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1 | Aktion von Gegnern der Stadtaufwertung: Freiburg sucht den Hausbesetzer
Mit einer Freiraum-Show geißeln Kritiker der Gentrifizierung den Leerstand. Am Wochenende steht das Finale der potenziellen Hausbesetzer an.
Nach dem Vorbild von Dieter Bohlen werden Häuser zum Besetzen gecastet. Bild: http://supersquat.org
BERLIN taz Das Blondchen in der Jury hat die Haare, der andere Typ das Aussehen wie Dieter Bohlen. Er hat eine Pappmaske vor dem Gesicht, mit dem Konterfei von Deutschlands nervigem Chef-Auswähler darauf. Im Hintergrund prangt das pinke Logo, das in dieser Sendung Programm ist: "Freiburg sucht den Supersquat".
Ein kleiner Unterschied zum Original: Diese Sendung hier spielt nicht im Privatfernsehen, sondern kursiert derzeit in rotzig gedrehten Videos im Internet. Und nicht die schönsten Stimmen Freiburgs sollen den Wettbewerb gewinnen, sondern das leerstehende Hausobjekt, das in der Stadt am besten und nachhaltigsten zu besetzen ist. In Freiburg sind "Freiraumtage". Und dieses Mal sind es besondere.
Denn die Gegner der Stadtaufwertung haben eine Methode entdeckt, mit der ein altes Thema - Leerstand, Freiraum, Hausbesetzung - neu verpackt werden kann: "Aus acht Schmuckstücken des Freiburger Leerstandes bestimmst du und unsere hochqualifizierte Jury, welches Objekt es am meisten verdient hat, seinem eigentlich menschlichen Zweck zurückgeführt zu werden", heißt es in der Online-Show zu den "Recht auf Stadt"-Tagen, die seit Mittwoch von zahlreichen politischen Gruppen in Freiburg zelebriert werden und noch bis Sonntag anhalten sollen. Die große Frage dabei ist: Wie wird das Finale ausgehen?
Freiburg sucht den Supersquat - Runde 3! from P.H.A. Infotainment on Vimeo.
Mit Diskussionen, Workshops und einer so genannten Nachttanzdemo, mit einer Fahrraddemonstration, einem rollenden Umsonstladen und einem "Plenum von unten" sollen die Bewohnerinnen und Bewohner der baden-württembergischen Öko-Stadt Freiburg in den kommenden Tagen für eine soziale Schieflage sensibilisiert werden, die die Organisatoren in der Miet- und Stadtentwicklungspolitik ausmachen wollen.
Damit schließt sich die Freiburger Initiative einer Kampagne an, die in der linken Szene derzeit bundesweit diskutiert wird: Die Hamburger "Recht auf Stadt"-Kampagne, unter deren Dach linksradikale Aktivisten gemeinsam mit Kleingärtnern ein breites Bündnis gegen die städtische Aufwertungspolitik geschmiedet haben.
Freiburg hat eine bunte Hausbesetzerszene
In einigen Großstädten wird derzeit versucht, an die erfolgreiche Hamburger Kampagne anzuknüpfen. So etwa in Berlin, wo der geplante flächenmäßige Umbau des Spreeufers über Jahre zu anhaltenden Protesten geführt hatte und im Februar ein symbolträchtigt besetztes Haus von tausenden Polizisten geräumt worden war. Oder in Köln, wo Aktivisten im letzten Jahr ein Gebäude besetzt und ein "Autonomes Zentrum" ausgerufen hatten, das seitdem wiederholt vor der Räumung stand.
In Freiburg, wo sich seit Anfang März verschiedene Gruppen im neuen Netzwerk "Recht auf Stadt" zusammengeschlossen haben, soll nun der Effektivitätsbeweis erfolgen. Denn in der Stadt, die auf eine bunte Geschichte der Hausbesetzungen und alternativen Wohnprojekte zurückblicken kann, steht derzeit das selbstverwaltete Kunst-, Kultur- und Wagenkollektiv "Kommando Rhino" vor der Räumung.
Freiburg sucht den Supersquat - Runde 1! from P.H.A. Infotainment on Vimeo.
Und auch die Zukunft der Wagenburg "Schattenparker" ist laut einem Aktivisten unklar, weil nicht sicher ist, wie häufig und wie lange noch Duldungen für das Projekt erteilt werden. Deshalb will das Netzwerk nun in die Offensive gehen: "Wir wollen darstellen, warum die Methode der Besetzung ein interessanter Ansatz ist. Viele Projekte in legaler Nutzung sind in der Vergangenheit schließlich gescheitert", sagt ein Aktivist, der namentlich nicht genannt werden will. Er arbeitet für P.H.A.-Infotainment - das steht für "Plätze. Häuser.Alles".
"Da der Mensch ein träges Lebewesen ist", erklärt der P.H.A.-Aktivist, "bedienen wir uns dabei frei und ungeniert am derzeit erfolgreichsten Opium fürs Volk: pseudointeraktive Fernsehshows." Und so hoffen die Realitätsprouzenten, "dass die Show auch für andere Städte ein Vorbild sein kann." Denn wie schon bei Dieter Bohlen soll die Show reale Konsequenzen haben: Vier Objekte sind inzwischen im Finale, das an diesem Wochenende folgt. "Was bei diesem Finale passiert, das kann ja nur von unten passieren", sagt einer der Organisatoren. Anzunehmen ist, dass es ein sehr aktives Finale sein wird. Nicht nur im Internet. Sondern in einem von vier Objekten. | 500 |
0 | Um vier Uhr morgens fuhr ich schon. Unterwegs las ich die Zeilen Antoines.
Es mußte ein Dialekt sein. Denn ich verstand sie nicht. Später mußte ich
wieder an den Grafen Perdican denken. Er war ein lieber Freund. Sein Tod
hatte ungemeine Sensation gemacht. Drei Tage nach seiner Beisetzung sah
man, daß sein Partner, dessen Wechsel er nicht einlösen konnte, Karten aus
einer doppelten Manschette schüttelte. Man verband damals noch andere
seltsame Themen mit seinem Namen. Es war eigentlich lächerlich, daß wir uns
damit begnügten, ihm das Wort abzuverlangen. Es war geradezu widersinnig.
Damals hatte niemand hieran gedacht. | 501 |
0 | Für den Teig die Hefe mit dem Wasser verrühren und fünf Minuten stehen lassen. Danach zum Mehl geben und gemeinsam mit Joghurt, Salz, Zucker und Öl in ca. sieben Minuten geschmeidig kneten. Eine Schüssel mit Öl ausfetten und den Teig dort hineingeben. Die Oberfläche ebenfalls mit Öl benetzen. Den Teig bei Zimmertemperatur 60 Minuten gehen lassen.Den Teig anschließend in zwei (oder vier) Teile schneiden und alle Teile jeweils zu einer Kugel kneten. Auf einer bemehlten Arbeitsfläche jede Kugel oval ausrollen. Die fertigen Stücke auf ein Backblech legen. Reichlich mit Käse belegen und zu Schiffchen formen. Auf den Käse kommen noch einige Scheiben Sucuk. Die Ränder des Teigs mit dem verquirlten Ei bestreichen.Dann kommt alles bei 200 °C Ober-/Unterhitze für ca. 15 Minuten in den vorgeheizten Backofen.Noch warm genießen. | 502 |
0 | dpa
Bayern - Leipzig
Sonntag, 06.12.2020, 09:31
FC Bayern in der Einzelkritik. In einem wilden Bundesligaspiel trennen sich die Münchner mit 3:3 von RB Leipzig. Kingsley Coman mit drei Assists und Thomas Müller mit zwei Toren überragen - auf der Gegenseite enttäuschen Leroy Sané und die Bayern-Defensive um David Alaba.
Das Spitzenspiel der Bundesliga endet leistungsgerecht mit einem 3:3-Unentschieden. Gegen starke Leipziger kommt der FC Bayern nicht über ein Remis hinaus. Die AZ-Einzelkritik:
Neuer zu spät, Boateng und Süle ganz schwach
Manuel Neuer, Note 4: Der Keeper hatte Glück, dass Sabitzers Distanzschuss auf die Latte klatschte und nicht ins Tor flog (2.). Mit schlechtem Timing vor dem 0:1, als er außerhalb seines Tores von Nkunku umdribbelt wurde. Bei den weiteren RB-Treffern chancenlos.
Benjamin Pavard, Note 4: In der Defensive zunächst der stabilste Bayer, offensiv mit einer besonderen Duftmarke: Seinen Fernschuss Richtung Winkel lenkte Gulasci noch zur Ecke (28.). Ließ in der zweiten Halbzeit nach, konnte die Flanke vor dem 2:3 nicht verhindern.
/ via Mladen Lackovic
Bayern - Leipzig
Jerome Boateng, Note 5: Hatte mit den schnellen und beweglichen Leipzig-Angreifern große Mühe. Vor dem 2:2 hob Boateng das Abseits auf, bei Forsbergs 2:3 war er viel zu weit weg vom Mann. Einer seiner schwächsten Auftritte in dieser Saison.
Niklas Süle, Note 5: Sah bei beiden Gegentoren in der ersten Halbzeit nicht gut aus, das galt allerdings auch für seine Nebenleute. Nach dem 0:1 diskutierte er mit Flick. Süles lange Pässe kamen oft bei den Leipzigern an. Ganz unglücklicher Abend für ihn.
Alaba mit großen Problemen, Martinez früh verletzt
David Alaba, Note 5: Der Österreicher verteidigte links, weil Hernández (Oberschenkelprobleme) kurzfristig passen musste. Die meisten RB-Angriffe liefen über seine Seite. Alaba hatte Probleme, zu folgen. Nach vorne immerhin mit einigen Impulsen, insgesamt aber enttäuschend.
dpa
Bayern - Leipzig
Javi Martinez, ohne Note: Großes Pech für den Spanier. Bereits in der 25. Minute musste er verletzt ausgewechselt werden, offenbar wegen Leistenproblemen. Musiala kam ins Spiel.
Leon Goretzka, Note 4: In Abwesenheit von Joshua Kimmich der alleinige Mittelfeld-Chef. Versuchte, das Spiel zu ordnen, lief sich immer wieder frei. Nach vorne aber ohne die gewohnte Durchschlagskraft. In der zweiten Halbzeit blass.
Sané ein Totalausfall, Müller und Coman beste Bayern
Leroy Sané, Note 5: Etwas überraschend bekam der Star-Neuzugang den Vorzug vor Gnabry. Doch Sané enttäuschte erneut. Kaum zu sehen vor dem Seitenwechsel, zeigte ein einziges dynamisches Dribbling (45.). Vor dem 2:3 wirkte er teilnahmslos. Wurde ausgewechselt.
dpa
Bayern - Leipzig
Thomas Müller, Note 2: Sehr präsent, läuferisch und verbal. Hatte vor Musialas 1:1 seine Füße im Spiel, traf dann selbst eiskalt aus kurzer Distanz zum zwischenzeitlichen 2:1 (35.). Als Organisator auf dem Platz unverzichtbar. Und als Torschütze: Köpfte zum 3:3 ein (75.). Stark!
Kingsley Coman, Note 2: In der Anfangsphase der gefährlichste Außenstürmer der Münchner - wie schon in den vergangenen Wochen. Dann mit einem Ballverlust im Mittelfeld (13.), der nicht bestraft wurde. Wegbereiter des 1:1 und dann auch mit den Vorlagen zu Müllers 2:1 und 3:3. Comans Assist-Dreierpack.
Musiala sticht sogar farblosen Lewandowski aus
Robert Lewandowski, Note 4: Bayerns Superstürmer bekam von Leipzigs Abwehrkanten Upamecano und Konaté mächtig auf die Socken. Wichtig, wie er vor dem 2:1 den Ball behauptete. Sonst aber glücklos. Hatte kaum einmal gefährliche Aktionen im Strafraum. Das kennt man ganz anders von Lewy.
dpa
Musiala trifft gegen Leipzig
Jamal Musiala, Note 2: Der 17-Jährige wurde früh für Martínez eingewechselt und rückte neben Goretzka auf die Doppelsechs. Es wurde offensiver - und wie! Nach Pass von Coman knallte der Youngster den Ball aus 18 Metern zum 1:1 ins Netz (30.). Tolles Tor. Auch danach sehr bemüht, spielte manchmal zu kompliziert.
Serge Gnabry, Note 3: Für den wirkungslosen Sané eingewechselt (64.), er sollte noch mal Schwung bringen. Das gelang Gnabry, der in den vergangenen Wochen nur selten überzeugte. Sehr engagiert. Ein Tor gelang ihm nicht mehr.
Chris Richards, ohne Note: In der 83. Minute für Boateng eingewechselt, rückte in die Innenverteidigung. Agierte ohne Fehler.
Douglas Costa, ohne Note: Der Brasilianer kam für Coman in die Partie (83.). Ein paar nette Dribblings, aber die Genauigkeit fehlte.
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Spektakuläres Topspiel in der Bundesliga. Der FC Bayern München liegt zweimal gegen RB Leipzig zurück, rettet durch einen Doppelpack von Thomas Müller aber zumindest ein Unentschieden - und behauptet auch die Tabellenführung vor den Sachsen. Alle Infos zum Nachlesen im Ticker.
Bayern-Boss Rummenigge knöpft sich den DFB vor: "Zu viel Bierhoff und zu wenig Löw"
Karl-Heinz Rummenigge bemängelt das Krisenmanagement des Deutschen Fußball-Bundes im Fall Joachim Löw deutlich. Dem Bayern-Boss ist DFB-Direktor Bierhoff derzeit zu präsent. Statt des Bundestrainers legt Bierhoff die sportliche Analyse nach dem desolaten 0:6 in Spanien vor.
Wieder kein Sieg: BVB patzt auch gegen Frankfurt und lässt erneut Punkte liegen
Nächster Rückschlag für Borussia Dortmund in der Bundesliga. Der BVB spielt bei Eintracht Frankfurt nach einer schwachen Vorstellung nur 1:1. Daichi Kamada bringt die Hessen in Führung. Giovanni Reyna gleicht nach dem Seitenwechsel für den BVB aus. Das Spiel im Ticker.
Das Original zu diesem Beitrag "Sané, Boateng, Süle und Alaba ganz schwach - Müller und Coman glänzen" stammt von Abendzeitung.
Abendzeitung | 503 |
0 | Punk-Erfinder The Sonics: Strychnin feiern, Psycho besingen
Nach über 30 Jahren feiert die amerikanische Garagenrockband The Sonics ihre Reunion. Am Wochenende geben sie in London ihr allererstes Europa-Konzert.
Iros hoch: The Sonics kommen. Bild: dpa
Große Konzerte verlangen nach großen Hallen. Wenn aber Legenden auferstehen, darf der Ort bescheiden sein, Hauptsache, er verfügt über Charakter - der Rest ist dann beinahe egal. So gesehen hätte der Ort kaum besser gewählt sein können. Im Warsaw, einem Club am Rande des hippen Bezirks Williamsburg im New Yorker Stadtteil Brooklyn, hatten sich kürzlich einige hundert Fans aus mehreren Erdteilen versammelt. Der Anlass war gleichzeitig ein Paradoxon. Mit den Sonics stand die Urzelle des Garagenpunk nach 30 Jahren wieder auf einer Bühne. Und zum ersten Mal war es eine Bühne von überregionaler Bedeutung.
Das erste Europa-Konzert der Sonics am morgigen Freitag in London ist bereits ausverkauft, für die Wiederholung am Sonntag gibt es noch Karten. Schon bei der Wiedervereinigung vor einigen Wochen in New York musste man Schlange stehen. Die Lederjacken und Parkas im Publikum hatten zwar sichtlich Patina angesetzt, und manch einer schien sie eigens für diesen Abend wieder aus dem Schrank geholt zu haben. Aber auch die jungen Fashion-Punks waren erschienen. Die Band selbst ist deutlich ergraut und Frontmann Rob Lind trägt zur Bundfaltenhose ein auberginefarbenes Hemd. Eine denkbar unglamouröse Angestelltenkluft - als wollte er sagen: Die Sonics brauchen sich nicht als Rockstars zu verkleiden. Sie sind schon welche.
Ihren legendären Ruf als ultimative Garagenband begründeten die fünf Jungs aus Tacoma vor Jahrzehnten. 1960 hatte der Gitarrist Larry Parypa in einem Kaff nahe Seattle ein paar Musiker um sich versammelt, um die damals so angesagte Surfmusik zu spielen. Nach drei Jahren stieß der Keyboarder Jerry Rosalie dazu. Die eigentliche Geburtsstunde der Sonics schlug erst Jahre nach ihrer formellen Gründung. Es war der Moment, an dem Rosalie das erste Mal den Mund auftat, um zu singen. Genau genommen sang er gar nicht. Der Sechzehnjährige schrie seine Texte vielmehr heraus mit einer Stimme, die klang, als würde ein entfesselter Irrer in ein Megafon hineinbrüllen. Einige der besten Sonics-Stücke beginnen mit diesem Urschrei des Rock n Roll, einem schrillen, ekstatischen Kreischen oder einem fauchend herausgepressten "Wow!".
Die Vorliebe der weißen Jungs aus dem Staate Washington galt dem schwarzem Rythm & Blues. Doch anders als die Blue-Eyed-Soul-Bands ihrer Zeit hielten sie sich nicht mit Imitaten auf. Sie schickten die Musik durch die Vorhölle eines Verstärkers und zerhackten sie dort zu Schreien und Geräuschen. Ihre Songs tauften sie auf möglichst dämonische Namen. Die erste Single, 1964 auf dem kleinen Platten-Label Etiquette erschienen, hieß "The Witch", der Nachfolger "Psycho". Der Erfolg war bescheiden: "Psycho" wurde nach einem Konzert in der Tacomas Curtis High School ein regionaler Hit. Etliche Radiostationen weigerten sich, Songs zu spielen, die unter anderem den Verzehr von Strychnin vorschlugen ("Some folks like water, some folks like wine, but I like the taste of straight strychnine").
Nach zwei Langspielplatten und hinteren Platzierungen in den Hitparaden lokaler Radiostationen in Cleveland, Ohio, misslang der Versuch, mit einem neuen Plattenvertrag die wilden Jungs zur massentauglichen Band zu zähmen. Die dritte LP "Introducing The Sonics" floppte 1967, die Band zerstritt sich über Nichtigkeiten und löste sich auf, bevor sie irgendeine Bekanntheit erlangt hatte. Erst als im Jahr 1977 unter dem Begriff Punk eine nachwachsende Generation aggressiver Dilettanten die Saiten kreischen ließ, erinnerten sich manche daran, dass es all dies schon einmal gegeben hatte. Ihren späten Weltruhm erlangten die Sonics erst auf Wiederveröffentlichungen. Nicht wenige halten sie für die erste echte Punkband, Jimi Hendrix zählte sich ebenso zu ihren Fans wie Kurt Cobain, und der Seattle-Sound wäre ohne das Erbe der Sonics vermutlich nicht denkbar.
Diese Bürde der Popgeschichte, der Ruf der lebenden Legende, lastete schwer auf dem New Yorker Konzert. Dem Vergleich mit ihren jüngeren Erben hält die ewig junge Musik locker stand. Die Sonics haben ein größeres Problem: Sie müssen sich an sich selber messen. Keine leichte Aufgabe, denn von der Originalbesetzung sind nur noch Gitarrist Larry Parypa, Saxofonist Rob Lind und der geniale Schreihals und Songschreiber Jerry Rosalie dabei, drei Musiker mussten ersetzt werden. Doch als der erste Akkord von "Boss Hoss" aus dem Verstärker dröhnte, riss es hunderte Arme in die Luft. Rosalies Stimme ist noch stets ein Naturereignis. Der Fender-Bass ist noch der alte, auch der Sound klingt beinahe wie vom Vinyl. Irgendwann stürzte ein Boxenturm ins Publikum vor der Bühne. Genau so könnte es damals bei den Konzerten im Red Carpet oder im Spanish Castle Ballroom auch zugegangen sein.
Natürlich stehen hier keine Highschool-Kids mehr auf der Bühne, Rosalies frenetische Schreie fehlen. Im Publikum nimmt das niemand übel, der Mann hat bereits eine Herztransplantation und eine schwere Nierenoperation hinter sich. Über dem historischen Moment, der sich nun auch in Europa ereignen soll, liegt daher eine gewisse Tragik. Das Problem der Band war niemals ihre Musik - sondern ihr Timing. Damals, in den Sechzigern waren die Sonics ihrer Zeit um mindestens zehn Jahre voraus. Heute, im 21. Jahrhundert, ist es für sie gut dreißig Jahre zu spät. | 504 |
0 | »Teufel!« schrie er. »Hast du es gesehen? Ein verteufeltes Tier, einen
Schwanz wie eine Fahne! Und -- ratsch! -- wie geschickt den Baum hinauf.
Rings herum -- holla! Dort sitzt es. Siehst du? Ein Eichhörnchen. Weiß der
Himmel, ein feines, listiges und kluges Tierchen. Hab viele Jahre keins
gesehen. Ah! -- ha -- ha -- es flog!! Flog von einem Baum zum andern, gute
fünf Meter unter Brüdern!« | 505 |
1 | Justiz in Bayern: Rechtsradikaler bald Richter?
Ein Jurist zieht nach Bayern. In Brandenburg war er als Rechtsextremist bekannt. Die Info soll im Februar übergeben worden sein. In Bayern ist man überrascht.
Braunes Werkzeug. Bild: dpa
POTSDAM dpa | Die bayerische Justiz hat möglicherweise einen Rechtsradikalen zum Richter berufen. Ein Zivilrichter in Probezeit am Amtsgericht im oberfränkischen Lichtenfels wird deshalb auf seine Vergangenheit hin überprüft, wie ein Sprecher des Landesjustizministeriums in München mitteilte.
Auch der bayerische Verfassungsschutz ist eingeschaltet. Dieser soll nach Angaben des brandenburgischen Innenministeriums aber bereits im Februar über den aus Brandenburg in den Süden gezogenen Mann informiert worden sein.
Den Brandenburger Sicherheitsbehörden war der Mann nach den Angaben seit Jahren als aktiver Rechtsextremist bekannt. Erstmals wurde er im Verfassungsschutzbericht 2003 mit seiner Band „Hassgesang“ erwähnt, dann auch in den folgenden Jahren bis 2013.
Der Jurist soll in seinen Liedern antisemitische Botschaften verbreitet haben. Laut Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg gilt er als Hintermann des 2012 verbotenen rechtsextremistischen Vereins „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“.
Bayern will nun „unverzüglich die rechtlich möglichen Konsequenzen“ ziehen, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Nach den Angaben aus Bayern erfolgt eine Abfrage beim Landesamt nur, wenn Zweifel an der freiheitlich demokratischen Einstellung des Bewerbers bestünden. | 506 |
0 | Taaffe, Eduard, Graf, österreich. Staatsmann, geb.
24. Febr. 1833 zu Prag aus irischem Geschlecht, Sohn des Ministers
von 1848, sodann Präsidenten des obersten Gerichtshofs, Grafen
Ludwig Patrick T. (geb. 23. Dez. 1791, gest. 21. Dez. 1855), ward
mit dem jetzigen Kaiser erzogen, trat 1857 in den Staatsdienst und
durchlief sehr schnell die Stufen der Beamtenlaufbahn. 1861 noch
Statthaltereisekretär, ward T. Ende 1861 Statthaltereirat und
Vorsitzender der Kreisbehörde in Prag. Im April 1863 wurde er
zum Landeschef im Herzogtum Salzburg, im Januar 1867 zum
Statthalter in Oberösterreich, 7. März d. J. nach
Belcredis Sturz zum Minister der innern Angelegenheiten ernannt. T.
hatte bereits 1865-66 dem Landtag Böhmens als Abgeordneter
angehört und damals zur verfassungstreuen Partei gestanden;
Ende März 1867 wählte ihn der fideikommissarische
Grundbesitz Böhmens zu seinem Vertreter im Landtag, und im
April wurde er Mitglied des Reichsrats. Als es sich im Dezember
1867 darum handelte, für die Länder diesseit der Leitha
ein parlamentarisches Ministerium zu berufen, wurde T. Minister der
Landesverteidigung und öffentlichen Sicherheit sowie
Stellvertreter des Ministerpräsidenten Carlos Auersperg. Als
dieser im Herbst 1869 zurücktrat, war T. bis 15. Jan. 1870
Ministerpräsident. Vom 12. April 1870 bis 7. Febr. 1871 war er
wieder Minister des Innern und wurde darauf zum Statthalter von
Tirol ernannt. Nach dem Rücktritt des Ministeriums Auersperg
wurde T. im Februar 1879 Minister des Innern und 12. Aug.
Ministerpräsident und bezeichnete 5. Dez. die "Versöhnung
der Nationalitäten" als sein Ziel. Nachdem sein Versuch, eine
Mittelpartei zu bilden, gescheitert war, stützte er sich ganz
auf die Ultramontanen, Polen und Tschechen, behauptete sich zwar
trotz mancher Ministerwechsel, mußte aber seinen
Anhängern wichtige Zugeständnisse in der Sprachenfrage,
in materiellen Punkten und in der Volksschulsache machen, wodurch
er die liberalen Deutschen gegen sich erbitterte, ohne doch die
slawischen Ansprüche zu befriedigen. | 507 |
1 | Die Veranstaltungsreihe „Open Air am Checkpoint Charlie“ der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb startet am 15. August um 19 Uhr mit dem Hörspielabend „Rolli und die Rockonauten – Als die Mauer den Rock 'n' Roll spalten wollte“. Durch den Abend in der Beachbar Charlies Beach in Berlin führt der radioeins-Moderator MC Lücke. Ein Musikabend mit Christiane Rösinger und eine Lesung mit Marion Brasch setzen die Reihe fort. Die Geschichte des Kalten Krieges in Europa vermitteln die Vorführungen von fünf Filmen unter anderem aus der Reihe „The Celluloid Curtain – Europe's Cold War in Film“.
Das 12-teilige Hörspiel "Rolli und die Rockonauten – Als die Mauer den Rock ’n’ Roll spalten wollte" erzählt DDR-Alltagsgeschichte aus der Perspektive von vier Jugendlichen, die durch ihre Begeisterung für die Rock ’n’ Roll-Musik mit der DDR-Führung in Konflikt geraten. Moderator MC Lücke wird das Hörspiel um alte Hits und unbekannte Lieder und Hintergrundinformationen ergänzen. MC Lücke, selbst Berliner, ist seit 1987 beim Radio. Seit 2007 ist er Teil des radioeins-Teams und moderiert dort unter anderem die Sendung "Rock 'n' Roll Radio". Das bpb-Hörspiel kann kostenlos unter www.bpb.de/44032 heruntergeladen werden.
Die Veranstaltungsreihe beschäftigt sich von Mitte August bis Anfang Oktober 2012 mit Leben und Gesellschaft im geteilten Berlin. Unter freiem Himmel werden in Lesungen, Musikabenden oder Hörspielen alltagshistorische Themen wie Musik, Familie oder die Beziehung zum Westen aufgegriffen. Am 30. August findet die zweite Veranstaltung der Reihe statt: ein Musikabend mit der Musikerin und Journalistin Christiane Rösinger. Die Autorin Marion Brasch liest aus ihrem Roman „Ab jetzt ist Ruhe!“ am 27. September.
Filmvorführungen setzen außerdem inhaltliche Schwerpunkte: Auf der Freifläche am Checkpoint Charlie werden neben Klassikern wie „Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben“ auch Filme aus der Reihe „The Celluloid Curtain – Europe's Cold War in Film“ gezeigt. Die Werke entstanden in den Jahren 1969-1966 auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Mal humoristisch, mal ernst werden so europäische und internationale filmisch-künstlerische Wahrnehmungen dieser dramatischen Zeit präsentiert.
Alle Informationen zum Hörspiel-Abend unter Externer Link: www.bpb.de/141866 Die Termine der Filmvorführungen unter Externer Link: www.bpb.de/142258 Alle Termine der Veranstaltungsreihe in Kürze unter Externer Link: www.bpb.de/veranstaltungen
Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist kostenlos.
Pressekontakt
Bundeszentrale für politische Bildung Daniel Kraft Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: [email protected] Externer Link: www.bpb.de/presse Interner Link: Pressemitteilung als PDF | 508 |
1 | Paris nach der Wahlnacht: Ein mehrfach gespaltenes Land
Am Tag nach der Wahl gehen tausende Linke gegen Macron auf die Straße. Andere geben dem Neuen eine Chance. Ein Stimmungsbild aus Paris.
Steht das Volk zu ihm? Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron Foto: reuters
PARIS taz | Während sie erleichtert das Tanzbein schwingt, schreitet er regelrecht monarchisch den Hof des Louvre ab. Es ist 22.33 Uhr am Sonntagabend in Paris und „Le Kid“, wie Frankreich ihn nennt, hat es geschafft. Ganz alleine nimmt er zur Beethoven’schen Europahymne „Ode an die Freude“ Kurs auf die Staatspräsidentschaft.
Marine Le Pen wirbelt derweil zu Rock’n’ Roll im Bois de Vincennes ihren Lebensgefährten Louis Ailot vor den Kameras herum – hat sie die Macht eigentlich wirklich gewollt? Kurz nach 20 Uhr hat sie bereits ihre Niederlage eingestanden, eine Neuausrichtung des Front National angekündigt, was immer das auch heißen mag, und sie will den Parteinamen ändern. So viel zum Etikettenschwindel.
Im Hof des Louvre dauert Macrons einsamer Gang vier Minuten, und man kann sich jetzt schon vorstellen, dass er noch oft allein sein wird, umzingelt von den verschiedensten Interessengruppen. Denn Frankreich ist nach dieser Entscheidung ein mehrfach gespaltenes Land. Jeder dritte Franzose, jede dritte Französin hat den reaktionären, rechtsextremen Front National gewählt, auch wenn Marine Le Pen nur noch in 2 von 101 Départements gesiegt hat.
Und Macron weiß auch, dass mindestens zwei Drittel seiner Wählerschaft aus Verlegenheit für ihn gestimmt hat, nicht aus Überzeugung. „Ich verstehe die Vorbehalte … ich will ein Präsident für Sie alle werden“, gibt der 39-Jährige treuherzig zu Protokoll – vor der Kulisse der gläsernen Louvrepyramide und während der Siegesfeier mit rund 30.000 Anhängern, sehr viele von ihnen unter 35.
Alles andere als ruhig
Am Tag danach, wegen der Siegesfeiern zum 8. Mai 1945 ein Ruhetag in ganz Frankreich, ist die Stimmung alles andere als ruhig. Gefühlt an sämtlichen Fronten wird weiter debattiert, ob öffentlich oder privat. Mit wem macht Macron ab nächste Woche seine Regierung? Wer wird Premierminister? Und wie stellt sich En marche! für die Parlamentswahlen im Juni auf?
Sogar die Sonne hat sich ganz kurz für diesen Politmarathon ins Zeug gelegt, nach einem komplett grauen Nieselsonntag nimmt sie am Montag die Parade am Arc de Triomphe ab. Dort legen Macron und Hollande gemeinsam einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten ab, und dort sieht der Neue den Alten, seinen früheren Chef, wortlos an, als wolle er sagen: „Nimm’s nicht persönlich, aber das musste jetzt sein.“
Musste das wirklich sein? Für militante Anhänger des im ersten Wahlgang mit fast 20 Prozent der Stimmen unterlegenen Linken Jean-Luc Mélénchon, hätte die Wahl Macrons gar nicht erst passieren dürfen. Ihre Antwort lautet am Montagabend im linksalternativen Pariser Viertel Ménilmontant und in anderen französischen Großstädten: vermummter Rabatz mit der Polizei, eingeworfene Schaufensterscheiben, über 140 Festnahmen allein in Paris.
An der nicht weit von Ménilmontant entfernten Place de la République, einer der symbolischen linken Sammlungsorte der Hauptstadt, bleibt es dagegen ruhig. Unter der Statue der gusseisernen Marianne sitzt bei Dosenbier Elise Piat, es ist kurz nach Mitternacht am Montag, und knapp über Elise prangt ein giftgrünes Graffito „Nique le FN!“ – Fick dich, Front National!“ Piat, Doktorandin der Geografie, Ende 20, freut sich über Macrons Sieg, auch wenn er nicht wirklich für das stehe, was sie sich an politischer Gestaltung vorstelle. „Linksliberal ist er nun wirklich nicht, wie es so oft heißt.“
Genug vom ständigen Stillstand
Nein, Macron sei neoliberal – sozialliberal, „wenn’s hochkommt. Ein Zögling Hollandes eben, aber dann wieder denk ich: Hey, der ist jung, meine Generation, warum geben wir ihm nicht einfach eine Chance?“ Viel zu oft sei es eben so in Frankreich, „dass ständiges Herumkritteln zu Stillstand und Pessimismus führe. Und die beiden hatten wir jetzt lange genug.“
Dieses Gefühl zieht sich auch durch die kreischend laute Wahlparty Macrons am Louvre, die von mediokrer Dancefloormucke unterlegt ist. Musikalisch hätte die Jugend Besseres verdient, aber nun gut. Auffällig am Sonntagabend: Nicht wenige Frauen mit Kopftuch sind unterwegs, Macron zu feiern.
Malika Hadji hat marokkanische Wurzeln, lebt im Pariser Vorort La Défense. Die Hausfrau, angetan mit Europa- und Frankreichfahne, ist samt Kindern gekommen. Der achtjährige Said turnt auf einem Laternenpfahl herum, um den Sieger besser erspähen zu können. Hadji hält ihre Tochter Aicha fest im Arm. „Hoffentlich entspannt sich mit Macron die Situation für uns Muslime im Land. Ich bin es leid, ständig auf mein Kopftuch verwiesen zu werden. Wir brauchen wieder die wirkliche Trennung von Staat und Kirche. Mein Kopftuch geht nur mich was an.“
Boris Labris ist da ganz anderer Ansicht. Als überzeugter Le-Pen-Anhänger prophezeit der 41-jährige Techniker einen Sieg Le Pens 2022, „denn die Leute werden sich noch umschauen: Macron fährt Frankreich gegen die Wand.“ Warum er ausgerechnet auf dessen Wahlparty ist? „Bei ihm kannst du gut tanzen! Auch wenn du von Schwachköpfen umgeben bist.“
Boris Labris, Le Pen-Anhänger„Bei ihm kannst du gut tanzen! Auch wenn du von Schwachköpfen umgeben bist“
Dort, wo tief unter dem Rednerpult von Macron, im Einkaufszentrum Carrousel de Louvre, im Februar noch eine terroristische Messerattacke stattgefunden hatte, dort laufen die Anhänger von En marche wie junge Hunde am Sonntag hinein ins Rund. Auf France 2 spricht derweil eine sichtlich erleichterte Ségolène Royal, die Exfrau von François Hollande und noch sozialistische Umweltministerin, von „einem überfälligen Generationenwechsel“.
„Wir sind offen für alle bei Sozialisten und Konservativen, die nach vorne wollen“, betont denn auch gestern Christophe Castaner, der Sprecher von Macron. Selbst eine doppelte Parteimitgliedschaft sei möglich, wenn man sich nur verpflichte, unter dem „En marche!“-Logo im Juni in die Nationalversammlung einzuziehen. Ungewohnte Töne der Öffnung und der Flexibilität, aber um zum Regieren mindestens 289 der 577 Sitze in der Nationalversammlung zu kriegen, bleibt Macron und den Seinen nichts anderes übrig.
Gegenwind der Straße, zumindest von einem Teil der mächtigen französischen Gewerkschaftsbewegung, gibt es sofort am Montagnachmittag auf der Place de la République. Sogar nach dem Amtsantritt von Sarkozy 2007 dauerte es ein paar Tage, bis wieder demonstriert wurde. Doch jetzt: „Macron, wir gehen dir brutal an den Kragen!“ heißt es auf Plakaten, „Wir lassen uns nicht verarschen!“, aber auch „Nur die Liebe rettet den Planeten!“
Elise Piat, Geografie-Doktorandin„Macron ist neoliberal – sozialliberal, wenn’s hochkommt. Ein Zögling Hollandes eben, aber dann wieder denk ich: Hey, der ist jung, meine Generation, warum geben wir ihm nicht einfach eine Chance?“
Der altbekannte „Front social“, ein Kollektiv verschiedener ultralinker GewerkschafterInnen, hat zum Protest aufgerufen – nicht aber die Spitzen der großen Gewerkschaften, wie die CGT, die sich für Macron ausgesprochen hatte. Rund 2.500 Menschen sind gekommen, erwartet hatte man mehr.
„Macron wird aus dem Stand mit Erlassen und nicht mit Parlamentsbeschlüssen regieren. Und er wird ultraneoliberal das momentan ausgesetzte Arbeitsmarktgesetz durchdrücken, die Arbeitslosenversicherung kürzen“, warnt Mark Dagobert, 40, und Anhänger einer trotzkistischen Pariser Gruppe. „Wenn sich die echten Linken nicht zusammentun, sind wir weg vom Fenster.“ Was Frankreich jetzt braucht? „Auf jeden Fall keine Vorschusslorbeeren, keine Schonung für Macron.“ Dagobert verkauft die Zeitung Toute la Vérité“ – Die ganze Wahrheit – für 1 Euro. „Die ganze Welt braucht eine Revolution, der Kapitalismus ist am Ende.“
Wie aber hatte Macron noch kurz zuvor am Louvre aus seinem, in guten Momenten Kennedy’schen Charme Kapital geschlagen? „Das ist eben Frankreich, so was völlig Unerwartetes wie meine Wahl kann nur in Frankreich passieren.“ Die Dankesmail an seine Fans in der Siegesnacht lautete dann schlicht: „Tout commence“. Alles auf Anfang. Wenn es doch nur so einfach wäre! | 509 |
0 | Die Alte war in derselben Nacht nach Hause gekommen; sie verzehrte mit
großer Gier die Speise, welche sie auf dem Tische fand und kroch dann
in's Bett um zu ruhen, wachte aber nicht wieder auf: der Schierling
hatte dem Leben des Unholds ein Ende gemacht. Als der Königssohn eine
Woche später einen zuverlässigen Hauptmann hinschickte, sich die Sache
anzusehen, fand man die Alte todt. In der heimlichen Kammer wurden
funfzig Fuder Goldgarn aufgehäuft gefunden, welche unter die Schwestern
vertheilt wurden. Als der Schatz weggeführt war, ließ der Hauptmann den
Feuerhahn auf's Dach setzen. Schon streckte der Hahn seinen rothen Kamm
zum Rauchloch[9] heraus, als eine große Katze mit glühenden Augen vom
Dache her an der Wand herunterkletterte. Die Kriegsleute jagten der
Katze nach und wurden ihrer bald habhaft. Ein Vögelchen gab von einem
Baumwipfel herab die Weisung: »Heftet der Katze eine Falle an den
Schwanz, dann wird Alles an den Tag kommen!« Die Männer thaten es. | 510 |
0 | Als die Tante sich entfernt hatte, hielt sie es nicht für rätlich,
ihrem Manne die Entdeckung zu vertrauen. Ihr lag nur daran, das
unglückliche Geheimnis aufzuklären, ob Ferdinand, wie sie fürchtete,
die Geschenke von dem entwendeten Geld gemacht habe. Sie eilte zu dem
Kaufmann, der diese Art Geschmeide vorzüglich verkaufte, feilschte um
ähnliche Dinge und sagte zuletzt, er müsse sie nicht überteuern, denn
ihrem Sohn, der eine solche Kommission gehabt, habe er die Sachen
wohlfeiler gegeben. Der Handelsmann beteuerte: nein! zeigte die
Preise genau an und sagte dabei, man müsse noch das Agio der Geldsorte
hinzurechnen, in der Ferdinand zum Teil bezahlt habe. Er nannte ihr
zu ihrer größten Betrübnis die Sorte; es war die, die dem Vater fehlte. | 511 |
0 | Für den Teig die Hefe mit dem Wasser verrühren und fünf Minuten stehen lassen. Danach zum Mehl geben und gemeinsam mit Joghurt, Salz, Zucker und Öl in ca. sieben Minuten geschmeidig kneten. Eine Schüssel mit Öl ausfetten und den Teig dort hineingeben. Die Oberfläche ebenfalls mit Öl benetzen. Den Teig bei Zimmertemperatur 60 Minuten gehen lassen.Den Teig anschließend in zwei (oder vier) Teile schneiden und alle Teile jeweils zu einer Kugel kneten. Auf einer bemehlten Arbeitsfläche jede Kugel oval ausrollen. Die fertigen Stücke auf ein Backblech legen. Reichlich mit Käse belegen und zu Schiffchen formen. Auf den Käse kommen noch einige Scheiben Sucuk. Die Ränder des Teigs mit dem verquirlten Ei bestreichen.Dann kommt alles bei 200 °C Ober-/Unterhitze für ca. 15 Minuten in den vorgeheizten Backofen.Noch warm genießen. | 512 |
1 | Pro & Kontra CDU-Linkspartei-Koalition: Sollen sie oder sollen sie nicht?
Eine Koalition von CDU und Linkspartei scheint in Thüringen nicht mehr ausgeschlossen. Wäre das die richtige Entscheidung?
Mike Mohring (links, CDU) und Bodo Ramelow (rechts, Linkspartei): Sind sie bald Koalitionspartner? Foto: Martin Schutt/dpa
Ja!
Eine Koalition von Linkspartei und CDU: Warum eigentlich nicht? Für die Demokratie sei das ganz schlecht, werden Vertreter der reinen Lehre einwenden. Die Parteien müssten doch unterscheidbar bleiben. Außerdem dürfe eine breite Einheitsfront gegen die AfD diese nur in ihrer Opfererzählung bestärken: Alle sind gegen uns!
Aber behauptet die AfD das nicht ohnehin? Selbst wenn der Faschist Björn Höcke zur besten Sendezeit seine große „Abschiebeinitiative“ als Wahlziel vorstellen kann, werden AfDler immer noch behaupten, in Deutschland könne man nicht mehr frei seine Meinung äußern. Das geht demnach erst, wenn alle zustimmen beziehungsweise die Kritiker mundtot gemacht worden sind.
Die AfD ist eine Partei, die zwar demokratisch legitimiert sein mag, aber deshalb noch lange nicht demokratisch ist. Und es ist Aufgabe der Demokraten, sich von dieser Partei klar abzugrenzen. Klare Kante gegen Nazis zu zeigen, heißt dann zwangsläufig auch, dieser inhumanen und intoleranten Partei geschlossen gegenüberzutreten.
Niemand kann behaupten, dass Menschen, die sich auf Kompromisse einigen, ihre jeweilige Individualität aufgeben. Das gilt auch für Parteien
Die Linke kann nicht einerseits applaudieren, wenn der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring Höcke als Nazi bezeichnet, und sich gleichzeitig abwenden, sobald Mohring auf demokratischer Grundlage mit ihnen über eine Koalition reden will – aber das tut sie erfreulicherweise auch nicht.
Klar haben beide Parteien unterschiedliche Auffassungen: Was etwa den Verfassungsschutz angeht – die Linke will ihn abschaffen, die CDU stärken – oder das Schulwesen. Aber es bedeutet nicht, dass sie nicht zusammenkommen können. Zum Wesen der Demokratie gehört die Aushandlung von Interessen und die Suche nach einem Konsens. Niemand kann behaupten, dass Menschen, die sich auf Kompromisse einigen, ihre jeweilige Individualität aufgeben. Das gilt auch für Parteien.
Die Demokratie wird nicht geschwächt, wenn es nicht mehr streng nach Links-rechts-Schema geht. Im Gegenteil. Neue Bündnisse wirken belebend. Anna Lehmann
***
Nein!
Ein Viertel der Bürger wählt im Osten eine offen rechtsextreme Partei – und in den Wahlkampfzentralen herrscht von CDU bis zur Linkspartei bleierne Ratlosigkeit. Ein Patentrezept gegen die AfD hat niemand. Aber was der Rechten nutzt, ist klar zu erkennen. Die diffuse Große Koalition in Berlin wirkt wie eine Nährlösung für die AfD. SPD und Union erscheinen vielen wie zwei Flügel einer Staatspartei. Die Sozialdemokratisierung der CDU hat konservative WählerInnen in die Arme der AfD getrieben. Gegen die AfD hilft mehr Unterscheidbarkeit in der Mitte, eine konservativere Union und eine linkere SPD.
Eine Koalition von Linkspartei und CDU in Erfurt ist genau das Gegenteil: eine Ausdehnung der diffusen Mitte ins schier Unendliche. Diese Groko in Erfurt würde enttäuschte Konservative, die Mike Mohrings markige Abgrenzungen gegen Ramelow noch im Ohr haben, scharenweise vertreiben. Sie wäre keine Antifa-Koalition, sondern ein groß angelegtes Wählerbeschaffungsprogramm für die Höcke-Partei.
