen, Martina!« Aber nur weil er in seinen Reihen mit der 16-jährigen Casey Phair ein in den USA ausgebildetes und viel beachtetes Talent aufbietet, muss ein zweifacher Weltmeister ja nicht gleich in Ehrfurcht erstarren. Auch die taktische Flexibilität des Gegners darf keine Rolle spielen. Vielleicht nehmen sich die deutschen Spielerinnen einfach an den Bewohnern der Ausrichterstadt der Olympischen Sommerspiele 2032 ein Beispiel. In Brisbane gibt es nach erstem Augenschein eine Menge junger, cooler Menschen, die das Leben gerne genießen. Weil sie wissen, dass schon nach einem schlechten Tag wieder die Sonne scheint. Es gibt von Flensburg bis Passau viele (neue) Fans, die sich einen solchen Umschwung auch für die DFB-Frauen wünschen. Ein Millionenpublikum wird zuschauen, ob die Erleuchtung gelingt.
Frank Hellmann, Brisbane
Problem erkannt: Die deutschen Fußballerinnen müssen torgefährlicher werden, um bei der WM ins Achtelfinale und vielleicht noch weiter zu kommen. Helfen soll dabei auch die lang vermisste Abwehrchefin.
DFB, Fußball, Südkorea
Sport
Sport Fußball-WM 2023
2023-08-02T17:51:02+0200
2023-08-02T17:51:02+0200
2023-08-04T09:19:12+0200
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1175238.fussball-wm-dfb-frauen-wollen-gegen-suedkorea-mit-neuem-plan-zu-alten-zielen.html
Sozialdemokraten verlieren in Dänemark
Der Jubel war groß bei der Rot-Grünen Einheitsliste, als die Stimmen ausgezählt waren in Kopenhagen: Die Partei wurde mit fast 25 Prozent die stärkste in der dänischen Hauptstadt. Fast 100 Jahre lang hielten die Sozialdemokraten die Spitzenposition, aber mit zehn Prozentpunkten Stimmenverluste und nur noch 17 Prozent Wähleranteil steckten sie bei der diesjährigen Kommunalwahl eine eklatante Niederlage ein. Nichtsdestotrotz werden sie weiter den Oberbürgermeisterposten einnehmen, da in der Wahlnacht die bürgerlichen Parteien sich für sie entschieden. Ihr Kalkül sind nicht herzliche Gefühle für eine Sozialdemokratin, sondern Schlimmeres abzuwehren in Form der Sieger von der Rot-Grünen Einheitsliste. Die neue Bürgermeisterin Sophie Hæstorp Andersen unterließ es klugerweise, allzu sehr in die Siegesfanfare zu stoßen und sprach in der Wahlnacht von Zusammenarbeit der Parteien zum Wohle aller Kopenhagener. Die linke Einheitsliste wird jedoch künftig zwei Ressortbürgermeister stellen. Ihr Erfolg beruht auf dem Widerstand gegen verschiedene Bauprojekte, die die grünen Lungen der Hauptstadt bedrohen, sowie gegen den geplanten Bau einer künstlichen Insel, die bis 2080 einen neuen Stadtteil beherbergen soll. Der Einheitsliste gelang es, andere unzufriedene linke und grüne Wähler aufzusaugen, während die Sozialdemokraten Stimmen an die bürgerlichen Parteien verloren, die insgesamt leicht gestärkt wurden, aber weiterhin die Opposition bilden. Der Grund der sozialdemokratischen Schlappe dürfte weniger der Rücktritt des früheren Oberbürgermeisters aufgrund von Anschuldigungen sexuellen Missbrauchs sein, sondern eher die politische Offensive der sozialdemokratischen Regierung, Stimmen in der Provinz zu fangen, in dem Kopenhagen und die größeren Städte als Zentren einer feinkulturellen Elite verunglimpft wurden. Auch wenn Aalborg, Århus und Odense weiterhin sozialdemokratisch regiert werden, geschieht dies auf geschwächter Basis. Auch hier gewannen die bürgerlichen Parteien hinzu. Die Sozialdemokraten verloren dagegen eine Reihe mittelgroßer Kommunen im Großraum Kopenhagen, die sie Jahrzehnte lang regiert hatten. Jeder einzelne Verlust ist schmerzhaft für das Selbstverständnis der Partei als führende Partei im kommunalen Bereich. Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat viel Stoff zum Nachdenken bekommen, wie die übergeordnete Linie der Partei aussehen soll. Während der Coronakrise schien es so, als ob sie allein die nächste Wahl gewinnen könnte, aber sowohl ihre als auch die Popularität ihrer Partei ist am Bröckeln. Ein anderer klarer Verlierer ist die rechte Dänische Volkspartei. Sie verlor die Hälfte ihrer Stimmen und erreichte nur noch rund vier Prozent der Stimmen. Es ist die vierte Wahlniederlage in Folge und ihr Vorsitzender ist inzwischen zurückgetreten. Der Flirt der Partei mit den Sozialdemokraten vor vier Jahren setzte eine scheinbar unaufhaltsame Abwärtsspirale in Gang, nur noch die treuesten Wähler sind übrig. Gleichzeitig zielt ihr rechter Konkurrent Neue Bürgerliche rechte Wähler an und gewann einen festen Fuß in einer Reihe Kommunen. Klarer bürgerlicher Gewinner ist besonders die Konservative Partei, die mit fast 16 Prozent ihr bestes Resultat seit 30 Jahren einfuhr. Sie gewann mehrere Bürgermeisterposten und zementierte ihre Stellung als diejenige bürgerliche Partei, die Wähler gewinnt, während die liberale Venstre-Partei, die traditionell größer ist als die Konservativen, weiterhin Anhänger verliert. Dies wird Bedeutung haben für die Wahl des bürgerlichen Herausforderers bei den nächsten Parlamentswahlen in spätestens zwei Jahren. Die bürgerlichen Parteien wittern Morgenluft und werden zielgerichtet sozialdemokratische Wähler anlocken wollen, während die Einheitsliste und die Volkssozialisten verschiedenen Analysen zufolge gegenwärtig an den Grenzen ihrer Anziehungskraft gestoßen sind.
Andreas Knudsen, Kopenhagen
Die Polemik der dänischen Sozialdemokraten gegen feingeistige Städte kam nicht gut an, die Partei verlor bei den Kommunalwahlen. Die linke Einheitsliste konnte nicht nur davon profitieren.
Dänemark, linke Parteien, Sozialdemokraten
Politik & Ökonomie
Politik Kommunalwahlen
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158746.kommunalwahlen-sozialdemokraten-verlieren-in-daenemark.html
Nichts zu gewinnen, viel zu verlieren
Die Linken in Europa haben an diesem historischen Donnerstag nichts zu gewinnen - aber viel zu verlieren. Eine Mehrheit für den Verbleib Großbritanniens würde zunächst einmal nichts am gegenwärtigen Status quo in der Europäischen Union zum Besseren wenden. Eine Mehrheit für den Brexit aber würde die Voraussetzungen für alle Bemühungen um einen grundlegenden Kurswechsel in der EU drastisch verschlechtern. Um nur ein Beispiel zu nennen: Würde es zu Neuverhandlungen der Beziehungen zwischen der Rest-EU und London kommen müssen, würde der Brüsseler Apparat auf absehbare Zeit im Modus von neoliberal durchwirkter Binnenmarktpolitik und Zugeständnissen an die »City« arbeiten. Und er würde unter dem Druck der Drohung rechter Kräfte auch in anderen Staaten Referenden abzuhalten, die EU noch weiter nach rechts verschieben. Der aggressive, vor allem um Einwanderung sich drehende Wahlkampf auf den Inseln hat dort den Rassismus befeuert und in Europa anderen rechten Kräften Rückenwind für nationalistische Propaganda und eigene Austrittsträume verschafft. In einem leidenschaftlichen Appell hat der in London lebende argentinische Schriftsteller Fernando Sdrigotti deshalb die gefährlichen Illusionen der Brexit-Linken kritisiert: Eine schwache britische Linke ist »nicht darauf vorbereitet, gegen die Kräfte zu kämpfen, die von einem Brexit gestärkt würden«. Was für Großbritannien gilt, ist für die Bundesrepublik und den Rest von Europa ebenso richtig. Richtig ist freilich auch, dass sich Illusionen über die bestehenden Chancen verbieten, bei einem »Remain« nun schnell und auf kurzem Wege zu einer anderen, besseren Europäischen Union vorzudringen. Seit dem finanzpolitischen Putsch des Austeritätsblocks in der EU gegen die SYRIZA-geführte Regierung in Griechenland steht nicht nur die Frage nach den politischen Spielräumen für linke einzelstaatliche Regierungen innerhalb eines institutionellen Geflechts, das alles andere als linken Imperativen folgt – sondern auch die Frage, wie eine europäische Linke die immer wieder beschworene »Neugründung« Europas eigentlich hinbekommen will. Die Veränderung der Kräfteverhältnisse ist keine Frage proeuropäischer Appelle. Der europäischen Linken täte ohnehin mehr selbstkritische Reflexion gut, wenn sie einmal wieder die europäische Idee beschwört. So richtig es ist, die angeblichen »Alternativen« zu einer europäischen Integration, also den Rückzug in nationale Vorgärten in Zeiten globalisierter kapitalistischer Ökonomie, deutlich zurückzuweisen, wäre es zugleich fatal, wenn daraus der Eindruck entsteht, man halte die real existierenden europäischen Verhältnisse schon für das Erreichbare. Einmal abgesehen davon, dass man sehr schnell ganz tief im Schlamm eines standortnationalistischen »Europäismus« steht - Motto: Ohne die EU hätten die einzelnen Staaten ökonomisch keine Chance gegen andere. Hierin lag auch ein für die Linken großes Problem während des Brexit-Wahlkampfes: Die Debatte über ökonomische Folgen eines EU-Austritts ist vor allem als eine Diskussion über standortnationalistische Vor- und Nachteile geführt worden: Was passiert mit »unseren« Konzernen, Banken und so fort? Klassenpolitische Fragen, die vom Interesse der europäischen Lohnabhängigen ausgehen, wurden zum Verschwinden gebracht: hinter »Wir«-Konstruktionen von »den Briten« oder »den Deutschen«. Mag sein, dass ein Teil der britischen Arbeiterklasse ein Brexit-Ja auch als Abrechnung mit dem System und der Regierung in London sehen möchte – aber die so denken, marschieren dabei im Gleichschritt mit denen, die seit Jahrzehnten die Gewerkschaften und die Rechte der Beschäftigten bekämpfen, deren Parole die der sozialen Spaltung ist. Angesichts dieser Tatsache ist auch zu erkennen, dass das Bemühen um eine radikale Veränderung der europäischen Kräfteverhältnisse generell krankt: Es fehlt eine überzeugende, linke Agenda, die über bloße EU-Beschwörungen hinausgeht. Über zum Beispiel eine europäische Sozialstaatlichkeit oder die realpolitische Umsetzung globaler sozialer Rechte ist ebenso selten debattiert worden wie über die Frage einer europäischen Ökonomie, die nicht vor allem im Dienste von Kapitalfraktionen steht, die vor allem in der Bundesregierung ihre politische Vertretung sehen. Apropos Berlin. Es ist sehr zu Recht darauf hingewiesen worden, dass ein Brexit die europäischen Kräfteverhältnisse noch weiter zugunsten Deutschlands verschieben würde, heißt: eine deutsche Hegemonie in der EU, die unter der Prämisse von neoliberaler Austerität steht, würde noch erdrückender. Eine deutsche Linke, die über den Ausgang des Referendums debattiert, kann daran nicht vorbeisehen – zumal es ihr schon im Falle Griechenlands nicht gelungen ist, politisch wirksam gegen das System Merkel-Schäuble zu intervenieren. Ein besseres Europa ist nichts, was in einem britischen Referendum beschlossen wird. Der Weg dorthin würde im Falle eines Brexits um so viel länger, beschwerlicher werden. Sigmar Gabriel, der jetzt einige verbale Dehnübungen nach links macht, verfehlt dabei nicht immer den Punkt: Egal, wie das Referendum ausgeht, ein »Weiter so« in der EU dürfe es nicht geben. Die Frage ist, wer und auf welche Weise einen Beitrag dazu leisten kann. Die Streiks in Frankreich, Belgien und anderswo, die anstehenden Neuwahlen in Spanien, die zarten Knospen einer Erneuerung sozialdemokratischer Parteien in Österreich und Großbritannien, die von Yanis Varoufakis ins Rollen gebrachte paneuropäische Bewegung über Ländergrenzen hinweg, die sozialen Proteste und die gelebte Solidarität mit Geflüchteten – hier liegen für die Linken die Chancen, sich Europa zurückzuholen.
Tom Strohschneider
Neoliberaler EU-Modus, wachsender Rassismus, Auftrieb für die Rechten, nationalistische »Wir«-Konstruktionen: Die Linken in Europa haben an diesem historischen Donnerstag (noch) nichts zu gewinnen - aber viel zu verlieren.
Brexit, EU, Europa, Großbritannien, linke Bewegung, linke Parteien
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Merkels Liebling
Die SPD hat sich dafür entschieden, dass Olaf Scholz während des Mitgliederentscheids über die Fortsetzung der Großen Koalition Parteivorsitzender sein wird. Andrea Nahles soll erst im April übernehmen. Für die Fraktionschefin ist es besser, dass sie nicht sofort kommissarisch zur Vorsitzenden ernannt worden ist. Sie entgeht somit unangenehmen Fragen zur Legitimität einer solchen Entscheidung. Scholz war bislang einer der Vizechefs. Nahles sitzt hingegen nicht einmal im Vorstand. Dass die Wahl auf den Hamburger Bürgermeister fiel, ist immerhin ehrlich. Er ist als Vizekanzler und Finanzminister im Gespräch, wenn es mit der Fortsetzung von Schwarz-Rot klappen sollte. Scholz ist der Prototyp des konservativen Sozialdemokraten. Eine wirkungsvolle soziale Umverteilung wird es mit ihm nicht geben. In Hamburg war Scholz bislang deswegen erfolgreich, weil er auch bürgerliche Schichten anspricht, denen es gefällt, wenn der Senat in der Innenpolitik hart vorgeht. Zudem spielt ihm die gute Wirtschaftslage in die Hände. Ob es auch klug ist, Scholz nach vorne zu schicken, ist aber fraglich. Es ist absehbar, dass er Merkels Liebling im neuen Kabinett werden würde. SPD-Mitgliedern, die an einer Erneuerung der Partei interessiert sind, dürfte es nun noch schwerer fallen, für den Koalitionsvertrag mit der Union zu stimmen.
Aert van Riel
Die SPD hat sich dafür entschieden, dass Olaf Scholz während des Mitgliederentscheids über die Fortsetzung der Großen Koalition Parteivorsitzender sein wird. Er ist der Prototyp des konservativen Sozialdemokraten.
Andrea Nahles, Hamburg, SPD
Meinung
Kommentare Olaf Scholz
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Guter Anfang
Der Deutsche Gewerkschaftsbund geht mit Optimismus ins neue Jahr. Der Mindestlohn, das Rentenpaket und die Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen sollen bald als Gesetzentwürfe vorliegen. Auch der Mitgliederschwund ist bei fünf der acht DGB-Gewerkschaften endlich gestoppt. Doch was gute Nachrichten für Millionen Beschäftigte sind, scheint verheerend für die Unternehmers... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Jörg Meyer über die politischen Erfolge des DGB
DGB
Meinung
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Drohende Kürzungen: Berlins Kulturszene wehrt sich
»Bitte nicht aufgeben« steht auf einer von vielen Postkarten, die am Mittwoch im Grips-Theater aufgehängt wurden. Das junge Publikum hat aufgeschrieben, was ihm die Aufführungen am Hansaplatz bedeuten. Seit 1969 unterhält das Kinder- und Jugendtheater in Moabit den Berliner Nachwuchs. Doch heute hat das Theater, wie auch viele andere Kultureinrichtungen in der Hauptstadt, seine Fenster mit rot-weißem Flatterband zugeklebt. Von leeren Regalen vor den Landesbibliotheken und unterbrochenen Theatervorstellungen bis hin zu einer spontanen Gesangseinlage des Ernst-Busch-Chors im nd-Gebäude: Der Protest gegen die geplanten Einsparungen im Kulturbereich zeigt sich am Mittwoch unter dem Motto »#BerlinistKultur« in ganz Berlin. Zehn Prozent ihres Budgets soll die Kulturverwaltung für das kommende Haushaltsjahr 2025 einsparen. Es wären zehn Prozent, die Einrichtungen wie dem Grips-Theater richtig weh tun. »Wir haben schon so mit den Kostensteigerungen genug zu kämpfen«, sagt Grips-Chef Philipp Harpain zu »nd«. Allein durch die Inflation hätten dem Theater in den vergangenen zwei Jahren rund 100 000 Euro weniger zur Verfügung gestanden. Der Gesamtetat des Theaters betrage etwas mehr als fünf Millionen Euro – für 425 Vorstellungen im Jahr. Den Werbe- und Produktionsetat habe das Theater bereits reduziert, sagt Harpain. »Jetzt müssen wir auch noch darüber reden, kostenintensive Vorstellungen aus dem Programm zu nehmen.« Erfolgreiche Stücke wie »Ab heute heißt du Sara«, das die Geschichte vom Überleben der deutsch-israelischen Journalistin Inge Deutschkron im Dritten Reich erzählt, stünden bereits zur Diskussion. Die Finanzierungslücke mithilfe der Eintrittspreise auszugleichen, würde laut Harpain eine Erhöhung von 100 Prozent bedeuten. »Eltern und Lehrer würden uns den Vogel zeigen. Wir haben jetzt schon Förderprogramme für Familien, die sich die Tickets nicht leisten können.« Genausowenig lasse sich an den Gehältern der Beschäftigten sparen, so Harpain. »Wir bewegen uns ohnehin schon am unteren Rand«, sagt der Grips-Leiter. »Leider hält sich hartnäckig das Vorurteil, dass man als Kinder- und Jugendtheater nicht so viel Geld braucht wie andere. Dabei arbeiten hier ja genauso Menschen, die bezahlt werden müssen.« Schon jetzt höre er von Kolleg*innen, die Spielpläne absagen, weil sie mit der fehlenden Planungssicherheit nicht umgehen können. Harpain macht für die aktuelle Lage nicht Kultursenator Joe Chialo verantworlich, schließlich kommen die Sparvorgaben aus der Finanzverwaltung. Er erwarte von dem CDU-Politiker allerdings, dass er energischer für die Belange Berliner Kulturschaffender eintritt als bisher. Dem Grips-Theater drohe im schlimmsten Fall sogar die Insolvenz. »Es kann nicht sein, dass der Senat dieses Haushaltschaos auf dem Rücken der Schwächsten austrägt.« Um rund drei Milliarden Euro muss der schwarz-rote Senat seinen 40,5 Milliarden Euro schweren Haushalt für 2025 kürzen, um pauschale Minderausgaben aufzulösen, die er zuvor selbst eingeplant hat. Jede Senatsverwaltung soll dazu ihren Beitrag leisten. Ausnahmen von den zehn Prozent, die der Senat bisher als einheitliche Sparvorgabe kommuniziert, sind bislang nicht bekannt. Im Kulturbereich entsprechen die Kürzungen etwa 120 Millionen Euro. Manuela Schmidt, kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, zeigt sich empört über die Haushaltspolitik der Großen Koalition. »Mit der Gießkanne zu agieren, ist eigentlich immer falsch«, sagt sie zu »nd«. »Es liegt in der Verantwortung der Politik, Schwerpunkte zu setzen.« Der Senat sei dazu verpflichtet, kulturelle Teilhabe und Bildung sicherzustellen. Zudem profitiere Berlin massiv von Tourist*innen, die gerade wegen der kleinteiligen Kulturszene ihren Weg in die Hauptstadt fänden. »Es kann nicht sein, dass der Senat dieses Haushaltschaos auf dem Rücken der Schwächsten austrägt«, kritisiert Schmidt. Die Pläne der Großen Koalition würden sogar den radikalen Sparkurs unter dem ehemaligen SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin übertreffen. »Zehn Prozent ist einfach irre für kleine Projekte, bei denen es jetzt schon vorne und hinten fehlt. Mit einer Premiere mehr oder weniger ist es da nicht getan.« Ex-Finanzsenator Daniel Wesener, der mittlerweile für die Berliner Grünen Kulturfinanzierungsexperte im Abgeordnetenhaus ist, bezweifelt, dass derartige Kürzungen überhaupt im Bereich des Machbaren liegen. »Egal ob bei großen Theatern oder kleineren Einrichtungen: Ein Großteil der Mittel ist langfristig gebunden«, erklärt Wesener »nd«. Dem ohnehin schon prekarisierten Fördersystem im Kulturbereich würde bei gleichmäßigen Kürzungen um zehn Prozent der Kollaps bevorstehen. Der Grünen-Abgeordnete fordert den Senat deshalb zur Entlastung der Szene auf. Gespräche mit Kulturschaffenden hätten ihm gezeigt: »Das Verständnis dafür, dass gespart werden muss, ist da.« Doch bei einem Etat, der 2,5 Prozent des Gesamthaushalts einnehme und von dem Berlin überproportional profitiere, stelle sich die Frage, ob man derartig hohe Ansprüche rechtfertigen könne. Aus der schwarz-roten Koalition kommen derweil selbstkritische Töne. »Natürlich hätte das alles besser kommuniziert werden müssen«, sagt Melanie Kühnemann-Grunow (SPD) zu »nd«. Die zehn Prozent seien »nicht in Stein gemeißelt« und werde es mit ihr nicht geben, beteuert die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Noch befinde sich die Koalition nicht in den Haushaltsberatungen. »Es wird verschiedene Runden mit dem Kultursenator geben müssen, in denen wir unsere No-Gos festlegen.«
Patrick Volknant
Durch die Haushaltspolitik des schwarz-roten Senats drohen Berlins Kulturschaffenden nachträgliche Kürzungen in Höhe von rund 120 Millionen Euro. Kleinere Einrichtungen fürchten sogar um ihre Existenz.