Eine Koalition von Linkspartei und CDU wäre kein Aufbruch, sondern ein aus Not und Machtlogik geborener Trick. Der Preis wäre Prinzipienlosigkeit
Nichts spricht gegen die nötigen politischen Dehnungsübungen einer Minderheitsregierung und eine punktuelle Zusammenarbeit der Linkspartei mit FDP und CDU – aber alles gegen ein Bündnis von Ramelow und Mohring.
In den 70er Jahren haben in Italien Kommunisten und Christdemokraten versucht, über ideologische Mauern hinweg Gemeinsames zu suchen. Der historische Kompromiss war ein lohnendes, wenn auch gescheitertes Experiment. Eine Koalition von Linkspartei und CDU wäre kein Aufbruch, sondern ein aus Not und Machtlogik geborener Trick. Der Preis wäre Prinzipienlosigkeit.
Erst kommt das Land, dann die Partei, so lautet Mohrings neue Devise. Das klingt selbstlos, nach edlem Opfer für das Gemeinwesen, ist aber oft Mogelei. Damit hat schon Gerhard Schröder die SPD ruiniert. Mohrings Strategien scheinen sich derzeit im Zwölf-Stunden-Takt zu ändern. Die Linkspartei sollte ihm höflich, im Interesse der Demokratie und nicht zuletzt der CDU, diesen Unfug ausreden. Stefan Reinecke | 513 |
1 | Bundestagsbeschluss zu Vertriebenen: Deutsche Gedenkpolitik sorgt für Ärger
"Beunruhigende Elemente": Historiker aus diversen Ländern und die polnische Regierung kritisieren den Bundestagsbeschluss zur Vertriebenencharta.
Bringen in ihren lustigen Trachten nicht Jeden zum Lachen: Vertriebene. Bild: ap
BERLIN taz | Am Montag hagelte es Kritik an dem Beschluss des Bundestags zum Gedenken an die Vertriebenencharta vom 5. August 1950. Eine ganze Phalanx renommierter Zeithistoriker aus Ostmitteleuropa, Israel und Deutschland kennzeichnete die "Charta der Heimatvertriebenen" als "denkbar schlechteste Grundlage" für einen Gedenktag und verwies darauf, dass die UNO-Vollversammlung bereits den 20. Juni zum "Welttag der Migranten und Flüchtlinge" bestimmt hat.
Die Erklärung der Historiker verweist auf die gravierenden Auslassungen in der "Charta": kein Wort zu den Ursachen des Zweiten Weltkriegs, kein Wort zu den nazistischen Massenverbrechen an Juden, Polen, Roma, Sinti und an den sowjetischen Kriegsgefangenen. Dafür die Selbsteinschätzung der "Charta", wonach die Flüchtlinge und Vertriebenen "vom Leid der Zeit am schwersten betroffen" gewesen seien. Hinter dem in der "Charta" proklamierten heiligen Recht auf Heimat stand, so die Erklärung der Historiker, die Forderung nach territorialer Revision der Nachkriegsgrenzen.
Sieben der vierzehn Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung haben die Historikererklärung bis jetzt unterzeichnet. Unterschrieben haben auch der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats, Stefan Troebst, sowie Raphael Gross vom Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt. Neben den beiden polnischen Mitgliedern des Beirats, Piotr Madajczyk und Krzysztof Ruchniewicz, die seit Langem wissenschaftlich und politisch für die Verständigung mit Deutschland eintreten, unterschrieb auch Wlodzimierz Borodziej, der sich in der polnisch-deutschen Schulbuchkommission für den Abbau wechselseitiger Stereotype eingesetzt hat.
In der linksliberalen wie der national orientierten polnischen Presse wird der Bundestagsbeschluss kommentiert als Versuch des Stimmenfangs durch die Christdemokraten und Liberalen, der leicht zum Anlass für revanchistische Bestrebungen werden könne. "Hat", so fragt er Kommentator der konservativen Rzeczpospolita, "die Lektion aus Dresden nicht gezeigt, dass das ein Spiel mit dem Feuer ist?"
Auch das polnische Außenministerium meldete sich mit einer offiziellen Stellungnahme: In der "Charta" und im Bundestagsbeschluss fänden sich "beunruhigende Elemente", die sich daraus ergeben, dass der historische Kontext des Zweiten Weltkriegs nicht berücksichtigt wurde. "Das Dokument", so heißt es, "dient nicht der polnisch-deutschen Verständigung". | 514 |
0 | 100 – 150 g Rotkohl fein hobeln, die Kartoffeln in feine Juliennestreifen schneiden. Die Zwiebel halbieren und in feine Halbringe schneiden.Das Öl in einer beschichteten Pfanne erhitzen, die Zwiebeln anschwitzen. Die Kartoffeln einfüllen und anbraten. Den Rotkohl zugeben und salzen.Unter mehrmaligem Wenden schön kross werden lassen. Zwischendurch Pfeffer und Kümmel drüberstauben. | 515 |
0 | »Aha! Jetzt erkenne ich dich ... du bist Junius,« entgegnete
stirnrunzelnd der angesprochene Bürger. »Ein Neidhammel bist du oder ein
Dummkopf!... So überlege doch nur dies eine, Unglücklicher! Wie erhaben
heißt es bei Julius: 'Und Tag verscheucht die Nacht!' ... Bei dir
dagegen -- so recht abgeschmackt: 'Und Dunkel weicht dem Licht!' --
Welches Licht?! Welches Dunkel?!« | 516 |
1 |
An der Digitalisierung haben nicht alle gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen teil. Der Begriff "Digital Gender Gap" umschreibt die digitale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Noch immer sind Frauen auch in digitalen, technischen und naturwissenschaftlichen Berufsfeldern unterrepräsentiert - lediglich 16 Prozent aller Beschäftigten im Digitalbereich sind weiblich. Im Zusammenhang mit digitaler Bildung stellt sich also die Frage, wie Mädchen und junge Frauen für einen selbstbewussten Umgang mit digitaler Technik bestärkt werden können. Wir sprachen mit der Fachreferentin für Jugend Medienschutz Sophie Reimers.
Für einen schnellen Überblick
00:00 – 00:31 Darum geht's. Was bedeutet Gendersensibilität? 00:32 – 01:29 Der Begriff "Digital Gender Gap" umschreibt die digitale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. 01:30 – 03:12 Welche Möglichkeiten bietet die Digitalisierung für eine geschlechtergerechte Bildung? 03:13 – 05:17 Welche Rolle spielen Soziale Medien bei der Verfestigung von Geschlechterstereotypen - und wie können Lehrende dem im Unterricht entgegenwirken? 05:18 – 05:54 Zusammenfassung und Ausblick
Die Werkstatt bei Twitter: Externer Link: twitter.com/werkstatt_bpb Bei Mastodon: Externer Link: bildung.social/@werkstatt_bpb Und Instagram: Externer Link: instagram.com/werkstatt_bpb
Schickt uns eure Wünsche für kommende Themen an [email protected] oder schreibt uns bei Twitter, Mastodon oder Instagram.
Links aus der Folge
Werkstatt-Schwerpunkt Interner Link: "Gesellschaft der Vielfalt"
Interner Link: Digitaler Girls‘Day und Boys‘Day: Notlösung oder Chance?
Interner Link: Medienscouts: Medienkompetenzvermittlung auf Augenhöhe | 517 |
0 | Mehr als ein halbes Jahr, nachdem Vroni ihren Brief mit dem Zusatz von
Binia an Josi geschickt hatte, mitten im tiefen Winter, kam das
Schreiben, mit vielen Stempeln bedeckt, an zwei Stellen etwas
durchschnitten, an sie zurück und auf der Rückseite stand: %»Addressee
died in the cholera-hospital at Srinigar.«% Diensteifrig hatte Thöni
schon die Uebersetzung auf den Umschlag gefügt: »Der Adressat ist im
Cholerahospital zu Srinigar gestorben.« Darunter stand irgend ein
Stempel. | 518 |
1 | Nato-Raketenabwehr: Deutsche Patriots in die Türkei
Der Nato-Raketenschirm soll Europa gegen Raketen im Mittleren Osten schützen. Die Bundesregierung will ihre Patriots deshalb abschieben.
Für die Randgebiete der Nato: Patriot-Raketen der Bundeswehr. Bild: dpa
BERLIN taz | Die Bundesregierung möchte die „Patriot“-Raketen der Bundeswehr für den Aufbau eines „Raketenschilds“ an den Rand des Nato-Bündnisses, also aus Deutschland heraus, schieben. In seiner Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion schreibt das Auswärtige Amt: Der Einsatz der „Patriot“-Raketen wäre „nur in der Peripherie der Allianz operationell sinnvoll“.
Damit dürfte die Türkei gemeint sein. Denn die Bundesregierung schließt sich der Bedrohungsanalyse der USA an, wonach die Entwicklung von Raketen in „immer mehr Staaten, insbesondere im Mittleren Osten“, den Aufbau eines Nato-Raketenabwehrsystems nötig macht.
Im Februar hatte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) erklärt, der deutsche Beitrag zur Raketenabwehr könnten die „Patriots“ der Bundeswehr sein. Steuerungszentrale der Raketenabwehr soll der US- und Nato-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz sein.
Ursprünglich hatte die Bundesregierung ihre Zustimmung zum Aufbau der Raketenabwehr daran geknüpft, dass die Nato im Gegenzug nuklear abrüsten sollte – erreichte damit aber gar nichts. Nun behauptet das Auswärtige Amt, auch die Raketenabwehr könne langfristig „Möglichkeiten schaffen, unserem Ziel einer nuklearfreien Welt näherzukommen“.
Dazu sagt die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger: „Der Bundesregierung scheint ihr Einknicken peinlich zu sein.“ Von Abrüstungszusagen der Nato sei aber keine Spur. „Stattdessen droht mit dem Aufbau des Raketenabwehrsystems eine neue Rüstungsspirale.“ | 519 |
1 | Irak-Strategie: Britische Generäle kritisieren Rumsfeld
Die Strategie des ehemaligen US-Verteidigungsministers Rumsfeld sei mit "tödlichen Fehlern behaftet" gewesen, schimpfen zwei Ex-Generäle.
Für die chaotische Situation im Irak war vor allem Rumsfeld verantwortlich, meint der britische Ex-Oberbefehlshaber Jackson (re.). Bild: dpa
Das britische Verteidigungsministerium hat derzeit alle Hände voll zu tun, um die US-Regierung zu beschwichtigen. Am Sonntag erklärte der britische Generalmajor Tim Cross, dass die US-amerikanische Irak-Strategie "mit tödlichen Fehlern behaftet" sei. Bereits am Vortag hatte der Daily Telegraph Auszüge aus der Autobiografie von General Michael Jackson, "Soldier", veröffentlicht. Darin bescheinigt der hohe Offizier der US-Politik den "intellektuellen Bankrott".
Jackson, der bis 2006 Oberbefehlshaber der britischen Armee war, schreibt, dass er und andere britische Offiziere von Anfang an Zweifel an der Existenz von Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen hatten, mit denen US-Präsident George Bush und der damalige britische Premier Tony Blair den Krieg begründeten. Für die chaotische Situation im Irak macht Jackson vor allem den früheren US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld verantwortlich. Der habe bei der Nachkriegsplanung versagt, da er alle Warnungen über die mangelnde Truppenstärke in den Wind schlug.
Cross bestätigte das am Sonntag. In einem Interview mit dem Sunday Mirror sagte der 56-Jährige, der 2003 als stellvertretender Leiter für den Wiederaufbau im Irak verantwortlich war: "Wir waren von Anfang an über den mangelhaften Plan für die Nachkriegszeit besorgt, und zweifellos stand Rumsfeld im Zentrum dieser Planung. Bei einem Arbeitsessen einen Monat vor der Invasion im März 2003 habe ich ihn ausdrücklich auf die Notwendigkeit der engen Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen hingewiesen. Darüber hinaus machte ich meine Meinung deutlich, dass die geplante Truppenstärke nicht für die Aufrechterhaltung der Sicherheit ausreichen würde. Rumsfeld wollte davon nichts hören." Die USA seien damals davon überzeugt gewesen, dass sich der Irak schnell zu einer stabilen Demokratie entwickeln würde, sagte Cross. Zweifel daran hätten nicht in Rumsfelds Konzept gepasst.
Malcolm Rifkind, der in der letzten Tory-Regierung Außen- und danach Verteidigungsminister war, stimmte der Kritik an Rumsfeld zu. Er bezeichnete ihn als inkompetent. Rifkind warf der Labour-Regierung vor, dass sie gegen die Interessen der Alliierten und des Irak gehandelt habe, indem sie diese Meinungsverschiedenheiten unter den Teppich kehrte.
Das Verteidigungsministerium in London will den Schaden, den die Äußerungen der Generäle den US-britischen Beziehungen zufügen könnten, gerne begrenzen. Jackson und Cross haben lediglich ihre persönlichen Meinungen geäußert, sagte ein Sprecher des Ministeriums: "Als pensionierte Offiziere dürfen sie das."
Der Chef der Liberalen Demokraten, Menzies Campbell, sagte dagegen, dass die Bemerkungen die Forderungen seiner Partei nach einem schnellstmöglichen Rückzug aus dem Irak unterstreichen. Das glaubt offenbar auch die US-Regierung. Sie macht sich ernsthafte Sorgen um den Verbündeten, nachdem verschiedene Zeitungen behauptet haben, dass sich die britischen Truppen möglicherweise schon nächsten Monat aus Basra zurückziehen könnten. In Washington befürchtet man, dass in diesem Fall US-Truppen in die südirakische Stadt verlegt werden müssten. | 520 |
0 | herrschten nach wie vor in S. Ebenso verderblich wurde für
das wieder erstarkende Land der Rückfall in die alte
Eroberungspolitik, welche sich besonders auf Erwerbung spanischer
Besitzungen für spanische Infanten richtete. In der That
wurden im polnischen und österreichischen Erbfolgekrieg (1738
und 1748) Neapel und Parma als bourbonische Sekundogenituren
gewonnen. Aber sie waren mit der Zerrüttung der Finanzen und
dem Stocken aller Reformen teuer erkauft. Gleichwohl war die einmal
gegebene Anregung nicht fruchtlos: das Volk war wenigstens aus
seiner Apathie aufgerüttelt und wendete sich wieder der Arbeit
und wirtschaftlichen Unternehmungen zu. | 521 |
0 | »Ich begreife Sie gar nicht! Nein! Ich bringe Ihnen Grüße von ihr, von
Claire, wir sprechen von ihrem Tode, und Sie verändern keine Miene und
sagen, daß Claire Ihnen sehr leid getan habe. Was ist das? Sehr leid hat
sie Ihnen getan! Und Sie haben sie doch ermordet, ja, das haben Sie getan.« | 522 |
1 | Straßenschlachten in Honduras: Zelaya-Anhänger werfen Steine
„Die Diktatur wird fallen“, glaubt Honduras' Ex-Präsident Zelaya. Seine Anhänger im Parlament sehen ihre Rechte von der Regierung beschnitten. Und randalieren.
In Flammen für Zelaya: Honduras' Haupstadt Tegucigalpa am Mittwoch. Bild: reuters
SAO PAULO epd | Schwere Zusammenstöße zwischen Polizei und Anhängern von Ex-Präsident Manuel Zelaya haben die honduranische Hauptstadt Tegucigalpa erschüttert. Zahlreiche Demonstranten versuchten, sich Zugang zum Kongressgebäude zu verschaffen, wie die Zeitung La Prensa am Mittwoch (Ortszeit) berichtete. Sie zündeten Reifen an und warfen Steine. Die Polizei setzte Tränengas ein.
Anhänger von Zelaya werfen Präsident Juan Orlando Hernández vor, sein Wahlversprechen nach mehr Sicherheit in Honduras nicht einzuhalten und die Menschenrechte zu verachten. Am Dienstag wurde ein Stadtrat der Partei von Zelaya durch Schüsse verletzt.
Zuvor hatte die Polizei nach heftigen Auseinandersetzungen, Abgeordnete und Anhänger der linksgerichteten Partei Libre von Zelaya aus dem Kongressgebäude vertrieben. Mehrere Menschen wurden nach lokalen Medienberichten bei dem Einsatz verletzt. Die Opposition hatte der rechtsgerichteten Nationalpartei vorgeworfen, sie in ihren parlamentarischen Rechten zu beschneiden.
Parlamentspräsident Mauricio Olivia warf der Opposition vor, schwere Sachschäden im Kongressgebäude angerichtet zu haben. Er beschuldigte sie der „geplanten Destabilisierung“ des Landes. Zelaya schrieb daraufhin via Kurznachrichtendienst Twitter: „Die Diktatur wird fallen, wir möchten Demokratie und Frieden, keinen Betrug.“
Die politische Situation in dem mittelamerikanischen Land ist seit langem angespannt. Der konservative Hernández hatte im November die Präsidentschaftswahl gewonnen. Allerdings hatte auch seine Rivalin Xiomara Castro, die Ehefrau von Zelaya, den Sieg für sich beansprucht und den Behörden Wahlbetrug vorgeworfen.
Noch immer ist das mittelamerikanische Land nach dem Putsch gegen Zelaya vom Juni 2009 gespalten. Der Sturz war unter anderem von Hernández unterstützt worden. Außerdem ist die Gewalt in den vergangenen Monaten rapide angestiegen. Knapp 92 Morde kamen im vergangenen Jahr auf 100.000 Einwohner. Damit ist Honduras laut Vereinten Nationen weltweit das gefährlichste Land außerhalb von Kriegsgebieten. | 523 |
1 | Am 9. Dezember 2017 feiert die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb ihren 65. Geburtstag mit einem Tag der offenen Tür an ihren beiden Standorten in Bonn. Von 10 bis 17 Uhr ist das bpb:medienzentrum in der Adenauerallee 86 für den Samstagsverkauf geöffnet. Zudem erinnert die bpb in der Adenauerallee 131A mit einem vielfältigen Programm an ihre Gründungszeit in den 1950er Jahren.
Wissen woher man kommt, um zu verstehen, wer man ist – frei nach diesem Motto präsentiert sich die Bundeszentrale für politische Bildung seit Anfang des Jahres mit ihrer Kampagne „Born in Bonn“ als Kind dieser Stadt – ebenso wie Beethoven, HARIBO, die Beueler Weiberfastnacht – und das Grundgesetz. Letzteres erhalten alle Bürgerinnen und Bürger bei der Bonner Institution bereits seit über 60 Jahren kostenfrei – und seit einigen Jahren auch in anderen Sprachen, wie etwa Arabisch.
Begonnen hat alles mit dem Erlass von 1952 zur Gründung der „Bundeszentrale für Heimatdienst“ und dem Auftrag "den demokratischen und europäischen Gedanken im deutschen Volke zu festigen und zu verbreiten".
Der Tag der offenen Tür der bpb steht ganz im Zeichen der 1950er Jahre. Die Chefredakteurin des Deutschlandfunks, Birgit Wentzien, der Kabarettist Konrad Beikircher, der Schauspieler und Moderator Max Schautzer, die Schauspielchefin des Theaters Bonn, Nicola Bramkamp und viele, viele mehr geben Antworten auf die zentrale Frage des Tages: Was ist übrig vom Geist der Bonner Republik?
Neben dem Programm an den beiden Standorten bietet die bpb weitere Angebote, für die sich Interessierte am 9.12.2017 morgens ab 9 Uhr in der Adenauerallee 131A anmelden können. So laden Thomas Krüger (Präsident der bpb), Dr. Caroline Hornstein-Tomic (Leiterin der Fachabteilung der bpb), Dr. Helge Matthiesen (Chefredakteur General-Anzeiger Bonn), Mr.Wissen2Go (YouTuber) und Birgit Wentzien (Chefredakteurin des Deutschlandfunks) zu einer „Bürgersprechstunde“ ein, in denen die Besucher in 20 Minuten Zeit für ein Gespräch unter vier Augen haben. Ein Schauspieler in der Rolle des Konrad Adenauers bietet zudem um 10:30 Uhr und um 13:00 Uhr kostenlose Führungen durch das Adenauerzimmer im Museum König.
Weitere Informationen zum Programm unter: www.bpb.de/65jahrebpb
Pressemitteilung als Interner Link: PDF
Pressekontakt
Bundeszentrale für politische Bildung Daniel Kraft Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: [email protected] Externer Link: www.bpb.de/presse
Pressemitteilungen der bpb abonnieren/abbestellen: Interner Link: www.bpb.de/presseverteiler | 524 |
1 | Zuspitzung in der Ost-Ukraine: In Slawjansk weht Russlands Fahne
Die Nato erhöht die Militärpräsenz in Osteuropa, Panzer der pro-russischen Kräfte sind in Slawjansk eingerollt, und in Donezk haben Bewaffnete das Rathaus gestürmt.
Sie kommen im Panzer: Bewaffnete Truppen in Slawjansk. Bild: reuters
BRÜSSEL/SLAWJANSK/KRAMATORSK dpa/rtr | Angesichts der Ukraine-Krise will die Nato ihre Militärpräsenz an ihren östlichen Grenzen verstärken. Das teilte das Verteidigungsbündnis am Mittwoch mit. Nato-Chef Anders Fogh Rasmussen sagte, die Nato werde angesichts der russischen Aggression unverzüglich Streitkräfte in die Region entsenden. „Mehr Flugzeuge, Schiffe, mehr Bereitschaft an Land“ kündigte er an.
Rasmussen hatte bereits am Dienstag die Entschlossenheit der Nato bekräftigt, eine effektive Verteidigung seiner Mitgliedstaaten sicherzustellen. Er kündigte verbesserte Verteidigungspläne, erweiterte Übungen und eine angemessene Mobilisierung an, um jene Mitgliedstaaten zu schützen, die in der Nähe von Russland lägen. Angesichts der Unsicherheit über Russlands Verhalten hatte er zudem eine engere Zusammenarbeit zwischen der Allianz und der Europäischen Union gefordert.
In der Ostukraine sind am Mittwoch unterdessen sechs Radpanzer mit einer russischen Flagge in die Stadt Slawjansk eingefahren. Auf den Fahrzeugen saßen schwer bewaffnete Männer in Uniformen mit unterschiedlichen Tarnmustern. Es handelte sich offenbar um pro-russische Kräfte.
Die Panzer, die auch die Separatisten-Flagge trugen, machten halt vor dem Rathaus der Stadt, das vor einigen Tagen von den Separatisten eingenommen worden war. Ukrainische Soldaten waren in Slawjansk, wo mehrere öffentliche Gebäude in der Kontrolle der pro-russischen Kräfte sind, zunächst nicht zu sehen.
Auch in Donezk besetzten offiziellen Angaben zufolge pro-russische Kräfte das Rathaus. In zahlreichen ostukrainischen Städten haben pro-russische Separatisten Verwaltungsgebäude unter ihre Kontrolle gebracht.
Medien zufolge sind im Krisengebiet ukrainische Regierungseinheiten mit mindestens zehn gepanzerten Fahrzeugen zu den pro-russischen Separatisten übergelaufen. Ein Video des Portals espreso.tv zeigte am Mittwoch, wie die Truppen mit russischen Flaggen durch die Großstadt Kramatorsk rund 80 Kilometer nördlich von Donezk fuhren. Das russische Staatsfernsehen berichtete von ähnlichen Szenen im nahen Slawjansk.
Sturmhauben und Granatwerfer
Die Männer auf den Radpanzern in Slawjansk trugen zum Teil Sturmhauben und waren mit Kalaschnikow-Gewehren, Granatwerfern, Messern und Pistolen bewaffnet. Eines der Fahrzeuge trug das Emblem der von den Separatisten ausgerufenen Volksrepublik Donezk. Einige Bewohner der Stadt winkten den Männern zu und riefen: „Russland, Russland“ oder „Gut gemacht, Jungs!“.
Der Konvoi kam aus Richtung der 15 Kilometer entfernt gelegenen Stadt Kramatorsk, die am Vortag Schauplatz eines „Anti-Terror-Einsatzes“ ukrainischer Spezialeinheiten war. Soldaten hatten dort nach eigenen Angaben einen Flugplatz von den Separatisten zurückerobert. Die ukrainische Führung hatte angekündigt, ihre Offensive in Slawjansk fortzusetzten.
In Kramatorsk gab es am Mittwoch zunächst keine Anzeichen von Gefechten. Dort fuhren sieben Radpanzer mit der ukrainischen Flagge durch die Straßen – offenbar um zu demonstrieren, dass die Führung in Kiew die Kontrolle über den Ort zurückgewonnen hat. Rund 30 Bewohner der russisch geprägten Stadt stellten sich den gepanzerten Fahrzeugen kurz in den Weg. Soldaten stiegen aus und drängten die Menschen weg. Ein Schuss wurde in die Luft abgefeuert, bevor der Fahrzeugkonvoi weiterfuhr.
Angesichts des Vorgehens pro-russischer Separatisten in der Ostukraine hat die Regierung in Kiew Russland die Verbreitung von Terrorismus vorgeworfen. „Außer Öl und Gas exportiert Russland auch Terror in die Ukraine“, sagte Regierungschef Arseni Jazenjuk am Mittwoch.
Er forderte die Führung in Moskau auf, das Vorgehen der Aktivisten in der Ostukraine als „Terrorakte" anzuerkennen. Bei den für diesen Donnerstag geplanten Ukraine-Verhandlungen in Genf müsse Russland dies öffentlich einräumen und dann seine „Spionage- und Sabotagegruppen“ zurückziehen. Moskau bestreitet jede Einmischung in die Unruhen im Nachbarland.
Die Bundesregierung lobt das ukrainische Vorgehen
Bundeskanzlerin Angela Merkel hofft durch den Ukraine-Vierergipfel an diesem Donnerstag in Genf auf Impulse für eine Lösung am Verhandlungstisch. Das Gespräch könne ein „erster Schritt dazu (sein), wieder eine geordnete Situation in der Ukraine herzustellen“, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Mittwoch in Berlin. „Wir hoffen, dass es stattfindet, dass es eine Grundlage ist, dass es möglichst weitere Treffen gibt.“ An dem Treffen nehmen die Außenminister aus Russland, der Ukraine und den USA sowie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton teil.
Nach einem Telefonat Merkels mit Russlands Präsident Wladimir Putin lobte die Bundesregierung ausdrücklich das Vorgehen der ukrainischen Führung gegen pro-russische Kräfte im Osten des Landes. „Aus unserer Sicht hat sich die ukrainische Regierung in dieser Krise bisher sehr besonnen und zurückhaltend verhalten“, sagte Streiter. „Klar ist, dass die ukrainische Führung natürlich die gewaltsame Übernahme von Polizeistationen oder andere Infrastruktur durch Gewalttäter nicht hinnehmen kann.“
Merkel hatte am Dienstag aus ihrem Urlaub in Italien mit Putin telefoniert. Auf die Frage, ob Merkel ebenfalls einen Bürgerkrieg fürchte, sagte der Vize-Regierungssprecher: „Die Bundeskanzlerin hat kein Interesse an eskalierender Wortwahl. Jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit.“ Ihr Ziel sei, „dass es auf politischem Weg gelingt, die Lage in der Ukraine zu stabilisieren“.
Dieser Artikel wurde aktualisiert um 13.42 Uhr. | 525 |
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Itzt, da die Noth ihm an die Seele dringt,
Itzt scheinen sie ihm leicht erstiegne Hügel;
Und wären's Alpen auch, so hat die Liebe Flügel.
Vielleicht, daß ihm das Wagestück gelingt,
Daß sein hartnäck'ger Muth durch alle diese wilde
Verschanzung der Natur sich einen Weg erzwingt,
Der ihn in fruchtbare Gefilde,
Vielleicht zu freundlichen mitleid'gen Wesen bringt. | 526 |
1 | Piratinnen im Gender-Kampf: Eine Debatte für's Netz
Die Mehrheit der Piratenpartei glaubt, das Geschlecht sei überwunden. Im Internet eine weit verbreitete Meinung - die doch wieder zu Benachteiligung führt.
Geschlecht existiert. Oder doch nicht? Bild: sanwe/photocase.com
Wie diskutiert man etwas, das gar nicht existiert? Wie soll eine Partei über Sexismus und Geschlechtergerechtigkeit sprechen, deren Berliner Landesvorsitzender Andreas Baum sagt: "Ich sehe nicht, dass wir ein Gender-Problem haben", und deren Anhänger der Meinung sind, innerhalb der Partei habe man sämtliche Geschlechterfragen überwunden, praktiziere gar "echte Gleichberechtigung", wie es der stellvertretende Vorsitzende Andi Popp formuliert.
Diese Frage stellt sich derzeit nicht nur den weiblichen Mitgliedern der Piratenpartei. Die Debatte darüber, was die Piraten darunter verstehen, das Geschlecht überwunden zu haben, läuft seit ungefähr September letzten Jahres. Sie erreichte in den letzten Wochen einen neuen Höhepunkt, als einige Piratinnen versuchten, sich mittels einer neu gegründeten weiblichen Mailingliste über ihre Erfahrungen in der Post-Gender-Partei auszutauschen.
Hatten viele Piraten 2009 noch behauptet, das gesamte "Genderdings" - wie das Problem in Internetdiskussionen von Piratenanhängern gerne umrissen wird - würde nur von außen an sie herangetragen, wäre spätestens jetzt der Zeitpunkt gewesen, einzusehen, dass auch innerhalb der Partei dringender Diskussionsbedarf herrscht. Die Chance wurde leider verpasst. Ein User löschte einen Eintrag von Lena Simon, der Initiatorin der Gender-Debatte, von einer Piratenseite. Spätestens seitdem geht es rund in Foren und Blogs.
Die Beiträge gehen von dem klaren Vorwurf an die Piratinnen, "der Sache" zu schaden, über Menstruationsblut-Sprüche bis hin zu der Aufforderung, nicht zu meckern, sondern sich bitte aktiv am Findungsprozess der Partei zu beteiligen. So weit der Bogen gespannt ist, so macht er doch vor allem eines deutlich: Nein, die Piratenpartei hat das Geschlecht nicht überwunden. Der lauten Mehrheit scheint im Gegenteil nicht einmal klar zu sein, was genau sie da als überwunden erachtet. Dies zeigt sich zum Beispiel dann, wenn die Piratenverteidiger in den Kommentaren auf taz.de oder zu kritischen Blogartikeln unterstellen, es ginge den PiratenkritikerInnen nur um das Binnen-I. Dass die Diskussion um geschlechtergerechte Sprache nur ein Aspekt der Debatte um Gleichberechtigung ist, begreifen sie gar nicht.
Was allerdings in der Debatte in und um die Piratenpartei zutage tritt, ist ein ureigenes Problem des Internets. Groß waren Hoffnungen und Erwartungen: Wo könnten wir gleichberechtigter sein als im digitalen Leben, verborgen hinter einem anonymen Nick, der es uns erlaubt, völlig geschlechtslos aufzutreten und wahrgenommen zu werden?
Leider stellte sich heraus, dass oft sogar das Gegenteil der Fall ist. Vor allem Frauen begegnen im Internet den gleichen Machtstrukturen und sexistischen Angriffen wie im analogen Leben, und als feministische Bloggerinnen machen wir fast täglich die Erfahrung, dass eine Bemerkung wie "ihr gehört mal wieder ordentlich gevögelt" im Schutze der Anonymität sogar noch leichter von der Hand geht. Weder das Internet noch die Piratenpartei sind also ein Paralleluniversum, in dem alle im "echten Leben" geltenden Regeln und Strukturen außer Kraft gesetzt werden.
Das zeigte sich deutlich beim bedeutsamsten deutschen BloggerInnenkongress "Republica". Dort wurden 2009 alle bloggenden Frauen großzügig in einer einzigen Veranstaltung versammelt. Egal ob politische, feministische, technische oder Strickbloggerin, sie alle sollten sich in der Diskussion mit dem Titel "Wenn Frauen bloggen: Warum Babykotze genauso relevant ist wie das iPhone" wiederfinden. Assoziationen zu Wanderzirkusvorstellungen wie "wenn Hunde Fahrrad fahren" waren zwar wohl nicht intendiert, drängten sich aber dennoch auf, und über keine andere Veranstaltung gab es so viele Witze wie über "die Babykotze".
Dieses Jahr nun sollte das anders werden. Die Bloggerinnen vernetzten sich unter anderem via Facebook, reichten verstärkt Veranstaltungsvorschläge ein und boten sich als Diskutantinnen für die Podien an. Erreicht haben sie aktuell einen Frauenanteil von circa 20 Prozent - das ist wohl das, was man "Luft nach oben" nennt. Aber immerhin, es scheint sich etwas zu bewegen.
Ja, wir brauchen eine Gender-Debatte im Netz! Geschlecht existiert auch online und Sexismus wird durch Leugnen nicht verschwinden - und das ist übrigens etwas, das die Piraten selbst am besten wissen sollten.
Die Autorin schreibt für den feministischen Blog Mädchenmannschaft.net | 527 |
1 | Gewalt im Kongo: Hutu-Milizen verwüsten Dörfer
Bei den schwersten Angriffen der ruandischen FDLR-Miliz gegen Kongolesen sterben mehrere Dutzend Menschen. Augenzeugen berichten, von heftigen Schießereien.
Auch nach den Wahlen im November 2011 ist der Kongo im Strudel der Gewalt geblieben. Bild: ap
BERLIN taz | Die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) hat im Osten der Demokratischen Republik Kongo die schwersten Angriffe auf Zivilisten seit über einem Jahr verübt. 39 Menschen seien in den Nächten zum 2. und 4. Januar im Distrikt Shabunda der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu getötet worden, als die Dörfer Luyuyu, Ngolombe und Kishenya verwüstet wurden, berichtete am Mittwoch der UN-Radiosender "Radio Okapi" unter Berufung auf lokale Menschenrechtsgruppen.
Der Dorfchef von Kishenya sei geköpft worden, in Luyuyu hätten die Milizionäre einer Schwangeren den Bauch aufgeschlitzt. Augenzeugen hätten berichtet, die FDLR "schießt auf alles, was sich bewegt". Ein kongolesischer Armeesprecher sagte, es gebe 26 Tote und 13 Verletzte.
Die Überfälle folgen auf ähnlich brutale FDLR-Angriffe in der Nachbarprovinz Nord-Kivu. Dort wurden nach Angaben von Augenzeugen am 30. Dezember drei Dörfer der Gemeinde Waloa Yungu im Distrikt Walikale von der Miliz angegriffen und in Brand gesteckt. In der Nachbargemeinde Waloa Uroba hatte es zuvor schwere Kämpfe gegeben.
Reichhaltige Vorkommen an Gold und Zinnerz in der Region
Die Distrikte Shabunda und Walikale sind beides traditionelle FDLR-Hochburgen und bestehen größtenteils aus mit Regenwald bedeckten Bergen, ohne Verkehrsverbindungen, aber mit reichhaltigen Vorkommen an Gold beziehungsweise Zinnerz. Seit 2009 Ruandas Armee kurzzeitig im Kongo eingriff, um die FDLR zu bekämpfen, sind in diesen Regionen kongolesische Selbstverteidigungsmilizen stärker geworden, die mit zumindest stillschweigender Duldung durch Kongos Armee die lokale Bevölkerung vor der FDLR zu schützen versuchen.
Im Sommer 2011 wurden die Regierungstruppen in Shabunda und Walikale zwecks Reorganisation kaserniert. Somit blieben nur die FDLR und die beiden Selbstverteidigungsmilizen "Rai-Mutumboki" in Shabunda und "Guides" in Walikale übrig. Dies führte zu intensiven Kämpfen und Fluchtbewegungen.
Hutu-Kämpfer haben Rache für den Tod ihres Oberst geschworen
In den vergangenen Monaten haben die "Guides", die ihre Kämpfer aus dem Volk der Bahunde rekrutieren, eine Reihe von Gemeinden in Walikale eingenommen, die seit vielen Jahren unter FDLR-Kontrolle gestanden hatten. Anfang Dezember war sogar der hochrangige FDLR-Oberst Sadiki von kongolesischen Milizionären getötet worden. Daraufhin hatten die ruandischen Hutu-Kämpfer Rache geschworen.
"Die FDLR auf der Flucht machen alles platt, was sich ihnen in den Weg stellt, und die Behörden in Walikale sprechen von Tausenden von Flüchtlingen auf dem Weg nach Masisi", berichtete vergangene Woche gegenüber der taz ein lokaler Journalist und sprach von einem lediglich "taktischen" Rückzug der FDLR. "Die Guides schaffen eine Lage, die sie nicht beherrschen, und das wird noch mehr Unsicherheit für die Bevölkerung bedeuten, wenn die Armee nicht eingreift. Aber die Regierung sagt nichts, und die Armee hat nie reagiert."
Jetzt ist die FDLR offenbar im Begriff, das verlorene Terrain brutal zurückzuerobern. Die neuen Gräueltaten ähneln denen aus dem Jahr 2009, für die FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka und sein Stellvertreter Straton Musoni derzeit in Stuttgart vor Gericht stehen. Ihr Prozess wird am Montag wieder aufgenommen. | 528 |
0 | Das war alles so einfach, klar und natürlich, daß es mir immer war,
die zwei Leute seien Eheleute und Besitzer dieses Anwesens, Gustav
und Natalie seien ihre Kinder, und ich sei ein Freund, der sie hier
in diesem abgeschiedenen Winkel der Welt besucht habe, wo sie den
stilleren Rest ihres Daseins in Unscheinbarkeit und Ruhe hinbringen
wollten. | 529 |
1 | Ermittlungsverfahren gegen Sarkozy: Nicolas am Apparat
Frankreichs Ex-Präsident soll versucht haben, einen Richter zu bestechen. Seine Telefongespräche aufzuzeichnen war rechtens, entschied nun ein Gericht.
Da hilft kein Zähnefletschen: Sarkozys Telefonate sind rechtmäßige Beweismittel. Bild: reuters
PARIS afp | Frankreichs Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy hat in einer Bestechungsaffäre eine juristische Niederlage und damit einen Rückschlag für seine Präsidentschafts-Ambitionen hinnehmen müssen. Das Pariser Berufungsgericht erklärte eine Abhöraktion der Justiz gegen den heutigen Chef der konservativen Oppositionspartei UMP am Donnerstag für rechtmäßig. Damit kann ein Ermittlungsverfahren zum Verdacht, Sarkozy habe einen Staatsanwalt bestechen wollen, wieder aufgenommen werden.
Sarkozys Anwälte sagten, ihre „wesentlichen“ Anträge gegen das Ermittlungsverfahren seien abgelehnt worden. Sie kündigten an, nun vor Frankreichs Obersten Gerichtshof ziehen zu wollen.
Auf Grundlage abgehörter Handytelefonate Sarkozys mit seinem Anwalt Thierry Herzog war im Juli 2014 ein Ermittlungsverfahren gegen den Politiker eingeleitet worden. Sarkozy wurde sogar in Polizeigewahrsam genommen und verhört – eine Premiere für einen französischen Ex-Präsidenten.
Er soll versucht haben, einen Staatsanwalt an Frankreichs Oberstem Gerichtshof zu bestechen, um Informationen zum Verlauf eines ihn betreffenden Verfahrens in der sogenannten Bettencourt-Affäre zu erlangen oder dieses sogar zu beeinflussen. Dem Staatsanwalt Gilbert Azibert soll er im Gegenzug versprochen haben, ihm einen Posten in Monaco zu verschaffen.
Bestechungsabsicht ist strafbar
„Ich werde ihm helfen“, sagt Sarkozy etwa im Februar 2014 in einem Telefonat über Azibert zu Herzog. Bei dem Gespräch nutzte der Politiker ein Handy, das auf einen anderen Namen angemeldet war und das er heimlich verwendete. In einem anderen Telefonat erinnert der Anwalt den Ex-Staatschef vor einer geplanten Monaco-Reise daran, „für Gilbert ein Wort einzulegen“, woraufhin Sarkozy zustimmt. Kurz darauf sagte Sarkozys die Reise nach Monaco aber ab – die Ermittler vermuten, dass er herausgefunden hatte, dass sein heimliches Handy angezapft wurde.
Letztlich bekam Staatsanwalt Azibert den Posten in Monaco nicht. Für die Ermittler spielt dies aber keine Rolle, denn schon die Absicht der Bestechung ist strafbar.
Das Ermittlungsverfahren gegen Sarkozy beruht allerdings in weiten Teilen auf den abgehörten Telefonaten und wäre vermutlich in sich zusammengestürzt, hätte das Pariser Berufungsgericht die Abhöraktion als nicht rechtmäßig eingestuft. Sarkozy hatte das Anzapfen der Gespräche zwischen ihm als Mandaten und seinem Anwalt als „Skandal“ und gesetzwidrig bezeichnet. Das Vorgehen der Justiz sieht er als politisch motiviert an.
Zurück in den Elysée-Palast
Das seit Herbst ruhende Ermittlungsverfahren gegen Sarkozy kann jetzt wieder aufgenommen werden. Letztlich droht dem 60-Jährigen ein Prozess wegen Bestechung und illegaler Einflussnahme, er muss zudem jederzeit mit weiteren Befragungen durch die Untersuchungsrichter rechnen.
Die Gerichtsentscheidung vom Donnerstag ist daher ein schwerer Rückschlag für Frankreichs Oppositionschef, der in zwei Jahren den Elysée-Palast zurückerobern will. Sarkozy ist zudem in eine Reihe weiterer Affären etwa um seine Wahlkampffinanzen 2012 verstrickt, die ihm ebenfalls noch gefährlich werden könnten.
Erst am Dienstag hatte Sarkozys Partei beschlossen, sich von UMP in Die Republikaner umzubenennen und sich neu aufzustellen. Die Parteibasis soll Ende des Monats über die Umbenennung abstimmen, für den 30. Mai ist dann eine Art Gründungsparteitag in Paris geplant. | 530 |
0 | Heriman, der zweite Alemannenherzog dieses Namens (997), hatte Gerbirga
geehlichet, des vorhin erwähnten Burgundenherzogs Konrad Tochter, und
obwohl schon mehrere Töchter, doch noch keinen Sohn bekommen. Sobald
aber die Eltern zum Grabe Verenas wallten, wurden sie auch mit einem
solchen beglückt. Dieser war, wie Casp. Lang beifügt (Histor. theol.
Grundriss der christl. Welt 1692. 1, 477), Herman III., der indess nicht
zu seinen Jahren kam und schon 1012 wieder starb. | 531 |
1 | Prozess um Messerattacke in Chemnitz: Zeuge gegen Staatsanwalt
Neue Wendung im Chemnitz-Prozess: Ein Zeuge will den Staatsanwalt auswechseln lassen. Der Iraker saß zuvor ohne triftige Beweise in Haft.
Der Angeklagte Alaa S. im Gericht in Dresden Foto: dpa
BERLIN taz | Der Prozess zur tödlichen Messerattacke in Chemnitz ist um eine Volte reicher: Am Freitag verweigerte dort ein Zeuge die Aussage – weil er sich vom Staatsanwalt bedroht fühle. Erst nach einer Auswechslung des Staatsanwalts würde er aussagen, ließ der Iraker über seinen Anwalt erklären.
Seit Mitte März wird in Dresden über die tödliche Messerattacke von Chemnitz verhandelt, angeklagt ist der Syrer Alaa S. Im August 2018 soll er mit einem bis heute flüchtigen Iraker den 35-jährigen Daniel H. erstochen haben. Die Tat löste in Chemnitz wochenlange rechte Aufzüge und Unruhen aus.
Am Freitag nun sollte der Iraker Yousif A. als Zeuge im Prozess aussagen. Er selbst galt einmal als Beschuldigter: Unmittelbar nach der Tat war er mit Alaa S. festgenommen worden und saß drei Wochen in U-Haft – auf Antrag des jetzt auch im Prozess vertretenen Staatsanwalts Stephan Butzkies. Dann aber wurde Yousif A. freigelassen und sein Verfahren eingestellt – mangels Beweisen, dass er etwas mit der Messerattacke zu tun hatte.
Vor Gericht ließ Yousif A. nun seinen Anwalt Ulrich Dost-Roxin eine Erklärung verlesen, die später auch verbreitet wurde: Er fühle sich „erheblich eingeschüchtert“ von Butzkies, da dieser ihm „großes Unrecht angetan“ habe. Der Staatsanwalt sei ihm gegenüber „straffällig“ geworden, da er ihn damals „völlig grundlos, willkürlich und rechtswidrig“ in Haft genommen habe, so Yousif A. Eine ungezwungene Aussage sei so nicht möglich. Erst wenn Butzkies ausgewechselt werde, werde er eine Aussage machen.
Gericht prüft
Bereits Anfang März hatte Yousif A. Anzeige wegen Rechtsbeugung gegen Butzkies und einen Haftrichter gestellt. Der Staatsanwalt vertritt dennoch die Anklageseite im Prozess und hat seit Prozesseröffnung an den Sitzungsterminen teilgenommen.