Berlin, Schwarz-Rot, Theater
Hauptstadtregion
Berlin #BerlinistKultur
2024-10-16T17:24:53+0200
2024-10-16T17:24:53+0200
2024-10-16T18:39:46+0200
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186070.berlinistkultur-drohende-kuerzungen-berlins-kulturszene-wehrt-sich.html?sstr=sparpolitik
Renaissance der Tarifverträge
Der Zufall wollte es, dass nur drei Tage nach Ihrer Wahl auch ein neuer Ministerpräsident in Sachsen gewählt wurde. Was erwarten Gewerkschafter von Michael Kretschmer? Wir hoffen auf eine andere Herangehensweise an Arbeitnehmerfragen als bei seinen Vorgängern. Kurt Biedenkopf brauchte uns nur, als es Anfang der 1990er darum ging, gegen die Treuhand um den Erhalt von Betrieben zu kämpfen; danach waren wir für ihn nicht mehr interessant. Georg Milbradt hatte gar kein Verhältnis zu uns, Stanislaw Tillich ein freundlich-distanziertes. Bei Themen wie Siemens oder der Fachkräfteentwicklung geht es aber nicht ohne Gewerkschaften. Michael Kretschmer scheint, auch durch seine Erfahrung als Abgeordneter in Berlin, eine andere Einstellung zu haben und zu wissen, dass Gewerkschaften ein Teil der sozialen Marktwirtschaft sind, auf den es Rücksicht zu nehmen gilt. Bei Siemens droht ein Kahlschlag; der Konzern will zwei Werke schließen - in Görlitz und Leipzig. Wie sehen Sie den Umstand, dass es ausgerechnet Ostdeutschland trifft? Ein verheerendes Signal, zumal Zahlen und Auftragslage beider Werke das nicht rechtfertigen. Ich halte es generell aber für schlimm, dass ein Konzern Werke schließt, nachdem er gerade Gewinne in Milliardenhöhe verkündet hat. In einer solchen Situation Massenentlassungen zu machen, sollte gesetzlich verboten werden. Von sozialer Verantwortung ist da nichts zu spüren. Die predigt man bei Siemens wohl nur in Hochglanzbroschüren. Was können Beschäftigte und Politik dagegen ausrichten? Welche Figur macht die Regierung? Wir nehmen erfreut zur Kenntnis, dass Kretschmer ein Treffen mit Siemens-Chef Joe Kaeser in München nicht nur als persönlichen Erfolg verkaufte, sondern den Druck von Betriebsräten und Gewerkschaften mit dafür verantwortlich gemacht hat, dass der Konzern jetzt zu Gesprächen bereit ist. Generell sind wir hoffnungsvoll, dass die Beschlüsse zur Schließung nicht endgültig sind. Es bewegt sich etwas, das merkt man. Dass der Vorstandsvorsitzende eines Weltkonzerns nach Görlitz kommt und sich der Belegschaft stellt, hatten wir so noch nicht. Wenn man den Druck aufrecht hält, kann es Lösungen geben, die Werke zu erhalten. Wäre eine Werksschließung gerade in Ostsachsen Wasser auf die Mühlen der dort starken AfD? Das steht zu befürchten. Es ist ja eine Region, die ohnehin das Gefühl hat, abgehängt zu sein, und in der die wirtschaftlichen Zahlen schlechter sind als in Leipzig oder Dresden. Wenn dort Leuchttürme wie Siemens oder Bombardier ins Wanken geraten, wird es schwierig. Es bedient die populistischen Argumentationen der AfD, obgleich sie ja keine eigenen Angebote hat jenseits unsinniger Vorwürfe an das Land, nicht genug Fördermittel gezahlt zu haben. Benachteiligt fühlen sich auch viele andere im Freistaat. Der Sachsen-Monitor 2017 zeigt, dass viele Menschen der Meinung sind, im Vergleich zu anderen im Land zu wenig abzubekommen. Ein nachvollziehbares Gefühl? Natürlich, wenn man sich beispielsweise die Löhne anschaut. Gerade dort, wo keine Tarifverträge gelten, liegen die Löhne manchmal 50 Prozent unter Westniveau. Ein Viertel der Beschäftigten in Sachsen bekommt nur den Mindestlohn, teils selbst in Industriebetrieben. Das Gefühl einer Lücke zum Westen ist da vollkommen verständlich. Durch den Mangel an Fachkräften entsteht zudem eine Kluft zwischen Neuen, die Kopfprämien und Zuschläge erhalten, und langjährigen Mitarbeitern, die den Betrieb über die Runden gebracht haben und nun erleben, wie junge Leute an ihnen vorbeiziehen. Das erzeugt Frust, aber zunehmend auch den Willen, einen Betriebsrat zu gründen und mit Unterstützung der Gewerkschaften einen Tarifvertrag durchzusetzen. Beides ist in Sachsen schwierig. Richtig. Jede dritte Gründung eines Betriebsrats wird behindert, durch Denunziation, Mobbing und juristische Schritte. Wir versuchen in solchen Fällen, Öffentlichkeit herzustellen, Politiker als Paten zu finden - was bei CDU-Politikern im Freistaat leider schwierig ist, obwohl Mitbestimmung für eine Volkspartei ein Anliegen sein sollte. Außerdem drängen wir auf Gesetzesänderungen; es sollte einen Kündigungsschutz geben für die, die sich aktiv um einen Betriebsrat bemühen. Wir wünschen uns generell, dass Betriebsräte und Tarifverträge nicht mehr als exotisch gelten, sondern als selbstverständlich. Was auch Tarifverträge im Freistaat aber nicht sind … In Sachsen sind 18 Prozent der Unternehmen tarifgebunden. Das sind zwei Prozentpunkte mehr als vor Jahren, liegt aber unter dem Durchschnitt selbst in Ostdeutschland. Damit sind 43 Prozent der Arbeitnehmer erfasst. Uns reicht das nicht. Wir erwarten auch Unterstützung der Politik. Die Wirtschaftsförderung honoriert inzwischen Tarifbindung, aber da muss noch mehr passieren, etwa durch ein Vergabegesetz, damit öffentliche Aufträge nicht mehr nur an den Billigsten gehen. Warum ist die Lage ausgerechnet in Sachsen so schwierig? Es gibt hier Arbeitgeberverbände wie Sachsenmetall, die Vorreiter in der Bundesrepublik waren in der Frage einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung. Man glaubte in vielen Unternehmen, sich auch ohne Tarifvertrag durch das Geschäftsleben mogeln zu können. Das wird in Zukunft aber nicht mehr funktionieren, weil Fachkräfte knapper werden und Beschäftigte andere Ansprüche haben. Es geht bei jungen Leuten zunehmend nicht mehr nur um Geld, sondern um Arbeitszeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Arbeit ist heute längst nicht mehr alles. Darauf werden sich Unternehmen einstellen müssen. Ich rechne durchaus mit einer Renaissance von Tarifverträgen. Führt die wachsende Bereitschaft, für Tarifverträge zu streiten, zu wachsenden Mitgliederzahlen in Gewerkschaften? Zumindest dazu, dass diese trotz sinkender Bevölkerungszahl stabil bleiben; derzeit sind es 275.000 im Freistaat. Zwar gehen viele langjährige Aktive in den Ruhestand, und es kommen weniger Junge in die Betriebe. Aber unter denen ist die Bereitschaft, Gewerkschaftsmitglied zu werden, immerhin deutlich höher als noch vor wenigen Jahren. Sie waren viele Jahre DGB-Vizechef im Freistaat und sind jetzt Vorsitzender. Was wird sich ändern? Es wird neue Akzente geben nicht wegen des personellen Wechsels, sondern wegen gesellschaftlicher Entwicklungen. Die DGB-Landesvorsitzenden in Ostdeutschland streben an, sich stärker um ostdeutsche Akzente in der Gewerkschaftspolitik zu kümmern. Wir haben das Gefühl, dass das in den letzten Jahren etwas zu kurz gekommen ist, und wollen deutlicher machen, dass die Bedingungen hier immer noch anders sind. Wie kann die wirtschaftliche Entwicklung im Osten insgesamt vorangebracht werden? Wie geht man mit Firmen um, die hier verlängerte Werkbänke unterhielten und sich nun in den Westen zurückziehen oder nach Osteuropa abwandern? Das sind Fragen, die sich in allen Ost-Bundesländern stellen, genauso wie die der niedrigeren Löhne und der Folgen für die Rente. Was halten Ihre DGB-Kollegen im Westen von der Idee? Ich bin gespannt. Im Zweifel müssen wir uns da durchsetzen. Ich kann aber auch sagen: So schlecht ist es um die Solidarität zwischen Ost und West nicht bestellt. Die Kollegen im Westen wissen ja, dass es für sie nichts bringt, wenn der Osten abgekoppelt bleibt, und es dann auch bei ihnen nicht vorangeht. Viele Themen, die uns beschäftigen, sind auch dort relevant. Das Verständnis dafür wollen wir noch etwas befördern.
Hendrik Lasch
Markus Schlimbach ist der neue Landesvorsitzende des DGB in Sachsen. Seine Position will er nutzen, um Ostthemen stärker zu betonen. Doch wie kann die wirtschaftliche Entwicklung im Osten insgesamt vorangebracht werden?
Betriebsrat, DGB, Ostdeutschland, Sachsen, Tarifpolitik
Politik & Ökonomie
Wirtschaft und Umwelt DGB Sachsen
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1074381.renaissance-der-tarifvertraege.html
Rentenpaket: Eine Kugel Sozialreform
Hinter Christian Lindner (FDP) möchte man sich nicht um ein Eis anstellen. Eigentlich hatte er sich schon am Weg zum Eisladen für Schokolade entschieden. Kurz vor der Ankunft erschien ihm die Sorte plötzlich nicht mehr hip genug. Jetzt blockiert er die Schlange vor dem Laden und nichts geht weiter. Und während man sich zu fragen beginnt, ob man selbst vielleicht gar kein Eis mehr bekommen wird, nimmt der kleine Christian schließlich doch Schoko. Langer Rede kurzer Sinn: Das Bundeskabinett hat nun doch das Rentenpaket beschlossen. Damit wird das Rentenniveau bei 48 Prozent gehalten und die Finanzierung erfolgt zum Teil über das Generationenkapital, finanziert über Anlagen auf dem Aktienmarkt. Das Rentenpaket, das Hubertus Heil (SPD) und Lindner bereits im März in exakt dieser Ausführung vorgestellt hatten, ist für Lindner nun »ein sehr gutes Verhandlungsergebnis«, für FDP-Fraktionschef Christian Dürr gar eine »Jahrhundertreform«. Noch vor einer Woche war die Reform von FDP-Fraktionären als unzureichend kritisiert worden. Die Belastung für die künftigen Generationen war ihnen zu hoch. Besonders witzig, da das Generationenkapital aus der Feder der FDP stammt. Warum hat sich Christian nicht gleich zur Schokolade bekannt? Vermutlich, weil auch die FDP keine Ahnung hat, wie Generationengerechtigkeit zu schaffen ist. Da kann sie noch so sehr im Rhythmus mit dem Arbeitgeberverband um eine Anhebung des Rentenantrittsalters trommeln. Besonders brisant: Der Bund nimmt für dieses FDP-Vorhaben Milliarden an Schulden auf, die nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Nicht nur hat der kleine Christian allen anderen ihr Eis verweigert – am Ende musste er sich für seine Kugel Taschengeld leihen.
Sarah Yolanda Koss
Hinter Christian Lindner (FDP) möchte man sich nicht um ein Eis anstellen. Das zeigt sich durch den Beschluss des Rentenpakets.
Bildungspolitik, FDP, Rentenpolitik, Verschuldung
Meinung
Kommentare Rente
2024-05-29T17:49:12+0200
2024-05-29T17:49:12+0200
2024-09-12T12:59:35+0200
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1182550.rente-rentenpaket-eine-kugel-sozialreform.html
Drei Tage in Köln
Gleich drei rechtsextrem oder antisemitisch motivierte Straftaten sind in den letzten Wochen in Köln bekannt geworden, davon zwei, die mit offener Gewalt einhergingen. Am 8. Oktober fand eine laut Polizeibericht »mutmaßlich ›rechte‹ Veranstaltung« in einer Gaststätte im Stadtteil Ehrenfeld statt. Dabei seien laut Polizei »50 - 60 Personen ... zeitweise auf die Straße getreten und sollen dort nach Aussagen von Zeugen durch volksverhetzende Parolen aufgefallen« sein. Mutmaßlich rechts? Das Thema der Saalveranstaltung lautete »Der nationale Sozialismus marschiert«. Es sprachen bekannte Kameraden wie Axel Reitz, der einschlägig JVA-erfahrene »Hitler von Köln«. Ausgelassene Stimmung habe bei den 100 Teilnehmern geherrscht, brüsten sich die »mutmaßlich« Rechten. Auch dank zweier »Liedermacher«. Drei Tage später, am 11. Oktober, randalierten »junge Männer« (Polizeibericht) der »rechten Szene« (Anführungsstriche im Original) nachts in der Kölner Altstadt. Sie versuchten, ein Straßenschild mit der Aufschrift »Judengasse« abzureißen. Als die Polizei kam, leisteten die »jungen Männer« erheblichen Widerstand: Schläge, Reizgas, mehrere verletzte Polizisten. Die Täter, zwischen 17 und 23 Jahre alt, stammen überwiegend aus Aachen, aber auch aus Köln und anderen Städten des Rheinlandes. Einer von ihnen filmte die Taten mit einem Handy – so kann man auch Beweismittel schaffen. Die Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruchs, Widerstand, Bedrohung, Beleidigung und versuchter Sachbeschädigung. Sie ließ die Täter aber wieder auf freien Fuß – »wegen Fehlens von Haftgründen«. Ein Aachener Neonazi kam unlängst in die Schlagzeilen, weil bei ihm explosives Material gefunden worden war. Die Kameradschaft Aachener-Land verkündet auf ihrer Webseite lapidar: »Wir befinden uns im Krieg.« Es könne »nur den totalen Sieg oder den totalen Untergang geben«. Zwei Tage darauf, am 13. Oktober, wurden drei jüdische Mädchen in einem Bus antisemitisch beleidigt, bespuckt und getreten. Es begann mit Judenwitzen, die 17 und 18 Jahre alten Opfer mischten sich ein. Zwischen 11 (!) und 15 Jahre alt sind die Tatverdächtigen. Das Neonazi-Forum Altermedia erklärte dazu, es sehe sich aus »rechtlichen Gründen« gezwungen, »die Reaktion der drei Jungen auf die Einmischung der drei Anne-Frank-Verschnitte für Arme nicht gutzuheißen«. Es sei jedoch nicht zu erkennen, was an der Tat »besonders verabscheuungswürdig« sei. Vielmehr handele sich »hier um ein Lehrbeispiel dafür, dass es auch jungen Damen eines Volkes, das sich für den Nabel der Welt hält, nicht zukommt, sich in fremde Gespräche einzumischen«. Kommentartoren schreiben dazu: »Wo kämen wir dahin, wenn ein paar jüdische Gören meinen, sich in Gespräche anderer einmischen zu dürfen!« Oder sie wettern gegen die »hebräischen Dirnen«, die gefälligst »pflichtgemäß ihren gelben Stern« tragen sollten. Kölns Polizei verdammt die Taten als »verabscheuungswürdig«. Einen Zusammenhang vermag sie indes nicht zu erkennen. Die Kölner LINKE sieht das anders. »Die Einschätzung der Kölner Polizei, es handele sich um isolierte Einzeltaten von kleinen Gruppen, verschleiert den Blick auf neofaschistische Strukturen in der Region«, erklärt Kreisvorstand Benjamin Wernigk. Es gelte, »aufzustehen und Neonazis entgegenzutreten«.