Das Gericht wollte die Einlassung von Yousif A. prüfen. Eine Gerichtssprecherin erklärte, es sei grundsätzlich zumindest möglich, einen Staatsanwalt vertretungsweise an einem Prozesstag auszutauschen. „Es gibt darauf aber keinen Anspruch.“
Yousif A. stellte in seiner Erklärung indes auch die Vorwürfe gegen den Angeklagten Alaa S. infrage: Auch gegen den Syrer sei „völlig willkürlich ein Haftbefehl erlassen“ worden. Tatsächlich ist die Beweislage gegen Alaa S. dünn. DNA-Spuren von ihm am Tatort gibt es nicht. Und nur ein Zeuge will gesehen haben, dass es der Syrer war, der mit zustach.
Am Freitagnachmittag sagte dieser Zeuge, Younis al-N., ein Koch aus einem Döner-Imbiss nahe des Tatorts, im Prozess aus und berichtete von Morddrohungen. Er sei von mehreren Personen mit dem Tod bedroht worden. Eine Gruppe von sieben bis acht Männern habe ihm bei einem Treffen in einer Shisha-Bar gesagt, sie würden ihn umbringen und niemand würde das erfahren, übersetzte eine Dolmetscherin die Aussagedes Libanesen. Die Namen der Personen kenne er nicht. Seine Vernehmung wurde aus zeitlichen Gründen bis zum 20. Mai unterbrochen.
Bereits Anfang April war er dort ein erstes Mal vorgeladen worden. Damals aber verweigerte Younis al-N. weitgehend die Aussage – um sich nicht selbst in Bedrängnis zu bringen. Denn der Libanese hatte bei Vernehmungen zuerst von Messerstichen durch Alaa S. gesprochen, später nur noch von Schlägen. Eine der Aussagen könnte damit als Falschaussage gewertet werden.
Das Gericht hatte dennoch auf eine Aussage von Younis al-N. beharrt – und ein Ordnungsgeld von 300 Euro gegen ihn verhängt. Das Oberlandesgericht Dresden hatte am Donnerstag nun entschieden, dass Younis al-N. tatsächlich aussagen muss. Das Ordnungsgeld hob es indes auf: Der Zeuge habe sich bei seiner ersten Aussageverweigerung darauf verlassen, dass die Beratung durch seinen Anwalt richtig sei, befanden die Richter. | 532 |
0 | Es ist gut, daß Ihr heute kommet. Graf Contrario wird mir von Stunde
zu Stunde unleidlicher. Nicht genug, daß er in meiner armen
Fayencemalerei ein falsches Kunstprinzip erkennt, ist er mir gestern
hinter meine Drehbank geraten und hat mir mit seinen eigensinnigen
Fingern eine Hauptschraube verkrümmt. Kommet, bevor er mir alles
verdirbt, und bringet das Mädchen mit, daß wir sie heute noch
zusammengeben und beide, nebst den flavianischen Gütern, endgültig
loswerden. | 533 |
0 | Kommentar 1860 München und Medien: Überall Kontrollwahn
Der Zweitligaverein 1860 München gängelt die Medien. Das ist nur die Spitze des gewöhnlichen Irrsinns im deutschen Profifußball.
Manchmal ist die Presse bei 1860 München gern gesehen. Bei Kritik dann nicht mehr Foto: dpa
Ernst kann diesen Verein schon lange keiner mehr nehmen. Dass 1860 München nun drei Zeitungen ihre Dauerakkreditierungen entzogen hat, scheint vielen nur ein weiterer, inzwischen überflüssiger Beleg für den Irrsinn zu sein, der Besitz von dem Traditionsklub genommen hat.
Seitdem der jordanische Geschäftsmann und launenhafte Milliardär Hasan Abdullah Ismaik die Geschicke des Zweitligisten bestimmt, haben sich die Sechziger im nationalen Unterhaltungsbetrieb Fußball an die Spitze gesetzt. So viele Possen produziert nicht einmal der Hamburger SV.
Als Posse lässt sich aber der jüngste Vorfall nicht abtun. Vielmehr stellen sich die Münchner mit ihrer Zensurmaßnahme an die Spitze einer Bewegung, die seit Jahren an Dominanz gewinnt. Die Klubs nehmen mit ihren vereinsinternen Medienkanälen die Berichterstattung immer mehr selbst in die Hand, weil ihnen die Arbeit der Medien missfällt.
In München erklärte man, aufgrund der Berichterstattung, keine Basis mehr „für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit“ zu sehen. Dass Sportjournalisten bis heute von den Vereinen als Partner betrachtet werden, haben diese sich ob ihrer häufig unkritischen Distanzlosigkeit auch selbst zuzuschreiben.
Dass sie dennoch vermehrt als Störenfriede wahrgenommen werden, hat mit der Verkaufslogik zu tun, nach der die Vereine, die mittlerweile wie Wirtschaftsunternehmen funktionieren, ihr Handeln ausrichten. Das eigene Markenprodukt soll vor den kleinsten Kratzern geschützt werden.
Boulevardreporter werden ebenso wie kritische Journalisten als geschäftsschädigend erachtet. Wirkliche Partner sind lediglich diejenigen, die für TV-Übertragungsrechte sehr viel Geld gezahlt haben und sich davor hüten, das erstandene Produkt zu beschmutzen. Der Versuch, die Presse zu beschränken, zu sanktionieren und zu kontrollieren gehört zum ganz gewöhnlichen Irrsinn im deutschen Profifußball. | 534 |
0 | PHANTASIESTRAUSS:
Meinen Namen euch zu sagen,
Würde Theophrast nicht wagen;
Und doch hoff' ich, wo nicht allen,
Aber mancher zu gefallen,
Der ich mich wohl eignen möchte,
Wenn sie mich ins Haar verflöchte,
Wenn sie sich entschließen könnte,
Mir am Herzen Platz vergönnte. | 535 |
1 | 50 Jahre uabhängiges Kongo: Die Eleganz der Freiheit
Vor fünfzig Jahren entließ Belgien seine Kolonie Kongo in die Unabhängigkeit. Es folgten Diktatur und Bürgerkrieg. Doch die Kolonialherren vermisst keiner.
Ein Stück Zeitgeschichte: Der Kongo blickt zurück auf 50 Jahre Unabhängigkeit. Bild: dpa
Es sind Bilder, die man nur noch in Archiven findet, unter dicken Staubschichten. Barocke amerikanische Limousinen, glänzend polierte Cabrios und Coupés gleiten über den gepflegten Rasen eines Golfklubs oder einer Pferderennbahn, ein Ballett von Studebakers, Pontiacs, Mercurys und Oldsmobiles. Vor der Tribüne halten die weißen Chauffeure an, den Fahrzeugen entsteigen Damen mit Hut, im modischen Blumenkleid oder koketten Kostüm. Die Töchter schmiegen sich, so lasziv es ihre gute katholische Erziehung erlaubt, an das verchromte Blech heran. Das hübscheste Team bekommt den Beifall der Jury und einen Pokal.
Das ist ein concours délégance aus dem Kongo der 50er Jahre, ein belgischer Zeitvertreib in tropischen Provinzstädtchen aus einer lang verflossenen Ära. Ortswechsel, Léopoldville, späte 50er Jahre im heutigen Kinshasa. Da hatte irgendein wohlwollender Idiot in der Kolonialverwaltung entschieden, dass auch die Neger ihren concours délégance haben sollen. Problem: Schwarze besitzen natürlich keine Autos, wo kämen wir da hin? So paradieren nette kongolesische Kleinfamilien artig über den Rasen, an den weißen Honoratioren auf der Ehrentribüne vorbei. Zu Fuß. Mit strengem Blick und feierlichem Schritt. Mit einer Nummer auf einem Pappkartonschild und maximal vier ihrer Kinder, man muss ja nicht gleich übertreiben. Einige tragen Fliege, andere ein lächerliches Hütchen, noch andere die Tropenuniform der Kolonialarmee Force Publique. Die Mamas stellen farbige Gewänder zur Schau, die Kinderchen sind frisch gewaschen. Das properste Team wird mit Ovationen seitens der weißen Würdenträger belohnt. Neger sind Kinder, nicht wahr, und entsprechend sind sie zu behandeln.
Belgiens Kolonialisierung des Kongo war äußerst lukrativ und zugleich borniert, kurzsichtig, demütigend, paternalistisch, ideologiefrei, kurzum: belgisch. Zu Hause interessierte sich kaum jemand für die Provinzen in Übersee, Hauptsache, die Kasse stimmte. Einer Legende nach pflegte der Premierminister einmal im Jahr, quasi im Vorbeigehen, seinen untätigen Kolonialminister zu fragen: "Wie gehts denn so, da unten, Auguste?" Worauf unveränderlich die Antwort kam: "Ça va, Achille, merci."
1960 aber ging es plötzlich nicht mehr. Nach Unabhängigkeitsbestrebungen weltweit und vereinzelten Krawallen im Kongo entließen die Belgier ihre riesige Kolonie in eine improvisierte Selbständigkeit. Ganze 14 Akademiker gab es im neuen Staat, zumeist Theologen und Philosophen aus Priesterseminaren. Kein anderes junges Land in Afrika war so schlecht für seine Unabhängigkeit gerüstet. Das Debakel war vorprogrammiert: Unruhen in Léopoldville und anderen Städten, Meutereien, Plünderungen und Vergewaltigungen. In Panik stürmten die weißen Kongo-Belgier die DC-6-Propellermaschinen der Sabena, Hals über Kopf flüchteten sie ins kalte Mutterland. Sie fühlten sich als Opfer, als Parias. Sie hatten den Kolonialismus nicht erfunden, doch sie hatten ihm treu gedient, und nun plötzlich gab es für sie keinen Platz mehr.
Heute, 50 Jahre später, träumen die Überlebenden immer noch von Afrika. In ihren Villen, im Bridgeklub oder in trostlosen belgischen Altersheimen trauern sie dem verlorenen Idyll nach. Von den Negern halten sie nicht viel, aber ihren Kongo, den lieben sie über alles. Die Unbändigkeit eines afrikanischen Morgens! Das tropische Gewitter, bewundert von der sicheren barza aus, mit Whisky-Cola in der Hand! Die brutale Farbenpracht eines afrikanischen Sonnenuntergangs! Das "Heimweh nach den Tropen" sei ihnen auf ihre alten Tage gegönnt. Sie empfinden ein wenig Genugtuung darüber, dass das einstige Paradies ohne sie vor die Hunde ging.
Bei der Unabhängigkeit, die 1960 den halben Kontinent ergriff, spürten Afrikaner etwas völlig neues, "a sense of possibilities", wie es der britische Historiker Basil Davidson nennt. Ihre Hoffnungen wurden fast überall bitter enttäuscht, und ganz extrem im Kongo: drei bis sechs Millionen Tote allein in den letzten zehn Jahren, so schätzt man, Folge von Diktatur, Korruption und Bürgerkrieg. Daraus aber zu schließen, dass sich die Menschen vom Kongo die Kolonialzeit zurückwünschten, wäre falsch. Eine solche Nostalgie gibt es nicht, höchstens ab und zu eine höfliche Lüge. Klar, es ist schmeichelhaft, wenn Kongolesen heute von nos tontons belges sprechen, von den Belgiern als Lieblingsonkeln. Die Kongolesen sehnen sich aber nach einem Staat, der funktioniert, nach pünktlich ausbezahlten Löhnen und befahrbaren Straßen. Sie pflegen noch immer die élégance, aber sie haben mit ansehen müssen, wie ihr Land von den Herrschern leergeplündert wurde, von den Schergen Mobutus und Kabilas, von fremden Soldateskas und korrupten Warlords. Keiner weint in diesem Jubeljahr der Kolonialzeit eine Träne nach. Für die meisten Kongolesen bleibt die Zeit der Belgier: die verfluchte Zeit. | 536 |
0 | Den Spargel waschen und schälen. Die Schalen in einem Liter Gemüsebouillon mit Zucker und Zitronensaft aufkochen lassen und etwa 15 Minuten bei leichter Hitze ziehen lassen. Abseihen und den Spargelfond erkalten lassen.In einer Pfanne die Butter erhitzen und die Schalotten darin andünsten. Mit Mehl bestäuben und etwas anschwitzen (das Mehl muss aber hell bleiben). Sofort unter Rühren mit dem Weißwein ablöschen und den kalten Spargelfond nachgießen. Aufkochen lassen.Den Spargel in etwa 4 - 5 cm lange Stücke schneiden und in den Fond geben, auf kleiner Hitze ziehen lassen, etwa 45 Minuten, bis der Spargel zerkocht ist. Die Sahne dazugeben und die Suppe mit dem Mixstab oder im Mixer pürieren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.Vor dem Servieren mit etwas Schnittlauch und Petersilie bestreuen. | 537 |
0 | Pep Guardiola und das „domestic treble“: Die Frauen haben es längst erreicht
Die Männer von Manchester City werden gefeiert, weil sie alle nationalen Titel gewonnen haben. Doch ihr Trainer weiß: Die ersten sind sie nicht.
Freut sich über den Sieg, würdigt aber auch die Siege der anderen: Fußballtrainer Pep Guardiola Foto: ap
„Hut ab, Manchester City“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Montag. Und auch die Welt jubelt dem Fußballverein und seinem Trainer Pep Guardiola zu; dieser habe etwas erreicht, „was noch keiner englischen Mannschaft gelang“: sich auf nationaler Ebene alle drei Titel zu sichern, die Meisterschaft, den League Cup und den FA-Cup. Genau dieses „domestic treble“ holte sich Manchester City am Freitag mit dem 6:0-Sieg im FA-Cup-Finale gegen den FC Watford.
Zur Freude gab es also allen Grund. Bloß: Manchester City sind keineswegs die ersten in England, denen diese Glanzleistung des nationalen Triples gelingt. Und es war ausgerechnet Guardiola selbst, der auf diesen Umstand hinweisen musste: „Die Frauen haben es gewonnen.“
Mit diesen Worten korrigierte der Trainer am Tag vor dem Spiel gegen den FC Watford einen Journalisten. Dieser hatte wissen wollen, wie aufgeregt Guardiola sei bei der Aussicht, „Geschichte zu schreiben“ und „das allererste“ nationale Triple in England zu gewinnen.
„Der Männer“, fiel der Trainer ihm knapp ins Wort. „Es ist das erste Mal im Männer-Fußball.“ Tatsächlich haben die Frauen vom FC Arsenal dieses Meisterwerk schon in der Saison 1992/93 vollbracht und seither drei mal wiederholt: in 2000/01, 2006/07 und 2008/09.
Arsenal der Frauen holt 2006/07 ein Quadrupel
„Das haben wir allerdings getan“, twitterte Alex Scott. Die BBC-Sportexpertin und ehemalige englische Nationalspielerin war selbst Teil des Arsenal-Teams, als den Frauen 2006/07 nicht nur ein Triple, sondern mit dem Uefa-Sieg sogar ein Quadrupel gelang. Ein Umstand, der ihren männlichen Kollegen im Sportjournalismus offenbar kaum präsent ist.
Die britischen Fußballerinnen sind damit nicht allein. „Wir spielen für eine Nation, die unsere Namen nicht kennt“, hatten erst kürzlich die deutschen Nationalspielerinnen mit Blick auf die im Sommer anstehende WM der Frauen in einem Werbespot erklärt. „Aber dass wir drei mal Europameisterin waren, weißt du schon, oder? Nicht? Stimmt, es waren ja auch acht Mal.“
Auch so eine Zahl, die sich deutsche Sportjournalisten merken sollten. | 538 |
1 | "Hitler und der Nationalsozialismus, so jedenfalls scheint es, bewegen nun schon die 'dritte Generation', und gemessen am Ausstoß der Medien, nimmt das Interesse immer noch zu." - Ausgehend von dieser Feststellung Norbert Freis bietet das Graf-Stat-Projekt "8. Mai 1945 – erinnern heute" die Möglichkeit, sich im Rahmen eines handlungsorientierten Ansatzes anhand des Zweiten Weltkrieges und des Nationalsozialismus` mit Zeitgeschichte auseinanderzusetzen, um den Anforderungen des Geschichtsunterrichts kritisch zu begegnen: Wie gehe ich mit der Vergangenheit, insbesondere dem sensiblen Thema Nationalsozialismus, um, wie kann an die Ereignisse erinnert werden? Wie führe ich eine historische Befragung durch und wie gehe ich damit als kritischer Rezipient um?
Konzeption der Einheit
Das zerstörte Nürnberg (© picture-alliance/dpa)
Das Projekt richtet sich an die Jahrgangsstufen der Oberschulen im sozialwissenschaftlichen und historischen Bereich, auch eine Kopplung an den Deutschunterricht scheint möglich. Die Einheit ist als unterrichtsbegleitendes Projekt nach dem Konzept "Öffnung der Schule" in sechs Modulbausteinen geplant. Empfohlen wird eine Begleitung des Projekts durch eine historische Fundierung. Im ersten Baustein lernt man die Notwendigkeit der Erinnerungskultur als Teil eines reflektierten Bewusstseins von Geschichte kennen. In Baustein zwei wird das Thema in den Erfahrungshorizont der Lerngruppe gestellt, indem diese ihre individuellen Haltungen formulieren, bevor sie die Meinungen ihrer Mitmenschen dazu mittels unterschiedlicher Zugriffe (Interviews, Telefon, Fragebögen) erforschen. Die Module drei bis fünf dienen der Vorbereitung und Durchführung einer Befragung (Baustein drei), der Auswertung dieser (vier) und der Präsentation der Ergebnisse (fünf). Abgeschlossen wird die Einheit durch eine Metareflexion zum eigenen Vorgehen und zum Kompetenzzuwachs im sechsten Baustein.
Einsatzmöglichkeiten im Unterricht
Die Einheit ist progressiv aufgebaut und erfordert die Durchführung jedes einzelnen Bausteines, um funktional zu sein. Für jedes Modul werden Schemata des Unterrichtsverlaufes mit didaktischen Hinweisen, Sachinformationen und Unterrichtsmaterialien angeboten. Zudem steht eine umfassende Sammlung zu Links und auf der Internetseite bereit. Die hohe Präsenz des Themas Nationalsozialismus in Medien und Schule erfordern einen kritisch reflektierten Umgang mit dieser Vergangenheit. Das Projekt geht von den individuellen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler aus. Der schülerzentrierte Zugriff setzt sich in der Umsetzung des Projekts fort, in der die Handlungskompetenz im Vordergrund steht, indem die Schülerinnen und Schüler als historische "Forscher" agieren, die auf Basis einer computergestützten Auswertung die Vergangenheitsdeutung ihrer Mitmenschen erfragen, diese Erinnerungen zu ihrer Narration zusammensetzen, in einem Produkt zusammenfassen und bei der Präsentation ihre narrativen Kompetenzen schulen. Die Begegnung mit unterschiedlichen Versionen der historischen Wahrnehmung schult das multiperspektivische Lernen und erfordert in der Auswertung und Präsentation eine intensive, kontroverse Auseinandersetzung mit den Inhalten.
Anregungen
Das Projekt "8. Mai 1945 – erinnern heute" ist überaus material- und methodenreich sowie schülerorientiert geplant und stellt den kritischen Umgang mit den neuen Medien in den Mittelpunkt. Da eine selektive Nutzung der einzelnen Bausteine aufgrund der inhaltlichen Progression nicht anzuraten ist, erscheint eine Auswahl des umfangreichen Materials in den einzelnen Modulen notwendig. Das Projekt ist teils in den regulären Unterricht zu integrieren (Bausteine 1, 2, 6), für die Durchführung, Auswertung und Befragung in den Bausteinen drei bis fünf wäre aber die Organisation eines Projekts sinnvoll. Da inhaltlicher und technischer Anspruch wie auch die strukturelle Vorbereitung und Durchführung komplex sind, empfiehlt sich die Durchführung vor allem für die Jahrgangstufe 10 und die Sekundarstufe II. Aufgrund des komplexen Anforderungsniveaus ist durch die Lehrkraft auf eine klare Fokussierung bei der Vorbereitung der Befragung zu achten, welche die Reduzierung der Fragen wie den Kreis der Befragten umfassen kann. Um ein historisch fundiertes und reflektiertes Vorgehen zu ermöglichen und tatsächlich eine Schulung des reflektierten Geschichtsbewusstseins zu ermöglichen, ist zu überlegen, das Projekt erst durchzuführen, nachdem die Geschichte des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges als Grundlage einer kritischen Begegnung damit im Unterricht behandelt worden sind. Auf Basis einer jahrgangsübergreifenden Projektidee kann überlegt werden, inwiefern die parallele Durchführung des Projekts in verschiedenen Jahrgängen (zum Beispiel 10 und 12) auch im Sinne der Anregung einer diskursiven Kontroverse über die Erinnerung an Geschichte möglich ist. Einzelne Projektergebnisse müssen nicht als abschließend betrachtet werden, sondern können in späteren Phasen von anderen Lerngruppen fortgesetzt werden.
Zugriff
Unter Interner Link: http://www.bpb.de/lernen/grafstat/ende-des-zweiten-weltkriegs/ steht dieses aktuelle Graf-Stat-Projekt mit den dazu konzipierten Materialien kostenlos bereit. Die GrafStat-Software ist dort ebenso kostenfrei verfügbar.
Das zerstörte Nürnberg (© picture-alliance/dpa)
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0 | Soviel Geld für gar nichts! Karl-Jachls Schreck ist nicht klein gewesen.
Große Damen haben wohl ihre Launen. Wenn sie nicht so plötzlich
fortgereist wäre, hätte Jachl sie angesprochen, weshalb sie _ihm_ das
geschenkt? Doch nicht weil er aus Lüttersloh ist? Erzählt hat er es
keinem. Wozu? In Berlin traut einer dem andern immer rasch Schlechtes
zu. Womöglich hätte man ihn noch für 'nen Dieb gehalten und in die
Zeitung gebracht. Beschwören kann Karl-Jachl: Das Geld ist ihm richtig
geschenkt worden. -- | 540 |
1 | SPD-Parteichefin gibt auf: Das war es mit Nahles
Nach innerparteilicher Kritik tritt Andrea Nahles als Chefin von Partei und Fraktion zurück. Ihr fehle der notwendige Rückhalt, erklärte sie.
Nahles zieht Konsequenzen aus den desaströsen Wahlergebnissen Foto: imago-images/Photothek
BERLIN afp/rtr/dpa | SPD-Chefin Andrea Nahles hat ihren Rücktritt als Parteivorsitzende und Fraktionschefin der Sozialdemokraten angekündigt. „Die Diskussion in der Fraktion und die vielen Rückmeldungen aus der Partei haben mir gezeigt, dass der zur Ausübung meiner Ämter notwendige Rückhalt nicht mehr da ist“, erklärte Nahles am Sonntag.
Am Montag werde sie daher im Parteivorstand ihren Rücktritt als SPD-Chefin und am Dienstag in der Fraktion ihren Rücktritt als Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion erklären. Nahles ist seit April 2018 Parteichefin, die Fraktion führt sie seit September 2017.
Zahlreiche SPD-Spitzenpolitiker hatten Nahles jüngst nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ in einem gemeinsamen Appell den Rücken gestärkt. „Die massive öffentliche Kritik an Andrea Nahles ist unfair“, heißt es demnach in einer Stellungnahme, die auch Vizekanzler Olaf Scholz, die Ministerpräsidentinnen von Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern, Malu Dreyer und Manuela Schwesig, Hessen SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel sowie der schleswig-holsteinische Fraktionschef Ralf Stegner unterstützten.
Die SPD-Abgeordneten stimmen am Dienstagnachmittag über den Fraktionsvorsitz ab. Nahles hatte die eigentlich für September geplante Wahl nach dem desaströsen Abschneiden der SPD bei der Europa- und der Bremen-Wahl vorgezogen. Gegenkandidaten gibt es bisher nicht.
Der frühere SPD-Chef Martin Schulz, der zwischenzeitlich als möglicher Herausforderer der Fraktionschefin galt, führte persönliche Gründe für seinen Verzicht auf eine Kandidatur an. Diese wolle er nicht näher ausführen, sagte er der „Welt am Sonntag“. Eine spätere Kandidatur schließt er aber offenbar nicht aus. Er habe der Fraktion mitgeteilt, dass er sie „selbstverständlich informieren würde, sollte ich gegen sie antreten wollen“.
Die SPD war bundesweit bei der Europawahl am vergangenen Sonntag nach starken Verlusten bei 15,8 Prozent auf Rang drei gelandet, hinter Union und den Grünen. In Bayern erlebten die Genossen ebenfalls mit sogar nur 9,3 Prozent ein Debakel. Zugleich verlor die SPD in Bremen erstmals seit Jahrzehnten die Mehrheit an die CDU.
Zusätzlich befeuert wird die Krise durch eine am Wochenende veröffentlichte Umfrage, die der SPD nicht nur nach ihrer historischen Wahlniederlage vom vergangenen Sonntag einen weiteren Absturz um 5 Punkte auf 12 Prozent attestiert – ein historisches Tief. | 541 |
1 | Machtkämpfe in Coronazeiten: Spaniens dreifache Krise
In Spanien versuchen PP und VOX, die Bevölkerung zu spalten. Die beiden linken Regierungspartner wissen hingegen, dass sie sich gegenseitig brauchen.
Kommunikation mit der Opposition: Sanchez spricht mit Pablo Casado von der konservativen Volkspartei Foto: Moncloa/Europa Press/dpa
Madrid | taz | Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez ist erst etwas mehr als 100 Tage im Amt und schon zieht sich über seiner sozialistisch-linksalternativen Koalitionsregierung das perfekte Gewitter zusammen. Die durch den Coronavirus verursachte sanitäre Krise hat eine schwere wirtschaftlichen und sozialen Krise zur Folge. Als wäre das nicht genug, provoziert die konservative Partido Popular (PP) ausgerechnet jetzt, wo Neuinfektionen und die Zahl der täglich zu beklagenden Todesfälle dank der strikten Auflagen für die Bevölkerung zurückgehen, eine politische Krise. Bisher hat die PP den Alarmzustand mitgetragen. Am Mittwoch enthielten sich die konservativen Abgeordneten erstmals der Stimme.
Die Verlängerung um weitere zwei Wochen, mit deren Hilfe eine landesweite geregelte Öffnung gewährleistet werden soll, kam nur knapp zustande. Die Abstimmung zeugt von der fragile Stabilität im viertwichtigsten EU-Land. Während überall in der Europäischen Union Opposition und Regierung angesichts der Pandemie zusammenrücken, verabschiedet sich PP-Chef Pablo Casado vollständig vom verantwortungsbewussten Handeln. Er riskiert gar eine unkontrollierte Öffnung und damit das gesundheitspolitische Chaos, wenn seine Partei nur Kapital daraus schlagen kann.
Die Weigerung, für eine Verlängerung des Alarmzustands zu stimmen ist neu, der harte Oppositonskurs ist es nicht. Casado hat von Anfang an versucht, aus der Coronakrise politischen Nutzen zu ziehen, erhebt etwa schwere Vorwürfe gegen die Regierung, auch wenn diese oft völlig unhaltbar sind.
Während Sánchez den politischen Streit zu Gunsten der Einheit aller politischen und sozialen Kräfte meidet, nutzt PP zusammen mit der rechtsextremen VOX die sozialen Netzwerke, um die Stimmung im Land zu vergiften. Hunderttausende ferngesteuerter Konten konnte etwa Twitter ausmachen. Sie verbreiten Fakenachrichten, die das angebliche Versagen der Regierung belegen sollen.
Erst war der Opposition der Alarmzustand zu lasch und kam zu spät - nur um jetzt die gleichen Maßnahmen als überzogen und autoritär zu verurteilen. Es werden Massenlegalisierungen von Immigranten erfunden, Korruptionsfälle konstruiert, wo es keine gibt, sowie nicht zu erfüllende Forderung, wie etwa die nach Schnelltests für jeden der 47 Millionen Spanier unters Volk gebracht. Auf Facebook, YouTube, Instagram sieht es nicht anders aus. VOX fordert ganz offen eine „Regierung der nationalen Einheit“ unter Führung der Armee. Casado, dessen PP in den Regionen Madrid, Murcia und Andalusien dank VOX regiert, schweigt sich dazu aus.
Der PP-Chef verfolgt ein doppeltes Ziel: Zum einen sieht er in der Coronakrise die Chance, sich an Sánchez, der die Konservativen 2018 per Misstrauensvotum auf die Oppositionsbank verwies, zu rächen. Gleichzeitig will er von der Verantwortung seiner PP an der sanitären Tragödie ablenken. Waren es doch die Sparmaßnahmen und Privatisierungen der Konservativen, die Spaniens Gesundheitssystem so stark geschwächt haben, dass es am Höhepunkt der Covid-19-Krise kurz davor stand, völlig zusammenzubrechen. Das gleiche gilt für die Altersheime, in denen mehr als die Hälfte der tödlich verlaufenen Covid-19-Fälle zu bedauern sind.
Erst war der Opposition der Alarmzustand zu lasch und kam zu spät – nur um jetzt die gleichen Maßnahmen als überzogen und autoritär zu verurteilen
Madrid, die am stärksten betroffene Region, wird seit Jahrzehnten von der PP regiert. Ausgerechnet hier, in der reichsten Autonomen Gemeinschaft Spaniens, fehlte es an Material zum Schutz der Angestellten, an Krankenhausplätzen, Beatmungsgeräten und an Betten auf Intensivstationen, wie sonst nirgends. Wäre die Zentralregierung unter Sánchez nicht per Alarmzustand eingeschritten, hätte sich die Lage sicher noch weiter verschärft.
PP und VOX versuchen die Bevölkerung – die Abend für Abend auf den Balkonen dem Personal im öffentlichen Gesundheitssystem Beifall klatscht und damit zugleich die Sparpolitik und Privatisierungen im Gesundheitssystem kritisiert – zu spalten. Und sie wollen ein Umdenken in der Sozialpolitik verhindern. Denn erstmals soll in Spanien eine Krise nicht auf dem Rücken der einfachen Leute ausgetragen werden. Solange der Alarmzustand gilt dürfen die Unternehmen niemanden entlassen. Um dies zu erreichen wurden spezielle Kurzarbeitsprogramme und Hilfen für Selbstständige eingeführt. Die Banken werden verpflichtet, in bestimmten Fällen, zinslose Kredite zu vergeben. Ein Mindesteinkommen ist in Vorbereitung.
„Kommunismus“, „Zustände wie in Venezuela“ seien das, wettern PP und VOX. Angesichts dieser neuen Sozialpolitik, die deutlich die Handschrift der linksalternativen Unidas Podemos und deren Vizeregierungschef Pablo Iglesias trägt. Der Rechten ist klar, dass all das nur durch höhere Steuern für Besserverdienende zu finanzieren ist. Genau das wollen sie verhindern. Beide Parteien sind – in unterschiedlicher Form – das Sprachrohr des reichen Spaniens, das von den ständigen Steuersenkungen der letzten Jahrzehnte profitierten.
Sánchez und Iglesias wissen, dass sie aufeinander angewiesen sind, wollen sie das Gewitter überstehen. Die Krise schweißt die sozialistischen und linksalternativen Minister, die sich anfänglich argwöhnisch beäugten, zusammen. Zwar laufen der Linkskoalition derzeit auch einige Verbündete weg, wie etwa die Republikanischen Linken Kataloniens, die aus innerkatalanischem wahlpolitischem Kalkül gegen die Verlängerung des Alarmzustandes stimmte, doch ist die Regierung – so absurd das auch klingen mag – in ihrer Schwäche ungemein stark. Denn Casado ist keine wirkliche Alternative. Der PP-Chef hat auf die politische Mitte verzichtet, in dem er sich VOX zugewendet hat und den Rechtsradikalen die Inhalte streitig machen will.
Ein Scheitern von Sánchez nach nur wenigen Monaten im Amt birgt die Gefahr einer konservativ-rechtsextremen Regierung. Die Schuld an einem solchen Desaster will und kann sich von denen, die die Koalition Sánchez-Iglesias im Januar ins Amt wählten, niemand leisten. | 542 |
0 | In diesem Augenblick haben die Knaben den Wasserrand erreicht, mit
emporgewendeten, freudestrahlenden Gesichtern und aufgehobnen Armen
gleiten sie ins Meer und verschwinden ohne einen Hilferuf. Die
Schlittschuhläufer, die versucht haben, sie einzuholen, stehen ein paar
Sekunden später an der Eiskante, aber die Strömung hat die Körper unter
das Eis gezogen, und keine helfende Hand kann sie erreichen. | 543 |
1 | Vor dem Europäischen Polizeikongress: Das rechte Tabu
Nach dem Rechtsextremismus-Skandal in Hessen fordern einzelne Beamte Konsequenzen. Beim Polizeikongress in Berlin wird das aber nur Randthema sein.
Polizeianwärter bei ihrer Vereidigung: Sie müssen auf die Verfassung schwören Foto: dpa
BERLIN taz | Es wird ein Großaufgebot von Polizisten ab Dienstag in Berlin geben, aus allen Bundesländern, aus dem Ausland. Dann beginnt in der Hauptstadt der Europäische Polizeikongress, mehr als 1.700 Teilnehmer sind angekündigt.
Polizeiführer kommen, Staatssekretäre von Innenminister Horst Seehofer (CSU), der BKA-Chef, der Präsident des Verfassungsschutzes, mehrere Länderinnenminister. Es wird um Grenzschutz gehen, um Cybercrime, um „Big Data bei der Polizei“. Ein Thema aber taucht nur am Rande auf: Rechtsextremismus in den eigenen Reihen.
Dabei ist es das Thema, das zuletzt die höchsten Wellen schlug. In Hessen wurden rechtsextreme Chatgruppen mehrerer Polizisten bekannt, im Frankfurter Revier wurden Privatdaten der Anwältin Seda Başay-Yıldız abgerufen, die danach „NSU 2.0“-Drohschreiben mit Morddrohungen gegen sich und ihre Familie erhielt. Zuvor waren schon sächsische und bayerische Polizisten mit rechtsextremen Ausfällen aufgefallen.
Das Programm des Polizeikongresses sei zusammen mit den Behörden entstanden, heißt es vom Veranstalter, der Zeitschrift Behörden Spiegel. Entschieden worden sei nach Relevanz und aktuellen Fachfragen. Rechtsextremismus in den Reihen der Polizei gehört offenbar nicht dazu.
Oliver von Dobrowolski, Vorsitzender von PolizeiGrün„Dass es nur Einzelfälle von Rechtsextremen in der Polizei gibt, ist ein Witz“
Aber es gibt Stimmen in der Polizei, die mehr fordern. „Spätestens nach den Vorgängen in Hessen müssen sich Polizisten jetzt endlich offensiv gegen Rechtsextremismus und Rassismus aussprechen“, fordert der Berliner Polizist Oliver von Dobrowolski, Vorsitzender von PolizeiGrün, einem Verband kritischer Polizisten.
Es brauche „einen Aufstand der Anständigen in den eigenen Reihen“. Auch die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic, ebenfalls Polizistin, spricht von einem „massiven Handlungsbedarf“ nach den jüngsten rechtsextremen Vorfällen. Nur: PolizeiGrün ist ein Nischenverein in der Polizei, die Mitgliederzahl liegt im oberen zweistelligen Bereich. Und Mihalic spricht derzeit vor allem für ihre Partei, weniger als Polizeibeamtin. Von einem Aufstand in der Polizei ist also wenig zu sehen.
Bundesinnenminister Seehofer schweigt
Und auch der oberste Aufseher, CSU-Innenminister Seehofer, gibt sich bei dem Thema sehr wortkarg. Polizisten müssten „zweifelsfrei auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen“, sagte er nach Bekanntwerden der Vorgänge in Hessen. Daran dürfe es „nicht den geringsten Zweifel geben“. Seitdem schweigt Seehofer zu dem Thema. Dabei ist Hessen kein Einzelfall. Erst am Mittwoch berichtete Bundespolizeichef Dieter Romann hinter verschlossenen Türen des Innenausschusses im Bundestags über 27 rechtsextreme Verdachtsfälle auch in der Bundespolizei in den vergangenen fünf Jahren, dazu 22 rassistische Vorfälle.
Und eine taz-Länderumfrage ergab: Allein im vergangenen Jahr gab es 32 rechtsextreme Verdachtsfälle. In Baden-Württemberg waren es 7, 4 in Sachsen-Anhalt, je 3 in Niedersachsen und Bayern, je 2 in Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein – und dazu 9 aus Hessen. Anderswo bleibt die Lage im Nebel: Rechtsextreme Delikte von Polizisten würden statistisch nicht erfasst, heißt es aus Sachsen, Nordrhein-Westfalen oder Berlin. Zahlen könne man deshalb nicht liefern.
Dabei herrscht Einigkeit in der Polizei, dass Rechtsextremismus in den eigenen Reihen nichts zu suchen hat. Entsprechend wurden die jüngsten Vorfälle in Hessen verurteilt. Solches Verhalten werde „in keinster Weise toleriert“, sagte der Frankfurter Polizeipräsident Gerhard Bereswill, in dessen Revier sich die rechtsextreme Chatgruppe organisiert hatte und die Daten für das Drohschreiben an die Anwältin Başay-Yıldız abgerufen wurde. Bestätigten sich die Vorwürfe, müssten die Beamten ihren Dienst quittieren, so Bereswill.
Auch Oliver Malchow, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Polizei (GDP), nennt die Vorgänge in Hessen „völlig inakzeptabel“. „Diese Leute gehören nicht in die Polizei.“ Reichen diese Worte? Oliver von Dobrowolski, der PolizeiGrün-Chef, hat Zweifel. „Ich vermisse, dass jetzt ein Ruck durch den Polizeiapparat geht.“ Die Vorwürfe aus Hessen seien „so ungeheuerlich, ein Worst Case nach dem NSU, als es hieß, ab jetzt seien die Sicherheitsbehörden sensibel bei den Themen Rechtsextremismus und Rassismus“, klagt von Dobrowolski. „Aber den nötigen Aufstand jetzt, den sehe ich nicht.“
Große Empörung, kaum Taten
GDP-Chef Malchow widerspricht. „Alle in der Polizei sind über die Vorgänge in Hessen empört. Und es gibt auch keinen Zweifel, dass es harte Strafen geben muss, wenn sich das bestätigt.“ Tatsächlich ist aber längst nicht klar, dass es so kommt. In Hessen ermitteln noch das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft. Am Ende wird genau nachgewiesen werden müssen: Welche Chatnachrichten sind tatsächlich strafrechtlich relevant? Wer schrieb was? Wer las nur mit? Dass alle neun Beamten tatsächlich aus dem Dienst entfernt werden, ist nicht sicher.
Die Frage ist ohnehin: Reichen die strafrechtlichen Konsequenzen? Oder muss sich die Polizei auch strukturell anders aufstellen, um solche Vorfälle künftig zu vermeiden? In dem Punkt ist man in der Polizei deutlich zurückhaltender – auch GDP-Chef Malchow, dessen Gewerkschaft zu den liberaleren gehört. 260.000 Polizeibeamte gebe es in Deutschland, erklärt Malchow. Die Vorwürfe jetzt beträfen davon „wenige Einzelfälle“. „Der überwiegende Teil der Polizisten denkt nicht so. Es ist absurd, von einer Vielzahl an rechtsextremen Zellen in den Dienststellen auszugehen.“
Malchow sieht Polizeibeamte auch nicht als besonders anfällig für rechtsextremes Gedankengut – im Gegenteil. „Polizisten schwören einen Diensteid auf die Verfassung, sie werden in der Ausbildung und bei der inneren Führung immer wieder an diese besondere Rolle erinnert. Sie sind deshalb sogar immuner gegen extremistisches Verhalten.“ PolizeiGrün-Chef Oliver von Dobrowolski hält das für „Unsinn“. Natürlich ziehe die Polizei eher eine rechte Klientel an, die sich für Uniform, Waffen und Machtausübung begeistere.
„Die These, dass es nur wenige Einzelfälle von Rechtsextremen in der Polizei gibt, ist ein Witz. Da erlebe ich anderes.“ Auch der Hamburger Polizeiforscher Rafael Behr sieht das so. „Das sind keine Einzelfälle.“ Es gebe in der Polizei keinen strukturellen, durchgängigen Rechtsextremismus, so der Professor. Aber sie ziehe tatsächlich eher wertkonservative Menschen an. „Und es gibt dort einige Milieus und Kleingruppen, die anfällig für rechtes Gedankengut sind.“
Ombudsstelle soll eingerichtet werden
Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) machte dazu nun einen Aufschlag. Als Konsequenz aus den jüngsten Vorfällen im Land soll eine Studie in der hessischen Polizei Handlungsempfehlungen für Führungskräfte erarbeiten. Es soll in Fortbildungen investiert werden. Berichtspflichten zu extremistischen Vorfällen würden ausgeweitet: Bereits „niedrigschwellige“ Meldungen sollen nun direkt ans Landespolizeipräsidium gehen.
Zudem soll eine unabhängige Ombudsstelle für Beschwerden von Polizisten und Bürgern geschaffen werden. Polizeiforscher Behr lobt das Vorgehen: „Beuths Maßnahmen gehen in die richtige Richtung. Zentral aber wird sein, wie genau das alles ausgestaltet wird.“ Wer etwa dürfe die Polizeistudie durchführen und wie unabhängig? Welche Kompetenzen bekomme die Ombudsstelle? Nicht nur in Hessen gibt es Probleme – wie die taz-Länderumfrage zeigt.
Verdachtsfälle betreffen Polizisten, denen rechtsextreme Beleidigungen vorgeworfen werden, die unter Reichsbürgerverdacht stehen, um Polizeischüler, die mit verfassungsfeindlichen Symbolen auffielen, oder auch um extremistische Äußerungen von zwei Ruhestandsbeamten. In Bayern etwa sollen zwei Bundespolizisten betrunken den Hitlergruß gezeigt haben, in Sachsen trugen sich zwei Beamte mit dem Namen des NSU-Mörders Uwe Böhnhardt in eine Dienstliste ein. Und in Mecklenburg-Vorpommern wird gegen einen Polizisten ermittelt, weil er im Falle eines „Umsturzes“ Gewalttaten geplant haben soll.
Für Polizeiforscher Behr ist das „nur die Spitze des Eisbergs“. „Es ist ziemlich sicher, dass in der Polizei weit mehr rechtsextreme Haltungen bestehen, die nicht öffentlich werden.“ Das Problem ist nur: In einigen Bundesländern werden rechtsextreme Vorfälle von Polizisten gar nicht genau erfasst. Auch das zeigt die taz-Umfrage. Selbst das Bundesinnenministerium hat hier offenbar keine Zahlen – dies sei „Zuständigkeit der Länder“, heißt es dort.
Grüne fordern Bund-Länder-Statistik
Die grüne Polizistin Irene Mihalic fordert deshalb nun, dass die Innenministerkonferenz eine Bund-Länder-Statistik über rechtsextreme Vorfälle in der Polizei einrichtet. „Wir müssen endlich diese analytischen Defizite überwinden.“ Grüne, Linke und FDP fordern unabhängige Polizeibeauftragte oder Vertrauensstellen in Bund und Ländern, an die sich auch Polizisten wenden können.
„Es ist wichtig, dass Polizeibeamte die Möglichkeit einer Meldung außerhalb der polizeilichen Hierarchien haben“, betont Mihalic. „So ist auch eine unabhängige Überprüfung gewährleistet.“
Die Idee eines Polizeibeauftragten findet in der Polizei selbst indes wenig Anklang. „Es gibt bereits heute ein Vielzahl an Ansprechpartner für Polizeibeamte, wenn Probleme auftreten“, weist GDP-Chef Malchow die Forderung zurück. Wichtiger sei, die politische Bildung in der Aus- und Fortbildung der Polizei zu stärken – und eine generelle Sensibilität unter den Kollegen zu schaffen, gerade bei denen, die in „Problembereichen“ wie in sozialen Brennpunkten arbeiteten. „Damit schon bei ersten Auffälligkeiten Kollegen zur Seite genommen und gefragt werden: Sag mal, wie redest du eigentlich?“
Neue Strukturen könnten Vertrauen schaffen
Hier aber sieht Forscher Behr Probleme. In der Polizei herrsche bis heute ein „Code of Silence“, eine Art Korpsgeist, bei dem Beamte im Zweifel schwiegen und ihre Kollegen nicht verpfiffen. „Das werden auch Fortbildungen nicht durchbrechen können“, so Behr. „Deshalb braucht es tatsächlich externe Beschwerdestellen.“ Auch PolizeiGrün-Chef von Dobrowolski plädiert dafür: In der Polizei selbst würden „Probleme tendenziell runtergekocht statt transparent aufgeklärt“.
In Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein gibt es bereits Polizeibeauftragte. Auch in NRW wurde gerade einer eingerichtet, Berlin soll bald einen bekommen und Hessen nun eine Ombudsstelle. Andere Länder aber halten von der Idee wenig. Auch Seehofers Bundesinnenministerium hat hier eine klare Position: Auf Bundesebene werde „derzeit kein Bedarf zur Einrichtung einer oder eines Polizeibeauftragten gesehen“. Fragen an das Ministerium nach anderen Konsequenzen aus den rechtsextremen Verdachtsfällen in Hessen blieben unbeantwortet.
Oliver von Dobrowolski schüttelt darüber den Kopf. „Es darf nicht wieder bei Beschwichtigungen bleiben“, erklärt der Polizist. „Nur wenn man jetzt auch strukturell etwas ändert, werden wir der Probleme Herr – und können so überhaupt Vertrauen zurückgewinnen.“ | 544 |
0 | Alles, was ich bezüglich der Handlungen des Regenten einer
Untersuchung unterwarf, war tief geheim. Nur er selbst und der
Patteh wussten davon, denn ich habe ihn loyal verwarnt. Sogar
der Kontrolleur weiss jetzt nur erst zum Teil den Ausfall
meiner Untersuchungen. Diese Geheimhaltung hatte einen doppelten
Zweck. Erst, als ich noch hoffte, den Regenten von seinem Wege
abzubringen, beobachtete ich sie, um, wenn ich damit Erfolg
hatte, ihn nicht zu kompromittieren. Der Patteh hat mir in seinem
Namen--es war am 12. dieses--ausdrücklich für diese Diskretion
Dank gesagt. Doch später, als ich an dem Erfolg meiner Versuche
zu verzweifeln begann, oder besser, als das Mass meiner Entrüstung
durch einen eben gehörten Vorfall überlief, als längeres Schweigen
Mitverantwortlichkeit bedeutet hätte, da war diese Geheimhaltung
meinethalben nötig, denn auch gegen mich selbst und die Meinen
habe ich Pflichten zu erfüllen. | 545 |
0 | In diesem Sinn ward nunmehr das Lager verändert und kam hinter Verdun
zu stehen; das Hauptquartier des Königs, Glorieux, des Herzogs von
Braunschweig, Regret genannt, gab zu wunderlichen Betrachtungen
Anlass. An den ersten Ort gelangt' ich selbst durch einen
verdrießlichen Zufall. Des Herzogs von Weimar Regiment sollte bei
Jardin Fontaine zu stehen kommen, nahe an der Stadt und der Maas; zum
Tor fuhren wir glücklich heraus, indem wir uns in den Wagenzug eines
unbekannten Regiments einschwärzten und von ihm fortschleppen ließen,
obgleich zu bemerken war, dass man sich zu weit entferne; auch hätten
wir nicht einmal bei dem schmalen Weg aus der Reihe weichen können,
ohne uns in den Gräben unwiederbringlich zu verfahren. Wir schauten
rechts und links, ohne zu entdecken, wir fragten ebenso und
erhielten keinen Bescheid; denn alle waren fremd wie wir und aufs
verdrießlichste von dem Zustand angegriffen. Endlich auf eine
sanfte Höhe gelangt, sah ich links unten in einem Tal, das zu
guter Jahrszeit ganz angenehm sein mochte, einen hübschen Ort mit
bedeutenden Schlossgebäuden, wohin glücklicherweise ein sanfter
grüner Rain uns bequem hinunterzubringen versprach. Ich ließ umso
eher aus der schrecklichen Fahrleise hinabwärts ausbiegen, als ich
unten Offiziere und Reitknechte hin und wider sprengen, Packwagen und
Chaisen aufgefahren sah; ich vermutete eins der Hauptquartiere, und
so fand sich's: es war Glorieux, der Aufenthalt des Königs. Aber auch
da war mein Fragen, wo Jardin Fontaine liege, ganz umsonst. Endlich
begegnete ich, wie einem Himmelsboten, Herrn von Alvensleben, der
sich mir früher freundlich erwiesen hatte; dieser gab mir denn
Bescheid, ich solle den von allem Fuhrwerk freien Dorfweg im Tal bis
nach der Stadt verfolgen, vor derselben aber links durchzudringen
suchen, und ich würde Jardin Fontaine gar bald entdecken. | 546 |
0 | Internationales Frauenfilmfestival Köln: Gegen chauvinistisches Jammern
Frauenfilmfestivals wurden öfter totgesagt – sind im Zuge von „#MeToo“ aber wichtiger denn je. Das Kölner Festival zeigt, warum.
Film „Pierburg: Ihr Kampf ist unser Kampf“ von Edith Schmidt und David Wittenberg Foto: IFFF/Dortmund|Köln
Zur Eröffnung des Internationalen Frauenfilmfestivals Köln gab es zwei Tragetaschen. Eine vom Festivalbüro mit dem aufgedruckten Schriftzug „Feminist“ außen und innen den üblichen Festivalutensilien wie Katalog und Programmbroschüren. Die andere wurde als Giveaway eines lokalen Sponsors nach der Eröffnungsveranstaltung ausgeteilt und offenbarte beim späteren Hineinsehen diverse Parfümpröbchen und eine Werbezeitschrift mit dem Titel Beauty Talk.
Das ist ökologisch nicht gerade korrekt, denn vermutlich wanderte das Paket bei vielen nach der Sichtung gleich in die Tonne. Es ist aber eine amüsante Pointe auf die Revision des öffentliches Bilds von Feministinnen, die früher gern als ungekämmt-schmuddelige „Männerhasserinnen“ imaginiert wurden. Es wäre interessant zu wissen, ob auch männliche Besucher diese zweite Tüte erhalten haben (bitte melden!).
Soweit der Gossip-Teil. Von der Substanz her war das im jährlichen Wechsel in Dortmund (mit Themenschwerpunkt) und in Köln (mit Regionalschwerpunkt) veranstaltete Festival auch in diesem Jahr gefälliger Anbiederung unverdächtig und fiel politischer als sonst aus. Das lag auch an der klugen Entscheidung, angesichts der aktuellen nationalistischen Umtriebe beim traditionellen Länderfokus den Blick statt nach China oder zuletzt Mexiko diesmal auf das Land vor der eigenen Haustür zu richten. Das Ergebnis ist die Sektion „Über Deutschland“ als offensiv auf Diversität zielender Gegendiskurs zum chauvinistischen Jammergesang.
Um die solcherart postulierte Vielstimmigkeit bei der Programmgestaltung umzusetzen, hatte Betty Schiel als Leiterin der Sektion die Ausgestaltung vieler der neun Einzelprogramme mit auswärtigen Kuratorinnen geteilt. Das gelang glänzend etwa mit der Präsentation von Spots zur kritischen Aufarbeitung des NSU-Komplexes oder der szenischen Lesung eines von syrischstämmigen Neuberliner Drehbuchautor*innen geschriebenen Skripts zu einer geplanten Fernsehserie. Deren aus dem Deutschen entlehnter Titel „Heim“ ist schon zum neuen arabischen Begriff für eine Flüchtlingsunterkunft geworden.
„Von Seepferdchen und Schränken“
Am stärksten für den Erkenntnisgewinn aber war der Blick in die Geschichte: Etwa in Cana Bilir-Meiers poetischem Kurzfilm „Semra Ertan“ (2013), der an die gleichnamige junge Arbeitsmigrantin und Poetin erinnert, die sich 1982 in Hamburg selbst verbrannte, um ein – allzu schnell wieder verdrängtes – Fanal gegen den Rassismus in Deutschland zu setzen. Metaphorisch gemeint ist das Feuer im Titel von Angelika Nguyens außergewöhnlich frei gestaltetem Dokumentarfilm „Bruderland ist abgebrannt“ (1991), der die Abwicklung der Schicksale vietnamesischer Vertragsarbeiter*innen in Ostberlin begleitet und neben der offenen Pogromstimmung der Zeit direkt nach dem Mauerfall auch vom paternalistisch eingefärbten Rassismus der DDR-Zeit mit ihren internationalistischen Parolen erzählt.
Positiver geht es zu in einem ebenso kraftvollen wie wehmütig stimmenden Film über einen von Arbeitsmigrantinnen angetriebenen Streik in einem Vergaserwerk in Neuss 1973. „Pierburg: Ihr Kampf ist unser Kampf“ von Edith Schmidt und David Wittenberg zeigt Kämpfe um mehr Lohn, aber auch gegen kasernierte Lebensbedingungen für Einwanderer, die von denen in der DDR nicht so verschieden waren. Zur Filmvorführung in Köln waren vier der damals beteiligten Frauen zu Gast, die – selbst unterschiedlicher Herkunft – vehement für Solidarität und gegen ethnische und religiöse Aufspaltung plädierten.
Frauenfilmfestivals wurden ja schon öfter totgesagt, scheinen in Zeiten von „#MeToo“ und „Pro Quote“ aber wieder an Berechtigung zu gewinnen. In Köln ließ sich gut sehen, dass sich feministische Positionen selbst längst jenseits dieser Monothemen in den gesamtpolitischen Bereich weiterentwickelt haben und Jahrzehnte kultureller Bewusstseinschärfung allüberall praktische Früchte tragen. Ein Beispiel die Berliner Rapperin Sookee, die lange vor dem Skandal um die letzte Echo-Verleihung aktiv gegen den Sexismus im Hiphop anarbeitete und deren Porträt („Von Seepferdchen und Schränken“, Regie: Kerstin Polte) in der Queer-Sektion des Festivals gefeiert wurde.
Natürlich gab es noch einiges mehr, auch wirklich Wichtiges. Darunter der Wettbewerb für Debütspielfilme mit acht Produktionen, den dieses Jahr das Coming-of-Age-Drama „Estiu 1993“ der spanischen Regisseurin Cara Simon gewann. Oder der Preis für Bildgestalterinnen, den Paola Calvo für den Dokumentarfilm „Violently Happy“ und Sarah Weber für den Spielfilm „Wie ich mich verlor“ erhielten. Und dann noch ein Abschied: Denn dieser Festivaldurchlauf war der letzte von Festivalleiterin Silke Johanna Räbiger, die nach 25 Jahren in den Ruhestand geht. | 547 |
0 | Bethesda
Ist die Open World von "Starfield" eingeschränkt? Ein Insider hat eine These.
Dienstag, 29.08.2023, 12:55
Der Weltraum, unendliche Weiten? Zumindest beim Spazierengehen auf erkundbaren Planeten in "Starfield" wurden den Spielern große Bewegungsfreiheiten versprochen. Es scheint jedoch Einschränkungen zu geben, wenn ein Insider recht behält.
Statt einer offenen Spielwelt gleich eine ganze Galaxie nebst komplett begehbarer Planeten - so stellten sich viele die Bewegungsfreiheit in "Starfield" vor. Noch letzte Woche postete Peter Hines, Head of Publising bei Bethesda, eine Aussage auf X (früher Twitter), die nahelegte, dass man Planeten komplett zu Fuß durchwandern könnte. Ein User fragte ihn, ob man nach der Landung den kompletten Planeten erkunden könne. Darauf schrieb Hines: "Ja, wenn du magst. Marschiere weiter, mutiger Entdecker."
Der Brancheninsider Tom Henderson allerdings behauptet nun - ebenfalls auf X - dass es in Wahrheit große Einschränkungen beim Erkunden von Planeten gäbe. Angeblich sind auf jedem der rund 1.000 eingebauten Planeten lediglich drei bis fünf Landezonen eingeplant, die teilweise mit Points of Interest verknüpft sind. Man könne laut Hernderson nicht von einem zum nächsten Landepunkt spazieren, sondern würde beim Versuch auf Terraingrenzen stoßen, die nicht passierbar sind. Letzlich befände man sich quasi nur auf einem Map-Abschnitt. Will man den Planeten weiter erkunden, müsse man also zurück ins Raumschiff und eine andere Landezone bereisen.
Weltraumerkundung im Laufgitter?
Laut Tom Henderson würden die Zonen, die Spieler verlassen, gelöscht und das nun angesteuerte Terrain neu generiert. Die Planeten wären also keine Open World im engeren Sinn. Henderson selbst versucht sich an einer Erklärung: Wenn er recht hat, blieb Bethesda keine andere Wahl, um die Konsolen und Computer technisch nicht mit der Fülle an Daten in die Knie zu zwingen. Bethesda selbst hat sich noch nicht zu dem Thema geäußert und so bleibt Hendersons Theorie reine Spekulation.
"Starfield" erscheint am 6. September für PC und Xbox Series X/S.
*Der Beitrag "Grenzenlose Bewegungsfreiheit: Hält "Starfield" doch nicht, was es verspricht?" wird veröffentlicht von Teleschau. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
Teleschau | 548 |
0 | Und dann stieg Kasperle in sein Bett, denn allemal, wenn er über etwas
nachdenken wollte, fand er es am besten, im Bett zu liegen oder draußen
unter einer der großen, uralten Tannen. Viel dachte das Kasperle ja gerade
nicht nach. Wenn es sagte: »Ich will's mir überlegen,« und im Bett lag,
dann rasselte das nachher gleich fürchterlich: das Kasperle schlief und
schnarchte. | 549 |
0 | Ich kenne deine Sendung.
Ich weiß, daß deine Frauen, nur sich selbst
Und ihres Ursprungs dunklen Quell betrachtend,
In unfruchtbares Sinnen tief versenkt,
Mit Feindesaugen all mein Tun betrachten.
Daß die Vermengung mit dem Menschenschicksal,
Daß alles was gemeinsam sie verletzt
Mich aber widert's an, als schlauer Hirte
Zu weiden einer Herde gleich das Volk,
Nur hoch, weil andre niedrig und beschränkt.
Belästigt sie die laute Menschenmenge,
Wir haben andre Schlösser noch im Land,
Dort mögen sie mit ihrer Jungfraun Schar
In unnahbarer Abgetrenntheit weilen,
Und das Gewohnte, weil es doch bequem,
Starr wie sie selbst, für ew'ge Zeit bewahren.
Wir wollen weiter, weiter in der Bahn,
Ich und mein Volk, als Bürger und als Menschen. | 550 |
1 | dpa
Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen (CDU), bei der gemeinsamen Präsidiumssitzung in Berlin.
Freitag, 15.11.2013, 14:54
Unter dem Eindruck eines Rekord-Umfragetiefs hat Schwarz-Gelb in der Sozialpolitik wichtige Weichen gestellt und eine Mini-Anhebung des Hartz-IV-Satzes um maximal 5 Euro beschlossen.
Deutlich mehr Geld soll nach der Vereinbarung der Koalitionsspitzen vom Sonntag in Bildungsangebote für Kinder von Langzeitarbeitslosen fließen. Eine abschließende Einigung steht noch aus zu höheren Hinzuverdienstgrenzen, die die FDP fordert.Die Koalitionsspitzen besiegelten die Pläne für das Energiekonzept mit der umstrittenen Verlängerung der Atom-Laufzeiten – es geht am Dienstag ins Kabinett. Am Abend gaben die Spitzen von CDU und CSU grünes Licht für die Pläne von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zur Aussetzung der Wehrpflicht.Der Hartz-IV-Regelsatz soll von 359 auf bis zu 364 Euro steigen. Tabak und Alkohol wurden aus der Berechnung herausgenommen, ein Internet-Zugang wird dagegen berücksichtigt. Nach den Vorschlägen von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sollen die Sätze für Kinder vorerst nicht geändert werden.Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar eine Neuberechnung der Regelsätze verlangt, weil das bisherige Verfahren nicht transparent ist. Vor allem die Leistungen für Kinder müssten künftig am Bedarf orientiert werden. Der Bund will zur Bildungsförderung der 1,7 Millionen Kinder von Hartz-IV-Empfängern pro Jahr rund 620 Millionen Euro zusätzlich zahlen.
Die Kanzlerin sagte: „Wir sind hier einen sehr, sehr großen Schritt gegangen, um das Ziel Arbeit für alle auch umzusetzen.“ Langzeitarbeitslose sollten so schnell wie möglich nicht mehr auf Hartz IV angewiesen sein. Kinder sollten besser an Bildung teilhaben. FDP-Chef Guido Westerwelle sprach von einer „Brücke ins Arbeitsleben“. Hartz IV dürfe keine Dauereinrichtung sein.
Die Zuverdienstregeln für Hartz-IV-Empfänger sollen bis zur Kabinettssitzung am 20. Oktober feststehen. Danach müssen Bundestag und Bundesrat – in dem Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr hat – zustimmen. SPD, Grüne und Linke drohen mit Verfassungsklagen. Die Koalition zeigte sich einig, dass Mittel für Kinder aus Hartz-IV-Familien als Sachleistung vergeben werden. Die Umsetzung bleibt den Ländern überlassen. Die von der Arbeitsministerin favorisierte Bildungs-Chipkarte hatte
die CSU stets abgelehnt.
SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Merkel vor, sich von Westerwelle erpressen zu lassen. Dieser habe im Frühjahr Hartz-IV-Empfänger verhöhnt und könne es deshalb nicht zulassen, dass die Regelsätze deutlich aufgestockt werden. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte: „Die Würde des Menschen ist mehr als fünf Euro wert.“ Der Linkspartei-Vorsitzende Klaus Ernst kritisierte, eine Anhebung um fünf Euro sei „mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum unvereinbar“.
Die Bundesregierung einigte sich endgültig auf das umstrittene Energiekonzept. Vorgesehen sind im Schnitt 12 Jahre längere Laufzeiten für die Kernkraftwerke und ein Ökostrom-Anteil von 80 Prozent bis 2050.
Die SPD will die Atom-Pläne bekämpfen.
Die Präsidien der Unionsparteien stellten einvernehmlich die Weichen für die geplante Bundeswehrreform. „Wir glauben, dass es wichtig ist, dass die Präsidien gemeinsam eine Richtungsentscheidung auch vorgeben oder anregen“, sagte Merkel. CSU und CDU wollen die Aussetzung der Wehrpflicht auf Parteitagen im Oktober und November beschließen. Die Präsidien erarbeiteten eine gemeinsame Empfehlung.
Guttenberg will die Wehrpflicht aussetzen und die Truppenstärke deutlich verringern. CSU-Chef Horst Seehofer hatte nach großen Bedenken eingelenkt und einer Aussetzung zugestimmt. Noch offen ist, ob es bei den Plänen bleibt, die Truppe von 250 000 Soldaten auf 180 000 bis 190 000 zu verkleinern.
Die Parteispitzen fordern, dass eine wesentlich größere Truppenstärke erforderlich sein wird als die bislang von Guttenberg genannte absolute Untergrenze von 163 500 Frauen und Männern. Eine genaue Zahl nannten sie nicht. Zugleich forderten die Parteispitzen, wie von der CSU verlangt, bei Änderungen in den Bundeswehrstandorten regionale Strukturfragen mit zu bedenken.
Im Streit mit der CSU über die Gesundheitsreform rechnet Merkel nicht mit einer schnellen Einigung. Sie gehe davon aus, „dass wir dieses Gesundheitskonzept und die Veränderungen des Gesundheitssystems bis zum Ende des Jahres beschlossen haben werden“. Seehofer deutete an, er wolle zwar Änderungen, aber die Reform nicht scheitern lassen. Die CSU kämpft unter anderem für einen höheren Anteil an bundesweiten Honorarzuwächsen für Bayerns Ärzte.
dpa | 551 |
1 | Proteste in Belarus – ein Jahr danach: Der Geist der Revolution lebt
Lukaschenko ist unfreiwillig zum Geburtshelfer der belarussischen politischen Nation geworden. Das erinnert an den Euromaidan in der Ukraine.
Solidaritätskundgebung für Belarus am 8. August 2021 in Kiew Foto: dpa
Ein schrecklicheres Jahr hat es in der Geschichte des modernen belarussischen Staates noch nie gegeben. Nur 365 Tage hat Diktator Alexander Lukaschenko, der sich bis heute für den belarussischen Präsidenten hält, gebraucht, um sein Land in ein Konzentrationslager mitten in Europa zu verwandeln.
Alle seine Hauptwidersacher hat er hinter Gitter gebracht. Mittlerweile gibt es mehr als 600 politische Gefangene. Tausende von Belaruss*innen waren gezwungen, ihr Land zu verlassen, um den Repressionen zu entkommen.
Lukaschenko schreckte nicht einmal vor staatlichem Terror zurück, als er eine Ryan-Air-Maschine zur Landung in Minsk zwang, weil der oppositionelle Journalist Roman Protassewitsch an Bord war. All dieser Irrsinn zeigt: Der Diktator klammert sich mit aller Gewalt an die Macht, vor deren Verlust er tödliche Angst hat.
Aber Lukaschenko hat nicht verstanden, dass alle seine Bemühungen nur den umgekehrten Effekt haben: Die Belaruss*innen werden ihn nie mehr als Staatsführer anerkennen. Er hat seine Legitimität in den Augen seines Volkes für immer verloren.
Ironie des Schicksals
Das Wichtigste aber, was in Belarus passiert ist, ist die Geburt einer politischen Nation. Sechsundzwanzig Jahre lang hat Lukaschenko systematisch die belarussische Identität zerstört. Aber – Ironie des Schicksals – jetzt hat er selbst sie den Belaruss*innen zurückgegeben.
Das erinnert an die Ereignisse in der Ukraine: Der russische Präsident Wladimir Putin wollte mit dem Krieg gegen das Land die Ukraine unter seine Kontrolle bringen. Doch das Gegenteil geschah: Mental hat die Ukraine die „russische Welt“ jetzt für immer verlassen.
Sonderseiten Belarus 2021„Uchodi!“, „Hau ab!“ Das war nur einer der Schlachtrufe, die 2020 in vielen belarussischen Städten zu hören waren. Der Adressat: Alexander Lukaschenko, der mit einer dreist gefälschten Präsidentenwahl am 9. August den Bogen endgültig überspannt hatte. Zehntausende Belaruss*innen gingen wochenlang auf die Straße.Ein Jahr danach bilanzieren belarussische Teilnehmer*innen im taz-Panter-Workshop die Ereignisse. Ihnen allen ist gemein, dass ihr Wille, zu Veränderungen beizutragen, ungebrochen ist – allen Rückschlägen zum Trotz. Dieser Text ist erscheinen auf den Sonderseiten der taz-Panter Stiftung „Glaube, Liebe, Hoffnung“.
Gleichzeitig sind die Unterschiede zwischen der belarussischen Revolution und der ukrainischen offensichtlich. Die Ukraine hat mit dem Euromaidan eine Wahl zwischen Russland und der EU getroffen. Belarus kämpft aktuell mit der Vergangenheit um die Zukunft, gegen den Autoritarismus für die Demokratie. Obwohl es auf den Straßen in Belarus keine Proteste mehr gibt, ist der revolutionäre Geist im Land nicht verschwunden. Lukaschenko hat die Schlacht gewonnen, aber den Krieg verloren.
Und er weiß: Vermindert er heute den Grad der Repressionen, dann kommt die Opposition schon morgen an die Macht. Davor hat nicht nur er Angst, sondern der ganze Machtapparat und die belarussische Elite. Denn sie werden sich genau wie Lukaschenko selbst für ihre Verbrechen verantworten müssen, weshalb sie versuchen, sich gegenüber dem Diktator loyal zu zeigen.
Nicht vorbereitet
Jedoch hat nicht nur dies die Revolution in Belarus verhindert. Auch die demokratische Opposition selbst war nicht auf die Revolution vorbereitet. Wenn ein Diktator praktisch dreißig Jahre an der Macht ist, wäre es naiv zu hoffen, ihn durch demokratische Wahlen stürzen zu können.
Und auch der Westen hat zu lange geschwiegen und die Ereignisse in Belarus lediglich beobachtet. So, als ob alles besser wäre als eine neue Konfrontation, die Lukaschenko noch weiter in die Arme des Kremls treiben könnte.
So reibt sich nur Russlands Präsident Wladimir Putin die Hände. Er weiß, dass der Westen sich kaum einer schleichenden Annexion von Belarus widersetzen wird. Zur selben Zeit erkennt Lukaschenko, dass die formale Unabhängigkeit von Belarus der letzte Trumpf ist, den er im Ärmel hat. Aber noch ist dieser Moment nicht gekommen, der belarussische Diktator wird sein eigenes Volk auch weiter unterjochen.
Aus dem Russischen Gaby Coldewey | 552 |
0 | In allen Urteilen, worinnen das Verhältnis eines Subjekts zum Prädikat
gedacht wird, (wenn ich nur die bejahenden erwäge: denn auf die
verneinenden ist die Anwendung leicht) ist dieses Verhältnis auf
zweierlei Art möglich. Entweder das Prädikat B gehört zum Subjekt A
als etwas, was in diesem Begriffe A (versteckterweise) enthalten ist;
oder B liegt ganz außer dem Begriff A, ob es zwar mit demselben in
Verknüpfung steht. Im ersten Fall nenne ich das Urteil analytisch, im
andern synthetisch. Analytische Urteile (die bejahenden) sind also
diejenigen, in welchen die Verknüpfung des Prädikats mit dem Subjekt
durch Identität, diejenigen aber, in denen diese Verknüpfung
ohne Identität gedacht wird, sollen synthetische Urteile
heißen. Die ersteren könnte man auch Erläuterungs-, die anderen
Erweiterungs-Urteile heißen, weil jene durch das Prädikat nichts zum
Begriff des Subjekts hinzutun, sondern diesen nur durch Zergliederung
in seine Teilbegriffe zerfällen, die in selbigen schon, (obschon
verworren) gedacht waren: dahingegen die letzteren zu dem Begriffe
des Subjekts ein Prädikat hinzutun, welches in jenem gar nicht
gedacht war, und durch keine Zergliederung desselben hätte können
herausgezogen werden, z.B. wenn ich sage: alle Körper sind ausgedehnt,
so ist dies ein analytisch Urteil. Denn ich darf nicht aus dem
Begriffe, den ich mit dem Wort Körper verbinde, hinausgehen, um die
Ausdehnung als mit demselben verknüpft zu finden, sondern jenen
Begriff nur zergliedern, d.i. des Mannigfaltigen, welches ich
jederzeit in ihm denke, nur bewußt werden, um dieses Prädikat darin
anzutreffen; es ist also ein analytisches Urteil. Dagegen, wenn ich
sage: alle Körper sind schwer, so ist das Prädikat etwas ganz anderes,
als das, was ich in dem bloßen Begriff eines Körpers überhaupt denke.
Die Hinzufügung eines solchen Prädikats gibt also ein synthetisch
Urteil. | 553 |
0 | Die ganzen Kürbisse in Salzwasser etwa 30 Minuten kochen.Dann einen flachen Deckel abschneiden, die Kerne entfernen und das Fruchtfleisch bis auf einen schmalen Rand herauslösen und würfeln.Den Lauch waschen, putzen, in feine Ringe schneiden und zusammen mit den feingehackten Knoblauchzehen im Fett andünsten.Mit der Gemüsebrühe ablöschen und etwa 15 Minuten dünsten.Danach mit den Gewürzen pikant abschmecken.Das gewürfelte Kürbisfleisch, die Sonnenblumenkerne und den zerbröselten Schafskäse untermischen und die Sahne unterziehen.Die ausgehöhlten Kürbisse leicht salzen und pfeffern, die Masse hineinfüllen und in eine feuerfeste Form setzen. Im Backofen bei 200°C etwa 30 Minuten backen. | 554 |
0 | Die Kartoffeln waschen und in Wasser in 20 - 30 Minuten gar kochen. Die Brühe in 250 ml heißes Wasser rühren. Senf, Öl und Essig einrühren. Die Vinaigrette mit Salz und Pfeffer würzen. Die Kartoffeln abgießen, abschrecken und die Schale abziehen. In Scheiben schneiden, mit der Vinaigrette mischen und den Salat ziehen lassen.Die Fischstäbchen auf einem mit Backpapier ausgelegten Blech verteilen. Im heißen Ofen (225 °C) ca. 15 Minuten backen, dabei einmal wenden.Die Tomaten waschen, putzen und in Scheiben schneiden. Die Rauke waschen und trocken tupfen. Beides unter den Salat heben und den Salat nochmals abschmecken.Mit den Fischstäbchen anrichten. | 555 |
1 | „Wohngipfel“ im Kanzleramt: Bund will Wohngeld erhöhen
Der Bund hat eine Wohngeldreform angekündigt. Ab dem Jahr 2020 sollen Geringverdiener damit entlastet werden. Außerdem sind tausende neue Sozialwohnungen geplant.
Bis 2021 sollen mehr als 100.000 neue Sozialwohnungen entstehen Foto: dpa
BERLIN Reuters | Der Bund will das Wohngeld für Geringverdiener im Jahr 2020 anheben. Teilnehmer des „Wohngipfels“ im Kanzleramt bestätigten am Donnerstag einen entsprechenden Bericht des Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), wonach dies in einer Beschlussvorlage für die Veranstaltung am Freitag vorgesehen ist. „Mit einer Wohngeldreform 2020 soll das Leistungsniveau und die Reichweite des Wohngeldes gestärkt werden“, heißt es in dem Papier laut RND. „So können die Entlastungswirkung des Wohngeldes erhalten und einkommensschwache Haushalte bei den Wohnkosten unterstützt werden.“
Laut Beschlussvorlage sollen in Deutschland bis zum Jahr 2021 mehr als 100.000 neue Sozialwohnungen gebaut werden. Demnach sagt der Bund für den Zeitraum 2018 bis 2021 zu, den Ländern „mindestens fünf Milliarden Euro“ für den Bau von Sozialwohnungen zur Verfügung zu stellen. Eine solche Summe hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits in Aussicht gestellt.
Zudem wolle der Bund dem Bericht zufolge weitere Veränderungen im Mietrecht auf den Weg bringen. „Durch gesetzliche Mindestanforderungen an die standardisierte Gestaltung von Mietspiegeln wird die Bundesregierung für mehr Rechtssicherheit für Vermieter und Mieter sorgen“, heißt es in der Vorlage. Der Betrachtungszeitraum für die ortsübliche Vergleichsmiete werde von vier auf sechs Jahre erweitert.
Darüber hinaus kündigt die Bundesregierung den Bericht zufolge an, die Wohnungsbauprämie für Bausparer attraktiver zu gestalten: „Dazu wollen wir die Einkommensgrenzen an die allgemeine Einkommens- und Preisentwicklung anpassen und den Prämiensatz erhöhen.“ | 556 |
1 | Kommentar zu den Gauland-Vergleichen: Tauber vergiftet die Diskussion
Der CDU-Generalsekretär kritisiert FDP-Chef Christian Lindner. Er sollte besser nicht jeden Kritiker Merkels gleich zum Rechtsextremen stempeln.
Peter Tauber verharmlost die AfD und treibt konservative Kritiker Merkels in die Arme der Rechten Foto: dpa
Mit Verlaub, Herr Tauber, aus Ihnen spricht der Demagoge! Ja, man kann FDP-Chef Christian Lindner durchaus überheblich finden und sich wundern, dass die einstige Bürgerrechtspartei auf ihrem Neujahrstreffen plötzlich den starken Staat ausruft.
Man kann es ebenso für doppelzüngig halten, dass die Liberalen traditionell grenzenlosen Freihandel fordern, andererseits aber die Grenzen für Flüchtlinge wieder dicht machen wollen. Aber all das tut Lindner, anders als übrigens die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, indem er sorgfältig jeden völkischen Unterton oder Ressentiments gegenüber anderen Volksgruppen und Religionen vermeidet. Das macht den Unterschied.
Man darf nicht jeden, der es falsch findet, dass Angela Merkel 2015 die Dublin-Regelungen ausgesetzt hat, zum Rechtsextremen stempeln. Das ist selbst totalitär – und es macht jede politische Diskussion über die Regierungspolitik in der Flüchtlingsfrage unmöglich. Merkels Handeln war humanitär, es war in vielerlei Hinsicht riskant, aber auf keinen Fall alternativlos.
Wenn Tauber jetzt also behauptet, Lindner klinge in seiner Kritik an Merkel wie AfD-Mann Alexander Gauland, dann richtet er gleich mehrfach Schaden an. Er verharmlost die AfD, eine teilweise völkische Partei, von der viele ihrer Mitglieder eine andere Republik wollen.
Er treibt konservative Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik in die Arme der Rechtsextremen. Vor allem aber vergiftet er ausgerechnet im Wahljahr den Boden der politischen Auseinandersetzung zwischen den demokratischen Parteien, zu denen die FDP zweifellos gehört, nicht aber die AfD.
Nicht jede Kritik an der Flüchtlingspolitik der Regierung kommt von rechts außen
Wenn wir nach Trumps hetzerischem US-Wahlkampf vermeiden wollen, dass auch der Bundestagswahlkampf zur Schlammschlacht wird, dann muss man vom Generalsekretär der CDU erwarten, dass er nicht herumtrollt, als sei er selbst ferngesteuert. Eine Entschuldigung ist fällig. | 557 |
0 | Getty Images for FC Bayern
Bayern-Trainer Julian Nagelsmann
Samstag, 06.08.2022, 10:48
Julian Nagelsmann äußert sich zum ersten Mal zu seiner Beziehung zu der „Bild“-Reporterin Lena Wurzenberger. Dabei erzählt der Trainer des FC Bayern auch warum er keine Probleme für seine tägliche Arbeit sieht.
Beziehung bietet Angriffsfläche : Zum ersten mal äußert sich Bayern-Coach Julian Nagelsmann öffentlich zu seiner Beziehung zu Bild-Reporterin Lena Wurzenberger. Dabei sei ihm bewusst, dass diese Liaison Angriffsfläche biete: „Ich will sicher nicht meiner eigenen Karriere schaden“, so Nagelsmann in einem Interview mit der „FAZ“.
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Vertrauen zu den Spielern zerstört? Julian Nagelsmann nimmt auch zu der Vermutung Stellung, seine Spieler könnten das Vertrauen zu ihm verlieren, weil er der Journalistin Interna ausplaudern könne: „Als Trainer bist du zu 100 Prozent davon abhängig, wie deine Spieler deine Ideen umsetzen. Ich verstehe wirklich, dass dieser Vorwurf kommen kann. Aber in welchem Interesse sollte ich etwas erzählen?“
Die Folgen sind Nagelsmann bewusst: Würde er als Coach Interna an seine Freundin weitergeben,wäre er „der Erste, der entlassen wird“, dessen sei er sich bewusst. Er und die Spieler wollen Erfolg und deswegen habe er „kein Problem, Vertrauensverhältnisse aufzubauen“.
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In der 24. Minute des Spiels des FC Bayern in Frankfurt kommt es zu einer denkwürdigen Szene. Die Bayern-Stars Gnabry und Müller laufen alleine auf den Torwart zu. Doch sie schaffen es, das sichere Tor zu verstolpern. Thomas Müller hatte dafür im Anschluss eine Erklärung.
So wurde aus dem HSV-Stürmer Uwe Seeler „Uns Uwe“
FOCUS online/Wochit
So wurde aus dem HSV-Stürmer Uwe Seeler „Uns Uwe“
lah | 558 |
0 | Die Längswand wurde zur Hälfte von einer großen Ottomane, eine der Ecken
von einem Kachelofen eingenommen, der in sanftem Maigrün schimmerte, die
andere von einer Etagère mit Rauchrequisiten, Alles gediegen, lauter brave
Arbeit von tüchtigen Handwerkern, natürlich auch der Tisch, die Fauteuils
und die Stühle, die mit der Ottomane zusammen eine Familie bildeten. Sie
wieder hatte ein würdiges #vis-à-vis# in der zwischen den Fenstern
angebrachten Konsole, der Trägerin einer vortrefflichen, altdeutschen Uhr. | 559 |
0 | So gescheidt der Truthahn aber auch sonst ist, so albern und
unbehülflich stellt er sich an, wenn er sich gefangen glaubt, und eben
auf diese seine Dummheit sind auch die Fallen berechnet. Wo nämlich der
Ansiedler, -- denn der Jäger nimmt sich selten die Mühe, das mit der
Axt zu bekommen, was er mit der Büchse erlegen kann, -- eine Kette
Truthühner zu fangen wünscht, sei es nun in einem abgeärnteten Maisfeld
oder im Walde, da macht er von langen, gehaltenen, schweren Stangen eine
Umzäunung, die etwa zehn bis zwölf Fuß im Quadrat hat und so hoch sein
muß, daß der größte Truthahn, aufgerichtet, darin herumlaufen kann.
Die Decke wird nachher mit Holz oder Steinen beschwert, daß sie dem
Aufflatternden nicht nachgiebt. In eine der Wände, am besten nach der
Richtung hin, in welcher die Hühner gewöhnlich ins Feld kommen, wird
eine kleine Thüre gesägt. Gerade unter dieser hinweg führt eine Art
schmaler Laufgraben in das Innere der Umzäunung; unter der Thür ist
dieser Graben am tiefsten und läuft nach Innen wieder auf die Oberfläche
hinaus. Dieser Graben wird bis auf zwölf und funfzehn Schritt von der
Falle weggeleitet und nach ihm hin sparsam, in ihm aber reichlich Mais
gestreut, der bis in den eingezäunten Raum hinein führen muß, wo es gut
ist, wenn ein kleiner Haufen von Maiskolben dem Truthahn gleich entgegen
lacht. Der Graben aber und die darüber hingehende Thür dürfen zusammen
nur so hoch sein, daß ein ausgewachsener Truthahn, wenn er, mit dem
Kopf auf der Erde, der Äsung nahe geht, gerade hindurch schreiten kann,
also etwa zwanzig bis vierundzwanzig Zoll. Finden nun die den Wald
durchgreifenden Hühner den umher gestreuten Mais, so folgen sie den
einzelnen Körnern, gerathen in den Graben und treten nun, das Gestell
wenig beachtend, in den inneren hohen Raum, wo sie sich gar bald an dem
dort aufgeschichteten Vorrath eine Güte thun. Auf diese Weise gehen
manchmal zehn und fünfzehn zu gleicher Zeit in die Falle. Nun hinderte
sie freilich nichts auf der Welt, auf eben dieselbe Art das Gestell
zu verlassen, wie sie es betreten haben; sobald aber nur einem von
ihnen der Gedanke kommt, das Freie zu suchen, wobei er sich natürlich
aufrichtet und, den fest verwahrten Ort über sich erblickend, das
Warnungszeichen giebt, so erheben in demselben Augenblick Alle die Köpfe
und versuchen flatternd in die Höhe zu entkommen; keiner von ihnen denkt
von dem Augenblick weder mehr daran, den Mais zu berühren, noch sich
überhaupt zu bücken, und ich weiß den Fall, daß sie sich auf diese Art
gegen Abend gefangen haben und bis zum nächsten Nachmittag darin
geblieben sind, wo dann der Farmer herbei kam und sie einzeln heraus
holte. | 560 |
0 | Actionkomödie „Bad Spies“: Blutspur durch Europa
Die Actionkomödie „Bad Spies“ schickt zwei US-Laienagentinnen auf Europamission – Culture Clash und #MeToo-Bewusstsein inklusive.
Wie Twens im Interrail-Rausch: Mila Kunis und Kate McKinnon in „Bad Spies“ Foto: Hopper Stone/StudioCanal/dpa
„Willst du sterben, bevor du je in Europa gewesen bist?!“ Wer will das schon. Vor allem, wenn das mit dem Sterben schnell konkret werden könnte: Audrey (Mila Kunis) und Morgan (Kate McKinnon) sind auf der Flucht vor ein paar entschlossenen Irren mit Pistolen.
Denn Audreys Exfreund Drew (Justin Theroux) war, wie die junge Biomarktangestellte zufällig erfährt, ein Spion. Und weil Audrey und Morgan seinen gewaltsamen Tod mitansahen, und dabei einen USB-Stick mit „Geheiminformationen“ zugesteckt bekamen, führt ihr Weg sie Richtung Übersee – dort soll Audrey ihn einer Kontaktperson übergeben. Aber der Plot ist eigentlich egal. Denn „Bad Spies“ ist qua Definition eine „Actionkomödie“, bei der nicht Plausibilität und Spannung der Handlung, sondern Gags zählen.
Die Idee, ganz normale Menschen, chaotische Frauen gar, deren physische Schlagkraft begrenzt ist, in das Fadenkreuz internationaler Geheimdienste zu setzen, ist nicht neu – Paul Feig hatte vor ein paar Jahren Melissa McCarthy in der „Spy – Susan Cooper Undercover“-Reihe ins Geschehen geworfen, und auch Maxwell Smart in „Get Smart“ aus dem Jahr 2008 wird trotz ausgewachsener Trotteligkeit in den Feldeinsatz befördert.
„Bad Spies“-Regisseurin Susanna Fogel, die ein Drehbuch des erprobten Serien- und „Saturday Night Live“-Autors David Iserson verfilmt hat, setzt darum auf die Komödienkraft ihrer Protagonistinnen: Fast jeder Wortwechsel zwischen Kunis und der in den USA enorm erfolgreichen „Saturday Night Live“-Komikerin McKinnon ist als separate Gagnummer konzipiert. Etwa, wenn die beiden schnell die Expertise eines Codeknackers brauchen und Morgan ihr Ex-Date „Eddie Snowden“ anruft. „Keiner weiß, dass er auf Ska steht“, lässt Morgan fallen, und ein Snowden-Double steht später am Telefon vor einer nebligen Roter-Platz-Kulisse.
Berliner Techno-Abbruchhaus
Moskau ist (bis auf einen nachgesetzten Showdown in Tokio) der östlichste Punkt der Laienagentinnen-Odyssee. Denn Fogel inszeniert mit dem Besuch zweier US-Amerikanerinnen in Kontinentaleuropa (Nicht-EU-Länder inklusive) auch das Aufeinanderprallen der Kulturen und die Unbedarftheit, mit der Audrey und Morgan sämtliche Länder auf der anderen Ozeanseite touristisch generalisieren: „Europe“ eben, alte Welt voller alter Gebäude und unverständlicher alter Sprachen. Wie Twens im Interrail-Rausch mäandern die Frauen zwischen Wien, Prag, Vilnius, Paris, Amsterdam und Berlin, sitzen im Wiener Kaffeehaus vor der Melange, übernachten in Holland im Hostel und färben sich die Haare in einem Berliner Techno-Abbruchhaus, bevor es im Museum für Verkehr und Technik zur Klimax kommt.
Bad Spies„Bad Spies“. Regie: Susanna Fogel. Mit Mila Kunis, Kate McKinnon u. a. USA 2018, 117 Min. Ab 30. August 2018 in deutschen Kinos
Klischeetechnisch bekommt dabei auch die andere, die amerikanische Seite ihr Fett weg: Als eine Auftragskillerin (Ivanna Sakhno) über den Knopf im Ohr das „Go“ bekommt, „zwei dumme Amerikanerinnen“ zu töten, wandert ihr Zielfernrohr hilflos zwischen Sehenswürdigkeiten im historischen Zentrum Wiens hin und her. An einer Skulptur machen „zwei dumme Amerikanerinnen“ Selfies, auf einem Platz gackern „zwei dumme Amerikanerinnen“ mit Jungs, und auf einer pittoresken Brücke hält eine „dumme Amerikanerin“ der anderen beim Göbeln den Kopf.
Rein klischeetechnisch bekommt dabei auch die andere, die amerikanische Seite ihr Fett weg
Dieses mit Culture Clash gepaarte Nummernrevuehafte, das vor allem von McKinnon ausgespielt und verbal mit einem Post-#MeToo“-Bewusstsein samt dementsprechender „Right on sister!“-Sprüche garniert wird, hätte vielleicht einen medioker unterhaltsamen Comedyrahmen bilden können – auch wenn das Timing oft nicht stimmt, die Dialoge der irrelevanten Handlung zu oft Redundantes enthalten und echtes Interesse an den zappelnden Heldinnen kaum entsteht. Doch Fogel hat sich entschlossen, Actionszenen einzuflechten, die unerwartet und unfassbar brutal sind.
Und so pflastern Leichen den Weg von Audrey und Morgan: Zwischen den Gags hört und sieht man tonnenweise Knochenbrüche und Einstichwunden, abgeschnittene Körperteile und bildfüllende Tote. In einer heftigen Gewaltorgie wird ein Café verwüstet, bis Blutströme fließen, entstellte Gesichter erschrecken die Kamera, und Brutalitäten unterbrechen die Witze wie unangemessene Pausenfüller. Für die Stuntcrew, die bereits in der rasanten, an Bond oder „Mission Impossible“ erinnernden Eingangsactionsequenz zeigt, was sie draufhat, war der Film garantiert ein Festschmaus.
Wieso Fogel die auf allen Ebenen (Handlung, Tonalität) ihrer Komödie völlig überflüssige Gewalt derartig performativ einsetzt und dem Film somit eine Härte mitgibt, die jedes gemeine Splatterwerk beschämt, ist unklar – glaubt sie an einen verrohenden Publikumsgeschmack, steht sie auf Gewaltspitzen, will sie schockieren, ist ihr das Thema schlichtweg wumpe? „Bad Spies“ wirkt wie ein unentschlossener, geschmacklich fragwürdiger Versuch, Kate McKinnon und der durch „Bad Mums“ bekannten Kunis als Comedy-Starvehikel zu dienen. Doch das Vehikel rumst gegen die Wand. Und hinterlässt jede Menge realistische Unfallspuren. | 561 |
1 | NPD-Verbot: Bundestag stellt keinen Antrag
Der Antrag der SPD-Fraktion, für ein Verbot der NPD vor das Verfassungsgericht zu ziehen, wurde vom Parlament abgelehnt. Zuvor stritten die Parlamentarier darüber.