Marcus Meier, Köln
In Köln gibt es immer mehr Straftaten mit rechtsextremem oder antisemitischem Hintergrund. Die Neonazi-Szene ist begeistert. Die Polizei spricht von »mutmaßlich« rechten Tätern und kann keinen Zusammenhang zwischen den Verbrechen erkennen. Der Kölner LINKE-Vorstand Benjamin Wernigk betont, es handele sich nicht um isolierte Einzeltaten.
Rechtsextremismus
Politik & Ökonomie
Politik
https://www.nd-aktuell.de//artikel/182231.drei-tage-in-koeln.html
Direkt-Demokratische Republik
»Alle vier Jahre ein Kreuzchen machen ist doch nicht der Gipfelpunkt der Volksherrschaft«, meinte selbst Sigmar Gabriel und ergänzte in der »Bild am Sonntag«, dass Volksentscheide manchmal sogar der einzige Weg seien, »Politik aus ihrer Selbstblockade zu befreien.« Zwar hat sich die SPD für bundesweite Volksentscheide ausgesprochen, doch wenn es in den Ländern ernst wird, treten die Sozialdemokraten auch mal auf die Bremse. Wie in Hamburg, wo man sich 2013 gegen den Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze stellte. Bei der CDU hingegen ist die Sache eindeutig: Ohne Wenn und Aber ist man gegen Volksentscheide auf Bundesebene, folglich gibt es derzeit auch keine. In vielen Bundesländern hingegen gehören Volksbegehren zum politischen Alltag. Dies belegt der »Volksbegehrensbericht 2015«, den der Verein Mehr Demokratie am Donnerstag in Berlin vorstellte. Demnach wurden im Jahr 2014 bundesweit 12 neue direktdemokratische Verfahr... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Fabian Lambeck
Hamburg und Berlin sind bundesweite Spitzenreiter in Sachen direkte Demokratie. Aber auch die ostdeutschen Flächenländer erweisen sich hier besser als ihr Ruf.
Bürgerbeteiligung, direkte Demokratie
Politik & Ökonomie
Politik
https://www.nd-aktuell.de//artikel/964690.direkt-demokratische-republik.html
Neues Kohlekraftwerk geht am Wochenende ans Netz
Das Kohlekraftwerk «Datteln4» ist wohl das umstrittenste Energieprojekt, dass es derzeit in Deutschland gibt. Ein falscher Standort, Gerichtsprozesse, Anwohnerbeschwerden. Nur dass Eingreifen der Politik, machte die Fertigstellung des Kraftwerks möglich. Und dass es nun, im Jahr 2020, nachdem die Bundesrepublik eigentlich den Kohleausstieg beschlossen hatte, noch ans Netz gehen soll, betrachten Kohlekritiker als Beweis dafür, dass Deutschland es mit der Energiewende einfach nicht so ernst meint. Wann das Kohlekraftwerk, dass seit Monaten im Probebetrieb läuft, kommerziell ans Netz gehen soll, war unklar. Doch dann machte die Greenpeace-Klimaexpertin Lisa Göldner am Dienstagvormittag unter den Ad-hoc Mitteilungen der Leipziger Strombörse eine Entdeckung. Dort ist zu lesen, dass die kommerzielle Inbetriebnahme des Kraftwerks für den kommenden Samstag geplant ist. Die Angabe bestätigte auch ein Sprecher des Betreiberkonzerns «Uniper» gegenüber «nd». Lisa Göldner kritisiert die Inbetriebnahme, «Mit Datteln 4 soll mitten in einer sich zuspitzenden Klimakrise eine gigantische CO2-Schleuder in Betrieb gehen. Erbarmungslos setzt Uniper mit einer Technik von gestern die Zukunft von morgen aufs Spiel.» Der Bundesregierung, dem finnischen Uniper-Mutterkonzern Fortun und der finnischen Regierung, wirft die Klimaexpertin vor, «auf Jahre die Klimakrise weiter anzuheizen», weil sie «tatenlos zusehen», wie das Kohlekraftwerk ans Netz geht. Unter Klimaaktivisten, die in den vergangenen Wochen und Monaten oft gegen das Kraftwerk protestiert hatten und schon Teile des Kraftwerksgeländes besetzten, sorgte die Mitteilung für ein «heiß laufen» der Telefondrähte, wie Lena Wittekind von «Fridays for Future» aus Castrop-Rauxel berichtet. Sie sagt: «Wir hatten damit gerechnet, keine Vorlaufzeit zu haben, jetzt haben wir drei Tage, die werden wir nutzen!» Was genau für Samstag geplant ist, kann Wittekind noch nicht sagen. Jetzt gäbe es Telefonkonferenzen, bei denen geschaut werde, welche Protestaktionen an diesem Wochenende umsetzbar seien. Ähnliches ist auch vom bundesweiten Anti-Kohle-Bündnis «Ende Gelände» zu hören, «In Datteln zeigt sich die Lächerlichkeit und Ineffektivität der deutschen Klimapolitik», erklärt die Bündnissprecherin Kim Solievna. Mit den Worten «Wir werden im Zweifel dafür sorgen, dass Datteln wieder vom Netz geht», kündigt sie Proteste an. Von der Polizei Recklinghausen heißt es, dass es rund um das Kraftwerk schon seit Wochen «verstärkte Maßnahmen» gäbe. Auf eine eventuelle «Protestlage» am Wochenende will man sich einstellen. Noch lägen aber keine Anmeldungen für Kundgebungen oder Demonstrationen vor.
Sebastian Weiermann
Das hoch umstrittene Kohlekraftwerk »Datteln 4« soll am Samstag in den kommerziellen Betrieb gehen. Klimaaktivisten kündigen Proteste an. »Ende Gelände erklärt: «Wir werden dafür sorgen, dass Datteln wieder vom Netz geht.»
Datteln, Klimakrise, Kohleausstieg, Kohlekraftwerk
Politik & Ökonomie
Politik Datteln 4
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1137141.datteln-neues-kohlekraftwerk-geht-am-wochenende-ans-netz.html
Basescu droht Absetzung
Bukarest (dpa/nd). Das Amtsenthebungsverfahren gegen Rumäniens Präsidenten Traian Basescu (Foto: dpa) stößt bei Partnern auf Kritik. Der Europarat will die Rechtmäßigkeit überprüfen lassen. EU-Justizkommissarin Viviane Reding verfolgt den Fall »mit zunehmend größer werdender Sorge«. Die US-Regierung sieht nach Angaben einer Sprecherin die Gewaltenteilung in dem NATO-Partnerland bedroht... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Kritik am Vorgehen gegen Rumäniens Präsidenten
Rumänien
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Politik
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Syrische Rebellen greifen Viertel in Aleppo an
Aleppo. Syrische Rebellen haben am Montag eine Offensive auf die von der Regierung gehaltenen Viertel der Stadt Aleppo begonnen. An der Trennlinie zwischen dem von der Regierung kontrollierten Westen und dem von Rebellen gehaltenen Osten der Stadt wurde heftig gekämpft. Angaben über Todesopfer bei den Kämpfen lagen zunächst nicht vor. Jedoch gab es erneut Berichte über getötete Zivilisten durch Raketenangriffe der Rebellen. Staatliche Medien meldeten, die Rebellen hätten Raketen auf Wohngebiete im Westteil von Aleppo gefeuert. Dabei seien acht Zivilisten getötet und 80 verletzt worden. Die Rebellenoffensive erfolgte, nachdem die syrische Armee die einzige noch verbliebene Zufahrtstraße in die Rebellengebiete im Osten Aleppos gekappt hatte. AFP/nd
Redaktion nd-aktuell.de
Syrien
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Fußballer gegen Atomkraft
Es ist wieder einer von den Tagen, an denen die Regionalligakicker von Alemannia Aachen gleich zwei Mal zum Training antreten müssen. Zwischen den Fußballschichten gehen Timo Staffeldt und seine Teamkollegen gerne mal zum Mittagessen in die Stadt. Und dort entdecken sie dann überall die gelben Schilder mit dem Aufdruck »Stop Tihange«, die in vielen Häusern in den Fenstern hängen - das Statement der Aachener gegen das marode Atomkraftwerk in der belgischen Nachbarschaft. »Die Schilder sieht man schon, das Problem wird einem immer wieder vor Augen geführt«, berichtet Mannschaftskapitän Staffeldt. Auch Christian Steinborn fallen die warnenden Plakate auf seinen Autofahrten durch die Kaiserstadt auf, schon seit längerem. »In Aachen ist das Thema extrem präsent«, weiß der Aufsichtsratsvorsitzende der Alemannia - der das immer wiederkehrende Bild schließlich mit in den Berufsalltag nahm. So kam ihm bei einer Fahrt von Aachen nach Hannover mit dem Gremiumskollegen Oliver Laven im Frühjahr die Idee zu einer Protestaktion, die beim Regionalligaspiel gegen den 1. FC Köln II nun umgesetzt wird. Auf den Trikots beider Mannschaften prangen nicht wie sonst die Schriftzüge der Klubsponsoren, stattdessen steht dort die Botschaft: »Stop Tihange«. Als Jurist kennt Steinborn auch das Reglement des Fußball-Weltverbandes, daher erwähnt er: »Wir geben mit dieser Aktion kein politisches, sondern ein gesellschaftliches Statement ab. Sonst wäre das auch nicht genehmigt worden.« Den Daumen gehoben hat der 1. FC Köln, der die Sache unterstützt, sich begleitende Kommentare aber verkneift. »Klar würde man sich wünschen, dass zu der Aktion oder zu dem Thema an sich etwas gesagt würde - egal ob positiv oder negativ«, erklärt Aachens Timo Staffeldt dazu. »Aber wenn sich die Spieler von Kölns zweiter Mannschaft nicht dazu äußern möchten, ist das ihr gutes Recht.« Der gebürtige Heidelberger, seit Sommer 2015 in Aachen unter Vertrag, wohnt selbst in Köln. Deshalb weiß er, dass der Atommeiler in Tihange die Gemüter in der Domstadt weniger stark bewegt als 60 Kilometer weiter westlich. Noch mal so weit ist es von Aachen nach Tihange. »In Köln ist das Thema auch in den Medien präsent, aber nicht so extrem wie in Aachen«, erwähnt Staffeldt, der glaubt: »Das hängt einfach mit der Entfernung zusammen. Wenn in dem AKW in Belgien etwas passiert, käme das nur in abgeschwächter Form nach Köln.« Eine aktuelle Studie des Instituts für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Universität Wien, von der Städteregion Aachen in Auftrag gegeben und Ende Oktober vorgestellt, zeigt allerdings: Bei einem Reaktorunfall in Tihange steigt - im günstigsten Fall - die radioaktive Belastung der Region bis weit nach Nordrhein-Westfalen hinein um das Dreifache. Die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios liegt im Falle eines GAUs bei 30 Prozent. Im allerschlimmsten Fall müsste das Gebiet sofort evakuiert werden. »Bei einem Reaktorproblem in Tihange wäre Köln genauso betroffen wie Aachen«, erläutert Christian Steinborn, nach dessen Ansicht die Studie den Vorverkauf der verbilligten Karten nochmals befeuert hat. Der Verein rechnet am Samstag mit 20 000 Zuschauern, das wäre das Dreifache des geplanten Saisonschnitts. »Das Spiel hat mittlerweile einen Eventcharakter, die Leute wollen dabei sein«, schlussfolgert Alemannias Aufsichtsratsvorsitzender, unterstreicht aber zugleich den ernsten Hintergrund der Aktion. »Alemannia Aachen ist zwar nicht auf Rosen gebettet - aber das Thema ist so wichtig, dass Geld hier keine große Rolle spielen darf«, betont er. Und: »Selbstverständlich werden die Spieltagkosten von dem Ticketerlös gedeckt, aber auch nicht mehr. Der Verein wird darüber hinaus in keiner Form finanziell profitieren.« Der Einnahmeüberschuss gehe vielmehr zu 100 Prozent an die länderübergreifende Initiative »Stop Tihange«. Erst Anfang Oktober gab es in dem belgischen AKW wieder einen ernsten Zwischenfall. Ein Reaktordruckbehälter ist bis auf die Hälfte seiner Dicke mit Rissen durchzogen, Experten halten den Weiterbetrieb der Reaktoren für verantwortungslos. »Viele Menschen hier eint die Sorge vor der Gefahr, die von diesem erwiesenermaßen problematischen Reaktor ausgeht. Deshalb ist auch eine gesamte Region bereit, ein Zeichen zu setzen - völlig unabhängig von politischer Couleur und irgendwelchen Ressentiments«, sagt Steinborn. Timo Staffeldt schlägt den Bogen zu den Präsidentschaftswahlen in den USA. Der Sieg des Republikaners Donald Trump war ein heftig diskutiertes Thema in Alemannias Kabine. »Wir hatten alle durch die Bank ein komisches Gefühl und fragten uns: Wie konnte es so weit kommen, dass so einer überhaupt zur Wahl stand - und dann auch noch gewinnen kann?« erzählt der Kapitän von den internen Diskussionen zwischen den Trainingseinheiten und meint dann mit Blick auf die Aktion am Wochenende: »Man sollte solche Versuche auf jeden Fall starten. Damit man im Nachhinein nicht sagen muss - so wie jetzt vielleicht manche Nichtwähler in Amerika: Hätte ich doch besser mal.«
Andreas Morbach, Aachen
Alemannia Aachen und Gegner 1. FC Köln II werden am Samstag auf ihren Trikots gegen das AKW Tihange protestieren. 20.000 Zuschauer werden erwartet, die Einnahmen gehen an eine Protestinitiative.