Im Bundestag ist man sich nicht einig, ob ein NPD-Verbotsverfahren Chancen hätte. Bild: dpa
BERLIN dpa | Der Bundestag wird nicht für ein NPD-Verbot zum Verfassungsgericht nach Karlsruhe ziehen. Ein entsprechender Antrag der SPD-Fraktion fand am Donnerstag im Parlament keine Mehrheit. Gegen den Antrag stimmten 326 Abgeordnete, dafür waren 211. 40 Parlamentarier enthielten sich.
Angenommen wurde dagegen ein Antrag der Koalitionsfraktionen, der zur Bekämpfung von Rechtsextremismus aufruft. Der Bundesrat hatte Mitte Dezember beschlossen, vor dem Bundesverfassungsgericht einen neuen Anlauf für ein NPD-Verbot zu starten.
Zuvor hatte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann eindringlich für einen solchen Antrag geworben: „Gegen ihre Feinde dürfen sich Demokraten nicht neutral verhalten", sagte Oppermann. Die NPD sei antidemokratisch, antisemitisch, ausländerfeindlich und zum Teil gewaltbereit. Die rechtsextreme Partei dürfe nicht länger auch noch von der staatlichen Parteinfinanzierung profitieren.
Redner von Union und FDP betonten, dass man in der Einschätzung der NPD im Parlament nahezu gleicher Auffassung sei. Unions-Fraktionsvize Günter Krings (CDU) sagte: „Wir sind uns einig, dass die NPD aus allen Parlamenten verschwinden soll.“ Es gehe hier aber um die Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens vor Gericht. Krings hielt der SPD vor, diese hohen Hürden eines Verfahrens „fahrlässig“ zu ignorieren.
Auch Volker Beck von den Grünen mahnte zur Vorsicht. Wenn ein Verbotsverfahren große Chancen hätte, dann würde alle Parlamentarier „mit fliegenden Fahnen Ja sagen“. Aber das Material gegen die Partei werfe nach wie vor Fragen auf, die zunächst seriös und sorgfältig zu klären seien. Es gehe in der Debatte nicht darum, ob man die NPD verbieten will, sondern ob man sie verbieten kann. Ulla Jelpke von den Linken sprach sich dagegen für einen Verbotsantrag des Parlaments aus. „Auschwitz gedenken heißt NPD verbieten“, sagte Jelpke. | 562 |
1 | Prozess gegen Neonazi-Gruppe „Aryans“: Haft für Angriff auf Gegendemo
Mit Autos machten sie Jagd auf Linke und prügelten auf Unbeteiligte ein. Nun wurden zwei Neonazis zu Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt.
Am 1. Mai 2017 griffen die „Aryans“ in Halle Gegendemonstranten und Unbeteiligte an Foto: dpa
HALLE AN DER SAALE taz | Spätestens jetzt gibt es keinen Zweifel mehr: Am 1. Mai 2017 haben Angehörige der Neonazi-Kameradschaft „Aryans“ Jagd auf Andersdenkende und Jugendliche gemacht, einige verprügelt und noch schwerere Verletzungen in Kauf genommen. Die beiden Angeklagten, er mit kahlgeschorenem Kopf, sie mit blondiertem Haar, verziehen keine Miene, als die Richterin am Freitagvormittag in Saal 187 des Landgerichts Halle das Urteil verkündet.
Drei Jahre und sechs Monate Gefängnis wegen schwerer Körperverletzung und einfacher Körperverletzung in einem weiteren Fall für Carsten M. Seine Lebensgefährtin Marina H. bekommt deshalb wegen schwerer Körperverletzung ein Jahr und zwei Wochen auf Bewährung. Sie kaut hektisch Kaugummi, ansonsten ist ihr nichts anzumerken. Das Gericht folgt mit seinem Urteil beinahe der Empfehlung der Staatsanwaltschaft, die für beide Angeklagten nur zwei Monate länger gefordert hatte.
Richterin Sabine Staron lässt in der Urteilsbegründung keinen Raum für Interpretationen. „Stattgefunden hat eine Jagd auf Gegendemonstranten.“ Aus Frust, weil linke Gegendemonstranten die Mai-Demo der Nazis in Halle blockiert hatten. Gleich am Morgen hatte Carsten M. eine Sektflasche an den Kopf bekommen – die zum Motiv für den Angriff wurde, so die Meinung des Gerichts: M. war auf Rache aus. Die Aussage der Angeklagten und einiger rechter Zeugen, sie hätten aus Notwehr gehandelt, ist nach Ansicht des Gerichts eindeutig widerlegt.
Eigentlich hatten sich Carsten M. und Martina H. mit weiteren Neonazis zur Demo am Hauptbahnhof in Halle verabredet, alle gekleidet in die gleichen, schwarzen „Aryans“-Pullis. Doch Gegendemonstranten blockierten die Route. Schon am Hauptbahnhof kam es zum Handgemenge, dann verfolgten Carsten M. und seine Mitinsassen mit dem Auto drei Radfahrer, von denen zwei flüchten konnten, bevor Martina H. von der Beifahrerseite einen Stein nach dem dritten Radfahrer warf.
Zeugen hatten gehört, wie aus dem Auto gerufen wurde: „Da ist die Sau. Jetzt geht’s los, ihr Dreckszecken!“. Das ist die erste Tat des Tages, das Gericht urteilte über beide: gefährliche Körperverletzung. Das Paar hatte durch die Verfolgung und den Steinwurf lebensgefährliche Verletzungen des Radfahrers in Kauf genommen. Die Vorstellung, die Radfahrer hätten ihrerseits das Auto angegriffen, wie einige Rechte vor Gericht behauptet hatten, nannte Richterin Staron „abenteuerlich“.
Gefestigt nationalsozialistisch eingestellt
Der nächste Angriff fand kurz darauf drei Kilometer entfernt statt. Auf dem Holzplatz war gerade eine Wandergruppe von Jugendlichen unterwegs, die bewusst die Demoroute hatte meiden wollen. Sie liefen gerade an einem abgeschlagenen Infostand der Gegendemo vorbei, als die Autos mit quietschenden Reifen vor ihnen hielten und Carsten M. heraussprang. Was dann passierte, zeigen Fotos: Carsten M. mit wutverzerrtem Gesicht, schwarzem Pullover mit der Aufschrift „Aryans“ – und einem Stromkabel in der erhobenen Hand, wie er auf die Menschengruppe vor ihm losrennt. Er prügelt auf die Gruppe ein, zwei von ihnen werden später im Prozess als Nebenkläger auftauchen. Diese Tat bedeutet das zweite Urteil für M., die zweite Körperverletzung an diesem Tag.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft sind Carsten M. und Martina H. gefestigt nationalsozialistisch eingestellt. Auch die Zeugen, die mit in den Autos saßen und vor Gericht für das angeklagte Paar aussagten, gaben sich als stramme Neonazis zu erkennen. Selbst angeklagt sind sie noch nicht. Einer von ihnen, mit Gesichtstattoo und kahlgeschorenem Kopf, sagte am vierten Prozesstag aus, er halte den Spruch „Support your Race“ für seine Pflicht. Der Schriftzug hatte auf der Rückseite der T-Shirts gestanden, die alle an der Tat beteiligten Neonazis am 1. Mai getragen hatten. Auf der Vorderseite stand „Aryans“, Arier, in Frakturschrift.
Haufenweise dieser T-Shirts wurden dann bei einer Hausdurchsuchung im vergangenen September bei Martina H. und Carsten M. im hessischen Main-Kinzig-Kreis gefunden. Selbst ein Shirt für Babys fanden die Ermittler. Außerdem Messer, illegale Schusswaffen, wegen denen M. vor diesem Prozess verurteilt wurde, Pyrotechnik, Aufkleber unter anderem für die neonazistische Kameradschaft „Division Braune Wölfe“, der M. und weitere Aryans zuletzt angehörten. Daneben stellten die Ermittler SS- und Hakenkreuzfahnen sowie Nazi-Devotionalien sicher.
Zweifelhafte Handlungen der Staatsanwältin
Die außerordentliche Brutalität des Angriffs und die Tatsache, dass es diesmal Unbeteiligte getroffen hatte, hat auch die Strafkammer des Landgerichts bewogen, den Prozess „wegen seiner außerordentlichen Bedeutung“ vor dem eigenen Gericht stattfinden zu lassen. Die zuvor zuständige Staatsanwältin hatte die Anklage nur vor dem Amtsgericht erhoben, der untersten Instanz, mit der Begründung, diese Auseinandersetzungen seien „typisches Alltagsgeschäft“.
Mit dem hohen Strafmaß für das Neonazi-Paar wird die Bedeutung der Entscheidung des Landgerichts deutlich, den Prozess hier zu verhandeln, erklärt Nebenklageanwalt Sebastian Scharmer nach der Verhandlung. „Am Amtsgericht wäre das maximale Strafmaß zwei Jahre gewesen.“ Sein Versuch, wegen Landfriedensbruchs gegen die Neonazis zu klagen – ein häufiges Urteil gegenüber linken Demonstranten – scheiterte.
Die Aufgaben im Prozess übernahm dann ein anderer Vertreter der Staatsanwaltschaft Halle. Doch im Verlauf wurden weitere Details bekannt, die ein zweifelhaftes Licht auf die zuvor zuständige Staatsanwältin wirft – aber auch auf einzelne Polizeibeamte. Fünf Handys wurden bei der Hausdurchsuchung gefunden, doch nur zwei wurden ausgewertet.
Dabei fanden die Ermittler einen Chat zwischen Martina H. und einem Bekannten bei der hessischen Polizei, worin sie ihn mehrfach um Informationen aus den Strafregistern ihres Lebensgefährten einer weiteren Person bat. Der Beamte kam der Bitte teilweise nach und gab ihr Daten zu Carsten M. weiter. Später hieß es, er habe sie nur vor ihm schützen wollen. Gegen den Polizisten läuft nun ein Disziplinarverfahren in Niedersachsen, das für die Dauer des Prozesses ruht.
Die Nebenklage plant weitere Anzeigen
Merkwürdig ist, dass die Staatsanwältin die Auswertung nach zwei Handys stoppte – das sagte der dafür zuständige Polizeibeamte am vierten Prozesstag aus. Nach Ansicht von Nebenklageanwalt Scharmer wusste die Staatsanwältin zu diesem Zeitpunkt schon von der Verbindung zwischen H. und dem hessischen Polizisten. An den Namen des zweiten Neonazis, aus dessen Strafregister H. Informationen haben wollte, konnte sich der zuständige Ermittler auch bei erneuter Vorladung am Donnerstag nicht erinnern. Scharmer plant daher weitere Anzeigen – er will sich nicht mit den zwei ausgewerteten Handys zufriedengeben. Die Informationen könnten auch wichtig für ein anderes Verfahren werden, das den Aryans derzeit droht.
Ende Januar, als der Prozess in Halle schon lief, wurde bekannt, dass die Bundesanwaltschaft seit vergangenem Jahr gegen die Aryans wegen Verdachts auf Rechtsterror ermittelt. Damit ist die Gruppe eine von bundesweit vier, bei der die Bundesanwaltschaft diesem Verdacht nachgeht, neben Revolution Chemnitz, Nordadler und der Oldschool Society.
Einen Einfluss auf das Gerichtsverfahren hätten die Ermittlung jedoch nicht, erklärte im Laufe des Prozesses der Gerichtssprecher und Vorsitzende Richter am Landgericht, Wolfgang Ehm, der taz: „Wie die Organisationsstruktur der Angeklagten aussieht, ist für die Schwere der Schuld nicht erheblich“, dies sei im gesonderten Verfahren festzustellen.
Man könne das in einem Prozess am Landgericht, das die Staatsanwältin zudem ja erst am Amtsgericht angesiedelt hatte, „nicht nachermitteln bis zum Urschleim“. Auch die Richterin verwies im Prozess mehrfach darauf, dass es im Verfahren um den Vorwurf schwerer Körperverletzung ging – nicht um die politische Gesinnung der Angeklagten.
Dieser Text wurde am 08.02.2019, 15:30 Uhr aktualisiert | 563 |
1 | Für eine Galerieansicht aller Karten der Türkei klicken Sie bitte Interner Link: hier.
Der Mongoleneinbruch 1402 stoppte die Expansion des Osmanischen Reiches nur kurzzeitig. Es folgte eine Blütephase und die Herrschaft Süleymanns dem Prächtigen, dessen Regentschaft auch in der heutigen Türkei oft stark verklärt wird. In dieser Zeit, dem 16. Jahrhundert erreichte die Ausdehnung des Osmanischen Reiches ihren Höhepunkt: 1529 hatte das Osmanische Herr den gesamten Balkan unterworfen und belagerte Wien. Doch bereits in dieser Zeit machten sich technische Rückständigkeit, ein stagnierender Handel mit Indien, Korruption und Aufstände und Landflucht bemerkbar, die zu einer Schwächung des Reiches führten. Die Zweite Belagerung Wiens im Jahr 1683 leitete indes den Zerfall des riesigen Reiches ein: die europäischen Mächte sahen sich erneut der Bedrohung eines islamischen Heeres gegenüber. In der Folge Kämpfte das Osmanische Reich an mehreren Fronten gleichzeitig gegen Österreich, die Republik Venedig und Polen-Litauen. Der Russisch-Türkische Krieg zwischen 1768 und 1774 besiegelte schließlich den Niedergang des Imperiums. Als „kranker Mann am Bosporus“ stieg das Reich letztlich an der Seite des Deutschen Kaiserreichs in den Ersten Weltkrieg ein, auch weil die herrschenden Jungtürken im Krieg die Gelegenheit sahen, verlorenes Gebiet zurückzuerobern. Mit dem Ersten Weltkrieg gingen das Deutsche, wie auch das Osmanische Reich zu Ende. An ihre Stellen traten die Weimarer Republik und die Republik Türkei.
Interner Link: Karte: Zerfall des osmanischen Reiches
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0 | Im Jahre 1570 wurde Elisabeth, Hans Schmidten Ehefrau, in dem Orte Altheim
der Hexerei verdächtig. Ihre Nachbarn richteten daher eine Supplik an den
Oberamtmann zu Amorbach, worin sie baten, »wegen dieser Zaubereien sie
gnädig zu bedenken«, infolge dessen die Angeklagte in den Thurm zu Buchen
geworfen und hier an eine Kette angeschmiedet, in strenger Haft gehalten
wurde. Die Zeugen, welche man am 12. Juni 1570 über sie vernahm, sagten
aus: In jeder Walpurgisnacht sei die Schmidtin, welche eine Geis geführt,
bei dem Vieh auf dem Felde gewesen und habe mit einer schwarz-weissen Gerte
auf verschiedenes Vieh geschlagen, welches hernach erkrankt und zu Grunde
gegangen sei. Sie habe ferner, als ein schweres Unwetter entstanden,
gesagt: ihretwegen möge das Wetter Alles erschlagen; sie habe den ganzen
Winter hindurch auch nur Hotzele und Dürrrüben zu essen gehabt.
-- Insbesondere sagte noch der Kuhhirte aus: als das Gewitter sich
entladen, seien ihm die Kühe davon gelaufen, was seiner Ueberzeugung nach
nur durch die anwesende Schmidt verursacht sei. -- Ihrem Bericht über diese
Depositionen fügten Schultheiss und Schöffen noch bei: Dem Dorfschulzen sei
durch die Zauberei der Schmidtin inzwischen eine Kuh krepirt, auch seien
»den Leuten, so die Schmidtin angezeigt, die Kühe und vier Schweine schwach
und krank geworden«. Auch habe zur grossen Verlegenheit der Gemeinde der
Kuhhirt abgedankt, weil er mit solchen verhexten Kühen nichts mehr zu
schaffen haben wollte, -- »ihm überdies drei zauberische Hasen begegnet
seien, von denen einer einen Bauch gehabt wie eine Geis, und denen kein
Hund habe nachlaufen können«. | 565 |
0 | Als er in die Nähe des nächsten Gebüsches kam, glaubte er zwischen den
Zweigen etwas Weißes hervorschimmern zu sehen, und sogleich begann sein
Herz vor lauter Freude laut und rasch zu klopfen. Ja, es war, wie er
erwartet hatte! Da drinnen lag Daunenfein, noch eben so niedlich wie
früher, auf ihren Eiern, und neben ihr stand der weiße Gänserich. Der Junge
meinte, man könne ihm sogar im Schlafe ansehen, wie stolz er darauf war, da
oben in den lappländischen Bergen bei seiner Frau Wache stehen zu dürfen. | 566 |
0 | AFP via Getty Images
Christopher Nkunku
Mittwoch, 16.11.2022, 09:33
Nach dem verletzungsbedingten Aus von RB Leipzigs Stürmer Christopher Nkunku für die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar soll Medienberichten zufolge ein anderer Bundesliga-Spieler für Frankreichs Nationalmannschaft nachnominiert werden.
Wie die Zeitung „L'Equipe“ und der Radiosender RMC am Mittwoch berichteten, soll Randal Kolo Muani (23) von Eintracht Frankfurt für den verletzten Christopher Nkunku ins Team des Weltmeisters nachrücken. November und Dezember 2022 - Der Spielplan für die Fußball-WM in Katar
Christopher Nkunku hatte sich am Dienstag verletzt. Bei einem Zweikampf mit seinem Teamkollegen Eduardo Camavinga (Real Madrid) zog sich der mit zwölf Toren aktuell beste Stürmer der Bundesliga eine Verstauchung im linken Knie zu, teilte der französische Fußball-Verband nach radiologischen Untersuchungen am späten Dienstagabend mit. Den Namen von Nkunkus Ersatz will der Titelverteidiger erst dann mitteilen, wenn der Weltverband FIFA die medizinische Akte validiert hat.
Nach Nkunku-Verletzung - Kolo Muani als Alternative eingeplant
„Gute Besserung, Christo! Diese Nachricht tut weh", twitterte RB Leipzig unmittelbar nach den Neuigkeiten aus Frankreichs WM-Quartier: “Wir sind bei dir und wissen, dass du stärker zurückkommen wirst!“ Auch Nkunkus RB-Teamkollege Timo Werner verpasst die WM wegen einer Verletzung.
Nkunku lief bislang achtmal für die Nationalmannschaft auf, dabei gelangen ihm zwei Torvorlagen. Der schnelle und technisch hoch veranlagte Angreifer war unter Trainer Didier Deschamps als Ergänzungsspieler eingeplant. Die Konkurrenz gerade im Sturm ist bei der Equipe Tricolore groß.
Frankreich trifft bei der WM-Endrunde in Katar in der Gruppe D auf Australien, Dänemark und Tunesien.
Erling Haaland verrät seine WM-Favoriten - Deutschland ist nicht dabei
SID
Erling Haaland verrät seine WM-Favoriten - Deutschland ist nicht dabei
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Umstrittenes Turnier in Katar - Der wahre Preis der teuersten WM der Fußballgeschichte
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1 | Kungelei in Österreich: Haiders politische Erben vor Gericht
Ein Steuerberater des ehemaligen Kärntner Landeshauptmannes hat gestanden: Beim Verkauf der landeseigenen Bank Hypo Alpe Adria kassierte er 6 Millionen Euro.
Die BayernLB kaufte 2007 die Bank Hypo Alpe Adria, 2009 wurde sie verstaatlicht. Bild: ap
WIEN taz | Ein Beratungshonorar von 6 Millionen Euro bringt Kärntens politische Elite ins Schleudern. Und das, weil der Empfänger Gewissensbisse bekam. Dietrich Birnbacher habe „alles Revue passieren lassen“ und am Mittwoch ein Teilgeständnis abgelegt. Der 71-jährige Villacher Steuerberater steht vor dem Landesgericht Klagenfurt, wo aufgeklärt werden soll, warum ein Gutachten von 44 Sätzen so fürstlich bezahlt wurde.
Ursprünglich wurde Birnbacher sogar das Doppelte angeboten. „Bei mir sind alle Sicherungen durchgebrannt, als Haider das Angebot machte“, erklärte er vor dem Richter. Jörg Haider, damals Landeshauptmann von Kärnten, hatte den Steuerberater seines Koalitionspartners Josef Martinz (ÖVP) beauftragt, den Verkauf der landeseigenen Hypo Alpe Adria an die BayernLB zu begleiten.
Gleichzeitig wurde ihm beschieden, der Vertrag sei längst ausgehandelt. Jörg Haider war 2008 schwer alkoholisiert verunglückt. Josef Martinz sitzt neben Birnbacher und zwei Vorständen der Kärntner Landesholding, die das Honorar begleichen mussten, auf der Anklagebank.
Nach Birnbachers Geständnis, ihm sei die Entlohnung damals schon völlig unangemessen erschienen, legte der Richter Martinz nahe, er solle seine Verteidigungslinie überdenken. Martinz plädiert auf nicht schuldig. Das Honorar sei branchenüblich gewesen. Den Verdacht, aus der überhöhten Entlohnung des Gutachters seien Rückflüsse an die Parteien oder deren Repräsentanten gegangen, hat er immer zurückgewiesen. In diesem Punkt wird er von Birnbacher vorerst entlastet. Diesbezüglich sei nichts vereinbart worden. Aber: „Ich hab es für möglich gehalten, dass einer kommt und sagt: Jetzt zahlst du mir was …“
Verlierer sind die Steuerzahler
Die Hypo Alpe Adria war von Jörg Haider mit zwielichtigen Balkangeschäften zur sechstgrößten Bank Österreichs aufgeblasen und 2007 an die Bayerische Landesbank verkauft worden. Der Journalist Richard Schneider hat die Geschichte 2010 in dem Buch „Tatort Hypo Alpe Adria“ aufgearbeitet.
2009, als die Bayern bemerkten, dass ihnen ein Portfolio von mehr als 3 Milliarden Euro an faulen Krediten als prosperierendes Kreditinstitut verkauft worden war, musste die österreichische Bundesregierung einspringen und die Hypo notverstaatlichen.
Verlierer sind die Steuerzahler in Österreich und Bayern, Gewinner gibt es weniger: der deutsche Investmentbanker Tilo Berlin, der durch den Verkauf binnen weniger Monate 700.000 Euro verdiente. Und Österreichs Exfinanzminister Karl-Heinz Grasser, dessen Familie für eine Investition von einer halben Million Euro mehr als 56 Prozent Rendite kassierte. Berlin soll außerdem eine Erfolgsprämie kassiert haben.
Immerhin ist Hypo-Exvorstandsvorsitzender Wolfgang Kulterer (noch nicht rechtskräftig) zu dreieinhalb Jahren Haft wegen Untreue verurteilt worden. Haider kann von der Staatsanwaltschaft nicht mehr belangt werden. Aber seine politischen Erben sitzen in Kärnten noch an den Schalthebeln der Macht. Einige auch auf der Anklagebank. | 568 |
1 | Antisemitismus in Lemberg: Feilschen beim falschen Juden
Das Simon Wiesenthal Center ruft zum Boykott von zwei Restaurants im EM-Spielort Lemberg auf. Dort bediene man alte Vorurteile und huldige Nazis.
Erlebnisgastronomie auf lembergisch. Hansi Flick würde sich hier sehr wohlfühlen: Junge Gäste im „Kryivka“. Bild: dpa
LEMBERG taz | Boykottaufrufe sind der Trend dieses Sommers. Bundeskanzlerin Merkel und ihre Kollegen bleiben den Ehrentribünen ukrainischer Fußballstadien fern. Und das Simon Wiesenthal Center rief die Fußballfreunde Europas zum Boykott zweier angeblich antisemitischer Kneipen im EM-Spielort Lemberg auf.
Bei der einen handelt es sich um das „Pid Solotuju Rosoju“ (Zur goldenen Rose), wo man in galizisch-jüdischem 19.-Jahrhundert-Dekor speist. Kenner der jüdischen Küche schmecken die Fälschung, denn von Juden wird man hier nicht bewirtet. Vielmehr ist das „Pid Solotuju Rosoju“ eine von 15 Themenkneipen der hiesigen Firma LOKAL, die Erlebnisgastronomie in großem Stil betreibt.
Es ist alles Kulisse. Und zu dem Märchen, das hier erzählt wird, gehört auch die in der Speisenkarte nachzulesende sozialromantische Darstellung des unbeschwerten Zusammenlebens der Völker in Lemberg, bevor „Gott sein Lächeln verlor und eine ganze Nation getötet wurde in einer Katastrophe – der Schoah.“ Der Erinnerung an das unbeschwerte Dasein vor der Schoah ist dieses Restaurant gewidmet. Zwei Rituale bietet man dem Gast an: ein rituelles Händewaschen vor dem Essen und ein – ebenso rituelles – Schachern um die Höhe der Rechnung danach.
Für den Direktor des Wiesenthal Centers, Efraim Zuroff, wird damit in völlig unakzeptabler Weise ein altbekanntes osteuropäisches Vorurteil vom um Geld feilschenden Juden bedient. Übrigens bleibt jeder Gast, dem diese Folklore zu albern ist, hier unbehelligt und zahlt einfach eine normale Rechnung.
Parole „Ruhmreiche Ukraine“
Anders verhält es sich da mit dem zweiten beanstandeten Etablissement, dem „Kryivka“. In diese dem Andenken der ukrainischen Partisanen des Zweiten Weltkriegs gewidmeten Kellerbunker kommt man wirklich nur hinein, wenn man die nationalistische Parole des Türstehers mit einem „Slawa Ukraina“ (Ruhmreiche Ukraine) beantwortet.
Aber irgendwie schafft das im dritten Anlauf auch der Sprachunbegabteste. Efraim Zuroff findet, hier werde einer Vereinigung gehuldigt, „die mit den Nazis kollaborierte und deren Anhänger sich 1941 am Massenmord von Juden beteiligten“.
Nun könnte man denken, die jüdische Nichtregierungsorganisation habe mit ihrem Statement das erste Eigentor dieser EM geschossen, da nun jeder Lemberg-Tourist diese beiden Kneipen unbedingt sehen will. Weit gefehlt: Weder die Gruppe grenzdebiler Fußballfans aus dem Allgäu in der Goldenen Rose noch die Australier, die in ihren Soccer-Hollidays im Kryivka gelandet sind, wissen etwas von einem Boykottaufruf. | 569 |
1 | Verbrechen der Colonia Dignidad in Chile: Archiv eröffnet in Berlin
Das „Oral-History Archiv Colonia Dignidad“ öffnet im Berliner Humboldtforum. Zur Wiedergutmachung der Opfer fehlt jedoch noch einiges.
Die Straße im ehemaligen Standort der Colonia Dignidad Foto: Ivan Alvardo/reuters
BERLIN taz | Ein chilenisch-deutsches Oral History-Archiv, das an diesem Donnerstag mit einer Feier im Berliner Humboldtforum eröffnet wird, soll die Aufarbeitung der Verbrechen der Colonia Dignidad befördern. Als „Denkmal anderer Art“ bezeichnet das Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin und einer chilenischen Partner-Uni das Interview-Archiv.
Es soll zum einen den persönlichen Erfahrungen von Zwangsarbeit und sexualisierter Gewalt in der 1961 in Chile gegründeten deutschen Sektensiedlung Raum geben. Zum anderen soll es die chilenischen Oppositionellen, die während Pinochet-Diktatur Folter und Mord auf dem Gelände ausgesetzt waren, vor Vergessen schützen. Die Perspektiven verschiedener Opfergruppen sollen abgebildet werden.
Alle 64 ausführlichen lebensgeschichtlichen Video-Interviews mit Betroffenen und anderen Zeitzeug:innen wurden transkribiert, wissenschaftlich erschlossen und übersetzt. Auf Spanisch und Deutsch werden sie in einem zweisprachigen Online-Recherche-Portal für Bildungs- und wissenschaftliche Zwecke zugänglich gemacht. Registrierung und Nachweis eines berechtigten Interesses sowie Wahrung von Persönlichkeitsrechten der Interviewten sind Voraussetzung. Eine Aufbereitung zur pädagogischen Nutzung ist als Anschlussprojekt geplant.
Das mit über einer Million Euro von der Bundesregierung finanzierte Projekt geht auf einen Beschluss des Deutschen Bundestags von 2017. „Deutschland war zu langsam beim Beginn der Aufarbeitung eigener Fehler“, sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast. Das Auswärtige Amt und die deutsche Justiz hätten über Jahrzehnte zu wenig getan, um Menschenrechtsverletzungen in der deutschen Siedlung zu unterbinden.
Mit einem grün geführten Außenministerium und der neuen linken Regierung unter Gabriel Boric in Chile gibt es nun die Chance auf eine konsequentere Aufarbeitung. Künast hofft auf bessere Zusammenarbeit, denn „für beide Länder gilt, dass wir nun hoffentlich weiter kommen mit der Entwicklung der Gedenkstätte und des Lernortes auf dem Gelände der ehemaligen Colonia Dignidad“.
Deutschland müsse sich außerdem um einen Fonds zur Altersabsicherung von Opfern kümmern, so Künast. Sie und die Deutsch-Chilenin Isabel Cademartori von der SPD werden in einer „Gemeinsamen Kommission“ aus Abgeordneten und Regierungsvertreter:innen daran arbeiten. Cademartori möchte bei der Aufarbeitung mit der neuen chilenischen Regierung „Hand in Hand und nach Möglichkeit in einem regelmäßigen Austausch“ zusammen arbeiten. „Dieses dunkle Kapitel gehört aufgearbeitet. Es ist an der Zeit!“, zeigt sich Cademartori entschlossen.
An der Zeit ist es auch für Juan Rojas Vásquez. Er ist in der Nähe der Colonia Dignidad aufgewachsen. Sein Vater und sein älterer Bruder wurden 1973 mutmaßlich in die Colonia Dignidad verschleppt und sind bis heute verschwunden. Rojas, der inzwischen deutscher Staatsangehöriger ist, fordert mehr Unterstützung der Bundesregierung. Bei der Eröffnungsveranstaltung des Archivs will er einen Brief mit Forderungen an Staatsminister Tobias Lindner (Grüne) aus dem Auswärtigen Amt überreichen. | 570 |
1 | Wahlforscher über „Martin-Schulz-Effekt“: „Schulz wird Farbe bekennen müssen“
Will die SPD die Bundestagswahl gewinnen und Martin Schulz zum Kanzler machen, muss sie Rot-Rot-Grün als reale Option in den Blick nehmen, sagt Matthias Jung.
Trägt Angela Merkel nicht immer solche Blazer? Foto: dpa
taz: Herr Jung, hat Sie der rasante Umfragenaufschwung der SPD überrascht?
Matthias Jung: Ja und Nein. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Werte von Sigmar Gabriel und damit auch der SPD auf einem Tiefpunkt waren. Wenn dann ein neuer Kandidat wie Martin Schulz Vorschusslorbeeren bekommt, ist das erst einmal durchaus normal. Die Intensität des Zuwachses in den Umfragen in so kurzer Zeit ist allerdings etwas überraschend.
Die Union gibt sich demonstrativ gelassen, obwohl sich der Abstand zur SPD stark verringert hat. Unterschätzt sie möglicherweise den „Martin-Schulz-Effekt“?
Bekanntlich hat die Volatilität in der Wählerschaft extrem zugenommen. Das heißt, es sind heute in sehr kurzer Zeit sehr große Veränderungen in den Präferenzen zugunsten oder zulasten der einzelnen Parteien möglich. Insofern wird heute und auch in den nächsten Wochen die Bundestagswahl 2017 definitiv noch nicht entschieden. Alle Parteien befinden sich erst in den Startlöchern. Auch die Programmpositionen sowohl von SPD als auch von CDU und CSU sind ja noch in der Entstehung. Also besteht für die Union noch kein Anlass zur Panik, aber einfach wird es sicher nicht.
Aber zumindest der Start von Martin Schulz ist doch beeindruckend, oder?
Sicherlich, aber erinnern Sie sich an die Bundestagswahl 1994? Unmittelbar nach seiner Nominierung zum SPD-Kanzlerkandidaten wurde seinerzeit Rudolf Scharping auch extrem positiv bewertet. In der K-Frage lag er sogar deutlich vor dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl. Doch innerhalb weniger Monate drehte sich die Stimmung. Der scheinbar sichere Verlierer Kohl gewann schließlich die Bundestagswahl souverän, obwohl er ja auch schon durch eine längere Regierungszeit „belastet“ war. Das zeigt: Selbst in der Vergangenheit, als wir noch weniger Volatilität hatten, waren schon sehr große Veränderungen in kurzer Zeit möglich. Das heißt nicht, dass sie automatisch stattfinden. Aber heutzutage ist überhaupt nichts determiniert.
im Interview:Matthias Junggeboren 1956, ist seit 1991 Mitglied des Vorstands der Forschungsgruppe Wahlen e. V. und dort für alle Umfragen zuständig. Das in Mannheim ansässige Meinungsforschungsinstitut ermittelt u.a. das "Politbarometer" des ZDF.
Glauben Sie, dass der aktuelle Trend zugunsten der SPD nur ein Strohfeuer ist?
Das lässt sich seriöserweise nicht beurteilen. Es wird sehr stark davon abhängen, wie Martin Schulz in den nächsten Wochen agiert. Er ist für viele Wählerinnen und Wähler ja noch ein unbeschriebenes Blatt. Das zeigt sich an dem hohen Prozentsatz der Menschen, die sich gegenwärtig noch kein Urteil über ihn zutrauen.
Es liegt also allein in seiner Hand?
Keineswegs. Es sollte nicht vergessen werden, dass noch viele Fragestellungen der SPD offen sind und ihre Probleme nicht einfach durch den Austausch einer Person gelöst sind. Das gilt insbesondere für das strategische Dilemma, in welche Richtung sich die Partei positionieren will: Will die SPD wieder linker werden, um gegenüber der Linkspartei Pluspunkte zu machen? Damit würde sie Gefahr laufen, in der Mitte Wähler an die Union zu verlieren. Oder will sie doch lieber weiter einen sehr mittigen Kurs fahren? Das würde ihr wiederum am linken Rand Probleme bereiten.
Wie schon seine gescheiterten Vorgänger setzt Schulz auf das Thema „Gerechtigkeit“. Kann das diesmal funktionieren?
Zumindest auf den ersten Blick ist ein Kandidat wie Martin Schulz eher geeignet, das Thema soziale Gerechtigkeit zu transportieren, als es sein Kanzlerkandidatenvorgänger Peer Steinbrück gewesen ist.
Schulz bedient bislang vor allem Gefühle, Konkretisierungen vermeidet er. Ist das eine erfolgversprechende Strategie und wird er sie bis zum Wahltag durchhalten können?
Es ist eine Strategie, mit der Martin Schulz erst einmal Sympathien einsammeln kann. In der Monat für Monat härter werdenden Wahlkampfauseinandersetzung wird er aber nicht erfolgreich sein können, wenn er nur immer wieder die gleichen gefühligen Parolen wiederholt. Irgendwann wird er in wichtigen Fragen inhaltlich Farbe bekennen müssen. Das gilt gerade für den Bereich der Steuerpolitik. Der SPD-Kandidat wird auch Farbe bekennen müssen im Hinblick auf seine Machtoption: Mit welcher Koalition will er seinen Anspruch realisieren, Kanzler zu werden?
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Wenn es um mögliche Koalitionen nach der Wahl geht, bleibt Schulz aber lieber schwammig. Kann das funktionieren?
Es wird keine der großen Parteien durch den Wahlkampf durchkommen, ohne zu sagen, wie sie sich denn eine Regierung vorstellt. Wenn Martin Schulz Kanzler werden will, wird die SPD Rot-Rot-Grün als realistische Option in den Blick nehmen müssen. Da eine solche Regierung einen Paradigmenwechsel in der bundesrepublikanischen Geschichte bedeuten würde, besteht die Notwendigkeit, das im Wahlkampf ausreichend zu kommunizieren und zu begründen. Sonst entsteht da eine sehr große Verwundbarkeit der SPD.
Martin Schulz schließt aber auch nicht aus, Kanzler einer Große Koalition zu werden. Schließlich trete die SPD nach seinen Worten an, „die stärkste politische Kraft in unserem Land zu werden“.
Aufgrund der doch sehr stark verfestigten Größenordnungen, die wir in den letzten zwei Legislaturperioden gesehen haben, erscheint mir das eher unwahrscheinlich. Trotz aller stimmungsmäßig starken Ausschläge, über die er sich derzeit freuen kann.
Hat Martin Schulz aus Ihrer Sicht eine reale Chance, Angela Merkel zu schlagen?
In Anbetracht der Schwankungen, die denkbar sind, ist eine rot-rot-grüne Mehrheit nicht auszuschließen. Wer sich die aktuellen Umfragen genau anschaut, wird allerdings feststellen, dass die starke Stimmungsverbesserung für die SPD nur zu einem überschaubaren Teil zulasten der Union geht. Ebenso feststellbar ist zum einen ein sichtbarer Rückgang bei den AfD-Wählern, zum anderen aber Verluste bei den Grünen und der Linkspartei. Das ist ein Fingerzeig darauf, dass der Erfolg von Martin Schulz in einem nicht unerheblichen Maße nur in einer Neusortierung des eigenen rot-rot-grünen Lagers besteht.
Grüne und Linkspartei müssen also befürchten, von der SPD kannibalisiert zu werden?
Sowohl die Grünen als auch die Linkspartei könnten bei der Bundestagswahl darunter leiden, dass jetzt ein attraktiverer SPD-Spitzenkandidat existiert. Eine solche Umschichtung von Wählerstimmen wäre allerdings etwas anderes als eine Siegposition für Rot-Rot-Grün, weil sich dadurch das Lager an sich nicht signifikant vergrößert. | 571 |
1 | Bild: picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Neuauflage der Jamaika-Koalition für Daniel Günther „bestes Bündnis“
Dienstag, 21.06.2022, 19:38
Kantersieg für die CDU bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Die Christdemokraten verpassen die absolute Mehrheit nur knapp. Die SPD hingegen rauscht ab. Und die AfD muss erstmals wieder ein Landesparlament verlassen. Alle Infos zur Landtagswahl hier im Newsticker.
CDU und Grüne einig über Koalitionsvertrag
21. Juni, 19.35 Uhr: CDU und Grüne in Schleswig-Holstein haben ihre Koalitionsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen. „Wir sind durch mit den Verhandlungen“, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Dienstagabend nach dem entscheidenden Spitzentreffen.
CDU in Schleswig-Holstein will Bündnis mit Grünen
Montag, 23. Mai, 20.45 Uhr: Schleswig-Holsteins CDU will die Grünen zu Gesprächen über die Bildung einer schwarz-grünen Landesregierung einladen. Das kündigte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Montagabend in Kiel nach einer Sitzung des erweiterten Landesvorstands seiner Partei an.
Das vorläufige Ergebnis bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein (01.43 Uhr):
CDU: 43,4
SPD: 16,0
Grüne: 18,3
FDP: 6,4
AfD: 4,4
SSW: 5,7
Sonstige: 5,9
12.59 Uhr: Merz, Günther und Prien setzen sich zum Abschluss für eine Frauenquote auf Bundesebene ein. Damit beenden wir diesen Liveticker, danke fürs Mitlesen!
12.57 Uhr: Die CDU habe in NRW eine schwerere Ausgangslage als in Schleswig-Holstein, Merz sei dennoch zuversichtlich, dass am Sonntag die CDU gewinnen werden. Das unterstreicht auch Wüst.
12.55 Uhr: Günther und Wüst sind zwei erfolgreiche, junge Ministerpräsidenten. Hat Merz deswegen Angst vor Konkurrenz bei der Kanzlerkandidatur, will ein Journalist wissen. Alle lache, Merz antwortet ganz diplomatisch: „Ich freue mich über jeden, der in der CDU Erfolg hat.“
12.53 Uhr: Wüst spricht besonders die Sorge der Menschen vor der hohen Inflation. Die Ampel müsse die Energiepauschale auch auf Rentner und Studenten ausweiten, fordert er. CDU möchte deswegen auch Energiesteuersenkungen voranbringen.
Wüst: „Die CDU hat einen klaren Regierungsauftrag und das streben wir auch in NRW an.“
12.51 Uhr: Prien unterstreicht das Erfolgsrezept der CDU und bestärkt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst ebenso einen Sieg in NRW einzufahren. Wüst gratuliert Günther: „Die CDU hat einen klaren Regierungsauftrag und das streben wir auch in NRW an.“
12.48 Uhr: Die CDU habe 32 von 35 Wahlkreisen gewonnen, das sei der erfolgreicher, diverser und moderner Aufstellung zu verdanken. „Ich freue mich über diesen sensationallen Wahlsieg“, sagt Günther. Er war am Morgen mit Hendrik Wüst frühstücken, er sei zuversichtlich, dass das der CDU mehr Rückenwind auch für die NRW-Wahl geben wird.
12.46 Uhr: Günther freut sich über das Wahlergebnis und kündigt die Jamaika-Verhandlungen mit FDP und Grünen an. „Wir haben einen neuen Stil gezeigt“, sagt Günther. In der Corona-Pandemie sei man mit der Opposition an einem Tisch gesessen. Auch nun würde die CDU auf die Ampel zugehen, sagt Günther mit Bllick auf Merz.
12.44 Uhr: In der Präsidiumssitzung ging es auch um die Diversität der personellen Aufstellung, dabei habe Schleswig-Holstein einen großen Teil mitgetragen. „Nach der Wahl ist vor der Wahl“, sagt Merz mit Blick auf die NRW-Wahl am Sonntag. Die Stimmung habe sich deutlich verbessert, zugunsten der CDU. Merz beendet sein Statement mit Blick auf Günther: „Das Ergebnis ist noch viel besser als wir es uns vorgestellt haben.“
12.42 Uhr: Die Pressekonferenz beginnt. Auch Karin Prien und Hendrik Wüst sind überraschend anwesend. „Das ist für uns ein richtig guter Tag gewesen“, beginnt CDU-Chef Friedrich Merz. Dies sei dem „überragenden Ministerpräsidenten“ Daniel Günther zu verdanken.
CDU-Chef Merz und Ministerpräsident Günther äußern sich nach Wahlerfolg
12.08 Uhr: Nach SPD und FDP äußert sich am Montagmittag auch der Wahlsieger zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und der Spitzenkandidat Daniel Günther äußern sich um 12.30 Uhr zum Wahlerfolg.
Klingbeil zuversichtlich: „Wir werden am nächsten Sonntag einen Regierungswechsel in NRW erleben.“
11.50 Uhr: Klingbeil erklärt die Verluste erneut durch die Beliebtheitswerte von Günther. Wie sollen die Themen der SPD in NRW stärker durchdrängen? NRW sei besonders von der Transformation betroffen, zahlreiche Arbeitsplätzen würden auf der Kippe stehen. In NRW würde es viel stärker um Themen gehen, in Schleswig-Holstein standen eher die Regierungskonstellationen auf dem Spiel. „Thomas Kutaschaty wird der Ministerpräsident in NRW sein, der direkten Kontakt ins Kanzleramt hat“, sagt er. Damit steigen wir aus der Pressekonferenz aus, vielen Dank fürs Mitlesen.
11.46 Uhr: Die Außen- und Sicherheitspolitik sei in der DNA der SPD, sagt Klingbeil und kündigt eine Debattenkonferenz für den nächsten Herbst an.
11.43 Uhr: Auch sei der Krieg in der Ukraine derzeit bestimmend in der öffentlichen Wahrnehmung, sagt Klingbeil. Er lobt die gestrige Fernsehansprache von Olaf Scholz. „Ein starkes Europa nach innen und außen“, soll auch das heutige Treffen von Scholz und dem französischen Präsidenten Macron darstellen.
11.40 Uhr: Die Ausgangsbedingungen seien in NRW anders, sagt Klingbeil. Wüst habe sich noch nie einer Wahl gestellt, stimmt sich Klingbeil zuversichtlich. „Wir werden am nächsten Sonntag einen Regierungswechsel in NRW erleben.“
11.39 Uhr: Die SPD gehe nun geschlossen in die Opposition, resümiert Losse-Müller. Klingbeil blickt direkt zuversichtlich auf die Wahl in NRW am Sonntag, bei der ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Ministerpräsident Wüst (CDU) und Thomas Kutschaty (SPD) bevorsteht.
SPD-Mann Losse-Müller erklärt Verluste durch Günthers Beliebtheitswerte
11.36 Uhr: Er erklärt die Verluste auch dadurch, dass die SPD besonders in der Corona-Pandemie eng mit der Regierung zusammengearbeitet habe und nicht provoziert habe. Desweiteren seien die Menschen von dem Krieg in der Ukraine verunsichert, diese Themen haben einen großen Raum eingenommen. Zudem habe auch die mediale Zuspitzung auf die Frage, wer mit der CDU regiert, eine Rolle gespielt.