Atomkraft, Fußball, Köln, Nordrhein-Westfalen
Sport
Sport
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Macron droht mit Sozialreformen
Berlin. Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron hat im Fall eines Wahlsiegs einen »kompletten Umbau« des Landes versprochen. Der aussichtsreiche Mitte-Kandidat stellte am Donnerstag in Paris sein sozialliberales Wahlprogramm vor, das unter anderem Reformen der Arbeitslosenversicherung und des Rentensystems vorsieht. »Wir versöhnen in diesem Projekt Freiheit und Schutz, das war von Anfang an der rote Faden«, sagte der 39-Jährige. Der Ex-Wirtschaftsminister gilt als Favorit für die Präsidentschaftswahl: Laut Umfragen wü... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Redaktion nd-aktuell.de
Aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat will »kompletten Umbau« Frankreichs
Bundeswehr, Frankreich
Politik & Ökonomie
Politik
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Zweierlei Sicht auf IS-Terror
Das Parlamentarische Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) hat am Mittwoch seine »erläuternde Sachverhaltsdarstellung« zum Fall des sogenannten Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri vorgelegt. Dessen Mordtat in Berlin forderte zwölf Leben, zahlreiche Menschen wurden verletzt. Im Bericht wird deutlich, dass der IS-Terrorfall die föderale Sicherheitsarchitektur an ihre Grenzen gebracht hat. Amri lebte in sechs Bundesländern, zeitweise befassten sich 50 staatliche Stellen mit dem Gefährder. Dabei war der Fall nur einer unter vielen. Das Bundeskriminalamt habe im vergangenen Jahr »440 Einzelhinweise auf das Vorliegen einer Gefährdung deutscher Interessen und Einrichtungen im In- und Ausland geprüft«, liest man. In dem Bericht werden zahlreiche Momente aufgelistet, die Anlass zu engagierterem Handeln der Sicherheitsbehörden hätten sein müssen. Die Abgeordneten analysierten Fehlverhalten in Bund und Ländern, kritisierten die Untätigkeit des Verfassungsschutzes und verstehen nicht, warum der BND ungenügend einbezogen wurde. Die Historie aller Strafverfahren und weiterer nicht ermittelter Straftaten zeigten zudem drastisch, wie notwendig die Bündelung bei einer Staatsanwaltschaft gewesen wäre. Dem Dokument liegen zwei Sondervoten bei. Der Vizechef des PKGr, André Hahn (Linksfraktion), bemängelt: »Der Bericht ist an ganz entscheidenden Stellen unvollständig und daher nur bedingt bzw. gar nicht geeignet, die Vorgänge um den Anschlag ... umfassend aufzuklären.« Das liege insbesondere daran, dass Nordrhein-Westfalen und Berlin so gut wie keine Unterlagen beisteuerten. Schwere Pannen, Versäumnisse und Fehlentscheidungen seien nur »unzureichend oder gar nicht« zur Sprache gekommen. Der Verdacht, dass Behörden Anis Amri als »Nachrichtenmittler« nicht aus dem Verkehr ziehen wollten und damit vorsätzlich das Leben Dritter riskierten, ist für Hahn »nicht ausgeräumt«. »Der bisher schwerste Terroranschlag in Deutschland am 19. Dezember hätte nicht nur verhindert werden können, sondern hätte auch verhindert werden müssen«, sagt Grünen-Abgeordneter Christian Ströbele. »Das Totalversagen der Sicherheitsbehörden« erinnern ihn an den NSU-Fall. Er wirft der Regierung vor, zentrale Gefährdungserkenntnis verheimlicht zu haben. Statt gründlich aufzuklären, versuchte man sich »im Tarnen und Täuschen«.
René Heilig
Kontrollgremium zu Weihnachtsmarkt-Attentat
Geheimdienste
Politik & Ökonomie
Politik
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Bundestag stimmt für »Sicherheitspaket«, Bundesrat lehnt Teile ab
Nach kontroverser Debatte hat der Bundestag das sogenannte Sicherheitspaket angenommen – doch wenig später stoppte der Bundesrat einen Teil davon. Während Verschärfungen im Aufenthalts- und Waffenrecht damit auf den Weg gebracht sind, liegen Pläne für mehr Internet-Befugnisse der Sicherheitsbehörden vorerst auf Eis. Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte das Paket nach dem Messeranschlag von Solingen auf den Weg gebracht. Sie stimmten den Neuregelungen auch weitgehend zu, während CDU/CSU, AfD, Linke und BSW dagegen votierten. In dem Gesetz, das der Bundesrat jetzt abgelehnt hat, geht es um mehr Möglichkeiten für die Sicherheitsbehörden. Sie sollten die Befugnis erhalten, in bestimmten Fällen biometrische Daten im Internet abzugleichen. Die Suche nach Gesichtern und Stimmen mittels einer automatisierten Anwendung sollte aber nur dann erlaubt sein, wenn dies der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) oder seine Vertretung von einem Gericht genehmigen lässt. Bei Gefahr im Verzug hätten der BKA-Chef oder einer der drei Stellvertreter selbst die Anordnung für maximal drei Tage treffen müssen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser reagierte entgeistert und nannte die Ablehnung »völlig unverständlich und verantwortungslos«. Die SPD-Politikerin erklärte: »Die Union verweigert unseren Ermittlungsbehörden Befugnisse, die angesichts der aktuellen Bedrohungen absolut notwendig sind.« Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) kritisierte bei »Bild« (Samstag): »Von den harten Ankündigungen ist besonders im Bereich Terrorismus-Bekämpfung und Befugnissen für unsere Sicherheitsbehörden nicht mehr als ein Stäubchen übriggeblieben.« Mit dem Paket werde die Bevölkerung getäuscht. Im Bundesrat enthielt sich sein grün-schwarz regiertes Land. Asylbewerber, für deren Schutzersuchen nach den sogenannten Dublin-Regeln ein anderes europäisches Land die Verantwortung trägt, sollen von staatlichen Leistungen ausgeschlossen werden – wenn die Ausreise für sie rechtlich und tatsächlich möglich ist. Ausnahmen soll es hier geben, wenn Kinder betroffen sind. Zudem sollen Migranten künftig leichter vom Schutz in Deutschland ausgeschlossen werden können, wenn sie Straftaten begangen haben – und zwar Straftaten »mit einem antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen, geschlechtsspezifischen, gegen die sexuelle Orientierung gerichteten oder sonstigen menschenverachtenden Beweggrund«. Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen. Außerdem soll das Waffenrecht verschärft werden. So wird nun deutlich gemacht, dass das Verbot, Waffen bei Volksfesten oder Sportveranstaltungen mitzuführen, auch für Messer gilt, die an dieser Stelle im Waffengesetz künftig ausdrücklich erwähnt werden sollen. Es soll aber Ausnahmen geben, zum Beispiel für bestimmte Berufsgruppen. »Wir verbieten Messer auf öffentlichen Veranstaltungen und ermöglichen den Ländern, weitergehende Messerverbote zu erlassen. Und das kann auch anlasslos kontrolliert werden«, sagte Faeser. Damit sie in Kraft treten können, müssen alle Gesetze vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden – was dieser in der Regel auch tut. Dieser Schritt steht noch aus, auch für jene Regelungen, die den Bundesrat passiert haben. Bei dem nun gescheiterten »Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung« könnten Bundestag und Bundesregierung noch einen Rettungsversuch machen und den Vermittlungsausschuss anrufen. Das Gremium ist mit Vertretern von Bundestag und Bundesrat besetzt und kann in solchen Fällen nach Lösungen suchen. Die Unionsfraktion hätte sich weiterreichende Regelungen gewünscht. »Dieses sogenannte Sicherheitspaket ist weitgehend wirkungslos«, sagte der innenpolitische Sprecher Alexander Throm (CDU). Die AfD beklagte eine aus ihrer Sicht verfehlte Migrationspolitik. Clara Bünger (Linke) sprach hingegen von ineffektiven Scheinlösungen gegen Extremismus und Islamismus. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle räumte ein, das Paket gehe nicht weit genug, sei aber ein Schritt in die richtige Richtung. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz verteidigte die Neuerungen als sinnvoll und angemessen. Die Forderungen der Union in der Migrationspolitik nach pauschalen Zurückweisungen an den deutschen Grenzen gefährdeten Europa. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl verurteilte die Pläne. »Dieses Gesetzesvorhaben führt zu vorsätzlich herbeigeführter Wohnungslosigkeit und Verelendung bei Schutzsuchenden«, erklärte sie. Vorgesehen ist unter anderem, dass Menschen, für deren Asylverfahren ein anderer europäischer Staat zuständig wäre, leichter dorthin zurückgebracht werden können. Der mutmaßlich islamistisch motivierte Messeranschlag auf einem Stadtfest am 23. August in Solingen löste eine heftige Debatte aus. Drei Menschen wurden getötet, acht weitere verletzt. Der tatverdächtige Syrer hätte eigentlich 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, was aber scheiterte. Nach dem Anschlag verständigte sich die Bundesregierung auf Verschärfungen im Migrations- und Waffenrecht sowie auf mehr Befugnisse für Ermittler. Nach einer Expertenanhörung machten die Koalitionäre Abstriche an den Plänen. Hinter dem Paket stehen die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP – jedenfalls mehr oder weniger. Bei SPD und Grünen gab es Bedenken, dass das Vorhaben zu weit geht. Die drei Ampel-Fraktionen stellen zusammen 415 von 733 Bundestagsabgeordneten. Sie haben also 48 Stimmen mehr als die absolute Mehrheit. Jene Regelungen zu mehr Befugnissen für Sicherheitsbehörden, die kurz darauf im Bundesrat scheiterten, wurden aus den Reihen der Ampel-Fraktionen weitgehend unterstützt. Bei der SPD gab es 178 Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und 22 nicht abgegebene Stimmen. Auch bei Grünen und FDP gab es klare Mehrheiten, bei je drei Nein-Stimmen und je zwei Enthaltungen sowie einigen nicht abgegebenen Stimmen. Beim zweiten Teil des Pakets zu Migration und Messerverboten sah es ähnlich aus, allerdings mit 15 Nein-Stimmen bei der SPD gegenüber 171 Ja-Stimmen. Bei den Grünen stimmten 101 Abgeordnete zu, sechs dagegen. Die FDP votierte mit 85 Abgeordneten dafür. In allen drei Fraktionen gab es Enthaltungen. dpa/nd
Sascha Meyer und Martina Herzog
Nach dem Anschlag von Solingen sollen Migrationsregeln verschärft werden und Messergebote ausgeweitet. So weit sind die Bundesländer noch an Bord – anderen Vorhaben verweigern sie die Zustimmung.