11.34 Uhr: Er bedankt sich erneut bei Losse-Müller. Dieser spricht von einem „sehr bitteren Ergebnis.“ Es sei sehr enttäuschend für die SPD, sagt er. Die Herausforderung gegen den beliebtesten Ministerpräsidenten Deutschland anzutreten, sei ihm klar gewesen. Er wollte jedoch klar machen, dass ein „Weiter so“ nicht mehr gehe und die SPD im Bundesland ihr Programm reformieren müsse, mit Blickwinkel auf soziale Themen und dem Klimawandel.
11.33 Uhr: Das Präsidium sei Losse-Müller dankbar für seine Spitzenkandidatur. Er sei mit einem starken Programm angetreten mit tollen Zukunftsaussichten. „Zur SPD gehört auch, dass wir uns von solchen Rückschlägen nicht zurückwerfen lassen“, sagt Klingbeil. Er blicke positiv auf die bevorstehende Wahl in NRW.
Klingbeil und Losse-Müller sprechen nach SPD-Wahlschlappe
11.31 Uhr: Lars Klingbeil beginnt und gratuliert SPD-Politikerin Yasmin Fahimi zur Wahl zur neuen DGB-Vorsitzenden. Nun zu gestrigen Wahl: „Da muss man gar nicht drum herum reden, das war kein schöner Abend für uns“, sagt Klingbeil.
11.25 Uhr: Nach dem erheblichen Verlust bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein geben der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil und der schleswig-holsteinischem Spitzenkandidaten Losse-Müller um 11.30 Uhr eine Pressekonferenz. FOCUS Online begleitet das Statement im Liveticker.
AfD sagt Pressekonferenz nach Wahlschlappe in Schleswig-Holstein ab
09.51 Uhr: Nachdem die AfD nach der Landtagswahl in Schlewsig-Holstein aus dem Kieler Parlament geflogen ist, hat die Parteispitze mit Vorsitzendem Timo Chrupalla ihre Pressekonferenz für Montagmorgen um 10.30 Uhr abgesagt.
Vorläufiges Ergebnis: CDU verpasst absolute Mehrheit, AfD fliegt aus dem Landtag
01.43 Uhr: Die CDU von Ministerpräsident Daniel Günther hat die Landtagswahl in Schleswig-Holstein klar gewonnen. Dem vorläufigen Ergebnis zufolge kamen die Christdemokraten am Sonntag auf 43,4 Prozent der Stimmen. Das sind 11,4 Punkte mehr als 2017, es ist das beste Ergebnis nach 1983. Die absolute Mehrheit verpasst die CDU laut dem vorläufigen Ergebnis aber um einen Sitz.
Die SPD mit Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller dagegen schnitt mit 16,0 Prozent historisch schlecht ab und fiel sogar hinter die Grünen zurück, die von 12,9 Prozent bei der Wahl 2017 auf jetzt 18,3 Prozent zulegten. Die FDP, die mit CDU und Grünen in einer Jamaika-Koalition regiert, verlor 5,1 Punkte (11,5) und kam auf 6,4 Prozent. Stark verbessern von 3,3 auf 5,7 Prozent konnte sich der Südschleswigsche Wählerverband (SSW).
Die schleswig-holsteinische AfD verpasste mit 4,4 Prozent als erster Landesverband in Deutschland den Wiedereinzug in den Landtag. Auch die Linken scheiterten mit 1,7 Prozent klar an der Fünf-Prozent-Hürde.
Stimmen zur Wahl in Schleswig-Holstein
Die ersten Stimmen zur Wahl in Schleswig-Holstein sind da.
Der wiedergewählte Ministerpräsident Daniel Günther: „Das ist ein schönes Gefühl, jetzt hier vorne zu stehen und in so viele fröhliche Gesichter zu gucken. Die Wählerinnen und Wähler haben heute zweifellos eine eindeutige Entscheidung getroffen. Der Wahlsieger ist die CDU - sind wir.“ Günther nannte den SIeg einen „enormen Vertrauensbeweis“. Er sei „berührt“ von dem Ergebnis. Das sei „auch Rückenwind für die Jamaika-Regierung“. „Wir haben einen neuen Stil geprägt.“ Und er bedanke sich „ausdrücklich bei Grünen und FDP für die gute Zusammenarbeit“.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und frühere Landesvorsitzende Ralf Stegner nennt das Abschneiden seiner Partei ein „Debakel“. Er glaube, dass der SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller ein guter Kandidat gewesen sei, er habe aber nur wenig Zeit gehabt, so Stegner im NDR-Fernsehen. Es sei auch schwer, einen populären Ministerpräsidenten zu schlagen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck fordert eine erneute Koalition mit den Grünen. „Ich glaube, das wäre eine Erfolgsgeschichte“, sagt Habeck in der ARD. Schleswig-Holstein entwickle sich gerade in Richtung Progressivität. Seiner Meinung nach wäre ein Bündnis aus einer wertkonservativen CDU mit den progressiven Grünen gut. Daniel Günther (CDU) sei seiner Meinung nach auch „schlau genug“, um zu sagen, wenn zwei bei der Wahl gewonnen haben, sollten sie zusammen eine Koalition bilden.
FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki wirbt nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein für ein Bündnis seiner Partei mit der CDU. „Wenn man Schleswig-Holstein auf einem fortschrittlichen Kurs halten will, dann geht das nur mit uns und der Union“, sagte Kubicki am Sonntagabend. Die FDP habe allerdings ein „nur durchschnittliches Ergebnis“ erzielen können, räumte Kubicki ein. Das Wichtigste sei für ihn jedoch: „Es gibt eine Mehrheit von CDU und Liberalen.“
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien zeigt sich erfreut über denWahlsieg ihrer Partei. „Das ist ein überzeugender Wahlsieg für die CDU in Schleswig-Holstein“, sagte Prien am Sonntag in der ARD nach der Veröffentlichung der Prognosen. Es sei ein Tag der «großen Freude" und ein „riesiger Erfolg“. Sie machte deutlich, dass dies auch der Verdienst von Ministerpräsident Daniel Günther sei. Mit Blick auf die Frage, in welcher Konstellation Günther weiterregieren könnte, sagte Prien: „Jamaika war und ist unser Wunschbündnis.“
Erste Prognose: Sieg für die CDU, SPD rauscht ab, AfD könnte rausfliegen
18.00 Uhr: Das ist die erste Prognose der ARD:
CDU: 43,0 Prozent (+11,0)
SPD: 15,5 Prozent (-11,8)
Grüne: 17,0 Prozent (+4,1)
FDP: 7,0 Prozent (-4,5)
AfD: 4,9 Prozent (-1,0)
SSW: 6,0 Prozent (+2,7)
Sonstige: 6,6 Prozent (-0,6 Prozent)
Das ist das schlechteste Ergebnis für die SPD aller Zeiten. Für die CDU hingegen ist es das beste Resultat seit 30 Jahren. Die AfD würde Stand jetzt zum ersten Mal aus einem Landtag fliegen.
ARD
Die Sitzverteilung: CDU fehlt ein Sitz zur absoluten Mehrheit
ARD
Sitzverteilung in Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein: Mögliche Koalitionspartner der CDU
ARD
Mögliche Koalition mit SSW
Mit der „Südschleswigsche Wählerverband“-Partei (SSW) würde die CDU insgesamt 39 Sitze haben und somit die Mehrheit innehaben.
Andere Optionen wären Koalitionen mit der FDP oder dem Bündnis 90/ Die Grünen.
ARD
Mögliche Koalition mit FDP oder Grünen
Wahlbeteiligung seit 2017 um drei Prozent gesunken
ARD
Stimmenanteile der Erstwähler in Schleswig-Holstein
ARD
Stimmenanteile der Erstwähler in Schleswig-Holstein
Wahlbeteiligung zieht an: Jetzt fast so hoch wie 2017
17.38 Uhr: Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein haben am Sonntag bis zum frühen Abend etwa so viele Wähler und Wählerinnen abgestimmt wie vor fünf Jahren. Bis 17.00 Uhr hatten 54,7 Prozent ihre Stimme abgegeben, wie der Landeswahlleiter auf seiner Internetseite mitteilte. 2017 hatten dies zu diesem Zeitpunkt 54,9 Prozent getan. Die Wahlbeteiligung lag 2017 bei insgesamt 64,2 Prozent, 2012 waren es 60,2 Prozent gewesen.
Landeswahlleiter Tilo von Riegen sagte am Sonntag, die Briefwahlbeteiligung sei dabei schon „quotal“ eingerechnet. Der stellvertretende Landeswahlleiter, Maik Petersen, ging früheren Angaben zufolge von einer regen Beteiligung bei der Briefwahl aus. 2017 hatte der Briefwahl-Anteil 18 Prozent betragen.
Mann stirbt in Wahllokal
17.23 Uhr: Trauriger Vorfall bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein: Ein Mitglied des Wahlvorstands ist am Sonntag im Wahllokal in Eckernförde gestorben. „Es ist tragisch, einen solchen Fall haben wir noch nicht gehabt“, sagte der stellvertretende Landeswahlleiter, Maik Petersen, am Sonntag in Kiel. Die Todesursache und das Alter des Mannes waren der Landeswahlleitung nicht bekannt. Die Wahl wurde vor Ort nach dem Todesfall für eine Stunde unterbrochen.
Beteiligung an Wahl in Schlweswig- Holstein bis zum Nachmittag geringer als 2017
16.13 Uhr: An der Landtagswahl in Schleswig-Holstein haben bis zum frühen Sonntagnachmittag weniger Menschen teilgenommen als am Urnengang vor fünf Jahren. Die Wahlbeteiligung lag um 14.00 Uhr bei 36,8 Prozent, wie der Landeswahlleiter mitteilte. 2017 hatte sie noch bei 42,5 Prozent gelegen. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) bekräftigte seinen Wunsch zur Fortsetzung der bisherigen Jamaika-Koalition.
„Ich glaube, dass das Bündnis aus CDU, Grünen und FDP Schleswig-Holstein gut getan hat“, sagte er am Sonntag bei seiner Stimmabgabe in einem Wahllokal in Eckernförde. „Mein Ziel ist die Fortsetzung dieser Regierung.“
„Klar würde ich mich natürlich darüber freuen, wenn sich die Umfragen auch bestätigen würden“, sagte Günther mit Blick darauf, dass die CDU „mit Abstand stärkste Kraft“ werden könnte. Ansonsten habe er sich aber bei der Frage nach der künftigen Koalition nicht von den Umfragen leiten lassen. Daran ändere er nun auch nichts und schaue danach, „wie das Wahlergebnis ist“.
Ministerpräsident Günther gibt Stimme ab
14.30 Uhr: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat seinen Wunsch zur Fortsetzung der Regierungskoalition nach der Landtagswahl bekräftigt. „Ich glaube, dass das Bündnis aus CDU, Grünen und FDP Schleswig-Holstein gut getan hat“, sagte er am Sonntag bei seiner Stimmabgabe in einem Wahllokal in Eckernförde. „Mein Ziel ist die Fortsetzung dieser Regierung.“
In Schleswig-Holstein wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt. Günthers CDU kann übereinstimmenden Umfragen zufolge auf einen eindeutigen Sieg mit weitem Abstand vor SPD und Grünen hoffen. In Kiel regiert Günther derzeit in einer Dreierkoalition mit Grünen und FDP. Laut Umfragen könnte er künftig allein mit den Grünen weitermachen.
dpa
Ministerpräsident Daniel Günther gibt seine Stimme ab
„Klar würde ich mich natürlich darüber freuen, wenn sich die Umfragen auch bestätigen würden“, sagte Günther mit Blick darauf, dass die CDU „mit Abstand stärkste Kraft“ werden könnte. Ansonsten habe er sich aber bei der Frage nach der künftigen Koalition nicht von den Umfragen leiten lassen. Daran ändere er nun auch nichts und schaue danach, „wie das Wahlergebnis ist“.
Bis 11.00 Uhr gaben am Sonntag 16,3 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Bei der Wahl vor fünf Jahren waren es zu dieser Zeit bereits 21,5 Prozent der Wählerinnen und Wähler.
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Union in neuer Umfrage deutlich vor SPD - Linke stürzt auf Allzeit-Tief ab
FOCUS online/Wochit
Union in neuer Umfrage deutlich vor SPD - Linke stürzt auf Allzeit-Tief ab
rom, mos/mit Material der dpa | 572 |
0 | Das Suppengemüse (2 große Möhren, ein Stück Sellerie, eine halbe Stange Porree - das Weiße) und die Zwiebel in gleich große Würfelchen schneiden, den Porree längs halbieren und in Streifen schneiden, Knoblauch und Chilischote hacken.Alles zusammen in der Kräuterbutter anschwitzen. Mit gut 200 ml Weißwein ablöschen und etwas einkochen lassen. Fischfond mit derselben Menge Wasser dazugeben. Hummer- und Krustentierpaste und die Crème fraîche einrühren. Mit Salz abschmecken. Alles zusammen kurz aufkochen lassen.Jetzt die Fischfilets in nicht zu kleinen Stücken, die Shrimps und die Flusskrebsschwänze dazugeben und alles zusammen auf ganz kleiner Flamme 15 Minuten ziehen lassen.Zitronenviertel und frischen, gehackten Dill extra dazu reichen, das Fischaroma soll nicht schon im Topf erschlagen werden.Alle mageren, festen Fischsorten sind geeignet (wer mag, kann auch Wels, Pangasius, Rotbarben und Kabeljau nehmen). | 573 |
0 | . . . Es hieß sofort etwas beginnen, ohne Zeit zu verlieren -- doch was?
War es nicht er, war es nicht er selbst, der von dem Wahnsinn des Mitleids
so oft gepredigt hatte? War es nicht er, der von seiner Verachtung gegen
die Adeligen, gegen die greisen adeligen Ohren, den vogelhaft langgezogenen
Hals . . . | 574 |
1 | Doku über Säureattentate in Pakistan: Angst vor neuem Gesichtsverlust
Opfer von Säureattentaten in Pakistan wollen aus Furcht vor Vergeltung die Ausstrahlung eines Oscar-gekrönten Dokufilms verhindern. Bedroht werden sie schon jetzt.
Bei der Oscar-Verleihung war die Freude bei Sharmeen Obaid-Chinoy und Daniel Junge noch groß. Bild: dapd
BERLIN taz | Sie stehen im Mittelpunkt eines Oscar-gekrönten Dokumentarfilms, der die Welt auf ihren Überlebenskampf als Opfer von Säureattentaten aufmerksam machen will. Doch jetzt, wo der 40-minütige Film in ihrer Heimat Pakistan gezeigt werden soll, bekommen es einige der Hauptdarstellerinnen mit der Angst zu tun. Ihr Anwalt versucht deshalb, die Ausstrahlung zu verhindern.
Als der Dokumentarfilm „Saving Face“ im Februar mit dem Academy Award („Oscar“) in der Sparte Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde, war der Jubel in Pakistan groß. Denn die prämierte Filmemacherin Sharmeen Obaid-Chinoy, die den Streifen zusammen mit dem US-Amerikaner Daniel Junge gemacht hatte, stammt aus Karatschi. Sie bekam als erste Pakistanerin überhaupt die begehrte Auszeichnung. Die Regierung gab ihr darauf gleich noch Pakistans höchsten Orden.
Schon damals war klar, dass der Inhalt des Films für Pakistan wenig schmeichelhaft ist. Doch der Glanz der prestigeträchtigen Auszeichnung wog in dem Land, das sonst für negative Schlagzeilen bekannt ist, schwerer. Zudem zeigt der Film auch den bewundernswerten Einsatz eines pakistanisch-britischen Chirurgen, der den verätzten Frauen zu neuen Gesichtern verhilft, sowie die mutige Arbeit der pakistanischen Acid Survivors Foundation, die den Opfern hilft.
Doch einigen wird jetzt die Aufmerksamkeit zu viel: „Wir wussten nicht, dass er ein Hit wird und einen Oscar gewinnt. Das ist völlig falsch“, sagt die 22-jährige Naila Farhat der Nachrichtenagentur AFP. Sie verlor als 13-Jährige bei einem Säureattentat ein Auge und sagt, sie habe ihr Gesicht nie der Welt zeigen wollen: „Wir könnten in große Gefahr kommen, und wir haben Angst davor. Um Gottes Willen, uns könnte das Gleiche wieder passieren.“
Bedrohungen auch ohne den Film
Laut dem Anwalt der Acid Survivors Foundation, Naveed Muzaffar Khan, hätten die Opfer nie zugestimmt, dass der Film in Pakistan gezeigt wird. Obaid-Chinoy, die das US-Magazin Time im April zu den hundert einflussreichsten Personen kürte, behauptet hingegen, ihr lägen Unterschriften der Frauen vor, wonach der Film weltweit gezeigt werden dürfe. Doch räumt sie ein, dass eine Frau bereits aus der für Pakistan bestimmten Version herausgeschnitten worden sei.
Offenbar schwankte auch die Acid Survivors Foundation in ihrer Position. Denn erst machte sie bei dem Film mit und profitierte von seiner Publizität, jetzt überwiegt anscheinend die Sorge. Eine Stellungnahme lehnt sie momentan ab.
Laut Anwalt Khan werden die Frauen schon ohne den Film bedroht. Gemäß der Foundation gibt es 200 Säureattentate pro Jahr in Pakistan. Opfer sind überwiegend Frauen, Täter meist Männer. Sie kippen aus Rache Batteriesäure in die Gesichter der Frauen, wenn diese ihre Annäherungen zurückweisen oder Ehefrauen abgestraft werden sollen. Die Täter kommen oft davon oder kaufen sich durch Korruption frei, die Opfer werden nicht selten von ihren Familien und Nachbarn verstoßen. | 575 |
1 | Umgang mit der AfD im Plenarsaal: Kämpft heftig, aber ohne Tricks!
Bald sitzen AfD-Abgeordnete im Bundestag. Wie mit ihnen umgehen? Vorschläge, entstanden aus den Erfahrungen in den Landesparlamenten.
Auch vor Tegel: die AfD Foto: Eleonore Roedel
Wenn sich am 24. Oktober der neue Bundestag konstituiert, ist auch die Alternative für Deutschland (AfD) dabei. Die Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und Fremdenhass ist damit im Plenarsaal angekommen. Was wird sich dadurch ändern, wie soll man mit dieser Partei im Parlament umgehen? Diese Fragen stellen sich viele. Hier ein paar Antworten, entwickelt aus den Erfahrungen mit den AfD-Fraktionen in den Landtagen der Republik.
Vorneweg: Es gibt gegen die AfD keine „One size fits all“-Strategie. In der Auseinandersetzung mit ihr geht es vor allem darum, politisch selbst zu agieren, statt lediglich zu reagieren. Die hier empfohlene Auswahl von Handlungsansätzen kann fortwährend im parlamentarischen Alltag angewandt werden. Diese setzen früh an – zum Teil bereits bei den formalen Entscheidungen des Bundestags zur Konstituierung.
Führt die Auseinandersetzung scharf – aber ohne Tricks: Die AfD sollte bei Organisation und Geschäftsordnung nicht diskriminiert werden. Das fängt bei der Raumvergabe an. Auch das Ändern parlamentarischer Gepflogenheiten, wie die Bestimmung des Alterspräsidenten, ist kein wirksames Mittel, um der AfD zu begegnen. Denn zum einen sind solche Kniffe der Demokratie unwürdig und zum anderen erlauben sie der AfD, sich als verfolgtes Opfer zu präsentieren.
Setzt Akzente gegen den AfD-Debattenton: Der bisherige Stil im Bundestag wird sich ändern. Zwischenrufe, Ordnungsrufe, Proteste gegen die Sitzungsführung sowie Sondersitzungen des Ältestenrats werden zunehmen. Fraktionen, deren Mitglieder und Teams, die noch keine Erfahrung mit den Rechtspopulisten gesammelt haben, müssen deshalb umdenken. Zudem ist zu erwarten, dass die AfD-Bundestagsfraktion ihre neuen parlamentarischen Ressourcen dafür einsetzen wird, Informationen einzuholen, um Politik und Verwaltung auch im Detail zu kritisieren.
Darauf müssen andere Parteien auf zweierlei Art reagieren: Erstens müssen sie inhaltlich und kommunikativ auf Angriffe vorbereitet sein. Und zweitens sollten sie ihre Energie darauf richten, eigene Debattenakzente zu setzen, statt sich dem Framing der AfD, das heißt, dem Einordnen von Ereignissen in den von dieser Partei gesetzten Deutungsrahmen, zu unterwerfen.
taz.am wochenendeDieser Text stammt aus der taz.am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.
Verwehrt nicht die Wahl von AfD-Kandidaten: In den Ländern ist es vorgekommen, dass die etablierten Fraktionen die Wahl von AfD-Kandidaten in Gremienposten verhindert haben, die der Fraktion formell zustanden. Dieses Vorgehen hat oftmals den Opfermythos der AfD gestärkt und damit ihre Möglichkeiten zum eigenen Zuschnitt der politischen Debatte verbessert. Das bedeutet aber nicht, dass jeglicher Kandidat und jegliche Kandidatin der AfD für andere Fraktionen wählbar wären: Das gilt auch für die Personalie Albrecht Glaser – den Mann, der das Recht auf Religionsfreiheit für Muslime infrage stellt.
Richtet eure eigene Pressearbeit nicht an der AfD aus: Mediale Reaktionen auf die Kommunikation der AfD sollten gut abgewogen erfolgen, besonders was ihren Zeitpunkt angeht. Andere Fraktionen sollten Rechtspopulisten vielmehr im Parlament inhaltlich stellen und dort versuchen, deren Kommunikationsmuster aufzudecken. Auch sollte nicht auf jede noch so abwegige Meinung mit moralischer Empörung reagiert werden.
Provokationen ins Leere
Lasst gezielte AfD-Provokationen im Parlament ins Leere laufen: Dies gilt besonders dann, wenn es sich um Selbstinszenierungen als „Opfer“ der etablierten Parteien handelt, die meist die einzige Funktion haben, später auf Social-Media-Kanälen als vermeintlich heldenhafter Widerstand gegen „das System“ präsentiert zu werden. Andere Fraktionen sollten diese populistische Weiterverwendung der parlamentarischen Debatte im Hinterkopf behalten und abwägen, ob und wie sie auf Provokationen eingehen. Es muss deutlich werden, dass Widerspruch nicht Tabuisierung ist, sondern legitime demokratische Gegenrede.
Zieht rote Linien: Bei allem Rat zu besonnenem Agieren muss zugleich rasch klargemacht werden, welche Ideologien mit der AfD nun ihre parlamentarische Form gefunden haben. Die Zugehörigkeit der AfD-Mitglieder des Bundestags zu rechtsextremen Seilschaften sollten offengelegt werden. Ebenso sollte verhindert werden, dass Ausschussvorsitze in sensiblen Politikbereichen oder Gremien, wie das Parlamentarische Kontrollgremium, mit Menschen besetzt werden, die Kontakte zur organisierten Rechten hatten oder haben. Nur mit klaren roten Linien lassen sich die rechtsextremen Kräfte wieder aus der Mitte der Gesellschaft verdrängen.
Betreibt kein Agenda-Cutting: Nur weil Integrationsdefizite angesprochen oder Sorgen über Zuwanderung geäußert werden, sind nicht alle AfD-Wähler zwangsläufig rechtsextrem oder fremdenfeindlich. Progressive sollten sich deshalb trauen, auch umstrittene Themen anzusprechen, in den Dialog zu treten und wieder Alternativen zu formulieren. Man muss es dabei auch zugeben, wenn die AfD berechtigte Fragen stellt. Das heißt auch wieder den Kontakt zu Menschen herstellen, die nicht der gleichen Meinung sind.
Stellt die AfD in Alltagsfragen: Die Ausgrenzung der AfD ist gescheitert. Ihr muss nun eine Auseinandersetzung über Inhalte und Personen folgen, aber keine Anfeindung derer, die der AfD ihre Stimme gegeben haben, weil sie ihre Anliegen durch etablierte Parteien nicht abgedeckt sehen. Populisten werfen durchaus richtige gesellschaftliche Fragen auf. Politik muss diese beantworten, die schlechten Antworten der AfD widerlegen und sich mit ihr im parlamentarischen Alltag sachpolitisch auseinandersetzen. Progressive sind dann erfolgreich, wenn sie frühzeitig eigene Antworten liefern und der AfD keine Chance geben, in Themenlücken zu stoßen.
Entzaubert das Demokratieverständnis der AfD: Die Partei betont in ihrer Rhetorik immer ihre Bürgernähe und die Stärkung der direkten Demokratie. In Wirklichkeit hat sie basisdemokratische Elemente bisher stets nur simuliert oder deren Ergebnisse nicht berücksichtigt, zum Beispiel bei der Befragung im Vorfeld der Erstellung des Grundsatzprogramms 2016. Es ist zielführender, die Widersprüchlichkeit und Verlogenheit der AfD-Positionierung zu thematisieren, als die AfD immer nur „Nazipartei“ zu nennen.
Bietet Alternativen an: In der Zeit bis 2021 muss es den progressiven Kräften gelingen, den Fokus der politischen Auseinandersetzung wieder auf eigene Themen und vor allem gesellschaftliche Visionen zu verschieben. Dazu gehören die deutliche Benennung sozialer Missstände und Ideen zu deren Auflösung. Politik muss wieder laut und deutlich werden.
Echte Differenz statt Inszenierung
Bietet echte Differenz statt künstlich erzeugter Debatte: Es ist nicht hilfreich, wenn das Gefühl entsteht, dass Auseinandersetzungen zwischen etablierten Parteien inszeniert sind. In der breiten politischen Debatte muss es wieder um echte Unterscheidung gehen. Dafür wird es auch wichtig sein, dass SPD und CDU ihre Positionen kontrovers diskutieren und Wählerinnen und Wählern wieder eine klare politische Heimat bieten.
Stellt eure Präsenz vor Ort wieder her: Das ist für die etablierten Parteien und ihre Fraktionen ein wesentliches Element im Umgang mit dem Rechtspopulismus. Dafür muss über andere Formen der Wahlkreisarbeit nachgedacht werden. Angelehnt an die Quartiersarbeit, sollten dort neue Initiativen ausprobiert werden, wo politische und gesellschaftliche Beteiligung gering und die sozioökonomischen Strukturen schwach sind. Wenn sich Bundestagsabgeordnete und ihre Büros wieder als Andockstelle für zivilgesellschaftliches Engagement verstehen und die Bürgerinnen und Bürger vor Ort in gesellschaftliches Zusammenleben einbinden, kann verlorenes Vertrauen zurückgewonnen werden.
Dafür müssen Abgeordnete aber erst einmal wieder in den betroffenen Regionen vertreten sein. Die teilweise erschütternden Wahlergebnisse und die niedrige Zahl von Parteimitgliedern in diesen Regionen zeigen, wie schwer dieser Weg sein wird. Deswegen bedarf es neuer Bündnisse und auch Änderungen der Parteistrukturen, um diese Aufgabe zu bewältigen.
Seid selbstbewusst im Netz: Die AfD hat mehr Facebook-Fans als SPD und CDU zusammen, und Alice Weidel gelingt es mit Abstand am besten, ihre Follower zu aktivieren. Die etablierten Parteien, ihre Abgeordneten und Mitglieder dagegen haben Social Media lange Zeit nicht ernst genug genommen. Die eigene Community muss aktiviert werden, um online der AfD gegenzuhalten.
Die anderen politischen Akteure im Bundestag tun dabei gut daran, das Phänomen AfD nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und als etwas Vorübergehendes zu behandeln. Niemand weiß, ob die AfD aus dem Bundestag wieder verschwindet. Umso wichtiger ist es, ab sofort konzentriert für dieses Ziel und die Stärkung der Demokratie zu arbeiten. | 576 |
0 | Aber die Gänse sanken immer tiefer, und jetzt war der Junge aufs höchste
überrascht, daß er so verkehrt hatte sehen können. Die großen Steinblöcke
waren nichts andres als Häuser. Die ganze Insel war eine Stadt; die
glänzenden, goldnen Punkte waren Laternen und erleuchtete Fensterreihen.
Der Riese, der ganz oben auf der Insel stand, war eine Kirche mit zwei
Türmen, und alle die Meeresungeheuer und Zauberer, die er zu sehen geglaubt
hatte waren Boote und große Schiffe, die rings um die Insel herum verankert
waren. Auf dieser dem Lande zugelegnen Seite der Insel lagen gepanzerte
Kriegsschiffe, einige mit ungeheuer dicken, nach rückwärts geneigten
Schornsteinen, dann wieder länger und schmäler gebaute, die sicherlich wie
Fische durchs Wasser gleiten konnten. | 577 |
0 | Fred war wirklich längere Zeit der Tante nachgelaufen und hatte sie
endlich festnehmen können und nun weit hinunter nach dem entferntesten
Gartenhaus mit sich gezogen, denn er wollte ganz allein mit ihr reden.
Hier setzte er sich neben sie auf die Bank und sagte ernsthaft: »Siehst
du, Tante, ich muß dir etwas sagen, aber nur dir allein. Heute habe ich
die Nora gesehen; sie ist ganz tot und ich kann nicht begreifen, daß sie
einmal wieder erwachen und leben kann im Himmel.« | 578 |
1 | Bizarres Plakat von CDU-Kandidatin: Busen-Wahlkampf in Berlin
Im Berliner Bezirk Kreuzberg wirbt CDU-Kandidatin Lengsfeld mit ihrem Dekolleté und dem der Bundeskanzlerin. Die Linke-Kandidatin bildet dagegen ihren Hintern ab.
"Von allen guten Geistern verlassen": Plakat von Vera Lengsfeld. Bild: Sabine Bergmann
Wahlkampf bizarr im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg: Die Direktkandidatinnen von CDU und Linkspartei werben mit ihrer Oberweite und ihrem Popo. CDU-Direktkandidatin Vera Lengsfeld benutzt zur Verstärkung ein umstrittenes Foto der Bundeskanzlerin, das diese im tief ausgeschnittenen Dekolleté bei der Eröffnung der Osloer Oper im Jahre 2008 zeigt. Slogan auf Lengsfelds Wahlplakat mit Oberweite: "Wir haben mehr zu bieten". 750-fach hängt das Plakat seit Sonntag im Bezirk.
"Diese Aktion habe ich speziell für den Wahlkreis Kreuzberg-Friedrichshain ausgedacht," sagt Vera Lengsfeld. So ein Foto sei doch eine mutige Aktion. Sonst gebe es in der Politik "nur Händeschüttel-Bilder". Lengsfelds Resümee: Sie habe die gewünschte Aufmerksamkeit erreicht, die Klickzahlen auf ihrem Wahlblog hätten sich "innerhalb eines Tages verzehnfacht".
Vera Lengsfeld, 57 Jahre, ist Vorzeige-Bürgerrechtlerin der CDU, einstige Grüne und war von 1990 bis 2005 durchgängig im Bundestag. Die Plakat-Aktion hat sie nicht mit Merkel abgesprochen. Merkels Bild sei "ein offizielles Foto", so Lengsfeld, und die Rechte daran habe sie gekauft. Aus dem Büro von Angela Merkel war am Montag kein Kommentar zur nicht abgesprochenen Plakataktion der Parteigenossin zu erhalten.
Zumindest im Berliner Landesverband sei das Plakat wohlwollend akzeptiert worden, so der Berliner CDU-Abgeordnete Kurt Wansner. "Ist doch gut, wenn es mal was anderes zu sehen gibt." Die Kommentare in Lengsfelds Wahl-Blog sind dennoch verheerend. "Entweder hat Ihre Agentur sie kräftig verarscht, oder aber Sie sind von allen guten Geistern verlassen", schreibt einer.
Doch Lengsfeld ist nicht die einzige, die in diesem Wahlkampf auf ihren Körper setzt. Halina Wawzyniak, Bundesvize der Linkspartei und Lengsfelds Kontrahentin als Kreuzberger Direktkandidatin für den Bundestag, setzt ein Foto mit ihrem jeansumhüllten Hinterteil auf das Plakat. Slogan: "Direkt: Halina Wawzyniak ! Mit Arsch in der Hose in den Bundestag". "Man braucht einen Arsch in der Hose für die polarisierenden Positionen der Linkspartei", begründet Wawzyniak das Motiv. "Ich stehe eben für meine Positionen ein." Für "keine gute Idee" hält Kommunikationsforscher Michael Scharkow von der Berliner Universität der Künste die Plakate. Die CDU als Kanzler-Partei sollte "staatstragender" wahlkämpfen. "Ich glaube nicht, dass die Wähler diese Art von Selbstironie goutieren", so Scharkow.
Auslöser für den skurrilen Plakatwettbewerb könnte ein Grünen-Veteran sein: Hans-Christian Ströbele ist einziger grüner Direktmandatträger im Bundestag. Seit Jahren bestreitet er seine Wahlkämpfe im Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain mit knallig-bunten Comic-Plakaten. "Das hat wohl abgefärbt, wenn auch mangelhaft", schmunzelt Ströbele, der auch diesmal als sicherer Sieger im Wahlkreis gilt. | 579 |
0 | Die Zucchini und Möhren zunächst putzen und dann in feine Streifen raspeln. Anschließend die Zwiebel schälen und in feine Würfel schneiden. Die Sonnenblumenkerne ohne Fett in einer Pfanne leicht anrösten und in eine Schüssel geben.Die Zwiebeln in die Pfanne geben und mit 2 EL Olivenöl anbraten, die Gemüseraspel hinzugeben und alles 5 Minuten anbraten. Alles zu den Kernen in die Schüssel geben und mit den Kräutern, Salz und Pfeffer würzen. Noch Eier und Brösel untermengen, Taler formen und alles in den 2 letzten EL Olivenöl braten.Aus den Talern lassen sich auch super Gemüseburger für Buffets oder Kindergeburtstage machen. | 580 |
1 | Rettungsaktion von Sea Watch gestört: Libysche Attacke auf Flüchtlinge
Die libysche Küstenwache hat ein Flüchtlingsboot in internationalen Gewässern bedrängt. 30 Menschen sollen ertrunken sein, sagt Sea Watch.
In Seenot: Gekentertes Boot mit Flüchtlingen im Jahr 2015 Foto: dpa
BERLIN taz | Die private Seenot-Hilfsorganisation Sea Watch hat ihre Vorwürfe gegen die libysche Küstenwache erneuert. Diese habe Ende vergangener Woche eine Rettungsaktion unterbrochen und den Tod Dutzender Flüchtlinge verursacht. „Es gab 25 bis 30 Tote, dafür ist die libysche Küstenwache verantwortlich, weil sie uns nicht hat in Ruhe operieren lassen“, sagte der Kapitän der „Sea Watch 2“, Ingo Werth, der taz.
In der Nacht zum Freitag war das Rettungsschiff „Sea Watch 2“ von der italienischen Rettungsleitstelle zu einer Unglücksstelle rund 14 Seemeilen nördlich der Küstenstadt Sabratah gerufen worden. Dort saßen etwa 150 Menschen in einem manövrierunfähigen Boot. Die Besatzung der „Sea Watch“ begann, Rettungswesten auszugeben. „Wir hätten die Aktion ohne Verluste von Menschenleben in 90 Minuten beenden können“, sagt Werth.
Dann jedoch sei das Boot der Küstenwache erschienen und habe die Helfer abgedrängt. Werth sagt, er habe beobachtet, wie einer der libyschen Küstenwächter auf das Flüchtlingsboot stieg und dabei mit einem Stock auf die Insassen eingeschlagen habe. Nach einiger Zeit seien die Libyer wieder abgefahren. Es sei nicht klar geworden, was sie wollten, sagte Werth.
Kurz darauf platzte einer der Schwemmkörper des Flüchtlingsboots – etwa an der Stelle, an der das Boot der Libyer angedockt habe. Daraufhin seien die Flüchtlinge in Panik geraten und ins Wasser gerutscht. Die Besatzung der „Sea Watch“ konnte 120 von 150 Menschen bergen.
Die libysche Marine hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Soldaten einer Patrouille seien in der Nacht zum Freitag an Bord eines Hilfsschiffs gegangen, um zu überprüfen, weshalb sich das Schiff in libyschen Hoheitsgewässern aufhielt, sagte ein Sprecher der Marine am Samstag in Tripolis. „Die Besatzung gibt vor, dass wir sie angegriffen haben und es mehrere Tote gab. Aber das stimmt nicht, und wir fordern sie auf, Beweise für diesen Zwischenfall vorzulegen“, ergänzte er.
Am Mittwoch begann die Ausbildung der libyschen Küstenwache durch die EU
An Bord der „Sea Watch 2“ war der Berliner Fotograf Christian Ditsch. Er hat die Aktion der libyschen Küstenwache fotografiert. Eines seiner Bilder zeigt die Radaranlage des Schiffs. Die dort zu erkennenden Koordinaten zeigen einen Aufenthaltsort in internationalen Gewässern an.
In den letzten Monaten waren Seenothelfer mindestens zweimal mit Schüssen von mutmaßlichen libyschen Küstenwächtern angegriffen worden. Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer kritisiert, dass die EU mit der libyschen Marine im Rahmen ihrer „Sophia“-Mission gegen Schleuser zusammenarbeiten will. Am Mittwoch begann die Ausbildung von Mitgliedern der libyschen Küstenwache durch die EU. Es seien bereits zwei Schiffe Italiens und der Niederlande auf dem Weg in internationale Gewässer vor der libyschen Küste, wo die Ausbildung beginnen soll. Die im Mittelmeer im Einsatz befindliche EU-Mission „Sophia“ darf selbst nicht in libyschen Hoheitsgewässern tätig werden.
Mit der Überprüfung der Auszubildenden will die EU sicherstellen, dass sich unter ihnen keine Anhänger radikaler Gruppen wie der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) befinden. Außerdem wollen die Europäer keine Küstenwächter ausbilden, die in Korruption verstrickt sind und mit Schleppern gemeinsame Sache machen. | 581 |
0 | Wie und wann er die Bureaus verlassen, dessen entsann er sich nicht
mehr. Erst, als ihm laute Militärmusik entgegenschallte, entdeckte er zu
seiner Verwunderung, daß er in seinem Hingrübeln auf den großen Markt
gelangt wäre, wo um die Mittagsstunde die Bataillonskapelle
konzertierte. Und um ihn herum -- auf allen vier Seiten des Platzes,
flanierten Scharen hellgekleideter, junger Mädchen, gefolgt von langen
Zügen buntmütziger Korpsstudenten, Offizieren, junger Kaufleute; kurz,
diese eine, flüchtige Sonntagsstunde war es, wo die ehrbare, alte
Schwedenstadt eine leichtsinnige Laune zeigte. Aber dem hübschen, jungen
Menschen, den mancher Mädchenblick streifte, schien der fröhliche
Trompetenschall, schien all das bunte Fluten weh zu tun. | 582 |
0 | »Komm mit mir!« bedrängte eine Madame Pompadour Nikolai Apollonowitsch, und
da er Madame Pompadour nicht erkannte, gab er nur unwillig den Arm;
unmerklich spöttisch sah sie ihren roten Kavalier an, und mit
zurückgeworfenem Kopfe legte sie eine Hand in seinen Arm, indessen die
andere den Rocksaum aus hellblau flatterndem Duft hielt und ein reizvolles,
silbernes Schuhchen hervorlugen ließ. | 583 |
0 | Die Sonne war indessen untergegangen und Goodwin blieb mehrere Stunden
an Bord des Holländers, theils die bald eintretende Fluth, theils den
Aufgang des Mondes abzuwarten, der Capitain frug ihn einmal nach seinem
Handel mit dem Javanen, der Amerikaner aber gab eine ausweichende
Antwort, besorgte, was er noch an Bord zu besorgen hatte, und verließ
dann mit den Malayischen Bootsleuten, die jedes Europäische Fahrzeug für
die Dauer seines Aufenthalts auf der Rhede von Batavia miethet, das
Schiff, an Land zurückzukehren. | 584 |
1 | Gambias neuer Präsident: Ein siegreicher Rückkehrer
Früher arbeitete er als Leibwächter und Türsteher. Adama Barrow ist der erste afrikanische Präsident, der als Migrant in Europa lebte.
Ein gefragter Mann: Adama Barrow Foto: ap
BERLIN taz | Adama Barrow, der gewählte Präsident von Gambia, kann jubeln: Nicht nur besiegte er am 1. Dezember bei Wahlen den langjährigen Gewaltherrscher seines Landes – er ist jetzt auch tatsächlich Präsident. Die westafrikanischen Nachbarländer haben mit einer Kombination von Militäraufmarsch und Diplomatie dafür gesorgt, dass Vorgänger Yahya Jammeh die Macht abgibt und ins Exil geht.
Barrow steht nicht nur für den ersten demokratischen Machtwechsel in der Geschichte Gambias. Er ist auch der erste Afrikaner, der als Migrant in Europa lebte, dann zurückkehrte und Präsident seines Landes wird.
Geboren 1965, zwei Tage vor der Unabhängigkeit der britischen Kolonie Gambia, war Barrow als junger Mann Leibwächter des Schwiegervaters des ersten gambischen Präsidenten Dawda Jawara. So waren seine Aussichten schlecht, als der junge Soldat Yahya Jammeh 1994 per Militärputsch die Macht ergriff.
Wie viele Gambier wählte Barrow die Emigration: Er zog mit Studentenvisum nach Großbritannien, studierte Immobilienverwaltung, schlug sich danach in London als Türsteher bei der Versandhandelskette Argos durch. Eine prägende Zeit, sagte er später.
2006 kehrte Barrow in die Heimat zurück und gründete die Immobilienfirma Majum. Gambia, ein Land mit nur 1,8 Millionen Einwohnern, trennt Geschäfte und Politik nicht: Barrow engagierte sich in der Oppositionspartei UDP (United Democratic Party), wurde deren Schatzmeister und 2016 der Einheitskandidat der Opposition gegen Jammeh bei den anstehenden Wahlen. Dass er und nicht Jammeh von der Wahlkommission zum Sieger erklärt wurde, dürfte beide überrascht haben.
Nachdem Jammeh das Ende seiner Amtszeit ohne Amtsübergabe verstreichen ließ, wurde Barrow am letzten Donnerstag in der gambischen Botschaft im Nachbarland Senegal als Präsident vereidigt. In seiner Antrittsrede dankte er nicht nur den Wählern, sondern der gambischen Diaspora weltweit – Migranten, wie er es einer war. „Gambia ist unsere Heimat“, rief er, „Wir möchten jetzt ein Gambia bauen, in dem nicht zählt, wen man kennt, sondern was man weiß.“ | 585 |
0 | Sie ging also da hinein, setzte sich nieder und wartete, was nun geschehen
werde. Endlich hörte sie ein Geräusch im Eingang und ein Mann sagte: »Ich
wittere fremde Menschen.« Dann kam er herein und die Frau erschrak sehr,
denn seine Hände und sein Gesicht waren kohlschwarz. Er sagte nichts,
sondern ging durch den Raum, geradewegs auf sein Bett zu; dort entblößte er
seinen Oberkörper, nahm einen Wassereimer und wusch sich. Als die Frau sah,
daß seine Brust so weiß wie ihre eigene war, atmete sie erleichtert auf.
Als sie so dasaß, sah sie, wie von einer unsichtbaren Person plötzlich eine
Schüssel mit gekochtem Fleisch hereingestellt wurde; der Mann legte zuerst
seinem Gast vor und nahm dann selbst sein Mahl ein. Als sie gegessen
hatten, fragte er, wie sie hergekommen und sie erzählte ihm ihre
Geschichte. Er sagte, sie solle sich nicht unglücklich fühlen, ging hinaus
und brachte einige Renntierfelle herein, damit sie daraus für sich und ihr
Kind, das sie die ganze Zeit über unversehrt am Rücken getragen hatte,
Kleider mache. Als sie einwandte, sie habe keine Nadel, brachte er ihr eine
kupferne, die ihr sehr gut gefiel, denn bis dahin hatte sie nur beinerne
gesehen. | 586 |
1 | Beginnen sollen diese Gedanken mit einigen Bemerkungen zur DDR, danach über die Revolution, die zur Freiheit führte. Anschließend folgen Reflexionen über die Gestaltung unserer Demokratie sowie der Einheit mit der Übernahme des Rechtsstaates.
Das Leben in der DDR spielte sich für die meisten Menschen in begrenzten Räumen ab, auch „Nischen“ genannt. Dadurch hatten sie eine beschränkte Sicht, aus der sie auf das Ganze schlossen. Es gab keine Öffentlichkeit, keine Berichte und Diskussionen über die anderen. Das förderte allerdings auch Zusammenhalt und Gemeinschaft, was heute von vielen vermisst wird.