Bundesrat, Die Grünen, Einwanderung, FDP, SPD
Politik & Ökonomie
Politik Migrationspolitik
2024-10-18T16:39:42+0200
2024-10-18T16:39:42+0200
2024-10-20T14:25:35+0200
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1186133.bundestag-stimmt-fuer-sicherheitspaket-bundesrat-lehnt-teile-ab.html
Innovative Antriebe sind im Luftverkehr nicht ausreichend
Haben Sie vor, künftig weniger zu fliegen? Diese Frage beantwortete gut ein Zehntel der Bundesbürger bei einer repräsentativen Befragung kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie mit »Ja«. Im Lockdown kam der Flugverkehr zum Erliegen, während plötzlich Homeoffice und Videokonferenzen boomten. Eine Zeit lang sah es so aus, als hätte die Luftfahrt ihre wachstumsstarken Jahre hinter sich. Doch mittlerweile hat sich der Wind erneut gedreht. Es wird wieder annähernd so viel geflogen wie vor der Pandemie. Die Branche wächst überall auf der Welt und fliegt damit den Klimazielen meilenweit davon. Wie lässt sich gegensteuern? Dazu hat das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) am Mittwoch einen ausführlichen Bericht veröffentlicht. Der sperrige Titel – »Innovative Antriebe und Kraftstoffe für einen klimaverträglicheren Luftverkehr« – drückt aus, wo das Dilemma liegt: Nach heutigem Stand zeichnet sich ab, dass Fliegen in absehbarer Zeit bestenfalls etwas weniger klimaschädlich wird. Um die Branche klimaneutral zu machen, wäre sehr viel mehr zu tun, unterstreicht die Studie. Man müsste die Treibhausgasemissionen des Luftverkehrs mit Klimaschutzprojekten kompensieren, die tatsächlich funktionieren und zumindest einen Teil des vom Fliegen verursachten CO2 wieder aus der Atmosphäre herausholen. Und der wichtigste Punkt: Es müsste deutlich weniger geflogen werden. Weltweit stehen die Zeichen auf starkem Wachstum, obwohl Schätzungen zufolge 80 bis 90 Prozent der Weltbevölkerung noch nie geflogen sind: »Ein steigendes Mobilitätsbedürfnis zusammen mit einer wachsenden Weltbevölkerung lässt die Nachfrage nach Flügen steigen«, notiert der Bericht. Auch die globale Flugzeugflotte wächst und wird sich 2042 voraussichtlich auf rund 47 000 Jets verdoppelt haben. »Ein Wertewandel, der zu einem Rückgang von Flugreisen führt«, so formulieren es die Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie, »ist gegenwärtig nur schwer zu erkennen.« Der Schaden fürs Klima, den die Luftfahrt verursacht, lasse sich immerhin begrenzen. Dafür stehe eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung, die kombiniert werden sollten. Auf Regional- und Kurzstrecken könnten Elektroantriebe, Wasserstoff-Brennstoffzellen oder Hybridantriebe zum Einsatz kommen, auf Mittel- und Langstecken »Sustainable Aviation Fuels«, also Biokerosin, grüner Wasserstoff oder daraus synthetisierte E‑Fuels. Diese sind allerdings knapp und teuer und erfordern einen sehr hohen Energieeinsatz. Und bis eine Anwendung in relevanter Größenordnung möglich ist, dürften noch mindestens 20 bis 30 Jahre vergehen, »da die Technologien entweder noch nicht ausgereift oder die verfügbaren Mengenpotenziale der Kraftstoffe kurzfristig nicht ausreichend sind«. Den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren ist daher eine weitere wichtige Stellschraube. Auch hier gibt es zahlreiche Optionen wie effizientere Routen, eine bessere Auslastung der Flugzeuge, eine geringere Reisegeschwindigkeit und langsamere Sinkflüge sowie ein »optimiertes Luftraummanagement«, um Umwege zu vermeiden. Bei Langstreckenflügen, wo mehr als die Hälfte des Gewichts auf den Treibstoff entfallen kann, könnten durch Luftbetankungen bis zu 40 Prozent des Kerosins eingespart werden. Spezifische Flugrouten sowie ein geringerer Anteil von Aromaten und Schwefel im Kerosin können zudem die Nicht-CO2-Effekte verringern. Gemeint sind Kondensstreifen und Zirruswolken, die beim Fliegen entstehen. Sie verursachen sogar den größten Teil der Klimawirkung, nämlich zwei Drittel. »Der Bericht bietet einen guten Überblick«, lobt Volker Grewe vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, der nicht an der Studie beteiligt war. Doch wie eine Trendwende zum klimaneutralen Fliegen gelingen kann, wird nur am Rande erwähnt. »Der wichtigste Ansatz der Emissionseinschränkung – die Reduzierung der Nachfrage nach Flügen – wird kaum diskutiert«, kritisiert der Verkehrsforscher Stefan Gössling von der Linné-Universität im schwedischen Kalmar. »Forschungs- und Entwicklungsförderung kann die Probleme nicht lösen und macht außerdem den Staat mitverantwortlich für die Lösung. Verantwortlich ist die Luftfahrt.« Gösslings Forderungen: ein CO2-Preis von mehreren Hundert Euro, Verbot von Kurzstreckenflügen und von Bonusprogrammen, die zu weiteren Reisen ermuntern, sowie Einschränkungen bei der kleinen Gruppe der Vielflieger mit mehr als zehn Flügen pro Jahr, denn sie verursachen den Großteil der Emissionen.
Verena Kern
Mit technischen Innovationen kann Fliegen klimafreundlicher werden, zeigt ein Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung. Doch Klimaneutralität ist so nicht erreichbar.
Flugverkehr, Klimaschutz
Politik & Ökonomie
Wirtschaft und Umwelt Verkehrswende
2024-05-09T15:28:57+0200
2024-05-09T15:28:57+0200
2024-10-22T11:29:00+0200
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1182062.verkehrswende-innovative-antriebe-sind-im-luftverkehr-nicht-ausreichend.html
Theatrale Erkundungen
»Come as you are« ist die körperliche und theatrale Erkundung dreier DarstellerInnen, deren tänzerischer Hintergrund sich radikal von der Berliner Szene unterscheidet, die nun aber in dieser Stadt angekommen sind und versuchen, sich in ihr zurechtzufinden. Ihre neuen Eindrücke von der hiesigen Kulturszene, neue Liebesgeschichten, Hoffnungen und tägliche Erfahrungen, die schnell zu Albträumen werden könnten, fließen in das Stück ein, das von dem Israeli Nir de Volff choreografiert wurde. nd 4.-6. August, 19 Uhr, DOCK11, Kastanienallee 79, Prenzlauer Berg
Redaktion nd-aktuell.de
Berlin
Feuilleton
Kultur
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1059516.theatrale-erkundungen.html
Mallorca ja, Istanbul nein
Die Ausländer sind schuld! Lange Zeit dachte man, dass Aussagen wie diese entweder nur mehr verklausuliert, unter Verwendung zahlreicher Codes vorgetragen werden können, oder aber von Personen stammen müssten, die sich ohnehin schon aus dem demokratischen Spektrum verabschiedet haben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zeigt, dass auch hier die Uhren wieder zurückgestellt werden, dass es auch hier wieder komplett uncodiert und schamlos geht: Mit seiner Aussage, Verwandtschaftsbesuche in der Türkei und auf dem Balkan hätten 2020 phasenweise jede zweite Neuinfektion ausgelöst, ist blanker Corona-Rassismus auch im bürgerlichen Lager wieder salonfähig. Es ist so durchschaubar und gleichzeitig fast zwangsläufig: Im Corona-Versagerland Deutschland, in dem die niedrigen Inzidenzzahlen zu Beginn der Pandemie bei Wirtschaft und Politik schon im April letzten Jahres Öffnungsfantasien reifen ließen, in dem sich Abgeordnete der Unionsfraktionen mit Maskendeals dumm und dusslig verdienten, in dem Springer-Presse und angeschlossene Anstalten der Querdenken-Bewegung immer wieder die Stichwörter lieferten, in dem sich der leibhaftige Gesundheitsminister nicht an die politischen Hygieneregeln hielt, solange es Spenden einzusammeln, Häuser zu bauen und alte Kumpel zu beschäftigen galt, in diesem Land also, das sich von Anfang an der »chinesischen Krankheit« (Trump) überlegen, gar gegen sie immun wähnte - da sollen es am Ende mal wieder die »Ausländer« gewesen sein. Während Weißdeutschland Bootspartys auf der Spree veranstaltete, sich mit gefälschten Attesten auf Sylt schmuggelte und sich in Gestalt von Thea Dorn und Jan Josef Liefers auch hochkulturell Hedonismus verordnete, blieb stets noch genug Zeit, sich kritisch die Abwesenheitszeiten des Nachbarn zu notieren, der sich auch in vierter Generation leider, leider noch nicht so weit integriert hat, komplett mit seiner Familie in Anatolien brechen zu wollen. Doch keine Sorge: Spahn hat für solche unverbesserlichen Fälle schon neue Reisebeschränkungen in der Tasche, sicherlich auch mit großzügigen Ausnahmeregelungen für den Balearen-Tourismus, denn der ist ja altdeutsche Tradition, damit also keimfrei und unbedenklich. Ein Schlag ins Gesicht jener Niedriglöhner*innen, die die Kosten der Krise, auch die gesundheitlichen, am stärksten zu tragen hatten; über 40 Prozent von ihnen sind migrantisch geprägt. Sie, die den Spahns dieser Republik in der Krise Pizza und Pakete brachten, sich bei Tönnies oder beim Spargelstechen infizierten, bekamen am Ende dafür, die allerundankbarsten Jobs gemacht zu haben, noch das bisschen Urlaub vorgeworfen, das sie sich leisten können - von einem Mann, der im Corona-Sommer darauf bestand, seinen Einzug in ein »Baudenkmal in Bestlage« (Tagesspiegel) als Privatsache behandeln zu dürfen. In einigen Bundesländern zieht die AfD, die man glaubte besiegt zu haben, schon an der CDU vorbei, und es sind wahrscheinlich genau solche Zahlen, die einem Mann wie Spahn solche Sätze einflüstern. In der CDU kann man sich die Post-Merkel-Zeit offenbar nur als Rechtsruck vorstellen und bereitet sich ideologisch auf ihn vor; zu diskutieren gibt es da lediglich, in welcher Schattierung dieser Rechtsruck daherkommen wird: turboliberalisiert mit Merz, katholisch-homophob mit Laschet oder eben klassisch rassistisch mit Spahn. Dass auch ein grüner Koalitionspartner da kaum lindernd wirken dürfte, zeigt Österreich, wo Sebastian Kurz unwidersprochen behaupten durfte, »Reiserückkehrer« hätten »uns Ansteckungen ins Land hineingeschleppt«. Nein, dieser Sündenbock kommt garantiert niemals außer Mode.
Leo Fischer
Im Corona-Versagerland Deutschland, wo in der Pandemie fast alles schief ging, was schief gehen konnte, sollen es am Ende mal wieder die »Ausländer« gewesen sein. In einigen Bundesländern zieht sogar die AfD schon an der CDU vorbei.