Außerdem waren die Menschen nicht nur unterschiedlich gebildet wie überall, sondern hatten auch mehr oder weniger sogenannte Westkontakte, Verbindungen zur Bundesrepublik, folglich weniger direkte Kenntnisse darüber. Unsere Verbindungen waren sehr gut. Informationen erhielten wir nicht nur über Fernsehen und Radio, sondern auch über Briefe und intensive Gespräche. Nahezu jedes Buch, das uns interessierte, konnten wir beschaffen, teils auf abenteuerlichen Wegen. Wir hatten Wolfgang Leonhards „Die Revolution entlässt ihre Kinder“ gelesen und auch das Buch des Jugoslawen Milovan Djilas „Die neue Klasse“. Einige Bücher von Solschenizyn ließ ich in Leinen binden, damit sie häufiger an Freunde und Kollegen verborgt werden konnten. Andere wurden für dergleichen eingesperrt.
Ich behaupte, von der Landung der in Moskau ideologisch geprägten „Gruppe Ulbricht“ im Frühjahr 1945 bis zu den Schüssen an der Mauer gibt es eine zwangsläufige Kette. Es wurde ein scheindemokratisches Staatsgebilde aufgebaut, Gegner vernichtet, verjagt oder gleichgeschaltet.
Im Wettbewerb mit der Bundesrepublik konnte man nicht mithalten. Das merkten die Leute und etliche liefen weg. Als die sogenannte Republikflucht überhandnahm wäre der Staat bald am Ende gewesen. Folglich musste aus Sicht der Herrschenden die Grenze geschlossen und 1961 die Berliner Mauer gebaut werden. Wer eine solche Mauer baut, um Menschen an der Flucht zu hindern, muss sie sichern. Er kann nicht erlauben, dass jemand mit einer Leiter kommt und drübersteigt. Also muss geschossen werden. Das alles war zwangsläufig und dem totalitären System innewohnend. Der Bevölkerungsverlust hat bis heute weitreichende Folgen, zumal er nach dem Mauerbau nicht beendet war. Bis 1989 verließen weitere 400.000 Menschen die DDR, und nach dem Mauerfall über eine weitere Million. Es waren überwiegend Jüngere, wohl auch Gesündere, viele von ihnen waren leistungsbereit und voller Unternehmergeist. Ein solcher Verlust hat tiefgreifende und lang anhaltende Auswirkungen. Die meisten aktuellen Statistiken, in denen sich die Bevölkerung in unserem Lande als vergleichsweise weniger leistungsfähig oder leistungsbereit zu erweisen scheint, sind auf diese Ursachen zurückzuführen.
Wir wollten nicht weg. Unsere familiäre Haltung war kurz gesagt so: Wir leben in einem besetzten Land, aber hier ist auch Deutschland. Dazu wäre noch viel zu sagen. Entscheidend war, sich unter diesen Bedingungen einigermaßen anständig zu verhalten. Dazu gehörte, nicht in die SED einzutreten, aber viele andere Organisationen als harmlos anzusehen. Nachteile zu akzeptieren gehörte auch dazu. Beispielsweise wurde ich zwar nicht gehindert wissenschaftlich zu arbeiten, mit 33 Jahren war ich habilitiert. Doch als ich meinen 40. Geburtstag feierte, war ich noch immer Assistenzarzt. Das hat uns nicht aufgeregt, denn andere hatten wirkliche Härten zu ertragen, nicht nur Nachteile. Damals haben wir ebenso wie viele andere gezeigt, dass man auch im falschen System ein richtiges Leben führen kann und nicht nur im richtigen ein falsches.
Nun zur Revolution. Das geht nicht ohne die Betrachtung der Weltlage. Im Sommer 1988 las ich in einer Wiener Zeitung den Satz: „Der Kalte Krieg ist vorbei, und der Russe hat ihn verloren“. Ich freute mich zwar, dachte aber noch nicht an die möglichen Folgen. Später wurde klar, dass eine Weltmacht keinen Krieg verlieren kann und nichts von ihrer Macht verliert. Zu den glücklichen Umständen in dieser Zeit gehörte Michail Gorbatschow, der sich als genialer Konkursverwalter der Sowjetunion erwies.Zunächst wurde schrittweise klar, dass die Sowjetunion mit ihren schwächer werdenden Händen ihre „Beute“ aus dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr dauerhaft festhalten konnte. In dieser Zeit entstanden, ganz ähnlich wie in den anderen Ostblockstaaten, mehr und mehr Gruppen, die an dem DDR-System etwas ändern wollten. Sie kann man als Revolutionäre bezeichnen. Zugleich boten Kirchen in vielen Gemeinden mit ihren „Friedensgebeten“ einen geschützten Raum an, der sich immer mehr füllte.
Anfang September trug ich mich beim neu gegründeten Bürgerbündnis „Neues Forum“ ein und merkte, dass von Seiten der Staatsgewalt nichts geschah. In diesen Wochen nahm die Revolution ihren Lauf. Ich unterscheide vier Stufen, die vorwiegend in Leipzig durch markante Rufe gekennzeichnet sind.
1. „Wir wollen raus!“ riefen Ausreisewillige auf der Straße und versteckten sich nicht mehr hinter Formularen und Anträgen. Eine strenge Reaktion der Staatsmacht blieb 1989 jedoch aus.
2. „Wir bleiben hier!“ riefen die nächsten. Das war eine Drohung. DDR-Bürger und Bürgerinnen wollten nicht mehr untätig bleiben und alles geschehen lassen, sondern pochten auf Reformen. Nichts, um dies nachhaltig niederzuschlagen, geschah.
3. „Wir sind das Volk!“ war schließlich der DDR-weite Ruf, dem die selbsternannte Arbeiter-und-Bauern-Macht gar nichts mehr entgegenzusetzen hatte, die gefürchtete Stasi protokollierte nur noch die Interner Link: Parolen. Das war die Revolution. Jede Revolution hat ihr zeitliches und räumliches Zentrum. In unserem Fall war dies am Interner Link: 9. Oktober 1989 der Leipziger Ring.
Die Staatsmacht war vorbereitet, Proteste niederzuschlagen, durfte jedoch nicht eingreifen, weil sie aus Moskau nicht die Erlaubnis bekam und russische Panzer ohnehin nicht rollen würden. Und wenn sie an diesem Tag nicht eingriffen, warum sollten sie das eine Woche später an vielen Orten der DDR gleichzeitig tun? Die Macht war gebrochen.
Es bestätigte sich der Satz, wonach eine Revolution nichts anderes ist als eine morsche Tür einzutreten. Übrigens kann man über den Namen „Friedliche Revolution“ oder „Herbstrevolution“, wie Richard Schröder vorschlug, unterschiedlicher Auffassung sein. Doch die von Interner Link: Egon Krenz geprägte Bezeichnung „Wende“ ist falsch. Er wollte keine Revolution, keine grundsätzliche Umwälzung, die zwangsläufig zur Einheit Deutschlands führen musste. Er wollte nur in der DDR einiges ändern, ohne zu sagen, was das konkret sein könnte. Es ist eigentlich ein Jammer, dass dieser Wende-Begriff sich so eingebürgert hat, dass man ihn nicht wieder aus der Welt schaffen kann. 4. und Letztens erklang im Dezember der Ruf: „Wir sind ein Volk!“. Damit war die deutsche Frage wieder offen. Und weil es so war, wie Konrad Adenauer schon in den fünfziger Jahren prophezeite, „Der Schlüssel zur deutschen Einheit liegt in Moskau“, kam es nun auf die Herrschenden in der Sowjetunion an.
In Halle nahm ich an allen Demonstrationen teil, organisierte sie mit und sprach wiederholt bei Kundgebungen. Das war nichts Heldenhaftes, denn Angst brauchte man nicht mehr zu haben. Heute beschreiben das manche anders, und es bestätigt sich das deutsche Sprichwort: „Es sind viele mutig, wenn der Feind weg ist“.
Nun zum 9. November und dem „Mauerfall“. Zufall oder nicht, das Datum wurde zum Wichtigsten in den Geschichtsbüchern, weil die Weltöffentlichkeit dieses Ereignis als epochal verstand. Doch klar war damals schon, dass die Mauer nach dem 9. Oktober in Leipzig nicht mehr lange zu halten war.
Auf Transparenten fordern Teilnehmer des friedlichen Demonstrationszuges am 09.10.1989 durch die Leipziger Innenstadt immer wieder "Freiheit". (© picture-alliance, Lehtikuva Oy)
Und ebenso klar ist, dass sie durch die Ereignisse innerhalb der DDR, also durch die Revolution geöffnet werden musste, und nicht von außen geöffnet worden ist. Insofern liegt das Verdienst bei den Menschen in der DDR. Doch das alles wäre nicht möglich gewesen, wenn die gesamte politische Lage eine andere gewesen wäre oder beispielsweise Breschnew noch einige Jahre am Leben und an der Macht geblieben und nicht durch Andropow, Tschernenko und bald darauf Gorbatschow abgelöst worden wäre.
Außerdem sollte man die Bewegungen in den anderen Ostblockstaaten nicht außer Acht lassen. Die deutschen Revolutionäre waren es jedenfalls nicht allein, und wer zu Recht Revolutionär genannt werden kann ist auch nicht klar. Ich war jedenfalls keiner, aber ich kenne einige, die es gewesen sind.
Nun zur Freiheit und Demokratie. Unter Freiheit verstanden die meisten zunächst nur Reisefreiheit. Doch in Wahrheit ist sie unendlich viel mehr, muss gestaltet werden und bedarf der Demokratie. Der Ruf nach freien Wahlen erschallte. Doch Demokratie ist mehr als die Durchführung von freien Wahlen. Es gehören Strukturen im Lande dazu. Diese zu schaffen war die nächste Aufgabe.
Und damit kommen wir zu den politischen Parteien, ohne die die Demokratie nicht bestehen kann. Mir brachte die Mitgliedschaft im Neuen Forum keine Aufgaben. Die wenigen Versammlungen waren interessant, erschienen aber unstrukturiert und ergebnisarm. Als ich später den Satz las: „Ohne Tagesordnung und Geschäftsordnung funktioniert die Demokratie nicht“, wurde mir klar, woran das lag. In Halle gab es an der Georgenkirche sehr bald eine Mahnwache „Gegen Gewalt“. Dort fand man zahlreiche Zettel mit Nachrichten, darunter über die Gründung der „Sozialdemokratischen Partei in der DDR“ – SDP. Der Ortsverein Halle wurde am 27. Oktober 1989 gegründet, am 4. November trat ich ein.
Für SED und Stasi eine besondere Herausforderung - SDP-Demonstranten Mitte Oktober 1989 in Ost-Berlin, fotografiert vom MfS (© BStU, MfS, HA XX/Fo/1255, Bild 236)
Seither habe ich mich nie nach einer Funktion gedrängt, doch auch keine ausgeschlagen, wenn ein ernsthafter anderer Bewerber oder eine Bewerberin nicht da waren. So wurde ich bald Bezirksvorsitzender und war 12 Jahre lang Landesvorsitzender der SPD Sachsen-Anhalts. Schließlich, um diesen Weg hier abzukürzen, bin ich nicht nur Mitglied des Bundesparteirates gewesen, sondern 11 Jahre lang auch dessen Vorsitzender. Daraus ergab sich das ständige Gastrecht beim SPD-Bundesvorstand. Hinzu kamen die deutschlandweiten Runden aller Landesvorsitzenden und auch die der Fraktionsvorsitzenden. Das bedeutete, dass ich über viele Jahre vom Ortsverein bis zum Bund mit fast allen wichtigen Leuten der SPD bekannt und im Austausch war. Dergleichen bringt einen Informationsstand, der die Arbeit sehr erleichtert.
Nachdem die Kommunisten bzw. die DDR-Machthaber ohne Widerstand verschwunden waren, ist die Grundfrage klar gewesen: Wer soll es denn nun richten? Und die Antwort? Natürlich wir selbst, wer denn sonst. Und somit hatten wir bereits im Januar 1990 drei Aufgabenbereiche: Aufbau der Partei, Mitarbeit an den verschiedenen Runden Tischen und Vorbereitung der Wahlen. Denn es war selbstverständlich, dass wir am 18. März für die Volkskammer kandidierten – wobei wir eine herbe Enttäuschung erlebten. Auch das musste gelernt werden, ebenso wie der Umgang damit, dass auch in unseren Reihen immer wieder Personen auftauchten, die als Stasi-Mitarbeiter entlarvt worden sind. Das war gar nicht anders möglich, denn ohne die gegenseitige Gewährung eines Vertrauensvorschusses hätten wir nie zusammengefunden.
Meine Voraussetzungen für die politische Arbeit waren denkbar gut. Ich hatte hinreichende politische Bildung und eine günstige familiäre Ausgangssituation. Unsere Kinder waren fast erwachsen und meine Frau politisch ebenso engagiert wie ich. Außerdem stimmten unsere politischen Überzeugungen überein.
Einen großen Vorteil erkannte ich nach und nach durch meinen vorherigen Beruf. Arzt und Politiker haben viele Gemeinsamkeiten. Der Unterschied ist nicht so groß, wie man allgemein glauben mag. Beide haben direkt mit Menschen zu tun und sind sich der Grenzen ihrer Möglichkeiten bewusst. Ärzte hoffen nicht darauf, den Menschen alle Krankheiten und Leiden nehmen oder gar den Tod abschaffen zu können. Und der Politiker weiß genau, dass auch er nur in geringem Maße helfen und schon gar nicht alle Menschen glücklich machen kann. Zum Arzt kommen sie, wenn sie krank sind und leiden. Sie schildern ihm ihre Beschwerden, aber kommen nicht regelmäßig vorbei, um zu sagen, wie glücklich und gesund sie sind. Zum Politiker kommen die Menschen, wenn sie vermeintliche oder tatsächliche Gründe zur Klage haben und jemanden brauchen, der ihnen hilft.
Autor Rüdiger Fikentscher 1990 (© Bundesarchiv, Bild 183-1990-0217-304 / Schöps, Elke / CC-BY-SA 3.0)
In beiden Fällen gibt es sowohl die Möglichkeit zur unmittelbaren Hilfe als auch das Bemühen, künftige Krankheiten und Leiden zu verhindern. Ärzte müssen auch bereit sein, ein und denselben Sachverhalt immer wieder und wieder neuen Patienten zu erklären, ohne gelangweilt zu wirken. Der Politiker erläutert immer wieder seine Ziele, Vorstellungen und Vorschläge. Hierzu hilft ein kaukasisches Sprichwort: „Wiederholung schadet keinem Gebet“. Bei Erfolglosigkeit entwickelt sich Unmut aufgrund der enttäuschten Hoffnungen sowohl gegenüber dem Arzt als auch gegenüber dem Politiker. Der eine riskiert, nicht mehr aufgesucht zu werden, der andere gefährdet seine Wiederwahl. Einen wesentlichen Unterschied zwischen beiden Tätigkeiten gibt es aber doch, nämlich: Der Politiker steht in der Öffentlichkeit, der Arzt eher weniger.
Das alles galt es damals rasch zu verstehen und zu lernen, damit aus Laien Fachleute wurden, die sich bemühten, die allgemeinen öffentlichen Angelegenheiten zu regeln. Bereits in der Volkskammer haben wir viel gelernt und viel entschieden. Ein Meister der Geschäftsordnung und der Verhandlungen im parlamentarischen Raum war unser späterer Ministerpräsident Reinhard Höppner. Er brachte seine Erfahrungen aus der evangelischen Synode ein, deren Präses er bis dahin war. Auch insofern war die Volkskammer eine Schule der Demokratie. Doch wir sind nicht zum Unterricht hingegangen, sondern mussten grundlegende Entscheidungen treffen. Das waren der Aufbau demokratischer Strukturen, Eingliederung des Militärs und anderer staatlicher Machteinrichtungen, Festlegung der Kommunalwahlen, Währungsunion, Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze und anderes mehr. Schließlich wurde in jener Nachtsitzung zum 23. August morgens 3 Uhr unter Leitung von Reinhard Höppner der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Nur die Volkskammer durfte das, niemand sonst.
Auf Transparenten fordern Teilnehmer des friedlichen Demonstrationszuges am 09.10.1989 durch die Leipziger Innenstadt immer wieder "Freiheit". (© picture-alliance, Lehtikuva Oy)
Für SED und Stasi eine besondere Herausforderung - SDP-Demonstranten Mitte Oktober 1989 in Ost-Berlin, fotografiert vom MfS (© BStU, MfS, HA XX/Fo/1255, Bild 236)
Autor Rüdiger Fikentscher 1990 (© Bundesarchiv, Bild 183-1990-0217-304 / Schöps, Elke / CC-BY-SA 3.0)
Nun zur Einheit Deutschlands. Sie wurde am 3. Oktober 1990 formal und juristisch vollzogen. Ich stand zusammen mit meiner Frau in jener Nacht auf den Stufen des Reichstags und war dabei, als die „Fahne der deutschen Einheit“ aufgezogen wurde. Noch immer, wenn ich sie dort sehe, denke ich an diese bewegende Stunde.
Doch dem Symbol folgten viele Fragen der Umgestaltung und Neugestaltung, die für uns neue Aufgaben enthielten. Dabei war Hilfe aus der alten Bundesrepublik höchst willkommen. Um politisch zu entscheiden, waren wir sehr bald sicher genug. Doch die gesamte Verwaltung musste umgebaut und neu geordnet, auch vielfach neu besetzt werden. Dazu brauchten wir zusätzliche Fachleute. Ich persönlich hatte nie mit ihnen Schwierigkeiten. Offenbar haben sie meinen Standpunkt auch unausgesprochen akzeptiert. Er war ganz einfach: Wir sind gemeinsam in den Krieg gezogen, haben Schlimmes angerichtet, haben zu Recht verloren, und unser Land ist geteilt worden. Ihr hattet es leichter im Leben und beim Wiederaufbau. Nun lasst uns gemeinsam auch den Teil unseres Vaterlandes wiederaufbauen, der so viel mehr und so viel länger gelitten hat. Das ist Eure Aufgabe genauso wie die unsere. Wir haben mehr Feldkenntnisse, ihr mehr Fachkenntnisse. Wir stehen auf Augenhöhe. Ich persönlich habe auch nie die Begriffe „Ossi“ und „Wessi“ verwendet. Sie erscheinen mir als Etikett für Menschen ungeeignet.
Die sogenannten „Westhilfen“ hielt und halte ich für selbstverständlich. Leider ist das nicht überall so gewesen und von allen so gesehen worden. Doch auf die vielen Schwierigkeiten und Missverständnisse einschließlich menschlicher Unzulänglichkeiten, die Treuhanderfahrungen und den Hochschulumbau und so vieles andere kann ich hier nicht eingehen. Aber ich weiß: Man kann jeden Fehler vermeiden, aber niemals alle Fehler.
Zur Treuhand nur noch eine Bemerkung. Es heißt immer wieder, da seien Leute aus dem Westen gekommen, die unsere Betriebe plattgemacht haben. Doch die Wirklichkeit sah doch auch so aus, dass niemand mehr einen „Trabant“ oder „Wartburg“ fahren wollte. Endlich einen Westwagen zu steuern, darauf kam es jetzt den meisten an. Auch wollte kaum noch jemand Weißenfelser Schuhe tragen oder Halle’sches „Meisterbräu“ trinken. Und jedermann und jedefrau wissen, dass sich diese Reihe beliebig fortsetzen ließe. Mit der Einheit war auch der Rechtsstaat gekommen. Diesen in einer länger bestehen DDR aufzubauen hätte viele Jahre gedauert. Deswegen war es aus meiner Sicht gut, ihn zu übernehmen. Nicht gut dagegen war die Haltung jener, die sich einen künftigen Idealstaat vorgestellt hatten, in dem alle Fehler und Unzulänglichkeiten anderer Staaten vermieden werden sollten. Dieser Idealismus musste in die Irre laufen. Er gipfelte in dem Wort: „Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat“. Das war üble Demagogie und Verunglimpfung. Dieser Standpunkt ist genauso töricht, wie wenn jemand sagte: „Wir wollte Gesundheit und bekamen das Gesundheitswesen“. Beides, Gerechtigkeit und Gesundheit, sind abstrakte Begriffe, Idealvorstellungen, denen man sich nur annähern kann, sie aber nie erreichen wird. Für diese Annäherung braucht man das Gesundheitswesen und eben den Rechtsstaat.
Eine andere naheliegende Frage tauchte in diesen Monaten immer wieder auf, nämlich: Wie lange wird das alles dauern. Hier scheint mir, dass wir hinsichtlich der Reihenfolge fast alles richtig vorausgesehen, uns nur in der Zeitschiene grandios geirrt haben. Wer zu Weihnachten 1989 vorhergesagt hätte, dass wir ein Jahr später in einem geeinten Deutschland mit einem frisch gewählten gemeinsamen Bundestag feiern würden, wäre nicht ernst genommen worden. Und wer nach der Vereinigung vermutet hätte, dass wir drei Jahrzehnte später noch immer über Ost-West-Unterschiede sprechen und den Soli-Beitrag zahlen, wären als notorischer Pessimist bezeichnet worden. Beides ist eingetreten und noch vieles mehr. Darüber gilt es immer noch zu sprechen, heute, und noch eine Weile länger.
Zitierweise: "Die Volkskammer als Schule der Demokratie“, Rüdiger Fikentscher, in: Deutschland Archiv, 16.4.2020, Link: www.bpb.de/307812.
Weitere "Ungehaltene Reden" ehemaliger Parlamentarier und Parlamentarierinnen aus der ehemaligen DDR-Volkskammer werden nach und nach folgen. Eine öffentliche Diskussion darüber ist im Lauf des Jahres 2021 geplant. Es sind Meinungsbeiträge der jeweiligen Autorinnen und Autoren, sie stellen keine Meinungsäußerung der Bundeszentrale für politische Bildung dar.
In dieser Reihe bereits erschienen:
- Sabine Bergmann-Pohl, Interner Link: "Ein emotional aufgeladenes Parlament"
- Rüdiger Fikentscher, Interner Link: "Die 10. Volkskammer als Schule der Demokratie"
- Hinrich Kuessner Interner Link: „Corona führt uns die Schwächen unserer Gesellschaft vor Augen“
- Klaus Steinitz, Interner Link: "Eine äußerst widersprüchliche Vereinigungsbilanz"
- Richard Schröder -Interner Link: "Deutschland einig Vaterland"
- Maria Michalk, Interner Link: "Von PDS-Mogelpackungen und Europa?"
- Markus Meckel, Interner Link: "Eine Glücksstunde mit Makeln"
- Hans-Peter Häfner, Interner Link: "Brief an meine Enkel"
- Konrad Felber, Interner Link: "Putins Ausweis"
- Walter Fiedler, Interner Link: "Nicht förderungswürdig"
- Hans Modrow, Interner Link: "Die Deutsche Zweiheit"
- Joachim Steinmann, "Interner Link: Antrag auf Staatsferne"
- Christa Luft, Interner Link: "Das Alte des Westens wurde das Neue im Osten"
- Dietmar Keller, "Interner Link: Geht alle Macht vom Volke aus?"
- Rainer Jork, Interner Link: "Leistungskurs ohne Abschlusszeugnis"
- Jörg Brochnow, Interner Link: "Vereinigungsbedingte Inventur"
- Gunter Weißgerber, "Interner Link: Halten wir diese Demokratie offen"
- Hans-Joachim Hacker, Interner Link: "Es gab kein Drehbuch"
- Marianne Birthler - Interner Link: "Das Ringen um Aufarbeitung und Stasiakten"
- Stephan Hilsberg - Interner Link: "Der Schlüssel lag bei uns"
- Ortwin Ringleb - Interner Link: "Mensch sein, Mensch bleiben"
- Martin Gutzeit, Interner Link: "Gorbatschows Rolle und die der SDP"
- Reiner Schneider - Interner Link: "Bundestag - Volkskammer 2:2"
- Jürgen Leskien - Interner Link: "Wir und der Süden Afrikas"
- Volker Schemmel - Interner Link: "Es waren eigenständige Lösungen"
- Stefan Körber - "Interner Link: Ausstiege, Aufstiege, Abstiege, Umstiege"
- Jens Reich - Interner Link: Revolution ohne souveränes historisches Subjekt
- Carmen Niebergall - Interner Link: "Mühsame Gleichstellungspolitik - Eine persönliche Bilanz"
- Susanne Kschenka - Interner Link: "Blick zurück nach vorn"
- Wolfgang Thierse - Interner Link: "30 Jahre später - Trotz alldem im Zeitplan"
- u.a.m.
Mehr zum Thema:
- Die Interner Link: Wahlkampfspots der Volkskammerwahl
- Die Interner Link: Ergebnisse der letzten Volkskammerwahl
- Film-Dokumentation Interner Link: "Die letzte Regierung der DDR"
- Analyse von Bettina Tüffers: Interner Link: Die Volkskammer als Schule der repräsentativen Demokratie, Deutschland Archiv 25.9.2020 | 587 |
1 | Hannibal-Netzwerk in Meck-Pomm: Rechtsextreme Elitepolizisten
Laut einer Expertenkommission hat es beim SEK der Polizei Mecklenburg-Vorpommern eine rechtsextreme Gruppe gegeben.
Schwer bewaffnete Polizisten bei einer Antiterrorübung im April 2017 Foto: dpa
BERLIN taz | Im Spezialeinsatzkommando der Polizei Mecklenburg-Vorpommern hat es eine Gruppe rechtsextremer Polizisten gegeben. Zu dieser Einschätzung sind nun auch die Experten einer „Unabhängigen Kommission“ gekommen. Die drei Männer stellten ein entsprechendes Gutachten am Dienstag in Schwerin vor – und üben teils heftige Kritik.
Der Leiter der Kommission, der frühere Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz Heinz Fromm, sagte, es habe innerhalb der Gruppe rechtsextremes und fremdenfeindliches Verhalten gegeben. Das berichtete der Nordkurier. Außerdem sollen die rechtsextremen Elitepolizisten Verbindungen zu sogenannten Preppern gehabt haben.
Als Führungsfigur macht Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) den Ex-SEK-Polizisten Marko G. aus., der derzeit in Schwerin unter anderem deshalb vor Gericht steht, weil er 55.000 Schuss Munition gehortet haben soll.
Er ist auch eine Schlüsselfigur des von der taz und anderen Medien aufgedeckten sogenannten Hannibal-Netzwerks mit rechtsextremen Mitgliedern in Armee, Polizei und anderen Behörden. Die Mitglieder des Netzwerks sind meistens Männer, die sich auf einen drohenden Ernstfall vorbereiten – manche legen einfach nur einen größeren Vorrat an Wasser und Konserven an. Es gibt aber auch radikalisierte Prepper, die Waffen horten, weil sie rassistischen Vorstellungen von einer angeblich bevorstehenden Invasion von Geflüchteten anhängen.
Caffier hat Konsequenzen aus dem Bericht gezogen, zwei ranghohe Beamte sind ihre Jobs los. Sie werden nicht entlassen, aber versetzt. Bisher war der Innenminister eher zögerlich aufgetreten, wenn es um sein Vorgehen gegen rechte Prepper und Polizisten ging.
Caffier berief den Leiter der Polizei-Abteilung in seinem Innenministerium, Frank Niehörster, und den Chef des Landeskriminalamts, Ingolf Mager, von ihren Posten ab. „Die Vorfälle und die im Raum stehenden Vorwürfe waren und sind eine Zäsur für die Landespolizei“, ließ Caffier per Pressemitteilung verbreiten. Und: „Das Vertrauen der Menschen in die Polizei wurde beschädigt und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landespolizei sind selbst verunsichert.“
Lorenz Caffier, InnenministerDas Vertrauen der Menschen in die Polizei wurde beschädigt und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landespolizei sind selbst verunsichert
In Reihen des Koalitionspartners SPD stößt Caffiers Informationspolitik auf Unverständnis. Der Landtagsabgeordnete Dirk Friedriszik (SPD) kritisiert, dass das Parlament vollkommen außen vor bleibe. „Ich war derjenige, der eine unabhängige Kommission in der SEK-Affäre gefordert hat“, sagt er der taz. „Es ist ein Skandal, dass Caffier jetzt eine Pressekonferenz gibt, ohne vorher den zuständigen Innenausschuss zu informieren.“
Bei ihren Schlussfolgerungen berufen sich die Experten der Kommission auf Akten aus dem Innenministerium, Gespräche mit mehr als 80 Personen und Geschriebenes in Chat-Gruppen. Das Innenministerium in Schwerin hat eine achtseitige Zusammenfassung des Berichts erstellt, die der taz vorliegt.
Probleme mit Rechtsextremismus habe es nur in einer von drei SEK-Einsatzgruppen gegeben, so die Schlussfolgerung der Kommission. Die Betroffenen hätten die „festgestellten rechtsextremistischen, insbesondere fremdenfeindlich geprägten Einstellungen und entsprechenden Fehlverhaltensweisen“ in die Polizei hereingetragen.
Mangelnde Aufmerksamkeit, fehlende Konsequenzen
Sie konnten demnach jahrelang agieren, weil es an Wissen und Sensibilität gefehlt habe. Die fraglichen Beamten, alle inzwischen aus dem SEK ausgeschieden, hätten zudem aufgrund ihres höheren Alters und der Bundeswehr-Vergangenheit die Meinungsführerschaft übernehmen können. Es habe „mangelnde Aufmerksamkeit und fehlende Konsequenz von Vorgesetzten auf allen Ebenen“ gegeben und auch „Defizite im Bereich der Fach- und Dienstaufsicht“.
Die Kommission sieht auch „Schwachstellen bei der Personalauswahl“, wenn es darum geht, extremistische Bewerber von der Polizei fernzuhalten. Kritisiert wird zudem die enge Zusammenarbeit mit dem Betreiber des Schießplatzes, auf dem das SEK trainierte. Da seien vergaberechtliche Richtlinien nicht eingehalten worden, und es sei problematisch, „dass einem privaten Betreiber ermöglicht wurde, genaue Einblicke in polizeiliche Interna zu erlangen“.
In einer Pressemitteilung zählt das Innenministerium die Konsequenzen auf, die Lorenz Caffier aus den Vorfällen bei seiner Polizei ziehen will. Die Spezialeinheiten sollen ab 2020 nicht mehr dem Landeskriminalamt zugeordnet sein, sondern der Bereitschaftspolizei. „Ich verspreche mir hiervon eine bessere Einbindung der Spezialeinheiten“, heißt es dazu in der Mitteilung von Caffiers Ministerium. Die Beamten sollten „so mehr mitgenommen und besser integriert werden“.
Wie diese Integration vonstattengehen soll, führte Caffier in eher groben Zügen weiter aus: So soll im Auswahlverfahren bei den Spezialeinheiten künftig wieder ein Psychologe dabei sein, es habe da jahrelang „personelle Engpässe“ gegeben.
Außerdem wünscht sich Caffiers Behörde mehr Frauen in der Polizei. Denn, so heißt es in der Mitteilung des Innenministeriums: „Ein höherer Frauenanteil könnte negativen, gruppendynamischen Prozessen, die in klassischen Männerberufen schnell entstehen, entgegenwirken.“
Aber können solche Maßnahmen wirklich etwas gegen rechtsextremes Gedankengut bei der Polizei bewirken?
Rechtsextreme Subkultur
So fand es das Kommissionsmitglied Manfred Murck, früher Verfassungsschutzchef in Hamburg, problematisch, dass das Verhalten der rechtsextremen Gruppe anderen Kollegen im SEK zwar aufgefallen sei, diese aber nichts unternommen hätten.
Murck sagte laut Nordkurier, dass man zwar gemerkt habe, dass dort Kollegen mit Büchern über die Wehrmacht hausieren gingen, aber niemand habe gesagt: „Die kommen aus der rechten Ecke und wir müssen aufpassen, was wir für Kollegen haben.“ Dabei habe es erste Hinweise auf die rechtsextreme Einstellung der Polizisten bereits 2009 gegeben, damals waren sie noch in der Ausbildung. Ein Teil dieser Hinweise sei auch an Vorgesetzte gegangen.
Murck sprach weiter von „einer richtigen kleinen Subkultur innerhalb einer polizeilichen Einheit“. Und das dritte Kommissionsmitglied Friedrich Eichele, früher Kommandeur der Spezialeinheit GSG9, sagte gar, es habe im Spezialeinsatzkommando keine Disziplinaraufsicht gegeben, weil die Führung der Einheit damit überfordert gewesen sei.
Neben der SEK-Kommission tagt in Mecklenburg-Vorpommern seit zwei Jahren auch eine von Innenminister Lorenz Caffier eingesetzte Kommission, die klären soll, wie gefährlich Prepper sind und wie viele es davon in dem Bundesland gibt. Einen Bericht hat die Prepper-Kommission trotz Ankündigung noch nicht vorgelegt. Wie die taz jüngst beschrieben hat, liegt das unter anderem daran, dass die Kommission bislang nicht viel herausfinden konnte. | 588 |
0 | Ich zuckte zusammen. Ich sah vier Männer beim Holzsuchen. Das hatte ich
nicht erwartet und hatte sie auch erst zu meiner Linken gesehen, als ich
sie gleichzeitig hörte. Sie waren etwa achtzig Yard entfernt, nur der
eine war näher. Wie konnte ich nur so tollpatschig sein. Das sollte mir
eine Lehre sein. | 589 |
0 | »Dir wird nichts geschehen, Herr«, sagte er still und wie zu sich selbst.
Ich weiß nicht, ob er bei solcher Zuversicht an Gottes Hilfe glaubte oder
an seine, gewiß ist, daß ich selten im Leben wieder durch eines Menschen
Nähe so glücklich geworden bin wie durch die seine. Durch nichts vermag ein
Mensch uns seine eigenen Kräfte besser zur Verfügung zu stellen, als indem
er die unseren glaubt. | 590 |
1 | Stromleitungen sind für die Energieversorgung unverzichtbar. Sie befördern Elektrizität von den Kraftwerken bis in Fabriken und Haushalte. Durch die Energiewende verschieben sich die Punkte, an denen Strom in das Netz eingespeist wird. Bisher kommt ein großer Teil aus Kohlekraftwerken im Ruhrgebiet und Kernkraftwerken in Süddeutschland. Durch die Energiewende werden Kernkraftwerke und fossile Erzeugungsanlagen aber zunehmend durch erneuerbare Energien abgelöst. Ein Großteil der Anlagen wird voraussichtlich in Norddeutschland fernab der Verbrauchsschwerpunkte entstehen. Den Strom müssen neue Leitungen in die industriellen Ballungsgebiete im Westen und Süden Deutschlands transportieren.
Netzausbau: "Flaschenhals der Energiewende“
Gegen neue Stromleitungen haben sich in den vergangenen Jahren allerdings zahlreiche Bürgerinitiativen gebildet, die sich an den Auswirkungen auf das Landschaftsbild stören und die Nachteile für ihre Gesundheit sowie einen Wertverlust ihrer Immobilien befürchten. Der stockende Netzausbau gilt als "Flaschenhals der Energiewende“. Die Bundesnetzagentur weist außerdem seit Jahren auf die Bedeutung neuer Stromleitungen für die Versorgungssicherheit hin. Die Netze seien durch die Vielzahl der zusätzlich zu erfüllenden Transportaufgaben am Rande ihrer Belastbarkeit, schrieb die Behörde im August 2011 in einem Bericht nach dem Abschalten der ersten acht Atomkraftwerke. Verschärfen wird sich die Situation mit dem endgültigen Atomausstieg im Jahr 2022. Die Politik steht also einerseits unter Zeitdruck. Andererseits muss sie die Interessen von Anwohnern entlang neuer Stromtrassen mit denen der restlichen Gesellschaft in Einklang bringen, wenn der Netzausbau und mit ihm die Energiewende gelingen sollen.
Politisch umstritten ist auch die Verteilung der neuen Erzeugungsanlagen im Bundesgebiet. Mehr Windräder in Süddeutschland könnten den Transportbedarf möglicherweise verringern, schreibt der Verbraucherzentrale Bundesverband in einer Stellungnahme vom Juli 2012.
Die Windenergie boomt in Norddeutschland vor allem deshalb, weil sie sich dort besonders kostengünstig produzieren lässt. Nach Zahlen des Deutschen Windenergie-Instituts waren im Juni 2012 in den Küstenländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 12.200 Megawatt (MW) installiert. Das entspricht 41 Prozent der gesamten deutschen Windenergieleistung von 30.000 MW. Weitere 28 Prozent der Kapazität konzentrieren sich in Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Die norddeutschen Bundesländer profitieren finanziell von neuen Anlagen und haben erklärt, den Ausbau der Windenergie weiter zu unterstützen und neue Flächen für Investoren auszuweisen.
Das Spezialschiff "Team Oman" verlegt ein Seekabel. Der Netzbetreiber TenneT ist für die Anbindung der Offshore-Windparks in der Nordsee an das Stromnetz verantwortlich. (© TenneT)
Politisches Ziel der Bundesregierung ist es, den Ausbau der Windenergie in Nord- und Ostsee zu fördern. Auf See weht der Wind am beständigsten und vor den Küsten stehen die Offshore-Windparks außer Sichtweite von Anwohnern. Laut Energiekonzept der Bundesregierung vom September 2010 sollen in der Nord- und Ostsee bis zum Jahr 2030 Offshore-Windparks mit einer Leistung von 25.000 MW entstehen. Mehr Windparks im Süden und weniger Offshore-Windparks im Norden würden möglicherweise einen geringeren Bedarf an Stromleitungen bedeuten. Die zusätzlichen Windräder in Süddeutschland würden aber mit hoher Wahrscheinlichkeit neue Proteste hervorrufen.
Einige Bürger und Umweltverbände beklagen, dass neue Stromleitungen nicht nur für erneuerbare Energien, sondern auch für klimaschädliche Kohlekraftwerke gebraucht würden. Tatsächlich planen oder bauen Energieversorger in Hamburg, Stade und Wilhelmshaven drei Steinkohlekraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 3.500 MW. Das entspricht etwa der Kapazität, die eine zusätzliche Höchstspannungstrasse transportieren kann.
Die Betreiber neuer fossiler Kraftwerke profitieren von Plänen der Europäischen Union. Interner Link: Sie will einen europaweiten Binnenmarkt für Energie schaffen, Strom soll also grenzüberschreitend übertragen und gehandelt werden können. Der Grundgedanke dabei ist, Kraftwerke dort zu bauen, wo die Stromproduktion für die europäischen Verbraucher am preiswertesten ist. Die Vernetzung soll zudem die Versorgungssicherheit erhöhen.
Bis 2022 müssen 20 Milliarden Euro in den Ausbau des Stromnetzes investiert werden
Um Fehlplanungen zu vermeiden, wird der erwartete Bedarf an neuen Leitungen für die Jahre 2022 und 2030 in Deutschland seit 2012 im Netzentwicklungsplan ermittelt. Erstellt wird er von den Betreibern des deutschen Übertragungsnetzes Interner Link: TenneT, Interner Link: Amprion, Interner Link: 50Hertz Transmission und Interner Link: TransnetBW.
Neue Stromautobahnen: Konzept für den Netzausbau bis 2022 (© dpa)
Der Netzentwicklungsplan wird von der Bundesnetzagentur überprüft und bestätigt. Sie achtet als neutrale Instanz auf einen möglichst preisgünstigen Ausbau des Stromnetzes. Die Kosten für Betrieb und Neubau tragen die Verbraucher über Netzentgelte. Im Jahr 2011 machten sie 20 Prozent des Strompreises aus. Die Netzbetreiber schätzen, dass der Ausbau des Übertragungsnetzes bis 2022 rund 20 Milliarden Euro kosten wird. Dafür wollen die Netzbetreiber 3.800 Kilometer Stromleitungen neu bauen und 4.400 Kilometer alte Leitungen durch leistungsfähigere Technik erneuern.
Nach einer Überprüfung bestätigte die Bundesnetzagentur im November 2012 jedoch nur einen Teil der geplanten Trassen. Statt 3.800 dürfen die Netzbetreiber nur 2.750 Kilometer neuer Leitungen errichten und statt 4.400 nur 3.000 Kilometer Leitungen ausbauen. Insgesamt hat die Bundesnetzagentur 36 Neu- und Ausbauvorhaben genehmigt. Für diese Projekte stellte die Bundesregierung im Dezember 2012 mit dem Entwurf für ein Bundesbedarfsplangesetz den vordringlichen Bedarf fest. Anfang 2013 soll der Bundestag das Gesetz verabschieden und damit die Weichen für Planung und Bau der Stromtrassen stellen.
Weitere 24 Projekte sind bereits in Bau. Sie stammen aus dem 2009 beschlossenen Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) und umfassen 970 Kilometer neuer Stromleitungen und Verstärkungen auf 870 Kilometer bestehender Trassen.
In der Bevölkerung regt sich Widerstand
Bürgerinitiativen werfen den Netzbetreibern vor, bei Ihren Plänen nicht alle Möglichkeiten zur Verstärkung des bestehenden Netzes auszuschöpfen. Verstärken lässt sich das System durch Hochtemperaturleiterseile, die mehr Strom transportieren können als herkömmliche Leitungen. Sie kosten jedoch ein Vielfaches gegenüber den Standardseilen. Ein Pilotprojekt startete im Dezember 2012 auf der besonders stark beanspruchten Verbindung zwischen dem thüringischen Remptendorf und dem bayerischen Redwitz. Der Netzbetreiber Interner Link: 50Hertz nahm dort ein 18 Kilometer langes Hochtemperaturleiterseil in Betrieb, das 17 Prozent mehr Strom transportieren kann als eine Standardleitung.
Ganz ohne neue Leiterseile können bestehende Leitungen mehr Strom transportieren, wenn sie durch Wind oder niedrige Temperaturen gekühlt werden. Die Netzbetreiber geben jedoch an, dass Temperaturmonitoring bereits einzusetzen, um den Stromdurchfluss bei geeignetem Wetter zu erhöhen. Die Verstärkung des Netzes stößt nach Angaben der Netzbetreiber zudem an ihre Grenzen, je länger die Transportstrecken werden. Bei langen Distanzen würden Stabilitätsparameter immer wichtiger, die nur neue Leitungen garantieren könnten.
Das deutsche Stromnetz: Netzebenen und Stromfluss (© Verband kommunaler Unternehmen, VKU )
Standard für Neubauten auf kürzerer und mittlerer Distanz sind 40 bis 60 Meter hohe und 22 bis 45 Meter breite Masten mit Stahl-Aluminium-Seilen, die Drehstrom mit einer Spannung von 380 Kilovolt (kV = tausend Volt) transportieren. Die Masten werden im Abstand von durchschnittlich 375 Meter aufgestellt. Inklusive der Randstreifen sind die Trassen 50 bis 70 Meter breit.
Für den bevorstehenden Transport großer Strommengen von Nord- nach Süddeutschland haben die Netzbetreiber im Netzentwicklungsplan 2012 für Deutschland erstmals den Einsatz von Freileitungen mit Gleichstrom vorgeschlagen. Die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) arbeitet auf Distanzen von mehreren hundert Kilometern verlustärmer und stabiler. HGÜ-Leitungen werden in großflächigen Staaten wie China und Russland für lange Übertragungswege von Punkt zu Punkt eingesetzt. Für den Einsatz einzelner HGÜ-Leitungen in einem Drehstromnetz gibt es aber bisher kaum Erfahrungen.
Die Netzbetreiber führen dagegen an, dass Drehstrom-Freileitungen in Deutschland seit über 60 Jahren erprobt seien. Viele Bürger stören sich allerdings an den Eingriffen in das Landschaftsbild. In den Trassen dürfen keine Bäume wachsen und an den Freileitungen verenden zahlreiche Vögel.
Stromleitungen erzeugen außerdem niederfrequente elektrische und magnetische Felder. Der Grenzwert liegt gemäß der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung bei einer magnetischen Flussdichte von 100 Mikrotesla (µT). Oberhalb des Grenzwerts sind Stimulationen des menschlichen Nervensystems und der Netzhaut nachgewiesen. Bei langfristiger Exposition unterhalb der Grenzwerte legen einzelne Studien laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) den Verdacht nahe, dass elektromagnetische Felder im Zusammenhang mit Leukämie bei Kindern sowie den Nervenkrankheiten ALS und Alzheimer stehen könnten. Dem BfS zufolge ist jedoch kein biologisch plausibler Wirkmechanismus bekannt.
Bürgerinitiativen fordern die Verlegung von unterirdischen Stromtrassen
Einige Bürgerinitiativen wollen in der Nähe ihrer Häuser komplett auf Freileitungen verzichten und fordern stattdessen im Erdboden verlegte Kabel. Auch bei Kabeln wird in Drehstrom- und Gleichstromübertragung unterschieden. Technisch ausgereift sind Drehstromkabel. Im Gegensatz zu Freileitungen werden Erdkabel nicht automatisch durch die Umgebungsluft gekühlt. Um ein Erwärmen und Austrocknen des Erdreiches zu verhindern, werden sie auf freier Fläche in Betonbetten in 1,70 Meter Tiefe verlegt. Weil Kabel bisher nicht in unbegrenzter Länge hergestellt werden können, müssen sie alle 600 bis 900 Meter durch drei Meter lange Muffenbauwerke miteinander verbunden werden. In regelmäßigen Abständen werden außerdem Blindleistungskompensationsanlagen errichtet. Die Kabeltrassen müssen auf einer Breite von 12 bis 25 Meter von tief wurzelnden Pflanzen freigehalten werden.
Erdkabel besitzen kein äußeres elektrisches Feld. Das magnetische Feld von Drehstrom-Kabeln ist höher als bei Freileitungen, allerdings nimmt die magnetische Feldstärke zu den Seiten hin schneller ab als bei Drehstrom-Freileitungen. Anhänger von Erdkabeln verweisen besonders auf die niedrigen magnetischen Belastungen durch Gleichstrom-Kabel. Das magnetische Feld der HGÜ-Variante ist nicht höher als das Erdmagnetfeld. An Land gibt es allerdings keine Langzeiterfahrungen mit HGÜ-Kabeln. Das längste der Welt liegt in Australien, es wurde 2002 in Betrieb genommen und ist 180 Kilometer lang.
Die Kosten für Erdkabel sind außerdem etwa vier Mal so hoch wie die für Freileitungen. HGÜ-Kabel sind wegen der Konverterstationen für den Anschluss an das Drehstromnetz auf Distanzen bis zu 50 Kilometer sogar neun Mal teurer als Freileitungen.
Der Bund erlaubt das Verlegen von Erdkabeln bisher nur in Ausnahmefällen. Von den 24 Projekten aus dem Energieleitungsausbaugesetz von 2009 dürfen nur auf vier Trassen Erdkabel verlegt werden und auch dort nur auf kleinen Teilabschnitten unter engen Bedingungen. Die Genehmigungsbehörden können die Netzbetreiber für diese vier Trassen verpflichten, Erdkabel zu wählen, wenn die Leitungsabschnitte in geringeren Abständen als 400 Meter - beziehungsweise 200 Meter im Außenbereich von Siedlungen - zu Wohngebäuden verlaufen. Im Bundesbedarfsplangesetz von 2012/2013 hat die Bundesregierung nur für zwei von 36 Stromtrassen eine teilweise Erdverkabelung vorgesehen.
Die Öffentlichkeit soll bei der Planung neuer Stromtrassen beteiligt werden
Regelzonen deutscher Übertragungsnetzbetreiber (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Um die Akzeptanz der Bevölkerung zu gewinnen, hat der Bundestag im Juni 2012 die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger ausgeweitet. Zum Netzentwicklungsplan und dem dazugehörigen Szenariorahmen, den die Netzbetreiber jährlich erstellen, wird die Öffentlichkeit drei Mal konsultiert. Weil der Netzentwicklungsplan nur die Start- und Endpunkte der Trassen und noch nicht den genauen Verlauf der Leitungen enthält, beziehen sich die Stellungnahmen auf dieser Stufe noch auf eher allgemeine Ziele der Energiepolitik. Beispiele sind die Senkung des Stromverbrauchs, die Menge an neuen fossilen Kraftwerken oder die räumliche Verteilung von erneuerbaren Energien im Bundesgebiet.
Wo genau die neuen Stromtrassen verlaufen, regeln nach Verabschiedung des Bundesbedarfsplans die Planungsbehörden. Für länderübergreifende Leitungen ist die Bundesnetzagentur zuständig, für kürzere Trassen das jeweilige Bundesland. Im Rahmen der Bundesfachplanung (Bundesnetzagentur) oder der Raumordnungsverfahren (Länder) legen die Behörden zunächst Trassenkorridore von 500 bis 1.000 Meter Breite fest. Hierbei kann die Öffentlichkeit Stellungnahmen zum Verlauf der Trassen abgeben.
Die genauen Standorte und die zu verwendende Technik regeln die Behörden im Planfeststellungsverfahren. In diesem Verfahrensschritt können Anwohner zum letzten Mal Stellungnahmen abgeben. Gegen den Planfeststellungsbeschluss ist eine Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht möglich.
Für jeden der drei Verfahrensschritte – Netzentwicklungsplan, Bundesfachplanung, Planfeststellung – führen die Behörden außerdem eine Strategische Umweltprüfung beziehungsweise eine Umweltverträglichkeitsprüfung durch. Bei diesen Verfahren können Anwohner ihre Bedenken zu den Auswirkungen der Stromleitungen auf die menschliche Gesundheit, das Landschaftsbild und die Tier- und Pflanzenwelt zum Ausdruck bringen.
Um Anwohner für den Netzausbau zu gewinnen, hat Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) im September 2012 auch finanzielle Anreize zur Diskussion gestellt. Bürger sollen die Gelegenheit erhalten, sich mit bis zu fünf Milliarden Euro an den Baukosten zu beteiligen. Als sogenannte Bürgerdividende würden sie eine Verzinsung von fünf Prozent erhalten.
Weitere Informationen:
Informationen der Bundesnetzagentur zum Netzausbau und zur öffentlichen Konsultation: Externer Link: www.netzausbau.de Seite der Übertragungsnetzbetreiber zum Netzentwicklungsplan: Externer Link: www.netzentwicklungsplan.de Überblicksinformationen des Landes Niedersachsen zur Technik von Stromleitungen und zu Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt: Externer Link: www.netzentwicklungsplan.de Ausführliche Studie des Bundesumweltministeriums zum Stand der Technik von Freileitungen und Erdkabeln und zu Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt:Externer Link: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:104-2012eb1370 Informationen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) zu elektromagnetischen Feldern: Externer Link: http://www.bfs.de/de/elektro/netzausbau Forum Netzintegration der Deutschen Umwelthilfe (DUH) mit Links zu Bürgerinitiativen:Externer Link: http://www.forum-netzintegration.de
Das Spezialschiff "Team Oman" verlegt ein Seekabel. Der Netzbetreiber TenneT ist für die Anbindung der Offshore-Windparks in der Nordsee an das Stromnetz verantwortlich. (© TenneT)
Neue Stromautobahnen: Konzept für den Netzausbau bis 2022 (© dpa)
Das deutsche Stromnetz: Netzebenen und Stromfluss (© Verband kommunaler Unternehmen, VKU )
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1 | Sehr geehrte Damen und Herren,
wir möchten Sie herzlich einladen zur Eröffnung der Ausstellung "Was glaubst du denn?! Muslime in Deutschland" am 8. April 2014 um 11:30 Uhr im FEZ-Berlin, Konzertsaal 1, Straße zum FEZ 2, 12459 Berlin.
Die Wanderausstellung wird von Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb eröffnet. Sie richtet sich vorrangig an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I. An ihren Sehgewohnheiten orientiert sich die ungewöhnliche Präsentation mit Videoporträts, Comics, Animationsfilmen, und interaktiven Stationen.
Die Ausstellung ist in drei Abteilungen gegliedert: Im ersten Teil "Menschen" stellen sich Musliminnen und Muslime vor. Portraits der Künstlerin Seren Başoğul sowie Videoclips und Comics konfrontieren die Betrachter mit möglichen Vorurteilen und regen zur Reflexion an. Der Teil "Wissen" informiert mit Animationsfilmen und interaktiven Installationen über die Vielfalt islamischer Positionen und setzt sich mit Muslimfeindlichkeit und islamistischem Extremismus auseinander. An einer interaktiven Geschichtswand können Besucher ihre Perspektiven auf die jüngere Geschichte diskutieren und hinterlassen. Comics der Zeichnerin tuffix (Soufeina Hamed) illustrieren im dritten Teil die "Vorstellungen", die wir uns voneinander machen und werfen die Frage nach alternativen Begegnungen auf.
Weitere Informationen auf der Webseite Externer Link: www.wasglaubstdudenn.de
Die Ausstellung wird für zwei Jahre deutschlandweit auf Tour sein. Nach der Ausstellungseröffnung in Berlin und Standorten in Bonn, Köln, Kiel, Münster, Hamburg und Lingen, kehrt sie nun in die Hauptstadt zurück. Angeregt durch das Bundesministerium des Innern spiegelt sie auch Themen und Debatten wider, die im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz diskutiert wurden.
Wir bitten um Anmeldung zur Ausstellungseröffnung bei Marion Gusella, Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit FEZ-Berlin, per Fax unter 030/53071-218, oder E-Mail: [email protected].
Hintergrundinformationen zu den Beteiligten, den Inhalten und dem Konzept der Ausstellung finden Sie unter: Externer Link: www.wasglaubstdudenn.de
Videos zur Ausstellung "Was glaubst du denn!?" unter Externer Link: http://www.wasglaubstdudenn.de/ausstellung/142358/filme-zur-ausstellung
Interner Link: Pressemitteilung als PDF. Pressekontakt bpb: Bundeszentrale für politische Bildung Daniel Kraft Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel: +49 (0)228 99515-200 E-Mail Link: [email protected] Externer Link: www.bpb.de/presse | 592 |
0 | Langsam rumpelte das schwerfällige Geschirr indessen, jetzt fast bei
jedem Stoß von den Flüchen und Verwünschungen der ungeduldig werdenden
Passagiere begleitet, durch die wilde stürmische Nacht. Der Wind heulte
in den Bäumen, und der Regen schlug mit einer solchen Gewalt gegen die
niedergelassenen Schutzleder an, daß selbst die Bereitwilligsten von
heute den Kopf bedenklich über die Möglichkeit eines nochmaligen
Aussteigens schüttelten. Wider Erwarten ging die Kutsche aber, jetzt
auf besserem Wege, rasch und lebendig, dann wieder in weicheren Boden
gerathend, langsam und schwer vorwärts, aber doch wenigstens vorwärts;
der Wald war hier weit offener als an den Stellen, die sie am Abend
passirt, und der Weg von Holz fast gänzlich frei. | 593 |
0 | Verleihung der Academy Awards: Milde Worte und eine Riesenpanne
Ein Drama über einen homosexuellen Schwarzen gewinnt den Oscar als bester Film. Die große Breitseite gegen Trump bleibt bei der Verleihung aus.
Oscars of Colour: „Moonlight“-Regisseur Barry Jenkins und seine Filmcrew feiern auf der Bühne Foto: ap
„Shit“ oder „Fuck“ sagte niemand. Denn Kraftausdrücke wurden nach alter US-Zensurtradition herausgebeept, sogar die in Filmausschnitten vorkommenden.
Dabei gibt es doch so verdammt viele Gründe, die Awards zu verwünschen – oder besser die Umstände, unter denen das Land durch eine fatale politische Entscheidung ächzt. Politisch sollte sie werden, die 89. Oscar-Verleihung, moderiert von einem der losesten Mundwerke der TV-Unterhaltung, Jimmy Kimmel, und mit Veränderungen im Vorfeld, die hoffnungsfroh stimmten: Die Präsidentin der American Academy, Cheryl Boone Isaac, hatte kurzfristig 680 neue Mitglieder berufen, die für mehr Diversität in den Reihen der Akademie sorgen, und den alten weißen Heteromännern ein für allemal den Garaus machen sollten.
Was die Nominierungen betrifft, gab es nicht viel zu meckern: Viele „people of colour“ in den Reihen der FilmemacherInnen und SchauspielerInnen, die den Rassismus in ihren Werken thematisch abhandelten („Fences“, „Hidden Figures“, „Moonlight“) – aber eben auch ein Musical, das gekonnt vor allem das „klassische Hollywood“ und damit den traditionellen Unterhaltungs-Eskapismus inklusive Love Story feierte: „La La Land“ von Regisseur Damien Chazelle.
Die Show selbst feuerte zwar einige gemäßigte Verbalspitzen in Richtung Trump – vor allem durch ihren unverzagten Moderator, der in seinem zweiten Satz etwa schon die internationalen ZuschauerInnen erwähnte, „die uns jetzt alle hassen“. Doch deutlich ätzen wollten nur wenige – darunter Laudator Gael Garcia Bernal, der sich als Mexikaner klar gegen die Mauerpläne der US-Regierung aussprach.
Die PreisträgerInnen waren etwas eindeutiger: Asghar Farhadis Film „The Salesman“, gegen den der deutsche Beitrag „Toni Erdmann“ in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ den Kürzeren zog, wurde von der iranischstämmigen Unternehmerin Anousheh Ansari entgegengenommen. Sie las ein Statement Farhadis vor, in dem er sein Nicht-Erscheinen mit „Achtung für mein Volk und die Einwohner der anderen sechs Länder, die vom unmenschlichen, respektlosen US-Gesetz gegen die Einwanderung von Immigranten betroffen sind“ erklärte.
Die weiteren SiegerBeste Nebendarstellerin: Viola Davis („Fences“), Beste Nebendarstellerin: „Zootopia“ von Byron Howard, Rich Moore and Clark Spencer, Bestes adaptiertes Drehbuch: "Moonlight", Beste Kamera: Linus Sandgren („La La Land“), Bester Ton: „Hacksaw Ridge“, Bester Tonschnitt: „Arrival“ , Bester Soundtrack: „La La Land“, Bester Filmsong: „City of Stars“ aus „La La Land“ von Justin Hurwitz, Bestes Produktionsdesign: „La La Land“, Bestes Kostüm: Colleen Atwood, „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“, Bester Dokumentarfilm: „O.J.: Made in America“ (Ezra Edelman and Caroline Waterlow), Bester Kurzdokumentarfilm: „The White Helmets“ (Orlando von Einsiedel und Joanna Natasegara), Bester Schnitt: „Hacksaw Ridge“, Beste Maske: „Suicide Squad“, Bester Animationskurzfilm: „Piper“, Bester Realkurzfilm: „Sing“ von Kriestof Deak und Anna Udvardy, Beste Visualeffekte: „The Jungle Book“
„La La Land“ gewann am Ende sechs Auszeichnungen, unter anderem für die beste Hauptdarstellerin (Emma Stone), Kamera und Regie, aber weniger als bei 14 Nominierungen erhofft. „Bester Hauptdarsteller“ wurde nicht Ryan Gosling, sondern Casey Affleck für „Manchester-by-the-sea“, und auch der Oscar für das beste Original-Drehbuch ging an das Drama.
Der größte Patzer passierte in der Kategorie „Bester Film“. Warren Beatty, der – anscheinend ausgestattet mit einem notariell beglaubigten falschen Umschlag (!) – rief fälschlicherweise „La La Land“ zum Sieger aus – ein Fehler, der sich erst klärte, nachdem Cast und Crew bereits auf der Bühne jubelten, und dann schnell Platz für die Filmcrew von „Moonlight“ machen mussten. Die konnte ihr Glück kaum fassen: Ein berührender Film über einen homosexuellen Schwarzen im Drogenmilieu, der zudem noch die Preis für den besten Nebendarsteller (Mahershala Ali) und das beste adaptierte Drehbuch gewann. Mal sehen, was Trump dazu twittert. | 594 |
1 | Deutschland Archiv: Ein Vorwort zum Beitrag von Daniel Rafecas
Am 24. März 1976 fand der Militärputsch in Argentinien statt, der den früheren Junta-Chef Jorge Rafael Videla als Staatspräsident an die Spitze des Staates brachte. Diese Militärdiktatur hatte das lateinamerikanische Land bis 1983 im Griff. Das Regime war geprägt durch die systematische Verfolgung und Ermordung von politisch Oppositionellen. Es wurden Geheimgefängnisse, in denen gefoltert wurde, eingerichtet und Tausende wurden umgebracht oder „verschwanden“.
Elisabeth Käsemann, Opfer des argentinischen Staatsterrors
Eines der Opfer der Militärdiktatur war die deutsche Studentin Externer Link: Elisabeth Käsemann (Link zur Vita der Käsemann Stiftung). Sie wurde 1977 wegen ihres politischen und sozialen Engagements von der argentinischen Militärdiktatur nach wochenlanger Folter ermordet. Nach der Überführung ihres Leichnams nach Deutschland und der Obduktion leitete die Staatsanwaltschaft Tübingen 1977 ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes gegen Unbekannt ein. Das Verfahren wurde jedoch wenig später von den deutschen Behörden mit der Begründung eingestellt, die argentinische Militärdiktatur lehne eine Kooperation bei den Ermittlungen ab.
Erst spät werden Täter zur Rechenschaft gezogen
Ende der 1990er Jahre, 15 Jahre nach Ende der Militärdiktatur, nahmen der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel, deutsch-argentinische Opfer und Opferangehörige Kontakt zu deutschen Menschenrechtsorganisationen auf. Ihr Ziel war es, die Strafverfolgung argentinischer Täter vom Ausland aus zu erwirken, da in Argentinien eine weitgehende Amnestie für die Täter bestand. Im Jahr 2003 stellte der deutsche Staatsanwalt Walter Grandpair internationale Haftbefehle gegen hochrangige argentinische Militärangehörige und den ehemaligen Junta-Chef und Staatspräsidenten Jorge Rafael Videla aus und beantragte ihre Auslieferung nach Deutschland. Die ehemalige deutsche Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) unterstützte und begleitete diese Entwicklung.
Da die argentinische Justiz nach Aufhebung der Amnestiegesetze beanspruchte, die Täter im eigenen Land zur Verantwortung zu ziehen, lehnte Argentinien die Auslieferung der Tatverdächtigen nach Deutschland ab. Der Untersuchungsrichter Dr. Daniel Rafecas nahm die Ermittlungen im Fall Käsemann auf. Im Jahr 2010 wurde die Hauptverhandlung wegen der Menschenrechtsvergehen im geheimen Haftlager El Vesubio eröffnet, in deren Verlauf auch der Fall Käsemann verhandelt wurde. Die Bundesrepublik Deutschland trat als Nebenklägerin auf.
Im Jahr 2011 wurden die Angeklagten zu langjährigen oder lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Im Verfahren gegen Jorge Rafael Videla, unter anderem wegen der Ermordung Elisabeth Käsemanns, dem sich Angehörige der Familie Käsemann als Nebenkläger anschlossen, konnte das Urteil nicht gesprochen werden, da der Angeklagte vor dem Urteilsspruch im Mai 2013 starb.
Im Jahr 2014 wurde die Elisabeth Käsemann Stiftung gegründet. Sie engagiert sich in der kritischen Auseinandersetzung mit autoritärer und konfliktärer Vergangenheit und ihren Folgen für Gesellschaften in Lateinamerika, Spanien und Deutschland. Die Stiftung widmet sich der Erinnerung an die Opfer von staatlichen Menschenrechtsverletzungen und fördert die demokratische Kultur im internationalen Dialog zum Schutz der Menschenrechte. Sie unterstützt Projekte zur Aufarbeitung staatlicher Menschenrechtsverletzungen in Lateinamerika und Europa. Die Elisabeth Käsemann Stiftung hält regelmäßig Symposien ab, die sich mit der Vergangenheitsaufarbeitung als juristisches und gesamtgesellschaftliches Thema von internationaler Bedeutung befassen. Dabei werden auch die anhaltende Aufarbeitung der Verbrechen der Nationalsozialisten sowie die Anstrengungen in Argentinien, die Verbrechen der Militärdiktatur aufzuklären, diskutiert. Hieran ist auch der Untersuchungsrichter Dr. Daniel Rafecas beteiligt.
Rafecas: Das Schweigen in Argentinien brechen, Verbrechen ahnden
Der argentinische Bundesrichter Dr. Daniel Rafecas engagiert sich für die Aufarbeitung des argentinischen Staatsterrors zwischen 1976 und 1983. (© Daniel Rafecas (privat))
Argentinien hat in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten viel Aufmerksamkeit für einen außerordentlichen Prozess der Strafverfolgung erfahren. Im Zentrum standen und stehen dabei jene, die auf verschiedenen Ebenen für massive staatliche Verbrechen der Diktatur von 1976 bis 1983 verantwortlich waren und deren Machtübernahme sich nun zum 43. Mal jährt. In den Jahrzehnten nach der Gründung der argentinischen Republik im Jahr 1810 herrschten wirtschaftliche, politische, militärische und religiöse Eliten. Sie verfolgten die Interessen einer privilegierten gesellschaftlichen Gruppe unter Ausschluss der übrigen Bevölkerung – ungeachtet der Tatsache, dass 1853 eine freiheitliche Verfassung verabschiedet worden war. Diesen Gesellschaftsentwurf prägten insbesondere das Militär und die reaktionärsten Vertreter der katholischen Kirche („Kreuz und Schwert“). Ihre Macht sahen sie mit dem ideologischen Erstarken von Kommunismus, Sozialismus und Anarchismus bedroht, dessen Ideologien mit den Millionen europäischer Einwanderer in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts – unter ihnen vor allem Spanier, Italiener und Deutsche – das Land erreichten und zunehmend an Einfluss gewannen.
Der Vormarsch linker Ideologien und demokratischer Parteien bedrohte das Vorhaben, Argentinien zu einem Land der Privilegien zu gestalten, von denen die Mehrheit der Bevölkerung ausgeschlossen war. Infolgedessen kam es im vergangenen Jahrhundert in den Jahren 1930, 1943, 1955, 1962, 1966 und 1976 wiederholt zu Staatsstreichen, die demokratisch gewählte Regierungen stürzten und an ihre Stelle autoritäre Regime installierten. Im Argentinien des 20. Jahrhunderts regierten also mehr Diktaturen als Demokratien. Die politischen Verhältnisse führten zudem dazu, dass Lateinamerika während des Kalten Krieges nach 1945 von allen Seiten als eine Art „Einsatzgebiet“ betrachtet wurde, in dem sich die beiden antagonistischen Weltanschauungen – die kapitalistische und die sozialistische – gegenüberstanden. Somit sah sich das Land in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts selbst Diskursen und Praktiken ausgesetzt, die die globalen ideologischen Spannungen dieser Zeit widerspiegelten.
In diesem Kontext entwickelten argentinische Parteien in den 1960er und 1970er Jahren Widerstandsstrategien, die die Interessen der benachteiligten Mehrheiten vertraten und die während der aufeinanderfolgenden Diktaturen hart verfolgt und unterdrückt wurden. Gegen diese Parteien und deren – mitunter auch bewaffnete – Organisationen gingen die wechselnden argentinischen Diktaturen mit aller Härte vor. Sie verbannten deren Mitglieder, schufen spezifische neue Delikte im Strafrecht, etablierten Sonderstrafgerichte und führten die Todesstrafe wieder ein. Dessen ungeachtet breiteten sich linke Organisationen weiter im Land aus. Am 24. März 1976, als das letzte Militärregime – angeführt von Diktator Jorge Rafael Videla sowie den Militärs Emilio Massera und Orlando Agosti – die Macht ergriff, begannen diese mit der „Ausrottung der Subversion“. Ihr Plan sah die systematische physische Vernichtung aller Mitglieder linker militanter Organisationen vor sowie all jener, die diese aus dem gewerkschaftlichen, universitären, politischen und religiösen Bereich unterstützten. Ihr Ziel bestand darin, dauerhaft einen autoritären, antiliberalen und antidemokratischen Staat zu errichten.
1976-1983: Staatlicher Terror in Argentinien
Heute, dreiundvierzig Jahre nach dem Putsch von 1976, wissen wir, dass dieser mörderische Plan mit außerordentlicher Effizienz umgesetzt wurde. Das Militär – das Heer, Marine und Luftwaffe umfasst – sowie alle Sicherheitsbehörden und Geheimdienste wurden unter dem Kommando des Heeres in die Struktur eines einzigen gigantischen Machtapparats zusammengefügt, der von nun an in der Illegalität operierte.
Zudem wurde das Land in fünf Operationszonen unterteilt, die wiederum in Unterzonen und Einsatzgebiete aufgeteilt wurden, die jeweils in der Verantwortung der Oberkommandierenden der drei Streitkräfte standen. Darüber hinaus wurden landesweit in allen größeren Städten geheime Zentren eingerichtet. Sie dienten den sogenannten Einsatzgruppen als Basis, in denen diese ihre Opfer ermordeten oder folterten, um so an Informationen über linkspolitische Netzwerke und Aktivitäten zu gelangen. Etwa 500 dieser Terrorzentren soll es zwischen 1976 und 1977 schätzungsweise gegeben haben; in den größten von ihnen – die „Escuela de Mecánica de la Armada“ (ESMA) in Buenos Aires und „La Perla“ in Córdoba – waren zeitgleich bis zu 300 Menschen inhaftiert.
In diesen geheimen Haftzentren herrschte ein System totaler Entmenschlichung. Aus Individuen wurden Nummern, ähnlich wie in nationalsozialistischen Konzentrationslagern; und die meisten Gefangenen wurden nach der Folter ihrem finalen Schicksal zugeführt: ihrer Ermordung. Entweder wurden sie nach ihrer Hinrichtung in Massengräbern verscharrt bzw. verbrannt oder sie wurden in den sogenannten Todesflügen halb bewusstlos ins Meer geworfen, wodurch sie zu „Desaparecidos“ (Verschwundenen) wurden.
Schätzungsweise 30.000 Menschen wurden damals entführt oder „verschwanden“ spurlos; die meisten von ihnen – ihre Zahl ist heute nur noch schwer zu ermitteln – sind vermutlich ermordet worden. Nur ein kleiner Teil schaffte es, dem mörderischen System zu entkommen und zu überleben.
Unter den Inhaftierten befanden sich auch zahlreiche Frauen. Sie wurden häufig in der Gefangenschaft durch männliche Täter missbraucht. Viele der Frauen waren zum Zeitpunkt ihrer Entführung zudem entweder schwanger oder Mütter kleiner Kinder. Auch für diese Fälle verfolgte die Diktatur einen grausamen Plan: Mehr als 500 Kinder und Babys wurden ihren Müttern rechtswidrig weggenommen und an Angehörige der Streitkräfte oder deren Verwandte übergeben. Das Eigentum aller Opfer galt dem Regime als „Kriegsbeute“ und wurde systematisch geplündert. Unternehmensanteile wurden an Personen überschrieben, die dem Regime gegenüber loyal waren. Gewerkschaftsorganisationen und -vertreter hingegen wurden in Hunderten von Fabriken und öffentlichen Einrichtungen drangsaliert, verfolgt und ermordet.
Der Druck der internationalen Gemeinschaft
Zu Recht gelten diese Jahre der letzten Diktatur als das dunkelste und tragischste Kapitel in der jüngeren argentinischen Geschichte. Im Jahr 1985 – zwei Jahre nach dem Ende der Diktatur – fand während der Amtszeit von Präsident Raúl Alfonsín vor der Bundeskammer in Buenos Aires ein beachtenswertes Gerichtsverfahren gegen die Militärführung statt. Damals wurde nicht nur ein Dutzend Oberbefehlshaber zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt, sondern es wurde auch die Erwartung geweckt, dass damit zugleich ein heilender Prozess eingeleitet würde, der Tausende von Tätern und Mittätern zur Rechenschaft ziehen würde.
Doch dem war nicht so. Das Militär beendete die rechtsstaatliche Aufarbeitung, indem es mit einem neuen Staatsstreich drohte. Die damalige politische Klasse kapitulierte mit der Verabschiedung einer Reihe von Gesetzen, die den Tätern Straflosigkeit gewährten. Diese fatale Entwicklung fand ihren Abschluss, als Präsident Carlos Menem 1989 die wenigen Militärs begnadigte, die zuvor überhaupt verurteilt worden waren.
In der Zeit der Straflosigkeit und des Vergessens, die von 1986 bis 2001 andauerte, hatten die Opferverbände und Menschenrechtsorganisationen keine andere Wahl, als die internationale Strafverfolgung in Anspruch zu nehmen, um so Wahrheit und Gerechtigkeit anzustreben. In Madrid, Rom, Nürnberg, Paris und vielen anderen Teilen der Welt wurden daraufhin im Falle europäischer Opfer der argentinischen Militärdiktatur Ermittlungsverfahren eingeleitet. Diese Prozesse übten zweifelsohne einen enormen Druck auf weite Teile der argentinischen Gesellschaft aus. Doch noch immer ließ Argentinien keine Aufarbeitung der Vergangenheit zu, um nicht die Verantwortung für das Geschehene übernehmen zu müssen. Stattdessen verbreiteten interessierte Kreise in jenen Jahren das Narrativ, dass in den 1970er und 1980er Jahren ein „schmutziger Krieg“ stattgefunden habe, in dem „zwei Dämonen“ einen Kampf ausgetragen hätten, und dass es nun notwendig sei, die „Seite umzublättern“, „nach vorne zu schauen“ und „die Argentinier zu versöhnen“.
2001: Der Fall „Simón“ als Trendwende
Allerdings verhinderte dies der internationale Druck. Im Jahr 2001 erhielt der Damm der Straflosigkeit dann auch innerhalb Argentiniens erste Risse: Ein Bundesrichter nahm damals – entgegen der üblichen Handhabung – den Fall „Simón“ wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wieder auf und verhaftete einen der zahlreichen Folterer des Diktaturregimes. Es war ebendieser Fall des Angeklagten Julio Simón, der vier Jahre später vor den Obersten Gerichtshof gelangte und einen Kurswechsel in Argentinien herbeiführte.
Dabei schloss sich der Gerichtshof der internationalen Gemeinschaft an und sendete so eine klare Botschaft ins ganze Land aus: Damit Recht auch Gerechtigkeit schaffen kann, müssen die rechtlichen Hindernisse, Verbrechen gegen die Menschlichkeit als solche zu ahnden, konsequent beseitigt werden. In den darauffolgenden 14 Jahren hat die argentinische Justiz im Zuge einer bemerkenswerten Entwicklung zahlreiche Ermittlungen in allen Großstädten des Landes eingeleitet oder wiederaufgenommen. Bislang kam es zu 750 Verurteilungen, 800 weitere laufende Verfahren steuern auf ein Urteil zu. In meiner Funktion als Bundesrichter habe ich persönlich in diesem Zeitraum rund 200 Personen festnehmen lassen und Gerichtsverfahren gegen sie in die Wege geleitet. Mehr als die Hälfte dieser Prozesse führte zu einer Verurteilung.
Die Strafverfahren zeichneten sich dadurch aus, dass sie von verfassungsgemäßen Amtsrichtern durchgeführt wurden. Sie haben folgerichtig das zum Zeitpunkt der Tat gültige Strafrecht wie auch das Verfahrensrecht konsequent angewandt, das die Unschuldsvermutung, das Recht auf Verteidigung und die Möglichkeit zur Anrufung einer zweiten Instanz vorsieht. Aufgrund dieser auf rechtsstaatlichen Prinzipien basierenden Verfahren wurden 300 Beschuldigte mangels Beweisen oder ähnlicher Begründungen freigesprochen. Die überwiegende Mehrheit der Angeklagten wurde aufgrund des „unrechtmäßigen Freiheitsentzuges“ und der „Folterung“ schuldig gesprochen. Verurteilungen wegen Mordes bildeten aufgrund unzureichender Beweise die Ausnahme.
All diese Verfahren trugen dazu bei, die historischen Ereignisse der letzten Diktatur aufzuarbeiten, und förderten zugleich die Erinnerungspolitik in Bildungseinrichtungen, in den Medien und in der Kunst. Zwar fällt zum jetzigen Zeitpunkt eine endgültige Bilanz schwer – es käme dem Versuch gleich, einen Film zu bewerten, dessen Ende noch nicht bekannt ist. Und doch lässt sich das bislang Erreichte bereits jenem gegenüberstellen, was verfehlt wurde.
Der Pakt des Schweigens
Beginnen wir mit dem, was auf der Soll-Seite steht: Die schiere Zahl der umfangreichen Prozesse stellt die argentinische Judikative zweifelsohne vor gewaltige Herausforderungen. Mühsam mussten zahlreiche strukturelle Widerstände überwunden werden, um insbesondere im Bereich der zivilen Mittäterschaft Fortschritte zu erzielen. Und immer noch tappen wir bei der Aufarbeitung der letzten Phase des „Kampfes gegen die Subversion“, der Vernichtungsphase, die von der Diktatur betrieben wurde, weitgehend im Dunkeln. Nach juristischen Maßstäben kennen wir auch heute weder die Täter noch den genauen Tathergang bei einer großen Zahl von ermordeten oder verschwundenen Menschen. Es ist der Justiz, so bleibt leider festzuhalten, nach fast vier Jahrzehnten nicht gelungen, den Pakt des Schweigens aufzubrechen, der zwischen den damaligen Tätern noch immer besteht.
Ebenfalls enttäuschend ist die hohe Zahl der unaufgeklärten und ungesühnten Fälle von Kindesentführungen. Noch immer gibt es rund 400 Menschen, deren wahre Identität unbekannt ist. Und noch immer sind viele Familien, Großmütter, Väter und Mütter sowie Schwestern auf der verzweifelten Suche nach ihren Kindern und Angehörigen.
Dennoch darf all dies nicht das bislang Erreichte überdecken. Seitdem die Bundeskammer der Stadt Buenos Aires 2003 im Fall „Poblete/Hlazuk“ die Verfassungswidrigkeit der Straffreiheitsgesetze bestätigte, haben sich die Prozesse wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit deutlich ausgeweitet – von Süden (Rawson, General Roca, Neuquén) nach Norden (Salta, Jujuy, Formosa, Misiones) und von Osten (Mar del Plata, La Plata) nach Westen (Mendoza, San Juán, La Rioja). Gleichzeitig erhielten zehntausende Leidtragende des argentinische Staatsterrorismus Recht. Sie sind heute anerkannte Opfer von Entführungen, Folterungen, Vergewaltigungen, gewaltsamem Verschwinden, von Mord, Plünderungen, Zwangsexil und Enteignung. Es ist ein bedeutender Meilenstein der jüngeren argentinischen Geschichte, dass diese Verbrechen sichtbar gemacht wurden, Opfer und Opferorganisationen Wiedergutmachung erfuhren und Gerechtigkeit wie auch Wahrheit hergestellt wurden.
In den vergangenen 15 Jahren haben wir erreicht, dass aus dem ersten Angeklagten, Julio Simón, rund 1500 Angeklagte wurden, von denen die Hälfte bislang verurteilt wurde. Die Einrichtung der unabhängigen „Comisión Interpoderes“, die am argentinischen Obersten Gerichtshof angesiedelt ist, sowie eines staatlichen Menschenrechtsbüros stellen ebenso wichtige Fortschritte dar.
Und es bedeutet auch einen Fortschritt, dass die Opfer von damals den verurteilten Tätern heute nicht mehr auf der Straße begegnen, sondern diese ihren gesellschaftlichen Status verloren haben. Denn auch in den Jahren nach der Diktatur waren viele Täter aufgestiegen. Gewiss, viele der damaligen Täter lebten als gewöhnliche Kriminelle, die sich weiterhin an Entführungen und Erpressungen beteiligten, oder sie boten ihre Fähigkeiten als Berater oder Söldner für „konterrevolutionäre“ Kämpfe in anderen Teilen des lateinamerikanischen Kontinents an. Viele andere aber bekleideten nach der Diktatur hohe Posten in der Gendarmerie oder in der Armee; wieder andere waren an der Gesetzgebung beteiligt, wurden Bürgermeister oder gar Gouverneur; einige besetzten sogar die Posten von Richtern, Staatsanwälten und Abgeordneten oder sie wirkten als Journalisten, Unternehmer und Sicherheitsexperten.
Der Prozess, der diesen Personen etliche Jahre nach dem Ende der Diktatur gemacht wurde, erfolgte stets unter vollständiger Beachtung der verfassungsmäßigen Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren – und zwar sowohl in strafrechtlicher (Grundsatz der Rechtmäßigkeit und Schuld) als auch in prozessualer Hinsicht (Grundsatz der Unschuld, Verteidigung vor Gericht und in zweiter Instanz). Und trotz vieler Parallelen heben sich die Gerichtsverfahren deutlich von den Präzedenzfällen der NS-Prozesse in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ab. Denn in Argentinien bewerten die Opfer wie auch die Gesellschaft als Ganzes die verhängten Urteile als weitgehend angemessen angesichts der Schwere und des Ausmaßes der begangenen Verbrechen.
Auf diese Weise haben die Verfahren der vergangenen Jahre zu einem Prozess der Erinnerung, der Wahrheit und der Gerechtigkeit geführt. Und sie haben damit zugleich maßgeblich dazu beigetragen, dass die autoritäre Kultur, die im Laufe des 20. Jahrhunderts tiefe Wurzeln in unserem Land geschlagen hat, heute in breiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt wird und stattdessen im Gegenzug demokratische Werte erheblich gefestigt wurden.
Der Beitrag ist zunächst in der Ausgabe 8/2019 der „Blätter für deutsche und internationale Politik“ erschienen. Die Übersetzung erfolgte in der Elisabeth Käsemann Stiftung.
Zitierweise: "Schweigen brechen und Straftaten aufklären", Daniel Rafecas, in: Deutschland Archiv, 2.9.2019, Link: www.bpb.de/296014
Lesen Sie auch: Interner Link: Wahrheit und Gerechtigkeit
Der argentinische Bundesrichter Dr. Daniel Rafecas engagiert sich für die Aufarbeitung des argentinischen Staatsterrors zwischen 1976 und 1983. (© Daniel Rafecas (privat))
Wegen des Alters vieler Angeklagter wurde mitunter nur Hausarrest verhängt. Tatsächlich gibt es derzeit mehr, die ihre Haft unter diesen Bedingungen verbüßen (518) als in einem tatsächlichen Gefängnis (455).
Gemäß dem Verfassungsprinzip der Rechtmäßigkeit wurde in Argentinien zudem die Anwendung von Rechtsnormen wie Völkermord oder des gewaltsamen Verschwindenlassens ausgeschlossen.
Die „Comisión Interpoderes“ ist ein Komitee, in dem Vertreter aus allen drei Staatsgewalten, der Legislative, Exekutive und Judikative, vertreten sind. Es wurde vom Obersten Gerichtshof berufen und koordiniert die Verfahren wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Vgl. Centro de Información Judicial, Lesa humanidad: se llevó a cabo una reunión de la Comisión Interpoderes, convocada por la Corte, www.cij.gov.ar, 26.9.2016 sowie a.a.O, Presentan comisión para acelerar causas de lesa humanidad, 5.4.2009.
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0 | Grünkohl auftauen und durch ein Sieb die enthaltene Flüssigkeit abgießen.Schmalz in einem Topf schmelzen, Zwiebel und Knoblauch darin glasig anschwitzen. Grünkohl zufügen, mit der Hälfte der Brühe ablöschen, die Pinkel aus dem Darm drücken, mit dem Kohl mischen und alles bei geschlossenem Topf und geringer Hitze eine halbe Stunde köcheln lassen. Hin und wieder umrühren.Paprika waschen, entkernen, in kleine Würfel schneiden, in den Kohl einrühren und etwa 15 Minuten bei geringer Hitze mitgaren. Der Kohl sollte dann gar und weich, die Paprikawürfel aber noch Biss haben. Mit Senf, Salz und Pfeffer abschmecken.Zwischenzeitlich den Backofen auf etwa 50° Ober- und Unterhitze aufheizen, das ist wohl die unterste Stufe, aber sie reicht! Die Butterfischfilets darin erwärmen, nicht mehr.Zum Anrichten das Kohl-Pinkel-Paprika-Gemüse in die Tellermitte geben, den Butterfisch in passende Stücke schneiden, darauf setzen und mit dem gemörserten roten Pfeffer bestreuen. Als Beilage dazu kann ich mir eigentlich nur Kartoffeln vorstellen, am liebsten Pellkartoffeln. | 596 |
0 | Diese Wirtschaft wurde endlich Kaiser Otto I. zu toll. Er berief ein
Konzil und hier erfuhr er von dem "Heiligen Vater" höchst unheilige
Dinge. Die achtungswertesten Bischöfe traten gegen ihn als Ankläger auf.
Einer sagte, dass er gesehen, wie der Papst einen im Pferdestall zum
Bischof ordinierte. Andere bewiesen, dass er Bischofstellen für Geld
verkaufte und dass er einen zehnjährigen Knaben zum Bischof von Lodi
machte. Die Unzucht will ich hier übergehen, da sie zu viel Platz
wegnehmen würde. Man beschuldigte ihn ferner, dass er den
Kardinalsubdiakon kastriert, mehrere Häuser in Brand gesteckt, beim Wein
auf des Teufels Gesundheit getrunken und beim Würfelspiel oftmals Venus
und Jupiter angerufen habe. | 597 |
1 | Opposition in Venezuela: Dreifachkeule gegen Präsidenten
Die Opposition will Präsident Nicolás Maduro vorzeitig seines Amtes entheben. Es gibt mehrere Wege. Die Regierung warnt vor Protest.
Am internationalen Frauenkampftag präsentiert Präsident Maduro ein Bild von Hugo Chavez und seiner Mutter. Foto: dpa
BUENOS AIRES taz | Venezuelas Opposition macht Front gegen Präsident Nicolás Maduro. Mit Straßenprotesten, einem Abwahlreferendum und der Verkürzung seiner Amtszeit soll Maduro in den kommenden Monaten aus dem Amt gehebelt werden. Einen Rücktritt hatte der offiziell bis 2019 regierende Präsident mehrfach ausgeschlossen.
Seit den Parlamentswahlen verfügt die Opposition aus konservativen und Mitte-links-Abgeordneten über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament – und ringt mit der Regierung um die Macht. Doch innerhalb der Opposition herrscht Uneinigkeit.
Die Anhänger des inhaftierten Politikers Leopoldo López setzen auf den Druck von der Straße und haben bereits für kommenden Samstag zu landesweiten Protesten aufgerufen.
Die chavistische Regierungspartei warnte angesichts dessen vor einer Wiederholung der Protestwelle von 2014, bei der 43 Menschen gestorben waren. „Sie wollen die Straße für einen Staatsstreich mobilisieren, alles mit Unterstützung des nordamerikanischen Imperialismus,“ sagte der Regierungsabgeordnete Diosdado Cabello.
Die Opposition will außerdem eine Verfassungsänderung beschließen, um die Amtszeit des Präsidenten von sechs auf vier Jahre zu reduzieren. Maduros Zeit wäre dann 2017 abgelaufen. Statt Neuwahlen gäbe es allerdings eine Übernahme von Vizepräsident Aristóbulo Istúriz bis 2019.
Der frühere Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles pocht hingegen auf das in der Verfassung verankerte Referendum, mit dem der Präsident nach drei Amtsjahren abgewählt werden kann. Dafür müssen zuerst 200.000 oder ein Prozent der Wahlberechtigten eine Volksabstimmung anregen. Danach müssen abermals 20 Prozent der Wahlberechtigten der Durchführung des Referendums per Unterschrift zustimmen, knapp 3,9 Millionen Menschen.
Dieses Prozedere wurde schon einmal erfolgreich bei einem dann aber gescheiterten Referendum zur Abwahl von Hugo Chávez im Jahr 2004 angewendet. Noch gut im Gedächtnis der VenezolanerInnen ist, dass die Unterschriftenlisten anschließend größtenteils im Internet veröffentlicht wurden. Daraufhin wurden viele der dort aufgeführten Personen Opfer von Repressalien. | 598 |
0 | 14) In den Diamantenfeldern war die Ansicht allgemein verbreitet, daß
die in denselben arbeitenden Schwarzen ihren Chefs Diamanten von den
Feldern in die Heimat mitzubringen verpflichtet wurden. Ich glaube
nicht, daß dies regelmäßig geschieht und von allen Eingebornen-Chefs
gefordert wird, doch von manchen Häuptlingen, wie von Secoccuni und
anderen geschah es _ganz sicher_; daß jedoch viele Betschuana's ihre
Makalahari- und Barwadiener nach den Diamantenfeldern zur Arbeit senden,
ohne daß deren Häuptlinge von diesen Diebstählen wissen, ist ebenso
gewiß. Die Haupturheber der zahllosen an den Diggers von Seite ihrer
farbigen Diener begangenen Diebstähle sind jedoch weniger die
unwissenden Eingebornen, sondern jene Bande von verkommenen Weißen und
Halfcasts, welche eine wahre Plage der Diamantenfelder sind, und
trotzdem viele von ihnen von dem Arme der Gerechtigkeit erreicht wurden,
ihr Unwesen noch lange forttrieben. Die Behörde hält sich natürlich in
erster Linie an den factischen Verbrecher, sie trachtet aber auch den
Anstifter zu eruiren. In dem Falle in dem ein Weißer oder Halfcast der
Schuldige war, wird der Dieb dies sofort eingestehen, dagegen wohl nie,
wenn der Dieb von seinen Angehörigen, von seinen gleichfarbigen Herren
daheim, nach dem Diamanten-District _»zur Arbeit«_ gesendet wurde. Die
Meisten erdulden ihre Strafe, ihre Lasches und ihr bis dreijähriges
Gefängniß, ohne etwas zu verrathen, daheim hätten sie im
entgegengesetzten Falle die Rache ihrer Herren zu fürchten. | 599 |
Subsets and Splits
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