CDU, Jens Spahn, Türkei
Politik & Ökonomie
Politik Corona und Rassismus
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1152599.corona-und-rassismus-mallorca-ja-istanbul-nein.html
Sozialisten nehmen Kurs auf Rot-Rot
Potsdam. Die LINKE hat den Weg für Koalitionsverhandlungen mit der SPD frei gemacht. Das teilte Landesgeschäftsführerin Andrea Johlige mit. Nach einer gemeinsamen Beratung von Landesvorstand und Landesausschuss habe der Landesvorstand sich einstimmig dafür ausgesprochen. Im Landesvorstand habe es nur eine Gegenstimme gegeben. Der Mitteilung zufolge hatte es zuvor eine »intensive, solidarische und konstruktive Debatte« gegeben -, mit vielen Gästen aus den Kreisverbänden und innerparteilichen Zusammenschlüssen. Der SPD-Landesvorstand hatte sich bereits am Dienstagabend einstimmig für Koalitionsverhandlungen mit der Linkspartei ausgesprochen. Die Verhandlungen sollen am Sonnabend beginnen. Verhandlungsführer der Linkspartei soll der Landesvorsitzende Christian Görke sein. Er erklärte: »Die LINKE hat mit dem heutigen Abend begonnen, aus dem Wahlergebnis zu lernen und wird ernsthaft und intensiv anhand ihrer Schwerpunkte verhandeln.« Nach dem verheerenden Ergebnis bei der Landtagswahl am 14. September - die LINKE war von 27,2 auf 18,6 Prozent abgestürzt - gab es in der Parteibasis auch Bedenken gegen eine erneute Regierungsbeteiligung. Dies gründete sich auf die Befürchtung, dass die LINKE dann bei der Wahl 2019 weiter einbüßen und in der Bedeutungslosigkeit versinken könnte. Moritz Kirchner vom Kreisvorstand Potsdam weist jedoch darauf hin, die These, dass sich abgestrafte Regierungsparteien in der Opposition regenerieren können, sei längst widerlegt. Nachdem er die Sache in den zurückliegenden anderthalb Wochen genau durchdachte, plädiert Kirchner nun wie viele andere für die Fortsetzung der rot-roten Koalition. af
Redaktion nd-aktuell.de
Potsdam. Die LINKE hat den Weg für Koalitionsverhandlungen mit der SPD frei gemacht. Das teilte Landesgeschäftsführerin Andrea Johlige nach einer gemeinsamen Beratung von Landesvorstand und Landesausschuss mit.
Brandenburg, Koalition, Landtagswahl, LINKE, Rot-Rot
Hauptstadtregion
Brandenburg
https://www.nd-aktuell.de//artikel/947153.sozialisten-nehmen-kurs-auf-rot-rot.html
DGB gegen Sanktionen für Geflüchtete
Berlin. Vor einem Spitzentreffen zur Flüchtlingspolitik hat sich DGB-Chef Reiner Hoffmann strikt gegen neue Sanktionen für Menschen gewandt, die sich der Integration verweigern. »Wir dürfen nicht noch mehr Zeit mit gefährlichen Ablenkungsdebatten verlieren«, sagte Hoffmann am Donnerstag in Berlin. Hintergrund ist der Plan von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Verweigerer von Integrationskursen mit Sanktionen zu belegen. An diesem Freitag treffen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und weitere Regierungsmitglieder mit Vertretern von Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen und Verbänden im Kanzleramt zur Integrationsfrage zusammen. »Die aktuelle Integrationspolitik, die das Bundesinnenministerium verantwortet, ist geprägt von innen- und sicherheitspolitischen Interessen«, sagte Hoffmann und forderte von der Regierung ein »Zukunftsprogramm« für bessere ökonomische und gesellschaftliche Teilhabechancen. dpa/nd
Redaktion nd-aktuell.de
Integration
Politik & Ökonomie
Politik
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Reizdichte jenseits des Ertragbaren
Seitdem der Kinderfilm als besonders lukrative Sparte identifiziert wurde, ist die Zahl der Filme für die Jüngsten ins Unüberschaubare gewachsen. Der Großteil allerdings ist, wie in anderen Genres eigentlich auch, Schrott. Oder schön Spektakuläres, aber oftmals dann doch erfahrungsarmes Lärmkino. Man staunt, wenn man mit den eigenen Kindern Filme schaut, wie hoch Schnittfrequenz und Reizdichte von Bildern ist, die für Siebenjährige konzipiert worden sind. Zumindest in dieser Hinsicht ist die Differenz zwischen Kinder- und Erwachsenenkino inzwischen weitgehend eingeebnet. Ob ein Film kindliche Erfahrungswelten in einer Weise adressiert, dass Interessanteres und Dauerhafteres beim Sehen einsetzen kann als nur die, gleichfalls schöne, Freude am Krach und an der Überwältigung durch die Bilder - es entscheidet sich nicht daran, ob er Action-Blockbuster oder dezidiert pädagogisch wertvoll gedacht ist. Das macht die Auswahl nicht leichter. Un... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
Benjamin Moldenhauer
»33 Kinderfilme«: Dieser Ratgeber lässt Eltern beim Thema Filme für die Jüngsten nicht alleine
Film
Feuilleton
Kultur
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1123367.reizdichte-jenseits-des-ertragbaren.html
Stunde der Wahrheit für Sarkozy
Nicolas Sarkozy, der zwischen 2007 und 2012 das höchste Staatsamt Frankreichs bekleidete, muss sich im Zusammenhang mit der illegalen Finanzierung seines Präsidentschaftswahlkampfes von 2007 nun dafür verantworten, dass er einen hohen Richter bestochen haben soll. Mit Sarkozy sind sein Anwalt Thierry Herzog und der ehemalige Richter Gilbert Azibert angeklagt, versucht zu haben, die juristische Aufarbeitung der Vorwürfe wegen illegaler Wahlkampffinanzierung zu torpedieren. Der heute 65-jährige Sarkozy will vor den Richtern erscheinen und »kämpferisch« seine »Ehre verteidigen«. Vor ihm wurde mit Jacques Chirac bereits einmal ein Präsident von der Justiz verfolgt, weil er in den Jahren 1977-1997 als Pariser Bürgermeister Mitarbeiter seiner Parteizentrale aus der Stadtkasse bezahlen ließ. Dafür wurde Chirac, der zwischen 1997 und 2007 als Präsident Immunität genossen hat, erst 2011 zu zwei Jahren Gefängnis mit Bewährung verurteilt. Der jetzt beginnende Prozess fußt darauf, dass die Ermittlungsrichter 2013/14 bei ihren Untersuchungen die Telefone von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy abhören ließen und dabei entdeckten, dass er sich über eine geheime Linie und unter dem Pseudonym Paul Bismuth mit seinem Anwalt beriet. Da sich beide dabei vor Mithörern sicher fühlten, sprachen sie ganz offen und ungehemmt miteinander. So erfuhren die Untersuchungsrichter, dass der Anwalt Herzog auf Bitten von Sarkozy den seinerzeitigen hohen Richter Azibert aufgefordert hat, beim Kassationsgericht Informationen aus der Akte Sarkozy zu beschaffen und seine Richterkollegen zugunsten des Präsidenten zu beeinflussen. In einem Verfahren um illegale Wahlkampffinanzierung durch die Industriellenwitwe Liliane Bettencourt war Sarkozy zwar mangels ausreichender Beweise freigesprochen worden, aber trotzdem ging der Präsident vors Kassationsgericht, um die Herausgabe seiner Kalender und Notizbücher zu erzwingen, die ihn in weiteren Verfahren hätten belasten können. Im Gegenzug versprach der seinerzeit amtierende Präsident Sarkozy, sich beim Prinzen von Monaco dafür einzusetzen, dass Azibert auf einen von ihm angestrebten prestigereichen Posten im Zwergstaat berufen wird. Gemäß einem Abkommen aus den 1950er Jahren werden viele wichtige Posten in Monaco durch französische Beamte besetzt, weil es dem Prinzentum dafür an eigenen Kadern fehlt. Der Richter Azibert hat tatsächlich die von Sarkozy gewünschten Informationen beschafft, während der Präsident auf seine Intervention in Monaco verzichtet hat, weil sich inzwischen der Verdacht gegen ihn verdichtet hatte. Wegen Bestechung und Amtsmissbrauch drohen sowohl Sarkozy als auch Herzog und Azibert jetzt bis zu zehn Jahre Gefängnis und eine Million Geldstrafe. Der Ex-Präsident, der alle Verfahren als Intrige seiner politischen Gegner zu disqualifizieren versucht, hat durch wiederholte Verfahren versucht, die Abhörprotokolle als gegenstandslos verurteilen zu lassen, weil das Abhören von Anwälten gesetzlich verboten ist. Zwar ist er von der Justiz stets abgeschmettert worden, doch wird er das Thema zweifellos jetzt wieder aufwerfen.
Ralf Klingsieck, Paris
Mit Nicolas Sarkozy steht ab Montag in Paris ein Ex-Präsident vor Gericht, weil ihm Bestechung und illegale Beeinflussung der Justiz zur Last gelegt werden.
Frankreich, Korruption
Politik & Ökonomie
Politik Paris
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1144766.stunde-der-wahrheit-fuer-sarkozy.html
Bereit für Tag X
Die Gefahr ist bekannt. Rechtsextremisten sind bundesweit wie international gut vernetzt - und massiv bewaffnet. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist »fest entschlossen, die Sicherheitsbehörden hier personell sowie strukturell deutlich zu stärken und ihnen die notwendigen rechtlichen Instrumente zu geben.« Denn: »Der Rechtsstaat muss hier handlungsfähig sein.« Bevor jüngst abermals die »Wies'n« öffnete, gedachten Hunderte der zwölf Opfer des rechtsterroristischen Oktoberfestanschlags von 1980. Die Hintermänner wurden nie gefasst. Das 2014 wiederaufgenommene Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft dümpelt vor sich hin. M... 4 Wochen nd online lesen + E-paper + App Alle nd-Artikel online lesen + E-paper + App Benutzername* Passwort* Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.
René Heilig
Rechtsextreme Netzwerke rüsten auf - einige Beispiele
NSU, Rechtsradikalismus
Politik & Ökonomie
Politik
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1126474.bereit-fuer-tag-x.html
Ostdeutsche Frauen sind häufiger in Führungspositionen als westdeutsche
Berlin. Frauen aus dem Osten Deutschlands bekleiden prozentual gesehen häufiger Führungspositionen als ihre westdeutschen Kolleginnen. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor, für die MDR und RBB mit der Universität Leipzig zusammengearbeitet haben. Demnach ist der Frauenanteil unter aus Ostdeutschland stammenden Führungskräften in nahezu allen untersuchten Bereichen höher als bei westdeutschen. Allgemein sind Menschen aus Ostdeutschland in Führungspositionen aber nach wie vor stark unterrepräsentiert. Besonders deutlich zeigt sich das in der Bundesregierung: Neben Angela Merkel stammten seit der Wiedervereinigung 16 weitere Regierungsangehörige - und damit nur zehn Prozent - aus dem Osten. Unter den Ost-Politiker*innen in der Regierung finden sich aber zwölf Frauen, was rund 71 Prozent entspricht. Im Gegensatz dazu waren seit 1990 nur 27 Prozent der westdeutschen Bundesminister*innen weiblich. Und auch in der Wirtschaft lassen ostdeutsche Frauen ihre westdeutschen Kolleginnen hinter sich. So sind derzeit 75 Prozent der aus dem Osten stammenden DAX-Vorstände weiblich, bei den Westdeutschen sind es nur zehn Prozent. Beachtet werden muss hierbei aber, dass sich unter den 193 DAX-Vorständen nur vier Ostdeutsche finden. Als ostdeutsch galten in der Studie Menschen, die in der DDR, beziehungsweise nach 1990 in den ostdeutschen Bundesländern geboren wurden. Hinzu kommen Menschen, die im Westen zur Welt gekommen sind, aber den Großteil ihres Lebens im Osten verbracht haben. Doch nicht nur die Herkunft der Führungskräfte, sondern auch der Standort von Unternehmen spielt eine Rolle für die Zahl der Frauen in Führungspositionen. Während in den Jahren 2016 und 2017 in den 100 umsatzstärksten Unternehmen Westdeutschlands nur zwei Prozent aller Unternehmensführer*innen weiblich sind, sind es im Osten immerhin neun Prozent. Deutlich mehr Frauen sind aktuell unter den Bundes- und Landesrichter*innen der Republik zu finden. Bei den Richter*innen aus Ostdeutschland ist mit einem Frauenanteil von 43 Prozent auf Bundes- und 48 Prozent auf Landesebene nahezu eine ausgeglichene Verteilung zwischen den Geschlechtern erreicht. Blickt man auf die westdeutschen Richter*innen, liegen die Werte mit 34 beziehungsweise 38 Prozent darunter. Einen starken Anstieg der Frauenanteile - insbesondere der Ostfrauen - registrierten die Wissenschaftler der Uni Leipzig nach der Jahrtausendwende. Da dieser Anstieg mit der Wahl Angela Merkels zur Bundeskanzlerin zusammenfiel, bezeichnen ihn die Studienmacher*innen als Merkel-Knick. dpa/nd
Redaktion nd-aktuell.de
Frauen aus dem Osten Deutschlands bekleiden prozentual gesehen häufiger Führungspositionen als ihre westdeutschen Kolleginnen. In einigen Berufen sind sie inzwischen sogar mit ihren männlichen Kollegen gleichgezogen.
Feminismus, Gleichberechtigung, Ostdeutschland
Politik & Ökonomie
Politik Gleichstellung
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1113756.ostdeutsche-frauen-sind-haeufiger-in-fuehrungspositionen-als-westdeutsche.html
Des Senators teurer Sicherheitswahn
Teure Sicherheit: Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) ist unter Beschuss geraten. Die von ihm kürzlich erworbene Villa in der Elbestadt soll für rund eine Million Euro mit Sicherheitstechnik ausgerüstet werden, kritisiert die SPD. Deren Sicherheitsexperte Andreas Dressel verlangte Aufklärung und Transparenz über die Ausgaben: »Der Innensenator muss nicht sagen, welche Sicherheitsmaßnahmen er genau durchführen lassen will. Aber er muss Auskunft über die Gesamtkosten geben, die auf den Steuerzahler zukommen.« Ahlhaus, der als innenpolitischer Hardliner gilt, blieb die Antwort nicht schuldig. In einem Hintergrundgespräch mit Journalisten verteidigte sich der Senator. Demnach werden 650 000 Euro für Sicherheitsfenster und entsprechende Türen ausgegeben. 170 000 Euro kostet ein Spezialzaun. Videokameras, Alarmanlagen, Scheinwerfer und Sicherheitsschlösser schlagen noch einmal mit 185 000 Euro zu Buche. Er selbst sei »sehr erschrocken gewesen« über diese Summe, sagte Ahlhaus. Und er habe auf zusätzliche Maßnahmen in Höhe von rund 300 000 Euro verzichtet, so der Innensenator. Die Kritik der Opposition an den exorbitanten Kosten für die Sicherung seines Hauses bezeichnete er als »Unverschämtheit« und »Stillosigkeit», zumal er selbst von den Maßnahmen finanziell nicht profitiere. Indes veranschlagte ein Sicherheitsexperte laut Hamburger Abendblatt die tatsächlichen Kosten für die Sicherung eines Hauses auf rund 250 000 Euro, mithin ein Viertel der Summe. Für weiteren Unmut sorgte die Information, dass auch Ahlhaus' Zweitwohnung in seinem Heimatort Heidelberg vor zwei Jahren für 200 000 Euro mit Sicherheitstechnik aufgerüstet wurde. Das LKA Baden-Württemberg hatte die Maßnahmen angeordnet, nachdem Ahlhaus als besonders gefährdete Person eingestuft worden war. Die Kosten tragen allerdings ebenfalls die Hamburger Steuerzahler. Verglichen mit den aktuellen Vorkehrungen für Ahlhaus wirken auch die Sicherheitsmaßnahmen für dessen Vorgänger im Amt des Innensenators vergleichsweise bescheiden. Laut Hamburger Abendblatt hatte Udo Nagel (parteilos) seinerzeit darauf verzichtet, seine Parterrewohnung noch zusätzlich mit schusssicherem Glas auszurüsten, nachdem zuvor steinwurfsichere Scheiben eingebaut worden waren – sowie ein Notrufknopf und eine Alarmanlage. Ein weiterer Vorgänger von Ahlhaus, der Rechtspopulist Ronald Schill, der in einem Hochhaus lebte, begnügte sich mit einer Verstärkung seiner Haustür und einer Sicherheitsschleuse am Gebäudeeingang. Ahlhaus selbst war bereits 2009 im Zuge der Dienstwagenaffäre in die Kritik geraten. Demnach soll er vier Tage lang den gepanzerten Dienstwagen plus Sicherheitsbeamten auch für Privatfahrten in der französischen Hauptstadt genutzt haben. Der Senat änderte nach diesem Vorfall die Regelungen für Dienstfahrten. Der gelernte Bankkaufmann und Jurist Ahlhaus gilt nach dem Rücktritt von Finanzsenator Michael Freytag, der zugleich Vorsitzender der Hamburger CDU war, als »Kronprinz« für die Nachfolge von Bürgermeister Ole von Beust. Bei der Hamburger CDU hüllt man sich indes in Schweigen über das teure Sicherheitsbedürfnis des Innensenators. Weder von der CDU-Fraktion noch von der Partei waren gestern Stellungnahmen zum Thema Ahlhaus zu bekommen. GAL-Faktionssprecher Jan Dube, dessen Partei mit der CDU den Senat stellt, erklärte zu der Kritik an Ahlhaus: »Das können wir aus der Ferne nicht beurteilen. Das können nur die zuständigen Behörden einschätzen und muss von den Sicherheitsexperten entschieden werden.« Rolf Salo, Chef der Hamburger FDP, sagte: »Am gefährlichsten jedoch sind für Ahlhaus derzeit Parteifreunde, die ihn als neuen starken Mann der Hamburger CDU verhindern wollen.«
Reinhard Schwarz, Hamburg
Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus muss sich gegen Vorwürfe der SPD und der Steuerzahlerbundes verteidigen. Die Sicherheitsmaßnahmen für seine neu erworbene Villa seien viel zu teuer, heißt es.
CDU, Hamburg, SPD, Steuer
Politik & Ökonomie
Politik
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Ein feiner Herr
Wolfgang Brauer hat genug. Seit 1999 saß der 62-Jährige für die PDS/Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus und war 14 Jahre lang deren kulturpolitischer Sprecher. Nun hat er sein Mandat bei der letzten Berlin-Wahl an den AfD-Kandidaten Gunnar Lindemann verloren und damit auch seinen Sitz im Parlament. Und weil das allein nicht deprimierend genug erschien, verließ Brauer auch gleich noch die Linkspartei und das schon am 1. November. Wie er sagt, weil ihm die immer geringer werdende Unterstützung in der Partei zu schaffen machte. Mit seinen kulturpolitischen Themen sei er immer wieder - und zuletzt in der Wahlkampfvorbereitung - gegen eine innerparteiliche Wand gerannt. Dass die LINKE nun genau diesen Posten auf Senatsebene für sich beansprucht, ein unauflöslicher Widerspruch. Wolfgang Brauer ist der Autorin seit ihrem 17. Lebensjahr in Erinnerung. Auf einer Diskussionsveranstaltung zur Abgeordnetenhauswahl 2001 in einem Köpenicker Gymnasium war der stets adrett mit einer Fliege gekleidete Brauer der einzige, der Eindruck hinterließ. Meinungsstark und belesen, wie er da auftrat, waren sich alle sicher, später mal die PDS wählen zu wollen. Brauer, 1954 in Aschersleben geboren, war Anfang der 1990er Jahre Bezirksvorsitzender der PDS in Marzahn. Ein Wahlkreis, den er im September, nachdem er dort vier Mal hintereinander direkt gewählt wurde, abgeben musste. Einen aussichtsreichen Listenplatz hatte man ihm verwehrt. Dann beanspruchte Klaus Lederer den neu geschaffenen Kultursenatorenposten für sich. Lederer, der laut Brauers Aussage immer genau in den Theateraufführungen gewesen sein müsse, in denen Theaterkenner Brauer nicht war. Einige hatten bei der Personalie zuerst an Brauer gedacht, zuletzt Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Bauskandal rund um die Berliner Staatsoper. Nun also wird der Studienrat (seit 1996 beurlaubt) in seinen alten Beruf als Lehrer zurückkehren. Er sagt, er werde sich zunächst seiner jahrelang vernachlässigten Handschrift widmen.
Christin Odoj
Demnächst wieder Lehrer in Berlin: Wolfgang Brauer.
Berlin, LINKE
Politik & Ökonomie
Politik
https://www.nd-aktuell.de//artikel/1035177.ein-feiner-herr.html
Deutsche Umwelthilfe kann weiter abmahnen und klagen
Karlsruhe. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kann weiter als Verbraucherschutzverband abmahnen und klagen. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am Donnerstag in Karlsruhe, dass der Verband eine Klagebefugnis habe und kein Rechtsmissbrauch vorliege. In dem Verfahren ging es nicht um die Klagen der Umwelthilfe auf Diesel-Fahrverbote in Städten, sondern um Klagen wegen Verstößen gegen den Verbraucherschutz. (Az. I ZR 149/18). Eine Verurteilung »hätte bedeutet, dass wir ein ganz, ganz wichtiges Instrument zur Durchsetzung des ökologischen Verbraucherschutzes verloren hätten, und zwar nicht nur als Deutsche Umwelthilfe, sondern als Zivilgesellschaft«, zeigte sich Umwelthilfe-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Karlsruhe erleichtert. »Wir kontrollieren nicht Geringfügigkeiten, sondern nur schwerwiegende Verstöße.« Von den insgesamt 20 Branchen, die die DUH überwache, sei die Automobilindustrie die einzige, die sich derart hartnäckig dagegen zur Wehr setze, sagte Resch. Das zeige auf, dass in Deutschland etwas aus dem Gleichgewicht geraten sei. Die Umwelthilfe sei durch die Aufdeckung des Dieselskandals »natürlich schon eine Störgröße geworden«. »Wir haben in den letzten Monaten einfach erlebt, dass man versuchte, uns permanent zu diskreditieren. Die ökologische Marktüberwachung wurde als Abmahngeschäft dargestellt.« Er freue sich sehr, dass der BGH sich damit so dezidiert auseinandergesetzt habe und nun in jedem Einzelfall erkläre, dass alles korrekt ablaufe. Resch nannte das Urteil auch »eine deutliche Ohrfeige für den Staat«. »Schwerwiegende Verstöße gegen Umwelt- und Klimaschutz müssen unmittelbar vom Staat geahndet werden«, forderte er. Dann würde die Umwelthilfe sich auch mit Freuden aus diesem Bereich zurückziehen. Auslöser für das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof war ein Rechtsstreit der DUH mit einem Autohändler aus dem Raum Stuttgart, der nach Ansicht der Umwelthilfe Verbraucher in einer Werbung unzureichend über Kraftstoffverbrauch und Kohlendioxidemissionen eines Neuwagens informiert hatte. Der Autohändler hielt die Klage für unbegründet und für rechtsmissbräuchlich. Der Bundesgerichtshof wies nun die Revision des Händlers gegen die Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts Stuttgart zurück, die der Umwelthilfe jeweils recht gegeben hatten. Im konkreten Fall klagte die Umwelthilfe als Verbraucherschutzverband und nicht wie in den Diesel-Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als anerkannte Naturschutzorganisation. In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof ging es vor allem darum, ob die DUH ihre Position als klagebefugter Verband missbraucht. Agenturen/nd
Redaktion nd-aktuell.de
Die Deutsche Umwelthilfe findet, ein Autohändler aus Stuttgart hatte in einer Werbung unzureichend über Kraftstoffverbrauch und Kohlendioxidemissionen eines Neuwagens informiert. Der klagte gegen den Verband - und verlor nun.
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Gefährliches Pokerspiel
Beim Blick auf die vielen Einlassungen, die Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) rund um den Ukraine-Konflikt abgibt, fehlt es an einer klaren Linie. Einerseits sei der Konflikt nicht militärisch zu lösen, andererseits kündigt Lambrecht eine »kraftvolle und deutliche« Antwort auf den drastischen Bruch des Völkerrechts an. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz, präsentierte Lambrecht die Bundeswehr am vergangenen Sonntag dann quasi an der Kapazitätsgrenze und forderte mehr Geld. Über eine Etataufstockung redete am Mittwoch im Bundeskabinett dann aber niemand. Ein Pokerspiel darüber, wie weit sich Deutschland militärisch in den immer weiter eskalierenden Konflikt mit Russland einbringen wird? Während sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in militärischen Fragen zurückhalten, irrlichtert Lambrecht zwischen Budgetforderung und Drohung sowie der Prüfung, was militärisch überhaupt möglich ist. Dass die Ministerin scheinbar nicht weiß, was die Armee kann, wirkt unsouverän. Dass sie Russland über das deutsche Militärpotenzial im Unklaren lässt, ist fahrlässig und gefährlich. Über mehr Militär in der eskalierenden Krise zu spekulieren, heizt den Konflikt nur weiter an.
Daniel Lücking
Militärisch stark antworten oder doch erst um Budgetaufstockung bitten? Was hat Christine Lambrecht mit der Armee im Ukraine-Konflikt vor? Dass sie Russland über das deutsche Militärpotenzial im Unklaren lässt, ist fahrlässig und gefährlich.
Annalena Baerbock, Christine Lambrecht, Die Grünen, Olaf Scholz, SPD, Ukraine
Meinung
Kommentare Ukraine-Konflikt
2022-02-23T16:08:00+0100
2022-02-23T16:08:00+0100
2022-02-25T18:11:15+0100
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